Trailer und Kritik Film „3 Tage in Quiberon“ - WELT
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Kultur Romy-Schneider-Biopic

„Das ist kein Interview mehr, das ist reine Manipulation“

„3 Tage in Quiberon“ - Das Interview mit Romy Schneider

Robert Lebecks Bilder von Romy Schneider gingen um die Welt. Aufgenommen in einem Urlaub in Quiberon, in dem sie gleichzeitig ihr letztes großes Interview gab und sich dabei komplett öffnete.

Quelle: WELT

Autoplay
Emily Atefs „3 Tage in Quiberon“ zeigt die Höllenqualen der Romy Schneider bei einem ihrer letzten Interviews. Es ist ein Lehrstück über Ruhm und Selbstzerstörung – und ein Triumph für Marie Bäumer.

Zu Beginn fährt die Kamera langsam von hinten auf einen Pferdeschwanz, Wind verfängt sich im Haar. Die Frau hält eine Marlboro in der Hand und blickt aufs Meer. Dann sehen wir ihr Gesicht. Es ist nicht das von Romy Schneider, sondern das von Marie Bäumer, aber das vergessen wir schon in dem Augenblick, als sie den Rauch ausbläst. Nicht, weil Marie Bäumer seit Jahren eine frappierende Ähnlichkeit mit Romy Schneider nachgesagt wird, sondern weil sie sich durch die nun folgenden schmerzhaften 120 Minuten nicht als ein hübsches Double hindurchspielt, sondern ganz bei sich bleibt.

Bäumer ist mit ihren 48 Jahren älter, als es Romy Schneider in jenem April 1981 an der bretonischen Küste war, gleichwohl wirkt Bäumer viel frischer und jünger. Auch versucht Marie Bäumer erst gar nicht, das leichte, charmante Österreichisch zu adaptieren. Marie Bäumer ist nicht Romy Schneider, so banal die Erkenntnis, und sie ist es doch, so überwältigend das Gefühl, das sich einstellt. Da ist es wieder, dieses Gesicht, einem Mythos gleich.

Ein Gesicht, in dem sich einst alles spiegelte: das Abgründige, das Erotische, die Verzweiflung, die Liebe, der Hass und der frühe Tod 1982, den Romy Schneider schon ebenso früh in sich zu tragen schien. Wie auch die unfassbare Trauer einer Mutter, noch lange bevor ihr Sohn David auf schmiedeeiserne Spieße in den Tod stürzte.

Eine Synthese aller Frauen

Romy Schneider war die „Synthese aller Frauen“, wie es ihr Regisseur Claude Sautet einmal sagte. Eine moderne Frau, die trotz der eigenen Verletzlichkeit den Männern (in ihren Filmen) gegenüber auf Konfrontation zu gehen vermochte, sich ihnen selbstbewusst widersetzte, ihnen ihre Unzulänglichkeiten und Schwächen schmerzlich bewusst machte.

Im wahren Leben war das, wie wir wissen, schon schwieriger, da konnte sie – anders als auf der Leinwand – angeblich „nichts“. Zumindest glaubt man, davon eine Ahnung zu bekommen, wenn man nach all den Jahren einige ihrer Filme noch einmal sieht, die sommerleichte Ménage-à-trois „César und Rosalie“ etwa (in der ihr Yves Montand fast die Show stiehlt, aber eben nur fast) oder das komödienhafte Ehebrecherdrama „Das wilde Schaf“, in dem sie nur mit einem beigen Trenchcoat bekleidet das Liebesnest betritt.

C¿SAR UND ROSALIE 12. Woche SENDETERMIN: SO180301 ZDF 2335 Von der Verletzbarkeit der Gefühle erzählt der Film "C¿sar und Rosalie", in dem die unvergessene ROMY SCHNEIDER den Part der Rosalie spielt. B103208-0-53513 , 18kpaCesar3 | Verwendung weltweit
Was für ein Gesicht: Romy Schneider in "César und Rosalie"
Quelle: picture-alliance / KPA Honorar u

Oder man blättert sich am besten gleich durch einen der ihr gewidmeten, opulenten Bildbände, weil man dort ohne störende Regieanweisungen nur Großaufnahmen ihres faszinierenden Gesichts zu sehen bekommt. Dieser Anblick, der die meisten Filme, es waren rund 60, so erträglich macht; manche waren sogar richtig gut – wie „Die Dinge des Lebens“.

