Vor 150 Jahren wurde der Komiker Al Shean in Dornum geboren
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Vor 150 Jahren wurde der Komiker Al Shean in Dornum geboren

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Harmonierten auf der Bühne perfekt: Marx-Brothers-Onkel Al Shean und Ed Gallagher. - Foto: Jürgens
Harmonierten auf der Bühne perfekt: Marx-Brothers-Onkel Al Shean und Ed Gallagher. © Jürgens

Dornum/New York - Von Werner Jürgens. Dass Minnie Marx, die Mutter der legendären Marx Brothers, als Miene Schönberg in Ostfriesland geboren wurde, wissen viele. Zumindest in Deutschland weitaus weniger bekannt dürfte ihr jüngerer Bruder Abraham Elieser Albert Schönberg sein.

Der erblickte, genau wie seine Schwester, ebenfalls in Dornum das Licht der Welt, und zwar vor 150 Jahren am 12. Mai 1868. Innerhalb der Familie war er der erste, der unter dem Künstlernamen Al Shean im Showgeschäft Fuß fassen konnte und seinen Neffen nicht nur als Vorbild den Weg dorthin ebnete.

Das Faible für die Bühne bekamen die Geschwister Miene und Albert quasi in die Wiege gelegt. Galt doch Vater Levy bereits in Ostfriesland als begnadeter Bauchredner, während Mutter Fanny als singende Harfenistin für Furore sorgte. Um 1880 wanderte die Familie nach New York aus, wo Miene sich in Minnie umbenannte. 1885 heiratete sie Sam Marx, dem sie sechs Söhne gebären sollte. Die Hochzeit wurde im Nachhinein etwas zurückdatiert, damit Minnie ein uneheliches Kind ihrer Schwester Hannah als eigenes ausgeben konnte.

Über die ersten Jahre ihres Bruders Albert in Amerika ist wenig bekannt. Schon daran, welchen deutschen Vornamen er anfänglich benutzte, scheiden sich die Geister. Statt Albert nannte er sich, je nach Quelle, Alfred oder Adolf bzw. Adolph Schönberg. Sehr wahrscheinlich bestritt er seinen Lebensunterhalt mit Nebenjobs. Laut seinen eigenen Erzählungen bügelte er in einer Fabrik Hosen und arbeitete am Theater als Platzanweiser.

Gesangsgruppe gegründet

1888 gründete Schönberg unter seinem Künstlernamen Al Shean die Gesangsgruppe „Manhattan Quartet“, mit der er durch Varietés, Casinos und Bierhallen tingelte. Die Auftritte mit fünf Tiroler Jodlern und einer wohl etwas zu grobschlächtig geratenen teutonischen Sängerin stießen bei der Kritik aber kaum auf nennenswerte Resonanz. Al Shean beschloss daraufhin, das Repertoire mehr in Richtung Comedy auszubauen. 

Das meiste Material – hauptsächlich Sketche, Einakter oder kurze komische Opern – stammte aus seiner Feder. Als „Manhattan Comedy Four“ gelangte die Truppe ab Mitte der 1890er-Jahre in den wichtigen „Vaudeville Circuit“, der ihnen lukrative Engagements an etablierten Häusern garantierte.

Al Shean verdiente damit anscheinend nicht schlecht. Jedenfalls steht in den Memoiren der Marx Brothers zu lesen, dass sie sich gut daran erinnern konnten, wie ihr Onkel jedes Mal, wenn er seine Neffen besuchen kam, einen Spazierstock mit goldenem Knauf trug. Darüber hinaus verteilte er stets fleißig Kleingeld an die Nachbarskinder, sobald die neugierig nach draußen geeilt waren, um einen Blick auf den Superstar aus ihrem Viertel zu erhaschen.

Privat konnten sie sich nicht ausstehen

Nachdem sich das Comedy-Quartett um die Jahrhundertwende trotz der Erfolge aufgelöst hatte, versuchte Al Shean sein Glück im Duett und fand 1910 mit Ed Gallagher schließlich seinen kongenialen Partner. Als „Gallagher and Shean“ mauserte sich das Duo über zwei Dekaden zu einer landesweit gefragten Vaudeville-Bühnensensation und schaffte es bis an den Broadway zu den „Ziegfeld Follies“.

