Gerd Poppe

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Gerd Poppe 2011

Gerd Poppe (* 25. März 1941 in Rostock) ist ein deutscher Politiker. Bekannt wurde er als Bürgerrechtler in der DDR. Nach der friedlichen Revolution war er Minister ohne Geschäftsbereich der DDR, später Politiker bei Bündnis 90/Die Grünen und erster Beauftragter der Bundesregierung für Menschenrechtspolitik und humanitäre Hilfe.

Leben[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Poppe studierte von 1959 bis 1964 Physik an der Universität Rostock und arbeitete von 1965 bis 1976 als Physiker im Halbleiterwerk Stahnsdorf. Seit 1968 war er in oppositionellen Kreisen aktiv, 1975 sechs Monate Bausoldat. Wegen seines Protestes gegen die Ausbürgerung Wolf Biermanns wurde 1976 eine Einstellungszusage der Akademie der Wissenschaften zurückgezogen. Er arbeitete bis 1984 als Maschinist in einer Berliner Schwimmhalle und bis 1989 als Ingenieur im Baubüro des Diakonischen Werkes.

Gerd Poppe (Mitte) 1990, links Tatjana Böhm und Klaus Schlüter, rechts Hans Modrow

1985/86 war Poppe Mitbegründer der Initiative Frieden und Menschenrechte (IFM). Er war Mitherausgeber und Autor mehrerer illegaler Samisdat-Publikationen: grenzfall (1986), SPUREN. Zur Geschichte der Friedensbewegung in der DDR (1988), Fußnote 3 (1988), Ostkreuz (1989). Die Staatssicherheit hat ihn seit Ende der 1960er Jahre intensiv überwacht und mit Zersetzungsmaßnahmen überzogen. Aus zahllosen abgehörten Telefongesprächen wird allerdings ersichtlich, dass ihn und seine Frau Ulrike Poppe dies nicht einschüchterte oder in seinem politischen Engagement beirren konnte.[1]

Von 1989 bis 1990 war er Sprecher und Vertreter der IFM am Zentralen Runden Tisch. Von Februar bis April 1990 war er Minister ohne Geschäftsbereich der DDR und von März bis Oktober stellvertretender parlamentarischer Fraktionsführer der Volkskammerfraktion von Bündnis 90.

Von 1990 bis 1998 war Poppe Mitglied des Deutschen Bundestages und außenpolitischer Sprecher der Abgeordnetengruppe bzw. Fraktion Bündnis 90/Die Grünen. Danach war er von 1998 bis 2003 Beauftragter der Bundesregierung für Menschenrechtspolitik und humanitäre Hilfe und war von 1998 bis 2021 Mitglied des Vorstandes der Bundesstiftung zur Aufarbeitung der SED-Diktatur.[2]

Gerd Poppe hat aus erster Ehe zwei Kinder, darunter die Schriftstellerin Grit Poppe (* 1964).[3] Er war von 1979 bis 1997 in zweiter Ehe mit Ulrike Poppe verheiratet, die ebenfalls in der Bürgerrechtsbewegung aktiv war. Auch mit ihr hat er zwei Kinder.[4]

Veröffentlichungen[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  • Einheit und Identität der Deutschen in Ost und West. In: Markierungen. Auf dem Weg zu einer gesamtdeutschen Verfassung. Bad Boll 1990, S. 124–155.
  • Bürgerbewegung im Parlament. In: Vorgänge 110 (ZS). Opladen 1991, S. 78–85.
  • Der Staatsfeind im Wohnzimmer. In: Peter Böthig, Klaus Michael (Hrsg.): MachtSpiele. Leipzig 1993, S. 228–241.
  • Um Hoffnung kämpfen. In: Lukas Beckmann, Lew Kopelew (Hrsg.): Gedenken heißt erinnern – Petra K. Kelly, Gert Bastian. Göttingen 1993, S. 56–58.
  • Auf dem Weg von der Diktatur in die Normalität. In: Rita Süssmuth, Bernward Baule (Hrsg.): Eine deutsche Zwischenbilanz. München 1997, S. 187–195.
  • Immer in heller Aufregung – Die Kunst des Unmöglichen. In: Petra K. Kelly: Lebe, als müsstest Du heute sterben. Texte und Interviews. Düsseldorf 1997, S. 233–239.
  • Begründung und Entwicklung internationaler Verbindungen. In: Eberhard Kuhrt (Hrsg.): Opposition in der DDR von 70er Jahren bis zum Zusammenbruch der SED-Herrschaft. Opladen 1999, S. 349–377.
  • Das Haus der Parlamentarier. In: Hans Wilderotter (Hg.): Das Haus am Werderschen Markt. Berlin 2000, S. 253–262.
  • Mehr als Prinzipientreue. Wie werden die Menschenrechte die deutsche Politik leiten? In: FAZ, 4. Januar 2000.
  • Der Internationale Strafgerichtshof. In: Jahrbuch Menschenrechte 2002. Frankfurt/M. 2001, S. 199–209.
  • Menschenrechtspolitik und humanitäre Hilfe in Afrika. In: Susan Arndt (Hrsg.): AfrikaBilder. Studien zu Rassismus in Deutschland. Unrast, Münster 2001, ISBN 3-89771-407-8, S. 436–446.
  • Nicht nur eine Addition… In: Heinrich-Böll-Stiftung, Werner Schulz (Hrsg.): Der Bündnis-Fall. Bremen 2001, S. 87–96.
  • Der lange Weg zur gerechten Herrschaft. In: Hartmut Koschyk (Hg.): Begegnungen mit Kim Dae-jung. München 2002, S. 93–103.
  • Wahrheit und Öffentlichkeit – Ludwig Mehlhorns Beitrag zum Ende des Kommunismus. In: Stephan Bickhardt (Hrsg.): In der Wahrheit leben. Leipzig 2012, S. 242–247.

