Marlene Dietrich | Antifaschistinnen aus Anstand

Marlene Dietrich

Antifaschistin aus Anstand

Marlene Dietrich weigerte sich für die Nazis aufzutreten, die den Hollywoodstar „Heim ins Reich“ zurückholen wollten, und schlug alle lukrativen Angebote von Hitler und Goebbels aus. Im Falle einer Rückkehr wurde ihr ein Triumphzug durchs Brandenburger Tor versprochen.

Marlenes Antwort: „Nur wenn mein Mann mitfahren darf“. Rudi Sieber war Jude. Marlene und Rudi trennten sich zwar später, trafen sich aber in Paris immer wieder und blieben sich trotz anderer Liebesbeziehungen in inniger Freundschaft verbunden und ließen sich nie scheiden.

1939 legte Marlene die deutsche Staatsbürgerschaft ab und nahm die US-amerikanische an. Der „Stürmer“ schrieb dazu: „Die lange Verbindung der deutschen Schauspielerin Marlene Dietrich mit Juden hat ihren Charakter undeutsch gemacht. Der jüdische Richter nimmt ihr den Eid ab, mit dem sie das Vaterland verrät.“Im 3. Reich wurde sie daraufhin als „Judenfreundin“ und „Ami-Hure“ gebranntmarkt – und wurde deshalb auch lange nach dem 2. Weltkrieg von großen Teilen der deutschen Bevölkerung abgelehnt.

Marlene hatte in Paris enge Kontakte zu geflohenen jüdischen Künstler*innen und Intellektuellen und erfuhr durch sie vom immer brutaler werdenden Antisemitismus in Deutschland: „Als wir nach Paris kamen, war das Zimmer meiner Mutter, zum Beispiel ihre Suite im George V, ein Ort, den jeder Flüchtling, insbesondere aus Berlin, aufsuchte. Sie wussten, hier bekamen sie etwas zu essen, hier bekamen sie Geld, hier bekamen sie Arbeit, wenn es welche gab“, erinnert sich Marlenes Tochter Maria an die Zeit in Paris, der für viele Emigrant*innen ersten Anlaufstation.

Sie unterstützte Fluchthelfer und Emigrantinnen, die vor dem Nationalsozialismus aus Deutschland flohen. Nachdem sich ihr Geliebter Jean Gabin freiwillig zur französischen Befreiungsarmee gemeldet hatte, wollte Marlene ebenfalls gegen den Hitlerfaschismus kämpfen. Dazu meinte sie später einmal:

„Ich gehe auf Tournee, um für Kriegsanleihen zu werben, mit deren Hilfe man Bomben kauft, um damit Berlin zu bombardieren, wo Mutter immer noch lebt. Ich versuche nicht darüber nachzudenken, denn wenn ich das täte, könnte ich nicht mehr weitermachen.“

„Jungs, opfert euch nicht. Der Krieg ist doch Scheiße. Hitler ist ein Idiot.“

Sie entschloss sich, als Sängerin vor amerikanischen Truppen möglichst nahe der Front in Afrika und Europa aufzutreten. Sie besuchte Feldlazarette, gab Bühnenshows und gestaltete Radioprogramme. Sie arbeitete im innersten Zirkel der Propaganda-Abteilung des US-Geheimdienstes OSS. Sie schrieb Songs und sprach über das Radio zu den deutschen Werhmachtssoldaten und forderte sie auf, mit dem sinnlosen und verbrecherischen Krieg aufzuhören.

Während der Schlacht in den Ardennen entkam sie knapp einer Gefangennahme. Wegen ihrer bedingungslosen Solidarität für die kämpfenden „boys“ wurde sie eine der beliebtesten und begehrtesten Akteurinnen der amerikanischen Truppenbetreuung.

Erst 1960 kehrt Dietrich nach Westdeutschland für eine Konzerttournee zurück – und wurde von den Deutschen sehr unterschiedlich empfangen: mit negativer Presse, lauten Protesten, Bombendrohungen, sie wurde bespuckt und als „Vaterlandsverräterin“ denunziert. Während ihrer Auftritte im Berliner Titania Palast skandierten Demonstranten: „Marlene Go Home!“. In Düsseldorf warf jemand mit einem Ei und traf sie am Kopf. Sie weigerte sich, „sich von einem blonden Nazi von der Bühne vertreiben zu lassen“.

Auf der anderen Seite empfingen viele Deutsche sie herzlich und bejubelten ihre Konzerte – auch Berlins Bürgermeister Willy Brandt, der ebenfalls Gegner der Nazis war und im Exil gelebt hatte.

Bei einem Interview zu eventuellen Anschlägen sagte sie: „Angst? Nein, ich habe keine Angst. Nicht vor den Deutschen, nur um meinen Schwanenmantel, aus dem ich Eier oder Tomatenflecken kaum herausbekommen würde, um den habe ich etwas Angst.“

Nach einer Pressekonferenz am 3. Mai im Hilton-Hotel schrieb der Tagesspiegel: „Sobald jemand auf ihre angeblich antideutsche Einstellung zu sprechen kam, reagierte sie mit empfindlicher Nervosität.“ Dennoch machten die Anfeindungen sie fertig, und sie reiste mit der Überzeugung ab, nicht mehr zurück zu kommen. Einem Journalisten sagte sie wohl: „Deutschland? Nie wieder!“

In Ostdeutschland wurde sie allerdings gut aufgenommen, in Osteuropa und Russland begeistert. Bei ihren Konzerten in Israel sang sie einige Lieder auf Deutsch, darunter ab 1962 eine deutsche Version von Pete Seegers Antikriegshymne „Where Have All the Flowers Gone“. Damit brach sie das dortige inoffizielle Tabu gegen den Gebrauch der deutschen Sprache, erntete aber nach anfänglichem Schock Applaus dafür.

Zuschauer weinten, jubelten und verlangten laut nach Liedern aus den Jahren der Weimarer Republik. Dietrich hatte auf dem Hinflug von einer Stewardess ein israelisches Volkslied gelernt, das sie als Zugabe sang, wofür das israelische Publikum sie liebte.

Für viele Deutsche blieb Dietrich umstritten. Nach einigen Diskussionen wurde 1996 beschlossen, in ihrem Geburtsort Schöneberg keine Straße nach ihr zu benennen. 2001 entschuldigte sich die Stadt Berlin. Ein Vertreter des Senats legte einen Kranz an Dietrichs Grab nieder und sagte, sie habe den steinigen Weg der Emigration gewählt: „Das wahre Deutschland hat sie nicht verraten.“ Und das 56 Jahre nach dem 2. Weltkrieg
Im November 1997 wurde dann der zentrale Marlene-Dietrich-Platz eingeweiht. Auf dem Gedenkstein steht: „Berliner Weltstar des Films und des Chansons. Einsatz für Freiheit und Demokratie, für Berlin und Deutschland“.