(PDF) Das Mediensystem Lettlands - Aktueller Stand und Entwicklungstendenzen. Ein Überblick | Ojars Skudra - Academia.edu
Ojārs Skudra Das Mediensystem Lettlands. Aktueller Stand und Entwicklungstendenzen Ein Überblick E)NFÜ(RUNG Wie die Gesellschaft Lettlands hat auch sein Mediensystem zu Beginn der 1990er Jahre einen Prozess der Systemtransformation vollzogen. Diesen Prozess habe ich zusammen mit meinen Kollegen Rolands Tjarve und der im Jahre 2014 leider verstorbenen Dekanin der Sozialwissenschaftlichen Fakultät der Universität von Lettland, Prof. Dr. Inta Brikše, in einer Studie zur »Entwicklung der Medien in Lettland in den er Jahren« in den wesentlichen Zügen dargestellt. 1 Nach unserer damaligen Auffassung bildeten (1) der Zusammenbruch der politischen und wirtschaftlichen Struktur des autoritären kommunistischen Regimes – 1991), (2) die Institutionalisierung des demokratischen Staates Lettland (1991– und, als vorläufig abschließende Etappe, die Konsolidierung des demokratischen politischen Regimes (1996–2001) die wichtigsten Phasen der gesellschaftlichen Entwicklung. Es folgten die Aufnahme Lettlands in die Europäische Union EU und in die NATO im Jahre , eine schwere Wirtschaftskrise von 2008 bis 2010, strukturelle Reformen, die Stabilisierung der Wirtschaft und der Beitritt Lettlands zur Eurozone am 1. Januar 2014. In der Entwicklung von Medien sahen wir seit der Mitte der 1980er Jahre folgende Phasen : (1) die Demokratisierung der Medieninhalte während der Periode von glasnost und perestroika als eine Form der Liberalisierung in der totalitären sowjetischen Ideologie (1985–1987); (2) das Mediensystem und einzelne Medien dienen zunehmend als geeignete Kommunikationskanäle mit aktuellen Funktionen (1987–1990); (3) radikale Veränderungen im nationalen Pressesystem und in einzelnen staatlichen (örfunk- und Fernsehsendern (Januar – August 1991); (4) Stagnation und Schrumpfung des Medienmarktes (1991–1992); (5) die Entstehung eines neuen Medienmarktes sowie die Kommerzialisierung und Konsolidierung 1Vgl. )nta Brikše/Ojārs Skudra/Rolands Tjarve: Development of the Media in Latvia in the s. In: Peeter Vihalemm (Ed.): Baltic Media in Transition. Tartu: Tartu University Press 2002, S. 65– 102. von Medien (1993 – späte 90er Jahre); (6) die Stabilisierung des nationalen Marktes für Massenkommunikation, verstärkte Präsenz von globaler Kommunikationsindustrie auf dem lokalen Markt späte er Jahre – frühes . Jahrhundert).2 Unsere damaligen Schlussfolgerungen waren nicht sehr optimistisch. Die Kultur eines demokratischen, professionellen Journalismus befand sich im Entstehungsprozess. Die Zahl der Journalisten verringerte sich, auch solcher, die zu einem investigativen Journalismus berufen und fähig waren. Public Relations, die sich rasch entwickelten, überfluteten die Medien mit ihren Produkten, insbesondere die beiden Nachrichtenagenturen LETA und BNS. Eine relativ kleine Zahl von Vertretern der politischen und wirtschaftlichen Elite, neben offiziellen Institutionen und den von ihnen veranstalteten Ereignissen, wurden zu wichtigen Informationsquellen. Nachrichten und insbesondere Unterhaltung dominierten immer mehr die Medieninhalte. Die heutige Gesellschaft von Lettland3 ist relativ stark segmentiert und das trifft auch auf die Publika von bestimmten Medien zu. Wegen der starken Präsenz von russischen Medienangeboten besteht ein gewisser Hang zur Parallelgesellschaften4 – sprachlich, geopolitisch und im Sinne des kulturellen Gedächtnisses. Neben der Kommerzialisierung und Glokalisierung in Unterhaltung und Nachrichten entstehen auch größere Verlage und Sendeanstalten. 1. ZEITUNG UND ZEITSCHRIFT 2 Vgl. ebenda, S. 67–68. 3 Die Republik Lettland ist neben Estland und Litauen einer der drei Baltischen Staaten. Sie umfasst eine Fläche von . km2 und hat 1.983.300 Einwohner im April 2015 (2014 waren davon 26 v. H. Russen). Der monatliche Durchschnittslohn (netto) aller Beschäftigten betrug bescheidene Euros. Lettland hat auch eine Grenze zu Russland und Weißrussland. http://data.csb.gov.lv/ (15. IV. 2015). 4 Vgl. Dennis Lichtenstein/Christiane Eilders/Julija Perlova. Integrationsprozesse in segmentierten Öffentlichkeiten. Die EU als )ntegrationschance für die Parallelgesellschaften in Lettland? In: Global Media Journal. German Edition, 1. Jg. 2011, Nr. 2 (Autumn), S. 1–25. http://www.db- thueringen.de/servlets/DerivateServlet/Derivate-24471/GMJ2_Lichtenstein_et_al_final.pdf (10. IV. 2014). –2– Auf dem Pressemarkt sind in den letzten Jahren einige wichtige Entwicklungen zu verzeichnen. Während der Wirtschaftskrise (2008–2010) haben gerade die Zeitungen katastrophal gelitten und fast 21 v. H. ihres Anteils am Werbemarkt verloren. Eine zweite Tendenz, die zu vermerken ist, sind die sinkenden Zahlen von Abonnements für Zeitschriften und Zeitungen. 