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Warum explodierte die "Hindenburg" wirklich?

Leitender Redakteur Geschichte
In einem TV-Zweiteiler bringt RTL die Katastrophe auf den Bildschirm. Bis heute ist umstritten, was tatsächlich geschah.

Es war die erste Live-Katastrophe der Geschichte. „Die hinteren Motoren des Schiffes halten es gerade, halten es gerade weg vom ...“, sagte der Radioreporter Herbert Morrison gerade in sein Mikrofon. Er berichtete über die Landung des weltgrößten Zeppelins LZ-129 „Hindenburg“, als am 6. Mai 1937 um 18.25 Uhr das Unvorstellbare geschah. Selbst der Stimme des geübten Reporters war das Entsetzen anzumerken, das ihn ergriff: „Oh ... Oh... Er explodiert! Er steht in Flammen! Er stürzt ab, er zerbirst!“

Morrisons Toningenieur zeichnete die Reportage direkt auf eine Lackplatte auf, am folgenden Tag wurde sie vom Sender NBC in den ganzen USA ausgestrahlt. Wenig später vertonte man die Bilder, die mehrere Kameraleute vom Absturz gedreht hatten, mit Morrisons Worten. In dieser Form ging die Reportage vom Absturz des Stolzes der deutschen Zivilluftfahrt ins Bewusstsein der Welt ein, wurde unzählige Mal in Dokumentation gezeigt und ist auf Dutzenden Websites abrufbar .

Mit 36 Toten war der Absturz der „Hindenburg“ bei weitem nicht der schlimmste Crash eines Luftschiffes. Aber die ungeheure Wirkung des Liveberichts und der dazu passenden bewegten Bilder machten die Katastrophe von Lakehurst zu einem der bekanntesten Luftfahrtunfälle. Aber was führte zur Explosion?

Auch fast ein Dreivierteljahrhundert später bleibt das umstritten. Jetzt hatte in Berlin der TV-Zweiteiler „Die Hindenburg“ Premiere, den RTL am 6. und 7. Februar ausstrahlt. Die Teamworx-Produktion ist ein typisches „Event-Programm“ mit den gewohnten Zutaten: Natürlich spielen die üblichen Verdächtigen, zum Beispiel Heiner Lauterbach, Ulrich Noethen und Hannes Jaenicke. Natürlich dreht sich die Story um eine Frau zwischen zwei Männern. Und natürlich gibt es böse Nazis zuhauf und immerhin drei aufrechte Luftschiffer, eine Verschwörung und einen Attentäter. Das Drehbuch von Johannes W. Betz trägt stellenweise viel zu dick auf, bietet am Ende aber in der entscheidenden Frage eine überraschende Antwort auf die Kardinalfrage.

Tausende Artikel, Dutzende Bücher und Dokumentationen haben das Rätsel zu lösen versucht. Doch je länger über die Ursache der Explosion nachgedacht wurde, desto unklarer wurde die Lage. Unmittelbar nach dem Absturz waren zwei Untersuchungskommissionen, eine amerikanische und eine deutsche, zum selben Ergebnis gekommen: Die „Hindenburg“ sei das Opfer einer unglücklichen Verkettung von unwahrscheinlichen Zufällen geworden.

Durch das Wetter sei die Luft am Landeplatz Lakehurst statisch aufgeladen gewesen. Bei der harten Kurskorrektor von Kapitän Max Pruss wegen wechselnder Winde riss demnach ein Spannseil im Inneren und schlug eine der Gaszellen mit Wasserstoffgas leck. Das ausströmende Gas bildete mit der Luft rasch ein zündfähiges Gemisch. Als dann die nassen Halteseile zu Boden fielen, sei die elektrisch geladene Konstruktion des Zeppelins plötzlich geerdet worden, was wahlweise zu Funkenflug, einer statischen Entladung oder zu einem Elmsfeuer geführt habe, die das Wasserstoff-Luft-Gemisch entzündeten.

Ein Brief kündigte einen Bombenanschlag an

Doch konnte, ja durfte die Lösung wirklich so einfach sein? Immerhin hatte es vor der letzten Atlantikfahrt der „Hindenburg“ warnende Briefe gegeben, zum Beispiel von einer gewissen Kathie Rauch aus Milwaukee. Sie hatte der deutschen Botschaft in Washington geschrieben: „Bitte benachrichtigen Sie die Zeppelin-Gesellschaft, dass der Zeppelin ,Hindenburg’ auf seinem Flug in ein anderes Land durch eine Zeitbombe zerstört werden wird.“ Aber war die Spiritistin Mrs. Rauch wirklich ernst zu nehmen? Briefe wie ihrer gab es fast vor jedem groß angekündigten Flug eines Zeppelins, ebenfalls vor Jungfernfahrten großer Linienschiffe.

Von Sabotage waren anfangs auch der Chef der Zeppelin-Reederei, Hugo Eckener, und der überlebende Kapitän Pruss überzeugt. Doch knapp ein halbes Jahr nach der Explosion unterzeichnete Eckener den Untersuchungsbericht der deutschen Kommission, die er geleitet hatte. Darin wurde ein Sabotageakt ausgeschlossen. Pruss blieb dennoch bis an sein Lebensende 1960 überzeugt, dass weder technisches versagen noch ein unglücklicher Zufall sein Luftschiff zerstört hatten, sondern ein Attentäter.

