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ZEITSCHRIFT 


DER 


Gesellschaft  für  Erdkunde 


zu  BERLIN 


HEKAI'SGEGEBKX  IM  AUFTRAG  OES  VORSTANDES  \'"\ 

DR.  Walter  Behrmann 


1919 


MIT  S  TAFELN.  27  AHHILUrNi  ;I:N  UND  i  KARTE 


BERLIN 

ERNST  SIEGFRIED  MITTLER  UND  SOHN 

KOCHSTRASSE  68—71 


Inhaltsverzeichnis. 


1.    Vorträge  und  Abhandlungen. 


Begrüßung  der  heimgekehrten  Ost- 
afrikaner 

W.  Bebrmann:  Uetzners  Forschungen 
in  Neuguinea 

:  Die  Landschaften  Rumäniens 
-  :  Der  Vorgang  der  Selbstverstärkung  153 

B.  Brandt:  Beobachtungen  und  Stu- 
dien über  die  Siedlungen  in  Weiß- 
rußland (Schluß) 

(1.  Braun:  Das  Kheingebiet  oberhalb 
Basel.  Eine  morphogenetische 
Studie 

J.  Fischer:  Pappus  und  die  Ptole- 
mäuskarten 

K.  Fischer:  Betrachtungen  über  Ab- 
fluß. Stau  und  Walzenbildung  bei 
fließenden  Gewässern 

R.  Gradmann:  Das  Schichtstufenland  113 

J.  V.  Haun:    Zum  Klima  von  Caracas  158 

N.  Krebs:  Morphologisciie  Probleme 
in  Unterfranken 

F.  Kühn:  Geographischer  Bericht  aus 
Argentinien  während  der  Kriegs- 
jahre 191 4  bis  1919 

K.  Leuchs:  Die  v.'issenschaftlichen  Er- 


iS 


371 
29 


46 


336 


169 


307 


442 


gebnisse  von  .Merzbachers  Reisen  im 
östlichen  'I'ian-Schan  269 

F.  AI  achatsche  k:  Neue  Lehr-  und 
Handbücher  zur  allgemeinen  FLrd- 
kunde  1 7A 

H.  Maurer:  Zenitale  und  azimutale 
Abbildungen  164 

H.  Meyer:  Die  französischen  Kolonion 
Mittelafrikas  247 

W.  Penck:  Zur  Landeskunde  von 
Thrazien  3.SS 

A.  Philippson:  (Glaziale  und  pscudo- 
glaziale  Formen  im  westlichen  Klein- 
asien 229 

R.  Pohle:  Beiträge  zur  Kenntnis  der 
westsibirischen  Tiefebene  395 

Protest  der  Gesellschaft  für  FZrdkunde 
gegen  die  Ausstoßung  Deutschlands 
aus  der  Reihe  der  kolonisierenden 
Mächte  24 

Schnee:  Deutsch- Ostafrika  während 
des  Weltkrieges  "  1 

E.  Wunderlich:  Die  Bedeutung  der 
diluvialen  Ablagerungen  für  die  Ent- 
wicklung des  polnischen  Flachlandes   140 


2.   Tafeln. 


,1.    Versuch  einer  schematischen  Über-       ;> 
sichtskarte    der    Mächtigkeit    des   ;', ' 

■.        Diluviums  im  pohlischen  Flachland  210 

;  2.  Versuch  einer  schematischen  Über-  ^ 
sichtskarte  des  >ubdiluvia]en  Re-  1'/' 
liefs    des    polnischen    Flachlandes  a*-© 

/  3.    Der  Mysische  Olymp  von  NO,  von 

Kyrkbunar  aus  2 1 1 

4.    Hochtal    von    Günalan,    auf    dem 
Rücken  zwischen  den  Tälern  von 


Bosdagköi    und    Tschavdal.      Ge- 
sehen vom  Bos-Dag 
Hochtal  von  Göldjük  (etwa  1000  ml 
mit    dem   See,    gesehen    von    der 
Wasserscheide  im  S. 
Hochtal  von  Kodja-Jaila,   gesehen 
vom   Gipfel  der  Schahankaja 
Rechtes    Obufer    bei    Sosnoffskija 
Jurty 
Kap  Nachodka  am    Tasbusen 


2>l 


395\ 
3^5  \ 


>^<» 


I 


3.    Abbildungen. 


Deutsch-Üstafrika  5 
Morphologische    Gliederung     Ru- 
mäniens 38      8. 
Flurplan  des  Gutes  Konjuschewsch-  9. 
tisna  53    10. 
Weißrussische  Dorftypen  66 
Weißrussische  Rodungssicdlungen  69 
Schematisches  Protil  116    11. 
Profi!  durch  die   Rumpffl;ichc  der  12. 


Baar  bei  Schwenningen  von  W\W 
nach  OSO 
Zwei  Profile 

Vier  schematische  Profile 
Vier  schematische  Profile  zur  Dar- 
stellung der  Abtragung  im  Schicht- 
stufenland 

Zwei  schematische  Profile 
Zwei  schematische  Profile 


I  iS 

1  K) 

1-4 


129 
'3'i 


Inhultsverzeiciliii?;. 


13- 


'4- 
15- 


i6. 


i8. 
'9- 


Profil     zur    Darstellung    der    Ab- 
tragung im  Schichtstufenland 
Encrgielinie  und  Abflußmenge 
Lage  der  von  Punkt  P  in  gleichen 
Zeitabständen    ausgegangenen 
VVellenimpulse 

Morphogenetische     Skizze     des 
Rheintalgebietes  oberhalb  Basel 
Die  Kare  am  Mysischen  Olymp 
Die  Täler  am  Bosdag 
Tal  an  der  Nordseite  der  Schahan- 
kaja  bei  Sindirgi 


20. 

132 

21. 

172 

22. 

175 

23- 

24. 

219 

231 

25- 

235 

26. 

23S 

27. 

Skizze  von  Tibesti,  Borku,  Ennedi 
Morphplogische  Profile  durch  die 
unterfränkische  Muschelkalkplatte 
Die  Höhenlage  der  unzertalten 
Hochfläche  in  Unterfranken 
Die  Antiklinale  von  Thüngersheim 
Das  vermutete  alte  Talnetz  im 
Maingebiet 

Skizze    des    östlichen    Teiles    von 
Kaiser-Wilhelmsland 
Unteres  Ob-Gebiet 
Der  Mündungssack  des  Jenisei 


Soiie 
281 


324 
325 

333 

373 
413 
425 


4.  Karten. 

I.    Verteilung  der  Deutschen  und  Polen  in  Westpreußen  und  Posen 


5.   Namen-  und  Sachregister. 

bezeichnet:   Vorträge   und   AbhandUmgen. 
bezeichnet:   Besprechungen  und  Anzeigen. 


Abfluß,  in  fließenden  Gewässern 
(Rehbock)  *i69 

Ägypten,  Geographische  Gesellschaft     89 

Afrika,  Baltzer,  F.:  Die  Kolonial- 
bahnen mit  besonderer  Berücksich- 
tigung —  s  (Hennig)  (-95 

— ,  Brinckmami,  .A.  E. :  Eine  Unter- 
redung mit  Pater  van  der  Bürgt 
über  die  Schmähschrift  von  Evans 
Lewin  „Deutsche Kolonisatoren  in  -"  t202 

— ,  Koert,  W. :  Der  Krusteneisenstein 
in  den  deutsch-afrikanischen  Schutz- 
gebieten, besonders  in  Togo  und  im 

~  Hinterlande  von  Tanga  fioi 

— ,  Lewin,  E.:  Deutsche  Kolonisatoren 
,in  —  7202 

— ,    Siehe  Mittel ,  Nord-—,  Ost-—. 

Süd ,  West--. 

Ahar  Dag,  Gebirge  westl.  Afiun- 
Karahissar  (Kleinasienj  •■■242 

Ak-Dag,  Gebirge  im  so.  Mysien         *233 

Albanien,  Haberlandt,  A. :  Kultur- 
wissenschaftliche Beiträge  zur  Volks- 
kunde von  Montenegro.  —  und  Ser- 
bien (Krebs)        •  fgo 

Alpen,  Behrmann,  W. :  Die  Gipfel- 
flur in  den  —  186 

Alpenländer,  Krebs,  N.:  Das  öster- 
reichisch-italienische Grenzgebiet      ti99 

— ,  Siehe  Niederösterreich,  Steiermark, 
Schweiz,  Tirol. 

Amazonien,  Behrmann,  W.:  N.W. —  466 

Amerika,  Siehe  Mittel — .  Nord-  -, 
Süd-—. 

Anden,  Behrmann,  W.:  Eine  For- 
schungsreise in  die  —  von  Peru         283 

— ,  Penck,  W. :  Reisen  in  der  Puna  von 
Argentinien  1 1 1 

Andersson,  G.:  Australien  Natur  och 
Kultur  (Penck,  A.)  ti97 


Marquardsen,    H.:    Studien 
Der  Süd- 


W. 


Angola 
über  - 

Antarktis,  Behrmann 
polar-Kontinent  — 

A n  t h r o p o g e o g  r a p h i e  .  Prey,  G . : 
Eine  neue  Einteilung  Schwedens  in 
kulturgeographische  Landschaften 
auf  Grund  der  Stadtanlagen 

— ,  Heyde,  H.:  Die  Nationalitäten  in 
den  deutschen  Ostprovinzen.  Eine 
Fälschung  schlimmster  Art 

— ,  Krebs,  N.:  Die  anthropogeographi- 
schen    Räume    der    Balkanhalbinsel 

— ,  Penck,  A. :  Deutsche,  Polen  und 
Kassuben  in  Westpreußen  und  Posen 

— ,  Penck,  A. :  Die  deutsch-polnische 
Sprachgrenze 

-^,  Präsent,  H.:  Die  Bevölkerungsgeo- 
graphie des  Cholmer  Landes 

— ,  Siehe  Ethnographie,  Landeskunde. 
Politische  — ,  Siedlungs .  Ver- 
kehrs  ,   Wirtschaftsgeographie. 

Arabien,  Moritz,  B.:  Bilder  aus  Pa- 
lästina, Nord —  und  dem  Sinai 
(Blanckenhorn)  ^  -j- 

Argentinien,  Penck,  W. :  Reisen  in 
der  Puna  von  — 

— ,  Kühn.  F.:  Geographischer  Bericht 
aus  —  während  der  Kriegsjahre  1914 
bis  1919  * 

Arktis,  Siehe  Grönland. 

Armenien,  Rohrbach,  P.:  —  j- 

Arnheim,  F.:  Schweden  (Braun) 

Asien,  Siehe  Central — ,  Nord — . 
Ost — ,  Süd-—,  X^order-- . 

Astronomie,  Jahrbuch  der  Urania  und 
Astronomischer  Kalender  für  das 
Jahr  191S  T 

— ,  Schmidt,  J.:  Die  Entstehung  des 
Erdsystems  .  f 


192 
187 

T99 

79 

108 

t99 


197 


442 

297 
t89 


105 
300 


IV 


Inlialtsverzeichiiir 


Astronomie,  Schmidt.  J,:  Astrono- 
mische Irrlehren  tßoo 

Atlantischer,  Verkehr  auf  dem  —       86 

Atlas.  Hoher  —  (Marokko)  382 

— ,  Mittlerer     -    (Marokko)  380 

Australien,  Andersson,  C:  —  Natur 
och  Kultur  (Penck,  A.)  tigs 

,  Siehe  Melanesien.  Polynesien.  Tas- 
manien. 

Habinger,  F.:  Josef VVolff,  Abenteurer. 
Reisender  und  Judenapostel  1795 
bis  1862  i297 

P>adland-Landschafton.  in  Ru- 
mänien (Behrmann)  *37 

Balta,  Strombett  der  unteren  Donau      32 

Baltzer,  F.:  Die  Kolonialbahnen  mit 
besonderer  Berücksichtigung  Afrikas 
(Hennig)  t95 

Base  hin,  O.:  Die  erdmagnetischc 
Deklination  in  Deutschland  79 

:  Neue  Geographische  Gesellschaften 
und  Zeitschriften  89 

— :  Über  die  Verkehrswege  zur  See  am 
F2nde  des  Weltkrieges  85 

Bayern,  Siehe  Rheinpfalz,  Süd — . 
Unterfranken. 

Balkanhalbinsel,  Krebs,  N.:  Die 
anthropogeographischen  Räume  der 
—  t99 

— ,  Siehe  Albanien.  Bosnien,  Herze- 
gowina, Mazedonien.  Montenegro, 
Serbien,  Thrazien. 

Begrüßung  der  heimgekehrten  Ost- 
afrikaner  ''iS 

Behandlung,    die  der   einheimi- 

schen Bevölkerung  in  den  kolonia- 
len Besitzungen  Deutschlands  und 
Englands  "i'202 

Behrmann,  W.:  Neuere  Anschau- 
ungen über  die  Gebirgsbildung  469 

—  :  Der  tektonische  Aufbau  von  Mittel- 
mazcdonien  279 
:      Die      glaziale      Entwicklungsge- 
schichte Nordwest-Skandinaviens         377 

— :  Detzners  Forschungen  in  Neu- 
Guinea  *37i 

— :  Eine  Fprschungsrcise  in  die  Anden 
von  Peru  283 

— :  Die  jüngere  tektonische  Geschichte 
Hessens  377 

-  :  Die  GipfeWur  in  den  Alpen  186 

- :    Die   norddeutschen   Inlandsdünen 
durch  westliche  Winde  aufgeweht       278 
:  Die  Landschaften  Rumäniens  *29 

-:    Der    Nordostrand    des    'J'hüringer 
Waldes  277 

— :  N.W.  Amazonien  466 

— :  Eine  neue  Projektion  mit  gerad- 
linigen größten  Kugelkreisen  •       86 

— :  Reise  an  der  Grenze  von  China 
und  Tibet  1S9 

—  :  Der  Südpolarkontinent  .Antarktis       192 


79 
;•  1 99 

380 

379 

;•  I  o(j 


•19: 


•'"99 

193 


Behrmann,  W. :  Die  Wrbreitujig 
weltwirtschaftlicher  Kenntnisse  285 

— :  Der  Vorgang  der  Selbstverstärkung  *i53 

Belcher-1  nsel  n,  Frey,  G.:  Die  Ex- 
pedition Robert  J.  Flahertys  nach  den 
und  der  Ungava-Halbinsel 

Belgrad,  Krebs,  N.:  — 

Beni  mgild-Plateau  (Marokko; 

Beni  Mtir  Plateau  (Marokko) 

Bergen,  Slanar,  H.:  — 

Bergsträßer:  Studienreisen  in  Syrien  303 

Bericht  über  die  Tätigkeit  der  König- 
lich Preußischen  Hauptstelle  für  den 
naturwissenschaftlichen  Unterricht 
(Lampe) 

Berlin.  Graf,  G.  E.:  Die  Entwicklung 
des  Stadtgrundrisses  von     - 

B  e  r  m  u  d  a  - 1  n  s  e  1  n 

Bethe.  E.,  Weule,  K.,  Schmeidler. 
B.,  Doren,  A.,  Herre,  P. :  Kultur- 
geschichte des  Krieges  (Vogel) 

Bibliographien,  Argentinische  Lite- 
ratur während  des  Krieges 
.  Kartographische,  Wolkenhauer,  W.: 
Aus  der  Geschichte  der  Kartographie 

— .  Machatschek,  ¥. :  Neue  Lehr-  und 
Handbücher  zur  allgemeinen  Erd- 
kunde 

Bilderatlas,  Geographischer, 

Brandt,  B.: des  polnisch-weiß- 
russischen Grenzgebietes 

,  Moritz,  B.:  Bilder  aus  Palästina, 

Nordarabien  und  demSinai(Blanckcn- 
horn) 

— ,  Schultz.  A. :  Ethnographischer  — 
von  Polen  fioo 

— ,  Wunderlich,  E. :    —    -    von    Polenfioo 

Binnenschiffahrt.  Umfang  und  Be- 
deutung der  österreichischen  Wasser- 
straßen T296 

Biographien,  Babinger,  F.:  Josef 
Wolfif,  Abenteurer,  Reisender  und 
Judenapostel   1795  — 1862  V297 

,  Hassert.  K.:  Johann  Joachim  Becher, 
ein  Vorkämpfer  deutscher  Kolonial- 
politik im   17.  Jahrhundert  T204 

— ,  W'olkenhauer,  W. :  Robert  von 
.Schlagintweit  "1"207 

Blanckenhorn.  M.:  Moritz.  B.:  Bilder 
aus  Palästina.  Nord-Arabien  und  dem 
Sinai 

Borku.  Landschaft  in  Nordafrika 

Bogdo-(Ma-Gruppe.  Ti an-Schan 

Bos-Dag,  Gipfel  im  Tmolos-Gebirge 

Boden  fließen,  in  Westsibirien 

Bodenkunde,  Ramann,  E.:  Boden 
bildung  und  Bodeneinteilung 
(Stremme)  T472 

— ,  Koert,  W.:  Der  Krusteneisenstein 
in  den  deutsch-afrikanischen  Schutz- 
gebieten, besonders  in  Togo  und  im 
Hinterlande  von  Tanga  rioi 


287 


'444 


^176 


98 


•19/ 


II 97 
2S2 
*269 
^234 
'433 


Inhaltsverzeichnis. 


V 


Srile 

Böhmen,  Wilde.  E.:  Deutsch tßgo 

Bö  Ische,  W.:  Eiszeit  und  Klima- 
wechsel ''202, 

Bosnien,  Moscheies,  J.:  Das  Klima 
von  —  und  der  Herzegowina  T99 

B  o  u  t  e  r  w  e  k ,  K. :  Das  Land  der  meridio- 
nalen  Stromfurchen  im  indo-chine- 
sisch — tibetanischen  Grenzgebiet        T297 

Brandenburg,  Mark  — .  Graf.  G.  E.: 
Die  Entwicklung  des  Stadtgrund- 
risses von  Berlin      "  T99 

Brandt,  B.:  Geographischer  Bilder- 
atlas des  polnisch -weißrussischen 
Grenzgebietes  tgS 

— :  Beobachtungen  und  Studien  über 
die  Siedlungen  in  Weißrußland 
(Schluß)  ■■46 

— :  Geographische  Feldzugserlebnisse   302 

Brasilien,  Frey.  G.:  Die  Forschungs- 
reise von  Hamilton  Rice  nach  dem 
Rio  Negro,  Januar  bis  März   191 7         84 

— ,  Koch-Grünberg,  Th.:  \'om  Roroima 
zum  Orinoko  (Ule)  -1-93 

Braun,  G.:  Arnheim.  F.:  Schweden      +89 

— :  Das  Rheingebiet  oberhalb  Basel    ■'211 

Brinckmann.  A.  E  :  Eine  Unter- 
redung mit  Pater  van  der  Bürgt 
über  die  Schmähschrift  von  Evans 
Lewin  „Deutsche  Kolonisatoren  in 
Afrika"  T202 

Britisch-Guayana.  Koch-Grünberg, 
Th. :  Vom  Roroima  zum  Orinoko  (Ule  l  V93 

Bukarest,  Hauptstadt  Rumäniens  "'34 

("anada,  Frey,  G.:  Die  Southampton- 
Insel  3S3 

— ,  — :  Die  Expedition  Robert  J.  Fla- 
herty's  nacli  den  Belcher-Inseln  und 
der  Ungava-Halbinsel  79 

Caracas,  Hann.  J.  v.:  Zum  Klima 
von  —  *i58 

Celebration,  Centennial  -  of  the 
United  States'  Coast  and  Geodetic 
Survey  April  5  and  6  191 6  (Wede- 
meyer) t293 

C  e  n  t  r  a  1  a  s  i  e  n  ,SieheTian-Schan,Tibet. 

Chile.  Guerra,  J.  G.:  La  soberania 
chilena  en  las  islas  al  Sul  del  Canal 
Beagle  (Steffen)  1-385 

China,  Behrmann,  W. :  Reise  an  der 
Grenze  von  —  und  Tibet  189 

— .  Bouterwek.  K.:  Das  Land  der  me- 
ridionalen  Stromfurchen  im  indo-chi- 
nesisch-tibetanischen  Grenzgebiet      T297 

— .  Siehe  ATandschurei 

C  ho  Im  er  Land,  Präsent.  H.:  Die  Be- 
völkerungsgeographie des  —  — es       T99 

Claes-Pietercz-Bucht,       Schlagin- 

haufen,  O.:   Le  Maire's  — an 

der  Ostküste  Xeu- Irlands  rioi 

Columbia,  Siehe  Kolumbia. 

Dahoniey,  Sprigade.  P.:  Die  franzö- 
sische Kolonie  —  T102 


Seite 

Damaskus,  Kiesling,  H.  v. :  —  T390 

Denudation.  Wirkungen  der  —  in 
Kleinasicn  '^'244 

Deutschland.  Baschin,  O. :  Die  erd- 
magnetische Deklination  in  —  79 

— .  Die  Behandlung  der  einheimischen 
Bevölkerung  in  den  kolonialen  Be- 
sitzungen — s  und  Englands  7202 

— .  Halbfaß,  W. :  -  ,  nutze  deine 
Wasserkräfte  T295 

— .  Hellmann,  G.:  Regenkarte  von —  +392 

— ,  — :  Neue  Untersuchungen  über  die 
Regenverhältnisse  von  — •  "i'295 

— ,  Protest  der  Gesellschaft  für  Erd- 
kunde gegen  die  Ausstoßung  — s  aus 
der  Reihe  der  kolonisierenden  Mächte  *24 

— .  Vogel,  W. :  —  s  bundesstaatliche 
Neugestaltung  J200 

— ,   Siehe  Deutsches  Reich,  Mittel . 

Nord-—,  Ost — .  Süd — ,  West . 

Deutsch-Ostafrika,  Begrüßung  der 
heimgekehrten  Ostafrikaner  *i8 

— ,  Frey,  G.:  Ein  Ausbruch  des  Oldonyo 
Lengai  382 

— ,  — :  Eine  geologische  Forschungs- 
reise in 190 

— ,  Koert,  W. :  Der  Krusteneisenstein 
in  den  deutsch-afrikanischen  Schutz- 
gebieten, besonders  in  Togo  und  im 
Hinterlande  von  Tanga  rioi 

— .  Schnee: während  des  W'elt- 

krieges  *r 

Deutsches  Reich.  Penck,  A. :  Die 
Gradzählung  der  Karte  des  — n  — es  1S4 

— .  Schoenichen.  W.:  Die  Verteilung 
des  Waldes  im  —  -^  +296 

— .  Siehe  auch  Deutschland. 

Deutsch-Südwestafrika.  Jäger.  F.: 
Fünf  Kriegs-  und  Forschungsjahre 
in  Deutsch-Südwestafrika  304 

Dietrich,  B.:  Wirtschaftsgeographie 
der  'Rhön  .  T9S 

Dietsch,  M. :  Untersuchungen  über 
die  Änderung  des  Windes  mit  der 
Höhe  in  Zyklonen  1204 

Donau,  in  Rumänien  ''31 

Doren.  A..  Weule.  K.,  Bethe.  E.. 
Schmeidler,  B..  Harre.  P. :  Kultur- 
geschichte des  Krieges  (\'ogeli  -r287 

Dorftypen.  Weißrußlands  *66 

Dünen.    Behrmann,    W^:     Die    nord-  • 
deutschen  Inlands —  durch  westliche 
Winde  aufgeweht  278 

Egrigös-Dag.  Gebirge  Kleinasiens   ^233 

Ei  fei,  Quaas,  A. :  Das  Rurtal  t20o 

Eiszeit,  Behrmann,  W^:  Die  glaziale 
Entwicklungsgeschichte       Nordwest- 
Skandinaviens  377 
-.  Bölsche  W.:  —  und  Klimawechsel  T203 

— .  Philippson,  A.:  Glaziale  und  pseudo- 
glaziale Formen  im  westlichen  Klein- 
asien ■  ^229 


VI 


Inhaltsverzeichnis 


Eiszeit,  Solch,  J.:  Beitrage  zur  eiszeit- 
lichen Talgeschichte  des  steirischen 
Randgebirges   und   seiner   Nachbar- 
schaft (Machatschck)  T387 
— ,  Werth,  E.:  Das  Eiszeitalter  (Machat- 
schck) 198 
— ,  in  der  Bogdo-Ola-Gruppe                 *275 
— ,  in  den  Karpathen  *43 
— ,  in  Neu-Guinea                      '               *375 
— ,  in  Westsibirien                 "410,  "412  *430 
England,  Rein,  K. :  Wie  —  die  deut- 
schen Kolonien  bewertet                      iioi 
— ,  Die  Behandlung  der  einheimischen 
Bevölkerung  in  den  kolonialen  Besit- 
zungen Deutschlands  und       s            t203 
Ennedi,  Landschaft  in  Nordafrika        282 
Enni  Kussi.  \'ulkan  in  Tibesti  281 
Erdbeben,  Gießberger,  H.:  Das  Rei- 
chenhaller  Einsturzbeben  vom  19.  No- 
vember 1910                                               T99 
Erdi,  Landschaft  in  Nordafrika  282 
Erdmagnetismus,  Baschin.  O.:  Die 
erdmagnetischc  Deklination  in 
Deutschland  79 
.   Schmidt,   A.:    Besitzt   die   tägliche 
erdmagnetische  Schwankung    in  der 
Erdoberfläche  ein  Potential?              t2o6 
Ethnographie,  Bergsträßer;  Stutlien- 

reisen  in  Syrien  '"303 

— .  Haberia ndt,  A.:  Kulturwissenschaft- 
liche Beiträge  zur  Volkskunde  von 
Montenegro,  Albanien  und  Serbien 
( Krebs)  t9o 

,    Koch-Grünberg.    Th.:     \'om    Ro- 
roima  zum  Orinoko  lUlej  +93 

,     Krämer-Bannow,    E.:    Bei    kunst- 
sinnigen Kannibalen  der  Südsee 
(Sapperj  t95 

— ,  Schultz,  A.:  Ethnographischer  Bil- 
deratlas von  Polen  fioo 
Europa,  Graf,  G.  E.:   Die  Landkarte 

--S  gestern  und  morgen  '•295 

— ,   Siehe  Mittel-     .    Nord-—,   Ost-—. 

Süd — .  West — . 
Fichtelberg  (Erzgebirge),  Schreiber. 
P.:  Einrichtung  und  Aufgaben  der 
im  Weltkriegsjahr  1915  erbauten 
Wetterwarten  auf  der  Wahnsdorfer 
Kuppe  bei  Dresden  und  auf  dem 
— e  T2o6 

Fischer.   J..    Pappus    und   die    Ptole- 

mäuskarten  t336 

F"ischer,  K  :  Betrachtungen  über  Ab- 
fluß, Stau  und  Walzenbildung  bei 
fließenden  Gewässern  1169 

I'lußkunde.     F'ischer,     K.:     Betrach- 
tungen über  Abfluß,  Stau  -^Jnd  Wal- 
zenbildung bei  fließenden  Gewässern  *i69 
—,  des  Ob  (Pohle)  *395 

— ,  des  Rio  Negro  84 

F'Vey,  G.:  Ein  Ausbruch  des  Oldonyo 
Lengai  '  3S2 


Frey,  G.:  Neue  Beiträge  zur  Geogra- 
phie und  GeologieTibestis  und  seiner 
südöstlichen  Nachbargebiete  280 

:  Neue  Beiträge  zur  Frage  nach  der 
Flntstehung  von  Koralleninseln  193 

— :  Bilder  aus  dem  Gesundheitswesen 
in  Polen  T389 

— :  Eine  neue  Einteilung  Schwedens 
in  kulturgeographische  Landschaften 
auf  Grund  der  Stadtanlagen  1X7 

--:  Die  wissenschaftlichen  Ergebnisse 
der  11.  Thule-Expedition  Knud  Ras- 
mussens  nach  Nordgrönland  1916 
bis  1918  4f>7 

— :  Die  Expediton  Robert  J.  Hahertjs 
nach  den  Belcher- Inseln  und  der 
üngava-Halbinsel 

— :  FZine  geologische  Forschungsreise 
in  Deutsch-Ostafrika 

— :  Die  Judia-Untiefe 

— :  Tote  Landschaften  und  der  Gang 
der  Erdgeschichte 

— :  Die  Sierra  de  Perijä 

— :  Die  Southampton-Insel 

— :  Südwest-Tasmania 

— :  Die  Tuomatu-Inseln 

Frohninayer.  O.:  Kreuz  und  quer 
durch  Nordgraubünden 

Gabun,  französische  Kolonie  in  Afrika 

Gebirgsbildung,  Behrmann,  W. : 
Neuere    Anschauungen  über  die 

— ,  Stille,  H.:  Hebung  und  Faltung  im 
sogenannten  Schollengebirge  v 

Geiser.  W. :  Die  Islandfischerei  und 
ihre  wirtschaftsgeographischc  Bedeu- 
tung T 

Geodäsie.  Centennial  Celebration  of 
the  United  States'  Coast  and  Geodetic 
Survcy  April  5  and  6  191 6  i Wede- 
meyer) 

Geologie,  Behrmann,  W.:  Der  tekto- 
nische  Aufbau  von  Mittelmazedonien 

— ,  — :  Die  glaziale  Entwicklungs- 
geschichte   Nordwest-Skandinaviens 

— ,  — :  Die  jüiigere  tektonische  Ge- 
schichte Hessens 

,  Frey,  G.:  Neue  Beiträge  zur  Frage 
nach   der  Entstehung  von  Korallen- 
i      inseln 

!  — ,  — :  Neue  Beiträge  zur  Geographie 
und  Tibestis  und  seiner  Nachbar- 
gebiete 

— ,  — :   F^ine   geologische  Forschungs- 
I      reise  in  Deutsch-Ostafrika 
I  — ,  Koert.  W.:  Der  Krusteneisenstein 
in  den  deutsch-afrikanischen  Schutz- 

!      gebieten,  besonders  in  Togo  und  im 

j      Hinterlande  von  Tanga  v 

— ,  Mordziol,  C. :  Einführung  in  den 
geologischen  Unterricht  + 

-  .  Solch,  J.:  Beiträge  zur  eiszeitlichen 
Talgeschichte  des  steirischen  Rand- 


79 

190 

382 

284 
83 
383 
467 
383 

t295 
••'249 

469 

103 


.98 


-'94 


279 


377 


193 


280 


190 


99 


Inhaltsverzeichnis. 


VII 


gebirges    und   seiner   Nachbarschaft 
(Machatschek)  ts^y 

Geologie,  Sonntag,  P.:  Neue  geolo- 
gische Bilder  und  Skizzen  aus  West- 
preußen t200 

— ,  Werth,  E.:  Das  Eiszeitalter  (Machat- 
schek) -fgS 

— ,  Wolff,  W. :  Erdgeschichte  und  Boden- 
aufbau Schleswig-Holsteins  1-296 

Siehe  Bodenkunde.  Erdbeben,  Landes- 
kunde, Tektonik,  Paläoklimatologie, 
Petrographie,  Vulkanismus. 

Geomorphologie,  Quaas,  A. :  Das 
Rurtal  200 

Geophysik.   Siehe  Erdmagnetismus. 

Gesellschaften,  neue  geographische 
—  (Baschin)  89 

Gesellschaft  für  Erdkunde,  Auf- 
nahme neuer  Mitglieder  106,  109,  iii, 

210,  301,  303,  305,  393,  394,  474 

— ,  Geschäftsbericht  des  Generalsekre- 
tärs für  das  Jahr  1918  107 

— ,  Mitteilungen  des  Vorsitzenden  106, 

108,  iio,  208,  304 

— ,  Rechnungsabschluß  für  das  Jahr  1918  305 

— .  Sitzungen,  Allgemeine  105,  107,  110, 

112,  20S,  301,  302,  304,  393.  473 

—  ,  — ,  P'ach —        106,  HO,  208,  302,  394 

— ,  Statutenänderung  474 

— ,  Stiftungen,  Bekanntmachung  be- 
treffend die  Henry  Lange —  384 

— ,  — ,  Ferdinand  von  Richthofen —    208 

— ,  — ,  Ferdinand  und  Irmgard  von 
Richthofen —  108 

— ,  — ,  Karl  Ritter 108 

— ,  — ,  Rudolf  ^'ircho^v 108 

— ,    Tod    von    Mitgliedern     106,     107, 

301,  302,  304.  393.  473 

— ,  Wahl  des  Beirates  für  das  Jahr  1919  105 

— ,  Wahl  des  Beirates  für  das  Jahr  1920  474 

— .  Wahl  des  Vorstandes,  für  das  Jahr 
.1920  393 

Gießberge r,  H.:  Das  Reichenhaller 
Einsturzbeben  vom  19.  November  19 10  799 

G  i  e  s  e  n  h  a  g  e  n ,  Warburg,  O. :  Die 
Pflanzenwelt  II  1-292 

Göldjük,  See  in  Kleinasien  ^236 

Götzinger,  G.:  Die  Eisverhältnisse 
der  Lunzer  Seen  (Ule)  t9o 

Grabmayr,  K.  v.:  Süd-Tirol  "''295 

Gradmann:  Pflanzen  und  Tiere  im 
Lehrgebäude  der  Geographie  t-298 

-:  Das  Schichtstufenland  *ii3 

Gradzählung,  Penck.  A.:  Die  — 
der  Karte  des  Deutschen  Reiches 
I  :  100  000  184 

Graf,  G.  E.:  Die  Entwicklung  des 
Stadtgrundrisses  von  Berlin  1-99 

— :  Die  geographische  Lage  des  ober- 
schlesischen  Industriereviers  'fi^9 

— :  Die  Landkarte  Europas  gestern 
und  morgen  t295 


Graui)ünden,  trohnmeyer,  O.:  Kreuz 
und  quer  durch  Nord 7295 

Grisebach.  M.:  Die  deutsche  Aus- 
wanderungsfrage und  ihre  Lösung    +390 

Grönland,  Frey,  G.:  Die  wissen- 
-schaftlichen  Ergebnisse  der  II.Thule- 
Expedition  Knud  Rasmussens  nach 
Nord —   1916  bis  1918  467 

Großgrundbesitz  in  Weißrußland      '51 

Gucrra,  J.  G.:  La  soberania  chilena 
en  las  islas  al  Sul  del  Canal  Beagle 
(Steffen)  1385 

Haberlandt.  A. :  Kulturwissenschaft- 
liche Beiträge  zur  Volkskunde  von 
Montenegro,  Albanien  und  Serbien 
(Krebs)  +90 

Häberle.  D.:  Die  Höhlen  der  Rhein- 
pfalz T199 

Halb  faß,  W. :  Deutschland,  nutze 
deine  Wasserkräfte  t295. 

Hann,  J.  v. :  Zum  Klima  von  Caracas  *i58 

— :  Untersuchungen  über  die  tägliche 
Oszillation  des  Barometers.    IlI  1-204 

Hassert,  K,:  Johann  Joachim  Becher, 
ein  Vorkämpfer  deutscher  Kolonial- 
politik im  17.  Jahrhundert  t2ü4 

— :  Wesen  und  Bildungswert  der  Wirt- 
schaftsgeographie V29S 

Hassinger,  H.:  Beiträge  zur  Physio- 
geographie  des  inneralpinen  Wiener 
Beckens  und  seiner  Umrandung         1-99 

— :  Über  einige  Aufgaben  geographi- 
scher Forschung  und  Lehre  7391 

Haustypen,  in  Rumänien  ^39 

Hedin,  S.:  Jerusalem  rioo 

Hell  mann,  G.:  Über  die  nächtliche 
Abkühlung  der  bodennahen  Luft- 
schicht "i"204 

— :  Über  die  Bewegung  der  Luft  in  den 
untersten  Schichten  der  Atmosphäre  ^298 

— :  Regenkarte  von  Deutschland  ''"392 

— :  Über  warme  und  kalte  Sommer    T204 

— :  Neue  Untersuchungen  über  die 
Regenverhältnisse  von  Deutschland  t-95 

— :  Über  milde  Winter  "f"io2 

— :  Über  strenge  Winter  +102 

Hennig,  R.,  Baltzer.  F..:  Die  Kolonial- 
bahnen mit  besonderer  Berücksichti- 
gung Afrikas  t95 

Herre,  P.,  Weule,  K..  ßethe,  E., 
Schmeidler,  B.,  Doren,  ^. :  Kul- 
turgeschichte des  Krieges  (Vogel)     "1-287 

Herzegowina,  Moscheies,  J.:  Das 
Klima  von  Bosnien  und  der  —  ■r99 

Hessen,  Behrmann.  W.:  Die  jüngere 
tektonische  Geschichte  —  s  377 

— ,  Maull,  O.:  Die  Landschaft  um 
Marburg  a.  d.  L.  in  ihren  morpho- 
logischen Beziehungen  zur  weiteren 
Umgebung  +389 

Hettner.  A.:  Die  Einheit  der  Geogra- 
phie in  Wissenschaft  und  Unterricht  7205 


\'fn 


Inhaltsvcrzoichnis. 


185 
195 


T-'97 


TI04 


r  1 99 


2(>5 


llcydc,  H.:  Die  liöhennuUpunkte  der 
amtlichen  deutschen  Kartenwerke     1205 
:    Die    Nationalitäten    in    den   deut- 
schen Oritprovinzcn 
:  Die  Zonenzeit  auf  See  88, 

H  i  ntcrindi  en,  Bouterwek,  K.:  Das 
Land  der  meridionalen  Stromfurchen 
im  indo  -  chinesisch  -  tibetanischen 
Grenzgebiet 

llildebrand,  G..  Mansfeld,  A.  u. 
Englische  Urteile  über  die  deutsche 
Kolonisationsarbeit  T202 

Historische   Geographie, 

Kischer,    J.:    I^appus   und  die   Ftole- 
mäuskarten  t336 

— ,  Miller,K.:  ItinerariaRomanalVVeiß)  •J-2S6 

— ,  Partsch,  T. :  I^ie  Stromgabelungen 
der  Argonautensage  ^391 

— ,    Schlaginhaufen,    O. :     Le    Maire  's 

.  Claes-Pietercz-Bucht  an  der  (^stküste 
Neu-lrlands  aoi 

-  .  Wagner,  H.:  Die  Legende  der 
Längenbestimmung  Amerigo  Ves- 
puccis  nach  Mondabständen 

Höhlenkunde,  Häberle.  D.:  Die 
Höhlen  der  Rheinpfalz 

Höhennullpunkt,  Heyde,  H..  Die 
— e  der  amtlichen  deutschen  Karten- 
werke "1 

lloltsmark,  J.  u.  Sverdrup,  H.  U.: 
i'ber  die  Beziehung  zwischen  Be- 
schleunigungen und  Gradienten- 
änderungen und  ihre  prognostische 
Verwendung  ti04 

-  — :  Über  die  Reibung  an  der  Erd- 
oberfläche und  die  direkte  Voraus- 
berechnung des  Windes  mit  Hilfe 
der  hydrodynamischen  Hewegungs- 
gleicliungen  ■I104 

Hydrobiologie,  Geiser,  W.:  Die  Is- 
landfischerei   und    ihre    wirtschafts- 
geographische Bedeutung  tigS 
'  des  Ob  (Pohle)  "•■■408 
Hydrographie,  Halbfaß,W. :  Deutsch- 
land, nutze  deine  Wasserkräfte 

Veränderungen'     der  L^nter- 

frankens  (Krebs)  v3-'N 

Siehe      Binnenschiffahrt .      Flußkunde. 
Hydrobiologie.    Meereskunde,   Seen- 
kunde. 
Inlandeis,  in  Antarktis  122 

Indien,  Siehe  Hinterindien.  90 

Indischer,  Verkehr  auf  dem    -  86 

Island,  Geiser,  W.:  Die  — fischerei 
imd  ihre  wirtschaftsgeographischc 
Bedeutung  ri98 

,  — :    An    account    of    the    physical 
geography  of  Iceland  (Spethmann)      "I^i 
— ,    Thoroddsen,    Th.:    Arferdi    ä        i 
i    Thüsund  Ar  (Spethmann  1  Y91 

-  ,     '  :  Ferdabük  (Spethmann)  jgi 
,    -:  Lysing — s  (Spethmann)  791 


295    ^ 


Isopachyten,  Linien  gleicher  Mäch- 
tigkeit des  Diluviums,  in   Polen         ■'■140 

Italien,  Krebs,  N.:  Das  österreichisch- 
italienische Grenzgebiet  ti99 

Jäger,  F.:  Fünf  Kriegs-  und  For- 
schungsjahre  in  Deutsch-.Südwcsl- 
afrika  304 

Jahrbuch  der  Urania  und  Astrono- 
mischer Kalender  für  das  Jahr  1918  |io5 

J  a  h  r  h  u  n  d  e  r  t  f e  i  e  r ,  Zur  der  Bonner 
L^niversität  t39i 

Ja  mal- Halbinsel.  Westsibirien         ^416 

Jamanlar-Dag,  Gebirge  nordöstlich 
Smyrna  '•'242 

Jentzsch.  A.:  Heiträge  zur  Seenkunde 
( Ulc)  _  1-384 

Jerusalem.  Hedin,  Sven:  tioo 

Judia-Unti  efe,  Frey.  G.:  Die     -  —  382 

Kanada.  Siehe  Canada. 

Kara-göl.  See  am  West  hang  des 
Kara-Dag,   Kleinasien  i-240 

Karpathcn  *40 

Karpathen  Vorland  ,  südliches  —        *34 

Karschak-Dag,  Gebirge  in  Klein- 
asien w(?stlich  Afiun-Kara-Hissar        Y242 

Karstformen,  in  Rumänien  *4i 

Kartenprojektionen,  Maurer.  H.: 
Zenitale  und  azimutale  Abbildungen  T164 

— .  Behrmann.  W.:  Eine  neue  Projek- 
tion mit  gradlinigen  größten  Kugel- 
krcisen  86 

Kartographie.  Hehrmann,  W.:  Eine 
neue  Projektion  mit  geradlinigen 
größten  Kugelkreisen  86 

.  Fischer,  J.:    Papjjus  uml  die  I'tole- 
mäuskarten  "''336 

— .  Heyde,  H.:  Die  Höhennullpunkte 
der  amtlichen  ileutschen  Karten- 
werke "''205 

— ,  Krebs.  N. :  Die  Bedeutung  iler  geo- 
graphischen Karte  V298 

— ,  Maurer,  H. :  Kann  die  Winkeltreue 
in  FLinzelpunkten  winkeltreuer  Karten 
fehlen?  t39' 

,  -     :     Zenitale    und    azimutale    .Ab- 
bildungen *'iö4 
,   Penck,    A.:    Die  Gradzähluiig   der 
Karte  des  Deutschen   Reiches 
I  :  1 00  000  1 84 
,  -     :    Ausstellung  von   Kriegsk.uten     110 
.  Präsent,  H  :    Aus    der    Geschichte 
der  —  Kongreß-Polens                        t2oo 
,  Thorade.  H.:  Die  .Ausmessung  der 
Loxodrome  87 
,  Wagner.     H.:     Die     Legende     der 
Längenbestimmung     .Amerigo    \'es- 
puccis  nach  Mondabständen               tiü4 
,  Wedemeyer.    .A.:    Das  Messen  .uif 
geographischen   Karten                            283 
,  — :  Die  .Ausmessung  der  Loxodrome   194 
,  Wolkenhauer,    W.:    Aus    der    Ge- 
schichte der  —                                      tio5 


Inhaltsverzciclini- 


IX 


Riesling,  H.  v.:  Damaskus 
Kleinasien,  Philippson,  A.:  Glaziale 
und  pseudoglaziale  Formen  im  west- 


lichen — 

,    Kiesling,  H.  v. ; 


Damaskus 


Seite 
•"3  90 


229 
'"390 


V. :     Zum 


379 
429 

275 


'"39-' 


95 


Klimaänderungen,  postglazialc  in 
Skandinavien 

— ,  in  Westsibirien  (Pohlei 

— .  in  Zentralasien  (Leuchs 

Klimakunde,      Hann.     J. 
Klima  von  Caracas 

— ,  Hellmann.  G. :  Regenkarte  von 
Deutschland 

— ,  — :  Neue  Untersuchungen  über  die 
Regenverhältnisse  von  Deutschland 

— ,  Moscheies.  J.:  Das  Klima  von  l^os- 
nien  und  der  Herzegowina  (-99 

— ,  Nordenskjöld.  O.:  Studien  über 
das  Klima  am  Rande  jetziger  und 
ehemaliger  Inlandeisgebiete  T102 

Siehe  Paläoklimatologie. 

Klotz,  F.:  Mit  Stift  und  Stab  1-298 

Koch-Grünberg,  Th. :  Vom  Roroima 
zum  Orinoko  (Üie)  T93 

Kodja-Jaila,  Tal  in  Kleinasien  *238 

Kölzer,  ].,  Wunderlich,  E.,  Fax,  S. 
sen..  Fax,  P\  jun.,  Praesent,  H.:  Die 
Grenzen  Kongreß-Polens  T201 

Koert,  W.:  Der  Krusteneisenstein  in 
den  deutsch-afrikanischen  Schutz- 
gebieten, besonders  in  Togo  und  im 
Hinterlande  von  Tanga  1 

K  o  lu  m  b  i  a ,  Frey.G. :  DieSierra  dePerijä 

Konda,  Fluß  in  Westsibirien  iPohle)  ^ 

Kongreß-Polen.  Siehe  Polen. 

Koralleninseln.  Frey,  G.:  Neue  Bei- 
träge zur  Frage  nach  der  Entstehung 
von   — 

Kr  ämer-Bannow,  E. :  Bei  kunst- 
sinnigen Kannibalen  der  Südsee 
(Sapper) 

Krebs,  N.:  Die  ]5edeutung  der  geo- 
graphischen Karte  •! 

— :    Belgrad  -1 

— :  Das  österreichisch-italienische  Grenz- 
gebiet "^'99 

— :  Haberlandt.  A. :  Kulturwissenschaft- 
liche  Beiträge  zur  \'olkskunde  von 
Montenegro.  Albanien  und  Serbien    -1-90 

—  :  Morphologische  Probleme  in  Unter- 
franken *307 

— :  Die  anthropogeographischen  Räume 
der  Balkanhalbinsel  799 

Krtistenbe  wegungen  ,  orogenetische  470 

— ,  epeirogenetische  -  470 

— ,  in  Westsibirien  (Fohle)  '45^ 

Krusteneisenstein.  Koert.  W.:  Der 
—  in  den  deutsch  -  afrikanischen 
Schutzgebieten,  besonders  in  Togo 
luid  im  Hinterlande  von  Tanga        rioi 

Krzymowski.  R.:  Philosophie  der 
Landwirtschaftsichre  ''"299 


101 

83 
419 


193    — 


"'■95 

■298 
-199 


Kühn,  F.:  Geographischer  Bericht  aus 
Argentinien    während     der     Kriegs- 
jahre  1914  bis  1919  *442 
Kulturlandschaft,  in  Weißrußlancl    *64 
L  ä  n  g  e  n  b  e  s  t  i  ni  m  u  n  g ,        geographi- 
sche, Wagner,  H.:  Die  Legende  der 
—  Amerigo    V'espuccis  nach  Mond- 
abständen VI  04 
Laida,  Niederungstundra  (Fohle)         *-i33 
Lampe,   F.:    Bericht  über    die  Tätig- 
keit der  Königlich  preußischen  Haupt- 
stelle für  den  naturwissenschaftlichen 
Unterricht  TJ97 
— :  Der    bildende  Wert   des  erdkund- 
lichen Schulunterrichts                          ''"299 
Landeskunde,  Andersson,  G.: Austra- 
lien Natur  och  Kultur  iPenck,  A.i    ti95 
— .  Arnheim,  F.:  Schweden  (Braun i       rSg 
— ,  Behrmann,  W. :  N.  W.  Amazonien  466 
— ,  — :  Detzners  Forschungen  in  Neu- 
guinea                                                      *37i 
— .   — :  Die  Landschaften  Rumäniens    *29 
— ,  — :  Reise  an  der  Grenze  von  China 

und  Tibet  190 

— .  Frey,  G.:  Die  wissenschaftlichen 
Ergebnisse  der  IL  Thule-Expedition 
KnudRasmussens  nach  Nordgrönland 
1916  bis  1918  467 

-  ,  — :  Die  Expedition  Robert  ].  Fla- 
hertys  nach  den  Belcher-Inseln  und 
der  Ungava-Halbinsel  79 

— .  — :    Neue  Forschungen  im  Innern 

Marokkos  379 

— ,  — :  Die  Forschungsreise  von  Ha- 
milton Rice  nach  dem  Rio  Negro, 
Januar  bis  März  191 7  84 

— ,  — :  Die  Sierra  de  Perijä  83 

Die  Southampton-Insel  383 

— ,  ---:  Südwest-Tasmania  467 

— ,  —  :  Die  Tuomatu-Inseln  383 

— ,  Grabmayr,  K.  v.:  Süd-Tirol  "'"295 

— ,  Hedin.  Sven:  Jerusalem  rioo 

— ,  Klotz,  F.:  Mit  Stift  und  Stab  V389 

— .  Koch-Grünberg,  Th.:  Vom'Roroima 

zum  Orinoko  (Ulei  793 

— .  Krämer-Bannow.  E.:  Bei  kunst- 
sinnigen Kannibalen  der  Südsee 
(Sappen  ..  V95 

— .  Kühn.  F.:    Geographischer  Bericht 
aus  Argentinien  während  der  Kriegs- 
jahre 191 4  his   191 9  *442 
— ,  Leuchs,  K.:  Die  wissenschaftlichen 
Ergebnisse  von  Merzbachers  Reisen 
im  östlichen  Tian-Schan  *269 
— ,  Luther.  A. :  Rußland.   II  fi99 
— ,    Lutz:      Über     Reisen     in     .Mittel- 
amerika                                                     T  209 
— ,  Meyer,  H.:    Die  französischen  Ko- 
lonien Mittclafrikas  ■■247 
— .  Moritz.  B.:    Bilder    aus    Palästina, 
Nord-Arabien  und  dem  Sinai  iBlan- 
kenhorn)                                                     ^197 


X 


Inhaltsverzeichiiis. 