2009 gab es nach den Angaben der Post Lettlands . Abonnements für Zeitschriften und . für Zeitungen. Im Jahr 2015 sind die entsprechenden Zahlen 247.800 und 165.200. Die verhältnismäßig gute Lage bei den Zeitschriften lässt sich durch die Hochglanzzeitschriften zu erklären und gerade auf diesem Feld tobt der alles entscheidende Konkurrenzkampf auf dem Zeitschriftenmarkt. Das ist bei den Zeitungen nicht der Fall, außerdem spielt der triumphale Siegeszug des Internets (soziale Medien, soziale Netze, Portale) und von Mobilgeräten Smart Phons, Tablets) eine sehr wichtige Rolle. Obwohl alle drei etablierten lettischen Tageszeitungen – die ehemals qualitative, aber jetzt eher farblose Diena (Der Tag), die im Volksmunde als »Taschenzeitung« des einflussreichen Bürgermeisters der Hafenstadt Ventspils, Aivars Lembergs, genannte Neatkarīgā Rīta Avīze (NRA – Unabhängige Morgenzeitung und die national-konservative Latvijas Avīze (Zeitung Lettlands) – ein eigenes Portal besitzen, hat es nur das Portal von Diena in die Top-10 geschafft. Auf dem russischsprachigen Pressemarkt verlaufen die Entwicklungen ähnlich, doch mit dem Unterschied, dass nur eine Tageszeitung Vesti Sevodnya (Mitteilungen Heute übrig geblieben ist, die – im Sinne des politischen Parellelismus – unter einem sehr starken Einfluss der oppositionellen sozialdemokratischen Partei Saskaņa (Harmonie) steht, die die Mehrheit im Stadtrat von Riga hat und den Bürgermeister von Riga Nils Ušakovs stellt. Nach den Angaben der Internetzeitschrift The Baltic Course gab es 2014 in Lettland 4. registrierte »Mittel der Masseninformation«, 3.777 davon in Riga. Nach der Zahl der Pressetitel waren 2014 der Verlag Logos GmbH (55 Titel), die Zeitschrift SANTA GmbH (35), Mediju nams GmbH (34), AG Diena (28), Dienas Bizness GmbH (28) sowie das Verlagshaus Vesti GmbH (23) die größten Verlagsunternehmen. Nach offiziellen Angaben für das Geschäftsjahr erwirtschaftete nur der Verlag Zeitschrift Santa GmbH einen Gewinn im Umfang von 995.200 Euro. Alle –3– anderen Verlage arbeiteten mit einem Verlust. Eine gewisse Erklärung dafür ist der Umstand, dass alle anderen Verlage Tages- oder Wochenzeitungen herausgeben, die aber nur Verluste einbringen. Das Verlagshaus Vesti, de facto im Besitz des russischen Unternehmers Eduard Janakov, bringt die letzte russische Tageszeitung Lettlands, Vesti Sevodnya, heraus,5 denn die gedruckte Variante der Wirtschaftszeitung Biznes & Baltija wurde im Herbst 2014 vom ihrem Unternehmer eingestellt. Seit 2015 kommt aber die als qualitativ angelegte, informativ-analytische Monatszeitschrift Telegraf im Angebot des Verlagshauses Vesti dazu, was vermuten lässt, dass man die Agenda der Öffentlichkeit Lettlands unbedingt beeinflussen will, wenigstens ihren russischsprachigen Teil. Tab. 1 Pressemarkt: Titelzahl und Sprachen 1990–2013 __________________________________________________________________________________________ 1990 2005 2013 N = 260 N =546 N = 550 abs. % abs. % abs. % __________________________________________________________________________________________ Zeitungen 188 72 261 48 242 44 davon lettisch 107 57 193 74 191 79 russisch 74 39 61 23 43 18 andere 7 4 7 3 8 3 Zeitschriften 72 28 285 52 308 56 davon lettisch 44 61 205 72 240 78 russisch 21 29 57 20 39 13 andere 7 10 23 8 29 9 __________________________________________________________________________________________ Quelle Latvijas prese . Rīga: Latvijas Bibliogrāfijas institūts ; Latvijas prese . Rīga: Latvijas Bibliogrāfijas institūts ; Latvija izdevējdarbības statistika . Rīga: Latvijas Nacionālās bibliotēkas Bibliogrāfijas institūts . Doch die am meisten verkaufte von allen Zeitungen Lettlands und von vielen sogenannten »Russischsprachigen« gelesene russische Wochenzeitung MK Latvija (MK – früher Moskauer Komsomolze – Lettland) ist eigentlich und inhaltlich eine an Russland orientierte Zeitung. Der Verleger von MK Latvija, das Verlagshaus 5Vgl. The Baltic Course. http://www.baltic-course.com/rus/kruglij_stol/?doc=91477&ins_print (15. IV. 2015). –4– Print Media GmbH, ist eine Gründung von Baltijas Mediju Alianse SIA (BMA – Baltische Medienallianz GmbH), eines Medienunternehmens, das offiziell wiederum von zwei Privatpersonen, Alexey Plyasunov aus Russland und Olegs Solodovs aus Lettland, paritätisch gegründet wurde. MK Latvija hatte im Jahre 2014 eine Auflage von 47.000 Exemplaren und 8.900 Abonnenten. Die Zeitung Vesti Sevodnya, die werktags den Untertitel »gesellschaftlich politische russische Tageszeitung Lettlands« führt, hat eine Auflage von nur 15.800 Exemplaren, aber am Freitag, an dem sie als die »russische Wochenzeitung Lettlands« Vesti Sevodnya 5 mit der Beilage TV Vesti Telek (Fernsehprogramm) erscheint, eine etwas höhere Auflage von 24.100 Exemplaren. Auch auf dem »lettischen« Teil des Pressemarktes sind einige Veränderungen zu verzeichnen. Seit Februar 2013 gibt es auf dem Markt eine Wochenzeitung Kas Jauns Avīze (Was Neues Zeitung), die vom Verlag Rīgas Viļņi GmbH mit einer Auflage von 35.000 Exemplaren herausgegeben wird. Entsprechend der Aufmachung ist es eher ein Tabloid. Für die intellektuellen und politischen Orientierungen der lettischen Meinungsführer mit einem klaren demokratischen und