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Geschichte

Die 1852 erschienene historisch-politische Arbeit kann als Revision der im Kommunistischen Manifest (1848) entfalteten Theorie in Folge des 1851 stattgefundenen Staatstreichs in Frankreich gelesen werden.

Nachdem er 1848 zum Präsidenten der französischen Republik gewählt worden war, hebelte Louis Bonaparte, der Neffe Napoleon Bonapartes, Ende 1851 durch einen Militärputsch die Macht der Gesetzgebenden Versammlung von Paris aus. Im Jahr darauf ließ er sich, gestützt auf das Bauerntum, zum Kaiser wählen und nannte sich fortan Napoleon III. Victor Hugo reagierte auf diese Vorgänge mit seiner Schmähschrift Napoléon le petit. Marx verfasste die Artikelserie Der achtzehnte Brumaire des Louis Bonaparte, deren Titel einen ironischen Verweis auf das Datum der Machtergreifung des ‚großen‘ Napoleon enthält.

Im Kommunistischen Manifest ging Marx davon aus, dass sich der Klassenantagonismus zwischen der Bourgeoisie und dem Proletariat unter modernen bürgerlichen Verhältnissen immer mehr zuspitzt und alle anderen Klassen von der Bildfläche verschwinden. Darüber hinaus vertrat er 1848 noch eine strikt instrumentalistische Staatskonzeption, der zufolge politischen Institutionen keine Selbständigkeit zukommt, sie vielmehr nur verkappte Herrschaftsinstrumente sind, die die herrschende Klasse nutzt, um ihre Interessen gegenüber den Interessen anderer Klassen durchzusetzen.

Im Achtzehnten Brumaire zeichnet Marx jedoch ein Bild, dem zufolge sich die Bourgeoisie und das Proletariat Frankreichs wechselseitig neutralisieren. Einerseits sei das Proletariat noch nicht in der Lage, die politische Macht zu ergreifen, da es durch die revolutionären Kämpfe von 1848 zu geschwächt ist. Andererseits sei aber auch die Bourgeoisie zur Übernahme der Herrschaft nicht fähig, weil sie in viele gegensätzliche Gruppen zerfallen ist. Dieses Gleichgewicht der Kräfte habe es Louis Bonaparte ermöglicht, gestützt auf das Lumpenproletariat und auf das Parzellenbauerntum, einen Staatsstreich durchzuführen. Marx erkennt nun die Parzellenbauern, die damals noch größte Bevölkerungsgruppe Frankreichs, als eine eigenständige soziale Klasse an. Gleichwohl spricht er ihr aber den Status einer politischen Klasse ab, insofern die Bauern wegen ihrer ökonomischen Existenzbedingungen unfähig sind, sich über ihre gemeinsamen Interessen zu verständigen, um sich politisch zu organisieren.

Den Kern der Arbeit bildet eine feinkörnige Untersuchung der wechselnden Koalitionen und Machtverhältnisse in Frankreich seit der Revolution von 1848. Marx will, wie er in einem später verfassten Vorwort zur Buchausgabe der Artikelserie schreibt, nachweisen, „wie der Klassenkampf in Frankreich Umstände und Verhältnisse schuf, welche einer mittelmäßigen und grotesken Personage das Spiel der Heldenrolle ermöglichte“. Konkret versucht er nachzuweisen, dass nach der Unterdrückung des Juni-Aufstands der Arbeiter die Bourgeoisie notwendigerweise die Staatsgewalt stärken musste, um ihre eigene Herrschaft zu erhalten. Dabei schwächte sie aber ihre eigene legislative Gewalt zu Gunsten der ihr feindlichen Exekutivgewalt. An deren Spitze stand Napoleon III., der ein Gegner des parlamentarischen Systems war und nur das Ziel verfolgte, seine eigene Herrschaft zu etablieren. In seiner Person hat sich der Staat, „dieser fürchterliche Parasitenkörper“, zum Herrscher über die Gesellschaft erklärt. Diese Feststellung widerspricht offenkundig der Annahme aus dem Manifest, dass der Staat immer nur Herrschaftsinstrument einer gesellschaftlich dominierenden Klasse sei, und diente unter anderem Lenin als Legitimationsgrund seines politischen Vorgehens nach der Oktoberrevolution.