Seile 
Landcskiiiidc.    I'ciuk.    \V.:    Zur 

von  Thrazien  ^35^ 

,  Pohlc,  R.:    Beiträge    zur    Kenntnis 
der  westsibirischen  Tiefebene  *395  i 

,  l\ohrbach,  P. :  Armenien  t297 

,  Sarasin,    F.:    Neu-Caledonien   und 
die  Loyalty-Inseln  iSapper)  T289 

,  Sprigade,  F.:  Die  französische  Ko- 
lonie Dahomey  tio2 
.  Thoroddsen,    Th.:    An   account  of 
the  physical    gcography   of    Iceiand 
(Spethmann)       _  ''Vi 
,  — :  Arferdi  ä  Islandi  iThusund   Ar 
(Spethmann)                                              "i'9i 
— ,  — :  Ferdabok  (Spethmann)                  791 
:  Lysing  Islands  (Si)ethmann)        tgi 
,    Trautz:    Reiseeindrücke    aus    der 
südlichen  Mandschurei                           474 
,  Wegener,  C:  Der  Zaubermantcl    1392 
,  Wilde.  E.:  Deutschböhmen              t390 
,  Wunderlich,  F.,  Kölzer,  J.,  Fax,  E. 
sen.,  Fax,  F.  jun.,  Fraesent,  H.:  Die 
Grenzen   Kongreß-Polens                       t2oi 
Siehe    Anthropogeographie,    Geologie. 
Geomorphologie,  Klimakunde,   Mor- 
phologie,   Orographie,    Fflanzengeo- 
graphie,  Fhysiogeographie,  Tiergeo- 
graphie. 
I.cuchs.    K.:    Die    wissenschaftlichen 
Ergebnisse  von  Merzbachers  Reisen 
im  östlichen  Tian-Schan                      "269 
Lewin,  E.:  Deutsche  Kolonisatoren  in 

Afrika  t202 
Ligocky,  J.:  Sechs  Millionen  verloren  7205 
Loxodrome;  Thorade,  H. :  Die  Aus- 
messung der  —  87 
-,\Vedemeyer,A.:  Die  Ausmessung  der —  194 
Loyalty-Inseln,    Sarasin,   F.:    Neu- 
Caledonien  und  die (Sapper)  7289 

Lunzer  Seen,  Götzinger,  G.:  Die  Eis- 
verhältnisse der (Ule)  790 

Luther.  A.:  Rußland.  II  i-199 

Lutz:  (Jbcr  Reisen  in  Mittelamerika    209 
Machatschek.  F.:.  Neue  Lehr-   und 
Handbücher    zur    allgemeinen    Erd- 
kunde *176 
— .  Solch,  J.:  Beiträge  zur  eiszeitlichen 
Talgeschichte  des  steirischen  Rand- 
gebirges und  seiner  Nachbarschaft  7387 
,  Werth,  E.:  Das  Eiszeitalter  796 
Main,  Entstehung  des  — tales (Krebs)  *33o 
Mandschurei,      Trautz:       Reiseein- 
drücke aus  der  südlichen  474 
.Mansfeld,  A.  u.  Hildebrand.  G.:  Eng- 
lische Urteile  über  die  deutsche  Ko- 
lonisationsarbeit                                        ■r202 
Marokko,  Frey,  G.:  Neue  Forschun- 
gen im  Innern       s  379 
Marquardsen.     H.:      Studien     über 

.Angola  Tioi 

Maull.  O  :    Die  Landschaft  um   Mar- 
burg   a.  d.   L.    in    ihren    morpholo- 


gischen   Beziehungen    zur    weiteren 
Umgebung  '''389 

Maurer.  H.:  Zenitale  und  azimutale 
Abbildungen  '164 

:  Kann   die  Winkeltreue   in    Einzel- 
punkten winkeltreuer  Karten  fehlen?  t39i 

Mazedonien.  Behnrann,  W.:  Der 
tektonische  Aufbau  von  Mittel —       279 

Meere,  Siehe  Ozeane. 

Meereskunde,  Centennial  Celebra- 
tion  of  the  United  States'  Coast  and 
(ieodetic  Survey  April  5  and  6  1916. 
,  Frey,.  G.:  Die  Judia-Untiefe  382 

— ,  -Meinardus,  W. :  Luftkreis  und  Welt- 
meer im  Lehrbereich  der  Geographie  t299 

Melanesien.  .Siehe  Loyalty-Inseln. 
Neu-Caledonien,  Neuguinea,  Neu- 
Irland,  Neu-Fommern. 

Meteorologie,  Dietsch,  M.:  Unter- 
suchungen über  die  Änderung  des 
Windes  mit  der  Höhe  in  Zyklonen  f204 

— .  Hann,  J.  v.:  Untersuchung.en  über 
die  tägliche  Oszillation  des  Baro- 
meters III.  Die  dritteltägige  Luft- 
druckschwankung T204 

— .  Hellmann,  G.:  Über  die  nächtliche 
Abkühlung  der  bodennahen  Luft- 
schicht T204 

— ,  — :  Über  die  Bewegung  der  Luft  in 
den  untersten  Schichten  der  Atmo- 
sphäre •  t298 

— ,  — :  Über  warrne  und  kalte  Sommer  T204 

— ,  — :  Über  milde  Winter  T102 

— ,  — :  Über  strenge  Winter  -»-102 

— ,  Meinardus.  W.:  Luftkreis  und  Welt- 
meer im  Lehrbercich  der  Geographie  T299 

— ,  Schreiber,  F. :  Einrichtung  und  Auf- 
gaben der  im  Weltkriegsjahr  1915 
erbauten  Wetterwarten  auf  der 
Wahnsdorfer  Kuppe  bei  Dresden 
und  auf  dem  Fichtelbeigc  t2o6 

— ,  Sverdrup,  H.  U.  u.  Holtsmark,  j.: 
i'ber  die  Beziehung  zwischen  Be- 
schleunigungen und  Gradientenän- 
derungen und  ihre  prognostische 
Verwendung  •(•104 

— ,  Sverdrup,  H.  U.:  Über  den  Energie- 
verbrauch der  Atmosphäre  T103 

Meyer,  H.:  Die  französischen  Kolonien 
Mittelafrikas  ^247 

M  i  11  er .  K.:  Itineraria  Romana  (Weiß)  t286 

Mittelafrika,  Marquardsen,  H.:  Stu- 
dien über  .Angola  hoi 

— ,  Meyer.  H.:  Die  französischen  Kolo- 
nien — s  *247 

Mitielamerika.  Lutz:  Über  Reisen 
in  —  209 

Mitteldeutschland,  Siehe  Hessen. 
Sachsen,  Thüringen. 

Mitteleuropa.   Siehe   Alpen.    .Alpen- 
'   länder.    Böhmen,    Deutsches    Reich. 
Österreich,  Polen,  Rumänien. 


Inhaltsverzeichnis 


XI 


Mittclkongo,  französisclic  Kolonie    ^250 

Montenegro,  Haberlandt,  A.:  Knltur- 
wissenschaftliche  Beiträge  zur  Volks- 
kunde \on  ,  Albanien  und  Serbien 
(Krebs)  "i^o 

Mordziol,  C:  Einführung  in  den  geo- 
logischen Unterricht  t-99 

Moisel,  iM.:  Das  Generalgouvernement 
von  Französisch-  Aquatorialafrika 
(Meyer)  V248 

Moritz,  B.:  Bilder  aus  Palästina, 
Nord-Arabien  und  deni  Sinai 
(Blanckenhorn)         •  iigy 

Morphologie,  Behrmann,  W.:  Die 
Gipfeltlur  in  den  Alpen  186 

— ,  — :  Die  norddeutschen  Inlands- 
dünen durch  westliche  Winde  auf- 
geweht 278 

— .  —  :  Der  Nordostrand  des  Thüringer 
Waldes  277 

— ,  — :  Der  Vorgang  der  Selbstver- 
stärkung *i53 

— ,  Bouterwek,  K. :  Das  Land  der 
meridionalen  Stromfurchen  im  indo- 
chinesisch-tibetanischen Grenzgebiet  "["297 

— ,  Braun.  G.:  Das  Rheingebiet  ober- 
halb Basel  "^ii 

— ,  Frey,  G.:  Tote  Landschaften  und 
der  Gang  der  Erdgeschichte  285 

— .  Gradmann,  R.:  Das  Schichtstufen-- 
land  *ii3 

— ,  Häberle.  D.:  Die  Höhlen  der  Rhein- 
pfalz -  ti99 

— ,  Krebs,  N.:  Morphologische  Pro- 
bleme in  Unterfranken  *307 

— ,  MauU.  O.:  Die  Landschaft  um 
Marburg  a.  d.  L.  in  ihren  morpho- 
logischen Beziehungen  zur  weiteren 
Umgebung  '<'3^9 

— ,  Penck,  W. :  Reisen  in  der  Puna  von 
Argentinien  1 1 1 

— ,  Philippson,  A. :  Glaziale  und  pseudo- 
glaziale Formen  im  westlichen  Klein- 
asien ""'229 

— .  — :  Die  Lehre  vom  Formenschatz 
der  Erdoberfläche  1300 

— ,  Sapper,  K. :  Geologischer  Bau  und 
Landschaftsbild  (Solch)  7386 

— ,  Solch,  J.:  Beiträge  zur  eiszeitlichen 
Talgeschichte  des  steirischen  Rand- 
gebirges und  seiner  Nachbarschaft 
(Machatschek)  t3S7 

— ,  Wunderlich,  E.:  Die  Bedeutung 
der  diluvialen  Ablagerungen  für  die 
Entwicklung  des  polnischen  Flach- 
landes "■■  1 40 

— ,  Zahn,  G.  v.:  Die  Moräne  im  Schnee- 
tiegel im  Thüringerwald  7201 

— ,  Siehe  Landeskunde. 

Moscheies,].:  DasKlimavon  Bosnien 
und  der  Herzegowina  199 

-  :  Die  Postglazialzcit  in  Skandinavien  ti99 


Seite 

Muluya,  Fluß  in  Marokko  381 

Mysi scher  Olymp,  Kleinasien  *23o 

Mzik,  H.  V.:  Was  ist  Orient.'  Iioo 

Neu-Caledonien.  Sarasin,  F.: 

und   die  Loyalty- Inseln  (Sapper)         '(28^ 

Neuguinea.  Behrmann,  W. :  Detzners 
Forschungen  in    —  '371 

Neu-Irland,  Schlaginhaufen,  O.:  Le 
Maire's  Claes  Pietercz-Bucht  an  der 
Ostküste  —  — 's  tioi 

N  e  u  -  M  e  c  k  1  e  n  b  u  r  g ,  Krämer-Bannow, 
E. :  Bei  kunstsinnigen  Kannibalen  der 
Südsee  (Sapper)  T95 

Neupommern,  (Jffermann.  J.:  Bei- 
träge zur  Petrographie  der  Insel  —  fioi 

Neu-Süd -Wales,  Handbuch  von 
—  (Penck-,  A.)  'cigb 

Niederösterreich,  Götzinger,  G.: 
Die  Eisverhältnisse  der  Lunzer  Seen 
(Ule)  T90 

— ,  Hassinger.  H. :  Beiträge  zur  Physio- 
geographie  des  inneralpinen  Wiener 
Beckens  und  seiner  Umrandung       .  799 

N  o  r  d  a  f  r  i  k  a ,  Siehe  Ägypten.  Marokko, 
Sahara,  Tibesti. 

Nordamerika,  Siehe  Canada,  U.  S. 
Amerika. 

Nordasien,  Siehe  Sibirien. 

Norddeutschland,  Behrmann,  W.: 
Die  norddeutschen  Inlandsdünen 
durch  westliche  Winde  aufgeweht       2 78 

Siehe  Brandenburg,  Posen,  Schlesien. 
Schleswig-Holstein,  Westpreußen. 

Nordeuropa,  Siehe  Island,  Skandi- 
navien. 

Nordenskjöld.  ü.:  Studien  über  das 
Klima  am  Rande  jetziger  und  ehe- 
maliger Inlandeisgebiete  tio2 

Norwegen.  Slanar,  H.:  Bergen  tioo 

Osterreich,  Österreichische  Wasser- 
straßen 7296 

Siehe  Alpenländer.  Böhmen,  Bosnien, 
Herzegowina. 

Paläoklimatologie,  — ,  Bölsche,W. : 
Eiszeit  und  Klimawechsel  T203 

— ,  Moscheies,  J.:  Die  Postglazialzeit 
in  Skandinavien  "^199 

— ,  Nordenskjöld,  O.:  Studien  über  das 
Klima  am  Rande  jetziger  und  ehe- 
maliger Inlandeisgebiete  fioj 

Ob.  Fluß  in  Westsibirien  (Pohlc)         ""395 

Obbusen,  Westsibirien  (Pohle)  ■417 

Obersenegal  und  Niger,  franzö- 
sische Kolonie  ^253 

Offermann,  J.:  Beiträge  zur  Petro- 
graphie  der  Insel  Neupommern         jioi 

Oldonyo  Lengai,  Frey  G.:  Ein  Aus- 
bruch des  —  —  382 

Orinoko,  Koch-Grünberg.  Th. :  Vom 
Roroima  zum  —  (Ule)  ■'r93 

Orographic,  Marquardsen,  H.: 
Studien  über  Angola  fioi 


XII 


Inhaltsverzeichnis. 


Posen. 


H.:  Die 

i 

.  Kölzer, 

H.:  Die 


O r t s  n a m  c n  k u n d e,   Weilirulilands 

Ostafiika,  P'rey, G.:  Diejudia-Untiefe 

— ,  Siehe  Dcutsch-Ostafrika. 

Ostasien,  Siehe  China. 

Ostdeutschland,        Siehe 
Schlesien,   VVestpreußen. 

Osteuropa,  Siehe  Rußland. 

Ozeane,  Baschin,  O. :  Über  die  Ver- 
kehrswege zur  See  am  Ende  des 
Weltkrieges 

Ozeanographie,  Siehe  Meereskunde. 

Palästina,  Hedin,  Sven:  Jerusalem. 

— ,  Moritz.  B. :  "Bilder  aus  — .  Nord- 
arabien   und    dem    Sinai    (Blancken- 

■   Jiorn) 

— ,  Range.  Die  neuen  Eisenbahnlinien 
in      - 

Papp  US,  alexandrinischer  Kartograph 
(um  290.''  n.  Chr.)  (Fischen 

Bartsch,  J.:  Die  Stromgabelungen 
der  Argonautensage 

i'ax,   E.  sen..  Wunderlich  E.,  Kölzer, 
J.,   Pax,    F.  jun.,    Praesent, 
Grenzen  Kongreß-Polens 

Pax,  F.  jun.,  Wunderlich.  E 
J.,  Pax,  E.  sen.,  Praesent. 
Grenzen  Kongreß-Polens 

Pazifischer.  Verkehr  auf  dem 

Penck,  A.:  Andersson,  G. :  Australien 
Natur  och  Kultur 

— :  Ausstellung  von  Kriegskarten 

— :  Deutsche,  Polen  und  Kassuben  in 
Westpreußen  und  Posen 

— :  Die  Gradzählung  der  Karte  des 
Deutschen  Keiciies 

— :  Über  politische  Grenzen 

— :  Die  deutsch- polnische  Sprach- 
grenze 

Penck,  W.:  Zur  Landeskunde  von 
Thrazien 

— :  Reisen  in  der  l'inia  von  Argen- 
tinien 

Peru,  Behrniann.  \\.:  Eine  For- 
schungsreise in  die  Anden    von    — 

Petrographie:  Offermann,  J.:  Bei- 
träge zur     -  der  Insel  Neupommern 

P  f  1  a  n  z  e  n  g  e  o  g  r  a  p  h  i  e ,  Gradmann : 
Pflanzen  und  Tiere  im  Lehrgebäude 
der  Geographie 

— ,  Schönichen,  W.:  Die  Verteilung  des 
Waldes  im  Deutschen  Reiche 

".  Warburg,  ().:  Die  Pflanzenwelt 
iGiesenhagenj 

— ,  Siehe  Landeskunde. 

l'hilippson,  A.:  Glaziale  und  pseuilu- 
glaziale  Formen  im  westlichen  Klein- 
asien 

—  :  Inhalt,  l'^inheitlichkcit  und  L^mgren- 
zung  der  Erdkunde  und  des  erd- 
kundlichen   l'ntcrrichts 

— :  Die  Lehre  vom  Formensrhatz  der 
Erdoberiläche 


Seite 
*70 
3H2 


'^5 

T  1 00 

VI  97 
463 

f39^ 
1-201 


r2oi 

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1 10 


184 
iio3 

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^35« 
1 1 1 

-VS3 

T  1  O  I 
1-298 

r296 

t292 
"^229 

V299 
1-300 


Philipj)Son,  .-X.:  Johann  Justus  Rein  t2o6 

Physiogeographie,  Hassinger,  H. : 
Beiträge  zur  —  des  inneralpincn 
Wiener  Beckens  -rgg 

Pohle.  R.:  Beiträge  zur  Kenntnis  der 

westsibirischen  Tiefebene  *39.S 

-  :  Die  Probleme  des  Nordens  t2o6 

Polargebiete,  Nordenskjöld.  ().: 
Studien    über   das  Klima  am  Rande 
jetziger    und    ehemaliger    Inlandeis- 
gebiete -ri02 

— ,  Siehe  Antarktis,   Arktis. 

Politische  Geographie,  Graf,  G.E.: 
Die  Landkarte  FLuropas  gestefn  und 
n-iorgen  T295 

— .  Guerra,  J.  G.:  La  soberania  chilena 
en  las  islas  al  Sul  del  Canal  Beagle 
(Steffen)  T385 

--,  Krebs,  N.:  Das  österreichisch-ita- 
lienische Grenzgebiet  ■I-i99 

— ■,  Penck,  A. :  Über  politische  Grenzen  tio3 

— ,  Rein,  K.:  Wie  England  die  deut- 
schen Kolonien  bewertet  iioi 

— .  Reinhard,  R. :  Weltwirtschaftliche 
und  politische  Erdkunde  ■1'30ü 

— ,  Die  Südgrenzc.  der  deutschen 
Steiermark  -r2oi 

— ,  Thurnwald,  R.:  Politische  Gebilde 
bei  Naturvölkern  t392 

,  \'ogel,  W.:    Deutschlands   bundes- 
staatliche Neugestaltung  7200 

— ,  Siehe  Landeskunde. 

Polen,  Brandt.  B.:  Geographischer 
Bildcratlas  des  polnisch -weißrussi- 
schen Grenzgebietes  tgS 

— ,  Frey.  G.:  Bilder  aus  dem  Gesund- 
heitswesen in  —  aus  der  Zeit  der 
deutschen  \''erwaltung  t389 

— .  Praesent.  H.:  Die  Bevölkerungsgeo- 
graphie des  Cholmer  Landes  •i"99 

— ,  — :  Aus  der  Geschichte  der  Karto- 
graphie Kongreß s  t2oo 

— .  Schultz.  A. :  Ethnographischer  Bil- 
deratlas von  -  tioo 
,  Wunderlich,  E. :  Geographischer 
Bilderatlas  von  —  yioo 
,  —  :  Die  Bedeutung  der  diluvialen 
Ablagerungen  für  die  Entwicklung 
des  polnischen  Flachlandes  *i4o 

— .  —  ,  Kölzer,  J.,  Pax,  E.  sen.,  Pax,  F. 
jun..  Praesent,  H.:  Die  Grenzen  Kon- 
greß— s  ■(•20 1 

Polynesien.  Frey.  G.:  Die  Tuomatu- 
Inseln  3'*^3 

Posen,  Heydc,  H.:  Die  Nationalitäten 
in  den  deutschen  Ostprovinzen  185 

— ,  Penck,  A.:  Deutsche,  Polen  und 
Kassuben  in  Westpreußen  und  —         79 

Praehistoric,  Schlaginhaufen,  O.: 
Über  die  menschlichen  Skelettreste 
aus  dem  Pfahlbau  am  Alpen(|uai  in 
Zürich  l-ioo 


liiliahs\frzoiclini:> 


XII 


Praesent,  H.:  Die  Bevölkerungsgeo- 
geographie  des  Cholmer  Landes  1-99 

— :  Aus  der  Geschichte  der  Karto- 
graphie Kongreß-Polens  f^oo 

— :  Wunderlich,  E,  Kölzer.  J.,  Pax,  E. 
seil.,  Pax,  F.  jun. :  Die  Grenzen  Kon- 
greß-Polens t20I 

Protest  der  Gesellschaft  für  Erdkunde 
gegen  die  Ausstoßung  Deutschlands 
aus  der  Reihe  der  kolonisierenden 
Mächte  "24 

Ptolemäuskarten,  Fischer,  J.: 

Pappus  und  die  -  *336 

Quaas,  A.:  Das  Rurtal  "hoc 

Quellenkunde,  Zur  —  von  Süd- 
westdeutschland (Krebs)  *3io  . 

Ramann,  E. :  Bodenbildung  und  Bo- 
deneinteilung (Stremme)  t472 

Range:  Die  neuen  Eisenbahnlinien  in 
Palästina  463 

Reichen  hall,    Gießberger,    H. :    Das  j 

—  er  Einsturzbeben  vom  19.  Novem- 
ber  1910  J99 

Rein,  K.:  Wie  England  die  deutschen 
Kolonien  bewertet  jioi 

— :  Kolonien!  Eine  deutsche  Muß- 
forderung t202 

Reinhard,  R.:  Weltwirtschaftliche 
und  politische  Erdkunde  t3oo 

Rhein,  Braun,  G.:  Das  — gebiet 
oberhalb  Basel  *2ii 

Rheinpfalz,  Häberle,  D. :  Die  Höhlen 
der   —  ti99 

Rhön,  Dietrich,  B.:  Wirtschaftsgeo- 
graphie der  —  ■i"98 

Rio  Negro,  Frey,  G,:  Die  Forschungs- 
reise von  Hamilton  Rice   nach  dem 

—  — ,  Januar  bis  März  191 7  84 
Rohrbach,  P. :  Armenien  7297 
Roroima,  Koch-Grünberg,  Th.:  Vom 

—  zum  Orinoko  (Ule)  t93 
Rossein,  In  Unterfranken  (Krebsl       *3io 
Rumänien,  Behrmann,  W.:  Die  Land- 
schaften — s  *29 

— ,  Spies,   G.:    Die  rumänische   Petro- 
leumindustrie in  der  Weltwirtschaft  t2oo 
Rumpf  flächen.   In   Südwestdeutsch- 
land (Gradmann,  Braun)  *ii6,  *2ii 
— ,  in  Unter  franken  (Krebs)  *3i9 
Rur,  Quaas,  A. :  Das     -tal                       f200 
Rußland,  Brandt,  B.:  Geographischer 
Bilderatlas    des     polnisch-weißrussi- 
schen Grenzgebietes  1-98 
— ,    — :    Beobachtungen    und    Studien 
über  die  Siedlungen  in  Weiß — 
(Schluß)                                                      "46 
— ,  Luther,  A.:         .  II                              7199 
Sachsen.   Schreiber,  P.:   Einrichtung 
und  Aufgaben  der  im  Weltkriegsjahr 
191 5  erbauten  Wetterwarten  auf  der 
Wahnsdorfer  Kuppe  bei  Dresden  und 
dem  Fichtelberge                                   ^206 


Sahara,  Frey,  G.:  Neue  Beiträge  zur 
Geographie  und  Geologie  Tibestis 
und  seiner  südöstlichen  Nachbar- 
gebiete 280 

Sandras-Dag,  Gebirge  inKleinasien  "233 

Sapper.  K.:  Geologischer  Bau  und 
Landschaftsbild  (Solch)  T386 

— ,    Krämer-Bannow,    E.:    Bei    kunst- 
sinnigen Kannibalen  der  Südsee  V95 
-,   Sarasin,    F. :    Neu-Caledonien    und 
die  Loyalty-Inseln                                  "1"289 

Sarasin,  F.:  Neu-Caledonien  und  die 
Loyalty-Inseln  (Sapper)  i289 

Schahankaja,  Berg  in  Kleinasien     *238 

Schichtstufenland,  Gradmann.  R.: 
Das  —  ■  1 1 3 

S  chlaginhaufen,  O.:  Le  Maire's 
Claes  Pietercz-Bucht  an  der  Ostküste 
Neu-Irlands  iioi 

- :  ( 'ber  die  menschlichen  Skelett- 
reste aus  dem  Pfahlbau  am  Alpen- 
quai in  Zürich  tioo 

Schlesien.  Graf,  G.  E.:  Die  geogra- 
phische Lage  des  oberschlesischen 
Industriereviers  t3S9 

-,  Heyde,  H.:  Die  Nationalitäten  in 
den  deutschen  Ostproviuzen  185 

Schleswig-Holstein,  Wolff,  W. : 
Erdgeschichte  und  Bodenaufbau 
s  1296 

Schmeidler,  B..  Weule.  K.,  Bethe, 
E.,  Doren.  A,,  Herre.  P. :  Kultur- 
geschichte des  Krieges  (Vogel)  J2S- 

Schmidt,  Ad.:  Besitzt  die  tägliche 
erdmagnetische  Schwankung  in  der 
Erdoberfläche  ein  Potential.'^  f2o6 

Schmidt,  J.:  Die  Entstehung  des  Erd- 
systems t3oo 

— :  Astronomische  Irrlehren  t30o 

Schnee:  Deutsch-Ostafrika  während 
des  Weltkrieges  *i 

Schneegrenze  in  Antarktika  192 

— ,  Diluviale  —  im  westlichen  Klein- 
asien (Philippson)  ^229 

Schneider.  A. :  Allgemeine  Heimat- 
kunde +300 

Schoenichen:  W.:  Die  N'erteilung 
des  Waldes  im  Deutschen  Reiche     1-296 

Schreiber,  P.:  Einrichtung  und  Auf- 
gaben der  im  Weltkriegsjahr  1915 
erbauten  Wetterwarten  auf  der 
Wahnsdorfer  Kuppe  bei  Dresden 
und  auf  dem  Fichtelbergc  t2o6 

Schul geographie,  Behrmann.  W.r 
Die  \'erbreitung  weltwirtschaftlicher 
Kenntnisse  285 

— ,  Bericht  über  die  Tätigkeit  der 
Königl.  Preußischen  Hauptstelle  für 
den  naturwissenschaftlichen  L^nter- 
richt  (Lampe)  ti97 

— ,  Hassert,  K.:  Wesen  und  Bildungs- 
wert der  Wirtschaftsgeographie  +298 


XIV 


liihall^verzcichnis. 


S.'itf 

Schulgcographie.  Hassinger,  H.: 
Über  einige  Aufgaben  geograpiii- 
scher  Forschung  und  Lehre  1-391 

— .  Hettner,  A.:  Die  Einheit  der  Geo- 
graphie in  Wissenschaft  und  Unter- 
richt T205. 
,  Lampe,  F.:  Der  bildende  W'ert  des 
erdkundlichen  Schulunterrichts  t-299 

— ,  Meinardus.  W.:  Luftkreis  und  Welt- 
meer im  Lehrbereich  der  Geo- 
graphie T299 

^,  Mordziol,  C.:  Einführun.L;  in  den 
geologischen  Unterricht  7299 

— ,  Philippson,  A.:  Inhalt,  Einheitlich- 
keit und  Umorenzung  der  Erdkunde 
und  des  erdkundlichen  Unterrichts  +299 

— ,  Stucki,  G.:  vSchülerbüchlein  für 
den  Unterricht  in  der  Schweizer 
Cieographie  t-96 

— .  Wagner,  F.:  Die  Stellung  der  Erd- 
kunde im  Rahmen  der  Allgemein- 
bildung -f207- 

Schulte  im  Hofe,  A.:  Auswande- 
rung und  Auswanderungspolitik         t2o6 

Schultz,  A.:  Ethnographischer  Bilder- 
atlas von  Polen  iioo 

Schweden,  Arnheim,  F.:         (lirauni   fSg 

— .  Frey,  (j.:  Eine  neue  Einteilung  — s 
in  kulturgeographische  Landschaften 
auf  Grund  der  Stadtanlagen  187 

Schweiz,  Braun.  G.:  Das  Rheingebiet 
oberhalb  Basel  ''"211 

,  Frohnmeyer,  O.:  Kreuz    und    quer 
durch  Nordgraubünden  t295 

.  Schlaginhaufen,  O.:  Über  die 
menschlichen  Skelettreste  aus  dem 
Pfahlbau  am  Alpenquai  in  Zürich  fioo 
,  Stucki,  G.:  Schülerbüchlein  für  den 
Unterricht  in  der  Schweizer  Geo- 
graphie t^96 

Seen  künde,  (jötzinger,  G.-:  Die  Eis- 
verhältnisse der  Lunzer  Seen  (Ulej     190 

— ,  Jentzsch,  A.:  Beiträge  zur  —  (Ule)t385 

Scismologic,  Siehe  FZrdbeben. 

Serbien,  Haberlandt.  A. :  Kultur- 
wissenschaftliche Beiträge  zur  Volks- 
kunde von  Montenegro,  Albanien 
und  —  (Krebs)  t9o 

— ,  Krebs,  N.:  Belgrad  ti99 

Sibirien,  Pohle,  R:  Beiträge  zur 
Kenntnis  der  westsibirischen  Tief- 
ebene *395 

Siedlungsgeographie,  Brandt,  B.: 
Beobachtungen  und  Studien  über 
die  Siedlungen  in  W^eißrußland 
(Schluß)  -46 

— ,  Graf,  G.  ¥..;  Die  Entwicklung  des 

,    Stadtgrundrisses  von  Berlin  t99 

— ,  — :  Die  geographische  Lage  des 
oberschlesischen  Industriereviers       r?,^9 

— ,  Jahrbuch  der  Urania  imd  Astro- 
nomischer Kalender  tio5 


Seite 


t39o 
T199 
•i"  1 00 


'03 


Siedlungsgeogra|)hie ,        Kiesling, 
H.  V. :  Damaskus 
,  Krebs,  N.:  Belgrad 

— ,  Slanar,  H.:  Bergen 

— ,  Siehe  Landeskunde. 

Sieger,  R.:  -Die  Nation  als  Wirt- 
schaftskörper 1 

Sierra  de  Per i ja,  Frey,  G.:  Die 

Sinai,  Moritz,  B.:  Bilder  aus  Palästina. 
Nord-Arabien  und  dem  iBIam  ken- 
horn)  (197 

Sindirgi,  Stadt  in  Kleinasien  *238 

Skandinavien,    Behrmann,  W.:  Die 
glaziale     Entwicklungsgeschichte 
Nordwest — s  377 

— .  Moscheies.  J.:  Die  Postglazialzcit 
in  —  ti99 

— ,  Siehe  Norwegen,  Schweden. 

Slanar,  H.:  Bergen  tioo 

Solch,  J.:  Beiträge  zur  eiszeitlichen 
Talgeschichte  des  steirischen  Rand- 
gebirges und  seiner  Nachbarschaft 
(Machatschek)  1387 

— ,  Sapper,  K.:  Geologischer  Bau  und 
und  Landschaftsbild  t386 

Soli  fluktion,  im  Obgebiet  1  Fohle)    *433 

Sonntag.  F.:  Neue  geologische  Bilder 
und  Skizzen  aus  Westpreußen  -1-200 

Sor,  Hochflutsee  des  Ob  (Fohle j  *4o3 

Southamj)!  on-1  nsel,    Frev,  G.:  Die 

'   .  383 

Spethmann,  H.:  Thoroddsen,  Th.:  An 
account  of  the  physical  geography 
of  Iceland  fgi 

— ,  — :  Arferdi  ä  Island!  i   Thüsuiul  Ar  J9r 
— ,  — ;  Ferdabük  t9' 

— ,  — :  Lysing  Islands  i-91 

Spies,  G. :  Die  rumänische  Petroleum- 
industrie und  ihre  Bedeutung  in  der 
Weltwirtschaft  -(-200 

Sprigade.    F.:    Die  französische  Ko- 
lonie Dahomey  tio2 
Stadttypen,  Weißrußlands  (Brandt)     *72 
Steffen.    H.,    Guerra,    J.  G.:    La  so- 
berania   chilena    en    las   islas  al  Sul 
del  Canal  Beaglc                                   -i^S^s 
Steiermark,      Die      Südgrenze      der 
deutschen    -  -1-201 
,  Solch,  L  :  Beiträge  zur  eiszeitlichen 
Talgeschichte  des  steirischen  Rand- 
gebirges   und    seiner  Nachbarschaft 
(Machatschek)                                         -t-3.S7 
Stille.    H.:    Hebung  und  Faltung  im 

sogenannten  Schollengebirge  "'"103 

Stremme,    H.,  Ramann.  ¥..:    Boden- 
bildung  und  Bodeneinteilung  ("472 
Stucki,  G.;    Schülerbüchlein  für  den 
Unterricht    in    der    Schweizer    Geo- 
graphie                                                    t296 
Straßendorf,  in  Weißrußland  *46 
Südafri  ka.  Eine  südafrikanische  geo- 
graphische Gesellschai't  8y 


Inhaltsverzeichnis. 


XV 


Südafrika.    Siehe    Deutsch-Südwest- 
afrika. 
Südamerika,  siehe  Argentinien,  Bra- 
silien, liritisch-Guayana,    Chile,  Ko- 
lumbia,  Peru,  Venezuela, 
Südasien,  Siehe  Indien. 

Südbayern,  Gießberger,  H.:  Das 
Keichenhaller  Einsturzbeben  vom 
19.  November  19 10  T99 

Süddeutschland,  Siehe  Bayern. 

Südeuropa,  Siehe  Balkanhalbinsel. 
Italien. 

Südgrenze,  Die  —  der  deutschen 
Steiermark  j2oi 

Sverdrup,  H.  U.:  und  Holtsmark,  J. : 
Über  die  Beziehung  zwischen  Be- 
schleunigungen und  Gradientenän- 
derungen und  ihre  prognostische 
Verwendung  tio4 

Sverdrup,  H.  U.:  Über  den  Energie- 
verbrauch der  Atmosphäre  tio3 

Syrien,  Riesling,  H.  v. :  Damaskus     t390 

— ,  Siehe  Palästina. 

Talassymetrie,  in  Unterfranken 
(Krebs)  '"313 

Faldichte,  in  Unterfranken  (Krebs)  *3i4 

Tanga,  Koert.  W.:  Der  Krusteneisen- 
stein in  den  deutsch-afrikanischen 
Schutzgebieten,  besonders  in  Togo 
und  im  Hinterlande  von  —  fioi 

Tasmania,  Frey,  G.:  Südwest —       467 

Tektonik.  Behrmann,  W.:  Der  tekto- 
nische  Aufbau  Mittelmazedoniens       279 

Thorade,  H.:  Die  Ausmessung  der 
Loxodrome  87 

Thoroddsen,  Th.:  An  account  of  ihe 
physical  geography  of  Iceland  (Speth- 
mann)  ^     t9i 

— :  Arferdi  a  Islandi  i  Thüsund  Ar 
(Spethmann)  1-91 

— :  Ferdabök  (Spethmann)  t9i 

—  :  Lysing  Islands  (Spethmann)  79 1 

Thrazien,  Penck,  W. :  Zur  Landes- 
kunde von    —  *358 

Thüringen,  Behrmann,  W. :  Der  Nord- 
ostrand des  Thüringer  Waldes  277 

— ,  Zahn,  G.  v. :  Die  Moräne  im  Schnee- 
tiegel im  Thüringerwald  t2oi 

Thüringer  Wald.  Behrmann,  W. : 
Der  Nordostrand  des es  277 

— ,  Zahn.  G.  v. :  Die  Moräne  im  Schnee- 
tiegel im     - 

Thurnwald,  R. :  Politische  Gebilde 
bei  Naturvölkern  t39^ 

Tian-Schan,  Leuchs,  K. :  Die  wissen- 
schaftlichen Ergebnisse  von  Merz- 
bachers Reisen  im  östlichen  —         *269 

Tibesti,  Frey,  G.:  Neue  Beiträge  zur 
Geographie  und  Geologie  — s  und 
seiner  südöstlichen  Nachbargebiete    280 

Tibet,  Behrmann,  W. :  Reise  an  der 
Grenze  von  China  und  —  1S9 


Tibet,     Bouterwek,    K.:     Das     Land 
der    meridionalen   Stromfurchen   im 
indo-chinesisch-tibetanischen  Grenz- 
gebiet Y297 
Tiefsee  rinnen,      ozeanische.        Ihre 

Entstehung  470 

Tiergeographie,  Gradmann:  Pflan- 
zen und  Tiere  im  Lehrgebäude  der 
Geographie  T29S 

--,  Siehe  Landeskunde. 
Tigrigra-Tal,  Marokko  380 

Tirol,  Grabmayr,  K.  v.:  Süd '''^g.s 

— .     Krebs,     N. :     Das     österreichisch- 
italienische Grenzgebiet  ■ii99 
— ,  Klotz,  P.:  Mit  Stift  und  Stab          t389 
Tmolos-Gebirge,  Kleinasien  "233 
Togo,   Koert,  W. :    Der  Krusteneisen- 
stein   in    den    deutsch-afrikanischen 
Schutzgebieten,  besonders  in  —  und 
im  Hinterlande  von  Tanga                 fioi 
Transgression,  boreale  —  im  Ob- 

gebiet  (Pohle)  '412 

Trautz:  Reiseeindrücke  aus  der  süd- 
lichen Mandschurei  474 
Treatment,  The  —  of  Native  and 
other  Populations  in  the  Colonial 
Possessions  of  Germany  and  Englandt203 
T  s  a  d  t  e  r  r  i  t  o  r  r  i  u  m ,  französische  Ko- 
lonie                                                            *2-,2 

Tuomatu-InseIn,Frey.  G. :  Die 3S3 

Tundra  des  Oblandes  (Pohle)  *437 

Ubangi-Schari-Tsad,    französi sehe 

Kolonie  in  Afrika  *2,si 

Ule,  Götzinger.  G. :  Die  Eisverhältnisse 

der  Lunzer  .Seen  -'\<)o 

— ,  Jentzsch.A. :  Beiträge  zur  Seenkunde  1384 
— ,  Koch-Grünberg,  Th.:  \'^om  Roroima 

zum  Orinoko  t93 

Ulus-Dag,  Gebirge  in  Kleinasien      *239 
Umfang    und   Bedeutung    der    öster- 
reichischen Wasserstraßen  T296 
U  ngava- Halbin  sei.    Frey,   G.:    Die 
Expedition  Robert  J.  Flahertys  nach 

den  Belcher-Inseln  und  der 79 

Unter  franken,  Krebs.  N.:   Morpho- 
logische Probleme  in   —  '307 
Uralgletscher,  diluvialer  —  im  Ob- 

gebiet  (Pohlej  'Uio 

Urumtschi,   Stadt  in   Kleinasien         *269 
U.S.Amerika,  Centennial  Celebration 
of  the  United  States'  Coast  and  Geo- 
detic    Survey    April    5    an  1    6  1916 
(Wedemeyer)  t294 

— ,  Siehe  Bermuda-Inseln. 
Venezuela,  Frey,  G  :  Die  Sierra  de 

Perijä  83 

— .  Hann.  J.  v.:  Zum  KUma  von  Caracas  *i58 
— ,  Koch-Grünberg,  Th.:  Vom  Roroima 

zum  Orinoko  (Ule)  t93 

Verkehrsgeographie,  Baltzer,  F.: 
Die  Kolonialbahnen  mit  besonderer 
Berücksichtigung  Afrikas  (Hennig  1      +95 


XVI 


liilialtsvcrzcic  Imi? 


\'crkehrsgeogiaphie,  Baschin.  O. : 
Über  'die  Verkehrswege  zur  See  am 
Ende  des  Weltkrieges  85 

— ,  Miller. R.:  ItinerariaKomana(  Weiß) '1-286 

— .  Range,  P.:  Die  neuen  Eisenbahn- 
linien in  Palästina  463 

— ,    Siehe  Landeskunde. 

Viktoria,  Handbuch  ü^enck,  A.i        figö 

\'ogel,  W. :  Deutschlands  bundes- 
staatliche Neufjestaltung  1-200 

— ,  Weulc.  K..  Bcthe,  E.,  Schmeidkr, 
B.,  Doren.  A.  Herre.  P.:  Kulturge- 
schichte des  Krieges  -i-287 

N'orderasicn,  Siehe  Arabien.  Arme- 
nien. Kleinasien.  Palästina,  Syrien. 

\'ulkanismus.  Frey.  C:  Ein  Au.s- 
bruch  des  Oldonyo  Lengai.  382 

Wagner,  H.:  Die  Legende  der  Län- 
genbestimmung Amerigo  V'espuccis 
nach  Mondabständen  -'ri04 

Wagner.  P. :  Die  Stellung  der  Erd- 
kunde im  Rahmen  der  Allgemein- 
bildung -(-207 

— :  Geographischer  Unterricht  und 
Auslandskunde  "r3oo 

Wahn sdorfer  Kuppe,  Schreiber,  P. : 
Einrichtung  und  Aufgaben  der  im 
Weltkriegsjahr  1915  erbauten  Wetter- 
warten auf  der  —  —  bei  Dresden 
und  auf  dem  Fichtelberge  -1-206 

Walzen bi  1(1  ung.  in  fließenden  Ge- 
wässern 1 7  5 

Warburg,  O.:  Die  Pflanzenwelt  11 
(Giesenhagen)  -1-292 

Weber.  G. :  Kulturschulung  fjo? 

Wedemeyer,  A.:  Die  Ausmessung 
der  Loxodrome  194 

— :  Das  Messen  auf  geographischen 
Karten  284 

— :  Centennial  Celebration  ofthe  Uni- 
ted States'  Coast  and  Geodetic  Sur- 
vey  April  5  and  6  191 6  293 

Wegen  er,  G.:  Der  Zaubermantel       "1392 

Weiß,  J.,  Miller,  K.:  Itineraria  Romanat286 

Weißrußland.  Brandt,  B.:  Beob- 
achtungen und  .Studien  über  die 
Siedlungen  in  —  (Schluß)  ■•46 

Wert*!!,  E.:  Das  Eiszeitalter  (Machat- 
schek)  -1-96 

Westafrika,  Siehe  Angola,  Dahomey, 
Gabun,  Obersenegal  und  Niger,  Togo. 
Tsadterritorium,Ubangi-Schari-Tsad. 

Westdeutschland,    Siehe    Eifel, 
Rheinpfalz. 


Seite 

Westeuropa,  Siehe  England. 

West])reußen,  Heyde,  H.:  Die  Natio- 
nalitäten in  den  deutschen  Ostpro- 
vinzen 1S5 

— ,  Penck.  A.:  Deutsche,  Polen  und 
Kassuben  in         und  Posen  79 

—,  Sonntag.  P. :  Neue  geologische 
I^ilder  und  Skizzen  aus  —  r2<)0 

Weule,  K..  Bethe,  E.,  Schmeidler,  B., 
Doren,  A..  Herre,  P. :  Kulturge- 
schichte des  Krieges  (Vogel)  7287 

W i  e  n  e  I  Becken,  Hassinger,  H. :  Bei- 
träge zur  Physiogeographie  des  inner- 
alpinen  s  luid  seiner  Umrandung  -i-99 

Wilde,  E. :  Deutschböhmen  T39o 

Wi  r  tschaftsgeog  raphie,  Behr- 
mann,  W,:  Die  Verbreitung  welt- 
wirtschaftlicher Kenntnisse  ,  '  285  . 

— ,  Dietrich.  B.:  —  der  Rhön  -f98 

^.  Geiser.  W. :  Die  Islandfischerei  und 
ihre  wirtschaftsgeographische  Bedeu- 
tung -h98 

— .  Hassert,  K. :  Wesen  und  ßildungs- 
wert  der  —  1298 

,  Pohle,R.:  Die  Probleme  des  Nordens -i-206 

— .  Reinhard.  R.:  Weltwirtschaftliche 
und  i)olitische  Erdkunde  -r3oo 

— .  Sieger,  R. :  Die  Nation  als  Wirt- 
scliaftskörper  ti03 

— .  Siehe  Landeskunde. 

Wolff.  W. :  Erdgeschichte  und  Boden- 
aufbau Schleswig-HoLsteins  -1-296 

Wolkenhauer,  W. :  Aus  der  Ge- 
schichte der  Kartographie  1105 

— :  Robert  von  Schlagintweit  t207 

Wunderlich,  E.:  Die  Bedeutung  der 
diluvialen  Ablagerungen  für  die  Ent- 
wicklung des  polnischen  Flachlandes  '140 

— :  Geographischer  Bilderatlas  von 
Polen  -rioo 

:  Kölzer.  J.,  Pax,  E.  sen.,  I^ax,  F.  jun., 
Praesent,  H.:  Die  Grenzen  Kongreß- 
Polei-s  -1201 

Zahn.  G.  v. :  Die  Moräne  im  Schnee- 
tiegel im  Thüringerwald  -1-201 

Zeitschri  ften,  neue  geographische  —     89 

Zoncnzc  i  t,  Heyde,  H.:  Die       auf  See     88 

•9.S 
Zürich,  Schla,ü;inhaufen,  O.:  Über  die 
menschlichen   Skelcttreste   aus    dem 
Pfahlbau  am  Alpenquai  in  —  -l-ioo 

Zyklustheorie,  Davis'  —  (Machat- 
schek)  *i79 


I  iriick  von  K.  .•^.  Mittlei    \:   Sohn,   Ik 


SW68,  Kochslralie  t>8     71 


Deutsch -Ostafrika  während  des  W^eltkrieges. 

Vortrag  gehalten  in  der  allgemeinen   Sitzung  am    15.  März    1919. 
Von  Gouverneur  Dr.  Schnee. 