prowestlichen Standpunkt spielen die Medien der AG Cits medijs (AG Anderer Medium) eine nicht zu unterschätzende Rolle. Das gilt insbesondere für die Wochenzeitschrift Ir (Ist), die 2010 von einer Gruppe ehemaliger Journalisten der Tageszeitung Diena gegründet wurde und 2015 eine Auflage von 17.000 Exemplaren und 7.000 Abonnenten erreicht hat. Der Ratsvorsitzender der AG Cits medijs, Pauls Raudseps, wurde in den USA geboren und kam 1990 nach Lettland, wo er an der Volksfront mitwirkte und zu den Gründern von Diena gehörte. In den Jahren von 1991 bis 2009 war er erster Stellvertreter des Chefredakteurs von Diena, bis die Zeitung von einer mit dem Transitgeschäft verbundenen Unternehmergruppe von der schwedischen Bonnier AB gekauft und, entsprechend den jeweiligen Interessen, politisch instrumentalisiert wurde. Zu den Aktionären der AG Cits medijs gehören sowohl Journalisten, Juristen und Unternehmer als auch die Chefredakteurin des Verlages Ir, Nellija Ločmele, sowie der ehemalige Botschafter der Vereinigten Staaten von –5– Amerika in Lettland, Ints Siliņš. AG Cits medijs gibt auch die sechsmal im Jahr erscheinende Wirtschaftszeitschrift Ir Nauda und seit die Zeitschrift für Literatur, Publizistik und Geschichte Domuzīme heraus. Außerdem unterhält der Verlag Ir auch den Portal www.irir.lv. Nach den Angaben des Marktforschungsunternehmens TNS 6 verliert die Tagespresse weiterhin ihre Positionen an die Zeitschriften und die Presse insgesamt an die digitalen Medien. Im Winter 2015 wurde eine Tageszeitung von 15 v.H. der Altersgruppe von 15 bis 74 Jahren gelesen oder durchgesehen, die Regionalpresse von 35 v.H., eine Wochenausgabe von 55 v.H. und eine Monatsausgabe von 45 v.H. Besonders gravierend sind die Unterschiede in der Presselektüre zwischen den Letten und den Lesern einer anderen Nationalität. Auf der Berechnungsbasis des durchschnittlichen Publikums einer Nummer, war ebenfalls im Winter 2015 die wöchentlich erscheinende Frauenzeitschrift Ieva das von Letten am meisten gelesene Periodikum, und auch fast alle anderen Top-10 Presseerzeugnisse waren Zeitschriften. Die einzige Ausnahme bildete die an neunter Stelle liegende national konservative Tageszeitung Latvijas Avīze. Unter den zehn meistgelesenen Presseerzeugnissen sind sechs, einschließlich Ieva, Produkte des Verlags Zeitschrift Santa GmbH, zwei stammen aus dem Verlag Rīgas Viļņi GmbH und je eins von AG Diena und AG Latvijas Avīze. Bei den Lesern anderer Nationalität lag die Wochenzeitung MK Latvija an erster Stelle, die Tageszeitung Vesti Sevodnya an vierter Stelle, die internationale Wochenzeitung Latvijskije Vesti (Verleger GmbH »Press Distribution Center«) an fünfter Stelle, und die Wochenzeitung Subbota, die keine Angaben über ihren Verleger und ihre Auflage macht, an siebter Stelle. 6 Vgl. TNS Latvia. http://www.tns.lv/ (10. V. 2015). –6– Tab. 2 Pressemarkt: Jährliche Gesamtauflage 1990–2013 __________________________________________________________________________________________ 1990 2005 2013 __________________________________________________________________________________________ Zeitungen 313.814 206.418,4 85.049,551 davon lettisch 197.143 118.515,4 65.993,722 russisch 115.536 66.127,9 17.049,551 Zeitschriften 11.467 37.917,7 37.904.131 davon lettisch 9.926 31.682.1 35.134,619 russisch 1.045 5.766,9 2.357,050 Gesamt 325.281 244.336.1 122.953,682 __________________________________________________________________________________________ Quelle Latvijas prese 1991. Rīga: Latvijas Bibliogrāfijas institūts ; Latvijas prese . Rīga: Latvijas Bibliogrāfijas institūts ; Latvija izdevējdarbības statistika . Rīga: Latvijas Nacionālās bibliotēkas Bibliogrāfijas institūts . Unter den Top- Presseerzeugnissen, die von den Lesern anderer Nationalität im Winter 2015 gelesen wurden, waren drei Fernsehprogrammzeitschriften, auch die als Beilage zur MK Latvija erscheint, sowie die kostenlose Werbezeitung Rīgas Santīms. Daraus kann man folgern, dass die Leser anderer Nationalität regelmäßiger und intensiver politische )nhalte nutzen als die Lesepublika der in Lettisch erscheinenden Presse. Dass diese Inhalte meistens die Positionen Russlands wiedergeben, betrachten die Herausgeber dieser Presseerzeugnisse als selbstverständlich. –7– Tab. 3 Pressemarkt: die größten Verlage und ihre Periodika ______________________________________________________________________________________________ Verlag Periodika ______________________________________________________________________________________________ AG Diena 10 Zeitschriften, 6 nationale Zeitungen, 7 regionale Zeitungen, 10 Portale Gmb( Žurnāls Santa 17 Zeitschriften (darunter Lizenzaus- gaben von Auto Bild Latvija und Shape), 1 Portal Gmb( )zdevniecība Rīgas Viļņi 3 Zeitungen, 15 Zeitschriften in vier Sprachen, 2 Portale AG Lauku Avīze 1 nationale Zeitung, 9 Zeitschriften, 1 Portal GmbH )zdevniecība Lilita 9 Zeitschriften in lettischer und rus- sischer Sprache (darunter Cosmopolitan, FHM und GEO in lettischer Sprache) GmbH Mediju nams 1 