Zum 90. Geburtstag unseres Mitglieds Professor Dr. Heinz Kautzleben

Heinz Kautzleben beim Vortrag in der Leibniz-Sozietät am 10.9.2020 (Foto: Dietmar Linke)

Der Geowissenschaftler Heinz Kautzleben (* 31. März 1934) kann anlässlich seines 90. Geburtstages auf ein bemerkenswertes Lebenswerk zurückblicken. Einer Handwerkerfamilie in der mitteldeutschen Kleinstadt Kelbra am Kyffhäuser entstammend, studierte er ab 1952 Geophysik an der Universität Leipzig (1953 in Karl-Marx-Universität Leipzig umbenannt). Das Studium schloss er 1957 als Diplom-Geophysiker ab. Die Geophysik und insbesondere die Geomagnetik waren von nun an Schwerpunkt seines Interesses und seiner wissenschaftlichen Aktivitäten. Im sich anschließenden beruflichen Abschnitt seines Lebens bekamen für ihn zusätzlich die Kosmoswissenschaften eine große Bedeutung. Im Wissensgebiet der Geo- und Kosmoswissenschaften werden verschiedene etablierte Disziplinen von der Geographie bis zur Kosmologie zusammengefasst. Zusammengenommen geht es dabei um die allseitige Erforschung des engeren und weiteren Lebensraumes der Menschheit mit dem Ziel, ein tieferes Verständnis der Erde und des Weltalls einschließlich der Stellung des Menschen im Universum zu erhalten. Diesem Ziel hat sich Heinz Kautzleben über viele Jahrzehnte bis heute verschrieben.

Unmittelbar nach dem Abschluss des Studiums begann für Heinz Kautzleben eine beeindruckende berufliche Entwicklung als Wissenschaftler in akademischen Einrichtungen der DDR (Deutsche Akademie der Wissenschaften, DAW; Akademie der Wissenschaften der DDR, AdW). Mit großem Interesse verfolgte er 1957, im Internationalen Geophysikalischen Jahr, den Start des ersten künstlichen Erdsatelliten und erlebte unmittelbar die beginnende internationale geophysikalische Kooperation mit. 1960 konnte er erstmalig an einer Generalversammlung der International Union of Geodesy and Geophysics (IUGG) teilnehmen. In den darauffolgenden Jahren promovierte er zum Dr. rer. nat. (1962) und habilitierte zum Dr. rer. nat. habil. (1965). 1968 wurde Heinz Kautzleben amtierender Direktor des Geodätischen Institutes Potsdam der DAW. Ein Jahr später folgte die Ernennung zum Professor für Geophysik an der DAW durch Akademiepräsident Hermann Klare. Ab 1969 war er Stellvertretender Direktor und ab 1973 Direktor des Zentralinstitutes für Physik der Erde (ZIPE) der Akademie in Potsdam. Bis 1988 leitete er mit hohem Engagement und beachtlichen Erfolgen dieses Institut. Der internationalen wissenschaftlichen Zusammenarbeit maß er immer eine besondere Bedeutung bei. Das zeigte sich anfangs in der International Association of Geomagnetism and Aeronomy und ab 1971 in der International Association of Geodesy. Hier war er ab 1975 Mitglied des Exekutivkomitees und ab 1987 Vizepräsident. Seit Mitte der 1970er Jahre engagierte sich Heinz Kautzleben in den Akademien der sozialistischen Länder zur planetaren Geophysik. Er war Mitglied und stellvertretender Vorsitzender des Koordinierungskomitees Interkosmos (KoKo-Interkosmos). Im Interkosmos-Programm wurde Raumfahrern verschiedener Nationen, darunter der deutsche Kosmonaut Sigmund Jähn, die Teilnahme an sowjetischen Raumflügen ermöglicht. Im ZIPE wurde unter Leitung von Heinz Kautzleben ein Teil der wissenschaftlichen Experimente vorbereitet, die Sigmund Jähn während seines Weltraumfluges im Sommer 1978 durchgeführt hat.