Für  die  überaus  freundlichen  Begrüßungsworte,  die  der  Herr  Vor- 
sitzende der  Gesellschaft  für  Erdkunde  sowie  seine  Magnificenz  der 
Herr  Rektor  der  Universität  und  der  Herr  Sekretär  der  Akademie  der 
Wissenschaften  an  uns  heimgekehrte  Ostafrikaner  gerichtet  haben,  sage 
ich  in  unser  aller  Namen  unseren  herzlichsten  Dank.  Es  ist  eine  hohe 
Ehre  für  mich,  hier  in  der  Gesellschaft  für  Erdkunde  zu  reden,  welche 
stets  rein  wissenschaftliche  Ziele  objektiv  verfolgt  hat  und  deren  wissen- 
schaftliche Stellung  in  der  ganzen  Welt  anerkannt  ist,  sowie  im  Beisein 
der  Herren  Vertreter  der  beiden  bedeutendsten  wissenschaftlichen  Körper- 
schaften Deutschlands.  , 

Ich  will  versuchen,  einen  kurzen  Überblick  über  die  Ereignisse 
und  Zustände  in  Deutsch-Ostafrika  während  des  Krieges  zu  geben. 

Die  Fülle  des  Materials  ist  so  groß,  daß  es  schwer  ist,  zu  konden- 
sieren.    Ich  hoffe  Ihre  Zeit  nicht  zu  lange  in  Anspruch  zu  nehmen. 

Der  Krieg  hat  uns  in  Deutsch-Ostafrika  völlig  überrascht  und 
unvorbereitet  gefunden.  Wir  hatten  nur  ein  Kabel  über  das  englische 
Sansibar  nach  Europa.  An  der  ostafrikanischen  Küste  befand  sich 
von  der  Marine  ein  kleiner  Kreuzer  und  ein  Vermessungsschiff.  Unsere 
Truppen  beliefen  sich  nur  auf  2400  Askari,  farbige  Soldaten,  zur  Ver- 
hütung von  Eingeborenen-Aufständen,  und  ungefähr  2000  Mann  Polizei. 
Wir  hatten  an  Waffen  fast  ausschließlich  alte  71er  Jägerbüchsen,  die 
noch  mit  Schwarzpulver  schössen;  unsere  Küstenplätze  lagen  offen  und 
ohne  Verteidigungsanlagen  da.  An  Geschützen  hatten  wir  nur  ein  paar 
alte  Kanonen,  die  Salut  feuerten.  Und  dabei  behaupten  unsere  Feinde, 
wir  seien  auf  den  Krieg  vorbereitet  gewesen  und  hätten  den  Krieg 
begonnen!  Ich  nagele  diese  erste  feindliche  Unwahrheit  hiermit  fest. 
Nicht  wir  haben  den  Krieg  in  Ostafrika  begonnen  und  gewollt,  sondern 
der  Feind. 

Wir  haben  ferner  keinerlei  militärische  Pläne  oder  Eroberungs- 
absichten in  Ostafrika  gehabt.  Die  einfachen  Tatsachen,  w^elche  ich 
angeführt  habe,  widerlegen  diese  feindliche  Behauptung,  Ich  füge 
hinzu,  daß  ich  nicht  nur  die  Zivilverwaltung,  sondern  auch  die  oberste 
militärische  Gewalt  in  der  Kolonie  hatte;  ohne  meine  Kenntnis  hätten 
derartige  Pläne  nicht  gehegt  und  bearbeitet  werden  können.  Ich  ver- 
sichere hiermit  feierlich,  daß  zu  keiner  Zeit  solche  Pläne  gehegt 
worden  sind. 

Zeitschr.  d.  Gesellsch.  f.  Erdkunde  zu  Berlin.     1919.     Nr.  1/2.  1 


2  Schnee: 

Der  Feind  hat  aber  seinerseits  Eroberungspläne  gehegt.  Das  ist 
bewiesen  durch  die  Berichte  des  engHschen  pohtischen  Agenten  King, 
welcher  vor  dem  Kriege  unter  dem  Namen  eines  Konsuls  in  Daressalam 
weilte.  Dieser  hat  alles  in  Ostafrika  ausgekundschaftet  und  in  seinen 
Berichten  niedergelegt,  was  eine  englische  Eroberung  vorbereiten 
konnte.  Das  englische  Kapgeschwader  erschien  eine  Woche  vor  Kriegs- 
beginn vor  den  ostafrikanischen  Häfen.  Zwei  Tage  vor  Beginn  des 
Krieges  wurden  unsere  Kabelnachrichten  aus  Europa  von  Sansibar  nicht 
mehr  an  uns  herübergegeben.  Am  5.  August  früh  nahm  unsere  kleine 
Funkenstation  den  Funkspruch  auf,  daß  wir  im  Kriege  mit  England  seien. 
Ich  erwartete  von  Stunde  zu  Stunde  die  Nachricht,  daß  Deutsch-Ost- 
afrika in  Gemäßheit  des  Kongo-Abkommens  neutralisiert  werden  würde. 
Die  Kongo-Akte  sieht  vor,  daß  Zentral-Afrika  im  Falle  eines  euro- 
päischen Krieges  neutralisiert  wird.  An  Stelle  dessen  erschienen  am 
8.  August  zwei  englische  Kriegsschiffe  und  bombardierten  unsere 
Funkenstation  in  Daressalem.  Wir  waren  sprachlos  vor  Erstaunen  und 
Entrüstung.  Wir  waren  entrüstet  darüber,  daß  vor  den  Augen  der 
Schwarzen  Weiße  gegen  Weiße  kämpfen  sollten.  Wir  waren  über- 
rascht, daß  der  Feind  von  dem  Kongo-Abkommen,  das  er  selbst  mit- 
unterzeichnet hatte,  gar  keine  Notiz  nelimen  würde.  Mit  Rücksicht 
auf  die  vielen  Frauen  und  Kinder,  welche  sich  in  Daressalam  und 
anderen  ostafrikanischen  Küstenplätzen  befanden,  hatte  ich  bereits  bei 
Kriegsbeginn  angeordnet,  daß  von  einer  Verteidigung  dieser  offenen 
Küstenplätze,  die  ja  keinerlei  Verteidigungsanlagen  hatten,  abzusehen 
sei.  Wir  rissen  selbst  den  Funkenturm  nieder.  Die  Stadtverwaltung 
von  Daressalam  schloß  mit  dem  englischen  Kriegsschiff  unter  der  Ver- 
sicherung, daß  sie  selbst  keine  feindlichen  Akte  vornehmen  würde, 
ein  Abkommen,  wodurch  das  Leben  und  Eigentum  unserer  Zivil- 
bevölkerung, besonders  der  Frauen  und  Kinder,  vorläufig  geschützt 
wurde. 

Auch  im  Innern  der  Kolonie  begannen  die  Engländer  den 
Krieg.  Wenige  Tage  nach  dem  geschilderten  Vorfall  erschienen  die 
Engländer  an  dem  Ufer  des  Njassa-Sees,  wo  unser  kleiner  Dampfer 
Hermann  von  Wissmann  in  Reparatur  war,  beschlagnahmten  den 
Dampfer  und  nahmen  den  ahnungslosen  Kapitän  und  seme  Besatzung, 
die  von  dem  Ausbruch  des  Krieges  noch  keine  Ahnung  hatten,  ge- 
fangen. Mit  diesen  beiden  Kriegshandlungen  begann  der  Krieg 
zwischen  Deutschen  und  Engländern  in  Ostafrika. 

Auch  die  Belgier  haben,  entgegen  ihrer  Behauptung,  zuerst 
feindliche  Handlungen  gegen  uns  vorgenommen.  Wir  wußten  noch 
nicht  bei  Kriegsbeginn,  daß  wir  auch  mit  Belgien  im  Kriege  waren. 
Ich    schickte   deshalb,    da    wir    ja    sonst    von   aller  Welt   abgeschnitten 


Deutsch-Ostafrika  während  des  Weltkrieges.  3 

waren,  einen  Beamten,  den  Assessor  Dr.  Dieterich,  von  Kigoma  nach 
dem  belgischen  Ufer  des  Tanganjika-Sees  hinüber,  um  zu  versuchen, 
eine  Postverbindung  durch  das  belgische  Gebiet  mit  der  Heimat  auf- 
zunehmen. Die  Belgier  nahmen  den  Beamten  und  die  Schiffsbesatzung 
gefangen  und  beschlagnahmten  die  Dhau.  Dr.  Dieterich  entkam  in  der 
Nacht  und  wagte  in  einem  Eingeborenen-Kanoe  die  Fahrt  über  den 
breiten  stürmischen  Tanganjika-See.  Er  kam  glücklich  hinüber  und 
brachte  uns  die  Nachricht  von  dem  Kriegsausbruch   auch  mit  Belgien. 

Die  Ereignisse  des  Krieges,  in  welchem  die  Schutztruppe  unter 
der  glänzenden  Führung  des  Generals  v.  Lettow -Vorbeck  und  seiner 
Unterführer  sich  unvergängliche  Lorbeeren  erworben  hat,  vermag  ich 
im  Rahmen  meines  heutigen  Vortrages  nur  in  ganz  flüchtigen  Umrissen 
zu  skizzieren.      Der  Krieg  läßt  sich  in  vier  Abschnitte  teilen. 

Der  erste  Abschnitt  umfaßt  die  Zeit  bis  zum  Beginn  der  großen 
englischen  Offensive  im  März  191 6.  Während  dieser  Zeit  hielt  die 
Schutztruppe  das  ganze  Schutzgebiet.  Der  zweite  Abschnitt  umfaßt 
die  Zeit  bis  zum  Verlust  der  Zentralbahn  und  dem  Abzug  unserer 
Truppen  nach  dem  Süden  der  Kolonie.  Das  ist  bis  zum  August — 
September  191 6.  In  dem  dritten  Zeitabschnitte  wurde  der  Süden  der 
Kolonie  noch  gegen  feindliche  Angriffe  über  ein  Jahr  verteidigt,  bis 
Ende  November  191 7  das  Schutzgebiet  von  der  Truppe  geräumt  werden 
mußte  und  die  Reste  der  Truppe  über  den  Rowuma  auf  portugiesisches 
Gebiet  übertraten.  Der  letzte  Abschnitt  endlich  betrifft  die  Züge  der 
Truppe  in  Portugiesisch-Ostafrika,  zurück  durch  deutsches  Gebiet  und 
nach  Rhodesien  hinein. 

Während  der  ersten  Zeit  —  bis  März  191 6  —  konnte  unsere 
Schutztruppe  nicht  nur  unser  Schutzgebiet  behaupten,  sondern  machte 
auch  erfolgreiche  Vorstöße  in  feindliches  Gebiet.  Im  November  1914 
versuchte  der  Feind  mit  starken  Truppen,  besonders  aus  Indien, 
eine  Landung  bei  Tanga,  wurde  aber  von  der  Schutztruppe  unter 
Führung  des  Generals  v.  Lettow  in  der  ruhmreichen  dreitägigen 
Schlacht  bei  Tanga  zurückgeworfen  und  an  der  Landung  verhindert. 
Ein  zweiter  Versuch  der  Engländer  über  Land  längs  der  Küste  in  die 
Kolonie  einzudringen,  wurde  im  Januar  1915  durch  das  Gefecht  bei 
Jassin,  gleichfalls  unter  Führung  des  Generals  v.  Lettow,  verhindert. 

Von  unserer  Truppe  drangen  nun  im  Laufe  des  Jahres  191 5  be- 
ständig kleine  Abteilungen  und  Patrouillen  über  die  Grenze  in  das 
britische  Gebiet  bis  Uganda  vor  und  zerstörten  an  vielen  Stellen  die 
englische  Ugandabahn.  Was  diese  Abteilungen  dabei  geleistet  haben, 
ist  bewunderungswürdig.  Sie  mußten  durch  lange  Durststrecken 
marschieren  unter  3en  größten  Gefahren  und  Entbehrungen,  oft  auch 
ganz  ohne  Nahrungsmittel,     Sie  haben  dabei  bedeutende  Erfolge  gehabt. 


4.  Schnee: 

In  das  Jahr  191 5  fällt  auch  der  letzte  Kampf  unseres  kleinen  Kreuzers 
„Königsberg",  der  unter  dem  Kommando  des  Kapitäns  zur  See  Looff' 
am  Anfang  des  Krieges  eine  erfolgreiciic  Kreuzerfahrt  in  den  Indischen 
Ozean  gemacht  hatte  und  dann  im  Rufiji-Delta  blockiert  war.  Weit 
überlegene  feindliche  Seestreitkräfte  vernichteten  trotz  der  tapfersten 
Gegenwehr  des  Kreuzers  unser  Kriegsschiff.  Die  Besatzung  trat  dann, 
soweit  sie  noch  imstande  zum  Dienst  war,  zu  unserer  Truppe  über 
und  hat  sich  unter  Führung  des  Kapitäns  zur  See  Looff  weiterhin  in 
ausgezeichneter  Weise  an  den  Kämpfen  in  Ostafrika  beteiligt.  Auch 
unter  den  letzten  144  Deutschen,  die  im  ganzen  von  der  Schutztruppe 
wieder  in  die  Heimat  zurückgekehrt  sind,  befinden  sich  zwei  Marine- 
offiziere und  eine  Anzahl  von  Marinemannschaften.  Aber  nicht  nur 
diese  Offiziere  und  Mannschaften  von  der  ,, Königsberg"  haben  dem 
Schutzgebiete  geholfen,  sondern  auch  die  Geschütze  von  dem  versenkten 
Schiffe  wurden  noch  abgelöst  und  in  der  Kolonie  zur  Verteidigung  der 
bis  dahin  unbeschützten  Küstenplätze  und  im  Innern  verwandt. 

In  dem  zweiten  Zeitabschnitt  des  Krieges  begann  die  große  Offensive 
der  Engländer.  Sie  hatten  dazu  gewaltige  Truppenmassen  zusammen- 
gebracht, vor  allem  große  Mengen  von  Weißen  in  Südafrika  angeworben. 
Aber  etwas  anderes  gab  ihnen  noch  eine  große  Überlegenheit  gegen- 
über unserer  Truppe,  die  ja,  wie  erwähnt,  fast  nur  mit  alten  Waffen 
versehen  war.  Die  Engländer  brachten  alle  die  modernen  Kriegsmittel 
herbei,  die  man  hier  in  Europa  zum  Teil  erst  während  des  Krieges 
erfunden  hatte,  sie  arbeiteten  mit  Fliegern,  mit  Autos,  mit  Panzer- 
Automobilen,  mit  Geschützen  aller  Art,  mit  Minenwerfern  usw.  Dem 
hatten  unsere  Truppen  nichts  entgegenzusetzen.  Unter  Führung  des 
Burengenerals  Smuts  drangen  im  März  1916  vier  südafrikanische 
Brigaden  in  der  Gegend  des  Kilimandscharo,  wo  General  v.  Lettow 
mit  dem  Gros  unserer  Truppen  stand,  vor.  Eine  große  Menge  farbiger 
Truppen  war  gleichfalls  bei  dem  Vorgehen  beteiligt.  General  v.  Lettow 
hatte  eine  sehr  günstige  Stellung  eingenommen  und  brachte  dem  Feinde 
bei  seinem  Vorgehen  starke  Verluste  bei.  Aber  gegenüber  dem  weit 
ausgreifenden,  umfassenden  Vorgehen  des  Gegners,  der  ja  über  so 
unendlich  viel  größere  Massen  verfügte,  war  es  doch  nicht  möglich, 
diese  Stellung  auf  die  Dauer  zu  halten.  General  v.  Lettow  zog  sich 
mit  dem  Gros  der  Truppe  in  Richtung  auf  die  Usambara  Bahn  zurück 
und  brachte  dort  das  weitere  feindliche  Vorgehen  zum  Stehen. 

Nun  aber  ging  der  Burengeneral  Van  Deventer  mit  einer  berittenen 
und  einer  Fußbrigade  weiter  westlich  vom  Kilimandscharo  in  Richtung 
auf  Kondoa  vor.  Dort  standen  nur  sehr  schwache  Truppen  auf  unserer 
Seite,  die  diesem  Anprall  naturgemäß  nicht  standhalten  konnten. 
Gener.d  v.  Lettow  sah  sich  deshalb,    da  das  Vorgehen   über  Kondoa  in 


Deutsch-Ostafrika  während  des  Weltkrieges. 


Lrl^cfr  0  Or^tk  •  C'etnct  kt.n.er  i  trr.sl  Voh^enl  Beriin  SW4S.W;;helnsir  ;5. 


Abbild.  I.     Deutsch-Ostafrika. 
Der  Marsch  der  deutschen  Schutztruppe  durch  Port.  Mogambique  und  Brit.  Rhodesien. 


Richtung  auf  Dodoma  den  Lebensnerv  der  Kolonie,  die  Zentralbahn, 
bedrohte,  gezwungen,  mit  einem  großen  Teile  der  Truppen  über  die 
Zentralbahn  nach  Dodoma  und  von  dort  gegen  den  Feind  bei  Kondoa 
vorzugehen.  Es  gelang  ihm  in  einigen  Gefechten  den  vordringenden 
Gegner  hier  zum  Stehen   zu  bringen,    aber  es  war   nicht   möglich,  die 


g  Schnee: 

* 
sich  stetig  verstärkenden  feindlichen  Truppen  wieder  ganz  aus  jener 
Gegend  hinauszuwerfen.  Im  Mai  1916  drängte  der  General  Smuts  mit 
dem  Hauptteil  der  feindlichen  Truppen  weiter  längs  der  Usambarabahn 
vor,  wo  ihm  nur  ein  kleiner  Teil  der  deutschen  Truppen  unter  Führung 
des  Majors  Kraut  gegenüber  stand.  Diese  Abteilung  vermochte  dem 
zehnfach  überlegenen  Gegner  auf  die  Dauer  nicht  standzuhalten  und 
zog  sich  unter  ständigen  Gefechten,  jeden  Fußbreit  verteidigend, 
allmählich  längs  der  Usambarabahn  nach  Osten  und  dann  von  dort 
nach  Süden  in  Richtung  auf  die  Zentralbahn  zurück.  Der  Feind 
drängte  nach,  und  es  entstand  nun  die  Gefahr,  das  die  feindlichen 
Haupttruppen  bei  Morogoro  die  Zentralbahn  unterbrechen  und  diesen 
Platz,  wo  unsere  Hauptmagazine  sich  befanden,  nehmen  würden. 
Darauf  rückte  General  v.  Lettow  wieder  mit  dem  größeren  Teile  seiner 
Truppen  von  der  Kondoa-Gegend  nach  Morogoro  und  trat  nun  dem 
General  Smuts  zwischen  der  Zentralbahn  und  Usambara  energisch 
nördlich  von  Morogoro  entgegen.  Es  gelang  ihm  auch  hier  wieder 
durch  seine  geschickte  Kriegführung,  die  überlegene  feindliche  Truppen- 
masse zum  Stehen  zu  bringen.  Nun  begann  aber  im  Westen  der 
General  Van  Deventer,  dem  ja  nur  wenige  Kompagnien  gegenüber- 
standen, wieder  vorzugehen.  Diese  Kompagnien  mußten  sich  zurückziehen, 
und  Ende  Juli  1916  erreichten  die  feindlichen  Kolonnen  Dodoma  an 
der  Zentralbahn  und  schnitten  damit  die  Verbindung  zwischen  dem 
Osten  und  Westen  der  Kolonie  ab.  Im  Osten  stand  die  Hauptmacht 
der  Truppe  unter  General  v.  Lettow,  im  Westen  standen  andere  Truppen- 
teile unter  Führung  des  sächsischen  Generals  Wähle,  welcher  zum 
Besuch  der  Ausstellung  nach  Daressalam  gekommen  war  und  sich  gleich 
bei  Kriegsanfang  zur  Verfügung  gestellt  hatte.  Nach  Tabora  war  der 
Sitz  des  Gouvernements  verlegt  worden.  Als  die  Gefahr  der  Unter- 
brechung drohte,  begab  ich  mich  persönlich  in  die  Osthälfte,  um  weiterhin 
bei  dem  Hauptteil  der  Truppe  zu  bleiben. 

Der  Feind  drückte  nun  von  Dodoma  aus  nach  Osten  in  Richtung 
auf  Morogoro  vor.  Gleichzeitig  begann  der  nördlich  stehende  Gegner 
unter  General  Smuts  umfassende  Bewegungen.  General  v,  Lettow  zog  sich 
unter  ständigen  Kämpfen,  bei  denen  dem  Gegner  trotz  seiner  Über- 
legenheit große  Verluste  beigebracht  wurden,  auf  die  Zentralbahn  zurück. 
Der  Feind  versuchte  aber  jetzt  ein  Manöver,  um  die  Sache  mit  einem 
Schlage  zu  Ende  zu  bringen.  Er  warf  zwei  berittene  Brigaden  süd- 
afrikanischer Truppen  nach  Westen  über  die  Bahn  hinüber  und  ließ 
sie  westlich  um  das  Uluguru-Gebirgc  auf  Kissaki  marschieren,  wohin 
unsere  Vorräte  aus  Morogoro  abtransportiert  waren,  einen  Platz,  der 
zunächst  als  Rückzugspunkt  für  die  Truppen  in  Aussicht  genommen 
war.     General  v.  Lettow  kam  aber  dem  Feinde   zuvor,    er  erreichte  in 


Deutsch-Ostafrika  während  des  Weltkrieges.  7 

Gewaltmärschen  vor  ihm  Kissaki  und  schlug  die  beiden  südafrikanischen 
Brigaden,  die  in  dem  unwegsamen  Gelände  etwas  auseinandergekommen 
waren,  die  eine  an  dem  einen  Tage  und  die  andere  an  demfolgenden 
Tage  aufs  Haupt.  Dann  aber  mußte  er  sich  wieder  nach  Osten  wenden, 
wo  mittlerweile  die  feindlichen  Haupttruppen  nach  Besetzung  von 
Morogoro  östlich  vom  Gebirge  vordrangen.  Unsere  dem  Gegner  weit 
unterlegene  Truppe,  unter  Führung  des  Hauptmanns  Stemm.ermann, 
zog  sich  auf  der  Ostuluguru- Straße  gleichfalls  in  Richtung  auf  Kissaki 
zurück.  Der  Kommandeur  eilte  diesen  Truppen  von  Kissaki  aus  zu 
Hilfe  und  wies  auch  hier  die  Angriffe  des  Gegners  zurück.  Indessen 
war  den  umfassenden  Angriffen  der  ja  stets  weit  überlegenen  feind- 
lichen Kräfte  gegenüber  ein  Halten  von  Kissaki  auf  die  Dauer  nicht 
möglich,  es  wurde  eine  Stellung  etwas  östlich  von  dieser  Station,  dicht 
bei  Kissaki,  eingenommen.  Damit  endete  in  diesem  Teile  der  Kolonie 
der  zweite  Zeitabschnitt. 

Ich  muß  nun  einen  Blick  auf  den  Westen  der  Kolonie  werfen, 
in  welchem  bis  dahin  sowohl  am  Viktoria-See,  wie  am  Kiwu-See,  wie 
am  Tanganjika-See  und  endlich  am  Njassa-See  beständig  kleinere 
Kämpfe  stattgefunden  hatten.  Im  Mai  1916  gleichzeitig  mit  dem 
zweiten  offensiven  Vorgehen  des  Generals  Smuts  an  der  Usambara- 
Bahn  drangen  von  allen  Seiten  gewaltige  feindliche  Massen  auf  das 
Schutzgebiet  ein.  An  der«  Nordwestfront  landeten  stärkere  englische 
Truppen  am  Viktoria-See;  im  Westen  drangen  zwei  belgische  Brigaden 
unter  Führung  des  Generals  Tombeur  in  die  Kolonie  ein.  Endlich 
kamen  von  Südwesten  her,  aus  den  englischen  Kolonien  Rhodesien 
und  Britisch-Njassaland,  gleichfalls  sehr  starke  Kolonnen  unter  Führung 
des  englischen  Generals  Northey. 

Hier  im  Südwesten  —  um  das  vorwegzunehmen  —  befanden 
sich  nur  kleine  Abteilungen  deutscher  Truppen,  die  dem  feindlichen 
Vorstoß  nicht  standhalten  konnten  und  in  Richtung  auf  Mahenge  zu- 
rückgingen. Im  Norden  am  Viktoria-See  mußten  unsere  Truppen 
gleichfalls  in  Richtung  auf  Tabora  sich  zurückziehen.  Endlich  war 
auch  der  tapfere  Verteidiger  von  Kissenji,  Hauptmann  Wintgens, 
der  bis  dahin  gegen  überlegene  feindliche  Kräfte  das  Gebiet  am  Kiwu- 
See  mit  Erfolg  geschützt  hatte,  genötigt,  nach  Südosten  sich  zurück- 
zuziehen. Auch  Kigoma,  unser  Hafenplatz  am  Tanganjika-See,  mußte 
geräumt  werden,  die  dortige  schwache  Abteilung  ging  längs  der  Bahn 
nach  Tabora  zurück.  Die  Feinde  rückten  nun  im  Norden,  Nordwesten 
und  Westen  der  Kolonie  konzentrisch  auf  Tabora  vor.  General  Wähle 
trat  mit  Erfolg  zunächst  westlich  von  Tabora  den  belgischen  Brigaden 
an  der  Bahn  entgegen  und  führte  dann  noch  einen  Schlag  am 
Itaga-Berg    dicht    bei    Tabora    gegen    die    nördlichen    Gegner,    wobei 


8  Schnee: 

Hauptmann  Wintgens  eine  besonders  hervorragende  Rolle  spielte. 
Tabora,  der  dichtbevölkerte  Platz,  an  dem  sich  auch  viele  Europäer 
befanden,  konnte  aber  auf  die  Dauer  nicht  gehalten  werden.  Es  kam 
nicht  nur  vom  Norden  eine  belgische  Brigade,  sondern  es  rückten  auch 
starke  englische  Streitkräfte  vom  Viktoria-See  heran.  General  Wähle 
entschloß  sich  deswegen  zur  Räumung  von  Tabora  und  rückte  mit 
seinen  Kolonnen  auf  sehr  schwierigen  Wegen  durch  verpflegungs-  und 
wasserarmes  Gebiet  in  Richtung  auf  Mahenge,  wo  er  sich  nach  glück- 
lichem Durchbruch  durch  die  feindlichen  Linien  mit  unseren  vorher 
dorthin  gelangten  Truppen  der  Ostabteilung  unter  Major  Kraut  vereinigte. 

Die  Lage  war  bei  Beginn  des  dritten  Zeitabschnittes,  auf  den  ich 
jetzt  komme,  im  September  1916  so,  daß  wir  ungefähr  ^/^  der  Kolonie 
verloren  und  noch  ^/-  in  unserem  Besitze  hatten.  Diese  Gebiete  eignen 
sich  aber  besonders  gut  zur  Verteidigung,  weil  es  sich  um  ein 
größtenteils  schwer  wegsames  Buschgelände  handelte,  weil  ferner 
das  starke  Vorkommen  von  Tsetsefliegen  die  Verwendung  von 
Reit-  und  Zugtieren  für  längere  Dauer  unmöglich  macht.  Die 
Kriegführung  war  damit  besonders  für  die  weißen  Truppen  er- 
schwert. Die  Südafrikaner  hatten  bis  dahin  schon  sehr  stark  unter  den 
tropischen  Krankheiten  gelitten,  wie  wir  aus  späteren  Zeitungs- 
berichten ersahen.  Der  General  Smuts  machte  nun  keinen  Versuch 
mehr,  mit  seinen  weißen  Truppen  weiter  in  die  Gebiete  im  Innern  ein- 
zudringen, wo  auch  die  Verpflegung  sehr  schwierig  gewesen  wäre, 
sondern  der  größte  Teil  der  südafrikanischen  Truppen  wurde  nach 
Südafrika  zurückbefördert.  An  ihre  Stelle  traten  farbige  Truppen,  die 
die  Engländer  aus  allen  Teilen  der  Welt  zusammenbrachten.  Wir 
hatten  jetzt  nicht  nur  mit  Truppen  aus  den  Nachbarkolonien,  aus 
Britisch-Ostafrika,  aus  Uganda,  aus  Rhodesien,  aus  Britisch-Njassaland 
zu  tun,  nicht  bloß  mit  Indern,  die  die  Engländer  schon  früher  ver- 
wendet hatten,  sondern  auch  mit  starken  Truppen  aus  Westafrika, 
besonders  von  der  Goldküste,  ferner  sogar  mit  Truppen  aus  West- 
indien. Auf  unserer  Seite  war  die  Lage  insofern  ungünstig,  als  die 
Verpflegung  bisweilen  Schwierigkeiten  bereitete.  In  den  Tsetsegebieten 
hält  sich  natürlich  auch  kein  Vieh,  deswegen  war  es  mit  der  Fleisch- 
nahrung schlecht  bestellt,  soweit  die  Truppenteile  nicht  gerade  in 
sehr  wildreichen  Gebieten  standen  und  durch  W^ildabschuß  sich  Fleisch 
verschaffen  konnten. 

An  der  Front  bei  Kissaki  entstand  zunächst  eine  längere  Pause. 
Dagegen  trat  nun  ein  neuer  Gegner  auf  den  Plan,  der  bisher  noch 
nicht  zu  unseren  Feinden  gezählt  hatte:  das  waren  die  Portugiesen, 
welche  im  März  19 16  gleichfalls  in  den  Krieg  eingetreten  waren,  aber 
im    Anfang    vergeblich    versucht    hatten,    auch    nur    den    Rowuma    zu 


Deutsch-Ostafrika  während  des  Weltkrieges.  9 

überschreiten.  Diese  Versuche  wurden  von  unseren  schwachen  Truppen 
stets  mit  Erfolg  abgewiesen.  EndHch  aber  hatten  die  Portugiesen  eine 
große  Expedition  gegen  uns  ausgerüstet  und  überschritten  den  Rowuma, 
unsere  schwachen  Abteilungen  zurückdrängend.  Der  Kapitän  zur  See 
LoofF  führte  damals  den  Befehl  im  Süden  der  Kolonie.  Er  hatte  nur 
500  Mann,  während  der  Feind  mit  1 500  Mann,  darunter  viele  Portugiesen, 
Newala  im  Süden  der  Kolonie  besetzt  hatte.  Unsere  tapfere  Truppe 
stürmte,  trotzdem  sie  die  dreifache  Übermacht  sich  gegenüber  hatte, 
die  feindhche  Stellung  und  warf  die  Portugiesen  heraus  und  dann  über 
den  Rowuma  zurück. 

Im  Januar  19 17  begann  eine  neue  Offensive  der  Engländer  mit  sehr 
starken  Kräften  an  der  Kissaki-Front.  Unsere  Truppen  unter  Führung 
des  Hauptmanns  Otto  vermochten  diesem  Angriffe,  der  wieder  die 
bekannten  weiten  Umgehungen  durch  überlegene  Kräfte  mit  sich 
brachte,  nicht  zu  widerstehen,  sie  mußten  über  den  Rufiji  zurückgehen, 
hielten  aber  diese  Linie  dann  noch  lange  Zeit  mit  Erfolg.  Außerdem 
begann  der  Feind  eine  starke  Offensive  von  der  Küste  aus  in  der 
Gegend  von  Kilwa  und  Lindi,  wo  für  ihn  die  Verpflegungsbeschaffung 
ja  weit  leichter  war.  In  der  Kilwa-Gegend  brachten  unsere  Truppen 
unter  Führung  des  Hauptmanns  v.  Liebermann  dem  Feinde  bei  Narun- 
gombe  im  Juli  191 7  eine  schwere  Schlappe  bei,  die  sein  Vorgehen  bis 
auf  weiteres  aufhielt.  Der  Gegner  drang  aber  von  Lindi  und  von 
Kilwa  aus  mit  verstärkten  Kräften  später  weiter  vor.  Im  Oktober  191 7 
glückte  es  ihm,  die  Verbindung  der  Truppen  im  Süden,  im  Lindi-Bezirk, 
mit  den  Truppen,  die  in  Mahenge  standen,  zu  durchbrechen.  Die  Eng- 
länder versuchten  dann  wieder  ein  weit  umfassendes  Vorgehen,  eine 
Einkreisung.  General  v.  Lettow  aber '  kam  ihnen  wiederum  zuvor, 
machte  seinerseits  eine  Umgehung  und  schlug  den  Gegner  in  der  drei- 
tägigen Schlacht  bei  Mahiwa  Mitte  Oktober  zurück.  Diese  Schlacht 
war  neben  der  Schlacht  bei  Tanga  das  größte  Gefecht  des  ganzen  Krieges. 
In  ihr  bewiesen  nicht  nur  die  Deutschen  einen  hervorragenden  Helden- 
mut, sondern  auch  unsere  Askaris  schlugen  sich  ebenfalls  glänzend.  Es 
kam  vor,  daß  eine  Stellung  sechsmal  verloren  und  wieder  genommen 
wurde,  schließHch  behaupteten  unsere  Truppen  trotz  der  zahlenmäßigen 
Überlegenheit  des  Gegners  das  Feld. 

Doch  dieser  glorreiche  Kampf  vermochte  die  Kolonie  nicht  vor 
dem  Schicksal  zu  bewahren,  von  dem  Feinde  schließlich  besetzt  zu 
werden.  Der  Kreis  wurde  allmählich  auf  allen  Seiten  enger.  Wenn 
der  Feind  bei  Mahiwa  geschlagen  war,  so  drang  er  wieder  vom  Westen 
her  an.  Und  da  sich  auch  im  Süden  feindliche  Streitkräfte  zeigten, 
wurde  es  schließlich  notwendig,  <ias  Schutzgebiet  zu  räumen.  Dabei 
spielte  eine  besondere  Rolle  auch  der  allmählich  eingetretene  Munitions- 


10 


Schnee: 


mangel  unserer  Truppen.  Wir  haben  im  Laufe  des  Krieges  zweimal 
Munitionsersatz  durch  Hilfsschiffe  bekommen.  Einmal  glückte  es  im 
April  1915,  das  zweite  Mal  im  März  191 6  einem  Dampfer,  die  Blockade 
zu  durchbrechen.  Aber  die  aus  der  Heimat  gekommenen  Munitions- 
mengen waren  nicht  unerschöpflich,  und  es  mußte  in  den  letzten 
Kämpfen  schon  mit  Munition  gespart  werden.  Die  Ergänzung  wurde 
eine  dringende  Frage.  Auch  sonst  erwiesen  sich  die  Stellungen  in 
unserem  Gebiete,  das  immer  mehr  eingeengt  wurde,  nicht  mehr  halt- 
bar. Die  Truppen  traten  deswegen  am  18.  November  191 7  den  Marsch 
nach  Süden  und  nach  dem  portugiesischen  Gebiete  an.  Es  wurden 
vorher  all  diejenigen,  die  nicht  transportfähig  oder  nicht  mehr  marsch- 
fähig waren,  zurückgelassen.  Der  Marsch  führte  über  Newala  nach 
Süden  bis  zum  Rowuma,  dann  nach  Westen  längs  des  Rowuma,  als- 
dann wurde  in  der  Höhe  von  Ngomano  der  Rowuma  überschritten.  Es 
waren  im  ganzen  noch  278  Deutsche  und  1600  bis  1700  Askaris  mit 
etwa  4000  Trägern,  welche  den  Rowuma  überschritten. 

Ich  muß  nun  noch  einen  Blick  nach  Westen,  nach  Mahenge  werfen, 
wo  an  Stelle  des  Generals  Wähle,  der  den  Befehl  an  der  Lindi -Front 
übernommen  hatte,  der  Hauptmann  Tafel  die  Führung  erhielt.  Die 
Truppen  unter  Hauptmann  Tafel  hatten  sehr  tapfer  ihre  Stellung 
gehalten  und  rückten  schließlich,  als  der  Feind  die  Verbindung  zwischen 
uns  und  jenen  Truppen  unterbrochen  hatte,  in  Richtung  nach  Südosten 
auf  Newala  vor,  um  sich  mit  der  Hauptabteilung  unter  General  v.  Lettow 
zu  vereinigen.  Die  Truppen  des  Hauptmanns  Tafel  hatten  mehrere 
Gefechte  zu  bestehen  und  kamen  in  die  Newala -Gegend  zu  einer  Zeit, 
als  die  Haupttruppen  unter  General  v.  Lettow  bereits  in  Richtung  auf 
den  Rowuma  abmarschiert  waren.  Ein  tragisches  Geschick  wollte  es,  daß 
diese  beiden  Kolonnen  in  einer  Entfernung  von  nur  einigen  Tage- 
märschen aneinander  vorbeigezogen  sind,  nämlich  die  Hauptkolonne 
unter  General  v.  Letto\\;  nach  Westen  und  die  Kolonne  unter  Haupt- 
mann Tafel  nach  Osten.  Die  Truppen  des  Hauptmanns  Tafel  konnten 
nun  infolge  Mangels  an  Nahrungsmitteln  den  Anschluß  an  die  Haupt- 
truppen nicht  mehr  erreichen.  Die  Verpflegung  war  vollkommen  auf- 
gezehrt, es  herrschte  Hunger,  und  der  Truppe  blieb,  nachdem  sie  den 
Versuch  gemacht  hatte,  durch  Überschreitung  des  Rowuma  von  Newala 
aus  noch  an  die  Haupttruppen  heranzukommen,  nichts  anderes  übrig,  als 
sich  den  Engländern  zu  ergeben. 

In  dem  vierten  und  letzten  Zeitabschnitt  operierte  die  Truppe  in 
der  Stärke,  die  ich  vorhin  angegeben  habe,  auf  portugiesischem  Gebiete. 
Sofort  am  Tage  des  Überschreitens  wurde  die  nahegelegene  portu- 
giesische Boma  Ngomano,  die  von  lOOO  Mann  Portugiesen  und  farbigen 
Truppen  mit  6  Maschinengewehren  besetzt  war,  von  unseren  Truppen 


Deutsch-Ostafrika  während  des  Weltkrieges.  H 

gestürmt,  wobei  sehr  viele  Beute,  bqgonders  auch  die  dringlich  er- 
wünschte Munition  und  portugiesische  Waffen  in  unsere  Hände  fielen. 
Dann  ist  die  Truppe  in  portugiesisches  Gebiet  bis  hinab  nach  Quelimane 
gezogen.  Der  Zweck  war  dabei  immer,  möglichst  viele  feindliche  Streit- 
kräfte noch  festzuhalten  und  den  Feind  zu  schädigen.*  Und  das  ist  dem 
General  v.  Lettow  mit  seinen  Truppen  in  ausgiebiger  Weise  auch  ge- 
lungen. Es  sind  eine  ganze  Anzahl  von  portugiesischen  Bomas  —  so 
nennt  man  die  kleinen  befestigten  Forts  —  genommen  worden,  und  es 
ist  besonders  bei  Nhamacurra  dem  Feinde  sehr  großer  Schaden  zu- 
gefügt worden.  Hierbei  hat  sich  besonders  Hauptmann  Müller  hervor- 
getan, der  als  Führer  der  Vorhut  überraschend  auftrat  und  schöne 
Erfolge  erkämpfte.  Im  Anfange  nach  unserem  Übertritte  auf  portu- 
giesisches Gebiet  drohte  einmal  Nahrungsmittelmangel,  weil  die  mit- 
gebrachten Vorräte  sich  erschöpften  und  sich  in  der  portugiesischen  Boma 
Ngomano  gar  keine  Eingeborenenverpflegung  befand.  Da  half  ein  kühner 
Handstreich  des  mit  einer  Kompagnie  voranmarschierenden  Leutnants 
der  Reserve  Kempner  uns  aus  der  Verlegenheit,  indem  es  ihm  gelang, 
überraschend  eine  kleine  feindliche  Boma  zu  stürmen  und  dort  Nahrungs- 
mittel zu  erbeuten.  Im  späteren  Verlaufe  führte  die  Truppe  immer 
beträchtliche  Bestände  —  ein  jeder  Mann  bis  zu  i  5  Tage  Verpflegung 
—  bei  sich.  Nur  dadurch  ist  es  möglich  geworden,  daß  in  dem  zum 
Teile  unbewohnten  Gebiete  die  Truppe  diese  enormen  Märsche 
hat  machen  können.  Wir  sind  im  portugiesischen  Gebiete  2600  km 
marschiert,  dabei  standen  fast  nie  Reittiere,  auch  nicht  für  die  Offiziere, 
zur  Verfügung.  Es  sind  dort  die  Tsetse-Gebiete.  Auch  wenn  Pferde 
oder  Maultiere  erbeutet  wurden,  wie  das  öfters  vorkam,  so  gingen  sie 
bald  wieder  ein.  Die  Feinde  versuchten  wiederholt,  unsere  Truppe 
einzukreisen.  Es  wurden  große  Mengen  feindlicher  Truppen  zu  Schiff 
an  die  Küste  und  von  Britisch-Njassa-Land  aus  über  Land  herbei- 
gebracht, aber  unsere  Truppen  wurden  jedesmal  von  General  v.  Lettow 
unter  schwerer  Schädigung  des  Feindes  in  einer  Reihe  von  Gefechten 
glücklich  wieder  herausgeführt. 

Nach  zehnmonatigem  Aufenthalt  im  portugiesischen  Gebiete  wurde 
Ende  September  191 7  der  Rowuma  und  damit  wieder  die  deutsche 
Grenze  überschritten.  Wir  kamen  nun  endlich  wieder  in  Viehgebiete, 
und  damit  konnte  die  Truppe  wieder  ausgiebig  Fleischnahrung  erhalten. 
Das  deutsche  Gebiet  wurde  aber  nur  durchzogen,  um  dann  in  das 
rhodesische  überzuschwenken.  Diese  Maßnahme  erwies  sich  als  sehr 
richtig;  viel  später,  erst  bei  der  Bahnfahrt  durch  unser  Schutzgebiet, 
erfuhren  wir  sicher,  daß  die  Engländer  enorme  Massen  von  Truppen 
an  der  Zentralbahn  zusammengebracht  hatten  in  der  Annahme,  die 
Truppen  würden  dort  über  die  Zentralbahn  in  den  Norden  der  deutschen 


22  Schnee: 

Kolonie  ziehen.  Mit  dieser  Aryiahme  des  Gegners  hatte  aber  General 
V.  Lettow  von  Anfang  an  gerechnet.  In  dem  rhodesischen  Gebiete 
waren  dagegen  feindliche  Truppen  in  erheblicher  Zahl  auf  Hunderte 
von  Kilometern  nicht  vorhanden.  Die  Truppen,  die  uns  von  Portu- 
giesisch-Ostafrika  aus  auf  deutsches  Gebiet  folgten,  waren  schwächer 
als  unsere  eigenen.  Der  Krieg  hätte  also  unserer  Truppen  wegen  noch 
ruhig  weitergehen  können.  Es  ist  kein  Gedanke  daran,  daß 
dieEngländer  etwa  in  absehbarer  Zeit  irgendwie 
die  deutschen  Truppen  hätten  vernichten  oder  ge- 
fangennehmen  können. 

Der  Waffenstillstand  wurde  in  der  Heimat  am  i  I.November  191 8 
abgeschlossen,  am  12.  November  fand  bei  uns  das  letzte  Gefecht  statt. 
Wir  wußten  noch  nichts  von  der  Waffenruhe.  Am  15.  November  kam  die 
Nachricht  davon  durch  einen  feindlichen  Radfahrer,  der  eine  Depesche 
überbrachte.  Die  Truppen  legten  dann  in  Gemäßheit  der  Waffen- 
stillstandsbedingungen in  Abercorn,  nahe  der  deutschen  Grenze,  die 
Waffen  nieder  und  wurden  in  einem  Dampfer  über  den  Tanganjika-See 
geschafft;  die  Deutschen  fuhren  mit  der  Bahn  nach  Daressalam,  die 
Farbigen  nach  Tabora.  Leider  war  der  belgische  Dampfer,  der  uns 
über  den  Tanganjika-See  brachte,  mit  der  spanischen  Grippe  verseucht. 
Der  größte  Teil  der  Deutschen  und  ein  sehr  großer  Teil  der  Farbigen 
legte  sich  sofort  nach  Eintreffen  in  Daressalam  bzw.  in  Tabora  nieder. 
Leider  starben  von  den  155  Deutschen,  die  alle  Anstrengungen  und 
Strapazen  ausgehalten  und  den  ganzen  Krieg  mitgemacht  hatten,  in 
Daressalam  noch  1 1  Mann  an  dieser  Krankheit,  so  daß  die  Zahl  auf 
144  herabsank. 

In  Daressalam  blieben  wir  sechs  Wochen,  wurden  dann  mit  einem 
Dampfer  nach  Deutschland  gebracht  und  trafen  am  i.  März  in  Rotterdam 
zum  ersten  Male  wieder  auf  eine  freundliche  Begrüßung  durch  Deutsche, 
nachdem  wir  solange  in  der  Wildnis  ümhergewandert  waren  und  nichts 
als  Feinde  uns  gegenüber  gehabt  haben. 

Die  bloßen  nackten  Tatsachen,  die  ich  angeführt  habe,  zeigen, 
was  für  ungeheure  Leistungen  unsere  Truppe  draußen  vollbracht 
hat.  Man  weiß  nicht,  was  man  mehr  bewundern  soll,  die 
rücksichtslose  Energie  und  die  hervorragenden  militärischen  Fähig- 
keiten des  Kommandeurs  oder  die  ausgezeichneten  Leistungen  seiner 
Unterführer  oder  schließlich  den  Heldenmut  und  die  zähe  Aus- 
dauer der  deutschen  Offiziere  und  Mannschaften.  Dabei  wurden  diese 
Leistungen  unter  den  denkbar  schwierigsten  Umständen  vollbracht. 
Daß  unsere  Truppen  beständig  gegen  eine  gewaltige  Übermacht  zu 
kämpfen  hatten,  habe  ich  wiederholt  hervorgehoben.  Aber  da  waren 
noch  die  Unbilden  des  Klimas,  da  hatten  die  Truppen  in  den  glühenden 


Deutsch-Ostafrika  während  des  Weltkrieges.  13 

Steppengebieten  zu  kämpfen,  in  unwegsamen  Waldgebieten,  in  Sümpfen 
und  Morästen,  die  in  der  Regenzeit  mitunter  furchtbar  waren,  mit 
Überschwemmungen  von  großen  Flüssen  zu  tun,  bei  denen  Menschen 
auf  weite  Strecken  durch  tiefes  Wasser  waten  mußten  usw.  Erschwert 
wurde  noch  die  Sache  dadurch,  daß  die  Unterkunftsverhältnisse  immer 
mangelhafter  wurden.  Im  Anfange  des  Krieges'  hatten  noch  die 
Europäer  fast  alle  Zelte,  allmählich  aber  gingen  diese  verloren,  und 
an  die  Stelle  der  Zelte,  die  auch  infolge  Trägermangels  bisweilen  nicht 
mitgebracht  werden  konnten,  traten  dann  einfache  Winkel  aus  Zelt- 
bahnen, die  man  scherzhaft  Hundehütten  nannte.  In  solchen  kleinen 
Zeltchen  haben  wir  alle,  sowohl  der  General  v.  Lettow  wie  ich  selbst 
auch,  gewohnt.  Dazu  traten  noch  die  Verpflegungsmängel.  An 
Quantität  war  für  die  Europäer  allerdings  wohl  immer  genug  da;  aber 
sich  nur  von  Negerhirse  zu  ernähren,  ist  dem  Europäer  unmöglich,  er 
bekpmmt  nicht  die  nötige  Kraft  aus  dieser  Kost.  Und  an  anderer 
Nahrung  fehlt  es  doch  sehr  oft.  Ferner  waren  die  Anstrengungen  ganz 
ungeheuer,  wir  sind  im  portugiesischen  Gebiete  z.  B.  Wochen  hinter- 
einander Tag  für  Tag  8  bis  lO  Stunden  gelaufen,  wobei  natürlich  in 
die  Zeit  die  Unterbrechungen  bei  den  langen  Trägerkarawanen  und 
Rastpausen  mit  hineinzurechnen  sind.  Endlich  aber  und  nicht  an 
letzter  Stelle  zu  nennen  sind  die  Tropenkrankheiten.  Es  gab  Malaria, 
Schwarzwasserfieber,  Dysenterie  in  beiden  Formen,  es  gab  in  manchen 
Gegenden  im  Süden  die  Schlafkrankheit,  es  gab  Rückfallfieber.  Ferner 
traten  Typhusepidemien  auf  und  am  Ende  des  Krieges  schleppten  wir 
sogar  Pocken  und  Genickstarre  mit  uns  herum,  von  -welchen  beiden 
letzteren  Krankheiten  allerdings  nur  Farbige  befallen  wurden.  Im 
übrigen  aber  ist  wohl  keiner  unter  uns  Europäern  gewesen,  der  nicht 
mindestens  von  einer  oder  mehreren  dieser  schweren  Tropenkrankheiten 
im  Laufe  des  Krieges  befallen  ist.  Es  war  ein  Glück,  daß  wir  über 
ein  so  ausgezeichnetes  Sanitätspersonal  verfügten.  Diese  tüchtigen 
Ärzte,  die  mit  uns  gezogen  sind,  haben  auch  unter  den  schwierigsten 
und  mangelhaftesten  Verhältnissen  es  immer  noch  fertiggebracht,  ihre 
Verwundeten  und  Kranken  zu  operieren  und  gut  zu  versorgen. 