nationale Zeitung, 4 Zeitschriften ______________________________________________________________________________________________ Quelle Assoziation der Presseverleger Lettlands (http://www.lpia.lv/), Internetseiten der Verlage Fast alle Verlage, die Zeitungen herausgeben, arbeiten mit Verlust. So verzeichnete die GmbH Mediju nams, die die NRA auf dem Markt bringt, seit ihrer Gründung im Jahre 2002 bis zum Jahr 2013 einen Gesamtverlust im Umfang von 15,2 Mio. Euro – allein seit 2010 fast zwei Millionen Euros. Das gleiche gilt für die Mediaholding Diena, deren Eigentümer die Logistikfirma Rigaer Handelshafen ist, die im Rigaer Freihafen ihre Geschäfte tätigt. Die GmbH Dienas mediji, die die Tageszeitung Diena verlegt, machte allein von 2010 bis 2013 Verluste im Umfang von 6,1 Mio. Euro.7 Wenn man dazu noch berücksichtigt, dass im Zeitraum von 2007 bis 2014 die Jahresauflage der Zeitungen in lettischer Sprache um 47 v.H. geschrumpft und die Gesamtauflage von Büchern und Broschüren in lettischer Sprache um 38 v.H. kleiner geworden ist,8 kann man sich die schwierige Lage vieler Medienhäuser Lettlands leicht vorstellen. Ein wesentlicher Akteur im russischen Segment des Medienmarktes des ganzen Baltikums ist natürlich die Baltische Medienallianz GmbH. Im Besitz von BMA sind: 7Vgl. Pauls Raudseps: No krīzes līdz informācijas karam. )n: )r. # (260) 2015, S. 16–17. 8Vgl. BNS: Būtiski kritusies laikrakstu, grāmatu un brošūru tirāža latviešu valodā, liecina pētījums. http://www.delfi.lv/archive/print.php?id=45341682 (20. I. 2015). –8– die Wochenzeitung MK Latvija, Fernsehkanal PBK (Erster Baltischer Kanal – Top-4 in Lettland und Estland, Top-5 in Litauen) sowie die Fernsehkanäle NTV Mir Latvija (Top-5) und NTV Mir (Top-5 in Estland). Aufgrund der russischen Außenpolitik einerseits sowie einiger wichtiger Veränderungen in der Medienpolitik von Estland und insbesondere von Lettland andererseits kann man vorhersagen, dass es BMA mit einem härterem Konkurrenzkampf, besonders beim Fernsehkanal PBK zu tun haben wird. Den Zeitungen, vor allem den regionalen Zeitungen Lettlands, stehen schwierige Zeiten bevor. Und das nicht nur deshalb, weil nur 20 v.H. aller Presseleser Lettlands jeden Tag eine Zeitung bzw. Zeitschrift lesen (im Herbst 2013 waren es mit 17 v.H. noch weniger) – im Unterschied zu Litauen (30 v.H.) und insbesondere zu Estland, wo das stolze 42 v.H. tun.9 In sprachlich unterschiedlichen Segmenten der Mediennutzer von Lettland sind die Unterschiede noch gravierender, was aber keinesfalls bedeutet, dass diese Unterschiede vereinfachend nur mit den Faktoren »Russland« und »ethnische Zugehörigkeit« zu erklären sind. 2. HÖRFUNK UND FERNSEHEN In Lettland besteht ein duales Rundfunksystem mit öffentlichem Fernsehen und (örfunk und einem weit verbreiteten Netz privater Rundfunksender und Kanäle. Entsprechend dem im Juni 2011 vom Parlament angenommenen Gesetz der elektronischen Massenkommunikationsmittel erfüllt der in der Regel von der Regierungsmehrheit im Parlament auf die Dauer von fünf Jahren gewählte Nationale Rat elektronischer Massenkommunikationsmittel (NEPLP) die Aufsichts- , Leitungs- und Kontrollfunktionen. Der Rat besteht aus fünf Mitgliedern und wird von einem Vorsitzenden geleitet. Der aktuelle Vorsitzende des Rats, Ainārs Dimants, ist ein an der Freien Universität Berlin mit einer Dissertation zum Thema »Die Massenmedien Lettlands« promovierter Politologe und Professor an der 9 Vgl. Eurobarometre Standard 82. Automn 2014. http://ec.europa.eu/public_opinion/archives/eb/eb82/eb82_media_fr.pdf (15. IV. 2015). –9– Wirtschaftshochschule Turība in Riga. Die Tätigkeit des Rats wird finanziert aus den Mitteln des Staatshaushalts. Der Rat führt Einzelregister von Sendeorganisationen auf solchen Feldern wie Kommerzieller (örfunk, Satellitenfernsehen, Kabelfernsehen und terrestrischer Fernsehen. Es gibt ein gesondertes Register von Kabelnetzbetreibern mit 45 Eintragungen, aber nur drei von ihnen besitzen eine Erlaubnis für eine Übertragung in ganz Lettland, darunter auch die beiden wichtigsten Unternehmen mit Staatsbeteiligung – GmbH Lattelekom und GmbH Latvijas Mobilais Telefons (LMT). Das neue Gebiet, das 2015 erst erschlossen wird, ist Internetfernsehen. Lettland hat einen digitalisierten Rundfunk. In den Programmpaketen aller größten Kabelnetzbetreiber sind in der Regel die größten Programmanbieter, Staatliche GmbH Latvijas Televīzija (LTV), MTG und PBK, vertreten. Zwischenzeitlich gab es einen Geschäftsstreit zwischen MTG und Lattelekom, der aber recht bald beigelegt wurde, da er wegen der Bevorzugung von Fernsehprogrammen Russlands seitens Lattelekom einen ausgesprochen politischen Beigeschmack bekommen hatte. Im terrestrischen und Satellitenfernsehen gibt es gewisse Unterschiede. PBK arbeitet nur per Satellit, LTV nur terrestrisch, MTG sowohl terrestrisch (LNT, TV3), als auch per Satellit (TV5, Kanals 2, TV6). Ein möglicherweise noch erbitterterer Konkurrenzkampf wird im Feld des kommerziellen (örfunks geführt, wo das NEPLP-Register 44 