Der Bordmechaniker tötete aus Liebe

Vor allem zwei amerikanische Autoren trieben seither die Interpretation voran, die „Hindenburg“ sei von einem gewaltbereiten Nazi-Gegner mittels einer Zeitbombe zerstört worden. Beide, August A. Hoehling und Michael M. Mooney, meinten auch, den Täter identifiziert zu haben: Der überzeugte Katholik Erich Spehl, Bordmechaniker der „Hindenburg“. Er habe eine Zeitbombe neben einer Gaszelle angebracht – an einer besonders unzugänglichen Stelle weit oben im Heck, damit der Sprengsatz nicht entdeckt werde. Spehl habe die Zeitschaltuhr so eingestellt, dass die „Hindenburg“ just zwischen dem planmäßigen Anlegen in Lakehurst und dem Zusteigen der Passagiere für den Rückflug am folgenden Tag explodieren sollte. Doch der heftige Gegenwind und schlechtes Wetter führten zu einer zwölfstündigen Verspätung. Just als die „Hindenburg“ in Lakehurst anlegte, sei die Bombe explodiert.

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Doch die Geschichte über Spehl hatte Mängel. Gewiss, er war beim Absturz ums Leben gekommen, konnte sich gegen die Unterstellungen also nicht mehr wehren. Aber er soll aus Liebe zu einer Frau gehandelt haben, einer Frankfurterin mit linksradikaler Vergangenheit. Das war nicht völlig unmöglich, aber doch für einen gläubigen Katholiken eher unwahrscheinlich.

Oder waren es Schüsse aus einem Gewehr?

Außerdem: Eine einzelne Bombe hätte sicher mehrere Gaszellen aufreißen können – aber wäre es dann zu einer so schlagartigen Entzündung gekommen? Erst einmal musste sich ja der Wasserstoff mit der Luft zum extrem zündfähigen Knallgas vermischen. Da aber viele Augenzeugen zuerst ein beinahe lautloses Auflodern sahen und erst zehn bis 15 Sekunden später den Knall einer Explosion hörten, scheidet die Bombentheorie eigentlich aus. Trotzdem wurde Mooneys Buch 1975 zur Grundlage des Katastrophenfilms „Die Hindenburg“.

Die Möglichkeit einer Sabotage hatte schon 1937 der deutsche Ermittlungsbericht angesprochen: „Für die Einwirkung von außen auf das Luftschiff kommt ein Schuss mit einem Brandgeschoss in Frage.“ Allerdings hielten die Experten um Eckener das für nicht sehr überzeugend: „Angesichts der zahlreichen anwesenden Menschen und der amerikanischen Absperrung des Geländes erscheinen nur Schüsse, die aus einem geräuschlosen Gewehr inmitten einer Gruppe Eingeweihter aus näherer Entfernung abgefeuert wurden, oder Schüsse aus einer weit tragenden Waffe möglich.“ Dabei wäre jedoch die Gefahr einer Entdeckung sehr hoch gewesen.

Manche glauben an eine Rakete

Allerdings ließ die Art des Brandes diese Erklärung unwahrscheinlich erscheinen: „Gegen die Entzündung durch ein Brandgeschoss spricht ferner die Tatsache, dass im Verlauf des Brandes eine heftige Explosion erfolgte. Wie die Erfahrungen mit Fesselballonen während des Weltkrieges gezeigt haben, verbrennen durch ein Brandgeschoss entzündete Ballone jedoch im Allgemeinen ohne eine Explosion, da sich größere Mengen von Knallgas nicht bilden können.“

Die Theorie, ein amerikanischer Nazi-Gegner könnte mit einer selbst gebauten Rakete die „Hindenburg“ in Brand geschossen haben, war nie mehr als Fiktion gewesen: Kein Zeuge hatte eine entsprechende Rauchspur wahrgenommen, und ohnehin waren Raketen im Jahr 1937 nicht treffsicher genug, um aus einigen hundert Metern Entfernung ein Ziel zu treffen, und sei es auch so groß wie die 245 Meter lange LZ-129.

Technisches Versagen der Motoren konnte ebenfalls ausgeschlossen werden: Die Abgase wurden durch Luftzufuhr im Auspuff so weit gekühlt, dass sie unter der Zündtemperatur auch eines perfekten Knallgas-Gemischs lagen. Die Reste eines Propellers, die im Inneren des ausgebrannten Zeppelinrahmens gefunden worden waren, ließen die Vermutung aufkommen, die Luftschraube habe sich während der Landung gelöst und sei in einer Gaszelle eingeschlagen. Allerdings hätte die LZ-129 dann in der hinteren Mitte unten explodieren müssen, nicht aber oben am Heck. In Wirklichkeit wurde der Propeller beim Absturz ins Innere des Luftschiffes geschleudert.

Nachdem alle denkbaren Möglichkeiten in den vergangenen 73 Jahren hin und her gewendet worden sind, bleibt am Ende nur eine Lösung mit gewisser Wahrscheinlichkeit. Die „Hindenburg“ war äußerlich mit einem neuartigen Lack angestrichen worden, dessen genaue Eigenschaften allerdings niemand kannte. Der Lack ihres Vorläufers LZ-127 „Graf Zeppelin“ war anders zusammengesetzt, und auch das erst anderthalb Jahre nach der Katastrophe von Lakehurst in Dienst gestellte Schwesterschiff LZ-130 „Graf Zeppelin II“ hatte wieder einen anderen, diesmal intensiv erprobten Anstrich. Doch einen Beweis gibt es auch für diese Theorie nicht. Es darf weiter gerätselt werden.

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