Bemerkenswertes Baumgartl-Interview über Tabuthemen: „Über Gefühle reden vereinfacht vieles“

Bemerkenswertes Baumgartl-Interview über Tabuthemen: „Über Gefühle reden vereinfacht vieles“

Timo Baumgartl, Abwehrspieler des 1. FC Union Berlin, wünscht sich einen offeneren Umgang mit vermeintlichen Tabuthemen im Profifußball.

Timo Baumgartl ist noch bis Ende der Saison von PSV Eindhoven an Union Berlin ausgeliehen.
Timo Baumgartl ist noch bis Ende der Saison von PSV Eindhoven an Union Berlin ausgeliehen.Matthias Koch/imago

Timo Baumgartl gehört beim 1. FC Union Berlin in der laufenden Rückrunde nicht zum Stammpersonal von Trainer Urs Fischer. Gegen Eintracht Frankfurt (2:0) durfte er zuletzt mal wieder von Beginn an ran, insgesamt stand er 2023 aber erst 204 Minuten auf dem Platz.

Jetzt hat der Abwehrspieler, der noch bis Sommer vom niederländischen Spitzenklub PSV Eindhoven an die Köpenicker ausgeliehen ist, ein sehr bemerkenswertes Interview gegeben. Im Podcast „Vom Feeling her ein gutes Gefühl“ spricht er über vermeintliche Tabuthemen im Profifußball, Gefühle zu zeigen, Homosexualität und Ausgrenzung.

Nach eigener Aussage habe er extrem davon profitiert, offener über Dinge zu sprechen, die ihn beschäftigen. „Ich habe es gelernt, über Gefühle zu reden. Vor ein paar Jahren war ich noch typisch Mann: ‚Man redet nicht über Gefühle. Ich fresse alles in mich hinein, mach alles mit mir selbst aus.‘ Aber ich hab’ irgendwann gemerkt, gerade auch, weil ich Psychologie studiere, dass über Gefühle reden vieles vereinfacht“, sagte der 27-Jährige.

„Einerseits mit einem Familienangehörigen oder der Freundin über Sachen zu reden, aber auch Dinge, die sehr intim sind, mit einer professionellen Psychologin zu besprechen, das tut einfach gut. Ich kann jedem empfehlen, das auszuprobieren“, sagte der Union-Profi.

Bei Baumgartl war im vergangenen Jahr Hodenkrebs diagnostiziert worden. Inzwischen kann er wieder auf dem Feld stehen. Die Krankheit hat seine Perspektive auf das Leben verändert. „Fußball ist immer noch mein Beruf, meine Leidenschaft, und da bin ich immer noch so ehrgeizig wie davor. Aber ein Spiel zu verlieren wird in einen anderen Kontext gerückt“, sagte er. „Wenn man erlebt hat, was es heißt, in ein paar Monaten eventuell nicht mehr zu leben, dann ist ein verlorenes Spiel jetzt nicht mehr das Wichtigste.“

Baumgartl erhofft sich in der Fußballbranche generell einen offeneren Umgang mit vermeintlichen Tabuthemen. „Ich hoffe einfach, dass gerade wir als neue Generation das irgendwie brechen können“, sagte er.

Für ihn sei die Sexualität eine „private Sache“ und solle auf dem Feld keine Rolle spielen. „Das Schöne am Fußball ist auch, dass es verbindet. In dem Moment, wo deine Mannschaft ein Tor schießt, ist es ja egal, wer neben dir steht – solange er die gleichen Vereinsfarben anhat, ist es egal, ob er schwul ist, ob er schwarz oder weiß ist, ob er Amerikaner oder Deutscher ist, ob depressiv oder nicht – man freut sich einfach mit ihm zusammen“, so Baumgartl.