Sendeorganisationen verzeichnet. Da auch hier die Staatliche GmbH Latvijas Radio (LR) mit ihren sechs Programmen beteiligt ist, gibt es schon seit längerer Zeit eine manchmal recht heftige Diskussion darüber, weder in den Programmen des LTV noch des LR Werbung zu übertragen. – 10 – Tab. 4 Rundfunkmarkt: Programme und zeitliche Publikums-Anteile 2015 (in %) ________________________________________________________________________________________________________ Fernseh- Zuschauer (örfunk- Zuhörer Programme März Programme (Winter 2015) ________________________________________________________________________________________________________ TV3 13,4 LR ör 17,7 PBK (pr; ru) 9,8 Radio Skonto (pr) 11,2 LTV ör 9,5 LR ör 11,1 LNT (pr) 8,4 LR4 (pr; ru) 7,0 NTV Mir Latvija (pr; ru) 7,0 Radio SWH (pr) 5,7 RTR Planeta Baltija (pr; ru) 6,4 EHR (pr) 4,8 TV5 (pr; ru) 4,0 SWH+ (pr; ru) 4,0 REN Baltija (pr; ru) 3,7 Star FM (pr) 3,8 3+ (pr; ru) 3,7 Hiti Rosii / Russkoje LTV ör 3,1 Radio (pr; ru) 3,4 Top Radio (pr; ru) 3,3 andere 19,5 andere 9,9 ________________________________________________________________________________________________________ ör (öffentlich-rechtlich); pr (privatwirtschaftlich); ru (russisch). Quelle Medienforschungen von TNS Latvija 2015 (http://www.tns.lv/ ); TV3, LNT, TV5, 3+ und Star FM gehören zur Modern Times Group (MTG). In der Werbung geht es für lettische Verhältnisse um recht viel Geld. Der Haushalt von LTV und LR bildet sich aus drei Quellen: Zuwendungen aus dem Staatshaushalt, die den größten Teil ausmachen, Werbeeinnahmen und Einnahmen aus der eigenen Tätigkeit. LTV bekommt 2015 aus dem Staatshaushalt 12.752.790 Euro, an eigenen Einnahmen sind 5.249.863 Euro eingeplant, davon 3.561.189 Euro als Erlöse aus der Werbung.10 LR bekommt 2015 aus dem Staatshaushalt . . Euro, die eigenen Einnahmen müssen . Euro erreichen, wovon 850.000 Euro aus der Werbung erlöst werden sollen.11 LTV hatte 2013 einen Umsatz von 16,3 Mio. Euro und erreichte einen Gewinn von 1,36 Mio. Euro. Bei dem LR waren die entsprechenden Zahlen 7,39 Mio. Euro und als Gewinn 10 Vgl. Dace Kokareviča: Četrinieks, astoņnieks… Kādu atzīmi likt Latvijas Televīzijai? )n: Latvijas Avīze, Nr. 18 (5205) vom 28. Januar 2015, S. 4. 11 Vgl. NEPLP http://www.neplpadome.lv/ (15. I. 2015). – 11 – ganze 4.829 Euro.12 Das war auch einer der Gründe, warum NEPLP eine neue Führung bei LR eingesetzt hat. An jedem Jahresende fasst NEPLP einen Beschluss über den »gesellschaftlichen Auftrag« für LTV und LR für das nächste Jahr und über die Richtlinien dieses Auftrags für das übernächste Jahr. LTV muss ihre Positionen bezogen auf die Einschaltdauer halten, die Internet Plattformen Ltv.lv und Lsm.lv müssen die Grenze von 240.000 einmaligen Besuchern im Monat erreichen und die Werbeeinnahmen müssen steigen. LR muss den Umfang der investigativen und analytischen Journalistik steigern, ihr russisches Programm LR4 verbessern, das Programm für alternative Musik LR6 entwickeln und größeres Publikum per Internet erreichen. Als Perspektive bis 2016 hat NEPLP sowohl für LTV als auch für LR als wichtigste Aufgaben festgelegt: ° die Stärkung der nationalen )dentität, der Sprache, der Kultur und des sozialen Gedächtnisses, ° die Bildung einer demokratischen und geeinten Gesellschaft, ° die Zugehörigkeit zur europäischen und internationaler Gemeinschaft, ° die Verbreitung von Bildung und Wissen, ° die Förderung von Kreativität und Unternehmungsgeist, ° die Einbindung der Kinder und Jugendlichen.13 Eine weitere wichtige Aufgabe von NEPLP ist es, während der Jahre bis über die Verwirklichung der Nationalen Strategie in der Branche der elektronischer Massenkommunikationsmittel zu wachen. Dabei wird NEPLP von einem Gesellschaftlichen Konsultativrat unterstützt, dessen zwanzig Mitglieder aus verschiedenen Nichtregierungsorganisationen NEPLP auch selbst bestätigt. 12 Vgl. LETA: 18 miljoni eiro. Apstiprināts šī gada budžets Latvijas Televīzijai. http://www.kasjauns.lv/lv/zinas/ (20. I. 2015). 13 Vgl. Apstiprina LR sabiedriskā pasūtījuma vadlīnijas .gadam. http://www.neplpadome.lv/lv/ (21. IV. 2015). – 12 – NEPLP hat ferner das Recht, den Sendeanstalten administrative Geldstrafen aufzulegen. Von diesem Recht hat NEPLP 2014 in 17 Fällen Gebrauch gemacht. Besonderes Aufsehen erregten die Geldstrafen, die dem PBK auferlegt wurden – zweimal je . Euro wegen des Verstoßes gegen das Gebot einer objektiven, nicht einseitigen Information in den Nachrichtensendungen und einmal 1.000 Euro wegen der Nichteinhaltung des in der Sendeerlaubnis festgelegten Gebrauchs der lettischen Sprache.14 Dennoch hat NEPLP im April 2015 die Sendelizenz des am 4. September gegründeten Fernsehkanals PBK des Medienkonzerns BMA für weitere zehn Jahre erneuert. BMA ist ein in Lettland registriertes Unternehmen, das den Mediennutzern vier Fernsehkanäle, zwei Wochenzeitungen und das mobile Fernsehen MASSmedia anbietet. BMA hatte 2013 einen Umsatz von 15.510.227 Euro und machte einen Gewinn von 85.560 Euro.15 Gerade auf den Feldern der Konvergenz von Telekommunikation, elektronischen Medien und sogenannten traditionellen Medien zeichnen sich neue Entwicklungen ab, die nicht nur neue Aufgaben für den NEPLP mit sich bringen, sondern auch grenzüberschreitende )nformationsflüsse umfangreicher und schneller machen. Dies wird zum Diskussionsstoff im Parlament im Zusammenhang mit bevorstehenden Gesetzesänderungen und zu einer sehr wichtigen Arena des Konkurrenzkampfes unter Medienunternehmen Lettlands. 