Es  waren  aber  nicht  nur  die  Deutschen,  die  so  Großes  geleistet 
haben,  auch  die  Askaris  haben  sich  über  alle  Erwartungen  hin  gut 
gehalten.  Die  Askaris  hatten  niemals  gegen  europäische  Truppen 
gekämpft,  sie  hatten  nie  Maschinengewehre  gegen  sich  gehabt,  nie 
moderne  Geschütze,  sie  hatten  niemals  Flieger,  Panzerautos,  Minen- 
werfer u.  dgl.  kennengelernt,  und  nun  mußten  sie,  großenteils  mit 
ihren  rauchstarken  alten  Gewehren,  diesen  feindlichen  Waffen  gegen- 
übertreten. Es  ist  zu  bewundern,  daß  sie  sich  so  gut  gehalten  haben. 
Und    dann    gegen    Ende    des    Krieges,     als    wir    die    Kolonie    räumen 


24  Schnee; 

mußten,  da  ist  die  Treue  dieser  Leute  wohl  den  schwersten  Prüfungen 
unterworfen  worden,  die  für  einen  Eingeborenen  überhaupt  denkbar 
sind.  Wir  verließen  seine  Heimat,  in  der  seine  Felder,  in  der  seine 
Angehörigen,  seine  Hütten  waren,  wir  verließen  unsere  Kolonie  und 
gingen  in  Gebiete,  in  denen  die  Nahrung  manchmal  recht  knapp  für 
ihn  war,  und  schließlich  kam  es  auch  vor,  obwohl  wir  die  Askariweiber 
nach  Möglichkeit  mitnahmen,  daß  die  Leute  auch  von  ihren  Weibern 
getrennt  wurden.  Da  ist  es  im  höchsten  Maße  anzuerkennen,  daß  die 
Leute  so  treu  bis  zum  Schluß  zu  uns  gehalten  haben. 

Diese  unerschütterliche  Anhänglichkeit  unserer  Askaris  wird 
auch  von  den  PZngländern  anerkannt,  aber  sie  haben  sich  dafür 
eine  besondere  Erklärung  zurechtgemacht.  Sie  sagen:  Ja,  die  Deutschen 
haben  in  den  Askaris  sich  eine  besondere  Kriegskaste  gezüchtet, 
diese  Farbigen  sind  den  andern  Negern  entfremdet  und  müssen 
nun  zu  den  Deutschen  halten.  Wenn  das  der  Fall  wäre,  was  sagen 
dann  die  Feinde  aber  zu  unseren  Trägern,  die  auch  stets  zu  uns 
gehalten  haben?  Das  ist  doch  sicher  keine  hochgezüchtete  Kaste! 
Was  sagen  die  Engländer  zu  den  Boys  und  anderen  Farbigen,  die  mit 
uns  gezogen  sind.^  Was  sagen  sie  zu  den  Nahrungsmittel-Lieferungen 
der  Eingeborenen,  die  überall  an  uns  erfolgten?  Sind  das  Handlungen 
von  Leuten,  die  nichts  mit  uns  zu  tun  haben  wollen?  Was  sagt  der 
Feind  weiter  zu  den  wirtschaftlichen  Leistungen  in  der  Kolonie,  die 
wir  ohne  die  Mithilfe  unserer  Eingeborenen  niemals  hätten  fertigbringen 
können?  Ich  will  und  kann  auf  die  wirtschaftlichen  Leistungen  heute 
nicht  eingehen,  -dazu  ist  ein  besonderer  Abend  erforderlich,  ich  möchte 
nur  ganz  kurz  darauf  hinweisen.  Wir  haben  als  Ersatz  für  die  sonst 
vom  Auslande  eingeführten  Nahrungsmittel,  Verpflegung  aus  dem 
ganzen  Lande  für  die  europäische  Bevölkerung  und  für  die  Truppen 
herbeigeschafft.  Wir  haben  die  Anbauflächen  erweitert,  wir  haben 
solche  Früchte,  die  bis  dahin  in  geringerem  Umfange  angebaut  waren, 
wie  Weizen  und  Kartoffeln,  in  solchem  Maße  angebaut,  daß  der  Bedarf 
gedeckt  werden  konnte.  Wir  haben  Leder  gegerbt  und  Schuhe  gemacht, 
wir  haben  unsere  Baumwolle  versponnen  und  verwebt,  wir  haben  Ersatz 
für  Benzin  und  Petroleum  hergestellt  und  wir  haben  sehr  viele  andere 
Dinge  noch  geschaffen,  auf  die  ich  nicht  weiter  eingehen  will.  Nur 
auf  eins  —  denn  das  ist  das  wichtigste  von  allem  —  möchte  ich  noch 
hinweisen,  wir  haben  in  der  Kolonie  auch  Chinin  hergestellt,  das  tür  die 
Existenz  der  Europäer  in  Malaria-Gebieten  unbedingt  notwendig  ist. 
Und  zwar  haben  wir,  da  wir  nicht  genug  Zufuhr  von  außen  erhalten 
konnten,  die  Hälfte  der  ganzen  bedeutenden  Chininmengen,  die  im  Laufe 
des  Krieges  geschluckt  worden  sind,  selbst  in  der  Kolonie  angefertigt. 

Die  Engländer  behaupten,   daß   wir   unsere  lungeborenen   schlecht 


Deutsch-Ostafrika  während  des  Weltkrieges.  15 

behandeln  und  nicht  imstande  wären,  eine  humane  Eingeborenen-Politik 
zu  treiben.  Meine  Damen  und  Herren!  Wir  waren  6000  Europäer 
einschließlich  Frauen  und  Kinder  unter  einer  Eingeborenen-Bevölkerung 
von  8  Millionen  Köpfen.  Würden  diese  Leute,  w^enn  wir  sie  wirklich 
schlecht  behandelt  hätten,  nicht  unser  Joch  von  sich  abgeschüttelt  haben, 
als  wir  von  allen  Seiten  von  weit  überlegenen  feindlichen  Streitkräften 
bedrängt  wurden?  Tatsächlich  ist  es  nicht  zum  Aufstande  gekommen. 
Den  letzten  Eingeborenen-Aufstand  hatten  wir  im  Jahre  1905/6  gehabt. 
Die  Engländer  haben,  wie  aus  den  vorher  schon  erwähnten  Berichten 
des  englischen  Agenten  King  hervorgeht,  mit  Sicherheit  daraufgerechnet, 
daß  in  unserer  Kolonie  umfangreiche  Eingeborenen-Aufstände  ausbrechen 
würden.  Dies  ist,  wie  Sie  wissen,  nicht  geschehen.  Wir  haben  die  Früchte 
einer  humanen  Eingeborenen-Politik  geerntet,  welche  unter  der  Leitung 
meines  V^orgängers ,  des  Freiherrn  von  Rechenberg,  in  sechsjähriger 
Amtstätigkeit  durchgeführt  wurde  und  welche  auch  durch-  den  hier 
anwesenden  Herrn  Staatssekretär  Dernburg  eine  wesentliche  Förderung 
erfahren  hat.  Ich  habe  mich  bemüht,  diese  Politik  fortzusetzen,  ge- 
stützt auf  eine  Reihe  vorzüglicher  Bezirksamtmänner  und  Residenten, 
von  denen  ich  hier  nur  einige  wenige  Namen  —  und  auch  diese  nur 
als  Beispiele  für  viele  andere  —  nennen  will,  so  den  Regierungsrat 
Gunzert  in  Muansa,  den  Bezirksamtmann  Lange  in  Udjidji  und  den 
Residenten  von  Urundi,  Hauptmann  Wintgens,  der,  was  selten  ist,  Ver- 
waltungsbegabung mit  militärischen  Fähigkeiten  vereinigt.  Ich  habe 
die  Zivilverwaltung  auch  während  des  Krieges  im  Schutzgebiete  aufrecht- 
erhalten, nur  so  war  es  möglich,  daß  .diese  bewährten  Beamten,  die  die 
Eingeborenen- Verhältnisse  genau  kennen  und  die  ihrerseits  das  Ver- 
trauen der  Eingeborenen  genießen,  auf  ihren  Posten  weiter  wirken  und 
im  Besitze  der  Verfügungsgewalt  bleiben  konnten.  Nur  so  war  es 
möglich,  daß  die  Eingeborenen  in  unserer  Hand  geblieben  sind. 

Während  aber  bei  uns  die  Eingeborenen  ruhig  blieben,  erhoben 
sie  sich  in  den  Gebieten  unserer  Gegner  mit  angeblich  besserer  Ein- 
geborenenverwaltung. Nicht  nur  in  den  portugiesischen  Kolonien, 
bei  deren  üblicher  Mißwirtschaft  und  Gewaltherrschaft  es  ganz  natürlich 
ist,  konnten  wir  in  den  verschiedenen  Landesteilen  große  Eingeborenen- 
Aufstände  beobachten,  sondern  auch  in  den  angrenzenden  englischen 
Kolonien  sowohl  in  Uganda  wie  in  Britisch-Njassaland.  Aus  der  letz- 
teren Kolonie  schickte  ein  Eingeborenenhäuptling,  ein  Führer  des 
Aufstandes,  zu  mir  um  Hilfe  gegen  seine  Unterdrücker,  die  Engländer. 
Die  Eingeborenen  erhoben  sich  dort  und  schlugen  die  englischen  Ver- 
waltungsbeamten tot.  Derartiges  ist  bei  uns  mit  unserer  angeblich 
schlechteren  Eingeborenenbehandlung  nicht  vorgekommen. 

Aber  auch  abgesehen  von  den  Aufständen,  glaubt  irgend  jemand, 


2g  Schnee: 

daß  wir  in  der  Lage  gewesen  wären,  den  Krieg  überhaupt  zu  führen, 
wenn  die  Eingeborenen  nicht  auf  unserer  Seite  gestanden  hätten? 
Wir  waren  für  den  Ersatz  an  Askaris,  für  den  Ersatz  an  Trägern,  von 
denen  beständig  eine  große  Zahl  unterwegs  sein  mußte,  für  die  Be- 
schaffung von  Lebensmitteln,  vollständig  auf  die  Eingeborenen  ange- 
wiesen. Schließlich,  würden  die  Leute  am  Schlüsse  noch  so  durch 
dick  und  dünn  unter  den  größten  Gefahren  und  Beschwerden  mit  uns  ge- 
gangen sein,  wenn  sie  uns  innerlich  feindlich  gegenüber  gestanden  hätten? 

Der  englische  Premierminister  Lloyd  George  hat  früher  in 
einer  Rede  gesagt,  die  deutschen  Kolonien  müßten  zarteren  Händen 
anvertraut  werden  als  den  unserigen.  Nun,  was  die  zarten  Hände 
der  Engländer  ausführen  können,  das  habe  ich  bei  meiner  Rückkehr 
nach  Deutsch -Ostafrika  leider  Gelegenheit  gehabt  zu  sehen.  Unter 
einem  solchen  Drucke  wie  jetzt  unter  der  englischen  Herrschaft  hat 
Deutsch -Ostafrika  zu  keiner  Zeit  gestanden.  Die  Engländer  haben 
Massen  von  Trägern  gepreßt,  wobei  sie  sich  zum  Teil  recht  übler  Mittel 
bedient  haben.  Sie  haben  Tanzfeste  veranstaltet  und  haben  dann  von 
den  Leuten,  die  ahnungslos  dazu  herbeigekommen  waren,  die  kräftig- 
sten ergriffen  und  zwangsweise  als  Träger  abgeführt.  Sie  haben  aber 
mehr  getan,  sie  haben,  was  gleich  gegen  Völkerrecht  wie  gegen  Moral 
war,  unsere  eigenen  Eingeborenen  zum  Dienste  mit  den  Waffen  gegen 
uns  gepreßt.  Bei  unseren  eigenen  Askaris,  die  sie  auch  gern  heran- 
ziehen wollten,  sind  sie  allerdings  zum  ganz  überwiegenden  Teil  an  die 
Verkehrten  gekommen.  Diese  haben  allen  Verlockungen  standgehalten, 
und  eine  Zvvangseinstellung  haben  die  Engländer  zwar  beabsichtigt, 
aber  fallen  gelassen.  Es  erschien  ihnen  nach  den  Erfahrungen,  die  sie 
damit  gemacht  haben,  doch  wohl  bedenklich.  Es  war  rührend  für  uns, 
zu  sehen,  als  wir  in  Daressalam  ankamen,  daß  da  noch  hinter  den 
Drahtzäunen  Hunderte  von  Askaris  saßen,  die  alle  die  englischen  An- 
gebote zurückgewiesen  hatten  und  die  als  Gefangene  treu  auf  der 
deutschen  Seite  stehen  wollten.  Dasselbe  haben  die  gefangenen  As- 
karis gemacht,  die  nach  dem  britischen  Gebiet  hinübergebracht  worden 
waren;  der  größte  Teil  war  noch  bei  unserer  Rückkehr  in  Gefangenschaft. 
Mittlerweile  sind  sie  aber,  wie  ich  hoffen  möchte,  freigelassen  worden. 

Auch  die  wirtschaftlichen  Verhältnisse  haben  sich  unter  britischer  Ver- 
waltung ungünstig  für  die  Eingeborenen  gestaltet.  Die  Engländer  zahlen 
wesentlich  geringere  Löhne  als  wir,  die  Lage  der  Schwarzen  ist  dadurch  be- 
deutend schlechter  geworden.  Dann  aber  haben  die  Engländer  eine  ganze 
Zahl  unserer  angeschenen  Eingeborenen  deportiert,  und  zwar  nicht  nur 
nach  dem  nahe  gelegenen  Britisch-Ostafrika,  sondern  sogar  weiter  weg.  Als 
ich  in  Daressalam  war,  kam  es  zu  meiner  Kenntnis,  daß  ein  früherer 
tüchtiger  farbiger  Beamter  des  Gouvernements  mit  seinem  Bruder  nach 


Deutsch-Ostafrika  während  des  Weltkrieges.  17 

St.  Helena  deportiert  werden  sollte.  Ich  habe  sofort  ein  Protest-Tele- 
gramm nach  Nairobi  gerichtet  und  erhielt  dann  die  Antwort,  daß  die 
Angelegenheit  sowohl  von  den  Zivilbehörden  wie  den  militärischen 
Stellen  geprüft  sei,  und  daß  es  bei  der  Deportation  seine  Bewenden 
behalten  müsse.  Auch  der  frühere  Sultan  von  Zanzibar  Seyid  Chalid 
bin  Bargasch,  der  seit  langen  Jahren  als  unserer  Schutzbefohlener  in 
Daressalam  wohnte,  ist  nach  St.  Helena   deportiert  worden. 

Weit  schlimmer  aber  haben  es  die  Belgier  getrieben.  Sie  haben 
nach  dem  bekannten  Kongorezept,  welches  die  Engländer  früher  ja  so 
schön  geschildert  haben,  gehandelt,  indem  sie  die  Eingeborenen  auf 
das  äußerste  mißhandelten  und  vergewaltigten.  Leider  hat  dies  Los  in- 
folge des  belgischen  Einrückens  gerade  das  Tüchtigste  unserer  Völker, 
die  braven  Wanjamwesi,  getroffen.  Später  haben  die  Belgier  dieses 
Gebiet  wieder  räumen  und  den  Engländern  überlassen  müssen;  aber 
es  sind  ganze  Landstriche  von  den  Belgiern  verwüstet  worden. 

Es  ist  kein  Wunder,  wenn  die  Eingeborenen  unter  diesen 
Verhältnissen  mit  Sehnsucht  an  die  guten  Zeiten  der  deutschen  Herr- 
Schaft  zurückdenken.  Bei  meiner  Rückkehr  nach  Deutsch-Ostafrika 
bin  ich  nach  allem,  was  ich  gehört  und  erfahren  habe,  zu  der  festen 
Überzeugung  gekommen,  daß  unsere  Eingeborenen  den  dringlichen 
Wurisch  haben,  wieder  unter  deutsche  Herrschaft  zurückzukehren.  Die 
Eingeborenen  haben  selber  ein  sehr  gutes  Urteil  über  die  Europäer,  die 
die  Herrschaft  über  sie  ausüben.  Es  hat  sich  da  bei  den  Leuten  ein 
Wort  zur  Charakterisierung  der  beiden  Nationen,  die  sie  aus  der  Praxis 
kennen  gelernt  haben,  gebildet,  das  ich  hier  im  Original  wiederholen 
will:  ,,Wengereza  maneno  mazuri,  roho  kali,  wadatschi  maneno  makali, 
roho  nzuri".  Das  heißt  auf  Deutsch:  die  Engländer  machen  schöne 
Worte,  haben  aber  harte  Herzen;  die  Deutschen  gebrauchen  scharfe 
Worte,   haben  aber  ein  gutes  Herz. 

Nein,  unsere  Feinde  können  politische  Lügen  in  die  Welt  setzen, 
soviel  sie  wollen:  die  Tatsache  können  sie  nicht  aus  der  Welt  schaffen,  daß 
die  ostafrikanischen  Eingeborenen  gern  unter  deutscher  Herrschaft  waren 
und  gern  unterderdeutschenHerrschaftbleiben  wollen.  EineEingeborenen- 
Bevölkerung,  die,  beispiellos  in  der  Geschichte,  unter  den  schwierigsten 
Verhältnissen  so  treu  zu  uns  gestanden  hat,  ein  Land,  dessen  sonnengebackene 
Erde  von  dem  Blut  unserer  Helden  getränkt  ist,   muß  deutsch  bleiben. 

Ich  wiederhole,  der  Feind  mag  die  Macht  haben,  uns  unsere 
Kolonien  zu  rauben  nach  altem  Muster,  wie  die  Engländer  früher 
wiederholt  anderen  Völkern,  welche  die  Pionierarbeit  geleistet  hatten, 
ihre  Kolonien  weggenommen  haben,  aber  das  moralische  wie  das 
juristische  Recht  bleibt  auf  unserer  Seite. 

Zeitschr.  d.  Gesellsch.  f.  Erdkunde  zu  Berlin.     1919.    Nr.  1/2.  2 


jQ  Begrüßung  der  heimgekehrten  Ostafrikaner. 


Begrüßung  der  heimgekehrten  Ostafrikaner. 

Der  Vorsitzende   der  Gesellschaft,    Herr  Geheimrat  Prof.  Dr.  A  1  - 
brecht  Penck,  richtete  an  die  Anwesenden  folgende  Worte: 

Das  Willkommen,  das  ich  den  heimkehrenden  Ostafrikanern  namens 
der  Gesellschaft  für  Erdkunde  biete,  gilt  in  erster  Linie  den  deutschen 
Männern,  die  nach  langer  Abwesenheit  in  die  Heimat  zurückkehren 
nach  Verrichtung  von  Taten,  die  die  Erinnerung  für  alle  kommenden 
Zeiten  festhalten  wird;  denn  das  ist  unerhört  im  Laufe  der  Geschichte, 
daß  ein  kleines  Häuflein  Menschen  in  fremdem  Klima  sich  gegen  eine 
große  Übermacht  der  Feinde  durch  mehr  als  vier  lange  Jahre  halten 
konnte.  Glänzendes  hat  jeder  einzelne  vollbracht,  der  in  Ostafrika 
kämpfte;  Glänzendes  hat  der  militärische  Führer  der  tapferen  Schar 
geleistet,  indem  er  der  Umzingelung  durch  die  Feinde  immer  aufs  neue 
fu  entgehen  wußte.  Glänzend  hat  sich  bewährt,  daß  in  unseren  Kolonien 
die  höchste  militärische  und  Zivilgewalt  in  einer  Hand  liegen.  Der 
Name  v.  Lett  o  w-Vo  rb  ec  k  gehört  zu  den  unvergleichlichen  Militär- 
führern der  großen  Zeit,  die  wir  erlebten,  und  in  einem  Zuge  damit 
muß  der  Name  von  Gouverneur  Schnee  genannt  werden,  als  eines 
staatsmännisch  handelnden  Beamten,  der  der  Höhe  seiner  Aufgaben  voll 
bewußt,  auf  der  ihm  anvertrauten  Stelle  bis  zuletzt  aushielt.  Es  ist  oft 
ausgesprochen  worden:  Das  Schicksal  unserer  Kolonien  wird  auf  euro- 
päischem Kriegsschauplatze  entschieden.  Aber  wahr  geworden  ist,  daß 
sich  in  hohem  Maße  das  deutsche  Schicksal  in  den  Kolonien  entschieden 
hat.  Dort  hielt  Verteidigung  eisern  stand.  Dort  wußte  man  immer 
aufs  neue  wieder  dem  Feind  zu  trotzen  und  ihm  zu  entgehen ;  erst  der 
daheim  geschlossene  Waffenstillstand  hob  den  Widerstand  der  Deutsch- 
Afrikaner  auf,  und  sie  konnten  in  ehrenvoller  Weise  heimkehren,  mit 
den  Waffen  in  der  Hand,  als  deutsche  Sieger. 

.  Oft  hat  die  Gesellschaft  für  Erdkunde  heimkehrende  Afrikareisende 
begrüßt  —  nie  aber  eine  über  Hundert  zählende  Schar,  nie  Männer,  die 
solche  Kreuz-  und  Querzüge,  schließlich  bis  in  die  unbekanntesten  Winkel 
des  von  Forschern  gemiedenen  Portugiesisch-Ostafrika,  ausgeführt  haben. 
Ein  jeder  ist  ein  Afrikareisender  geworden  und  kann  als  solcher  erzählen. 
Der  Geograph  kann  lernen  von  jedem  einzelnen.  Voll  Spannung 
erwartet  er  den  ersten  Bericht  über  die  großartigste  und  eigenartigste 
Afrika-Expedition,  die  je  gemacht  worden  ist.  Mit  stolzer  Genugtuung 
empfindet  die  Gesellschaft  für  Erdkunde,  daß  er  bei  ihr  erstattet 
werden  soll. 


Begrüßung  der  heimgekehrten  Ostafrikaner.  19 

Darauf  erhielt  Seine  Magnifizenz  der  Rektor  der  Friedrich-Wilhelms- 
Universität,  Herr  Geheimrat  Professor  D.  Dr.  Seeberg  das  Wort  zu 
folgender  Ansprache: 

Hochverehrte  Versammlung!  Es  ist  mir  eine  Ehre  und  Freude, 
im  Namen  der  Universität  hier  in  den  Räumen  der  Universität  Sie  alle 
willkommen  zu  heißen.  Mein  Willkommengruß  gilt  zunächst  der  Ge- 
sellschaft für  Erdkunde.  Unter  ihrem  verdienten  Vorsitzenden  hat  sie 
uns  schon  so  manchen  gehaltreichen  und  anregungsreichen  Abend 
geboten. 

Mein  Gruß   gilt  dann   zum   andern   und  vor  allen  Dingen  unseren 
Ostafrikanern.     Wir  haben   so   oft   an  sie  gedacht,   und  nun  stehen  sie 
unter  uns   und  wollen   sie  von  ihrem  Leben  uns  selber  erzählen.     Sie 
sind   uns   herzlich  willkommen.     Wir   haben   uns  freilich   diese  Stunde 
einst  so  ganz  anders  gedacht,   wir  dachten,    daß  wir  mit  hoher  Sieges- 
stimmung, mit  stolzer  Zukunftshoffnung  hier  unsere  Helden  von  Ostafrika 
begrüßen  würden.     Es  ist  anders  gekommen.     Aber  um  so  wärmer  ist 
unser  Gruß,   um  so  lebendiger  unser  Dank  für  das,   was  sie  angesichts 
des  deutschen  Volkes  und  angesichts  der  ganzen  Welt  geleistet  haben. 
Wir  bedürfen  heutigen  Tages  allesamt  dessen,   daß  solche  Männer  der 
Tat  zu  uns  sprechen,  daß^sie  das  Evangelium  ,,Am  Anfang  war  die  Tat", 
das  uns  wieder  zu  entschwinden  droht,  unserem  Geschlechte  verkünden. 
Die  Welt  um  uns  scheint  uns  zu  eng  zu  werden.    Sie  legt  sich  uns  auf  die 
Brust,  fast  wie  ein  Alpdruck.    Ich  denke  an  die  Welt  um  uns  zunächst  im 
räumlichen    Sinne.     Wasi   war    das    einst    für    eine    Empfindung,    w^enn 
wir   an   einen   unserer  großen  Hafenplätze  kamen  und  dort  die  stolzen 
deutschen  Schiffe  sahen,   und   über  ihnen   flatterte   die  Fahne  mit   den 
ehrwürdigen  Farben;    und    unsere  Phantasie    führte    uns   aus,   wie   die 
Schiffe    über   das  weite   blaue   Meer  hinausfahren,    überall   Zeugnis   ab- 
legend von  deutscher  Herrlichkeit  und  deutscher  Macht,  und  wie  wieder 
an  verschiedenen  Stellen  der  weiten  Welt  sie  begrüßt  werden  von  der 
deutschen  Fahne!    Das  ist  nicht  mehr.    Die  deutsche  Fahne  ist  in  den 
Staub    getreten,    fortgeworfen,   wie   man   einen   alten   Lappen   fortwirft. 
Diese  Farben   sprechen   keine  stolze  Sprache  mehr,   sie  werden  in  der 
weiten   Welt    nicht    mehr    mit    Ehrfurcht    begrüßt  werden.     Die  Welt 
droht   eng   um   uns   zu  werden.     Und    nicht   anders  steht  es,  wenn  wir 
an   die  Zeit  denken.      Einst  blickten   wir   zurück  auf  die   stolze   Reihe 
von  Helden   des  Geistes   und   der  Tat  in   unserer  Geschichte,   und   bei 
jedem  war  Anlaß  gegeben,  den  Sinn  zu  erheben,  und  bei  allen  schlugen 
die    Herzen     unserer    Jugend    lebhafter.     Die  Vergangenheit    ist    uns 
geblieben,  und  wir  lassen  sie  uns  nicht  beflecken  und  beschmutzen,  als 
wäre  von  gestern  auf  heute  häßlich  und  gering  geworden,  was  wir  ver- 
ehrt   haben.     Aber    einst    blickten    wir    auch   hinaus  in   eine  Zukunft, 


20  Begrüßung  der  heimgekehrten  Ostafrikaner. 

sonnenbeglänzt,  auf  die  weite  Welt  als  auf  ein  Gebiet,  das  dem  deut- 
schen Geist  unterworfen  und  von  ihm  durchdrungen  werden  sollte. 
Es  erhob  sich  vor  dem  Geistesauge  wohl  höher  und  hoher  dieser  Auf- 
stieg, dem  Adler  gleich  ,,nec  soli  cedit"!  Und  heute.'  Der  Blick  in 
die  deutsche  Zukunft  ist  wie  die  Fahrt  aus  einer  sonnigen  Landschaft 
in  einen  dunklen  Tunnel.     Die  Welt  droht  eng  um  uns  zu  werden. 

Aber  je  mehr  das  der  Fall  ist,  desto  mehr  müssen  wir  unsere 
Herzen  erheben,  desto  lauter  müssen  wir  uns  das  alte  und  immer 
neue  Evangelium  von  der  Tat.  verkünden  lassen. 

Und  «darum  begrüßen  wir  die  Männer,  die  dieses  Evangelium  von 
der  Tat  dort  auf  afrikanischem  Boden  umgesetzt  haben  in  die  W^irklich- 
keit,  die  deutsche  Ehre  hochgehalten  haben  bis  zum  letzten  Augenblick. 
Sie  kommen  zu  uns;  wir  können  ihnen  wenig  Freudiges  berichten  und 
wenig  Freundliches  erweisen.  Aber  sie  kommen  zu  uns  und  finden 
doch  noch  viele  empfängliche  Herzen  für  das,  was  sie  uns  zu  sagen 
haben.  Es  muß  einst  doch  besser  werden.  Von  dieser  Zuversicht 
lassen  wir  nicht.  Wenn  Sie  ansehen  das  Bild  hinter  mir  und  den 
schönen  Zufall  überlegen,  daß  unter  den  großen  Verkündiger  der 
nationalen  Tat,  der  dort  spricht,  hingehängt  ist  die  Karte  von  Deutsch- 
Afrika,  so  wirkt  das  wie  eine  gewaltige  Predigt,  der  sich  kein  Herz 
entziehen  kann.  Am  Anfang  war  die  Tat.  Auch  im  Hinblick  auf 
unsere  Kolonien  gilt  das,  von  ihrer  Vergangenheit  wie  von  ihrer  Zukunft. 
Daruin  wollen  wir  nicht  in  Trübsal  versinken,  sondern  zur  Tat  bereit 
uns  halten.  Trotz  allem  bleiben  wir  eins  in  dem  Bekenntnis  nationalen 
Glaubens:  Wir  glauben  an  das  ewige  Deutschland! 

Der  Vorsitzende  Sekretär  der  Akademie  der  Wissenschaften,  Herr 
Geheimrat  Prof.  Dr.  Roethe,  begrüßte  die  Ostafrikaner  mit  folgenden 
Worten : 

Ich  habe  die  Ehre,  die  heimgekehrten  Ostafrikaner  im  Namen  der 
Akademie  der  Wissenschaften  zu  begrüßen.  Auch  bei  uns  ist  es  zuerst 
das  starke  menschliche  Empfinden,  das  Ihnen  entgegenschlägt.  Wenn 
wir  hörten  von  dem,  was  Sie  draußen  zu  leisten  und  zu  leiden  ver- 
mochten — ,  in  das  Dunkel  der  Heimat  leuchtete  ein  belebender  Strahl. 
Über  Ihren  Taten  lag  der  Glanz  jugendlicher  Frische.  Bei  den  Namen 
Lettow-Vorbeck  und  Schnee  leuchten  die  Augen  unserer  Knaben  auf, 
wie  bei  einer  begeisternden  Indianergeschichte,  bei  der  sie  zum  ersten 
Male  ahnen,  was  freudig  jugendlicher  Mut  vollbringen  kann.  Wie 
mancher  Junge  hat  sich  an  solchen  Abenteuern  Mut  und  Lust  zu  künf- 
tigem Schaffen  geholt! 

Und  doch  wie  ganz  anders  stand  es  um  Ihr  ostafrikanisches  Helden- 
tum!   Nicht  deiYi  Abenteuer  galt  es,  nicht  der  Betätigung  persönlichen 


Begrüßung  der  heimgekehrten  Ostafrikaner.  21 

Mutes   und  Übermuts,  sondern  dem  heiligen  Kampf  für  das  Vaterland, 
der  sich  dort  abspielte  unter  den  erschwerendsten  und  wundersamsten 
Umständen.     Und   uns  Alten  ward   es   auch  zu   Mute  wie   der  Jugend. 
Wir   fühlten    uns  jugendlich    und   von    neuem    hoffnungsfroh,    wenn  wir 
der   Männer   gedachten,    die    es    vermochten,     eine   winzige    Schar,    im 
Widerstand  gegen  das  Britische  Weltreich,  von  der  Heimat  abgeschnitten, 
fest  zu  stehen,    nicht  bezwungen,  nicht  gefangen,  durchzuhalten  bis  zu 
dem   letzten  AugenbHck,   da   ihnen   der  Waffenstillstand   die  ehrenvolle 
Heimatreise  gewährleistete,  die  sie  frei  und  unbesiegt  antreten  durften. 
Die  preußische  Akademie  der  Wissenschaften  hat  mit  den  Fernen 
der  Welt    seit    ihrem  Anfange    zu   tun   gehabt.     Ihre  Blicke   richteten 
sich    unmittelbar   nach   der   Gründung   schon   auf  China,    freilich    nicht 
mit    dem   Auge    des   Naturforschers    und    Geographen,    sondern    mehr 
unter   dem  Gesichtspunkt  des  Sprachkenners  und  auch  des  Missionars. 
Später  war  es,   durch  Alexander  v.  Humboldt,  wesentlich  Südamerika, 
das  die  Interessen  und  die  Forschungsbemühungen  der  Akademie  aus- 
löste.    Seit  die  Kolonialpolitik,   namentlich   unter  Kaiser  Wilhelm   II., 
im    deutschen    Volke  tiefere  Wurzeln  schlug   und   unsere  Herzen   und 
Gedanken   immer  lebhafter  beschäftigte,    hat  sich   auch  die  Arbeit  der 
deutschen   Wissenschaft    mehr   und   mehr  auf  dies   afrikanische   Gebiet 
gerichtet.     Ostafrika,  das  Tendagurugebiet  mit  seinen  wertvollen  fossilen 
Resten,    wurde    ein   Lieblingsboden   auch   für   die  Forschung   der  Aka- 
demie.   Und  die  führende  Rolle,  die  ihr  lange  Zeit  bei  den  großen  wissen- 
schaftlichen Unternehmungen  der  Welt  zuteil  geworden  ist,  wurde  unter- 
stützt   durch    die  Taten   unserer  Afrikaner,    die   uns   dort  drüben   eine 
zweite  Heimat  zu  schaffen  und  die  diese  Heimat  gegen  jede  Übermacht 
zu  verteidigen  wußten. 

In  dieser  Stunde  hausen  dort  unsere  Gegner.  Aber  mit  unseren 
Gedanken  halten  wir  jenes  Gebiet  fest;  wissenschafthch,  geistig  werden 
wir  es  uns  nicht  entreißen  lassen.  Und  wenn  wir  auf  die  Männer 
blicken,  die  jetzt  ungebeugt,  aufrechten  Hauptes  zurückgekehrt  sind, 
so  klammert  sich  an  diese  Heldengestalten  auch  unser  Herz.  Wir 
vertrauen  auf  die  Macht  des  Geistes  und  des  Herzens;  wir  vertrauen, 
daß  Tage  kommen  werden,  da  wir  die  Glieder  doch  wieder  mutiger, 
zuversichtlicher,  freier  regen  dürfen. 

Sie  sind  heimgekehrt  in  der  dunkelsten  Stunde  der  deutschen  Ge- 
schichte. Aber  von  Ihnen  geht  es  aus  wie  ein  Schimmer  besserer 
Zeiten.  Da  wir  so  unsäglich  Trauriges  erlebt  haben  und  täglich  neu 
erleben,  da  ist  Ihr  erquickender  Anblick  ein  Quell  neuer  Hoffnung. 
Sie  verkörpern  uns  wieder  die  alte  deutsche  Tugend  der  Tapferkei't, 
die  Sie  dort  draußen  durch  lange  Jahre  unbeirrt  und  erfolgreich 
bewährt    haben.     Und    auch    den    alten    griechischen    Weisheitsspruch 


22  Begrüßung  der  heimgekehrten  Ostafrikaner. 

haben  Sie  neu  bewährt,  daß  der  Kampf  der  Vater  der  Dinge  sei.  Die 
Kämpfe,  die  Sie  in  Ostafrika  durchzumachen  hatten,  haben  zugleich 
wissenschaftlichen  Gewinn  erbracht.  Sie  haben  kämpfend,  ausweichend, 
neue  Pfade  suchend,  auch  der  Wissenschaft  unbekannte  Gebiete  sieghaft 
erobert. 

Im  Leben  wie  in  der  Wissenschaft  ist  der  Kampf  eine  fruchtbare 
Macht,  die  nie  aus  der  Welt  schwinden  wird.  Die  tapferen  unbe- 
zwungenen  Kämpfer  von  Ostafrika  geben  uns  auch  m  dieser  Stunde, 
da  wir  kampflos  dem  Siegesübermut  unserer  Feinde  zusehen  müssen, 
die  innere  Gewißheit,  daß  es  dereinst  mit  uns  wieder  aufwärts  gehen, 
daß  nicht  nur  die  deutsche  Wissenschaft  ihren  Platz  behaupten  wird, 
sondern  auch  das  deutsche  Volk,  das  deutsche  Reich,  der  deutsche 
Geist  im  weitesten  Sinne,  an  den  wir  immer  geglaubt  haben  und  an 
den  zu  glauben  wir  niemals  aufhören  werden.  In  diesem  Geiste  und 
Sinne  grüßt  die  Akademie  der  Wissenschaften  die  heimgekehrten 
Ostafrikaner. 

Herr  Professor  Georg  Schweinfurth  wollte  die  Ostafrikaner  mit  der 
folgenden  Ansprache  begrüßen,  er  war  leider  wegen  eines  Katarrhs 
am  Erscheinen  gehindert! 

Ich  betrachte  ihn  als  einen  der  glücklichsten  Tage  meines  Lebens, 
an  dem  mir  heute,  als  sogenanntem  ältesten  Afrikaner  die  Ehre  zukommt, 
unsere  Helden  aus  Ostafrika  auch  im  Namen  der  deutschen  Afrika- 
forschung zu  begrüßen  und  ihnen  den  schuldigen  Tribut  der  Dankbar- 
keit darzubringen  für  so  viel  Treue  und  für  eine  so  beispiellos  opfer- 
reiche Hingabe,  die  sie  im  Dienste  des  Vaterlandes  bewährt  haben, 
uns  Zeitgenossen  zum  Stolz  und  zum  Vorbild,  den  fernsten  Geschlechtern 
zu  ewigem  Gedächtnis  1 

Dem  Genius  eines  künftigen  Dichters  bleibt  es  vorbehalten,  ,,die 
Waffen  und  die  stolzen  Heldenscharen"  mit  dauerndem  Nachhall  zu 
besingen.  Der  unerschrockene  und  unbeugsam  zuversichtliche  Feldherr, 
mit  allen  seinen  Unterführern  und  anderen  Getreuen,  dazu  der  heroisch 
standhafte  Gouverneur,  der  nach  zweieinhalbjähriger,  segensreicher 
Friedensarbeit  Zeuge  werden  mußte  von  dem  an  unserem  Besitz  so 
treulos  geübten  Verrat,  ich  hoffe,  sie  müssen  Vorwürfe  für  ein  Epos 
liefern,  durch  das  bei  uns  erblassende  patriotische  Gefühle  wieder  neu- 
belebt werden  können. 

Mögen  diese  Männer  sich  der  wohlverdienten  Ruhe  erfreuen  und 
nun  sparsamer  mit  dem  so  wunderbar  erhaltenen  Bestand  ihrer  Lebens- 
kräfte hausen.  Ihre  in  den  Jahren  der  Not  und  der  Mühe  opferreich 
erkaufte   Erfahrung   wird   für   uns   vielleicht  wertvoller   sein   als  ihr  tat- 


1 


Begrüßung  der  heimgekehrten  Ostafrikaner.  23 

kräftiges  Handeln,  jetzt,  in  dieser  Zeit  der  allgemeinen  Hungersnot,  — 
auch  an  Männern!  Mögen  sie  ferner  darüber  sich  nicht  grämen,  was 
unsere  Feinde  des  Willkürlichen  von  ihrer  angeblichen  Willkür  bei 
Behandlung  der  Eingeborenen  zu  berichten  wissen. 

Die  Leichtfertigkeit,  mit  der  die  Schmäher  Deutschlands,  da  sie 
auf  die  in  den  englischen  Blaubüchern  niedergelegte  Weisheit  wie  aufs 
Evangelium  schwören  — ,  ein  Verdammungsurteil  gefällt  haben  über 
unsere  Eingeborenenpolitik  in  den  Kolonien,  sie  entsprach  wenig  der 
obersten  Regel,  nämlich  der,  Kritik  zu  üben  an  den  Quellen.  In  einer 
Zeit,  da  die  Feinde  sich  der  Lüge  als  Kampfmittel  bedienen  und  mit 
ihren  Verleumdungsmethoden  wie  mit  giftigen  Gasbomben  hantieren, 
kann  nichts  in  Erstaunen  setzen,  was  menschliche  Bosheit  und  Tücke 
an  Beschuldigung  zu  ersinnen  vermag! 

Aber  die  göttliche  Weltenmacht,  die  das  Universum  regelt,  kund 
tut  sie  sich  nirgends  klarer  vv'ie  als  Gerechtigkeit  in  der  Geschichte, 
und  die  KHo  wird  sich,  des  sind  wir  sicher!,  den  unbestechlichen 
Griffel  nicht  aus  der  Hand  nehmen  lassen.  Unser  verehrter  Vorsitzender 
wird  dazu  im  Namen  der  Gesellschaft  feierHch  Verwahrung  einlegen 
gegen  die  schändlichen  Beschuldigungen,  die  von  unseren  Feinden 
bei  den  Haaren  herbeigezogen  worden  sind,*  nur  um  den  Raub  zu 
bemänteln,  den  sie  an  unseren  Kolonien  zu  begehen  vorhaben. 

Noch  möchte  ich  einen  allgemein  empfundenen  Wunsch  zum  Aus- 
druck bringen,  um  die  Geschichte  dieser  unerhört  denkwürdigen  Feld- 
züge baldigst  in  einem  für  Deutschlands  Ruhm  monumentalen  Werk 
niedergelegt  und  dieses  dann  auch  mit  dem  Ergebnis  der  dazu  gehörigen 
geographischen  und  naturhistorischen  Wahrnehmungen  ausgestattet  zu 
sehen,  die  sich  vielen  der  Teilnehmer  in  den  unermeßlichen  Gebieten 
auf  Tausenden  von  Kilometern  Wegestrecke  aufgedrängt  haben  werden. 
Neben  dem  Gang  des  KriegsgeschichtHchen  muß  eine  Fülle  von  merk- 
würdigen und  bedeutsamen  Tatsachen  festgestellt  worden  sein,  deren 
Bekanntgebung  wir  alle  mit  größter  Spannung  entgegensehen. 

Der  höchste  Ruhm  aber,  den  sie  errungen,  soll  für  alle  Zeiten  in 
dem  Satze  gipfeln:  Unsere  tapferen  Ostafrikaner  befestigten  aufs  neue 
in  uns  den  unerschütterlichen  Glauben  an  ein  unvergängliches  Deutsch- 
land! 


24        Protest  der  Gesellschaft  für  Erdkunde  gegen  die  Ausstoßung  Deutschlands  usw. 


Protest  der  Gesellschaft  für  Erdkunde  gegen  die  Ausstoßung 
Deutschlands  aus  der  Reihe  der  kolonisierenden  Mächte. 

In  den  Ausführungen,  die  Gouverneur  Schnee  über  Deutsch- 
Ostafrika  während  des  Krieges  gemacht  hat,  tritt  eine  Tatsache  be- 
sonders hervor,  nämlich  die  treue  Anhänglichkeit  der  Eingeborenen 
DeutschAfrikas  an  die  deutsche  Herrschaft.  Die  Schwarzen  folgten 
unserer  Schutztruppe  auf  allen  ihren  Zügen  und  hielten  sich  wacker 
mit  den  Unseren  gegen  den  überlegenen  Feind.  Kennern  der  Kolo- 
nien ist  dies  keine  Überraschung;  wohl  aber  für  denjenigen,  welcher 
die  Beschuldigung  in  Erinnerung  hat,  die  Präsident  Wilson  am  14.  Fe- 
bruar auf  der  Pariser  Friedenskonferenz  ausgesprochen  hat.  Nach  dem 
Bericht  im  Temps  vom   16.  Februar  sagte  er  folgendes: 

,,Die  Geschichte  lehrt,  daß  die  schwachen  Völker  immer  aufs 
neue  die  Beute  gewissenloser  Nationen  werden.  Eines  der  letzten 
und  betrübendsten  Beispiele,  die  wir  davon  kennen  gelernt  haben, 
wird  durch  die  Taten  einer  heute  glücklicherweise  besiegten  Macht 
in  den  Gebieten  offenbart,  die  sie  außerhalb  Europas  besaß.  Wir 
haben  gesehen,  daß  sie  in  einigen  Fällen  ihr  Interesse  nicht  im  Fort- 
schritte, sondern  in  der  Ausrottung  von  deren  Bevölkerung  erblickte. 
Ihr  Wunsch  war  nicht,  jenen  Völkern  zu  helfen  und  sie  zu  ent- 
wickeln, sondern  sich  ihres  Landes  zu  bemächtigen,  um  darin  euro- 
päische Kolonien  einzurichten.  Kein  Wunsch,  ihnen  zu  helfen,  sie 
emporzuziehen  und  aufrechtzuerhalten,  leitete  ihr  Wirken."' 

Man  kann  nach  diesen  Worten  nicht  zweifeln,  aus  welcher  Quelle 
Präsident  Wilson  sein  Urteil  schöpfte.  Es  ist  das  englische  Blaubuch 
vom  August  191 8  über  die  Eingeborenen  von  Südwestafrika  und  ihre 
Behandlung    durch    Deutschland  i).     Ein    stattliches    Buch    zu    billigem 


')  Report  on  the  natives  of  South-West  Africa  and  their  treatment  by  Germany. 
Parliamentaiy  Report  London  August  1918.  218  S.  fol.  Preis  2  sh  6d.  Einige  Wendungen 
Wilsons  könnten  mutmaßen  lassen,  daß  er  sich  auch  auf  eine  andere  Quelle  stützt, 
nämlich:  Evans  Lewin,  Deutsche  Kolonisatoren  in  Afrika.  Die  Kolonisierung  mit  der 
Peitsche.  Mit  einem  offenen  Brief  des  Bischofs  von  Zanzibar.  Zürich  1918.  Über 
diese  hat  sich  ein  Neutraler,  der  Pater  van  der  Bürgt  von  der  Mission  der  Weißen 
Väter,  der  in  Afrika  lange  Zeit  als  Missionar  gewirkt  hat  und  Deutsch -Ostafrika 
genau  kennt,  in  nicht  mißzuverstehender  Deutlichkeit  geäußert;  er  bezeichnet  das 
Buch  als  ein  ungeheuerlich  scheinheiliges  Pamphlet  und  sagt:  „So  dumm  ist  besonders 
die  neutrale  Welt  auch  in  diesem  Krieg  noch  nicht  geworden,  um  solchen  Schwindel 
zu  glauben.  Es  ist  zu  dick  aufgetragen."  Vgl.  A.  E.  B  r  i  n  c  k  m  a  n  n,  Eine  Unter- 
redung mit  Pater  van  der  Bürgt.     Koloniale  Rundschau  1918.     S.  347. 


Protest  der  Gesellschaft  für  Erdkunde  gegen  die  Ausstoßung  Deutschlands  usw.        25 

Preise,  ausgestattet  mit  Bildern,  die  ihren  Zweck,  Grauen  zu  erregen, 
recht  deutlich  verraten;  vier  Lichtdrucktafeln  zeigen  gehängte  Ein- 
geborene, sieben  Tafeln  Ketten  und  Fesseln  für  verurteilte  Eingeborene. 
Daß  die  Vorwürfe  für  solche  Bilder  nicht  übermäßig  reichlich  waren, 
geht  daraus  hervor,  daß  von  ein  und  derselben  Hinrichtung  zAvei  Bilder 
gegeben  werden.  Die  Schrift  ist  in  Windhuk  im  Regierungsgebäude 
entstanden  unter  Leitung  des  Administrators  F.  M.  G  o  r  g  e  s  ,  unter 
Mitwirkung  des  Majors  O  '  R  e  i  1  1  y  und  des  Kronanwaltes  W  a  t  e  r  s. 
Ihre  Grundlage  sind  teilweise  Akten  der  deutschen  Regierung, 
welche  die  Engländer  erbeutet  haben,  vor  allem  aber  Vernehmungen 
von  Eingeborenen,  die,  w^ährend  des  Krieges  durch  England 
aufgestachelt,  schließlich  als  Aufrührer  gegen  Deutschland  gekämpft 
haben. 