Ihre Comedy-Nummern basierten hauptsächlich auf doppeldeutigen Wortspielereien, die gesprochen oder gesungen wurden. Ein markantes Element waren wiederkehrende Floskeln wie der Dialog: „Positively, Mister Gallgaher?“ – „Absolutely, Mister Shean!“ (sinngemäß übersetzt: „Tatsächlich, Herr Gallagher?“ – „Aber sicher doch, Herr Shean!“). Damit landete das Duo in den 20er-Jahren zudem einen Schallplattenhit, der später von Entertainment-Ikonen wie Bing Crosby, Johnny Mercer oder Dean Martin gecovert werden sollte. Während „Gallagher and Shean“ auf der Bühne perfekt harmonierten, konnten sich die zwei privat nicht ausstehen. 1914 gingen sie deshalb zunächst getrennte Wege, bis Sheans Schwester Minnie Marx sie erneut zusammen brachte.

Die ostfriesische Familienbande war über all die Jahre nie gerissen. Selbst wenn die schriftlichen Unterlagen bis heute verschollen geblieben sind, gilt als ziemlich sicher, dass die erste professionelle Vaudeville-Show der Gebrüder Groucho, Harpo, Chico und Gummo Marx von ihrem Onkel Al geschrieben wurde. 

„Home Again“, so der Titel des Programms, haben die Marx Brothers ab September 1914 mindestens vier Jahre lang in unterschiedlichen Besetzungen aufgeführt. Da für Harpo lediglich einige wenige Zeilen vorgesehen waren, machte der aus der Not eine Tugend und trainierte zu dieser Zeit sein pantomimisches Talent für seine Rolle als stummer Beteiligter.

Viele Gags werden wiederverwendet

Viele Gags, die Shean in seinen Shows verwendete, sollten später in den Filmen der Marx Brothers auftauchen. Analog dazu benutzte speziell Groucho Marx in einigen seiner Sketche einen deutschen Akzent, wie ihn auch sein Onkel gern als Stilmittel einsetzte. Der stand ab 1925 wieder ohne Partner da. Nach diversen aufreibenden Beziehungen mit zum Teil erheblich jüngeren Frauen erlitt Ed Gallagher zwei Nervenzusammenbrüche und verstarb 1929 im Alter von nur 55 Jahren in einem Sanatorium.

Kurz darauf verlor Al Shean beim großen Börsen-Crash nahezu sein komplettes Vermögen und musste als 61-Jähriger noch einmal ganz von vorne anfangen. Zum Glück konnte er im aufstrebenden Filmgeschäft in Hollywood Fuß fassen. Schon 1925 hatte er zusammen mit Ed Gallagher in einem frühen Tonfilm mitgewirkt. Trotz seiner enormen Erfahrung und Reputation wurde er jetzt jedoch in der Regel allenfalls als Nebendarsteller engagiert.

Immerhin reichte das, um über die Runden zu kommen und nebenbei an der Seite von Stars wie Clark Gable, Spencer Tracy, Louis Armstrong, Shirley Temple oder Judy Garland auf der Kinoleinwand zu reüssieren. Sogar „Gallagher and Shean“ erlebten eine kurze Renaissance, wobei Charles Winninger den Part des gestorbenen Ed Gallagher übernahm.

Insgesamt drehte Al Shean etwa drei Dutzend Filme. Ein letztes Mal taucht er, wiederum als „Mister Shean“, in der im September 1944 erschienenen musikalischen Romanze „Atlantic City“ auf. Knapp fünf Jahre danach, am 12. August 1949, starb der Onkel der berühmten Marx Brothers im Alter von 81 Jahren. „Eigentlich wollte ich ja Arzt werden“, gestand Groucho Marx 1954 in einem Interview. Nachdem er aber herausgefunden hatte, dass sein Onkel als Komödiant bis zu 250 Dollar pro Woche einstreichen durfte, während Doktoren alle bloß um die 18 Dollar verdienten, „beschloss ich, den hippokratischen Eid lieber sausen zu lassen und entschied mich für das Show-Business“, so Groucho Marx weiter in dem Interview.

Wie sehr er seinen Onkel schätzte, bezeugte er noch einmal eindrucksvoll bei einem Fernsehauftritt im Jahr 1967 in der „Jackie Gleason Show“. Dort präsentierte der inzwischen selbst reichlich betagte Neffe gemeinsam mit dem Gastgeber als kleine Verbeugung vor seinem Verwandten aus Ostfriesland seine eigene Version von dessen Vaudeville-Klassiker „Gallagher and Shean“.

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