3. INTERNET Nach den Angaben des Forschungsunternehmens TNS Latvia Digital haben von den 1.273.000 Einwohnern Lettlands im Alter von 15 bis 74 Jahren 75 v.H. im (erbst das )nternet während der letzten sechs Monate genutzt. )n den gleichen Altersgruppen nutzten 38 v.H. ein Smart-Phone und 17 v.H. ein Tablett.16 14 Vgl. LETA: NEPLP pērn visbiežāk sodījusi TV kanālu PBK; visapjomīgāko sodu saņēmusi LTV. http://www.delfi.lv/news/national/politics/ (27. IV. 2015). 15 Vgl. LETA: Kanālam PBK atjauno apraides licenci Latvijā uz gadiem. http://www.delfi.lv/news/national/politics/ (23. IV. 2015). 16 Vgl. TNS/TNS Latvia Digital. http://www.tns.lv/ (20. IV. 2015). – 13 – Tab. 5 Reguläre )nternetnutzer: Altersgruppen, Wohnort, Nationalität und Beschäftigung (Herbst 2014) __________________________________________________________________________________________ Alter Anteil Wohnort, Nationalität Anteil (Jahre) % Beschäftigung % ___________________________________________________________________________________________ 15 – 19 97 Riga 67 20 – 29 93 andere Städte 65 30 – 39 83 auf dem Land 57 40 – 49 59 Letten 66 50 – 59 48 andere Nationalität 59 60 – 74 23 arbeitet 73 arbeitet nicht 38 Schüler, Student 98 __________________________________________________________________________________________ Quelle Medienforschungen von TNS/TNS Latvia Digital 2013/2014 (http://www.tns.lv/) Tab. 6 Reguläre )nternetnutzer: Internetsites (Herbst 2014) __________________________________________________ Internetsites Cover (%) __________________________________________________ Google.com 47,5 Inbox (lv; ru) 30,7 Youtube.com 29,4 DELFI (lv; ru) 28,6 Draugiem.lv 25,8 TV NET (lv; ru) 21,1 Facebook.com 20,5 SS.lv 18,1 Gmail.com 17,2 Apollo.lv 13,8 Odnoklassniki.ru 11,3 __________________________________________________ Quelle Medienforschungen von TNS/ TNS Latvia Digital 2013/2014 (http://www.tns.lv/) – 14 – Unter die Top-20 der Internetportale kamen neben Twitter.com (14. Platz, 5,9 v.H.), noch das Nachrichtenportal Kasjauns.lv (15. Platz, 5,2 v.H.) und das Videoportal von MTG Tvplay.lv (19. Platz, 3,8 v.H.). Im Jahre 2014 gaben 21 v.H. der Einwohner von Lettland an, sie hätten noch nie das Internet genutzt. Nach den Angaben der Internet Assoziation Lettlands, hatten im Juli 2013 4,9 v.H. der Einwohner Lettlands das superschnelle Breitbandinternet (100 Mbps), 10,7 v.H. das schnelle Breitbandinternet (30 Mbps) abonniert und 48 v.H. aller aktiven Nutzer hatten von den mobilen Breitbanddienstleistungen Gebrauch gemacht.17 Nach den Daten von Gemius Latvia hatten im März die Nachrichtenportale delfi.lv (845.633), tvnet.lv (822.687) und kasjauns.lv (387.852) die meisten realen Besucher (real users). Erst danach folgten die anderen Medien: diena.lv (260.475), la.lv (Latvijas Avīze; 245.043), lsm.lv öffentlicher Rundfunk; 235.917), skaties.lv (MTG; 225.423), nra.lv (213.093) und vesti.lv (198.237). 18 MTG bietet ihr Videoportal skaties.lv seit dem 22. April 2015 auch in Russisch an (http://posmotri.skaties.lv/). Die lettische Regierung kann im Herbst 2015 eine wichtige wirtschafts- und medienpolitische Entscheidung treffen. Dabei geht es um den möglichen Verkauf von Staatsanteilen an zwei sehr wichtigen Unternehmen Lettlands, nämlich von Lattelekom, das sich zu 49 v.H. im Besitz des Unternehmens Telia Sonera und zu 51 v.H. im Besitz des lettischen Staates befindet, sowie von Latvijas Mobilais Telefons (LMT – Mobilfunk Lettlands), von deren Anteilen Telia Sonera ebenfalls 49 v.H. besitzt und sich die übrigen auf Lattelekom (23 v.H.), das Staatliche Rundfunkzentrum Lettlands (LVRTC; 23 v.H.) und den lettischen Staat (5 v.H.) verteilen. Als mögliche Käufer werden die Deutsche Telekom, Netflix (USA), Kinnevik (bereits im Besitz von Tele2 und MTG in Lettland) sowie das Unternehmen MTS aus Russland, das auch in Weißrussland, Ukraine, Armenien, Usbekistan und Turkmenistan vertreten ist, gehandelt.19 Es geht also um eine 17 Vgl. Statistika. http://www.lia.lv/statistika/ (25. IV. 2015). 18 Vgl. Gemius Audience. http://www.audience.gemius.lv/pages/display/visitors (20. IV. 2015). 