Wissenschaftler warnen vor Umfahrung Wr. Neustadt - noe.ORF.at
Verkehr

Wissenschaftler warnen vor Umfahrung Wr. Neustadt

Wissenschaftler haben am Samstag vor den Folgen der geplanten Ostumfahrung Wr. Neustadt gewarnt und riefen die Politik auf, das Projekt zu stoppen. Mit der Ostumfahrung soll der Ringschluss um die Stadt bis Juni 2027 fertig sein. Der Baubeginn ist für Herbst geplant.

Das Land sieht in der Umfahrung viele Vorteile: Der Straßenring werde den Stadtverkehr in den Projektgemeinden entlasten, das neue Landesklinikum sei besser erreichbar, und es ermögliche den Ausbau der sanften Mobilität in der Innenstadt von Wiener Neustadt. Am Freitag war bekanntgeworden, dass der Baustart für Herbst 2024 geplant ist.

Die rund 4,8 Kilometer lange B17 Ostumfahrung Wiener Neustadt soll nach ihrer geplanten Fertigstellung im Juni 2027 an die B60 anschließen und in Richtung Süden bis zur B53 beim Anschluss zur Mattersburger Schnellstraße (S4) führen. All das geschehe „unter Wahrung modernster Natur- und Umweltschutzstandards“.

„Aus der Zeit gefallen“

Für Reinhard Steurer, Klimapolitikexperte der Universität für Bodenkultur, ist die Ostumfahrung ein „aus der Zeit gefallenes Projekt“, das für noch mehr Verkehr sorgen würde: „Entweder wir schaffen in ganz Österreich eine Verkehrswende, die beim Bau von Infrastruktur beginnt, oder wir eskalieren die Klimakrise immer weiter in eine globale Katastrophe“, sagte Steurer bei einem Pressegespräch am Samstag in der Fischa-Au bei Lichtenwörth.

Ostumfahrung Wiener Neustadt Baubeginn
ORF/Simon Baumberger
Gegner der Ostumfahrung protestierten am Samstag in der Fischa-Au bei Lichtenwörth

„Der Neubau hochrangiger Straßen ist in Zeiten der Klimakrise ein nicht mehr zeitgemäßes Erbe des fossilen Zeitalters. Dies gilt ganz besonders für Wr. Neustadt, der Hauptstadt des Flächenverbrauchs durch Versiegelung in Österreich“, sagte Franz Essl, Biodiversitätsforscher der Uni Wien und Wissenschafter des Jahres 2022. „Statt Naturzerstörung und Schaffung neuer Verkehrslawinen durch die Ostumfahrung“ brauche es dringend ein anderes Verkehrskonzept für die Statutarstadt.

Appell an Politik

Günter Emberger, Leiter des Forschungsbereichs Verkehrsplanung und -technik der Technischen Universität Wien, betonte: „Der Klimawandel ist zweifellos die größte Herausforderung unserer Zivilisation. Um diese globale Bedrohung zu bewältigen, müssen wir unsere Mobilität drastisch überdenken und unsere Abhängigkeit vom Autoverkehr verringern.“ Emberger erklärte weiters: „Verantwortungsbewusste Politiker haben die Aufgabe, diese notwendigen Verhaltensänderungen der Bevölkerung zu erklären, und dürfen nur noch jene Maßnahmen umsetzen, die diese Verhaltensänderungen unterstützen.“

Das Pressegespräch fand auf dem Acker eines Biobauers statt, der für den Bau der Straße enteignet werden soll. Als Zeichen des Protests wurde vergangenen Dezember ein Baumhaus errichtet. In Bezug auf die aktuelle Besetzung erklärte Irene Nemeth von „Vernunft statt Ostumfahrung“, die Initiative weise bereits seit fast vier Jahren „auf die Fakten hin, die von renommierten Wissenschaftlern untermauert werden“.

Hartnäckige Proteste

Das Projekt stößt bereits seit Jahren auf Widerstand bei den Betroffenen – mehr dazu in Ostumfahrung Wr. Neustadt: Neun Enteignungen (noe.ORF.at; 31.08.2023). Für acht Eigentümer seien Grundsicherungsverfahren eingeleitet worden, heißt es vom Land. Unter ihnen befinde sich nur ein aktiver Landwirt. Es gehe um durchschnittlich knapp 700 Quadratmeter. Am Samstag wollen sich Biodiversitäts-, Klima- und Verkehrsexperten in der Wiener Neustädter Nachbargemeinde Lichtenwörth äußern.

Demonstration gegen die geplante Ostumfahrung Wr. Neustadt
Hannes Höller
2022 demonstrierten die Betroffenen in Wiener Neustadt mit Traktoren gegen die geplante Ostumfahrung

In Lichtenwörth etwa sei mit der Neugestaltung der Ortsdurchfahrt ein Verkehrsrückgang von bis zu 40 Prozent erwartbar. „Der Ringschluss ist eine der meistgeprüften Infrastrukturmaßnahmen in Niederösterreich und hat in allen Instanzen einen positiven Bescheid erhalten. Die Umweltverträglichkeit ist klar festgestellt worden“, so Verkehrslandesrat und LH-Stellvertreter Udo Landbauer (FPÖ). Die Anbindung an das Landesklinikum bringe eine Verkürzung der Fahrzeiten für die Einsatzkräfte.

Bürgermeister sehen Vorteile für Bevölkerung

Mittlerweile seien mehr als 95 Prozent der benötigten Fläche gesichert. Der Ringschluss werde „auch eine massive Steigerung der Lebensqualität“ bringen, so der Bürgermeister von Wiener Neustadt, Klaus Schneeberger (ÖVP). Zwischen Lichtenwörth und Wiener Neustadt werde es zudem neue Radwegverbindungen geben.

Die Marktgemeinde Lichtenwörth habe stets betont, dass mit der Realisierung der Ostumfahrung „essenzielle Schutz- und Begleitmaßnahmen“ wie eine bepflanzte Lärmschutzwand und ein neues Begleitwegenetz für einen sicheren Radverkehr von und nach Wiener Neustadt sowie zur Bewirtschaftung der Felder durch die Bauern gesetzt werden müssten, erinnerte der Bürgermeister von Lichtenwörth, Manuel Zusag (Wir alle sind Lichtenwörth/WIR).