1978 erhielt Heinz Kautzleben den Nationalpreis der DDR für Wissenschaft und Technik III. Klasse „Für seine wissenschaftlichen Ergebnisse auf dem Gebiet der Struktur des Erdkörpers“. Im darauffolgenden Jahr wurde er zum Korrespondierenden Mitglied der Gelehrtengesellschaft der AdW gewählt. Unter seiner maßgeblichen Mitwirkung begann dort kurze Zeit später die Tätigkeit der Klasse Geo- und Kosmoswissenschaften. Schließlich erfolgte 1987 seine Wahl zum Ordentlichen Mitglied der Gelehrtengesellschaft. Seit 1986 ist er Ehrenmitglied der Ungarischen Akademie der Wissenschaften. Weitere hohe Auszeichnungen für Heinz Kautzleben waren 1984 der Orden „Banner der Arbeit“ und der „Vaterländische Verdienstorden“ der DDR.

Im Zuge der politischen Ereignisse von 1989 bis 1992 erfolgte die Auflösung der Akademie der Wissenschaften der DDR und der Gelehrtengesellschaft der AdW. Die „Gelehrtensozietät“ wurde staatlicherseits ab Mitte 1992 nicht mehr als Körperschaft des öffentlichen Rechtes anerkannt. Nur wenige Monate später setzte die nunmehr ehemalige „Gelehrtensozietät“ ihre wissenschaftlichen Sitzungen fort. Heinz Kautzleben war in dieser schwierigen Situation von Beginn an daran beteiligt, unter den geänderten Bedingungen Veranstaltungen zu organisieren und den wissenschaftlichen Austausch fortzusetzen. Folgerichtig gehörte er 1993 zu den Gründern der Leibniz-Sozietät, in der viele der ehemaligen Mitglieder der Gelehrtengesellschaft der AdW eine neue wissenschaftliche Heimat fanden. Am 16. Juni 1994 hielt er in der Leibniz-Sozietät seinen ersten Vortrag mit dem Titel „Neue Ziele der Geowissenschaften“. Bis heute hat Heinz Kautzleben in Klassensitzungen, Plenarveranstaltungen und Kolloquien der Leibniz-Sozietät fast 50 Vorträge gehalten. Hohes Engagement in der Leibniz-Sozietät war für ihn von Anfang an Herzenssache. So engagierte er sich viele Jahre in Funktionen der neuen Gelehrtengesellschaft, vor allem als Geschäftsführer der „Stiftung der Freunde der Leibniz-Sozietät“ und als Sprecher des Arbeitskreises „Geo-, Montan-, Umwelt-, Weltraum- und Astrowissenschaften“ (GeoMUWA). Auch als Privatgelehrter im Ruhestand setzte und setzt sich Heinz Kautzleben mit ganzer Kraft für die Belange der Leibniz-Sozietät ein, beteiligt sich mit Beiträgen an aktuellen Diskussionen, gibt wertvolle Hinweise an jüngere Kollegen und nimmt regelmäßig an den Veranstaltungen teil, auch wenn das in jüngerer Zeit meist nur noch vom heimischen Arbeitsplatz aus möglich ist.

Die Leibniz-Sozietät der Wissenschaften zu Berlin e.V. ist, und darauf weist Heinz Kautzleben immer wieder mit Nachdruck hin, die heutige Form der Gelehrtengesellschaft, deren Gründungspräsident Gottfried Wilhelm Leibniz war. Die damit verbundene Tradition und die verpflichtende Leibniz’sche Maxime „theoria cum praxi et commune bonum“ sowie die Devise „man müsste gleich anfangs das Werck samt der Wissenschaft auf den Nuzen richten“ hat bei ihm einen ausgesprochen hohen Stellenwert. In seinen Vorträgen und Publikationen hat er die Ergebnisse seiner Arbeit umfassend dargelegt und damit gleichzeitig Orientierung gegeben, wohin sich die Forschung auf seinem Fachgebiet weiterentwickeln sollte. Dabei behält er bis heute immer die Vordenker im Auge, organisiert Kolloquien zu Wissenschaftsjubiläen und die Ehrung bedeutender Persönlichkeiten. 2008 erhielt er als Anerkennung für seinen außergewöhnlichen Einsatz zur Förderung des Zwecks und für die Erfüllung der Arbeiten der Leibniz-Sozietät die Daniel-Ernst-Jablonski-Medaille.

Die Kolleginnen und Kollegen der Leibniz-Sozietät schätzen es außerordentlich, Heinz Kautzleben als Mitglied und Mitstreiter zu wissen und wünschen ihm alles Gute zum 90. Geburtstag, vor allem Gesundheit und eine noch lange währende Teilnahme am wissenschaftlichen und gesellschaftlichen Leben.

Gerhard Pfaff, Dietrich Spänkuch