19 Vgl. )vars Bušmanis: Ja māsas nespēj sadarboties, tās jāizprecina! )n: Latvijas Avīze, Nr. 70 (5257) vom 14. April 2015, S. 1, 6–7. – 15 – weitere Konzentration im Medienbereich, die auch eine geopolitische Ausrichtung besitzen kann. Ein Beispiel dafür ist der Verkauf der (olding Eesti Meedia an die Leitung des Unternehmens, der vom norwegischen Medienkonzern Schibsted 2013 getätigt wurde. Darauf folgten die Käufe durch die neuen Eigentümer der Portale Tvnet.lv im Herbst 2013 und Apollo.lv im Frühling sowie der Nachrichtenagentur Baltic News Service (BNS) im Sommer 2014. Die Frage, ob solche Entwicklungen zu einem Mehr an qualitativem und investigativem Journalismus führen, muss man bislang eher mit »nein« beatworten. Im Zusammenhang mit den Internetmedien sollte man noch einen anderen Aspekt erwähnen. Von der GmbH Baltnews.lv, die ihren Sitz in Lettland hat, wurde im Oktober 2014 das Masseninformationsmittel Baltnews.lv in der Form eines informativ analytischen Portals ins Leben gerufen. Über das Portal baltnews.lv sind auch die für Estland und Litauen gedachten Seiten baltnews.ee und baltnews.lt zu erreichen. Die Sicherheitspolizei Estlands »Kapo« vertrat die Meinung, dass das Projekt von einer Firma aus den Niederlanden finanziert und von Leuten kontrolliert wird, die im Zusammenhang mit der staatlichen Informationsagentur Russlands Rossija Segodnja stehen. Einer von den Gründern des Projekts Baltnews, der Direktor des Instituts der Eurasischen Wirtschaftsgemeinschaft Vladimir Lepehin, ist auch dadurch bekannt geworden, dass er »verschiedene )nformationsoperationen in den Nachbarstaaten Russlands koordiniert.«20 Solche Operationen bildeten auch einen der Gründe, die zu recht intensiven Diskussionen über die Notwendigkeit einer neuen und effektiveren Medienpolitik Lettlands geführt haben. 4. WERBEMARKT Der alles entscheidende Faktor auf dem Werbemarkt war der Rückgang der gesamten Werbeeinnahmen für alle Medien um etwas mehr als die (älfte – von 138 Mio. Euro im Jahre 2008 auf 65 Mio. Euro am Tiefpunkt, der 2010 erreicht 20Jānis Krēķis: »Kapo« brīdina par Krievijas propagandu. )n: Latvijas Avīze, Nr. 71 (5258) vom 15. April 2015, S. 8. – 16 – wurde. Der Einbruch der Werbeeinnahmen von Zeitungen und Zeitschriften war noch um einiges gravierender – von 47 Mio. Euro 2008 auf 13 Mio. Euro 2010. 21 Besonders schmerzlich für die Presse ist dabei der Umstand, dass die Werbeeinnahmen auf diesem Niveau, mit kleinen Schwankungen, auch bis zum Jahr 2014 (13,51 Mio. Euro) stagnieren. Tab. 7 Werbemarkt: Anteile der Medien (in %) 2005 und 2013 ___________________________________________________________________________________ Medium 2005 2014 (59,01 Mio. Lats) (75,63 Mio. Lats) ___________________________________________________________________________________ Fernsehen 34,98 44 Zeitung 29,56 8 Zeitschrift 13,26 10 (örfunk 11,48 13 Außenwerbung 7,56 10 Internet 2,86 14 Kino 0,3 0,6 ___________________________________________________________________________________ Quelle Medienforschungen von TNS/ Quelle Medienforschungen von TNS Latvija 2014 (http://www.tns.lv/ ); Assoziation der Werbung Lettlands (http://www.lra.lv/); ein Lats (LVL) hat den Wert von 1.42 Euro (http://www.bank.lv/ ). Der Umfang aller Werbeeinnahmen wuchs 2014 im Vergleich zum Vorjahr um drei Prozent und wurde sehr positiv gewertet. Die fünf größten Werbeaufträge kamen von den Unternehmen Tele2 (Mobilfunk), Bite (Mobilfunk), Maxima (Kleinhandelskette), Rimi (Kleinhandelskette) und 4Finance (die schnellen Kleinkredite . Es ist völlig klar geworden, dass die Zeitungen und Zeitschriften, besonders für die regionale Presse, ohne staatliche Unterstützung auch auf dem lettischen Pressemarkt vor einem schweren Kampf ums Überleben stehen. 5. Lettland auf der Suche nach einer Medienpolitik 21 Vgl. Raudseps (wie Anm. 7), S. 17. – 17 – )n den letzten Jahren sind einige Veröffentlichungen erschienen, in denen sowohl akademische Autoren als auch investigative Journalisten versucht haben, eine Einschätzung des Mediensystems Lettlands zu geben oder die wichtigsten Züge dieses Systems deskriptiv darzustellen. Erstmals seit der Erneuerung der Unabhängigkeit des Staates Lettland , hat Dr. sc. soc. Anda Rožukalne, Assoziierte Professorin der Rigaer Stradins Universität, in ihrem Buch »Wer besitzt die Medien Lettlands? Monographie über das Mediensystem Lettlands und die einflussreichsten Eigentümer von Medien« die Entwicklung der Medien im Zeitraum von 1991 bis 2013 untersuch.22 Sie gelangte zu dem hoffnungsvollen Ergebnis, dass die Medien Lettlands und des ganzen Baltikums in einer überschaubaren Zukunft zu einem Bestandteil der nordeuropäischen Medienwelt werden könnten. Aus der heutigen Sicht ist es schon bemerkenswert, dass in dem Buch nichts über die Medienpolitik zu lesen ist. Als eine Beilage mit neueren Daten zu dieser Monographie kann die Publikation Gibt es ein Leben nach der Krisis? Finanz- und Publikumsanalyse der Medien des Baltikums (2008-2014) von vier lettischen Autorinnengesehen werden, die vom Zentrum für Medienforschung der Wirtschaftsschule Stockholms in Riga und vom Baltischen Zentrum für den investigativen Journalismus Re: Baltica unterstützt und herausgegeben wurde.23 Nur die Medienwelt in Estland wird als »gesund« eingeschätzt, was sich auch im größeren Vertrauen des estnischen Medienpublikums in die Medien und die Regierung im Vergleich zu Lettland und Litauen widerspiegelt. Schon expliziter mit der Rolle der Medien, insbesondere des Fernsehens und der Internetmedien Russlands, sowie der russischen Medien Lettlands nach der Annektierung der Krim, beschäftigt sich der erschienene Sammelband »Public Diplomacy Russlands in Lettland: Medien und der 22 Vgl. Anda Rožukalne: Kam pieder Latvijas mediji? Monogrāfija par Latvijas mediju sistēmu un ietekmīgākajiem mediju īpašniekiem. Rīga: Zinātne . 