Tatort Stasi-Knast - Liebe zwischen T�ter und Opfer. Ein St�ck Diskussionsfernsehen mit zwei tollen Schauspielern: Claudia Michelsen und Devid Striesow. Ein Kammerspiel nach einer wahren Begebenheit. Es gab Proteste der Opferverb�nde gegen die Ausstrahlung.
Die Geschichte klingt, als ob mit einem Drehbuchautor die Phantasie durchgegangen w�re: W�hrend einer achtmonatigen Untersuchungshaft im Stasi-Knast verlieben sich eine junge Frau, die wegen verbotener Westkontakte verhaftet wurde, und der ihr zugeteilte Stasi-Offizier ineinander. Liebe auf den ersten Blick zwischen T�ter und Opfer? Das kann es geben. Der Film von Connie Walther entstand jedenfalls nach einer wahren Begebenheit. Die Staatsfeindin Regina Kaiser verliebt sich 1981 in Uwe Karlstedt, den Mann, der sie fast t�glich verh�rt. 16 Jahre sp�ter sp�rt die Frau ihren „Vernehmer“ wieder auf. Sie heiraten und leben heute in der N�he von Berlin. In ihrem Buch „12 hei�t: Ich liebe dich“ protokollieren sie nicht nur ihre Liebe, sondern arbeiten auch mutig ihre Vergangenheit als Opfer und T�ter auf.
Foto: MDR / SWRDevid Striesow &
Claudia Michelsen
Foto: MDR / SWRClaudia Michelsen
Der MDR, bekannt f�r R�hrst�cke, ist das Wagnis eingegangen und hat die Geschichte verfilmt. Nicht als Liebes-Schmonzette, sondern als ein aufregendes St�ck Diskussions-TV – das dar�ber hinaus noch herausragend gemacht ist. Dass der Film von Seiten der Opfer-Verb�nde auf Kritik stie�, weil er die T�tigkeit der Stasi verharmlose, muss akzeptiert werden und ist menschlich nachvollziehbar. Der Protest basiert aber allein auf der Kenntnis der Handlung. „Alle reden �ber einen Film, den sie noch nicht gesehen haben“, wundert sich die Regisseurin. Bereits vor einem Jahr, als Connie Walther noch im Schnitt sa�, kritisierte der Leiter der Berliner Stasi-Gedenkst�tte Hohensch�nhausen den Film: es d�rfe nicht der Eindruck entstehen, die Untersuchungshaft sei eine Art „Ehe-Anbahnungsinstitut“ gewesen.
Die Bedenkentr�ger sollten sich den Film genau anschauen. Gesch�nt wird hier nichts. Der Aufenthalt im Stasi-Knast ist keine Romanze und wird auch nicht so dargestellt. „Gesicht zur Wand! Na, wird’s bald! Setzen! H�nde auf die Decke!“ Das ist seelische Folter. Die l�sst sich im Gesicht von Claudia Michelsen ablesen; die aufkommende Sympathie f�r den ungemein freundlichen, da verliebten Vernehmungs-Offizier bleibt nur eine Ahnung. Walther: „Die wachsende Zuneigung f�reinander erlauben sie sich nur kodiert – mit kleinen Gesten, Zeichen, Zahlen.“ Erst ganz am Ende: ein Kuss, eine Umarmung.
Geschickt verschachtelt das Drehbuch von Scarlett Kleint die Vernehmungen mit der Realit�t 12 Jahre sp�ter: die weibliche Heldin f�hrt Besucher durch das Stasigef�ngnis, in dem sie drei Jahre einsa�. Aber sie will mehr wissen, will wissen, was die T�ter gedacht haben. Das war auch der Antrieb von Regina Kaiser damals. „Rache war und ist f�r mich bei allem erlebten Unrecht kein Lebensprinzip“, sagt sie. „Ich empfinde meinem Mann gegen�ber heute tiefen Respekt, weil er sich den schmerzlichen Fragen nach seiner Verantwortung und seiner Mitwirkung im Repressionssystem der DDR stellt wie kaum ein anderer seiner ‚Kollegen’.“ F�r Kleint ist der Film „ein Gleichnis f�r menschliche Gr��e“.
Foto: MDR / SWR / JunghansVernehmung im Stasi-Knast. Devid Striesow, Claudia Michelsen, Roland May
„12 hei�t: Ich liebe dich“ macht in Sachen DDR-Aufarbeitung da weiter, wo das NVA-Drama „An die Grenze“ aufgeh�rt hat. Die DDR einmal nicht als Schwarzwei�-Gem�lde. Es ist keine bequeme Wahrheit, nach der dieser Film sucht. „Simple T�ter- und Opferklassifizierungen reichen nicht aus; es gibt immer nur die spezifische Situation, die individuelle Geschichte“, betont Claudia Michelsen. Sie und ihr Partner Devid Striesow („der Mann wusste es nicht besser, der hat einfach nur funktioniert“) machen dieses politisch brisante Kammerspiel auch von Darstellerseite zu einem TV-Ereignis. (Text-Stand: 16.4.2008)
Rainer Tittelbach arbeitet als TV-Kritiker & Medienjournalist. Er war 25 Jahre Grimme-Juror, ist FSF-Pr�fer und betreibt seit 2009 tittelbach.tv. Mehr
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