Indogermanisch, das
Die Verwendung der beiden möglichen Formen des Wortes richtet sich einerseits nach formalen Kriterien, andererseits tendenziell auch nach der beabsichtigten Bedeutung. Die Form ohne »-e« ist die einzige Möglichkeit, wo sonst starke Formen des Adjektivs gefordert wären (ich kann kein Indogermanisch). Sie wird gewöhnlich dann verwendet, wenn von verschiedenen Ausprägungen der Sprache die Rede ist (das frühe Indogermanisch, im Indogermanisch der Frühzeit) und steht häufiger als Subjekt und Objekt (ohne Artikel: ich studiere Indogermanisch) als in anderen Rollen (die Besonderheiten des Indogermanisch(s)). Die Form mit »-e«, die immer mit Artikel steht, kann in allen Fällen verwendet werden, wo schwache Adjektivendungen vorkommen (aus dem Indogermanischen im Deutschen ererbt, die Besonderheiten des Indogermanischen). Sie wird gewöhnlich verwendet, wenn die Sprache allgemein gemeint ist (das Indogermanische ist eine Sprachfamilie). |
GrammatikSubstantiv (Neutrum) · Genitiv Singular 1: Indogermanisch · Genitiv Singular 2: selten Indogermanischs · wird nur im Singular verwendet
Nebenform Indogermanische · Substantiv, nur mit bestimmtem Artikel · Genitiv Singular: Indogermanischen
Aussprache [ɪndogɛʁˈmaːnɪʃ] · [ɪndogɛʁˈmaːnɪʃə]
Worttrennung In-do-ger-ma-nisch ● In-do-ger-ma-ni-sche
Grundformindogermanisch
Bedeutungsübersicht
- 1. nicht direkt belegte, aber aus den Tochtersprachen (Indogermanisch) rekonstruierbare Sprache, die vor mindestens 4.000 Jahren in einem nicht sicher bestimmbaren Gebiet, wahrscheinlich nördlich oder südlich des Kaukasus, gesprochen wurde; Urindogermanisch
- 2. ursprünglich in Europa, Vorderasien und Indien beheimatete, heute weltweit verbreitete Sprachfamilie, die auf eine gemeinsame Grundsprache (Indogermanisch) zurückgeht
ZDL-Vollartikel
Bedeutungen
1.
nicht direkt belegte, aber aus den Tochtersprachen (Indogermanisch) rekonstruierbare Sprache, die vor mindestens 4.000 Jahren in einem nicht sicher bestimmbaren Gebiet, wahrscheinlich nördlich oder südlich des Kaukasus, gesprochen wurde; Urindogermanisch
Beispiele:
Der Begriff Angst stammt aus dem
Indogermanischen,
anghu,
und ist verwandt mit dem lateinischen angustus,
was so viel heißt wie Enge, Bedrängnis, Beengung. [Die Zeit, 21.02.2017]
Die eigentliche germanische Fortsetzung [der Wurzel *med-] ist aber
messen:
Zwischen Indogermanisch zu Urgermanisch liegt die 1.
Lautverschiebung, woraus *metan resultiert
(daher auf Englisch: to mete). Mit der 2.
Lautverschiebung sind wir bei
messen[.] [Radices: Die indogermanische Wurzel »messen, für Einhaltung sorgen,
sich kümmern«, 01.03.2016, aufgerufen am 15.09.2018]
Rad, Wagen und Pflug wurden im vierten Jahrtausend vor Christus
erfunden. Für die wesentlichen Begriffe dieser Technologie
[…] sind uns die indogermanischen Wörter durch die
Methode der diachronischen Rekonstruktion bestens bekannt
[…]. Demnach gehört das
Indogermanische nicht bereits ins achte/siebte
Jahrtausend vor Christus nach Anatolien, wie in dem Artikel behauptet,
sondern ist deutlich später, nicht vor dem vierten Jahrtausend, anzusetzen. [Süddeutsche Zeitung, 13.09.2012]
Denn ich denke, wir können der Entwicklung der deutschen Sprache
keinen Riegel vorschieben. Die deutsche Sprache hat sich ebenfalls im Lauf
der letzten Jahrhunderte stark verändert. Wenn man damals versucht hätte,
dieser Entwicklung entgegenzutreten, würden wir heute noch
Indogermanisch sprechen. [Süddeutsche Zeitung, 01.03.2004]
Für die Anfänge des Indogermanischen
unterscheidet Brugmann eine dreifache Form des Hinweisens. Der »Ich‑Deixis«
steht hier inhaltlich und sprachlich die »Du‑Deixis« gegenüber, welch
letztere selbst wieder in die allgemeine Form der »Der‑Deixis«
übergeht. [Cassirer, Ernst: Philosophie der symbolischen Formen, Darmstadt: Wiss. Buchges. 1994 [1923], S. 153]
2.
ursprünglich in Europa, Vorderasien und Indien beheimatete, heute weltweit verbreitete Sprachfamilie, die auf eine gemeinsame Grundsprache (Indogermanisch) zurückgeht
Indogermanisch besteht aus den Sprachzweigen Tocharisch, Indoiranisch (Indoarisch, Iranisch), Armenisch, Anatolisch, Griechisch, Albanisch, Baltoslawisch (Baltisch, Slawisch), Germanisch, Italisch (darunter Latein), Keltisch sowie einigen Trümmersprachen unklarer Zuordnung.
Beispiele:
Das bekannteste Beispiel einer großen Sprachfamilie ist sicherlich
das Indogermanische, zu dem unsere eigene Sprache
Deutsch sowie die meisten Sprachen Europas, des Iran und im Norden des
indischen Subkontinents gehören. [Die Welt, 22.02.2019]
Damit ist Niger‑Kongo die sprachenreichste genetische Einheit der
Welt. Mit rund 500 Sprachen und 260 Mio. Sprechern bilden die Bantu‑Sprachen
die größte Untereinheit. Zum Vergleich:
Indogermanisch hat zwar weltweit über drei Mrd.
Sprecher, aber nur etwa 220 lebende Sprachen. [Die Welt, 22.02.2019]
Mark Pagel von der University of Reading hat nun gemeinsam mit
Kollegen den Versuch unternommen, Wörter aus der vermutlich bis zu 15.000
Jahre alten eurasischen Ursprache zu rekonstruieren. Sie benutzten dafür
Vokabeln aus sieben großen Sprachfamilien, darunter
Indogermanisch (dazu gehört Deutsch), Altaisch
(Türkisch, Mongolisch) und Uralisch (Finnisch, Ungarisch). [Der Spiegel, 08.05.2013 (online)]
Mit der Entdeckung Amerikas griff dann das
Indogermanische noch einmal weiter aus, verleibte
sich einen Doppelkontinent ein. [Süddeutsche Zeitung, 25.02.2011]
Im Indogermanischen läßt sich die Entstehung
und Ausbreitung des Artikels geschichtlich noch im einzelnen verfolgen. Er
fehlt hier nicht nur dem Altindischen, dem Altiranischen und Lateinischen,
sondern auch der älteren griechischen, insbesondere der Homerischen Sprache:
erst die attische Prosa wendet ihn regelmäßig an. Auch im Germanischen hat
sich der Gebrauch des bestimmten Artikels erst im Mittelhochdeutschen als
Regel festgesetzt. [Cassirer, Ernst: Philosophie der symbolischen Formen, Darmstadt: Wiss. Buchges. 1994 [1923], S. 157]
letzte Änderung:
Typische Verbindungen zu ›Indogermanische‹ (berechnet)
Detailliertere Informationen bietet das DWDS-Wortprofil zu ›Indogermanische‹.
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