Es  handelt  sich  um  einen  Bericht  an  das  Parlament.  Er  ist  sorg- 
fältig ausgearbeitet,  mit  der  unverkennbaren  Absicht,  im  Parlamente 
Stimmung  zu  machen  und  eine  solche  Stimmung  auch  außerhalb  des 
Hauses  zu  verbreiten.  ,,Man  wird  genug  im  Berichte  finden,  um  den 
Skeptischsten  zu  überzeugen  von  der  Ungeeignetheit  der  Deutschen, 
über  Eingeborene  zu  herrschen,  und  auch  um  zu  erkennen,  was  den 
unglücklichen  Eingeborenen  von  Südwestafrika  drohen  würde,  wenn  sie 
unter  die  frühere  Herrschaft  zurückkehren  sollten",  spricht  der  Admini- 
strator Gorges  am  Schlüsse  des  Vorwortes  aus. 

Dies  Blaubuch  hat  eine  Erwiderung  seitens  des  Reichs-Kolonial- 
amtes  gefunden,  welche,  in  den  letzten  unruhigen  Monaten  erschienen, 
leider  nicht  die  Beachtung  in  der  Öffentlichkeit  gefunden  hat,  die  sie 
verdiente;  denn  sie  ist  eine  ganz  vorzügliche  Abwehrschrift i).  Von 
wissenschaftlichem  Geiste  getragen,  hellt  sie  vieles  auf  und  widerlegt 
anderes.  Sie  hält  sich  fern  von  jedem  Bestreben,  Dinge  zu  vertuschen 
oder  zu  beschönigen.  Wenn  aber  das  englische  Blaubuch  die  Dinge 
in  oft  wenig  loyaler  Weise  darstellt  und  in  tendenziöser  Weise  An- 
klagen gegen  die  deutsche  Kolonialverwaltung  erhebt,  dann  kommt 
sie  mit  Anklagen  viel  schwererer  Art  und  zeigt,  wie  das  deutsche 
Vorgehen  stets  viel  humaner  als  das  Englands  in  ähnlichen  Fällen 
gewesen  ist. 

Nach  dieser  ausgezeichneten  Verteidigung  geht  die  Denkschrift 
zum  Angriffe  über,  und  hatte  sie  zuvor  Beispiele  für  die  Behandlung 
der  Einheimischen  in  den  englischen  Kolonien  gleichsam  in  systema- 
tischer Anordnung  gebracht,   so  gibt  sie  nun  einen  Überblick  über  die 


1)  Reichs-Kolonialamt.  Behandlung  der  einheimischen  Bevölkerung  in  den 
kolonialen  Besitzungen  Deutschlands  und  Englands.  Eine  Erwiderung  auf  das 
englische  Blaubuch  vom  August  1918:  Report  on  the  natives  of  South-West  Africa 
and  their  treatment  by  Germany.     Berlin  1919.     Auch  in  englischer  Ausgabe. 


26       Protest  der  Gesellschaft  für  Erdkunde  gegen  die  Ausstoßung  Deutschlands  usw. 

Handlungsweise  von  England  in  Ägypten,  Mittelafrika,  Südafrika, 
Australien  und  Britisch -Indien.  Dem  Fachmann  bietet  sie  dabei  im 
einzelnen  nichts  Neues;  denn  sie  stützt  sich  nur  auf  allgemein  zu- 
gängliche, meist  englische  Quellen.  Solche  sind  nicht  gerade  spärlich; 
denn  das  muß  zur  Ehre  des  englischen  Volkes  gesagt  werden,  daß  es 
immer  Männer  und  Frauen  gegeben  hat,  welche  die  Brutalität  englischen 
Vorgehens  in  seinen  Kolonien  offen  dargelegt  und  bekämpft  haben. 
In  der  Zusammenfassung  dieses  bekannten  Materials  liegt  die  Stärke 
der  deutschen  Denkschrift.  Sie  zeigt  uns,  wie  vernachlässigt  das 
ägyptische  Volk  unter  englischer  Herrschaft  geblieben  ist.  Unschwer 
wird  es  der  Denkschrift  hier,  die  Abbildung  einer  engHschen  Hin- 
richtung zu  geben,  nämlich  von  der  bekannten  von  Denshawai,  wo 
vier  Ägypter  ihr  Leben  lassen  mußten,  weil  sie  englische  Offiziere 
geprügelt  hatten,  die  ihnen  ihre  Tauben  wegschössen.  Sie  gibt  einen 
Einblick  in  die  Grausamkeiten,  welche  sich  die  englische  Herrschaft  bis 
in  die  allerjüngste  Zeit  an  der  Guineaküste  zuschulden  kommen  ließ,  und 
zeigt  uns  die  Abbildung  der  Katze,  der  berüchtigten  Drahtpeitsche,  die 
dort  alltäglich  in  Anwendung  kommt,  ebenso  wie  das  In-die-Kette-legen. 
Die  Denkschrift  legt  dar,  wie  die  Bevölkerung  von  Nigerien  und  Sierra 
Leone  durch  den  Schnaps  zugrunde  gerichtet  wird,  der  in  den  Jahren 
1901/02  Nigerien  beinahe  zwei  Drittel  seiner  Einnahmen  gewährte.  Sie 
berichtet  weiter  von  den  Negerjagden  in  Unyoro,  von  denen  Major 
Th  urston  sagt,  daß  er,  von  den  Raubeinfällen  und  Mördereien  an- 
geekelt, aufatmete,  als  er  damit  fertig  war.  Darauf  wird  Englands  Unrecht 
am  Burenvolk  nach  J,  C.  S  m  u  t  s  geschildert,  der  im  Burenkriege  so 
erfolgreich  gegen  die  Engländer  kämpfte  und  eine  Zeitlang  in 
Ostafrika  das  englische  Kommando  führte.  In  Erinnerung  werden 
uns  gerufen  die  schrecklichen  Zustände  in  den  Konzentrationslagern 
der  Buren,  das  Elend  der  Frauen  und  Kinder  daselbst,  deren  26  .379 
verstorben  sind  —  mehr  als  ein  Viertel  der  Internierten.  Diese  Zahl 
verliert  nichts  an  erschütternder  Bedeutung  dadurch,  daß  sie  heute 
bei  weitem  durch  eine  andere  übertroffen  wird:  beläuft  sich  doch  die 
Zahl  der  Opfer  der  Hungerblockade,  die  England  über  uns  verhängt 
hat,  auf  rund  8 00  000  Männer,  Frauen  und  Kinder.  Der  80.  Teil 
unseres  Volkes  ist  während  der  letzten  vier  Jahre  an  Erschöpfung  oder 
Hunger  gestorben.  Es  kommt  die  Denkschrift  weiter  auf  die  Be- 
handlung der  Eingeborenen  von  Westaustralien,  wozu  der  Erzbischof 
von  Canterbury  äußerte,  daß  die  einschlägigen  Feststellungen  in  den 
Annalen  der  britischen  Verwaltung  in  der  ganzen  Weltgeschichte 
einzig  daständen.  Etwas  dürftig  wird  der  Untergang  der  Tasmanier 
behandelt,  die  im  Laufe  von  50  Jahren  durch  wahre  Menschentreibjagden 
und   Abschießen   der   einzelnen   so   gründhch   ausgerottet   wurden,    daß 


Protest  der  Gesellschaft  für  Erdkunde  gegen  die  Ausstoßung  Deutschlands  usw.        27 

wir  heute  nur  dürftige  Nachrichten  über  ihre  Sprache  und  ihren  an 
die  ältere  Steinzeit  gemahnenden  Kulturzustand  besitzen.  Zum  Schlüsse 
wird  der  Zustände  in  Indien  gedacht.  Bilder,  zum  Teil  englischen 
Zeitungen  entnommen,  rufen  uns  in  Erinnerung  zurück,  wie  vor  6ü  Jahren 
die  Aufständischen  vor  Kanonen  gebunden  und  in  die  Luft  geblasen 
wurden.  Es  ist  eine  erschütternde  Liste  von  Grausamkeiten  und  Ge- 
walttaten, von  erbarmungslosem  Hinmetzeln  von  Menschen  und  jeder 
Nichtachtung  von  Menschenrechten,  die  uns  gegeben  wird.  Wir  möchten 
sicher  sein,  daß  Präsident  Wilson  nach  Durchlesung  der  deutschen 
Denkschrift  nicht  an  England  denken  kann,  wenn  er  sagte:  ,,Die 
Mächte,  an  die  wir  denken,  um  ihnen  das  Mandat  des  Völkerbundes 
in  der  Verwaltung  der  bisherigen  deutschen  Kolonien  anzuvertrauen, 
sind  solche,  die  bereits  erwiesen  haben,  daß  sie  solches  im  Sinne 
hoher  Humanität  ausüben." 

Auch  an  Belgien  kann  Präsident  Wilson  schwerlich  als  zukünftigen 
Verwalter  der  deutschen  Kolonien  gedacht  haben:  zu  lebhaft  sind  noch 
die  Kongogreuel  in  aller  Erinnerung.  Aber  auch  die  Vereinigten  Staaten 
von  Amerika  kann  der  frühere  Professor  der  Geschichte  zu  Princeton 
nicht  ins  Auge  gefaßt  haben;  denn  die  Besetzung  der  heutigen  Ver- 
einigten Staaten  durch  die  weiße  Bevölkerung  geschah  in  stetem  Kampfe 
mit  den  Indianern,  wobei  diese  stetig  zurückgedrängt,  ihr  Land  ge- 
nommen und  sie  selbst  vielfach  ganz  ausgerottet  wurden.  Bancrofts 
bändereiche  Geschichte  der  Vereinigten  und  Pazifischen  Staaten  kommt 
immer  wieder  auf  grausame  Indianerkriege  zurück.  ,,Es  kann  kein 
Zweifel  bestehen,  daß  die  Spanier  die  Eingeborenen  gerechter  be- 
handelten als  Engländer  und  Amerikaner",  ruft  er  einmal  aus.  ,,Ein 
Jahrhundert  der  Unehre"  ist  der  Titel  des  Buches,  in  dem  Helen 
Hunt  Jackson  zunächst  anonym  die  Aufmerksamkeit  auf  die  fort- 
gesetzten Greuel,  ausgeübt  an  Indianern,  lenkte.  Jahre  vor  dem  Kriege 
hat  ein  deutscher  Ethnologe,  Georg  Friederici,  in  einem  lesens- 
werten Büchlein  diesen  Gegenstand  in  streng  wissenschaftlicher  Weise 
behandelt^). 

Bis  zum  Schlüsse  des  19.  Jahrhunderts  haben  im  fernen  Westen 
die  Indianerkriege  gedauert.  Erst  als  die  letzten  Stämme  in  Reserva- 
tionen seßhaft  gemacht  worden  waren  und  die  ursprüngliche  Bevölkerung 
auf  geringe  Reste  zusammengeschmolzen  war,  begann  Ruhe  und  wurden 
Zustände  hergestellt,  welche  die  amerikanische  Intelligenz  seit  langem 
verlangt  hatte.  Mehr  als  ein  Jahrhundert  hat  es  gedauert,  bis  sich  diese 
humaneren  Gesichtspunkte  zur  Geltung  brachten.  Aber  schon  nach 
dreißig  Jahren   deutscher  Herrschaft  wurden   sie   in  Südwestafrika  vom 


')  Indianer  und  Angloamerikaner,  Braunschweig  1900. 


28       Protest  der  Gesellschaft  für  Erdkunde  gegen  die  Ausstoßung  Deutschlands  usw. 

Gouverneur  Seitz  in  einem  vertraulichen  Schreiben  den  Bezirks- 
amtmännern und  Distriktchefs  auf  das  eindringlichste  nahegelegt,  wie 
wir  aus  dem  englischen  Blaubuche  erfahren.  Die  Sache  ist  hier  wie 
da  dieselbe.  An  der  Grenze  der  höheren  Zivilisation  spielen  sich  un- 
erfreuliche Dinge  ab,  welche  mehrfach  untersuchte  Kontakterscheinungen 
höherer  und  niederer  Kultur  sind ').  Sie  werden  von  der  InteUigenz 
des  Volkes  höherer  Kultur  auf  das  schärfste  verurteilt.  Der  Unterschied 
ist  lediglich  der,  daß  sich  dieser  Standpunkt  bei  den  Regierungen  der 
beiden  großen  angelsächsischen  Völker  viel  langsamer  zur  Geltung  ge- 
bracht hat  als  beim  deutschen.  Die  Geschichte  angelsächsischer  Kolo- 
nisation hat  daher  viele  Bände  voll  von  dunklen  Seiten,  wie  jeder 
Historiker  und  Geograph  weiß.  Kein  sittlich  empfindender  Mensch 
wird  jene  unerfreulichen  Erscheinungen  billigen;  aber  Völker,  die  un- 
gesühnte  Schuld  tragen  an  der  fast  gänzlichen  Ausrottung  der  ein- 
geborenen Bevölkerung  in  Australien  und  Nordamerika,  am  Untergänge 
tüchtiger  zentralafrikanischer  VörkerS)  und  an  der  überaus  blutigen 
Niederwerfung  der  Bantuvölker  Südafrikas,  welche  Schuld  tragen  an 
dem  Opiumkriege  in  China,  an  den  Qualen  von  Indien,  an  dem  Ge- 
metzel von  Omdurman,  an  den  Greueln  im  Kongostaat  und  an  dein 
Hinsterben  Zehntausender  hilfloser  Burenfrauen  und  -kinder,  haben 
nicht  das  Recht,  Richter  zu  sein  über  uns. 

Jeder  Geograph  weiß,  daß  die  deutschen  Kolonien  in  den  dreißig 
Jahren  ihres  Bestehens  zu  rascher  Blüte  emporgehoben  worden  sind. 
Sie  sind  erforscht  worden  nach  Oberflächengestalt,  Aufbau,  Klima, 
Pflanzenwelt  und  Bevölkerung.  Unter  deutschem  Schutze  waren  die 
Verhältnisse  der  Eingeborenen  vor  Ausbruch  des  Krieges  wohlgeordnet, 
ihre  wirtschaftliche  und  kulturelle  Entwickelung  schritt  rasch  voran. 
Das  haben  hervorragende  Sachkenner  aus  den  Reihen  unserer  Feinde 
in  den  Zeiten  ruhiger  Überlegung  wiederholt  anerkannt.  Die  Denk- 
schrift des  Kolonialamtes  bringt  dafür  eine  Menge  Belege.  ,,Von  allen 
Schutzherren  in  Afrika  hat  der  Deutsche  die  reinsten  Hände  und  die 
besten  Aussichten",  schrieb  191 1  der  Amerikaner  Forbes.  Daß  sich 
diese  Urteile  unserer  Feinde  im  Laufe  des  Krieges  über  unsere  kolo- 
nisatorischen Fähigkeiten  vielfach  geändert  haben,  ist  uns  wohlbekannt. 
Aber  eine   Sache   wird    dadurch    nicht    schlechter,    daß   sie   bei  einem 


1)  Die  letzte  Untersuchung  rührt  von  K.  S  a  p  p  e  r  her.  Die  Bedrohung  des 
Bestandes  der  Naturvölker  und  die  Vernichtung  ihrer  Eigenart.  Archiv  für  Rassen- 
und  GescUr-chaftsbiologie.     1916  17.     Heft  3/4. 

2)  Nach  Pater  van  der  Bürgt  ist  die  Bevölkerung  Ugandas  seit  dem  Kriege 
bis  1917  um  etwa  200000  zurückgegangen  und  sind  im  Nyassagebiet  an  Seuchen. 
Hunger  und  dem  Trägerwesen  gleichfalls  200  000  Neger  zugrunde  gegangen.  Brinck- 
mann  a.  a.  O.  S.  350. 


W.  Behrmann:    Die  Landschaften  Rumäniens.  29 

Stimmungswechsel  schlecht  beurteilt  wird.  Es  ist  Aufgabe  der  Wissen- 
schaft, hier  an  der  Wiederherstellung  der  Wahrheit  zu  arbeiten.  Aus 
dieser  Erwägung  heraus  schlage  ich  Ihnen  die  Annahme  der  folgenden 
Erklärung  vor: 

Die  Gesellschaft  für  Erdkunde  zu  Berlin  legt  feierlich  Verwahrung 
dagegen  ein,  daß  dem  deutschen  Volke  von  seinen  Feinden  die 
Fähigkeit  und  Gewissenhaftigkeit  abgesprochen  wird,  auch  ferner 
Anteil  zu  haben  an  der  Kolonisation  und  der  Hebung  rückständiger 
Völker.  Deutschlands  Fähigkeit,  zum  Wohle  der  Menschheit  zu 
kolonisieren,  ist  durch  die  Blüte  bewiesen,  zu  der  es  seine  Kolonien 
vor  Ausbruch  des  Krieges  gebracht  hatte  und  durch  die  Ergebnisse 
seiner  humanen  Eingeborenenpolitik,  wie  sie  besonders  in  der  Treue 
der  Eingeborenen  Deutsch-Ostafrikas  während  des  Krieges  in  schlagen- 
der Weise  hervorgetreten  sind.  Deutschland  aus  der  Reihe  der 
kolonisierenden  Mächte  zu  stoßen,  wäre  Vergewaltigung,  niemals  Recht. 
Diese  Protesterklärung  wurde  von  der  aus  über  lOOO  Teilnehmern 
bestehenden  Versammlung  einstimmig  angenommen. 


Die  Landschaften  Rumäniens^). 

Vortrag  geiialten  in  der  allgemeinen  Sitzung  am  12.  Oktober  1918. 
Von  Dr.  W.  Behrmann. 

Nach  der  Eroberung  Rumäniens  durch  das  deutsche  Heer  betrachtete 
die  Militärverwaltung  und  nach  ihrer  Auflösung  das  Oberkommando 
des  Besatzungsheeres  als  eine  ihrer  wesentlichen  Aufgaben,  deutsches 
geistiges  Leben  im  eroberten  Gebiete  zu  pflegen.  Diese  umfassende, 
vielseitige  Arbeit  wurde  der  Druck-  und  Büchereistelle  übertragen, 
welche  in  ihren  verschiedenen  Abteilungen,  wie  Buchhandelsabteilung, 
Bildungswesen,  Archiv  und  Bibliothek,  Hochschulkurse  usw.  die  Auf- 
gabe zu  erfüllen  hatte.  Als  nun  der  Plan  hervortrat,  eine  Landeskunde 
von  Rumänien  zu  schaffen,  fand  die  Anregung  gut  vorbereiteten  Boden. 
Der  Plan  wurde  aufgenommen,  ja  sogar  erweitert,  indem  der  Druck- 
und  Büchereistelle  ganz  allgemein  „die  Förderung  deutscher  wissen- 
schaftlicher Forschungsarbeit"  übertragen  und  ihre  ,, einheitliche  Zu- 
sammenfassung" von  der  Militärbehörde  gebilligt  wurde.  So  wurde 
Anfang  April  1918  eine  Abteilung  Landeskunde  gegründet,  die  die 

')  Die  Ausführungen  stützen  sich  auf  ausgedehnte  Reisen,  die  in  den  besetzten 
Teilen  Rumäniens  unternommen  wurden.  Es  sollen  im  folgenden  nur  die  Land- 
schaften behandelt  werden,  die  selbst  gesehen  worden  sind,  da  nur  durch  Beobachtung 
eine  geeignete  Grundlage  geograpbischer  Betrachtung  gewonnen  wird.  Aus  leicht 
verständlichen  Gründen  wird  die  Moldau  darum  nicht  in  den  Kreis  der  Betrachtungen 
gezogen. 


30  W-  Behrmann: 

Erforschung  des  Landes  zur  Aufgabe  hatte.  Die  erste  Anregung  zur 
Gründung  der  Abteilung  Landeskunde  hat  Geheimrat  Prof.  Dr.  A.  Penck 
gegeben,  die  sofort  von  seiner  Exzellenz  dem  Herrn  Militärgouverneur 
Tuelff  V.  Tschepe  und  Weidenbach  in  ihrer  Bedeutung  erkannt  wurde. 
Die  Aufgabe,  die  sich  die  Abteilung  Landeskunde  gestellt  hatte, 
konnte  durch  die  Ereignisse  der  letzten  Monate  nicht  voll  erfüllt  werden. 
Doch  ist  zu  hoffen,  daß  die  einzelnen  Mitarbeiter  ihre  gemachten 
Beobachtungen  und  Forschungen  an  geeigneten  Orten  veröffentlichen 
werden.  Der  nachfolgende  Vortrag  soll  nur  einen  ersten  Überblick 
über  die  rumänischen  Landschaften  bieten. 


Das  besetzte  Rumänien  wird  im  Norden  von  dem  S-förmigen 
Doppelbogen  der  Karpathen  begrenzt,  im  Süden  von  der  Donau  um- 
spült, die  zuerst  nach  Süden  schwingt,  um  dann  den  Bogen  der  Kar- 
pathen noch  einmal  getreu  zu  wiederholen.  Karpathen  und  Donau  be- 
herrschen das  Land  in  solcher  Weise,  daß  man  es  kurz  als  Zwischen- 
land  zwischen   diesem    Gebirge    und   dem   Strome   kennzeichnen   kann. 

Das  Gebirge  ist  die  Wiege  des  Landes,  aus  dem  es  entstand.  Von 
ihm  brachten  die  Flüsse  das  Gesteinsmaterial,  das  den  Boden  des 
Landes  bildet,  im  Mittelalter  der  Erde  ebenso  wie  heute,  wenn  auch 
im  Laufe  der  Zeiten  sowohl  das  Gebirge  wie  der  Hauptfluß  nach  Süden 
gerückt  sind  und  stets  neue  Gebiete  in  die  Gesetze  ihrer  Wechsel- 
beziehungen hineingezogen  haben.  Wie  in  geologischer  Vergangenheit, 
so  schiebt  sich  noch  heute  das  Gebirge  nach  Süden  vor,  indem  die 
angrenzenden  Teile  der  Ebene  gehoben  werden  und  so  zum  Gebirge 
werden.  Erdbeben  am  Rande  des  Gebirges  bezeugen,  daß  noch  keine 
Ruhe  eingetreten  ist.  Im  Gebirge  ruhen  die  reichen  Schätze  des  Landes. 
Die  Römer  lockte  das  Gold  des  Altflusses  an.  Petroleum  und  Salz 
sind  heute  die  wertvollen  Produkte  der  rumänischen  Wirtschaft.  Im 
Gebirge  wurzelt  das  kräftige  Volkstum  der  Rumänen,  in  der  Wildnis 
der  Bergwälder  fanden  sie  Schutz  vor  den  Stürmen  der  Völkerwanderung 
und  Türkenkriege.  Auf  den  Hochweiden  der  Karpathen  hat  sich  bis 
auf  den  heutigen  Tag  in  mittelalterlicher,  ja  fast  vorzeitlicher  P'orm  ein 
Hirtentum  bewahrt  von  einer  gesunden  Kernwüchsigkeit,  die  der  neu- 
zeitlichen Halbkultur  der  Ebenenstädte  und  der  erhasteten  Überkultur 
der  Hauptstadt  sympathisch  widerspricht.  Das  Pflanzenreich  und  die 
Tierwelt  ist  noch  heute  im  Gebirge  in  ursprünglicher  Form  erhalten. 
Hier  finden  sich  z.  B.  die  großen  Raubtiere  in  noch  weit  größerer 
Zahl  als  man  in  Europa  erwarten  sollte.  Für  Verkehr,  Handel  und 
für  die  anderen  Kulturerrungenschaften  trennt  der  Kamm  der  Kar- 
pathen als  scharfe  Scheidewand  Rumänien  von  dem  übrigen  Mittel- 
europa.    Er  wäre   eine   noch   schärfere   Grenzlinie,    wenn   nicht  Flüsse 


Die  Landschaften  Rumäniens.  31 

in    einzelnen    leicht    gangbaren    Pforten    das    Gebirge    mitten    durch- 
querten. 

Die  Donau,  die  den  südlichen  Grenzsaum  des  Landes  bildet,  ist 
die  Hauptverbindung  der  rumänischen  Ebene  mit  Ungarn  und  Mittel- 
europa.. Ihrem  Durchbruchstal  folgt  die  wichtigste  Eisenbahnlinie.  Ihr 
Bett  ist  der  tiefste  Punkt  des  Landes,  zu  dem  die  Flüsse  strömen,  und 
in  dem  sie  ihre  Transportkraft  erschöpfen.  Ihre  geologische  Geschichte 
ist  daher  die  Geschichte  der  ganzen  unteren  Ebene.  Als  deutlicher 
Grenzsaum  trennt  sie  Rumänien  von  dem  Balkan  und  wäre  geeignet, 
dem  Lande  eine  ruhige  Abgeschlossenheit  zu  sichern,  Sie  verbindet 
aber  Rumänien  mit  Mitteleuropa  und  dem  Meere  und  kann  so  die 
Quelle  des  Wohlstandes  werden,  auf  der  die  Früchte  der  Ebene  und 
die  nicht  minder  reichen  Produkte  des  Gebirges  den  Weltmarkt  er- 
reichen. Der  Fischreichtum  der  Donau  ist  dank  des  hohen  wissen- 
schaftlichen Standes  seiner  Ausbeutung  zu  einem  wichtigen  Faktor  der 
Volksernährung  des  Landes  geworden. 

Nur,  wo  weder  Donau  noch  Karpathen  das  Land  im  Nordosten 
umsäumen,  liegt  es  offen  zur  südrussischen  Ebene,  deren  Einfluß  sich 
daher  bis  weit  ins  Land  hinein  bemerkbar  macht.  Wenn  wir  ganz  ab- 
sehen von  Kultur,  Religion  und  Politik  und  nur  bei  der  Natur  des 
Landes  bleiben,  so  ist  für  das  Klima  gerade  dieser  offene  Winkel  von 
ausschlaggebender  Bedeutung.  Von  hier  kommt  der  vorherrschende 
Wind.  Der  kontinentale  Charakter  der  heißen  Sommer  und  kalten 
Winter  wurzelt  hier.  Daher  nehmen  mit  Annäherung  an  diesen  Punkt 
die  Steppen  immer  größeren  Raum  ein.  Ihr  fruchtbarer  Lößboden 
bringt  dem  Lande  Überfluß  oder  Hunger,  je  nach  Gunst  oder  Ungunst 
des  Klimas,  während  im  geschützten  Winkel  zwischen  W^estkarpathen 
und  Donau,  in  Oltenien,  gleimäßigeres  Klima  bei  schlechterem  Boden 
nicht  so  reiche,  aber  dafür  um  so  gesichertere  Ernten  verspricht. 

Bei  dem  kurzen  Überblick,-  der  im  Rahmen  eines  Vortrages  die 
wechselvollen  Landschaften  Rumäniens  an  uns  vorüberführen  soll, 
beginnen  wir  mit  der  Donau  und  der  von  ihr  unmittelbar  geborenen 
Landschaft. 

Die  Donau  hat  oberhalb  und  unterhalb  des  Eisernen  Tores  ein 
wesentlich  verschiedenes  Aussehen.  In  der  ungarischen  Tiefebene 
fließt  sie  im  gleichen  Niveau  der  Oberfläche  und  spaltet  sich  oftmals, 
zahlreiche  Inseln  umfließend.  LTnterhalb  ihres  Durchbruchs  im  Eisernen 
Tor  dagegen  liegt  sie  beträchtlich  unterhalb  des  allgemeinen  Niveaus, 
sie  strömt  in  eingesenkten  Mäandern,  eine  Laufform,  die  sie  bis  etwas 
unterhalb  Calafat  innehält.  Zwar  sind  auch  hier  die  Inseln  innerhalb 
des  Stromes  noch  nicht  verschwunden.  Dem  hohen  rumänischen  Ufer 
steht  an  bulgarischer  Seite  ein  ebenso  hohes  Ufer  in  weiter  Entfernung 


32  W.  Behrmann: 

gegenüber.  Weiter  stromab  ändert  sich  das  Bild.  Die  Donau  folgt  im 
allgemeinen  einem  Bruch,  an  dem  die  bulgarische  Platte  gegenüber 
der  rumänischen  Ebene  gehoben  ist.  Nur  an  einzelnen  Stellen  verläßt 
sie  die  Bruchlinie.  Da  die  Donau  aber  ein  breiter  und  breiter  werdendes 
Tal  ausbildet,  das  durch  eine  Senkung  des  ganzen  Landes  langsam  mit 
Alluvionen  aufgefüllt  worden  ist,  so  ist  die  alte  Bruchlinie  unter  den 
Anschwemmungen  verhüllt  und  nur  beim  Bau  des  Hafens  von  Giurgiu 
und  bei  der  großen  Cernavoda-Brücke,  die  den  Seehafen  Constan^a  mit 
Rumäniens  Hauptstadt  verbindet,  durch  Bohrungen  zutage  getreten. 

Das  aufgeschüttete  weite  Strombett  der  Donau,  Balta  genannt, 
umsäumt  als  eine  charakteristische  Landschaft  ganz  Rumänien.  Es  ist 
ein  amphibisches  Land,  welches  in  der  Hauptzeit  des  Jahres  trocken 
liegt,  bei  den  Frühjahrshochwassern  aber  weit  überschwemmt  ist.  Nur 
einzelne  Weidenbäume  ragen  dann  aus  der  weiten  Wasserfläche  heraus, 
die  Zufluchtstätte  der  ganzen  Kleintierwelt  der  Balta.  In  ganz  trockenen 
Jahren  nur,  wie  in  diesem  Frühjahr,  ist  die  Balta  völlig  wasserlos.  Im 
Allgemeinen  befinden  sich  seitliche  Überschwemmungsseen  in  ihrem 
Gebiete,  der  Tummelplatz  vieler  Wasservögel,  die  durch  den  Fisch- 
reichtum dieser  Gewässer  angezogen  sind.  Die  Überschwemmungs- 
seen sind  durch  einzelne  Wasserläufe,  Girla  genannt,  mit  der  Donau 
verbunden.  Je  nach  dem  Wasserstande  des  Hauptflusses  wechselt  die 
Richtung  des  strömenden  Wassers  in  ihnen.  Zur  Trockenzeit  zeigt 
nur  eine  Reihe  von  Wasserlachen,  in  die  sich  die  Flußtiere,  wie  Schild- 
kröten, zurückgezogen  haben,  den  Lauf  an,  den  die  Entwässerungsader 
nahm.  Die  alten  Weiden  an  ihren  Ufern  sind  bis  zu  i  m  Höhe  ent- 
laubt, da  bis  zu  dieser  Höhe  die  Überschwemmungen  zu  steigen  pflegen, 
nur  Luftwurzeln  ragen  tiefer  hinab.  Die  Donau  und  sämtliche 
Seitenbäche  haben  ihre  Alluvionen  in  unmittelbarer  Nähe  des  Flußlaufs 
am  meisten  angehäuft,  so  daß  alle  durch  einen  niedrigen,  flachen, 
natürlichen  Damm  von  dem  tieferliegenden  Lande  getrennt  sind.  Um 
Gärten  des  umliegenden  Landes  zur  Trockenzeit  zu  bewässern,  müssen 
Schöpfräder  gebaut  werden,  in  deren  Bau  die  Bulgaren,  die  Gärtner 
Rumäniens,  sich  besonders  auszeichnen.  Im  Allgemeinen  dient  die 
Zone  der  Balta  als  Weide,  sie  ist  siedelungslos,  nur  ganz  wenige 
Fischerhütten  finden  sich  auf  den  Flußdämmen.  Wanderzigeuner,  die 
zur  Bestellung  einzelner  Acker  herangezogen  werden,  haben  zur 
Trockenzeit  ihre  Zelte  auch  in  der  Balta  aufgeschlagen.  Die  Be- 
völkerung sitzt  vielmehr  am  Rande  der  Balta. 

Die  ganze  weite  Tallandschaft  der  Donau  liegt  eingebettet  unter- 
halb der  rumänischen  Ebene.  An  dem  Abfall  der  Ebene  zur  Balta 
und  auf  den  einzelnen  Terrassen  an  diesem  Abfall  befinden  sich  die 
Dörfer.     Hier   an   der   Grenzzone    zwischen    der    höheren   Fruchtebene 


Die  Landschaften  Rumäniens.  33 

und  dem  tiefer  liegenden  Weidelande  reihen  sich  die  Dörfer  auf, 
angelockt  durch  die  günstigen  Bedingungen  beider  Gebiete,  durch  den 
Fischreichtum  der  Donau  und  durch  das  gute  Quellwasser,  welches  am 
Rande  zur  Balta  überall  heraustritt.  Im  Allgemeinen  ist  der  Abfall 
zur  Donau  terrassenförmig  aufgebaut  oder  sanft  geböscht.  Nur  weiter 
unterhalb  am  Rande  der  Baragansteppe,  wo  der  Seitenarm  der 
Donau,  Borcea,  das  Lößplateau  bespült,  steht  dieses  durchlässige  fein- 
körnige Gesteinsmaterial  in  steilen  Wänden  an.  Tiefe  Schluchten  haben 
den  Rand  ausgefranst.  Sie  können  die  Wassermassen  der  seltenen, 
aber  mächtigen  Platzregen  nicht  bergen.  Diese  sickern  ein,  fließen, 
unterirdisch  und  reißen  an  dem  Ausgang  fast  aller  Schluchten  Höhlen 
in  den  Löß. 

Die  Donau  ist  die  Erosionsbasis  für  sämtliche  ihr  zuströmenden 
Nebenflüsse.  In  dem  Maße,  wie  die  Donau  tiefer  liegt  als  die  ru- 
mänische Ebene,  sind  alle  Seitenflüsse  und  Bäche  gezwungen,  ihre 
Betten  zu  vertiefen.  Die  rumänische  Ebene  besteht  also  nicht  aus 
einer  tischgleichen  Fläche  —  diese  finden  wir  nur  in  einzelnen 
Partien  Olteniens  und  in  der  flußarmen  Baragansteppe  —  sondern  ist 
eine  von  den  Flüssen  zerschnittene  Ebene.  Da  die  Erosion  rückwärts 
sich  einfrißt,  sind  die  Täler,  je  weiter  wir  uns  von  der  Donau  ent- 
fernen, desto  weniger  eingeschnitten.  Die  Grenze,  bis  zu  der  diese 
Verjüngung  der  Ebene  rückwärts  geschritten  ist,  verläuft  etwa  20  km 
nördlich  Bukarest  parallel  zur  Donau.  Nördlich  dieser  Linie  fließen 
sämtliche  Gewässer  im  Niveau  der  Ebene.  Der  Grundwasserspiegel 
rückt  hier  nahe  an  die  Oberfläche.  Dieses  Land  gehört  zu  den  frucht- 
barsten Partien  Rumäniens.  Die  Bevölkerung  sitzt  auf  der  ganzen 
Fläche  verteilt.  Die  Nähe  des  Gebirges  bringt  aber  häufige  Hoch- 
wasser, die  Flüsse,  die  nicht  eingeschnitten  sind,  können  leicht  ihren 
Lauf  verändern,  so  daß  in  dieser  Zone  Flußverlegungen  in  der  Vorzeit, 
aber  auch  noch  heute  häufig  eingetreten  sind.  Südlich  der  Linie,  bis 
zu  der  die  Erosion  rückwärts  sich  fraß,  spiegeln  sämtliche  Flüsse  das 
Bild  der  Donau  im  Kleinen  wieder.  Wie  der  Hauptfluß  haben  auch 
sie  sich  in  mehreren  Perioden  eingeschnitten,  bis  in  der  Jetztzeit, 
genau  wie  bei  der  Donau,  die  Einschneidungsperiode  von  einer  Auf- 
schüttungszeit abgelöst  ist.  Unterhalb  und  oberhalb  Bukarests  fließt 
z.  B.  die  Dämbovita  durch  saftige  Wiesen  20  bis  30  m  unter  der  rumä- 
nischen Ebene.  Die  Aue  des  Flusses,  die  Lunca,  dient  dem  Weide- 
betrieb, die  Hochfläche  dem  Ackerbau.  Da  aber  der  Grundwasserspieo-el 
in  dem  Niveau  der  Flüsse  tief  unter  der  Ebene  liegt,  kann  mit  einer 
guten  Ernte  nur  gerechnet  werden,  wenn  im  Frühling  zur  Zeit  des 
Keimens  genügender  Regen  fällt.  Die  Witterung  kurzer  Wochen 
entscheidet    über    Mißernte    und    Hungersnot    oder    reiche    Ernte    und 

Zeitschr.  d.  Gesellsch.  f.  Erdkunde  zu  Berlin.     1919.     Nr.  1/2.  3 


34  W.  Behrmann 

Überfluß  an  allen  Dingen.  Die  Bevölkerung  zieht  sich  in  lang- 
gestreckten Dörfern  am  Rande  der  Flußiäler  an  der  Grenze  dieser 
Fruchtebene  zum  Wasser  zusammen.  Bukarest  baut  sich  von  den 
Höhen  der  Ebene  hinunter  zur  Aue  der  Dämbovi^a  und  am  andern 
Ufer  wieder  hinauf.  Ein  alter  Umlaufberg  trägt  das  Hauptheiligtum 
der  Stadt,  die  Metropolitankirche.  Zu  den  Vorstädten,  bis  zu  denen 
die  Wasserversorgung  nicht  vorgedrungen  ist,  muß  bei  dem  tiefen 
Grundwasserspiegel  in  primitivster  Weise  das  Trinkwasser  in  einzelnen 
Karren  herangeführt  werden.  Das  gleiche  Bild  wie  die  Umgebung  von 
.Bukarest  bietet  die  Ebene  bis  zum  Alt  nach  Westen  und  bis  zur  ein- 
förmigen Baragansteppe  im  Osten.  Westlich  des  Alt  haben  die  großen 
Hauptflüsse  Alt  und  Jiu  abseits  der  Donau  die  Gewässer  bereits 
gesammelt.  Nur  diese  beiden  Flüsse  haben  breite  Tallandschaften 
ausgebildet,  die  aber  im  wesentlichen  nur  ein  Zwischenglied  zwischen 
der  breiten  Balta  der  Donau  und  der  schmalen  Lunca  eines  der  Seiten- 
flüsse in  Muntenien  sind. 

Die  Ebene  ist  entstanden  durch  die  Anschwemmungsprodukte,  die 
seit  undenklichen  Zeiten  Flüsse  von  einem  Gebirge  weit  im  Norden 
hinabführten.  Die  Geschichte  der  rumänischen  Ebene  ist  durch  lange 
Zeitalter  hindurch  ähnlich  gewesen.  Ein  hohes  Gebirge  im  Norden 
wurde  abgetragen,  die  Produkte  der  Abtragung  wurden  in  einer  weiten 
Depression  im  Süden  abgelagert.  Nicht  immer  ist  bei  der  Aufschüttung 
eine  gleichförmige  Ebene  entstanden.  Zeitweilig  ist  das  Meer  tiefer 
nach  Rumänien  hinein  vorgedrungen,  zeitweilig  haben  einzelne  Brack- 
wasserlagunen, auch  Süßwasserseen,  sich  innerhalb  der  Ebene  erhalten. 
Durch  die  ganze  Geschichte  aber  zieht  sich  der  Gegensatz  der  großen 
Tiefenlinie  im  Süden  und  des  hohen  Gebirges  im  Norden.  Da  die 
Ebene  aus  den  Ablagerungsprodukten  aufgebaut  ist,  besteht  sie  also  in 
ihrem  Untergrunde  aus  Lehmen,  Sanden,  Kiesen  und  Schottern  in 
steter  Abwechslung.  Dazu  tritt,  von  den  Winden  abgelagert,  eine 
dichte  Lößdecke,  die  sich  von  Osten  her  über  die  Ebene  gebreitet  hat 
und  heute  die  mehr  und  mehr  unter  die  Kultur  genommene  Baragan- 
steppe zusammensetzt. 

Donau  sowohl  wie  Gebirge  sind  im  Laufe  der  Zeiten  nach  Süden 
gerückt.  Was  also  früher  Ebene  w^ar,  ist  in  späteren  Zeiten  erneut 
zum  Gebirge  geworden.  Die  Aufschüttungskegel,  die  flach  und  lang- 
gestreckt vom  Gebirge  herunterführten,  sind  neuerdings  gehoben  worden. 
Selten  kann  man  an  einem  Gebirge  den  Übergang  von  der  Ebene  zu 
den  ersten  Anfängen  der  Gebirgserhebung  so  gut  studieren,  wie  am 
Vorland  der  Karpatiien.  An  der  Jalomi^a  zum  Beispiel  erhebt  sich  bei 
T4rgovi§te  sanft  die  Ebene,  sie  steigt  ganz  gleichförmig  an,  ist  erst 
nur  wenige  Meter  über  dem  Fluß  erhaben,   um,  je  höher  man  den  Fluß 


Die  Landschaften  Rumäniens.  35 

aufwärts  geht,  desto  höher  zu  steigen.  Ebenso  kann  man  am  Buzau 
das  ganz  allmähliche  Aufwärtssteigen  der  Ebene  prächtig  erkennen. 
Diese  Heraushebung  der  Ebene  ist  in  Oltenien  am  wenigsten  stark 
erfolgt.  Je  weiter  man  aber  nach  Osten  fortschreitet,  um  so  schneller 
steigt  die  Ebene  empor,  bis  man  in  der  Umgebung  von  Buzau  von 
einer  Aufrichtung  der  ganzen  Ebene  reden  kann.  Die  Flüsse  haben 
sich  erneut  einschneiden  müssen.  Sie  haben  bei  dem  weichen  Material 
der  alten  Aufschüttungskegel  leichte  Arbeit  gehabt.  Bis  zur  Ermüdung 
wiederholt  sich  in  Rumänien  das  gleiche  Bild:  In  weiter  Tallandschaft 
fließen  sowohl  die  großen  wie  die  kleinen  Flüsse  der  gehobenen  Ebene. 
Unten  im  Tale  finden  sich  langgestreckt  die  Ortschaften,  am  Flusse 
einzelne  Erlen,  weiter  abseits  ausgedehnte  Maisfelder,  Den  Abhang  zu  der 
gehobenen  Ebene  nehmen  Pflaumengärten  ein.  Der  Horizont  wird  an 
beiden  Seiten  begrenzt  durch  die  ganz  geradlinige  Fläche  der  gehobenen 
Ebene,  die  auf  ihrer  weniger  fruchtbaren  Hochfläche  mäßigen  Ackerbau, 
meist  aber  einen  schlechten,  nicht  gepflegten  Wald  trägt.  Steigt  man 
hinauf,  so  könnte  man  vergessen,  daß  man  sich  schon  im  Gebirge 
befindet,  so  eben  und  gleichförmig  liegt  das  gehobene  Land  vor  einem. 
Dieser  Charakterzug  wnrd  selbst  bis  zu  den  Höhen  des  Gebirges  bei- 
behalten. Hier  haben  Hochweiden  den  Wald  verdrängt.  Am  Rande 
der  Weideflächen  allerdings  blickt  man  in  tiefe  Täler  hinunter,  da 
durch  die  Flebung  des  ganzen  Landes  die  Flüsse  gezwungen  wurden, 
sich  tief  einzuschneiden. 

Die  Hebung  der  Ebene  und  somit  das  Einschneiden  der  Flüsse 
erfolgte  in  mehreren  deutlich  zu  trennenden  Perioden,  Die  Ruhe- 
stadien haben  sich  durch  Terrassen  an  den  Seiten  der  Flüsse  aus- 
geprägt. Zwei  Terrassensysteme  sind  überall  deutlich  zu  unterscheiden, 
ein  drittes  kann  oberhalb  an  manchen  Stellen  nachgewiesen  werden. 
An  der  Doftana  können  die  Terrassensysteme  in  hervorragender  Weise 
studiert  werden.  Diese  Stufen  zwischen  dem  Berglande  und  dem  Tale 
eignen  sich  vorzüglich  zur  Anlage  von  Ortschaften,  weil  sie  vor  Hoch- 
wasser sicher  einen  ebenen  Boden  in  der  Nähe  des  Flusses  und  in  der 
Nähe  des  Gebirges  bieten.  Am  ganzen  Alt  und  Jiu  entlang  reihen 
sich  die  Dörfer  auf  diesen  Terrassen  aneinander.  Der  Ort  Campina 
ist  ebenfalls  auf  einer  Terrasse  der  Prahova  angelegt,  die  die  Falten 
des  tertiären  Untergrundes  abschneidet.  Bei  der  stärkeren  Aufrichtung 
der  Ebene  im  Osten  sind  nämlich  östlich  der  Dämbovi^a  selbst  die 
jüngsten  Tertiärschichten  gestaucht  worden  und  in  Falten  gelegt,  Salz 
kam  dadurch  an  die  Oberfläche,  vor  allem  drang  Petroleum  in  Spalten 
und  Falten  nach  oben.  Die  Bohrtürme  für  das  Petroleum,  das  parallel 
zum  Gebirgsverlauf  weithin  ausgebeutet  wird,  liegen  sowohl  auf  der 
Terrasse  wie  unten  im  Tale,  •  • 

3* 


36  ^V.  Behrmann: 

Das  Zwischenglied  zwischen  Gebirge  und  Ebene  ist  also  l^ein 
Hügelland  im  eigentlichen  Sinne,  vielmehr  sind  alte  Aufschüttungs- 
kegel erneut  gehoben  und  diese  ebenen  Plächen  von  den  Flüssen  mehr 
oder  weniger  zerschnitten  worden. 

Durch    die    Zusammensetzung    der    alten  Aufschüttungskegel    und 
durch  die  besonderen  klimatischen  Bedingungen  ist  es  in  diesen  weiten 
Gebieten  Rumäniens   zu   ganz   charakteristischen   Formen   der   Gebirgs- 
abtragung   gekommen,    wodurch    besonders   die    Flanken    der  Täler   an- 
gegriffen  sind.     Lehme,    Sande    und    Schotter,    bei    ihrer  jugendlichen 
Entstehung    meist    lose    übereinander    gelagert,    setzen    die    gehobenen 
Flächen  zusammen.    Wenn  ein  Fluß  sich  erneut  einschneiden  muß,  so 
findet  er  im  Gestein    nur  wenig  Widerstand.     Da   aber  die  Platzregen 
für  das  rumänische  Gebirge  die  charakteristischen  Formen  des  Nieder- 
schlags sind,  so  ist  es  verständlich,  wenn  selbst  die  kleinen  Bäche  sich 
schnell   einschneiden   können.     Sie   treffen   dabei   auf  Schotter,    die   die 
alten    Flüsse    abgelagert    hatten    und   führen    sie   jetzt    erneut    zu   Tal. 
Daher   kommt   es,    daß   die    rumänischen    Bäche   in    ihren  Schottern  er- 
sticken   und   in   trockenen   Zeiten    unterhalb    gewaltiger   Schottermassen 
fließen.    Aber  auch  die  größeren  Flüsse,  wie  zum  Beispiel  die  Prahova 
oder  der  Jiu,  führen  Schottermassen  mit  sich,  die  in  keinem  Verhältnis 
zur  Größe  des  Flusses  stehen.     Während  des  ganzen  Laufes  innerhalb 
der   gehobenen   Ebenen   verwildern    sie   zwischerv  den   Schottermassen. 
Wo    das  Erdreich   an   den  Talhängen   lehmhaltiger   ist,    bilden  sich 
ErdschHpfe    und  Rutschungen    aus,    wie   sie   in    Mitteleuropa    in   dieser 
Großartigkeit   selten    zu    sehen    sind.     Die   Grasnarbe    bricht    los.     Das 
Erdreich   rutscht   bei   starker   Durchfeuchtung   zu  Tal   und    schiebt   sich 
unten  am  Flusse  wulstartig  mit  allen  daraufstehenden  Bäumen,  mit  der 
ganzen  Grasvegetation  zusammen.    Die  sinnlose  Verwüstung  des  Waldes 
bei  der  besonderen  Zusammensetzung  des  Bodens  ist  die  Hauptursache 
dieser  abwärtsrutschenden  Berge.     Ganze  Ortschaften  sind  dadurch  ge- 
fährdet, weil  mit  den  Schlipfen  und  Rutschungen  der  Erde  ganze  Häuser 
zu  Tale   gehen.     Die  Bergrücken   können  durch  die  Rutschungsnischen 
beiderseits    angefressen    und    in    einen    Grat   verwandelt  werden.      Die 
Wege  müssen  sich  an  diese  Grate  halten,   weil  sie  an   den  Bergflanken 
im   Rutschungsgelände   keinen    dauernden    Bestand    hätten.     Diese   Er- 
scheinung  steigert    sich   in   einzelnen   Partien   zu   einer   seltenen   Groß- 
artigkeit.    Wenn    Sande    und    Schotter-  in    größerer   Mächtigkeit    über 
Lehmen    und   Tonen    lagern,    so    wird    das  Wasser    durch    die    oberen 
Schichten  hindurch  gelassen  und  schafft  erst  auf  den  darunter  liegenden 
Schichten  eine  schmierende  Gleitfläche.    Große  Abrißnischen  am  Hange 
des    Berges    zeigen    die'  Stellen    an,    wo   das  Erdreich    abgerutscht   ist. 
Wie  bei  einem  Gletscher  kann  man  eine  karähnliche  Zerslörungsform, 


.  Die  Landschaften  Rumäniens.  37 

die  Abrißnische,  erkennen,  die  mit  der  Aufschüttungsform  unten  im 
Tale  durch  eine  Laufbahn  verbunden  ist.  Fächerartig  breitet  der 
Schuttstrom  im  Tale  seinen  Kegel  aus.  Hier,  wo  auf  dem  Schmier- 
material das  Wasser  austritt,  werden  mit  Vorliebe  die  Pflaumenhaine 
zur  Gewinnung  des  Nationalgetränkes,  des  I'uica-Schnapses,  angelegt. 
Besonders  im  mittleren  Buzau-Tal,  wo  die  Schichten  der  Salzformation 
emporgepreßt  sind,  kann  man  die  Schuttströme  gut  studieren.  Bei 
Paltineni  sowohl  wne  gegenüber  bei  Valea  Lupului  sind  sie  zu  groß- 
artiger Ausbildung  gekommen.  Besteht  aber  das  Gestein  nur  aus 
Granden  und  Sauden  oder,  wie  im  nördlichen  Mehedin^i  häufig,  aus 
einer  tiefen  Verwitterungsrinde  des  Urgesteins,  so  haben  die  Platzregen  des 
kontinentaleren  Klimas  nach  Zerstörung  der  Vegetationsschicht  Runsen 
in  die  Flanken  der  Berge  gerissen  und  badland -La.ndscha.hen  er- 
zeugt, die  zwar  nicht  die  Ausdehnung  nordamerikanischer  Gebiete 
haben,  in  ihrer  Kleinheit  aber  ebenso  unwegsam  sind.  Sie  beschränken 
sich  auf  die  Flanken  der  Berge.  Auch  hier  sieht  man  die  Folgen  der 
schlechten  Waldwirtschaft,  denn  diese  Gebiete  sind  weder  zur  Weide, 
noch  zu  irgend  etwas  anderem  zu  gebrauchen.  Sie  fressen  weiter  und 
weiter  und  vernichten  durch  ihre  leicht  hinabgespülten  Produkte  die 
unterhalb  liegenden  Kulturen. 