Romy Schneider war davon weniger überzeugt. Sie glaubte, dass die meisten nicht viel taugten, das darf man ihrer Biografin Alice Schwarzer in diesem Fall ruhig abnehmen: „Gegen Ende ihres Lebens geht die selbstkritische Romy Schneider selbst die Liste ihrer 59 Filme durch und kreuzt zehn als ‚gut‘ an“, so Schwarzer. „Es bedrückt sie, dass kein wirklich überragender Film dabei ist.“

Alice Schwarzer traf Romy

Schwarzer trifft sich mit Romy Schneider im Jahr 1976 für ein langes Gespräch und muss bei dieser Gelegenheit auch diese Anekdote loswerden: „Noch nachts um eins beschwätzte sie mich weiterzureden und kam – nicht ohne im Restaurant zwei, drei Flaschen Champagner zu greifen – mit mir nach Hause. Es wurde eine lange Nacht. Und ich begann zu ahnen, dass Romys lange Nächte viel mit ihrer Angst vor Einsamkeit zu tun haben.“

Letzteres klingt ausgerechnet aus Schwarzers Munde ein wenig nach machohaftem Frauenversteherpathos. Immerhin ein Versuch, die Psyche dieses damals so großen Stars in Europa (in den USA hat es nie so wirklich geklappt), dieses Lieblings der Franzosen zu beschreiben. Müsste man den Film „3 Tage in Quiberon“ in einem Satz zusammenfassen, der von Schwarzer träfe ihn jedenfalls recht gut. Es war nämlich eine gute Entscheidung der Regisseurin Emily Atef, ihn auf drei lange Nächte und eben so viele katerdurchwachte Tage, die sich so oder so ähnlich tatsächlich zugetragen haben, zu beschränken.

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Anstatt ein Leben mit der verhassten „Sissi“, dem geliebten Alain Delon am „Swimmingpool“, dem Wirbel um den berüchtigten Talkshowsatz „Sie gefallen mir, Sie gefallen mir sehr“, dem Selbstmord ihres Mannes Harry Meyen und all den unzähligen Tragödien und Wirrungen in einem Biopic pflichtbewusst herunterzuspulen. Emily Atef konzentriert sich auf ein zweistündiges Kammerspiel. Mehr braucht sie nicht. Romy Schneider hat sich in das Luxushotel in Quiberon nicht nur zur Entwöhnung von Tabletten, Wein und Champagner begeben, sondern auch, um für ihren nächsten Film – „Die Spaziergängerin von Sans-Souci“ wird ihr letzter sein – ein wenig abzuspecken. Das macht sie seit vielen Jahren so.

Die österreichische Schauspielerin Romy Schneider in dem Film "Das Mädchen und der Kommissar". Schon als 17jährige hatte sie in der Trilogie "Sissi" ihren ersten großen Erfolg, wobei ihr das "Sissi"-Image später verhaßt war. Internationale Anerkennung errang sie in Filmen wie "Das Mädchen und der Kommissar", "Gruppenbild mit Dame" und "Die Spaziergängerin von Sans-Souci". Ihr Privatleben verlief tragisch: Die Verlobung mit dem Schauspieler Alain Delon zerbrach, ihr erster, geschiedener Mann Harry Meyen beging Selbstmord, der gemeinsame Sohn David kam als 14jähriger bei einem Unfall ums Leben. 1975 heiratete sie ihren Sekretär Daniel Biasini, Tochter Sarah wurde geboren. Romy Schneider wurde am 23. September 1938 in Wien geboren und verstarb am 29. Mai 1982 im Alter von nur 43 Jahren in ihrer Wahlheimat Paris an Herzversagen. | Verwendung weltweit
Die österreichische Schauspielerin Romy Schneider in dem Film "Das Mädchen und der Kommissar"
Quelle: picture-alliance / dpa

Ihre fiktive Freundin Hilde, gespielt von Birgit Minichmayr, reist an, und die beiden sitzen in der Badewanne, als Hilde von einem Kunstwerk aus Korfu erzählt: „Du würdest ihn lieben, Dionysos, diesen Gott des Weines, des Rausches, der Ekstase.“ Es sind solche klug gewählten Dialoge und Anspielungen, die die ganze Tragik von Romy Schneiders Suchtleben verdichten.