Literatur[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  • Reinhard Weißhuhn (Hg.): Gesteinssammlung. Festschrift für Gerd Poppe zum 50. Geburtstag im März 1991. Berlin 1991.
  • Hagen Findeis, Detlef Pollack, Manuel Schilling: Die Entzauberung des Politischen: Was ist aus den politischen alternativen Gruppen in der DDR geworden? Interviews mit führenden Vertretern, Leipzig 1994.
  • Ehrhart Neubert: Geschichte der Opposition in der DDR 1949–1989. (= Schriftenreihe. Band 346). Bundeszentrale für politische Bildung, Bonn 1997, ISBN 3-89331-294-3.
  • Ilko-Sascha Kowalczuk (Hrsg.): Freiheit und Öffentlichkeit. Politischer Samisdat in der DDR 1985–1989. (= Schriftenreihe des Robert-Havemann-Archivs. Nr. 7). Robert-Havemann-Gesellschaft, Berlin 2002, ISBN 3-9804920-6-0.
  • Ilko-Sascha Kowalczuk, Tom Sello (Hrsg.): Für ein freies Land mit freien Menschen. Opposition und Widerstand in Biographien und Fotos. Robert-Havemann-Gesellschaft, Berlin 2006, ISBN 3-938857-02-1.
  • Danuta Kneipp: Im Abseits. Berufliche Diskriminierung und politische Dissidenz in der Honecker-DDR. Köln, Weimar, Wien 2009.
  • Ilko-Sascha Kowalczuk: Endspiel. Die Revolution von 1989 in der DDR. C.H. Beck, München 2009, ISBN 978-3-406-58357-5.
  • Jan Wielgohs: Poppe, Gerd. In: Wer war wer in der DDR? 5. Ausgabe. Band 2. Ch. Links, Berlin 2010, ISBN 978-3-86153-561-4.
  • Martin Gutzeit, Helge Heidemeyer, Bettina Tüffers (Hg.): Opposition und SED in der Friedlichen Revolution. Organisationsgeschichte der alten und neuen Gruppen 1989/90. Düsseldorf 2011.
  • Christin Leistner: Gerd Poppe. Ein unangepasstes Leben in der DDR. Stuttgart 2013, ISBN 978-3-8382-0500-7.

Weblinks[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Commons: Gerd Poppe – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  1. Das ist gut nachvollziehbar u. a. in folgender Dokumentation: Ilko-Sascha Kowalczuk, Arno Polzin (Hrsg.): Fasse dich kurz! Der grenzüberschreitende Telefonverkehr der Opposition in den 1980er Jahren und das Ministerium für Staatssicherheit. Vandenhoeck & Ruprecht, Göttingen 2014, ISBN 978-3-525-35115-4.
  2. 3. Stiftungsvorstand der Bundesstiftung zur Aufarbeitung der SED-Diktatur
  3. Biografisches
  4. Hermann Wentker: Von der Friedens- und Menschenrechtsbewegung zur friedlichen Revolution - Ulrike Poppe (Jg. 1953). In: Bastian Hein, Manfred Kittel, Horst Möller (Hrsg.): Gesichter der Demokratie. Portraits zur deutschen Zeitgeschichte. S. 343–359, hier 347.