Auf  Grund  dieser  Betrachtungen  können  wir  eine  Einteilung  der 
rumänischen  Ebene  nach  morphologischen  Gesichtspunkten  versuchen, 
die  gleichzeitig  der  Bevölkerungsverteilung,  den  Anbauverhältnissen  und 
Verkehrsbedingungen  Rechnung  trägt  (vgl.  Karte  i).  Die  Verjüngungen 
der  Donau  und  ihre  nachträgliche  Auffüllung  schufen  die  Balta  und 
indirekt  die  verjüngten  Täler  Munteniens  und  die  Tallandschaften 
Olteniens,  welch  letztere  ohne  Grenzen  in  die  Verjüngungen  der  sanft- 
gehobenen Aufschüttungsflächen  an  ihren  Seiten  übergehen.  Die  Donau- 
terrassen sind  nur  dort  als  besondere  Landschaften  ausgeschieden,  wo 
sie  durch  ihre  Ausdehnung  weite  Landstriche  einnehmen,  sie  ver- 
schmelzen am  unteren  Alt  mit  der  Terrasse  dieses  Flusses  zu  einer 
Einheit.  Nur  drei  unzerschnittene  Ebenen  weist  das  behandelte  Gebiet 
auf,  die  Ebene  Olteniens  mit  tiefem  Grundwasserstande  und  lang- 
gestreckten, sich  kaum  abhebenden  Dünenzügen,  die  Baragan-  und 
Buzausteppe  mit  durchlässigem  Lößboden,  kaum  merklichen  Auswehungen 
und  Salzlachen  im  Norden  und  endlich  die  unzerschnittene  Ebene 
Munteniens  mit  hohem  Grundwasserstande  und  Flußläufen  im  Niveau 
der  Fläche,  die  darum  oftmals  ihren  Lauf  änderten.  Alle  anderen 
Flächen  des  Landes  sind  zerschnitten,  die  weite  Ebene  Muntenien  durch 
die  Verjüngungen  zur  Donau,  die  Aufschüttungskegel  durch  ihre  neuer- 
liche Heraushebung.  Die  Aufschüttungskegel  wurden  nach  dem  Gebirge 
genannt,  von  dem  sie  ihren  Ursprung  nehmen,  ohne  daß  damit  gesagt 


38 


W.  B  e  h  r  m  a  n  n 


^ 


Die  Landschaften  Rumäniens.  39 

sein  soll,  daß  im  Laufe  der  langdauernden  Aufschüttung  nicht  auch 
Material  von  den  Nachbarbergziigen  gekommen  wäre.  Sie  sind  je 
weiter  nach  Osten,  desto  steiler  gestellt,  bis  man  sie  wohl  besser  als 
Aufrichtungszone  bezeichnet.  Wo  sie  im  Osten  hoch  herausgehoben 
sind,  hat  zwischen  ihnen  und  dem  Gebirge  die  Durchtalung  besonders 
stark  eingesetzt,  die  Bevölkerung  drang  hier  tief  ins  Bergland,  es  ist  eine 
Ausräumungslandschaft,  da  von  der  ursprünglichen  Fläche  wenig  nur 
erhalten  ist.  Im  Westen  hat  eine  leichte  Einbiegung  des  Erdbodens, 
die  subkarpathische  Depression,  die  alten  Schuttkegel  vom  Gebirge 
getrennt,  sie  wird  neuerdings  von  Schuttkegeln  erfüllt.  Endlich  ist 
auf  der  Karte  versucht,  die  Hauptketten  der  Karpathen  darzustellen,  sie 
sind  in  der  Flyschregion  des  Ostens  quer  zum  Gebirge  angeordnet.  Im 
kristallinen  Gebiet  aber  bilden  sie  eine  doppelte  hohe  Scheidewand,  die 
nur  von  Alt  und  Jiu  durchbrochen  wird. 

Man  würde  ein  falsches  Bild  der  Landschaft  Rumäniens  bekornmen, 
wollte  man  nur  bei  der  unbelebten  Natur  bleiben.  In  keinem  Lande 
gehört  die  Bevölkerung  so  sehr  zum  Landschaftsbilde,  wie  gerade 
in  Rumänien.  Der  Grund  liegt  in  der  malerischen  Tracht  der  Bewohner, 
die  sich  noch  fast  überall  in  der  Randzone  zum  Gebirge  in  der 
ursprünglichen  Form  erhalten  hat.  Im  östlichen  Rumänien  ist  sie  ein- 
facher und  schlicht.  Ein  Hemd  und  ein  schwarzes  Tuch  um  die  Hüften, 
dazu  eine  Pelzjacke,  das  ist  die  Kleidung  der  Frauen  im  Buzaugebiete. 
Die  Männer  sind  ebenso  wie  die  Frauen  weiß  gekleidet,  wie  überhaupt 
die  rumänische  Bevölkerung  großen  Wert  auf  weiße,  saubere  Kleidung 
legt.  Ein  Hemd  steckt  in  einer  Flanellhose,  beides  gehalten  durch 
einen  breiten,  oft  farbigen  Gürtel.  An  den  Füßen  tragen  sie  die  Opanken. 
Im  Westen  Rumäniens,  so  in  der  Umgegend  von  Craiova,  zeichnen 
sich  die  Kostüme  der  Frauen  und  Mädchen  durch  besondere  Farben- 
pracht aus.  Sowohl  das  Hemd  wie  die  Doppelschürze,  die  sie  hier 
tragen,  ist  reich  bestickt.  Der  ganze  Kunstsinn  des  Volkes  scheint 
sich  auf  die  Erfindung  neuer  farbenprächtiger,  geschmackvoller  Muster 
eingestellt  zu  haben.  Die  Häuser  des  Gebirges  bestehen  aus  einem 
Blockbau,  welcher  oberflächlich  mit  Lehm  beworfen  und  angekalkt  ist. 
Vor  dem  Hause  haben  wir  zum  Schutze  gegen  die  heiße  Sonne  einen 
Vorbau,  über  den  das  säulengetragene  Hausdach  hinüberreicht  und  aut  dem 
man  sogar  in  w^armen  Nächten  schläft.  DasHaus  der  Ebene  ist  ausP'aschinen 
geflochten  und  ebenfalls  mit  Lehm  beworfen  und  einem  Vorbau  versehen. 
Jährhch  werden  die  Häuser  mindestens  einmal  geweißt  und  sehen  daher 
ebenso  reinhch  aus  wie  ihre  Bewohner.  Im  krassen  Gegensatz  dazu  stehen 
die  zerlumpten  Zigeuner,  die  in  jedem  Dorf  als  Handwerker  ansässig  sind, 
die  als  Landarbeiter  ein  nomadenhaftes  Dasein  führen  oder  als  Holz- 
arbeiter am  Rande  des  Gebirges  in  denkbar  primitivsten  Hütten  leben. 


^Q  W.  Behrmann: 

Betreten  wir  bei  unserni  kurzen  Rundgang  jetzt  das  Karpathen- 
gebirge,  so  spielt  hier  die  Zusammensetzung  der  Gesteine  für  die 
Formen  der  Berge  und  Täler  eine  ausschlaggebende  Rolle.  Von  der 
Prahova  nach  Osten  bestehen  die  Haupthöhen  des  Gebirges  aus  Flysch- 
gestein,  einem  weichen  aus  wechselnden  Lagen  zusammengesetzten 
Schichtenkomplex,  der  im  Grunde  auch  nichts  anderes  ist,  als  das  Zer- 
störungsprodukt älterer  Gebirge.  Tone  und  Sandsteine,  bisweilen  mit 
dünnen  Kalkzwischenlagen  wechseln  miteinander  ab.  Das  Ganze  ist 
ein  w'eiches  Gestein,  das  darum  den  abtragenden  Kräften  wenig  Wider- 
stand entgegensetzen  konnte.  Ein  runder  und  sanfter  Gebirgsrücken 
folgt  dem  andern.  Nur  die  obersten  Partien  dieses  Gebirges  ragen 
über  die  Waldgrenze  hinaus.  Die  Kämme  sind  lange,  sanft  geformte, 
kahle  Rücken  ohne  irgendeine  Zuschärfung,  weder  in  den  Talnischen 
noch  an  den  Gipfeln,  die  2000  m  nicht  erreichen.  Die  ganzen  Berg- 
hänge und  Täler  sind  bis  1800  m  Höhe  mit  Wald  bedeckt.  Die  Aus- 
beutung des  Waldes  hat  die  einzigen  Wege  geschaffen,  die  ins  Innere  dieser 
Waldkarpathen  hineinführen.  Da  die  untereHälfte  des  Gebirges  mitweniger 
wertvollen  Buchen  bestanden  ist  und  nur  die  oberen  200  bis  300  m  die 
gesuchten  Tannen  tragen,  mußten  -weit  durch  die  einzelnen  Täler  und 
Schluchten  Holzbahnen  in  das  Innere  des  Gebirges  angelegt  werden. 
Ganz  nach  amerikanischem  Muster  haben  wir  keine  Straßen  in  diesem 
Gebirgsteile,  sondern  nur  Holzbahnen.  Die  wenigen  vorgeschobenen 
Siedelungen  sind  Holzplätze.  Die  Gebirgsrücken  verlaufen  im  all- 
gemeinen senkrecht  zur  Gesamtrichtung  des  Gebirges.  Die  Flüsse 
entspringen  nicht  auf  einem  Hauptkamm,  sondern  fließen  zwischen  den 
einzelnen  Rücken  und  haben  ihre  Quellen  jenseits  des  Gebirges  im 
Norden.  Der  Buzau  sowohl  wie  seine  Nebenflüsse  Basca  Mare  und 
Mica  durchfließen  das  ganze  Gebirge  in  malerischen  Schluchten.  Ihr 
Flußlauf  zeigt  an,  daß  die  jüngste  Hebung  des  Gebirges  schon  ein 
zerschnittenes  Bergland  betroffen  hat,  daß  sie  bei  der  letzten  Hebung 
des  Gebirges  mitgehoben  sind  und  sich  zwischen  den  Rücken  eintieften, 
Durchbruchstäler  vortäuschend. 

Ein  ganz  anderes  Aussehen  hat  das  Gebirge,  sobald  wir  die 
Flyschzone  verlassen  und  zum  Grenzgebiet  zwischen  Flyschgebirge  und 
dem  Urgebirge  kommen,  also  in  die  Zone  der  oberen  Jalomi^a.  Hier 
ist  es  schwer,  die  Grenze  zwischen  Gebirge  und  Vorland  scharf  zu 
ziehen.  Was  von  der  langsamen  Hebung  der  Ebene  gesagt  worden  ist, 
gilt  uneingeschränkt  von  dieser  Partie  der  Karpathen.  Blickt  man  auf  das 
Gebiet  der  oberen  Jalomi^a  z.  B.  von  dem  Bergrücken  oberhalb  Muscel, 
so  sieht  man  durch  den  Buchenurwald  hindurch  auf  die  ebene,  oft 
beschriebene  gleichförmige  Fläche.  Erst,  wo  sie  in  scharfem  Abbruch 
zum  Tale  der  Prahova  hinunterfällt,  erkennt  man,  w^ie  hoch  die  Ebene 


Die  Landschaften  Rumäniens.  41 

gestiegen  ist.  Der  großartige  Gebirgsabfall  und  die  prächtigen  Wälder 
am  Fuße  der  steilen  Wand  haben  das  rumänische  Königshaus  bestimmt, 
hier  in  Sinaia  ihre  Sommerresidenz  anzulegen.  Im  Innern  aber  ist  das 
Gebirge  trotz  der  Einförmigkeit  seiner  Hochfläche  von  überraschender 
Vielseitigkeit  und  Schönheit  der  Täler.  Kalkklippen,  die  ja  überhaupt 
beim  Aufbau  der  Karpathen  eine  große  Rolle  spielen,  wechseln  mit 
tonig-mergeligen  Gesteinen  und  kalkreichen  Konglomeraten.  Der 
Wechsel  zwischen  durchlässigen  und  undurchlässigen  Gesteinen  bestimmt 
die  Formen  der  tiefen  Täler  und  ist  die  Ursache  der  einzigartigen 
Schönheit  und  Wildheit  dieser  Gebirgspartien.  Mächtige  Kalkklötze 
legen  sich  dem  Flußlauf  der  Jalomi^a  in  den  Weg.  Unbekümmert  um 
Berg  und  Tal  fließt  sie  in  die  Kalkklippen  hinein  und  durchbricht  sie 
in  wilden  Schluchten.  Teilweise  sind  die  Kalkschluchten  so  eng,  daß 
kein  Weg  durch  sie  hindurchführt  und  die  geschlagenen  Stämme  der 
reichen  Waldgegend  mit  einer  Drahtseilbahn  hoch  über  das  Gebirge 
geführt  werden  müssen.  Da  sich  zwischen  die  einzelnen  Kalkschluchten 
liebliche  Talweitungeji  einschieben,  wo  eben  weiches,  toniges  Gestein 
den  abtragenden  Kräften  Vorschub  leistete,  so  ist  der  Gegensatz  zwischen 
den  düsteren  engen  Kalkschluchten  und  den  liebhchen  Talauen  besonders 
reizvoll.  Er  wiederholt  sich  auf  12  km  Entfernung  nicht  weniger  als 
sechsmal. 

Dieselben  Formen  steilwandiger  kahler  Täler,  die  schluchtartig 
durch  das  weiße  Kalkgestein  hindurchführen,  treten  überall  dort  auf,  wo 
sich  in  den  Karpathen  das  gleiche  Gestein  befindet.  In  den  West- 
karpathen  bildet  der  Kalk  einen  Randzug  am  Fuße  des  Gebirges.  Alle 
Flüsse,  die  vom  Gebirge  herunterkommen,  durchbrechen  ihn  inSchluchten. 
Viele  Tropfsteinhöhlen  finden  sich  im  Kalkgestein,  die  im  Volksaber- 
glauben eine  große  Rolle  spielen.  Das  Kloster  Polovraci  befindet  sich 
am  Ausgang  einer  derartigen  Schlucht  in  der  Nähe  einer  großen  Höhle. 
Die  ganze  Serie  der  Karsterscheinungen  wiederholt  sich  typisch  in 
diesem  Randkalkzug,  findet  sich  aber  auch  in  einem  parallelen  Kalk- 
zuge im  Innern  des  Gebirges,  der  dem  Cernafluß  seine  Laufrichtung 
vorschrieb.  Wo  der  Wald  gelichtet  ist,  ist  die  Oberfläche  des  Kalkes 
wild  verkarstet  und  bei  über  1  m  hohen  Karren  unwegsam.  Im  Walde 
finden  sich  viele  Schlundlöcher.  Die  Flüsse  versickern  und  fließen 
unterirdisch,  bis  sie  in  großen  Karstquellen,  wie  am  Ausgang  der  Runcu- 
schlucht,  zutage  treten.  Die  Decke  über  unterirdischen  Flüssen  stürzt 
ein,  es  bleiben  nur  Reste  der  alten  Decke  als  malerische  Naturbrücke, 
wie  bei  Ponarile  südlich  Baia  d'Arama,  erhalten.  Aber  auch  die 
Großformen  des  Karstes  sind  in  den  Karpathen  vertreten,  wenn  das 
Kalkgebiet  größere  Ausdehnung  angenommen  hat.  So  ist  in  der  Um- 
gebung von  Rucar  ein  großes  Polje  vorhanden,   zu  dem  die  Dambovi^a 


42  W.  B  e  h  r  m  a  n  n  : 

und  die  Dambovi^iora  in  engen,  weitberühmten  Schluchten  fließen,  um 
sich  im  Innern  zu  vereinigen  und  in  ebenso  enger  Schlucht  auf  der 
anderen  Seite  das  Einbruchsbecken  zu  verlassen.  Diese  Partie  gehört 
zu  den  schönsten  der  Karpathen.  Man  steigt  durch  die  enge  Schlucht 
der  Dambovi^iora  hinauf  zu  der  mächtigen  Kalkrippe  des  Königsteins, 
welche  bei  über  2000  m  Erhebung  als  langer  schmaler  Berggrat  quer 
die  Karpathen  durchzieht,  die  alte  Faltungsrichtung  angebend  und  die 
Scheidelinie  bildend  zwischen  dem  Sedimentgürtel  und  dem  kristallinen 
Kerne. 

Die  kristalline  Zone  der  Karpathen  kann  nicht  solchen  Gegensatz 
der  Formen  aufweisen  wie  die  Kalkgebiete.  Hier  herrschen  die  breiten 
Hochflächen  und  flachen  Rücken  vor,  auf  denen  die  Hochweiden  sich 
ausdehnen.  Es  ist  eins  der  charakteristischsten  Bilder  des  Berglandes, 
über  bewaldeten  Tälern  kahle  gelbe  Hochweiden  zu  sehen,  auf  denen 
die  Hirten,  die  Ciobane,  in  primitivster  Weise  ihren  Sennbetrieb  ein- 
gerichtet haben. 

Nur  dort,  wo  wider  alle  Regel  die  Flüsse  quer  durch  die  Karpathen 
hindurchfließen,  finden  sich  reizvolle  Talbilder.  Ebenso  wie  die  Donau 
den  Karpathenbogen  durchströmt  und  wie  im  Süden  der  Timok  das 
Balkangebirge  quer  durchfließt,  bekümmern  sich  im  Norden  Alt  und 
Jiu  nicht  um  hoch  und  niedrig,  sondern  fließen  quer  durch  das  Gebirge 
hindurch.  Besonders  dort,  wo  sie  auf  harte  kristalline  Gesteine  stoßen,, 
haben  sie  sich  scharf  eingesägt  und  bilden  malerische  Talpartien.  So 
ist  der  Alt  am  Durchbruch  durch  beide  Urgebirgszonen,  am  Fuße  der 
Cozia  und  weiter  im  Norden  an  der  ungarischen  Grenze,  besonders  eng. 
Sucht  man  aber  nach  den  Gründen,  wie  es  kommt,  daß  diese  Flüsse 
in  Durchbruchstälern  die  Gebirge  durchqueren,  anstatt  an  ihnen  entlang 
zu  fließen,  so  darf  man  natürlich  nicht  diese  engsten  Gebiete  aufsuchen, 
sondern  muß  sein  Augenmerk  auf  Partien  weicherer  Gesteine  mit 
sanfteren  Formen  richten.  Nach  Austritt  des  Alt  aus  dem  Gebirge  bei 
Calimanesti  ist  hoch  über  dem  Fluß  eine  prächtige  Pliozänterrasse  er- 
halten, welche  mit  ihren  Schottern  die  sarmatischen  Sande  abschneidet. 
Zu  dieser  Zeit  also  strömte  der  Alt  schon  aus  dem  Gebirge  heraus. 
Wenn  man  auf  der  Terrasse  steht  und  zurückblickt,  so  ist  oberhalb 
der  Terrasse  nur  ein  sanft  gerundetes  Bergland  vorhanden.  Gehen  wir 
jetzt  zum  Eintritt  des  Alt  in  das  Gebirge,  also  nach  Norden  zum  Roten- 
Turm-Paß,  so  beweist  wieder  eine  Pliozänterrasse,  daß  zu  dieser  Zeit 
der  Fluß  ebenfalls  schon  in  das  Gebirge  hineinströmte.  In  der  Mitte 
des  Altdurchbruchs  mündet  der  Lotru  in  den  Alt.  Er  hat  an  seinem 
ganzen  Lauf  ein  doppeltes  Terrassensyslem  am  Talgehänge,  das  im 
Dorfs  Malaia  z.  B.  gut  zu  erkennen  ist.  Dadurch  wird  bewiesen,  daß 
seit   den  Zeiten    der  Terrassen  der  Lotru  ebenfalls  schon  zum  Alt  floß 


Die  Landschaften  Rumäniens.  43 

und  mit  ihm  durch  das  Gebirge  strömte.  Ebenso  finden  sich  beim 
Austritt  des  Jui-Flusses  bei  Bumbesti  die  herrUchsten  Terrassensysteme. 
Im  Innern  des  Durchbruchstals  kann  man  dagegen  nur  an  der  Höhe 
einzelner  Bergrücken  die  Spuren  der  alten  Terrassen  erkennen.  Die 
Donauterrassen  bei  Sip  am  Eisernen  Tor  sind  berühmt,  vom  Cvijic 
näher  untersucht  und  ihr  Alter  einwandfrei  bestimmt.  Bei  ihnen  zeigt 
sich,  daß  sowohl  die  Diluvial-  als  auch  die  Pliozänterrassen  sich  fluß- 
aufwärts heben,  d.  h.  das  Gebirge  ist  seit  diesen  Zeiten  aufgewölbt  und 
die  Flüsse  sind  älter  als  das  Bergland.  Es  gibt  uns  dies  die  Erklärung 
für  das  scheinbare  Fehlen  der  Terrassensysteme  im  Süden  und  im 
Norden  des  Altdurchbruchs.  Ebenso  wie  am  Eisernen  Tore  hat  sich 
hier  das  Gebirge  gehoben,  und  zwar  scheinbar  eine  Südscholle,  durch 
den  Monte  Cozia  charakterisiert,  und  eine  Nordscholle,  die  im  weiteren 
Verlauf  die  Fogarascher  Alpen  bildet.  Die  Terrassen  rückten  in  größere 
Höhe  und  fielen  den  abtragenden  Kräften  mehr  oder  weniger .  zum 
Opfer.  Wir  erkennen  aus  allem  die  Jugend  des  ganzen  Gebirges.  Alt 
sowohl  wie  Jiu  sind  eines  der  besten  Beispiele  antecedenter  Talbildung. 
Daß  wir  es  mit  dem  Heben  einzelner  Längsschollen  zu  tun  haben,  beweist 
unter  anderem  der  Argesdurchbruch.  Der  Fluß  ist  ein  einfacher  Ab- 
dachungsfluß der  Fogarascher  Alpen,  welcher  plötzlich  vor  dem  Austritt 
aus  dem  Gebirge  einen  sich  entgegenstellenden  harten  Gneiszug  quer 
durchschneidet.  Auch  hier  beweisen  Terrassensysteme,  daß  er  den 
andern  Flüssen  gleichartig  ist. 

Wo  die  Karpathen  in  ihren  Gipfelpartien  die  2000  m- Linie  über- 
schreiten, setzt  ein  neues  Formenelement  ein.  Während  der  Eiszeit 
haben  sich  hier  Gletscher  gebildet,  die  die  voreiszeitlichen  Tälchen 
nachgearbeitet  haben  und  aus  den  milden  Formen  eines  Mittelgebirges 
schroffe  Felspartien  des  Hochgebirges  schufen.  Je  nach  der  Größe 
des  über  2000  m  erhabenen  Gebietes  und  auch  nach  der  Himmels- 
richtung, nach  der  die  einzelnen  Täler  sich  öffneten,  haben  sich  bald 
größere,  bald  kleinere  Firngebiete  der  Eiszeit  gebildet.  Wie  tief  die 
von  ihnen  gespeisten  Gletscher  ins  Tal  hinabreichten,  hängt  von  der 
Größe  dieser  Firnfelder  ab.  So  betritt  man  an  der  oberen  Jalomi^a 
schon  in  etwas  über  i6oo  m  Höhe  die  Endmoräne.  Hinter  ihr  dehnt 
sich  ein  flaches  Trogtal  aus,  zu  dem  westlich  aus  hängendem  Seitental 
ein  vorzeitlicher  Nachbargletscher  sein  Eis  schickte,  während  im  Osten 
ein  Seitengletscher  das  Eis  des  Haupttales  nicht  erreichte.  Über  einen 
Trogschluß  gelangt  man  in  ein  höheres  Trogtal,  das  rings  von  Karen 
gespeist  wurde.  Nach  Westen  öffnet  sich  das  Valea  Ca^enului,  ein 
tief  eingeschnittenes  Tal  mit  flachem  Talboden  und  steilen  Wänden 
bei  stufenförmiger  Anlage,  wodurch  bewiesen  wird,  daß  wir  es  mit 
einem   echten  Glazialtal  zu   tun   haben.     Die  Gipfel   aber,    die  2500  m 


44  ^V.  Behrmann: 

überschreiten  und  in  die  sich  die  Sessel  der  Kare  tief  hineingefressen 
haben,  zeigen,  daß  die  Vergletscherung  nicht  so  bedeutend  gewesen 
ist,  um  auch  die  Gipfelformen  in  Karlinge  zu  verwandeln.  Vielmehr 
haben  sich  hier  noch  die  alten  präglazialen  Formen  erhalten.  Besonders 
die  Oberfläche  des  Caraiman  ist  nur  ein  Rest  der  alten  Ebene,  die 
gehoben  wurde  und  selbst  noch  in  der  Höhe  von  2500  m  erhalten 
geblieben  ist  und  die  ganze  Eiszeit  überdauert  hat.  Klopft  man  aber 
das  Gestein,  das,  wie  der  ganze  Berg,  aus  Bucegikonglomerat  zusammen- 
gesetzt ist,  so  erkennt  man,  daß  die  ganzen  Schichten  des  Berges,  die 
durch  die  Oberfläche  schräg  abgeschnitten  werden,  nichts  weiter  sind 
als  die  Zerstörungsprodukte  eines  älteren  Gebirges  im  Hintergrunde, 
und  im  Cenoman  schon  eine  analoge  Gebirgsgeschichte  besteht  wie 
in  der  Neuzeit  am  Fuße  der  Karpathen. 

Die  Bedeutung,  die  die  glazialen  Talgletscher  für  die  Ausgestaltung 
der  Formen  der  Hochgipfel  haben,  zeigt  in  hervorragender  Weise  ein 
Rundgang  um  den  Gipfel  der  Mandra.  Das  oberste  Sadu-Tal,  das 
gerade  in  2000  m  Höhe  beginnt,  hat  rein  erosive  Formen.  Der  Fluß 
führt  in  ungestörtem  V-förmigen  Profil  von  den  Hoch  weidegebieten 
hinunter  in  die  finsteren  Waldpartien.  Das  obere  Gilort-Tal  aber,  das 
in  2100  m  Höhe  seinen  Anfang  hat,  zeigt  in  der  Zurundung  seines 
unteren  Talprofils,  daß  ein  winziger  Gletscher  zur  Glazialzeit  sich  hier 
befand.  Der  von  Hochweiden  eingenommene  Rücken  Coasta  lui  Rus 
im  Süden  des  Gilort-Tales  ist  im  allgemeinen  schön  gerundet.  Nur 
die  Quelltrichter  der  Flüsse  haben  kleine  Kargletscher  getragen  und 
sind  ausgehobelt.  Nach  Norden  aber,  wo  sich  das  Jie^ul-Tal  mitten 
zwischen  den  Hochgipfel  der  Mandra  und  des  Paringu  einschnitt,  ist 
es  zu  einer  großartigen  Glazialentwicklung  gekommen.  Ein  westliches 
Seitental  mit  übersteiler  Trogform,  deren  Wände  durch  Bergstürze  aus- 
geglichen sind,  hängt  mehrere  100  m  über  dem  Haupttale.  Dieses  ist 
unverkennbar  in  seiner  ganzen  Anlage  ein  Glazialtal.  Es  ist  stufen- 
förmig angelegt,  hat  am  Talboden  Rundhöcker  und  trägt  an  seinem 
oberen  Ende  zwei  kleine  Becken,  die  das  Eis  ausgeschliffen  hat  und 
die  jetzt  wassererfüllt  sind  und  als  kleine  blaue  Meeraugen  die  Schönheit 
der  wilden  Alpennatur  erhöhen. 

Bei  der  Massenerhebung  der  Fogarascher  Alpen  ist  es  natürlich 
während  der  Eiszeit  hier  zu  der  großartigsten  Glazialentwicklung  in  den 
Karpathen  gekommen.  Es  ist  eine  wilde  Hochgebirgswelt,  so  daß  die 
Bezeichnung  ,, Alpen"  dem  Formenschatz  nach  wirklich  zu  Recht  besteht. 
Sämtliche  nach  Norden  gerichteten  Täler,  die  von  2500  m  Höhe 
auf  einer  Längenentfernung  von  5  km  bis  auf  500  m  hinabführen,  also 
einen  Höhenunterschied  von  über  2000  m  durchmessen,  haben  ihre 
Gletscher  getragen.     Trotz  der  steilen  Gefällskurve  der  Flüsse  sind  die 


Die  Landschaften  Rumäniens.  45 

Täler  in  den  oberen  Partien  stufenförmig  gebaut,  weil  jedes  kleine 
Seitentälchen  mit  seiner  Eismasse  die  Kraft  des  Hauptgletschers  ver- 
stärkte, und  so  die  periodisch  anschwellende  Kraft  ein  periodisches, 
stufenförmiges  Tal  schuf.  Auch  dort,  wo  n\ehrere  Quelltrichter  sich 
zu  einem  Gesamttrichter  in  voreiszeitlicher  Zeit  vereinigten,  haben  die 
eiszeitlichen  Kare  stufenförmigen  Aufbau  geschaffen,  wofür  das  Süd-Kar 
am  Muscovul  ein  schönes  Beispiel  ist.  Nur  selten  haben  aber  auch 
hier  die  Kare  sich  so  weit  in  das  Innere  des  Gebirges  zurückfressen 
können,  daß  sie  die  Gebirgsrücken  angriffen.  Nur  selten  werden  die 
runden  Formen  von  den  scharfen,  sägeförmigen  Karlingsgraten  ab- 
gelöst. Der  höchste  Gipfel,  der  Negoi,  hat  noch  die  alte  voreiszeitliche 
Form  behalten,  wenn  seine  Flanken  auch  tiefe  eiszeitliche  Wunden 
zeigen.  Der  Blick  von  seinem  Gipfel  schweift  über  eine  wilde  Gebirgs- 
welt  hinweg.  Die  sanften  Rücken  der  südlichen  Gebirgsabdachung 
haben  tief  eingeschnittene  Täler  zwischen  sich,  die  an  ihrem  oberen 
Ende  Gletscher  trugen.  Je  weiter  man  sich  dem  Hauptkamme  nähert, 
um  so  größer  war  die  Vergletscherung,  um  so  stärker  die  Zuschärfung 
aller  Formen.  Nacheiszeitlich  haben  Bergstürze  die  Wände  ausgeglichen 
und  beginnen  die  Flüsse  in  Klammen  die  Talstufen  zu  überwinden. 
Kleine  Kare  aber  in  den  Quellnischen  in  der  Nähe  des  Hauptkammes 
sind  viel  besser  erhalten  als  die  Haupttäler.  Bei  ihnen  sind  die  Formen 
so  jugendfrisch  und  unausgeghchen  erhalten,  als  wäre  das  Eis  erst 
kürzlich  weggeschmolzen. 

Wenn  also  auch  bis  jetzt  in  den  Südkarpathen  noch  kein  einziges 
gekritztes  Geschiebe  gefunden  ist,  und  somit,  ich  möchte  sagen  der 
geologische  Beweis  einer  Karpatheneiszeit  fehlt,  so  sprechen  die  Formen 
des  Gebirges  doch  eine  zu  deutliche  Sprache,  als  daß  noch  jemand 
an  der  Tatsache  der  Vergletscherung  zweifeln  könnte.  ■  Die  Gletscher 
der  Karpathen  aber  waren  nicht  so  bedeutend,  als  daß  durch  ihre  Ab- 
schmelzwässer  die  Ebene  am  Fuße  des  Gebirges  beeinflußt  worden 
wäre.  Die  walachische  Ebene  ist  eben  etwas  ganz  anderes  als  die 
analoge  Ebene  am  Fuße  der  Alpen,  die  Poebene.  Ihre  Formen  erklären 
sich  aus  der  langsamen  Zerstörung  eines  Gebirges  seit  dem  Mittelalter 
der  Erdgeschichte  und  aus  der  Wiederaufrichtung  dieser  Zerstörungs- 
produkte zu  einem  neuen  Gebirge. 


46  B.   B  r  a  n  d  t 


Beobachtungen  und  Studien  über  die  Siedlungen 
in  Weißrußland. 

Von  Dr.  B.  Brandt. 

(Schluß.) 

IV.  Das  Dorf.   —   V.   Das   Gut.   —   VI.  Der  Bauer.  —   VII.  Die   städtische  Bevölke- 
rung. —  VIII.  Kulturlandschaften.  -^  IX.  Die  Ortsbezeichnungen.  —  X.  Städtetypen. 

IV.   Das  Dorf. 

Das  Dorf  ist  in  seiner  am  meisten  verbreiteten  Form  das  auch  im 
östlichen  Deutschland  verbreitete  Straßendorf.  Die  Dorfstraße,  an  der 
auf  einer  oder  beiden  Seiten  die  Gehöfte  in  langer  Reihe  liegen,  kann 
gerade  oder  leicht  geschlängelt  sein.  Bei  den  nachweislich  jüngeren 
Gründungen  ist  sie  oft  schnurgerade;  die  Häuser  und  Ziehbrunnen 
stehen  ganz  regelmäßig  wie  ausgerichtet,  ein  überaus  eintöniges 
Straßenbild.  Der  inselartige  Anger  mit  dem  Teiche  und  einem  Baum- 
bestand oder  der  Kirche,  wie  er  in  Norddeutschland  die  Regel  ist,  fehlt 
hier.  Die  Häuser  sind  ziemlich  gleichmäßig  gebaut,  der  Grad  des 
Wohlstandes  ist  von  der  Straße  her  nicht  ohne  weiteres  zu  ersehen. 
Selten  nur  bringt  bunte  Bemalung  der  Fensterläden  und  einiger  Bau- 
glieder oder  etwas  Schnitzwerk  an  den  Giebeln  ein  wenig  Abwechslung 
in  das  Bild  des  Dorfes.  Das  Haus  des  Starosten  oder  Schulzen  unter- 
scheidet sich  von  den  übrigen  Höfen  meist  nur  durch  den  aufgemalten 
russischen  Wappenadler.  In  größeren  Dörfern  trifft  man  gelegentlich 
das  meist  etwas  abseitsstehende  Haus  der  Wolostbehörde,  des 
untersten  Verwaltungsorganes,  an.  Es  ist  ein  größerer  Holzbau  stets 
gleicher  Bauart,  der  Amtsräume,  ein  Gefängnis,  die  Kasse  und  ein 
Archiv  enthält,  in  dem  unter  anderem  Grundbuch,  etwaige  Flurkarten 
und  alle  sonstigen  Unterlagen  für  den  ländlichen  Grundbesitz  liegen. 
Vor  dem  Hause  steht  gewöhnlich  eine  fabrikmäßig  hergestellte  Blech- 
büste Alexanders  H.,  des  „Zar-Befreiere",  auf  einem  schlecht  gemauer- 
ten Sockel,  dessen  Inschrift  an  die  Aufhebung  der  Leibeigenschaft  im 
Jahre  1861  erinnert.  Ein  ähnliches  Gepräge  haben  die  wenigen,  meist 
neuen,  ganz  zweckmäßig  eingerichteten  Scl^len  in  den  größeren 
Dörfern.  Außer  der  Lehrerwohnurig  enthalten  sie  einen  großen  Saal, 
an  dessen  Wänden  neben  den  Bildern  des  Zarenpaares  geschickt  aus- 
gewählte Darstellungen  russischer  Landschaft,  russischer  Bodenkultur 
und  russischen  Städtewesens  hängen.  Die  in  einem  Schranke  unter- 
gebrachte Lehrbücherei  zeigt,  daß  der  junge  Weißrusse  hier  einen 
elementaren  Unterricht  empfängt  und  daß  er  im  übrigen  zu  einem 
guten,  gläubigen   russischen   Staatsbürger  erzogen  werden   soll.      Das 


Beobachtungen  und  Studien  über  die  Siedlungen  in  Weißrußland.  47 

bemerkenswerteste  Gebäude  im  Dorfe  ist  die  Kirche,  die  aber  nicht  in 
jedem  vorhanden  ist  (derewnja  das  Kirchdorf,  selo  das  Dorf  ohne 
Kirche).  Die  älteren  Kirchen  sind  kleine  schlichte,  meist  von  Bäumen 
umgebene  Holzbauten.  In  ihrem  niedrigen,  mystisch  düsteren  Innern 
fesselt  eine  Reihe  starrer,  reich  versilberter  byzantinischer  Heiligen- 
bilder den  Blick,  der  Ikonostas  oder  die  Bilderwand,  welche  den  Nar- 
thex  vom  Räume  der  Gemeinde  trennt.  Diese  Bauten  scheinen  dem 
Boden  entwachsen  zu  sein  und  den  Bedürfnissen  der  weltfremden 
weißrussischen  Bevölkerung  zu  entsprechen.  Vielfach  trifft  man  in- 
dessen auf  neue,  blendend  getünchte,  massige  Bauwerke  mit  hochragen- 
den silbernen  oder  grellbunten  Kuppeln  nach  Moskauer  Art  an.  In 
ihrem  weiträumigen,  lichten  und  stimmungslosen  Innern  empfindet 
man  sofort,  daß  nicht  das  Bedürfnis  der  kleinen  Gemeinden,  sondern 
das  Streben  nach  Ausbreitung  russischen  Wesens  für  den  fremdartigen 
Bau  maßgebend  gewesen  ist.  Wie  man  die  Kirchen  gern  an  hörvor- 
ragenden Punkten  aufbaut,  so  legt  man  auch  die  Friedhöfe  mit  Vor- 
liebe auf  weithin  sichtbaren  Hügeln  oder  unter  einsamen  Baumgruppen 
an.  Als  Grabmäler  dienen  nur  wenig  zugehauene  Findlinge  oder  hoch- 
ragende Riesenkreuze  aus  Holz,  einfache  bei  den  Katholiken  und 
Unierten,  Doppelkreuze  bei  den  Orthodoxen.  Die  älteren  Grabsteine 
entbehren  der  Inschrift  und  tragen  nur  runen-  oder  hausmarken- 
ähnliche Zeichen,  ein  Gatter,  ein  Sporenpaar,  ein  Kreuz  oder  unver- 
ständliche Zeichnungen.  Die  neueren  weisen  mit  ungeübter  Hand  ein- 
gemeißelte russische  Inschriften  auf.  Der  Weißrusse  pflegt  die  Gräber 
nicht.  Sie  werden  überwuchert,  die  Steine  überziehen  sich  halb  mit 
Rasen,  die  vermorschenden  Kreuze  sinken,  und  der  Gräberhügel  täuscht 
bald  eine  malerische,  uralte  Begräbnisstätte  vor,  an  die  sich  die  Sage 
heftet. 

Die  Flur  ist  niemals  in  Gewanne  gleichen  Reliefs  und  gleicher 
Bodengüte,  sondern  stets  in  schmale,  überaus  lange  Landstreifen  ein- 
geteilt, die  ohne  Rücksicht  auf  das  Gelände  bergauf,  bergab  laufend, 
bald  sandige  Rücken,  bald  sumpfige  Gründe  queren.  Im  ebenen  Gelände 
erinnert  sie  an  die  Flur  unserer  Marschendörfer.  Die  Bodenkultur 
drängt  sich  bei  dieser  Einteilung  viel  weniger  auf  als  bei  den  meisten 
unserer  Dorfgemarkungen,  die  verändernde  Hand  des  Menschen  tritt 
im   Landschaftsbilde   viel   weniger  hervor. 

Fassen  wir  nun  an  einigeij  Beispielen  die  Flur  in  ihrem  Zusammen- 
hange mit  dem  Dorfe  etwas  näher  ins  Auge.  Die  Gemarkung  des 
Dorfes  Wielka  Sworotwa  (östlich  vom  Molczadztale)  bildet  ein  an 
einen  Bachlauf  angelehntes  Rechteck,  welches  mit  einer  breiten  An- 
wand  an  die  Flur  eines  Nachbardorfes  stößt  und  in  eine  große'  Anzahl 
den  Schmalseiten  paralleler  Streifen  zugeschnitten  ist.  Diese  sind  durch 


48  B.    B  r  a  n  d  t : 

Raine  oder  Feldwege  getrennt  und  alle  einzeln,  unabhängig  vonein- 
ander zugänglich.  In  die  Flur  teilen  sich  heute  50  Bauern.  Die  An- 
teile schwanken  in  ihren  Größen  beträchtlich  und  gehören  ihren  Eigen- 
tümern als  festes  Eigentum,  welches  nach  Belieben  geteilt,  veräußert 
und  vererbt  werden  kann.  AUmendland  besitzt  die  Gemeinde  nicht, 
doch  ist  ihr  eine  Fläche  Land  des  zum  Dorfe  gehörigen  Gutes  zur  ge- 
meinsamen Weide  überlassen. 

Die  Entwicklung  dieser  noch  nicht  sehr  alten  Verhältnisse  läßt 
sich  hier  deutlich  verfolgen :  Vor  einer  Anzahl  von  Generationen, 
schätzungsweise  vor  mehr  als  100  Jahren  ist  das  Dorf  von  dem  Gute 
aus  auf  Grund  und  Boden  des  Gutes  angelegt  worden.  Es  wurden 
damals  20  Höfe  gegründet,  hinter  denen  sich  das  zugehörige  Land  in 
schmalen  Streifen  ausdehnte.  Jeder  Hofanteil  wurde  zu  10  Dcßjatinen^) 
bemessen,  eine  Fläche,  welche  für  die  Ernährung  einer  Familie  für 
ausreichend  gehalten  wurde.  Auf  den  Höfen  wurden  20  aus  Dörfern 
der  Umgebung  stammende  Familien  angesetzt,  welche  gegen  die  Ver- 
pflichtung zur  Arbeitsleistung  auf  dem  Gute  das  ihnen  zugewiesene 
Land  bebauen  durften.  Die  Aufhebung  der  Leibeigenschaft  machte 
die_Bauern  gegen  eine  50  Jahre  lang  an  den  russischen  Staat  als  Steuer 
zu  zahlende  Ablösung  zu  Eigentümern  des  Landes.  Das  allmähliche 
Anwachsen  des  Ortes  auf  50  Haushalte,  Erbteilungen  (vgl.  die  Doppel- 
häuser) und  Verkäufe  führten  in  der  Folgezeit  die  heutige  Ungleichheit 
des  Besitzes  herbei ;  die  Dorfbevölkerung  schied  sich  in  wohlhabende 
Großbauern  mit  einem  über  den  eigenen  Bedarf  hinausgehenden  Land- 
besitz und  in  landarme  oder  gar  landlose,  auf  Arbeit  auf  fremden  Boden 
angewiesene  Büdner  (vgl.  den  Haustypus  C). 

Ein  anderes  Beispiel,  das  Dorf  Konjuschewschtschisna  bei  Goro- 
dischtsche.  Die  Flur  lehnt  sich  wie  bei  dem  ersten  Beispiele  mit 
ihrem  Hauptteile  an  das  Straßendorf  an,  darüber  hinaus  aber  gehören 
zu  dem  Dorfe  kleinere  Parzellen,  welche  entfernt  und  zusammenhang- 
los wie  Exklaven  in  fremden  Gemarkungen  liegen.  Der  in  Abb.  3  mit- 
geteilte Flurplan  zeigt  einige  solqher  Exklaven  bäuerlichen  Besitzes 
inmitten  einer  Gutsflur,  deren  Zusammenhang  sie  in  lästiger  Weise 
stören. 

Die  Anteile  an  der  genannten  Flur  sind  ungleich.  Von  den  zwanzig 
Hofbesitzern  haben  einige  18,  andere  nur  6  Deßjatincn  als  Eigentum 
inne.  Ein  kleinerer  Teil  der  Flur  ist  ungeteilt  und  dient  als  Gemeinde- 
weide und  als  gemeinschaftliches  Wiescnland.  Infolge  der  verstreuten 
Lage  haben  einige  Bauern  nicht  einen  zusammenhängenden,  mit  dem 
Hofe  verbundenen  Besitz,  sondern  eine  auf  vier  bis  fünf  Stellen  ver- 
streute Landfläche. 

V  I  Deßjatine  =  1,0925  ha  =—  rund  4  preußische  Morgen. 


Beobachtungen  und  Studien  über  die  Siedlungen  in  Weißrußland.  49 

Über  ältere  Zustände  ließ  sich  nur  in  Erfahrung  bringen,  daß  auch 
hier  die  Ablösungssumme  bezahlt  worden  ist,  daß  also  das  Dorf  früher 
grundherrliche  Lasten  zu  tragen  hatte. 

Fluren  von  der  Form  des  Beispieles  Wielka  Sworotvva  sind  in 
Weißrußland  überall  verbreitet ;  besonders  gut  ausgeprägt  sind  sie  in 
den  sehr  regelmäßig  angelegten  Dörfern  im  Westen  des  Landes  und  in 
Podlachien  (vgl.  Abb.  3).  Dörfer  mit  verstreut  liegender  Gemarkung 
sind  in  der  Gegend  von  Gorodischtsche  in  Mehrzahl  vorhanden  und  in 
Großrußland  häufig  zu  finden.  Die  von  Meitzen^)  aus  verschiedenen 
Teilen  des  nördlichen  und  mittleren  Rußland  mitgeteilten  Flurkarten 
zeigen  sämtlich  diese  Erscheinung.  Die  beiden  angeführten  Beispiele 
veranschaulichen  daher  Gruppen  typischer  Siedlungen. 

