Ein Buch („Into the Wild“, Jon Krakauer) machte seine Geschichte bekannt, ein Film („Into the Wild“, 2007 von Sean Penn) stilisierte ihn zum traurigen Helden: Die Weltenflucht des jungen US-Amerikaners Christopher „Chris“ McCandless, die 1992 tödlich endete, bewegt bis heute die Fantasie von Menschen aus aller Welt.
Mehr noch, immer wieder versuchten zumeist junge Menschen, jenen legendären „Magic Bus“ zu erreichen, in dem McCandless bis zu seinem Tode in der Wildnis Alaskas lebte. Zwei Wanderer starben bei ihrem Weg zum Wrack, Hunderte andere mussten in teils aufwendigen Rettungsaktionen geborgen werden.
Zuviel für die Verwalter des Naturparks. Sie entschieden, dass das traurige Mahnmal wegmuss. Vergangene Woche war es dann so weit: Ein Helikopter der Nationalgarde hob das Wrack in die Höhe und transportierte es britischen und US-Medien zufolge an einen bisher unbekannten Ort.
„Gefahr für die Besucher“
„Es handelt sich um ein verlassenes Fahrzeug in schlechtem Zustand, das eine Gefahr für die Besucher ist und kostspielige Rettungsmaßnahmen erfordert. Schlimmer aber ist, dass es einige Menschen das Leben gekostet hat“, wird Kommissarin Corri Feige vom National Department im „Guardian“ zitiert. Wie sie weiter erklärte, sei der Bus im Rahmen einer Ausbildungsmission „ohne Kosten für die Öffentlichkeit oder den Staat“ verlegt worden.
Zudem sei ein Koffer mit persönlichen Gegenständen des Verstorbenen für die Angehörigen sichergestellt worden, hieß es. Wohin der „Magic Bus“ geflogen wurde, ist nicht bekannt. Vorerst soll er eingelagert, langfristig jedoch wieder zugänglich gemacht werden.
Zuletzt wog McCandless nur noch 30 Kilogramm
Mit dem Abtransport verschwindet ein teils mystischer, teils makaberer Gedächtnisort, nicht jedoch das Gedenken an einen Mann, den die einen für einen Freidenker, die anderen einfach nur für einen weltfremden Spinner hielten. Begonnen hatte die Geschichte im April 1992, als ein Autofahrer den jungen Tramper - der nach seinem Uniabschluss ohne Abschied von Familie und Freunden zu einer Reise quer durch die USA aufgebrochen war - auf der Straße Stampede Trail absetzte. Dort, inmitten der Wildnis Alaskas, verlor sich seine Spur zunächst.
Der damals 24 Jahre alte McCandless entdeckte dann auf seiner Wanderung in der Einöde einen verlassenen Bus aus den Vierzigerjahren, den er zu seinem behelfsmäßigen Zuhause machte. 114 Tage soll er dort gelebt haben, der Wild-Camper führte in der Zeit ein Tagebuch, das in Teilen erhalten ist.
Im August 1992 entschloss er sich dann, in die Zivilisation zurückzukehren. Er schaffte es jedoch nicht, einen damals Hochwasser führenden Fluss zu überqueren. Auf 30 Kilo abgemagert, starb er wenig später. Der Verzehr von giftigen Pflanzensamen dürfte, so recherchierte es damals der Schriftsteller Jon Krakauer mittels eines medizinischen Gutachtens, zu seinem Tode beigetragen haben.
Seine Leiche wurde im September 1992 gefunden, in eben jenem „Magic Bus“, dazu eine letzte Botschaft des jungen Mannes: „Ich hatte ein glückliches Leben und danke dem Herrn. Auf Wiedersehen und möge Gott euch segnen.“
Lange galt Christopher „Chris“ McCandless nur als abenteuerlustiger Aussteiger, bis seine Schwester Carine im Jahr 2015 in einem Buch („Wild Truth. Die wahre Geschichte des Aussteiger-Idols aus ‚Into The Wild‘“) die familiären Hintergründe seines Abtauchens enthüllte. Sie wies in einem Interview mit WELT darauf hin, dass ihr Bruder vor häuslicher Gewalt und einer toxischen Familienkonstellation geflohen war, eine Darstellung, die von den Eltern beider damals umgehend öffentlich zurückgewiesen wurde.
Den Bus, in dem ihr Bruder starb, hat Carine McCandless selbst mehrfach besucht. Dass er zur Wallfahrtsstätte geworden war, störe sie nicht, erklärte sie WELT damals: „Jeder darf diesen Ort besuchen, so wie ich es getan habe. Die Menschen, die kommen, sind von Chris inspiriert. Sie wollen ihm nah sein, und was vielleicht noch wichtiger ist, sie wollen sich selbst spüren.“