Luise Heyer: „Lauras Stern“ erinnert mich an die Märchenfilme meiner Kindheit

Luise Heyer: „Lauras Stern“ erinnert mich an die Märchenfilme meiner Kindheit

Wie spielt man eine Mutter für Kinder, die einen kaum kennen? Die Schauspielerin Luise Heyer erzählt von Vertrauen und der Kino-Verzauberung.

Luise Heyer als Mutter und Cellospielerin in dem Film „Lauras Stern“
Luise Heyer als Mutter und Cellospielerin in dem Film „Lauras Stern“Warner Bros Pictures

Die Familie von Laura ist in der Großstadt gelandet, angekommen fühlen sich die Kinder aber nicht. Erst als sich ein Stern vom Himmel mit abgebrochener Zacke in Lauras Zimmer verirrt und das Mädchen ihm helfen kann, bekommt auch die Stadt ihren Reiz. Vor 25 Jahren erschien das magische Bilderbuchabenteuer von Klaus Baumgart, vor 15 Jahren kam es als Animationsfilm in die Kinos und nun gibt es eine Realverfilmung von Joya Thome. Hier zeigt sich deutlich, dass Laura ein Mädchen von heute ist, das mit dem Stern auf fantastische Reisen geht. Ihre Mutter spielt Luise Heyer, die als Film-Mutter bereits mit einer Lola geehrt wurde. Wir sprachen mit ihr über Mutterrollen und Kinoträume.

Sie haben vor zwei Jahren als Mutter in „Der Junge muss an die frische Luft“ eine große Verletzlichkeit gezeigt und im Frühjahr im Rostocker Polizeiruf 110 „Sabine“ eine brodelnde Wut. In „Lauras Stern“ sind Sie geradezu das Musterbild einer guten Mutter. War Ihnen die Rolle nicht zu klein?

Luise Heyer: Nein, ich empfand es als einen guten Einstieg; es war die erste Rolle nach meiner zweiten Schwangerschaft. Ich hatte so viele harte Sachen gedreht und diesmal Lust, etwas Schönes zu machen, was meine Kinder auch mal sehen können. Die Arbeit erinnerte mich an meine eigene Kindheit, an die Märchen, die ich gesehen habe.

Das Wort Märchen trifft es gut. Es ist ja die Verfilmung eines Bilderbuchs, das es auch schon in einer Trickfilmfassung gab. Dieser Realfilm, der irgendwo in Deutschland spielt, ist einerseits altmodisch, weil er so langsam erzählt ist, und andererseits nutzt er doch die neuesten technischen Möglichkeiten.

Vielleicht wird das langsame Erzählen wieder modern. Ich habe „Lauras Stern“ auf dem Filmfest München gesehen. Weil meine Figur so im Hintergrund bleibt, konnte ich mich gut drauf einlassen. Und ich habe wirklich an die Bilder gedacht, die ich noch im Kopf habe von den tschechischen Kinderfilmen oder von „Mio, mein Mio“ nach Astrid Lindgren. Es ist ein schönes Gefühl, Teil von etwas zu sein, das für Kinder prägend sein kann. Der Flug mit dem Stern, die Kuscheltiere, die zum Leben erweckt werden – das hat mich bezaubert.

Man sieht Sie und Ludwig Trepte als Eltern, die ihre Kinder nicht antreiben und ihnen viel Freiraum lassen. Kann man sich auf so etwas überhaupt vorbereiten?

Ohne Vorbereitung geht es nicht. Hier ging darum, zu zeigen, dass Laura und ihr kleiner Bruder Tommy in einem behüteten Zuhause aufwachsen, wo es keine Probleme gibt. Deswegen ist es total wichtig, die Eltern zu sehen. Als Spielerin und Spieler muss man sich da ein bisschen zurücknehmen, um vor allem unterstützend zu sein für die Kinder.

Wie baut man als Schauspielerin eine Beziehung zu so jungen Mitspielern auf?

Man muss versuchen, so natürlich wie möglich mit ihnen umzugehen, in den Pausen mit ihnen Spaß haben, mit ihnen herumalbern. Bei Emilia, die Laura spielt, war das kaum nötig, weil sie so professionell war. Sie war neun, aber schon ziemlich erwachsen für ihr Alter. Michel, also der Darsteller des kleinen Tommy, war fünf, er wurde sechs während des Drehs. Er hat den Text über das Hörspiel gelernt, er konnte ja noch nicht lesen. Joya Thome, unsere Regisseurin, hatte zu beiden einen sehr guten Draht.