Nach  Meitzen^)  sind  die  Exklaven  der  Gemarkung  gewissermaßen 
Kolonien  des  Dorfes,  welche  durch  einzelne  Dorfangehörige  in  den 
urwüchsigen  Wäldern  der  Umgebung  nach  Gutdünken  an  einer  geeignet 
erscheinenden  Stelle  durch  Rodung  angelegt  worden  sind.  Dörfer  dieser 
Art  setzen  somit  das  Bestehen  großer  herrenloser,  zum  Ackerbau  ge- 
eigneter ödländereien  in  der  Umgebung  voraus,  sie  sind  also  vorzugs- 
weise eine  Siedlungsform  großer  Waldgebiete.  Die  Möglichkeit,  nach 
Belieben  auf  eigene  Faust  zu  roden,  hört  auf,  wenn  die  Wälder  in 
festen  Besitz  übergehen,  sei  es  in  den  der  Krone,  sei  es  in  grundherr- 
lichen. Der  willkürlichen  Rodung  wird  dann  ein  Riegel  vorgeschoben, 
die  Besiedlung  der  Wälder  erfolgt  unter  Aufsicht  und  Leitung  des 
Besitzers  planmäßig.  Die  Zeiten,  in  denen  die  Wälder  des  europäi- 
schen Rußlands  herrenlos  waren,  liegen  weit  zurück.  Für  Großrußland 
dürfte  die  Einführung  der  planmäßig  über  das  ganze  Land  ausgedehn- 
ten Mirverfassung  im  17.  Jahrhundert  die  alleräußerste  Grenze  sein. 
Für  die  weniger  ausgedehnten  Wälder  des  schon  früher  in  die 
Geschichte  eingetretenen  Weißrußland  liegt  sie  wahrscheinlich  weiter 
zurück.  Die  Dörfer  mit  verstreuter  Gemarkung  sind  dah'er  als  alte 
Siedlungen  aufzufassen.  Da  sie  den  deutschen  Dörfern  als  etwas  voll- 
kommen Fremdes  gegenüberstehen,  in  Rußland  aber  weitverbreitet  sind, 
bilden  sie  einen  osteuropäischen  Typ,  wir  können  sie  also  als  die  ur- 
sprüngliche Siedlungsform  des  osteuropäischen  Waldgürtels  bezeichnen. 

Das  junge  Dorf  Wielka  Sworotwa  in  seiner  urspünglichen  Ge- 
stalt ist  eine  Siedlungsform,  die  uns  in  Deutschland  wohlbekannt  ist. 
Die  planmäßige  Einteilung  des  Ackers  in  lange,  zusammenhängende, 
gleichgroße  Parzellen  im  Anschluß  an  die  Höfe  .sind  Merkmale,  die 
das  Wesen  der  deutschen  Wald-  und  Marschhufendörfer  ausmachen, 
jener  jüngeren  Siedlungsform,  die  mit  der  Urbarmachung  und  Koloni- 

^)  Z.  B.  in  Anlage  102. 
2)  A.  a.  O.,  Bd.  II,  S.  191. 

Zeitschr.  d.  Gesellsch.  f.  Erdkunde  zu  Berlin.     1919.     Nr.  1/2.  4 


50  B.   B  r  a  n  d  t : 

sation   der   Waldungen   und    sonstigen   Ödländercien   im   alten   und   im 
ehemals  slawischen  Deutschland  aufkam. 

Da  dieser  Typus  auch  in  Polen  verbreitet  ist,  da  das  polnische 
Agrarwesen  infolge  zahlreicher  Entlehnungen  aus  Deutschland  und 
durch  deutsche  Einwandererströme  in  seinen  Grundlagen  ein  durchaus 
deutsches  Gepräge  hat,  da  Weißrußland  die  einschneidendsten  Ver- 
änderungen seiner  Agrarverhältnisse  wälircnd  der  polnischen  Periode 
empfangen  hat,  da  endlich  die  großrussische  Flurverfassung  völlig 
anders  geartet  ist,  so  dürfen  wir  die  hier  zu  findenden  Waldhufendörfer 
als  eine  von*  Westen  her  übernommene  Errungenschaft,  als  eine  Folge 
deutschen  Einflusses  ansehen. 

Weißrußland  wird  1569  endgültig  polnisch.  Die  Kolonisation 
Podlachiens  erfüllt,  wie  wir  später  sehen  werden,  im  wesentlichen  die 
Jahrzehnte  um  1700.  Wielka  Sworotwa  ist  gegen  1800  gegründet.  Die 
deutsche  Art  der  Besiedlung  herrscht  also  in  den  letzten  Jahrhunderten. 
Dem  älteren,  einheimischen  folgt  ein  jüngerer  deutscher  Siedlungs- 
typus. 

Die  Einteilung  der  Flur  im  einzelnen  haben  die  jüngeren  Wald- 
hufendörfer gemeinsam  mit  den  älteren  mit  verstreuter  Gemarkung. 
Hieraus  müssen  wir  folgern,  daß  der  deutsche  Einfluß  sich  auch  auf 
die  älteren  Ansiedlungen  erstreckt  und  die  ursprüngliche  einheimische 
Flureinteilung  vernichtet  hat  (genau  so,  wie  der  großrussische  Mir  die 
verstreuten  Flurteile  beibehalten  mußte,  sie  aber  mit  einem  völlig  neu- 
artigen Einteilungsnetze  überzog).  Bei  dem  allgemeinen  Dunkel,  wel- 
ches über  den  älteren  Agrarzuständen  der  Slawen  schwebt,  können  Avir 
uns  kein  Bild  über  die  Verfassung  der  älteren  Siedlungen  in  Weiß- 
rußland machen. 

Eine  Eigentümlichkeit  der  weißrussischen  Flur  bleibt  das  gänz- 
liche Außerachtlassen  der  Bodenunterschiede.  Die  beträchtlichen 
Höhendifterenzen  des  tiefzerscnnittenen  westrussischen  Landrückens 
und  die  Tallage  zahlreicher  Dörfer,  aus  welcher  die  Lage  der  Flur 
auf  ansteigendem  Böschungsgelände  folgt,  begründen  sie  zum  Teil. 
Da  aber  weder  terrassenförmige  Abstufungen  der  Acker  noch  sonst 
irgendwelche  künstliche  Verbesserungen  zu  bemerken  sind,  müssen  wir 
in  der  Nichtachtung  des  Geländeverlaufes  ein  Zeichen  wenig  fortge- 
schrittener Bodenkultur  erblicken. 

Die  beobachteten  ganz  modernen  Besitzverhältnisse  gelten  für  ganz 
Weißrußland.  Das  Geschenk  Alexanders  IL  war  für  den  weißrussi- 
schen Bauern  besonders  wertvoll.  Er  sitzt  auf  eigener  Scholle  und 
kann  sein  Land  nach  Gutdünken  bewirtschaften.  Sein  großrussischer 
Nachbar  dagegen  lebt  noch  immer  unter  dem  Zwange  des  erst  seit 
Stolypin  langsam  schwindenden  Mir.     Der  mit  wachsender  Seelenzahl 


Beobachtungen  und  Studien  über  die  Siedlungen  in  Weißrußland.  51 

sinkende  Seelenanteil  an  Land  erzeugt  seinen  sprichwörtlichen  Land- 
hunger, die  periodische  Neuverteilung-  des  Mirlandes  schreckt  ihn  ab 
vor  Verbesserungen  und  intensiver  Wirtschaft,  deren  Früchte  ein  an- 
derer genießen  würde. 

Die  beiden  angeführten  Beispiele  ließen  uns  einen  kleinen  Blick 
in  die  Zeit  vor  1861  werfen,  in  die  lange  Periode  der  Leibeigenschaft, 
die  von  nachhaltigster  Wirkung  sein  mußte.  Bevor  wir  das  Leben 
und  die  Wirtschaft  des  weißrussischen  Bauern,  wie  sie  sich  heute  ab- 
spielen, untersuchen,  müssen  wir  daher  erst  dem  weißrussischen  Guts- 
hofe ein  kurze  Betrachtung  widmen. 

V.   Das  Gut. 

Die  zahllosen  polnischen  Güter  in  Weißrußland  sind  eine  Folge  der 
Einverleibung  des  Landes  in  das  polnische  Reich.  Unter  russischer 
Herrschaft  bestanden  anfangs  anscheinend  die  alten  Verhältnisse  ziem- 
lich ungestört  weiter.  Erst  nach  der  Auflehnung  der  Polen  (1830  und 
besonders  1861)  ist  der  Druck  allmählich  gewachsen,  so  daß  der  Guts- 
besitzer heute  in  manchen  Dingen  weniger  Rechte  besitzt  als  der  ortho- 
doxe, analphabetische  Bauer,  der  ihm  einst  Untertan  war.  Insbeson- 
dere wird  die  weitere  Ausbreitung  des  polnischen  Grundbesitzes  durch 
Verbote  oder  mindestens  durch  starke  Erschwerungen  des  Land- 
erwerbes gehindert.  Unter  diesen  Umständen  haben  manche  Polen 
ihre  Scholle  verlassen  müssen,  andere  gingen  ihres  Besitzes  durch  Kon- 
fiskation zugunsten  von  Russen  verlustig.  Andere  wieder  haben  dem 
Druck  nachgegeben,  den  orthodoxen  Glauben  und  äußerlich  das  Russen- 
tum  angenommen.  So  befinden  sich  einige  der  größten  Güter  im  Be- 
sitz russischer  Magnaten  polnischer  und  deutscher  Abstammung. 
Doch  immer  noch  ist  der  Pole  als  Gutsbesitzer  in  der  Überzahl  und  mit 
alten,  berühmten  Namen  auch  im  Latifundienbesitz  vertreten. 

Im  Siedlungsbilde  sind  wegen  ihrer  Menge  besonders  charakte- 
ristisch die  Güter  und  Vorwerke  der  Schlachta,  des  alten  kleinen  pol- 
nischen Adels,  auf  den  sich  die  Macht  der  Magnaten  aufbaute.  Ein 
Beispiel  kleineren  Umfanges  bietet  das  zu  dem  besprochenen  Dorfe 
Konjuschewschtschisna  gehörige  Gut  (Abb.  3).  Die  Fläche  umfaßt 
rund  54  Deßjatinen,  also  reichlich  das  Fünffache  eines  durchschnitt- 
lichen Bauerngutes.  Der  Besitz  liegt  nicht  im  Zusammenhang,  sondern 
ist  durch  Exklaven  dörflicher  Gemarkungen  in  sehr  unbequemer  Weise 
zerschnitten.  Die  nach  Abzug  eines  kleinen  Waldstückes  und  des  auf 
Hof,  Garten,  Wasserflächen,  Raine  und  Wege  entfallenden  Landes  ver- 
bleibende Kulturfläche  ist  zu  drei  Vierteln  Acker-,  zu  einem  Heuland. 
Der  Acker  wird  mit  Roggen,  Hafer,  Gerste  und  Kartoffeln  bestellt. 
Der  Viehbestand  beträgt  10  Pferde  und  25  Rinder.     Der  nach  Deckung 

4* 


52  B.    Brandt: 

des   eigenen  Bedarfs  verbleibende  Rest   des   Ertrages   wird  folgender- 
maßen angegeben : 

Roggen    .     .     .     250  Pudi)        Gerste       .     .     .      100  Pud 
Hafer  ....      lüO     ,,  Kartoffeln  .     200     „ 

Das  an  den  Juden  verkaufte  Getreide  wird  mit  dem  benachbarter 
Güter  nach  ßaranowitschi  überführt,  wohin  die  Bahnen  auch  die  Über- 
schüsse anderer  Bezirke  heranführen.  In  großen  Sammeltransporten 
geht  es  dann  weiter  nach  Deutschland.  Die  Kartoffeln  werden  zum 
großen  Teile  in  den  zahlreichen  Brennereien  der  größeren  Güter  ver- 
arbeitet und  fließen  als  Wodka  wieder  zurück. 

Als  ständiges  Gesinde  dienen  auf  dem  Gutshofe  vier  Männer  und 
zwei  Frauen.  Zur  Bestellung  und  zur  Ernte  werden  Arbeiter  gegen 
einen  Tagelohn  von  75  Kopeken  bis  i  Rubel  für  den  Mann  und  von 
30  bis  50  Kopeken  für  die  Frau  herangezogen.  Die  Arbeiten  werden 
mit  ziemlicher  Selbstverständlichkeit  von  den  Bewohnern  des  Dorfes 
geleistet.  Sind  sie  etwa  durch  eigene  Arbeit  verhindert,  so  findet  sich 
leicht  Ersatz  aus  den  Nachbardörfern.  Jedenfalls  ist  dem  Gutsbesitzer 
die  Sorge  der  Leutenot  noch  vollkommen  fremd.  In  dieser  Gunst, 
der  natürlich  eine  Minderung  der  Leistung  für  den  bäuerlichen  Acker 
gegenübersteht,  wirkt  die  Leibeigenschaft  nach.  Bisweilen  besteht 
zwischen  der  Gutsherrschaft  und  den  Bauern  ein  patriarchalisches  Ver- 
hältnis, Ehrerbietung  auf  der  einen,  tätige  Fürsorge  für  das  Dorf  und 
den  einzelnen  auf  der  anderen  Seite.  Wo  dieser  beide  Teile  befriedi.- 
gende  Zustand  herrscht,  darf  er  auch  für  die  Zeit  der  Leibeigenschaft 
vorausgesetzt  werden.  Es  ist  anzunehmen,  daß  die  Leibeigenschaft,  so 
entwicklungshemmend  sie  als  Einrichtung  auch  war,  den  einzelnen 
doch  nicht  so  niederdrückte,  wie  man  es  sich  gewöhnlich  vorstellt. 
Jedenfalls  scheint  die  Lage  des  großrussischen  Bauern  noch  heute  eine 
wesentlich  ungünstigere  zu  sein  als  die  des  leibeigenen  polnisch-weiß- 
russischen gewesen  ist. 

Die  größeren  Güter  werden  in  ähnlicher  Weise,  nur  in  vergrößertem 
Maßstabe  bewirtschaftet.  Entsprechend  dem  größeren  Waldbesitze 
tritt  hier  die  Waldwirtschaft  hinzu,  die  allgemein  im  Raubbau  be- 
trieben wird  oder  nur  dürftige  Anfänge  einer  geregelten  Forstwirt- 
schaft aufweist. 

Die  Besitzer  nennen  sich  durchweg  Schiachtschitzen,  ohne  Rück- 
sicht darauf,  ob  sie  dem  alten  polnischen"  Adel  angehören,  die  reicheren 
werden  wohl  auch  als  , .Grafen"  bezeichnet.  "Gleiche  Überlieferungen 
und  Interessen  und  die  gemeinsame  Abwehr  des  russischen  Zwanges 
haben  sie  zu  enger  Gemeinschaft  geführt.     Sic  sitzen  zum  Teil  wie  von 

»)  I  Pud  =  16,38  kg. 


Beobachtungen  und  Studien  über  die  Siedlungen  in  Weißrußland.  53 


Abbild.  3. 


54  B.   B  r  a  n  d  t 

alters  her  dauernd  auf  ihren  Gütern  und  bewirtschaften  sie  selbst; 
häufig  aber  sind  sie  auch  in  andere  Berufe  übergegangen  und  wohnen 
als  Rechtsanwälte,  Ärzte  usw.  in  den  großen  Städten,  w^ährend  ein 
Familienmitglied,  oft  eine  Frau,  die  Wirtschaft  leitet.  Andere  wie- 
derum kümmern  sich  überhaupt  wenig  um  das  Gut,  leben  nach  Magna- 
tenart auf  Reisen,  in  Bädern  und  in  großen  Städten  und  benutzen  ihren 
Besitz  nur  als  Sommerfiufenthalt.  Dem  entsprechen  die  Unterschiede 
des  Wirtschaftszustandes.  Es  ist  unmöglich,  ihn  allgemein  zu  charak- 
terisieren, und  es  würde  ungerecht  sein,  wollte  man  aus  den  in  der 
Literatur  beschriebenen  meist  krassen  Einzelfällen  übler  Art  auf  das 
Ganze  schließen.  Die  Mehrzahl  der  Betriebe  macht  äußerlich  den  Ein- 
druck ordentlicher,  wenn  auch  nicht  immer  ganz  zeitgemäßer  Wirt- 
schaft; die  Gutshöfe  sehen  wohnlich  und  wohlhabend  aus.  Einen 
Niedergang  muß  man  den  häufigen  Mitteilungen  über  eine  Areal- 
abnahme des  Gutes,  über  den  Verkauf  von  Wäldern  und  Vorwerken 
entnehmen.  Umgekehrt  sind  a'ufsteigende  Wirtschaften  an  Neubauten 
und  industriellen  Betrieben  zu  erkennen,  wenn  auch  nicht  so  häufig  wie 
in  Polen  westlich  der  Weichsel. 

Der  berüchtigten  ,, polnischen  Wirtschaft"  der  Literatur^)  begegnet 
man  nur  selten;  sie  übertrifft  dann  allerdings  leicht  jede  Vorstellung. 
Der  Acker  liegt  zum  Teil  dauernd  brach,  die  Mauern  des  Gutshofes 
zeigen  Breschen  und  stürzen  ein,  der  Park  verwildert,  die  Wirtschafts- 
gebäude verfallen,  Zinnen  und  Putz  des  schloßartigen  Gutshauses 
bröckeln  ab.  Nur  wenige  Zimmer  sind  bewohnt  und  mit  verblichenen 
und  zerschlissenen  Resten  ehemaligen  Glanzes  notdürftig  ausgestattet, 
der  Rest  ist  verwahrlost  und  mit  Gerumpel  erfüllt.  Hier  haust,  um- 
geben von  einem  schmutzigen  Gesinde  und  seinen  trotz  französischer 
Erzieherin  und  polnischem  Hauslehrer  halbbäuerisch  aufwachsenden 
Kindern,  in  ausgesucht  städtischer  oder  altpolnischer  Kleidung,  mit 
vornehmer  Gespreiztheit  der  Schlachtschitz,  zehrt  von  den  Erinnerungen 
einer  glänzenden  Vergangenheit  und  träumt  in  überschwenglicher  Hoü- 
nung  ihre  Wiederkehr,  ohne  zur  Verwirklichung  eine  Hand  zu 
rühren. 

Die  Magnatenbesitze  umfassen  in  der  Regel  eine  ganze  Anzahl  von 
Gütern  und  Vorwerken.  Zu  ihnen  gehören  auch  die  großen,  noch 
ziemlich  ursprünglichen  Waldungen,  soweit  sie  nicht  im  Besitze  der 
russischen  Krone  sind.  Die  großen  hier  zur  Verfügung  stehenden 
Mittel  gestatten  eine  geordnete,  bisweilen  eine  musterhafte  Wirtschaft. 
Infolge  der  von  ihnen  aus  unternommenen  Dorfgründungen  (vgl.  Wielka 
Sworotwa)  sind  sie  für  die  Besiedlung  des  Landes  von  großer  Bedeu- 

*)  Gustav  Freytag,  K.  E.  Franzos,  Korzeniowski,  auch  Rzewuski. 


Beobachtungen  und  Studien  über  die  vSiedlungen  in  Weißrußland.  55 

tung  gewesen.  Zu  ihrem  großen  Umfange  sind  die  Magnatengüter 
zum  Teil  durch  rücksichtsloses  Auskaufen  kleinerer  Gutsbesitzer 
gelangt '). 

VI.   Der  Bauer. 

Bei  längerem  Aufenthalte  im  Lande  gewinnt  man  die  Überzeugung, 
daß  das  weißrussische  Volk  in  körperlicher  Hinsicht  gewisse  Typen 
aufweist,  die  dem  polnischen  fremd  sind.  Der  Unterschied  beruht 
freilich  nicht  auf  besonders  auffälligen  Kennzeichen,  sondern  auf  einer 
Summe  feinerer  Merkmale,  und  er  ist  nicht  immer  leicht  zu  beschreiben. 
Die  bei  vielen  Völkern  anzutreffende  Zweiteilung  in  einen  gröberen  und 
in  einen  feineren  Typus  scheint  trotz  der  kaum  verschiedenen  Lebens- 
weise auch  hier  vorzuliegen.  Für  den  erstgenannten  sind  etwa  folgende 
Merkmale  charakteristisch:  Ein  rundes,  volles,  bartloses  Gesicht  mit 
vorspringenden  Jochbeingegenden,  lang  herabfallendem,  schlicht  an- 
liegendem dunklen  Haar,  mit  gutmütigen,  phlegmatischen  Gesichts- 
zügen und  wenig  ausdrucksvollem  Blick.  In  ihrer  Wintertracht,  einem 
dicken,  den  Körperbau  verhüllenden  Pelz,  Opanken  .und  mit  Lappen 
verschnürten  Beinen  sind  Leute  dieser  Art  von  den  mongolischen 
Völkern  Sibiriens  oft  kaum  zu  unterscheiden.  Ziemlich  verschieden  von 
diesem  ist  der  zweite  Typus:  Der  Körper  ist  schmächtig  gebaut;  das 
Gesicht  zeigt  vorspringende  Joche,  doch  ein  schmales  Kinn  mit  spär- 
lichem Bartwuchs.  Das  in  der  Mitte  gescheitelte  gleichfalls  dunkle 
Haar  fällt  in  leichter  Wellung  herab.  Das  Auge  und  der  ganze  Ge- 
sichtsausdruck sind  lebhafter,  edler  und  nicht  ohne  Temperament. 
Dieser  etwas  an  Christusdarstellungen  erinnernde  Habitus  ist  durchaus 
unpolnisch,  dagegen  in  Rußland  häufig  vertreten;  er  wird  besonders  von 
jungen  Geistlichen  mit  Bewußtsein  gepflegt.  Einen  eigenen,  offenbar 
auf  Mischung  beruhenden  Typ  enthält  auch  das  an  Litauen  grenzende 
Land. 

Das  volle,  gesundgefärbte  Gesicht  der  Kinder  und  der  jungen 
Leute  macht  bald  fettlosen,  oft  scharf  geschnittenen  Zügen  und  einer 
gelbbräunlichen  Hautfarbe  Platz.  Das  Altern  tritt  besonders  bei  den 
Frauen  früh  ein.  Man  täuscht  sich  daher  leicht  über  das  Lebensalter 
und  vermeint  mehr  alte  Leute  zu  sehen,  als  in  Wirklichkeit  vorhanden 
sind.  Einen  kraftvollen,  imponierenden  Eindruck  macht  das  Volk  im 
ganzen  nicht. 

Heiraten  finden  von  Dorf  zu  Dorf  statt,  ob  in  rassehygienisch  hin- 
reichender Weise,  ist  eine  offene  Frage.  Die  Kinderzahl  ist  überall  hoch 
und  wird  mit  Sechs  bis  acht  angegeben.  Durch  mangelhafte  Geburts- 
hilfe und  Pflege  gehen  leicht  Alutter  und  Kind  verloren,  ebenso  stirbt 


1)  Vgl.  Korzeniowski,  Unsere  Szlachta. 


56  ß-   Brandt: 

ein  verhältnismäßig  großer  Teil  der  Säuglinge  und  der  Kinder  in 
jugendlichem  Aller,  vor  allem  an  den  Pocken,  zu  deren  Bekämpfung 
so  gut  wie  gar  nichts  geschieht.  Der  endemische  Typhus,  Cholera-  und 
Fleckficberepidcmien,  in  sumpfigen  Gegenden  das  Wcchselfiebcr,  häu- 
fige rheumatische  Erkrankungen,  mangelnde  Hygiene,  unzureichende 
Versorgung  mit  Ärzten,  Alkoholismus  und  Hungersnöte  drücken  den 
allgemeinen  Gesundheitszustand  und  das  durchschnittliche  Lebensalter 
herunter  und  schränken  das  Bevölkerungswachstum  ein.  Eine  Familie 
einschließlich  der  alten  Leute  beträgt  durchschnittlich  neun  Seelen. 

über  die  Volkszunahme  des  platten  Landes  läßt  sich  nur  ein 
lückenhaftes  Bild  gewinnen.  Das  Dorf  Wielka  Sworotwa  hatte  sifh  in 
rund  loo  Jahren  von  20  auf  50  Haushalte  vermehrt.  Neue  Höfe  sieht 
man  in  den  Dörfern  im  allgemeinen  selten,  auch  über  eine  Vergröße- 
rung der  Ackerbaufläche  ist  nichts  zu  erfahren.  Die  Städte  ländlichen 
Gepräges  haben  keine  neueren  Stadtteile;  ihre  Einwohnerzahl  wächst 
nur  langsam  (z.  B.  Mosyr  1886:  9000  Einwohner,  1912;  10600  Ein- 
wohner). Dagegen  wachsen  die  Städte  mit  einigem  Verkehr,  Handel 
oder  Industrie  rasch  an  (Minsk  1886:  53000  Einwohner,  1912:  100  000 
Einwohner).  An  der  Zunahme  dieser  Städte  beteiligt  sich  auch  die 
weißrussische  Landbevölkerung  (in  Minsk  mit  9,3  v.  H.,  in  Wilna  mit 
4,2  V.  H.).  Von  der  Abwanderung  in  die  großrussische  Industrie  war 
.'^chon  die  Rede.  Endlich  weist  die  Werbetätigkeit  der  Schiffahrtsgesell- 
fcchaften  in  den  kleinen  Landstädten  darauf  hin,  daß  auch  eine  Aus- 
wanderung in  überseeische  Länder  stattfindet,  und  man  trifft  unter  den 
beständig  aus  Rußland  abströmenden  Auswanderern  tatsächlich  auch 
Weißrussen  an.  Es  kommt  also  der  Bevölkerungsüberschuß  der  Heimat 
wenig  zugute. 

Nun  einige  Bemerkungen  über  das  Seelenleben  und  den  Volks- 
charakter. Die  Empfindung  der  Weißrussen  gegenüber  Eindrücken 
von  außen  ist  auffallend  stumpf.  Die  großen  Nöte  des  Krieges,  Ver- 
nichtung des  Gehöftes,  der  Jammer  des  Flüchtlingslebens,  Tod  der 
Angehörigen  an  der  Landstraße  trug  das  Volk  mit  staunenswerter 
Gelassenheit.  Der  mangelnden  Reizbarkeit  entspricht  eine  geringe 
Reaktion ;  Wille  und  Entschlossenheit  zu  handeln  sind  schwach  ent- 
wickelt. Aus  guten  Beispielen  zieht  der  Weißrusse  keinen  Nutzen, 
mühelose  kleine  Verbesserungen  in  der  Wirtschaft,  die  er  sieht  und 
anerkennt,  ahmt  er  nicht  nach.  Wo  es  darauf  ankommt,  rasch  zuzu- 
greifen, ist  er  hilflos.  Seine  Ernte  läßt  er  schon  bei  geringen  Stö- 
rungen des  Krieges  im  Stiche.  Schlimme  Erfahrungen  vermögen  ihn 
nicht  zu  Gegenmaßregeln  zu  bewegen.  Trotz  häufiger  Hungersnöte 
speichert  er  nicht  für  die  Zukunft  auf;  einen  hinreichenden  Kartoffclvor- 
rat  anzulegen  konnte  er  im  Kriege  nur  mit  Zwang  veranlaßt  werden.  Er 


Beobachtungen  und  Studien  über  die  Siedlungen  in  Weißrußland.  57 

sieht  nicht  voraus,  spart  nicht  und  ist  träg-e.  Alle  seine  Arbeit,  Feld- 
wie  Hausarbeit,  oft  auch  der  Hausbau  und  jede  Ausbesserung  ist 
mangelhaft  und  ungenau.  P'leißig  und  sorgsam  hergestellte  Klein- 
erzeugnisse sucht  man  im  allgemeinen  vergebens. 

Das  Gefühlsleben  scheint  mehr  nach  der  negativen  Seite  hin  ent- 
wickelt. Äußerungen  von  Lebensfreude,  bunte  Trachten,  lebendiges 
Marktgetriebe,  Sonntagsstimmung,  die  in  Polen  trotz  des  Krieges  zu 
beobachten  waren,  vermißte  man  hier.  Im  ganzen  erscheint  das  Tem- 
perament phlegmatisch-melancholisch,  die  Resignation  ein  Charakter- 
zug zu  sein.  Einigermaßen  lebhaft  ist  der  Bauer  nur  im  Verkehr  mit 
seinesgleichen;  Zank,  Streitigkeiten,  Beharren  auf  einem  vermeint- 
lichen Recht  auch  dem  Starosten  gegenüber,  cholerische  Zornausbrüche 
bei  kleinen  Anlässen  sind  häufig.  Überhaupt  ist  eine  leichte  Erregbar- 
keit über  nichtige  Dinge  gegenüber  der  Gelassenheit  bei  großem  Un- 
glück auffällig.  Dahin  gehört  auch  eine  überwertige  Einschätzung 
geringer  Dinge.  Einem  beigetriebenen  Pferde  folgte  beispielsweise  ein 
Bauer  bis  ins  Gefecht; 

Dem  Gutsherrn  gegenüber  ist  der  Bauer  noch  wie  in  alter  Zeit 
unterwürfig  und  ehrerbietig.  Er  spricht  mit  ihm  entblößten  Hauptes, 
grüßt  mit  tiefster  Verneigung,  fällt,  wenn  er  bittet,  auf  die  Knie  und 
küßt,  wenn  er  dankt,  Hand  oder  Gewand.  Ähnlich  unterwürfig,  dazu 
ängstlich  und  etwas  mißtrauisch  zeigte  er  sich  gegenüber  dem  besetzen- 
den Heere.  Er  ist  gutmütig,  dankbar  für  Entgegenkommen,  sehr  lenk- 
bar und  gehorsam,  bedarf  aber  unausgesetzter  Leitung. 

Selbstverständlich  ist  der  hier  ganz  allgemein  geschilderte  Cha- 
rakter in  jeder  einzelnen  Eigenschaft  individuell  abgestuft.  Das  gilt 
auch  für  die  Intelligenz  des  einzelnen.  Doch  ist  allen  ein  enger  Ge- 
sichtskreis eigen,  weil  der  Bauer  von  derAußenwelt  fast  nichts  sieht 
und  wenig  hört.  Ein  kluger  podlachischer  Bauer,  der  über  die  näheren 
Verhältnisse  klare  Auskunft  geben  konnte,  war  über  die  benachbarten 
Dörfer  kaum  herausgekommen,  hatte  von  den  nächsten  Städten  Brest- 
Litowsk  und  Siedice  eben  eine  Vorstellung,  kannte  Warschau  dem 
Namen  nach  und  verband  mit  Deutschland  nur  den  Begrift  eiserner 
Grenzpfähle. 

Der  Charakter  des  Weißrussen  hat  Züge,  die  Kindern  oder  Natur- 
völkern eigen  sind.  Die  geringe  Aktivität  scheint  zum  Teil  natürlich 
bedingt  zu  sein  und  das  Volk  in  der  Geschichte  zum  Amboß  gemacht 
zu  haben.  Umgekehrt  hat  die  Geschichte  sicher  diese  Charakteranlage 
vertieft.  Dies  ist  für  die  Zukunft  des  Volkes  bedeutsam  und  für  die 
Träger  der  weißrussischen  politischen  Bestrebungen  von  Wichtigkeit. 

Die  ursprüngliche  Männertracht  besteht  aus  gewebten,  weiten, 
faltig  fallenden  Hosen,  einem  groben,  bunten  Hemd  und  einer  langen. 


53  B.   B  r  a  n  d  t : 

durch  einen  bunten  gewebten  Gurt  zusammengehaltenen  Bluse.  Außer 
hohen  Stiefeln  werden  sehr  primitive,  durch  einen  Riemen  zu 
schließende  Schuhe  aus  Leder  getragen ;  die  Unterschenkel  sind  im 
Winter  mit  Lappen  oder  Fellen  umwickelt  und  dicht  verschnürt.  Als 
Kopfbedeckung  dient  eine  dunkle  Schirm-  oder  eine  mächtige  Pelz- 
mütze. Die  Frauentracht  besteht  aus  selbstgefertigten  Woll-  und 
Leinengespinsten,  deren  Schnitt  durch  die  Maße  des  Webstuhls  bedingt 
und  daher  dem  so  vieler  Volkstrachten  ähnlich  ist,  insbesondere 
durch  die  kurzen,  weiten,  faltenreichen  Röcke.  Die  Farben  sind  hier 
im  Gegensatze  zu  manchen  Gegenden  Polens  (Kujawien,  Lowitsch) 
dunkler  und  ernster  abgestimmt,  die  Weberei  zeigt  oft  schöne,  alther- 
gebrachte Muster,  z.  B.  Mäander.  Bunte  Stickereien,  in  Polen,  Ukraina 
und  Großrußland  so  beliebt,  treten  hier  zurück.  Das  auffälligste  Be- 
kleidungsstück sind  die  weiten,  aus  Ziegen-  oder  Schaffellen  zusammen- 
genähten Pelze,  die  mit  der  Fellseite  nach  innen  getragen  werden.  Die 
Außenseite  ist  mit  einem  schönen  stumpfen  Rot  oder  in  braunen  Tönen 
gefärbt.  Auch  hier  dient  ein  gewebter  Gürtel  als  Abschluß.  Die  ur- 
sprüngliche, der  großrussischen  ähnliche  Tracht  wird  durch  diese  und 
durch  billige  Allerweltskleidung  langsam  verdrängt,  mindestens  die  des 
weiblichen  Geschlechts. 

Hinsichtlich  der  Nahrung  ist  der  Weißrusse  äußerst  genügsam. 
Brot,  Kohl,  Kartofifeln,  Rüben  und  Breie  bilden  die  Hauptnahrungs- 
mittel. Die  erstgenannten  Früchte  werden  kleingeschnitten  und  auf 
dem  wenig  zweckmäßigen  Herde  zu  faden,  halbgaren  Suppen  gekocht. 
Fleisch  wird  wenig  verzehrt,  das  etwa  im  Winter  geschlachtete  Schwein 
soll  geräuchert  das  ganze  Jahr  vorhalten.  Von  Genußmitteln  wäre 
Tabak  und  Schnaps  zu  nennen. 

Wie  schon  angeführt  wurde,  lebt  die  ganze  Familie  vorwiegend  in 
einem  einzigen  Räume,  der  Isba.  Diese  wimmelt  im  Sommer  von 
Fliegen,  nimmt  im  Winter  auch  die  Hühner  auf,  ist  überhitzt  und 
wird  —  die  Fenster  sind  oft  verklebt  —  nie  gelüftet.  Der  Herd  lockt 
Küchenschaben  in  Menge  an.  Das  Reinlichkeitsbedürfnis  ist  gering, 
die  allereinfachsten  hygienischen  Einrichtungen  fehlen.  Die  Winter- 
kälte und  die  umständliche  dicke  Kleidung  erschweren  die  Körperpflege; 
das  Ungeziefer  ist  infolge  langer  Gewöhnung  wenig  störend.  Durch 
die  Läuse  wird  das  bei  uns  nahezu  unbekannte,  hier  endemische  Fleck- 
fieber übertragen,  das  aber,  weil  durch  Generationen  hindurch  schon 
eine  gewisse  Immunität  erlangt  ist,  nicht  mehr  so  verderblich  wirkt. 
In  vielen  Häusern  liegen  tuberkulöse  alte  Leute  in  engster  Nachbar- 
schaft mit  den  Hausgenossen.  Eine  Folge  der  allgemeinen  Unreinlich- 
keit  sind  einige  widerwärtige,  bei  uns  kaum  auftretende  Erkrankungen 
der  Kopfhaut,    der  Favus   und   der  Weichselzopf,   der   offenbar  durch 


Beobachtungen  und  Studien  über  die  Siedlungen  in  Weißrußland.  59 

weißrussische,  die  Weichsel  befahrende  Flößer  bei  uns  bekannt  ge- 
worden ist.  In  manchen  Dörfern  befinden  sich  Badestuben,  Räume, 
in  denen  durch  Beg-ießen  heißgemachter  Feldsteine  mit  Wasser  Dampf 
erzeugt  wird. 

Die  Bewirtschaftung"  des  Bodens  unterscheidet  sich  in  ihren 
Grundlagen  nicht  von  der  unsrigen.  Es  werden  dieselben  Feld- 
früchte in  der  gleichen  Folge  angebaut,  nur  mit  dem  Unter- 
schiede, daß  Frühjahrsbestellung,  Ernte  und  Herbstbestellung  des 
langen  Winters  wegen  näher  aneinanderrücken.  Die  Dreifelder- 
wirtschaft ist  in  Gebrauch.  Besondere  Erwähnung  verdient  der  Anbau 
des  Buchweizens,  des  Tatark  oder  tatarischen  Kornes,  der  im  Haushalt 
als  Brei  den  Kaffee  ersetzt.  Der  Viehstand  eines  mittleren  Bauern  (mit 
IG  Deßjatinen  Land)  beträgt  etwa  vier  Rinder,  zwei  bis  drei  der  kleinen, 
langhaarigen  russischen  Pferde,  zwei  bis  vier  Schweine,  einige  Schafe, 
eine  Anzahl  Hühner  und  eine  wechselnde,  oft  große  Zahl  von  Gänsen. 
Sie  werden  als  ,, russische  Gänse"  nach  Deutschland  ausgeführt  und 
erscheinen  nach  ihrer  Mästung  als  ,,pommersche  Gänse"  auf  dem 
Markte.  Zum  Hofe  gehören  endlich  auch  einige  Bienenstöcke,  die  wie 
bei  uns  in  älteren  Zeiten  den  Süßstoff  liefern. 

Die  unrationelle  Einteilung  der  Flur  mit  ihrer  mangelnden  Rück- 
sicht auf  die  Bodenbeschafi'enheit  wurde  schon  erwähnt.  Die  einzelnen 
langgestreckten  Parzellen  werden  in  etwa  2  m  breite,  ziemlich  gewölbte 
Beete  eingeteilt,  auf  denen  die  Saat  ganz  verschieden  wächst  und  je 
nach  der  Niederschlagshöhe  während  des  Wachstums  auf  der  höheren 
Mitte  oder  auf  den  tieferliegenden  Seiten  besser  gedeiht.  Die  Beete 
werden  häufig  noch  weiter  der  Länge  nach  zerlegt,  so  daß  man  bis- 
weilen sehr  lange,  kaum  meterbreite  Streifen  verschiedener  Feldfrucht 
nebeneinander  sieht.  Die  Geschiebe  werden  mangelhaft  abgelesen,  auch 
wird  der  Ausbreitung  von  Unkraut  nicht  genügend  Einhalt  getan.  Wo 
etwa  Wald  gerodet  und  in  Ackerland  verwandelt  worden  ist,  bleiben 
die  Baumstümpfe  stehen,  sie  bereiten  ja  auch  der  meist  gebrauchten 
Sichel  kein  so  großes  Hindernis  wie  der  Sense.  Mit  den  altertümlichen 
Ackergeräten  vermag  der  Bauer  den  Boden  weder  genügend  tief  auf- 
zulockern, noch  ihn  gleichmäßig  zu  zerkleinern.  In  den  groben  Boden- 
schollen verteilt  sich  die  Feuchtigkeit  ganz  ungleich  und  zieht  weitere 
Wächstumsunterschiede  nach  sich.  Der  Gegensatz  der  schmalen,  grob- 
scholligen Eingeborenenäcker  und  der  großen,  gleichmäßig  und  fein 
gelockerten  Ackerflächen  der  deutschen  Soldaten  war  ebenso  auffällig 
wie  der  der  Erträge.  Alle  diese  Rückständigkeiten  der  Bodenbewirt- 
schaftung verschwinden  aber  hinter  der  größten,  der  mangelhaften  Aus- 
nutzung der  verfügbaren  Ackerfläche. 

Wenn  man  aus  Polen  nach  Weißrußland  kommt,  ist  man  erstaunt 


60  B.   Brandt: 

über  die  ausgedehnten  Flächen,  die,  wie  die  halbverwischte  Flurein- 
teilung beweist,  einmal  bestellt  waren,  dann  aber  aufgegeben  und  sich 
selbst  überlassen  worden  sind.  Manche  dieser  Acker  sind  erst  mit 
steppenartigem  Gewächs,  mit  Heidevegetation  und  mit  Wacholder- 
gestrüpp bedeckt.  Dies  wächst  mit  der  Zeit  zu  Gesträuch  aus,  dem 
sich  Kiefern  beigesellen,  der  Acker  ,,verbuscht'".  Die  Flureinteilung 
macht  sich  noch  in  Wachstumsunterschieden  geltend,  das  Buschwerk 
erscheint  oft  baumschulenartig  in  Reihen  angeordnet  und  weist  par- 
zellenweise verschiedene  Wachstumsstadien  auf.  In  diesem  Zustande 
befinden  sich  erschreckend  große  Flächen  Weißrußlands,  selbst  in  den 
fruchtbaren  Gebieten.  Das  sekundäre  Ödland  bildet  geradezu  neben 
Wald  und  Kulturland  eine  charakteristische  Pflanzenformation  des 
Landes.  In  selteneren  Fällen  sieht  man  deutlich,  daß  selbst  Hochwald 
aus  ehemaligem  Acker  herausgewachsen  ist.  Hier  ist  also  ein  Vor- 
gang zu  beobachten,  der  in  Deutschland  weit  zurückliegt,  die  Ent- 
stehung ,, wüster  Marken",  die  durchaus  nicht  immer  mit  kriegerischen 
Ereignissen  in  Zusammenhang  zu  stehen  brauchen.  Und  wie  man  in 
Deutschland  inmitten  alter,  wiederbebauter  oder  aufgeforsteter 
Wüstungen  ,, Dorfstätten"  findet,  so  triflft  man  hier  überwucherte 
Kirchhöfe  mitten  in  der  Heide,  fernab  von  den  Dörfern  an.  Eine  Haupt- 
ursache der  mangelhaften  Bodenausnutzung  ist  die  unzureichende 
Düngermenge.  Der  Viehstand  befindet  sich  nicht  im  Gleichgewicht 
mit  der  Ackerfläche.  Sicher  sind  aber  auch  der  Tiefstand  der  Wirt- 
schaft, die  Trägheit  des  Bauern  und  der  durch  die  Lage  des  Landes  be- 
dingte geringe  Antrieb  zu  intensiver  Bodenausnutzung  von  großerBedeutung. 
Da  zu  diesen  dauernden  üdländereien  noch  das  infolge  der  Drei- 
felderwirtschaft jeweils  in  Brache  liegende  Land  hinzukommt,  ist  die 
Anbaufläche  im  Verhältnis  zum  Gesamtbesitz  klein  und  der  Gesamt- 
ertrag des  mangelhaft  bestellten  Bodens  gering.  Ein  Bauer  mit  zehn 
Deßjatinen  Land  baut  hauptsächlich  Kartoft'eln  und  Roggen  an,  da- 
neben Hafer,  etwas  Gerste  und  Buchweizen.  Schon  hieraus  ist  zu  ent- 
nehmen, daß  er  in  erster  Linie  für  seinen  eigenen  Bedarf  erzeugt.  Viele 
begnügen  sich  hiermit,  andere  verkaufen  ihren  Überschuß  an  den  Juden 
der  nahen  Landstadt  und  erzielen  bei  den  niedrigen  Ortspreisen  einen 
geringen  Gewinn.  Das  jährliche  Durchschnittseinkommen  eines 
Bauern  in  der  Gegend  von  (iorodischtsche  wird  mit  loo  Rubel  ange- 
nommen. Dazu  kommt  noch  die  Löhnung  für  die  auf  dem  Gute  ge- 
leistete Arbeit  und  der  Erlös  etwa  verkauften  Viehs.  Die  laufenden 
Ausgaben  für  vSteuer.  Feuerkasse,  einige  notwendige  Nahrungsmittel, 
wie  Salz,  Genußmittcl,  Tabak,  Schnaps,  Neuanschaflfung  an  Kleidung 
u.  dgl.,  erreichen  insgesamt  die  Höhe  der  Einkünfte.  Es  tritt  kein 
Aufstieg  zum  Wohlstande  ein. 


Beobachtungen  und  Studien  über  die  Siedlungen  in  Weißrußland.  Q\ 

VII.  Die  städtische  Bevölkerung. 

In  den  Landstädten  Weißrußlands  machen  die  Russen  und  die 
Polen  nur  einen  ganz  geringen  Teil  der  Bevölkerung  aus.  Die  einen 
sind  nur  vorübergehende  Gäste,  die  andern  wurzeln  als  letzte  Vertreter 
einer  einst  herrschenden  Oberschicht  nicht  mehr  recht  im  Boden  der 
Stadt.  Von  altersher  eingesessen  sind  nur  zwei  Volksteile,  die  kleine 
Tatarengemeinde  und  die  Juden,  die  Hauptmasse  der  Einwohner. 

Unter  den  Tataren  sind  zwei  Typen  auseinander  zu  halten.  Der 
eine  hat  deutlich  mongolische  Rassenmerkmale  und  ist  am  besten  bei 
Frauen  ausgeprägt.  Der  andere  gleicht  gewissen  in  der  Türkei  ver- 
breiteten Volkstypen.  Insbesondere  erinnern  manche  der  voUbfirt- 
umrahmten  Tatarengesichter  geradezu  an  türkische  Sultane.  Die 
Kleidung  ähnelt  mit  hohen  Stiefeln,  langem  Mantel  und  Pelzmütze  der 
russischen ;  charakteristisch  allein  ist  der  Schleier  der  Frauen,  der  das 
Gesicht  unterhalb  der  Augen  verdeckt,  aber  nicht  allgemein  und  haupt- 
sächlich wohl  nur  als  Schutzmittel  gegen  Sonne  und  Staub  getragen 
wird.  Die  Tataren  lesen  den  Koran  und  bedienen  sich  einer  in 
arabischen  Buchstaben  geschriebenen  Sprache.  Durch  den  Verkehr 
mit  den  Juden  haben  sie  sich  von  der  deutschen  Sprache  so  viel  an- 
geeignet, daß  bei  ihrer  Intelligenz  und  ihrem  guten  Willen  eine  elemen- 
tare Verständigung  möglich  ist.  Sie  haben  ihren  Schrecken  von  einst 
längst  verloren  und  wohnen  friedlich  neben  den  anderen  Städtern  in 
der  Tatarskaja  Ulica,  die  sich  gewöhnlich  der  Talniederung  entlang- 
zieht. Ihre  Häuser  gleichen  denen  der  weißrussischen  Bauern ;  dem 
Innern  geben  die  an  den  Wänden  und  in  den  Türen  aufgehängten 
Teppiche  eine  Spur  orientalischen  Gepräges. 

Ihr  mohammedanischer  Glaube  scheidet  sie  streng  von  den  andern 
EinAvohnern.  Die  Moschee  hat,  wie  bei  den  Türken,  die  griechische 
Kirche  zum  Vorbild  genommen  und  ahmt  ihren  Bau.  ihre  Türme 
und  ihre  bunten  Kuppeln  mit  einiger  Mäßigung  nach.  Das  Patri- 
archenkreuz wird  durch  Halbmond  und  Stern  ersetzt.  Der  Haupt- 
raum ist  mit  Mirab,  Minibar,  Teppichen,  Bildern  der  heiligen 
Stätten  des  Islam,  kalligraphischen  Zierdrucken  und  dem  übrigen 
Zubehör  des  mohammedanischen  Kultus  ausgestattet.  Ein  Gitter 
scheidet  einen  kleineren  hinteren  Raum  für  die  Frauen  ab,  die  hier  die 
Moschee  betreten  dürfen.  Die  Toten  werden  außerhalb  der  Stadt 
beigesetzt.  Nach  Sitte  nomadischer  Völker  häuft  man  Steine  zu  einem 
Hügel  auf  und  setzt  hohe,  sauber  mit  Inschriften  und  \''erzierungen 
bemalte  Grabsteine  nach   Art   der  türkischen. 

Wie  in  den  Dörfern  treiben  die  städtischen  Tataren  Landwirt- 
schaft, betätigen  sich  aber  auch  im  Gewerbe,  ohne  einen  nennenswerten 
Einfluß  auf  die  städtische  Wirtschaft  zu  haben. 


62  B.   B  r  an  d  t:      . 

In  um  so  höherem  Maße  gilt  das  von  den  Juden. 