23 Vgl. Rudīte Spakovska/Sanita Jemberga/Aija Krūtaine/)nga Spriņģe: )s There Life After Crisis? Analysis Of The Baltic Media’s Finances And Audiences –2014). Riga: SSE Riga, re:baltica 2014. – 18 – nichtstaatliche Sektor«.24 In ihrem Beitrag zu diesem Band vertrat Anda Rožukalne den Standpunkt, aus der Sicht der Regulierung, seien die aktuellsten Fragen für Lettland: ° die Möglichkeit, umgehend festzustellen, in welchem europäischen Staat die Medien (i. d. R. Medien aus Russland) registriert sind, die in Lettland ihre Inhalte anbieten; ° die Möglichkeit, die Angebote eines Fernsehkanals eines anderen Staats darauf hin zu überprüfen, ob sie mit den in Lettland geltenden normativen Bestimmungen übereinstimmen; ° die Überprüfung der Bestimmungen, die für die Verbreitung von Programminhalten ausländischer Rundfunkanbieter bestehen, um eine unkontrollierte Verbreitung derartiger Programme in Lettland unterbinden zu können.25 Diese Überlegungen muss man u. a. im Kontext mit dem Beschluss des NEPLP vom 3. April 2014 sehen: Auf der Grundlage des Gesetzes über die elektronischen Massenkommunikationsmittel verbot er dem Fernsehkanal Russlands Rossija RTR für drei Monate, seine Programme auf dem Territorium Lettlands zu verbreiten. Auf einen anderen Aspekt verwies der Vorstandsvorsitzende von Lattelekom, A. Gulbis, als er Ende April 2014 berichtete, in 200.000 oder 20 v.H der Haushalte in Lettland würde man illegal die Karten von Operatoren des Satellitenfernsehens aus Russland gebrauchen, ohne dass lettischen Institutionen auf irgend eine Weise darauf reagierten.26 Dabei weigerte sich das Unternehmen der MTG Gruppe Viasat zunächst, den Beschluss der NEPLP zu erfüllen. In einem demokratietheoretischen Rahmen wird das Mediensystem Lettlands von mir und meinen Kolleginnen Ilze Šulmane und Vita Dreijere in dem Band »Audit 24 Vgl. Andis Kudors Red. : Krievijas publiskā diplomātija Latvijā: mediji un nevalstiskais sektors. Rīga: Austrumeiropas politikas pētījumu centrs, LU Akadēmiskais apgāds . http://appc.lv/wp- content/uploads/2014/09/Krievijas_publ_dipl_Latvija_2014_APPC.pdf (20. XII. 2014). 25 Vgl. Kudors (wie Anm. 24), S. 93. 26 Vgl. LETA: NEPLP nākamnedēļ rīkosies saistībā ar Viasat atteikšanos pārtraukt »Rossija RTR« retranslēšanu. http://www.delfi.lv/bizness/archive/print.php?id=44447198 (30. IV. 2014). – 19 – der Demokratie 2005–2014« betrachtet, der in diesem Jahr erschienen ist.27 Die meisten Probleme sehen wir in der Unabhängigkeit der Medien von den Regierungsinstitutionen und internationalem Medienkorporationen sowie darin, Möglichkeiten für einen investigativen Journalismus sowohl innerhalb als auch außerhalb von Medien zu schaffen. Zu den Versuchen von Russland, eine sehr aktive Public Diplomacy in den Baltischen Staaten zu verwirklichen, schlagen wir alternativ vor, entweder eine gemeinsame digitale Plattform mit der Arbeitssprache Russisch für die Baltischen Staaten zu betreiben oder, als effektivere Lösung, ein russischsprachiges Programm im Rahmen des öffentlichen Fernsehens Lettlands einzurichten, was allerdings von Teilen der Öffentlichkeit und nicht wenigen Parlamentsabgeordneten heftig kritisiert wird. Estland hat sich für einen derartigen russischsprachigen Fernsehkanal entschieden. Im Herbst 2014 wurden von der Regierung Lettlands mehrere Beschlüsse gefasst, die die Medienpolitik ganz konkret betreffen. Dazu gehört auch die Entscheidung, im Ministerium der Kultur eine neue Abteilung für Medienpolitik zu schaffen; sie hat ihre Arbeit im April 2015 im vollen Umfang aufgenommen. Das Ministerium setzte im September 2014 eine Arbeitsgruppe mit dem Auftrag ein, bis Mitte 2015 ein Grundlagenkonzept für die Medienpolitik zu entwerfen und einen Katalog der erforderlichen Maßnahmen vorzuschlagen. Die Medienpolitik im Felde sowohl der privaten als auch der öffentlichen elektronischen Medien bleibt in den (änden des NEPLP. Nach Auffassung der Ministerin der Kultur, Dace Melbārde, besteht die wichtigste Aufgabe darin sicherzustellen, dass in Lettland gleichermaßen eine vielfältige Medienwelt mit unabhängigen Medien wie die Freiheit des Wortes und der Ausdrucksart bestehen bleiben. Selbst in dieser ganz allgemeinen Form bleibt das ein schwieriges Unterfangen, weil stabile Regierungen und Regierungsmehrheiten in Lettland keine Selbstverständlichkeit waren und auch unwahrscheinlich bleiben werden. 27 Ojārs Skudra/)lze Šulmane/Vita Dreijere: The Media in a Democratic Society. )n: Juris Rozenvalds (Scientif. Ed.): How Democratic Is Latvia? Audit of Democracy 2005-2014. Riga: University of Latvia Advanced Social and Political Research Institute 2014, S.201–218. – 20 –