Aber woher holen Sie diese Vertrautheit mit fremden Kindern?

Ich hatte bisher immer Glück mit meinen Film-Kindern. Es wäre zu viel verlangt, wenn sie die Bindung zur Mutter spielen sollten. Sie brauchen eine gute Beziehung zu mir als Luise, damit sie dann im Spiel die Scheu verlieren und mir vertrauen. In Momenten, in denen es nicht klappt, wenn sie sich zum Beispiel versteifen, wenn man sie in den Arm nehmen soll, kommt es darauf an, das zu überspielen oder zu verspielen, vielleicht am Ende rauszuschneiden.

Hat sich Ihr Spiel verändert dadurch, dass Sie selbst Mutter sind?

Das kann ich nicht beantworten, weil die Figuren ja immer anders sind. Ich weiß jetzt natürlich mehr, was man da spielt. Beim Dreh von „Der Junge muss an die frische Luft“ war ich schwanger und bin sehr schnell an meine Emotionen gekommen. Aber ich gehe sowieso emotional an die Figuren ran.

Infobox image
Anne Wilk
Zur Person
Die gebürtige Berlinerin Luise Heyer absolvierte eine Schauspielausbildung in Rostock und begann am Schauspiel Dortmund. Für das Kino gab Luise Heyer ihr Debüt in Robert Thalheims Melodram „Westwind“ (2011). Sie spielte in Edward Bergers Sozialdrama „Jack“, das 2015 die Silberne Lola als Bester Spielfilm gewann. Für ihre Rolle der Mutter in „Der Junge muss an die frische Luft“ (2018) von Caroline Link wurde Luise Heyer mit dem Bambi und dem Deutschen Filmpreis als Beste Nebendarstellerin ausgezeichnet. Sie hatte bereits mehrere Fernsehrollen und gehörte in der deutschen Netflix- Serie „Dark“ zur Besetzung.

Sie haben beim Theater angefangen, wie ist Ihr Verhältnis zum Kino?

Ich finde das Kino wahnsinnig wichtig, um etwas gemeinsam zu erleben. Theater ist wunderbar, aber da steht die Kunst abstrakt im Raum. Wenn Menschen im Kino sitzen, können sie sich verstanden fühlen und emotional auf eine andere Ebene gehoben werden. Meine Hoffnung ist, dass sie dann offener für die Probleme anderer und nicht so leicht verbittert werden. Oder denken Sie an den Moment, wenn der Film zu Ende ist und die einander Fremden gemeinsam aufstehen, sich noch die Tränen wegwischen, Witze weitererzählen oder sogar klatschen, obwohl niemand da ist, dem der Applaus gilt.

Das ist der Eindruck als Zuschauerin, wie sehen Sie das als Schauspielerin?

Da ist der Unterschied sehr groß. Beim Filmen, auch fürs Fernsehen oder die Serie, lebe ich als Spielerin in der Vergangenheit. Man dreht etwas, das geht einem nahe, aber es ist kaum möglich, das mit Menschen im Umfeld zu besprechen. Die verstehen ja gar nicht, in welcher Lage man sich gerade befindet. Das ist so, wie wenn man jemandem einen Traum erklären will. Und dann kommt der Film raus, nehmen wir „Sabine“, den Polizeiruf, und man wird darauf angesprochen: Es muss so krass gewesen sein, das zu spielen. Aber für mich liegt das dann lange zurück. Beim Theater ist es viel unmittelbarer. Man hat sechs Wochen Proben, dann steht man auf der Bühne, man spielt die Figur zwei Stunden durch und weiß am Ende, was man gemacht hat.

„Lauras Stern“ sollte schon letztes Jahr der große Weihnachtsfilm sein, da ist die Schere dann noch größer.

Vor allem für die Kinder wird der Sprung krass sein, die haben sich deutlich weiterentwickelt. Aber es wäre so wichtig, dass er nun seine Zuschauer findet. Es beunruhigt mich sehr, dass es durch die Pandemie zu vielen Künsten jetzt nur beschränkten Zugang gibt.