Karrieregeiler „Stern“-Journalist

Unten in der Hotelbar warten schon der „Stern“-Journalist Michael Jürgs (Robert Gwisdek), dem sie ein Interview (auch ihr letztes, zumindest für die deutschen Medien) zugesagt hat, und der ihr seit der Verfilmung von Bölls „Gruppenbild mit Dame“ (1976) erotisch zugetane Meisterfotograf Robert Lebeck (Charlie Hübner). Jürgs sagt: „Was hältst du davon, wenn ich einen Artikel schreibe, der heißt ,Warten auf Romy‘, in dem geht es darum, dass Romy nie erscheint.“ Ob Jürgs wirklich glaubt, er sei so ein journalistischer Fuchs wie der Amerikaner Gay Talese, dem 1965 ein wegweisendes Porträt über Frank Sinatra gelang, ohne den Sänger jemals gesprochen zu haben?

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Im Film sieht man jedenfalls einen karrieregeilen, skrupellosen Redakteur, der Romy Schneider in zwei Interviewrunden – bei der letzten bestellt er der Alkoholikerin tagsüber zwei Flaschen Chablis zum Lockerwerden – in die Selbstentblößung treibt. Dieses Gespräch wird später von Romy Schneider sogar abgesegnet, da es ihr Jürgs wie ein reumütiger Sünder durch seinen Boten Lebeck vorlegt und mit der Überschrift „Im Moment bin ich ganz kaputt“ veröffentlicht. Darin fallen Sätze wie „Ich muss Filme machen. Ich brauche das Geld“ (noch eine der harmloseren Indiskretionen) oder jener fast ikonisch gewordene Ausspruch: „Ich bin eine unglückliche Frau von 42 Jahren und heiße Romy Schneider!“

Film über Selbstzerstörung

Hilde versucht vergebens, bei dieser Tour de Force gegenzusteuern. Ihre Mahnung „Das ist kein Interview mehr, das ist reine Manipulation“ verhallt, sie verlässt das Zimmer, in dem es geführt wird. Und Romy lallt weiter ins Tonband. Zwischen diesen beiden Gesprächsrunden zieht es das Quartett in ein Hafenlokal, in dem eine Familienfeier stattfindet. Erst werden sie abgewiesen, dann erkennt der Wirt Romy Schneider. Unzählige Flaschen Champagner landen auf dem Tisch.

**3 Tage in Quiberon | 3 Days in Quiberon Wettbewerb 2018 DEU/AUT/FRA 2018 von: Emily Atef Marie Bäumer © Rohfilm Factory / Prokino / Peter Hartwig
Champagner in der Hafenkneipe: Marie Bäumer als Romy Schneider
Quelle: © Rohfilm Factory / Prokino / Peter Hartwig

Hier entstehen die ersten Fotos von Robert Lebecks legendärer Serie. Sie zeigen eine tanzende Romy mit Kopftuch, ihr Partner ist ein fremder „Poet“. Man hört dazu einen trashigen Disco-Song, nicht „Help“ von den Beatles, wie es überliefert ist. Vielleicht hätte dies auch nur wie aufgesetzte Fiktion gewirkt. Da reicht es, dass der Film in Schwarz-Weiß gedreht ist und Lebecks grandiose Aufnahmen auferstehen lässt. Ein ästhetisches Lehrstück über Selbstzerstörung und über die Wechselwirkungen von Journalismus und dem Starsein, in dem ein Satz Romy Schneiders auch in die Gegenwart führt: „Verbale Vergewaltigung ist leider straffrei.“

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