Der  alte  Ostjude  mit  seinen  unverkennbaren  Gesichtszügen,  der 
alttestamentarischen  Barttracht,  den  Schläfenlocken,  dem  langen 
Kaftan  und  dem  kleinen  schwarzen  Mützchen  ist  ein  bekannter  Typ; 
infolge  des  Eindringens  europäischer  Kleidung  und  Barttracht  unter 
die  Jüngeren  weicht  er  langsam  einem  weit  weniger  markanten  Ge- 
schlechte. Auch  die  Frauen  haben  charakteristische  Züge  genug.  Die 
jüngeren  Jüdinnen  sind  zum  Teil  von  eigenartiger  Anmut.  Die  über- 
große Eleganz,  die  viele  in  ihrer  Kleidung  entwickeln,  fällt  auf  dem 
Hintergrunde  der  armseligen,  schmutzigen  russischen  Kleinstadt 
doppelt  auf.  Als  Frauen  bedecken  sie  das  kurzgeschnittene  Haar  mit 
Perücken,  vernachlässigen  ihre  Kleidung  und  legen  keinerlei  '  Wert 
mehr  auf  das  Äußere.  Niemand  wird  ohne  Schaudern  im  Jargon  des 
,, Jiddisch"  die  mit  hebräischen,  polnischen  und  russischen  Bruch- 
stücken gespickte,  im  Laufe  von  sieben  Jahrhunderten  gründlich  ver- 
derbte eigene  Sprache  erkennen. 

Von  den  Juden  der  Kulturländer  unterscheidet  sich  der  russisch- 
polnische durch  seine  noch  weit  größere  Vielseitigkeit  und  Anpassung 
im  Wirtschaftsleben.  Er  ist  nicht  allein  Händler,  sondern  auch  Hand- 
werker, Gewerbetreibender,  Gastwirt,  Unternehmer,  Arbeiter;  er  hat 
alle  städtischen  Berufe  inne ;  selbst  zu  einer  Art  Landwirtschaft  sahen 
wir  ihn  unter  dem  Zwange  des  Krieges  sich  bequemen.  Der  Jude 
sammelt  die  Erzeugnisse  von  Dorf  und  Gut  und  leitet  sie  nach*  Ver- 
sorgung der  Stadt  weiter,  er  vermittelt  den  Holzhandel  und  sammelt 
das  Pelzwerk  des  Waldlandes,  um  es  den  größeren  Märkten  zuzuführen. 
Er  versorgt  Stadt  und  Land  mit  Salz,  Kolonialwaren,  Lebens-,  Ge- 
nuß- und  Beleuchtungsmitteln  und  mit  Fabrikaten  aller  Art.  Güter- 
austausch und  Geldgeschäft  gehen  fast  ausschließlich  durch  seine  Hand. 
Die  Stätten  des  Kleinhandels  sind  zahlreiche  Läden  und  die  "Stände  des 
Gostiny-Dwor  oder  Kaufhofes  oder,  wo  diese  nicht  ausreichen,  hölzerne 
Buden  auf  dem  Markte.  Hier  sieht  man,  nach  Handwerken  getrennt, 
die  heimischen  Erzeugnisse  aufgestapelt,  die  plumpen  Lederschuhe,  die 
Webereien  der  Bäuerinnen,  rohe  Stellmacherarbeiten,  darunter  die 
charakteristischen  Bügel  des  Pferdegeschirrs,  daneben  auch  Massen 
der  berühmten  Gummischuhe,  die  nur  auf  dem  Boden  des  unwegsamen 
Rußlands  erfunden  werden  konnten.  In  den  Auslagen  der  Läden  aber 
sind  abgelagerte,  unansehnliche,  unappetitlicl^  Lebensmittel,  billige 
Ausschußartikel,  ferner  Fabrik-  und  allerhand  Talmiwaren  aufgebaut. 
Alle  paar  Häuser  sieht  man  einen  Uhrmacher,  der  aber  auch  mit  den 
verschiedensten  anderen  Dingen  handelt,*  hinter  seinem  Schaufenster 
bei  der  Arbeit  sitzen.  Daneben  kündigt  ein  Photograph  durch  Aus- 
hang bis  zur  Unkenntlichkeit  verblichener  Bilder  seine  Leistungen  an. 


Beobachtungen  und  Studien  über  die  Siedlungen  in  Weißrußland.  63 

Von  besonderer  Wichtigkeit  ist  der  zahlreich  vertretene  Haarkünstler 
und  Barbier,  dessen  Hauptbeschäftigung-  das  Anfertigen  der  Perücken 
für  die  Frauen  ist.  Er  hat  wohl  die  Kenntnis  anspruchsvollerer  Haar- 
pflege zuerst  in  die  Länder  des  slawischen  Ostens  gebracht,  denn  in 
Rußland  wie  in  Polen  heißt  der  Barbier  allgemein  „Parikmacher".  Mit 
der  „Parikmacherskaja"  ist  oft  die  Werkstätte  des  begehrten  und 
häufigen  Zahnarztes  verbunden,  dem  gelegentlich  das  Diplom  einer 
deutschen  Hochschule  als  Reklameschild  dient.  In  der  Ladentür  steht 
beständig  ein  jüngeres  Familienglied  und  nötigt  jeden  Vorübergehen- 
den mehr  oder  weniger  eindringlich  z«m  Eintritt,  während  die  Kinder 
auf  der  Straße  einen  fliegenden  Handel  mit  Kleinigkeiten  treiben.  Selbst 
im  strengsten  Winter  vollzieht  sich  der  Handel  halb  im  Freien,  in  den 
offenen  Ständen  wärmen  sich  die  Verkäufer  dann  die  Hände  an  den 
beständig  mitgeführten  Töpfen  voll  glimmender  Holzkohle.  Der  Nation 
und  den  Bedürfnissen  seiner  Käufer  paßt  sich  der  Jude  mit  feiner 
L^nterscheidung  an.  Den  des  Lesens  unkundigen  Bauern  klären  kühn 
und  naiv  auf  Blech  gemalte  Heringe,  Zuckerhüte  u.  dgl.  auf.  Dem 
die  Zivilisation  des  Westens  schätzenden  Russen  preist  er  deren  Er- 
zeugnisse in  russischen,  aus  dem  Französischen  transskribierten  Wort- 
monstren an  (Schik  de  Pari;  Odekolon).  Die  deutschen,  österreichi- 
schen und  ungarischen  Truppen  konnten  sich  in  kurzer  Zeit  nach 
heimatlichen,  wenn  auch  ein  wenig  verstümmelten  Ladenbezeichnun- 
gen zurechtfinden.  Zwischen  den  Läden  lockt  hier  und  dort  eine  ,,Tai- 
stube"  zum  Genüsse  des  trefiflichen  Tees  und  der  russischen  Süßig- 
keiten, wenn  nicht  gar  der  Messingsamowar  im  Freien  unter  einem 
riesigen  Schirme  aufgebaut  ist.  Der  Gasthof,  früher  meist  Hotel 
Polski  oder  Warschauer  Hof  genannt,  verbirgt  neuerdings  seine 
Dürftigkeit  unter  Namen  wie  Grand  Hotel,  Metropol  usw. 

Überall  wird  nach  orientalischer  Weise  übervorteilt  und  gefeilscht ; 
auch  seltener  begehrte  Gegenstände  werden  bei  den  weitverzweigten 
Geschäftsverbindungen  rasch  herbeigeschafft.  Eifrige  Agenten  er- 
leichtern dem  Fremden  seine  Aufgaben  in  unschätzbarer  Weise.  'J^ 
nach  äußeren  Umständen  und  Verdienstaussichten  ändert  der  Jude 
rasch  seine  Tätigkeit;  heute  noch  hat  er  einen  Kaufladen,  morgen 
richtet  er  ein  Kaffeehaus,  einige  Wochen   später  ein  Kinotheater  ein. 

Wie  der  Bauer,  so  wohnt  auch  der  Jude  eng  und  zusammenge- 
drängt. Auch  er  hält  die  Fenster  ängstlich  verschlossen.  Wohn-  und 
Geschäftsräume  sind  kaum  getrennt  und  dienen  oft  beiden  Zwecken 
gleichzeitig.  An  den  Türen  sind  unauffällig  in  Kapseln  verschlossene, 
auf  Pergament  geschriebene  Sprüche  angebracht.  Die  W^ände 
schmücken  Bilder  berühmter  Hebräer  der  neuesten  Zeit  und  Dar- 
stellungen   der    jüdischen    Religionsgeschichte.      Die    einzigen    Gegen- 


64 


B.    Brandt 


Stände  von  Wert  in  der  sehr  dürftigen  Ausstattung  sind  die  alten 
silbernen  Leuchter,  die  bei  der  Feier  des  strenge  innegehaltenen 
Sabbat  gebraucht  werden.  Dann  ist  die  ganze  Stadt  festlich  beleuchtet 
wie  die  unsrigen  zur  Weihnachtszeit.  Ein  besonderes  Gepräge  erhält 
sie  auch  während  des  Laubhüttenfestes,  wenn  die  mittels  Klappen  und 
Stangen  zum  Teil  geöffneten  Dächer  der  Hauseingänge  luftige  Hütten 
andeuten.  Die  Synagoge  ist  ein  großer  Holzbau  derselben  Art  wie  die 
orthodoxe  Kirche  und  die  Moschee  oder  ein  Backsteinrohbau.  Ihr 
Kennzeichen  ist  das  Hexagramm,  welches  in  Stein  über  dem  Eingange 
oder  in  Eisen  an  den  Verankerungen  des  Mauerwerks  angebracht  ist. 
Das  Innere  ist  leer  und  frei  von  Schmuck,  abgesehen  vielleicht  von 
einem  geschnitzten  und  buntbemalten,  tabcmakelartigen  Schrein.  Die 
Mitte  ist  zu  einem  geländerumgebenen  Podium  erhoben,  welches  gleich- 
zeitig als  Ofen  dient.  Gewöhnlich  enthält  die  Synagoge  eine  Bibliothek 
hebräischer-  Werke,  darunter  prachtvolle  alte  Drucke  und  Hand- 
schriften. 

Ein  patriarchalisches  Familienleben,  enger  Zusammenhalt  der  Ge- 
meinde und  des  Volkes,  Sittenstrenge  und  genaues  Einhalten  der  Vor- 
schriften ihres  Kultes  sind  die  Hauptzüge  des  religiösen  Lebens  der 
Juden,  das  einen  ebenso  ausgesprochenen  Charakter  hat  wie  ihre  Er- 
werbstätigkeit. 

Der  Jude   ist   im    westlichen   Rußland   heute   nicht   zu    entbehren ; 

seine   Entfernung   würde   das   ganze    Wirtschaftsleben   aufs   schvv-erste 

erschüttern.      Auf   dieser  Abhängigkeit   vom   Juden   beruht  wohl   zürn 

großen  Teile  der  Haß,  der  ihm  von  allen  Seiten  entgegengebracht  wird. 

Die  Ansicht,  daß  der  Jude  in  Rußland  unter  dem  Drucke  der  Regierung 

in  physischem  Elend  lebt,  ist  nur  zum  Teil  richtig.   Man  erinnere  sich  der 

jungen  Juden,  die  die  Hörsäle  unserer  Hochschulen  füllen  und  jener,  die 

in  allen  blühenden  Ländern  Europas  und  der  neuen  Welt  zu  Reichtum 

und  Ansehen  gelangt  sind.     Nicht  wenige  stammen   aus  den  kleinen 

Landstädten  Westrußlands,  wo  unter  dem  Scheine  der  Armseligkeit  in 

emsiger   Geschäftigkeit   die    Grundlage    zu    ihrem    Aufstiege    erworben 

wurde. 

VIII.  Kulturlandschaften. 

Die  mannigfaltig  gestaltete  Natur  bietet  den  Einwanderern  ver- 
schiedenartige und  vcrschiedenwertige  Lagen  für  die  Gründung  ihrer 
Siedlungen.  In  erster  Linie  steht  die  Auswahl  zwischen  der  Dorflage 
im  Tale  und  der  auf  der  Hochfläche.  Die  größeren  Talauen  gewähren 
reichlich  Raum  für  die  Niederlassung  einer  größeren  Anzahl  von 
Menschen.  Sie  enthalten  guten  Schwemmlandboden,  dessen  trockener 
Randstrich  neben  dem  Gehänge  beackert  werden  kann,  während  der 
zeitweilig   überschwemmte,    tiefer  gelegene   Streifen   als    Weide   nutz- 


Beobachtungen  und  Studien  über  die  Siedlungen  in  Weißrußland.  65 

bar  ist.  Bäche,  Gehängequellen  und  das  nahe  Grundwasser  gewähr- 
leisten eine  ausgiebige  Wasserversorgung.  Rodung  ist  entweder  gar 
nicht  oder  doch  nur  in  beschränktem  Maße  erforderlich,  Entwässe- 
rungsarbeiten sind  bei  dem  tiefen  Einschneiden  der  Wasserläufe  — 
wenigstens  im  Memelgebiete  —  kaum  nötig.  Der  diluviale  Boden  der 
Hochflächen  dagegen  wechselt  hinsichtlich  seiner  Güte  und  ist  leichter 
zu  erschöpfen  als  der  der  Talauen.  Das  Grundwasser  liegt  tief,  die 
Gefahr  der  Dürre  ist  größer.  Vor  allem  aber  muß  der  dichte  Wald 
durch  mühevolle  Rodung  beseitigt  werden.  Ohne  Zw^eifel  bevorzugten 
die  Ansiedler,  wie  überall  unter  ähnlichen  Umständen,  wo  sie  noch  die 
Wahl  hatten,  die  Tallage. 

Der  Raum  für  das  im  Tale  liegende  Dorf  ist  ein  verhältnismäßig 
schmaler  Streifen  zwischen  dem  Saume  des  Hochflächenwaldes  und 
dem  Überschwemmungsgürtel  des  Wasserlaufes.  Die  Tallage  läßt 
daher  nur  eine  einachsige  Ausdehnung  des  Dorfes  zu,  sie  führt  zu  der 
bereits  beschriebenen  Form  des  Straßendorfes,  das  je  nach  dem  Tal- 
verlaufe gerade  oder  gekrümmt,  je  nach  der  Einwohnerzahl  kurz  oder 
lang,  meist  ein  wenig  unregelmäßig  angeordnet  ist  (Abb.  4  a). 

Kleine  Talauen  gewähren  Raum  für  nur  wenige  Menschen.  Die 
Schmalheit  des  siedlungsfähigen  Bodens  dehnt  hier  das  Anwesen  des 
einzelnen  in  die  Länge  und  zieht  das  Dorf  zu  einer  lose  zusammen- 
hängenden Reihe  weilerartiger  Hofgruppen  auseinander.  In  der  eigen- 
tümlichen Natur  Litauens  ist  diese  Form  zu  einem  Siedlungstypus  ge- 
worden, der  gelegentlich  auch  in  den  weißrussischen  Grenzsaum  über- 
greift (Abb.  4  b).  Ganz  ähnliche  Bedingungen  herrschen  aber  auch 
in  den  nördlichen  Pripetsümpfen,  wo  sich  sehr  kleine  Inseln  siedlungs- 
fähigen Bodens  aus  Sumpf  und  Moor  erheben.  Sie  tragen  gleichfalls 
kleine,  oft  nur  im  Winter  über  den  gefrorenen  Sumpf  zugängliche 
weilerartige  Dörfchen  (Abb.  4  c).  Beide  Lagen  und  Formen  des 
Dorfes  sind  für  das  gesamte  Siedlungsbild  Weißrußlands  von  nur 
geringer  Bedeutung.  Wo  die  Sumpfinseln  einige  Größe  erreichen, 
ziehen  ihren  Rändern  Straßendörfer  entlang. 

In  der  wasserscheidenden  Ebene  zwischen  den  Memelzuflüssen 
Serwetsch  und  Molczadz  und  der  oberen  Schtschara  werden  die  Tal- 
auen durch  eingesenkte  Sumpfbecken,  Ausläufer  der  Pripetsümpfe,  er- 
setzt. Die  Ränder  der  nicht  allzu  sumpfigen,  wiesenbewachsenen 
Becken  haben  eine  ähnliche  Beschaffenheit  wie  die  großen  Talauen. 
Zwischen  dem  Hochflächensaume  und  dem  Stande  des  höchsten 
Wassers  dehnen  sich  daher  auch  hier  oft  Straßendörfer  aus. 

Im  kuppenreichen  Osten  unseres  Gebietes  entfällt  ein  sehr  großer 
Teil  des  Gesamtareals  auf  Täler  und  Niederungen,  die  Möglichkeit  der 
Ortsgründung  in  Tallage  ist    sehr    groß.     Daher    liegen    die    meisten 

Zeitschr.  d.  Gesellsch.  f.  Erdkunde  zu  Berlin.     1919.     Nr.  1/2.  5 


66 


B.    Brandt 


Dörfer  hier  in  den  Tälern,  während  die  Hochflächen  verhältnismäßig 
arm  an  Ortschaften  sind  und  stellenweise  sogar  öde  erscheinen.  Trifft 
die  Annahme  zu,  daß  die  Urheimat  der  Slawen  um  den  oberen  Dnjepr, 
also  im  talreichen  östlichen  Weißrußland  zu  suchen  sei^),  so  ist  es  be- 
greiflich, warum  das  Straßendorf  die  vorzugsweise  benutzte  Form  der 
slawischen  Siedlungen  geworden  ist. 


er 


c^ 


aw^Va^a 


0  rri  e  t  c  t 


Abbild.  4.     Weitirussische  Dorftypen. 

a.  Straßendorf  im  Tale,  b.  Weiierartige  Siedlung  (litauischer  Typus), 
c.  Weilerartige  Siedlung  in  den  Pripetsürapfen. 

Die  Anordnung  der  Ortschaften  und  das  Wegenetz  lehnen  sich  an 
die  Täler  an.  Von  den  Tälern  aus  greift  die  Rodung  auf  die  benachbar- 
ten Hochflächen  über.  Zunächst  stört  sie  den  Zusammenhang  der 
Walddecke  noch  nicht  erheblich,  wie  uns  der  erst  im  Beginne  seiner 
Besiedlung  stehende  Peredielwald  zeigt.  Meist  aber  ist  dieses  Stadium 
überschritten.  Rodungen  verschiedener  Größe  bilden  bald  rundliche, 
bald  mehr  rechteckige  Lichtungen;  oft  sind  sie  ganz  unregelmäßig  ge- 


1)  Kaindl.  Polen,  S.  3. 


Beobachtungen  und  Studien  über  die  Siedlungen  in  Weißrußland.  G7 

staltet,  weil  man  auf  Talspornen,  Hügeln  oder  sonst  weniger  brauch- 
barem Gelände  den  Wald  stehen  ließ.  Zwischen  benachbarten  Tälern 
ist  er  gänzlich  verschwunden,  während  auf  breiteren  Hochflächen- 
strecken beträchtliche  Bestände  erhalten  sind.  Diese  sind  oft  unregel- 
mäßig gelichtet,  zerlappt  und  in  Inseln  aufgelöst ;  auch  enthalten  sie 
Kahlschläge  von  Form  und  Größe  der  Flurparzcllen  (vgl.  die  Ent- 
stehung der  Flurexklaven  durch  Rodung  fern  vom  Dorfe).  Zahlreiclie 
Rodungen  verbuschen  wieder.  Der  Urbarmachung  fehlt  jedes  System; 
in  augenscheinlich  örtlicher  und  zeitlicher  Abstufung,  meist  von  kleinen 
Gesichtspunkten  aus,  hat  sie  allmählich  die  ursprüngliche,  einförmige 
Walddecke  in  eine  vielgestaltige  Kulturlandschaft  verwandelt,  in  der 
aber  noch  immer  die  Natur  die  Eingriffe  des  Menschen  überwiegt. 

Im  Westen  Weißrußlands  und  in  Podlachien,  wo  die  Hochflächen 
flachwelliger  und  weniger  zerschnitten  sind,  ist  das  Talareal  verhältnis- 
mäßig kleiner  als  im  kuppigen  Osten.  Hier  ist  der  Raum  für  Sied- 
lungen in  der  Tallage  eher  erschöpfbar,  hier  ist  die.  Notwendigkeit  ein- 
getreten, auf  der  Hochfläche  talferne  Siedlungen  zu  gründen.  Taldörfer 
und  Hochflächendörfer  halten  sich  in  diesem  Gebiete  das  Gleichgewicht. 

Wo  die  Ansiedler  in  den  Tälern  keinen  Platz  mehr  fanden,  stand 
ihnen  frei,  den  Saum  des  Waldes  durch  Rodung  zurückzuschieben  oder 
eine  Lichtung  inmitten  des  Waldes  zu  schlagen.  Im  ersten  Falle 
schreibt  der  langgestreckte  Waldsaum  die  Anordnung  der  Höfe  längs 
einer  parallel  laufenden  Achse  als  die  zweckmäßigste  vor.  Es  entsteht 
wiederum  ein  Straßendorf,  dessen  Flur  rechtwinklig  zu  Waldrand  und 
Dorfstraße  verläuft,  dessen  Gestalt  also  der  unserer  Waldhufendörfer 
entspricht  (Troscianka  in  Abb.  5a;  das  Dorfgebiet  liegt  südwestlich 
Grodno).  Meist  liegen  mehrere  solcher  Dörfer  an  einer  Straße  längs 
des  Waldrandes  (Troscianka  bis  Goliki).  Durch  Längenwachstum 
können  die  Dörfer  verschmelzen.  So  besteht  in  der  Abbildung  Lisji 
aus  zwei  auch  äußerlich  etwas  verschiedenen  Gemeinden.  In  aller- 
größtem Maßstabe  zeigt  eine  vielfache  Verschmelzung  die  25  km  lange, 
nur  wenig  unterbrochene  Zeile  von  18  Dörfern,  von  der  die  Abbildung 
nur  einen  Ausschnitt  wiedergibt.  Nach  der  Verschmelzung  ist  eine 
weitere  Ausdehnung  der  Dörfer  nicht  mehr  möglich.  Reicht  infolge 
Erschöpfung  des  Ackers  oder  stärkerer  Vermehrung  der  Einwohner 
Flur  und  Dorf  nicht  mehr  aus,  so  wird  eine  Tochtersiedlung  an  den 
Saum  des  Waldes  vorgeschoben  und  von  ihm  aus  eine  neue  Rodung  ge- 
schlagen. Der  Gang  der  Siedlung  in  unserem  Beispiele  ist  etwa  folgen- 
der: Der  Waldsaum  verläuft  ursprünglich  in  der  Linie  Nowawola — 
Lisji;  vor  ihm  liegt  die  älteste  Dorfreihe  Makowljany — Jacowlany. 
Dann  wird  der  Saum  durch  die  Tochtersiedlungen  Lisji  und  Nowawola 
,, Neufreidorf"  erst  eingebuchtet  und  hierauf  bis  in   die  Linie  Trosci- 

5* 


QQ  B.Brandt: 

anka — ^Goliki  zurückgeschoben.  Die  neue  Grenze  wird  von  Lisji  aus 
durch  die  Gründung  von  Nowinka,  d.  h.  „Kleine  Neurodung",  wieder- 
um eingebuchtet  und  dann  nach  Anlage  der  Dorfreihe  Troscianka — 
GoUki  in  die  heute  bestehende  Linie  zurückverlegt.  Die  Entstehung 
einer  so  langen,  fast  geschlossenen  Dorfreihe  wie  der  äußersten  im  Bei- 
spiele ist  indessen  ein  Sonderfall.  Gewöhnlich  werden  Tochtersied- 
lungen schon  frühzeitig  vorgeschoben,  ohne  daß  es  zu  einer  Verschmel- 
zung der  Dörfer  kommt.  Der  Waldsaum  wird  dann  von  parallelen 
(jürteln  annähernd  gleich  großer  und  gleiche  Abstände  haltender,  regel- 
mäßig angelegter  Dörfer  eingefaßt.  Dies  ist  z.  B.  am  w^estlichen  und 
südwestlichen  Rande  des  Bjelowiescher  Waldes  der  Fall.  Durch 
systematische  Saumrodung  sind  dieser  Wald  und  die  großen  Bestände 
zwischen  Grodno  und  Bjelostok  schon  stark  verkleinert  worden.  Vor 
den  unaufhaltsam  vorrückenden  Reihen  der  Rodungsdörfer  zieht  sich 
die  wilde  Puszcza  zurück  wie  das  Watt  vor  den  mehr  und  mehr  vor- 
geschobenen Deichlinien  der  Marschendörfer;  ihm  gleich,  gibt  sie  sied- 
lungsfeindliches Ödland  schrittweise  fruchtbringender  Kultur  preis. 
Und  wie  dort,  erhält  auch  hier  das  Land  den  Stempel  großartigen,  ziel- 
bewußten menschlichen  Eingreifens,  der  die  Entwaldung  überdauert 
und  nie  wieder  ausgelöscht  werden  kann.  Durch  ihn  unterscheidet  sich 
das  östliche  Podlachien  im  Bereiche  der  genannten  Wälder  von  der 
immer  noch  überwiegend  natürlichen  Landschaft  des  Ostens,  aber  auch 
von  der  des  westlichen  Podlachiens. 

Denn  hier  ist  vorwiegend  der  andere  Weg  beschritten  worden,  der 
zur  inselförmigen  Binnenrodung  führt.  Die  geschlagenen  Lichtungen 
sind  alle  mehr  oder  weniger  rundlich.  Im  Mittelpunkte  liegt  das  Dorf; 
strahlig  angeordnete  Wege  ziehen  durch  die  Flur  und  zerschneiden  sie 
in  keilfönnige  Stücke.  Die  Siedlung  selbst  ist  ursprünglich  nur  klein; 
die  wenigen  Höfe  liegen  an  beiden  Seiten  einer  kurzen  Straße  (Abb.  5  b 
und  folgende).  Wächst  die  Gemeinde,  so  wird  unter  erneuter  Rodung 
die  Flurgrenze  konzentrisch  hinausgeschoben,  bis  sie  die  einer  benach- 
barten Gemarkung  berührt.  Beide  Fluren  verschmelzen  dann  zu  einer 
achtförmigen  Doppellichtung  (Abb.  5  e).  Wachsen  mehrere  Dörfer  auf 
diese  Weise  aneinander,  so  schrumpft  der  zwischen  ihnen  liegende 
Wald  auf  Restinseln  ein  (Abb.  5  f). 

Ursprünglich  ist  der  Typus  des  Straßendorfes  noch  schwach  aus- 
geprägt, langgestreckte  Straßendörfer  können  sich  aber  nicht  ent- 
wickeln. Das  konzentrische  Wachstum  der  Lichtung  schreibt  vielmehr 
die  Erweiterung  der  Siedlung  nach  mehreren  Achsen  hin  vor.  Der 
nächstliegende  Weg  führt  zur  Anlage  einer  zweiten,  erforderlichen- 
falls einer  dritten  parallelen  Dorfstraße  und  zum  Ausbau  von  Quer- 
straßen in  Anlehnung  an  das  Wegenetz.  Wird  hierbei  regelmäßig  mit 
rechtwinkliger  Anordnung  verfahren,  so  entsteht  ein  schachbrettartiger 


Beobachtungen  und  Studien  über  die  Siedlungen  in  Weißrußland. 


69 


Grundriß  (Abb.  5  g).  Sonst  ergibt  sich  eine  mehr  unregelmäßige  An- 
lage, die  bisweilen  an  die  deutschen  Haufendörfer  erinnert  (Abb.  5  h). 
Die  Binnenrodungen,  die  wir  auch  in  Deutschland,  z.  B.  aus  der 
bayerischen  Hochebene  kennen,  haben  die  Waldungen  des  westlichen 
Podlachiens  durchlöchert  und  zu  einem   Waldnetze  gestaltet.     In   ein- 


Ciinlniii 1 


-J 1 1 1 L__L 


Abbild.  5.     Weißrussische  Rodungssiedelungen. 

a.  Kulturlandschaft  der  Saumrodung.   b  bis  f.  Versdiedene  Stadien  der  Binnenrodung;,   g.  regelmäßige, 
h.  unregelmäßige  Dorfanlage  bei  Binnenrodung,   i.  Kulturlandschaft  der  Binnenrodung. 


70  B.  Br  a  ndt : 

zclnen  Teilen  ist  das  Land  schon  bis  auf  Rcslinseln  entwaldet.  Im 
ganzen  aber  befindet  sich  die  Rodung-  auch  hier  erst  auf  halbem  Wege. 
Die  Siedlungen  stehen  anscheinend  in  loserer  Verbindung  miteinander 
und  erscheinen  selbständiger  als  die  des  östlichen  Podlachiens ;  iiir 
radiäres  Wegenetz  dient  vorwiegend  örtlichen  Bedürfnissen.  Verfolgt 
man  indessen  die  Verbindungsstraßen,  so  sieht  man,  daß  die  Dörfer  mit 
ziemlich  gleichmäßigen  Abständen  voneinander  in  einem  konzentrisch- 
strahligen,  von  städtischen  Mittelpunkten  ausgehenden  Straßennetze 
liegen  (z.  B.  um  Drohiczin,  Abb.  5  i  und  um  Bjelsk). 

Die  Binnenrodung  erscheint  deshalb,  wenn  sie  auch  das  Land- 
schaftsbild nicht  so  stark  anthropomorph  beeinflußt  wie  die  Saum- 
rodung, nicht  minder  planvoll  als  jene.  Indem  sie  sich  auf  Zentren 
stützt  und  nicht  linienförmig,  sondern  flächcnhaft  an  vielen  Punkten 
gleichzeitig  beginnt,  mithin  die  Urbarmachung  eines  größeren  Gebietes 
sich  zum  Ziele  setzt,  ist  sie  sogar  als  eine  noch  mehr  fortgeschrittene 
Form  der  Besiedlung  anzusehen. 

IX.  Die  Ortsbezeichnungen. 

Eine  große  Anzahl  von  Ortsbezeichnungen  knüpft  an  das  Gelände 
an.  Es  werden  die  Berge  (gora),  die  Hügel,  Kuppen,  Ebenen,  die 
Täler  fehl-),  ihre  breiten  Auen  (pol,  polje)  und  die  tiefen  Schluchten  des 
westrussischen  Landrückens  in  Dorfnamen  genannt.  Die  Flüsse  (rzcka) 
werden  als  kiesführend,  sandig  weiß,  strömend,  moorig  schwarz,  träge 
und  grün  bewachsen  gekennzeichnet.  Fast  sämtliche  Bäume  der  west- 
russischen Wälder  (Ijcs,  bor)  werden  aufgezählt,  die  Sümpfe  (bagito, 
boloto)  als  tief,  naß,  schlammig  und  torfmoosbewachsen  geschildert. 

Beziehungen  auf  die  verschiedenen  Bodenarten,  die  diluvialen 
Lehme,  Tone,  Sande  und  Kiese  enthalten  gelegentlich  ein  Urteil  über 
ihren  wirtschaftlichen  Wert  (Dobri-pol  gutes,  Sucho-pol  trocken,  sandiges 
Feld).  Häufig  sind  auch  Beziehungen  auf  Bodenerzeugnisse,  Vieh- 
zucht, Müllerei,  Fischerei,  Köhlerei,  Pechgewinnung  und  andere  Wirt- 
schaftszweige. An  den  Verkehr  knüpfen  die  zahlreichen  Zusammen- 
setzungen mit  brod  Furt  und  mit  most  Brücke  an.  Auch  der  Woloke 
sei  hier  noch  einmal  gedacht. 

Die  Lage  des  Dorfes  wird  sehr  oft  angeführt:  Po-rjcschtschc  am, 
Sa-rjcschtschc  hinterm  Flusse,  Pod-bolotnjc  am,  Sa-blotjc  hinterm  Sumpfe; 
po-dol-  am,  na-dol-  im  Tale;  Sa-polc,  Sa-poljc  hinter  einer  Ebene,  meist 
einer  Talaue.  Gerade  die  Tallage  spiegelt  sich  häufig  im  Namen 
wieder.  Gorki,  -Gorni,  Pod-gorzc  am  Berge  kennzeichnen  die  Hoch- 
flächenlage, Pod-ljcsje  am  Walde,  die  Lage  am  Waldsaum,  Sa-ljcsjc, 
Sa-borozv  eher  die  Binnenlage  inmitten  der  Waldung.  Sa-mvst  und 
Sa-brodja  sind  Flußübergangsorte. 


Beobachtungen  und  Studien  über  die  Siedlungen  in  Weißrußland.  71 

Die  vielen  mit  bor  zusammengesetzten  Namen  finden  sich  oft  im 
entwaldeten  Gebiete  und  beweisen  so  die  Rodung-,  über  die  unmittel- 
bar in  Kartschewa  Rodung,  Nowina  Neuland  und  im  erwähnten  Nowinka ' 
berichtet   wird.      Die   Erschließung   sumpfi|;-er   Flächen   lehren   die   mit 
rozv  Graben  gebildeten  Namen:  Rozvki,  Sa-rowjc  hinterm  Graben. 

Die  gleichzeitig  mit  der  Erschließung  der  ödländereien  einher- 
gehende Ausbreitung  von  Tochtersiedlungen  spricht  sich  in  einer  Un- 
menge paariger  Zusätze  zum  Namen  aus  :  stare  und  nowe,  alt  und  neu  ; 
wiclki  und  vicly,  groß  und  klein.  In  den  parallelen  Linien  der  Saum- 
rodungsdörfer zeigen  sie  oft  den  Gang  der  Besiedlung  an. 

Alle  bisher  angeführten  Namen  sind  dem  Inhalte  und  der  Form 
nach  einfach.  Sie  ergeben  sich  gewissermaßen  ganz  von  selbst.  Der 
Umstand,  daß  sie  sehr  häufig  in  gleicher  Form  wiederkehren,  beweist, 
daß  die  Gründer  und  ältesten  Bewohner  in  kleinen  Gesichts-  und  Inter- 
essenkreisen ohne  w^eitreichende  Beziehungen  nebeneinander  lebten. 
Da  nun  derartige  Namen  nicht  nur  für  Weißrußland  charakteristisch, 
sondern  in  nahezu  gleicher  Form  und  Häufigkeit  über  alle  slawischen 
und  ehemals  slawischen  Gebiete  verstreut  sind,  so  führt  uns  diese 
Methode  der  Benennung  in  jene  alten  Zeiten  zurück,  in  denen  die 
Slawen  noch  keinen  staatlichen  Zusammenhang  hatten,  sondern  als 
zahllose  kleine,  einander  noch  sehr  ähnliche  Stämme  und  Völker- 
schaften den  Osten  Europas  erfüllten.  Bezeichnenderweise  erstreckt 
sich  die  Benennung  sehr  häufig  auf  die  Tallage. 

Den  altertümlichen  Namen  steht  eine  Gruppe  von  Ortsbezeich- 
nungen gegenüber,  die  durch  immer  wiederkehrende  stereotype  Endun- 
gen gekennzeichnet  ist  {-witschi,  -schtschisna,  -ischtschc,  any  und  viele 
andere).  Diese  Namen  sind  nicht  von  selbst  entstanden,  sondern  künst- 
lich geprägt.  Sie  sind  außerdem  nicht  gemeinslawisch ;  die  Endungen 
sind  vielmehr  gruppenweise  Nationalgut  je  eines  der  westrussischen 
Völker:  -ischki  ist  litauisch,  -icsc,  -scycc,  -zvicc  sind  polnisch,  -witschi, 
-schtschisna  russisch.  Die  so  benannten  Ortschaften  werden  in  der 
Hauptsache  erst  gegründet  worden  sein,  nachdem  die  Slawen  sich  in 
die  heute  vorhandenen  Völker  differenziert  hatten.  Ein  Teil  der 
Namen  knüpft  zwar  noch  an  Erscheinungen  der  Landschaft  an  (Gorc- 
witschi,  Bor-atin),  viele  aber  sind  mit  Personennamen  verbunden 
(Michalozvschtschisna).  Das  weist  auf  Gründung  unter  Führung 
einzelner  und  auf  Kolonisation  hin.  Kaum  ein  Name  dieser  Art  kehrt 
zum  zweiten  Male  wieder;  der  vergrößerte  Gesichtskreis  der  Siedler 
und  die  staatliche  Zusammenfassung  haben  die  Anwendung  des 
gleichen  Namens  auf  mehrere   Ortschaften  verhindert. 

Gewähren  uns  also  die  einfachen  Namen  einen  Blick  in  die  älteren 
Zeiten,  wo  Ljachen   und   Kriwitschen   die  Täler  besiedelten,    so   leiten 


72  B.  B  r  a  n  d  t : 

die  geprägten  in  die  neueren  über,  in  denen  der  Staat  die  planvolle 
Kolonisation  der  weiten  üdländereien  in  die  Hand  genommen  oder 
unterstützt  hat.  Den  deutschen  Anteil  hieran  halten  einige  deutsche 
und  ein  paar  hinweisende  (^heimische  Ortsnamen  fest :  Güntherswald, 
Rothenau,  Neudorf;  Gcrmanozvitschi,  Gjermanischki,   Kwiaewitschi. 

Auch  die  geschichtlichen  Einwirkungen,  die  die  Entwicklung  des 
Landes  vielfach  beeinflußten,  haben  Spuren  im  Namensschatze  hinter- 
lassen. An  die  Einfälle  mongolischer  Völker  erinnern  turktatarische 
Namen :  Kara-Kule  Schwarzturm,  Maidan  Platz,  und  solche,  die  auf 
den  fremden  Volkssplitter  hinweisen  :  Tatar owschtischisna.  Die  litauische 
Herrschaft  hat  die  schwindenden  mit  -Litowsk  zusammengesetzten  Be- 
zeichnungen hinterlassen,  während  die  polnische  Invasion  mit  zahl- 
reichen Namen  von  polnischer  Form  und  Inhalt  überschwemmt  hat. 
Der  russische  Einfluß  beschränkt  sich  im  wesentlichen  auf  die  Russi- 
fizierung  polnischer  (IVilna  für  IVilno)  und  die  Rcrussifikation  der  von 
den  Polen  und  Litauern  veränderten  alten  weißrussischen  Namens- 
formen :  Nowogrudok,  N owogrudok-Litozvsk ,    Nowogrodck,  Nozvogrudok. 

X.   Städtetypen. 

Die  weißrussische  Stadt.  Eine  der  einfachsten  und 
kleinsten  städtischen  Siedlungen,  Mieleczyce  in  Podlachien,  zieht  sich 
einem  Dorfe  gleich,  einer  Talaue  entlang.  An  der  Hauptstraße  liegen 
Bauernhöfe,  um  den  Ort  herum  eine  Feldflur.  Doch  weisen  ein  paar 
Steinhäuser,  mehrere  Kirchen  und  einige  Läden  auf  städtisches  Leben 
hin.  Mieleczyce  ist  nicht  mehr  Dorf  und  noch  nicht  Stadt.  In  einem 
etwas  größeren  Orte,  wie  in  Korelitschi  nahe  Nowogrodek,  ist  der 
Marktplatz  zu  einem  gepflasterten  Rechteck  herangewachsen.  Zur 
Hauptstraße  ist  eine  zweite,  parallele  getreten;  in  der  Nähe  des  Marktes 
ist  alles  ländliche  Wesen  vollständig  verschwunden,  und  nur  am  Saume 
des  Städtchens  bemerkt  man  noch  Bauernhöfe.  Sah  man  in  Mieleczyce 
vorwiegend  Landvolk,  so  beherrscht  hier  der  Jude  das  Bild.  Die 
Synagoge  tritt  zu  den  Kirchen,  fällt  aber  gleich  ihnen  unter  größeren 
öffentlichen  und  privaten  Bauten  weniger  auf  als  im  ländlichen 
Mieleczyce.  Dieses  abgestufte  Nebeneinander  ländlicher  und  städti- 
scher Bevölkerung,  das  Schwanken  des  Siedlungsbildes  zwischen  den 
Extremen  Dorf  und  rein  städtischer  Niederlassung  ist  das  Hauptmerk- 
mal der  meisten  kleinen  Städte  Weißrußlands.  Und  nicht  nur  Weiß- 
rußlands allein,  denn  ähnliche  Städtebilder  finden  sich  auch  in  Polen, 
Litauen  und  in  der  Ukraina.  Sie  veranschaulichen  den  einfachsten 
Städtetypus  des  slawischen  Ostens  überhaupt,  die  nicht  planmäßig  ge- 
gründete, sondern  aus  dem  Dorfc  herausgewachsene  Stadt. 

Wie  im  Deutschen  die  Worte  Berg,  bergen  und  Burg  sprachlich  und 


Beobachtungen  und  Studien  über  die  Siedlungen  in  Weißrußland.  73 

inhaltlich  verwandt  sind,  so  in  den  slawischen  Sprachen  Gora  (Berg), 
Ogrod  (Garten,  d.  h.  ein  durch  Umfriedigung  geborgener  Ort)  und  Gorod 
(Burg).  Gorod  heißen  die  ältesten  städtischen  Siedlungen  in  den 
Slawenländern;  die  Geschichte  lehrt  sie  uns  kennen  als  Plätze, 
die  durch  Erdwälle  oder  Verhaue  umfriedigt,  anfangs  nicht  dauernd  be- 
wohnt wurden,  sondern  nur  gelegentlich  als  Zufluchtsstätten  dienten. 
Wie  im  alten  Slawengebiete  Norddeutschlands,  finden  sich  auch  in 
Weißrußland  aus  Erde  aufgeworfene  Ringwällc,  meist  unmittelbar 
neben  einer  Stadt  oder  doch  in  ihre  Nähe  gelegen.  Einer  der  schönsten 
ist  der  Ringwall  bei  Olschany  am  Südrande  der  litauischen  Seenplatte, 
ein  weithin  sichtbarer,  einem  isolierten  Hochflächenvorsprunge  auf- 
gesetzter, nur  durch  die  trennende  Schlucht  zugänglicher  Wall  von  der 
Größe  des  bekannten  wendischen  Ringwalles  im  Spreewalde.  Er 
konnte  einer  kleineren  Zahl  von  Menschen  mit  ihrem  Vieh  hinreichen- 
den Schlitz  gewähren,  wenn  der  Angreifer  über  nur  wenig  entwickelte 
Kriegsmittel  verfügte.  Da  im  späteren  Mittelalter  in  Weißrußland  wie 
in  Polen  feste  Burgen  in  Gebrauch  waren,  so  darf  der  Wall  als  eine 
sehr  alte  Befestigung,  als  einer  der  Gorod  der  ältesten  Bewohner  an- 
gesehen werden^). 

Ringwälle  verschiedener  Erhaltung  finden  sich  in  Nowogrodek  am 
Rande  eines  Plateaus,  bei  Gorodischtsche  auf  einer  Insel  inmitten  der 
Talaue,  bei  Traby  und  Sjelwa  auf  hohem  Ufer,  überall  also  an  einer 
schon  von  der  Natur  geschützten  Stelle. 

Die  im  Schutze  der  Ringwälle  gelegenen  Dörfer,  die  sicher  schon 
in  den  ältesten  Zeiten  eine  bevorzugte  Stellung  eingenommen  haben, 
entwickelten  sich  zu  Städten.  Sie  tragen  heute  das  Gepräge  späterer 
Zeiten;  stellen  wir  uns  aber  einen  dorfähnlichen  Flecken  wie  Mieleczyce 
im  Schutze  eines  Erdwalles  vor,  so  dürfte  sich  dieses  Bild  von  dem 
der  älteren  weißrussischen  Stadt  wenig  entfernen. 

Die  litauische  Stadt.  Die  bedeutenderen  Städte  besitzen 
zum  Teil  mehr  oder  weniger  umfangreiche  Reste  mittelalterlicher 
Burgen  oder,  wie  Lokalnamen  —  Burgstraße,  Burg^ald  —  beweisen, 
doch  die  Erinnerung  daran.  In  Grodno  liegt  die  heute  noch  benutzte 
Burg  über  der  steil  zur  Memel  abstürzenden  Uferwand.  In  Nowo- 
grodek krönen  die  Trümmer  zweier  mächtiger  Backsteintürme  den 
Rand  eines  umwallten  Plateaus.  Lida  und  Mir  besitzen  gut'erhaltene 
Burgen,   die  an  bzw.   in   einer  Talauc   liegen  und  einst   Wasserburgen 


1)  Den  überlieferten  Zahlen  der  Gorod  im  westlichen  Rußland  (vgl.  Meitzen. 
a.  a.  O.,  11,  S.  233,  und  die  dort  angeführten  Quellen)  entspricht  die  kleine  Zahl  der 
Ringwälle  bei  weitem  nicht.  Es  muß  daher  angenommen  werden,  daß  solche 
mühevollen  Erdwerke  der  seltenere  Modus  der  Befestigung  war  und  daß  man  sich 
gewöhnlich  mit  vergänglichen  Schutzbauten  wie  Verhauen  begnügte. 


74  B.  B  r  a  n  d  t : 

waren.  Die  durch  einen  litauischen  Fürsten  g-egründete  Lidaer  Burg 
ist  ein  unten  aus  Findlingen,  oben  aus  Backsteinen  aufgeführtes 
Mauerviereck  mit  Resten  eines  Wehrganges,  im  ganzen  von  nord- 
deutschem Gepräge.  Mir,  die  besterhaltene  und  merkwürdigste  Burg 
Weißrußlands,  gleichfalls  ein  Viereck  von  mehr  als  loo  m  Seitenlänge, 
unterbrochen  von  fünf  hohen  Türmen,  zeigt  noch  deutlicher  die  Formen 
des  norddeutschen  Backsteinbaustiles  und  weist  auf  Einflüsse  des 
Deutschen  Ordens  hin.  Die  Städte  liegen,  wie  es  auch  bei  den  Ring- 
wällen der  Fall  war,  neben,  im'  Schutze  der  Befestigung;  sie  waren 
selbst  nicht  ummauert,  vermutlich  weil  sie  im  Mittelalter  viel  zu  un- 
bedeutend waren,  um  sich  einen  so  kostspieligen  Schutz  zu  leisten. 
Nur  das  stets  bedeutende  Grodno  macht  eine  Ausnahme;  es  verrät 
seinen  ehemaligen  Mauerschutz  noch  deutlich  in  seinem,  dem  mancher 
norddeutschen  Stadt  ähnlichen  Grundrisse.  Die  übrigen  Städte 
konnten,  frei  vom  Zwange  des  Mauerringes,  individuelle  Grundrisse 
entwickeln,  die  sich  deutlich  von  den  planmäßig  angelegten  Kolonial- 
städten und  von  den  modernen  Neugründungen  unterscheiden. 

Der  Burgenbau  fällt  in  die  litauische  Geschichtsperiode  Weiß- 
rußlands. In  der  alten  weißrussischen  Stadt  Nowogrodek  steht  die 
litauische  Burg  innerhalb  eines  älteren  Ringwalles,  und  ähnlich  ist  es 
bei  anderen  Städten.  Das  zeigt,  daß  die  Litauer,  als  sie  Weißrußland 
besetzten,  an  das  Vorhandene  anknüpften,  daß  sie  sich  der  im  Schutze 
der  Erdwälle  erblühten  weißrussischen  Städte  als  Stützpunkte  ihrer 
Herrschaft  bedienten  und  daß  sie  die  slawischen  Gorod  in  zeitgemäße 
Befestigungen  nach  norddeutschem  Muster  verwandelten.  Die  Burg, 
allenfalls  noch  eine  Backsteinkirche,  bildeten  einen  deutschen  Zug  in 
dem  im  übrigen  wegen  des  vorherrschenden  Holzbaues  durchaus 
slawischen  Städtebilde  i). 

Im  Straßennetze  Weißrußlands  lassen  sich  die  alten  Straßenzüge 
deutlich  von  den  neueren  unterscheiden.  Es  sind  sehr  breite,  jeder 
Verbesserung  bare,  bald  staubige,  bald  tiefmorastige  Wege,  die  auf 
den  Geländefall  keine  Rücksicht  nehmen  und  nur  Sümpfen  aus  dem 
Wege  gehen.  Ein  solcher  Straßenzug  führt  vor  Minsk  südlich  an  den 
Beresinasümpfen  vorbei  über  Mir  nach  Nowogrodek,  überschreitet  an 
einer  günstigen,  sumpffreien  Fährenstelle  die  Memel  und  endet  bei 
Grodno.  Ein  zweiter  vor  Minsk  ausgehender  Trakt  umgeht  die 
Beresinasümpfe  nördlich,  berührt  Lida  und  vereinigt  sich  mit  dem 
erstgenannten.     Eine  dritte  Straße  zieiit  von  Sluzk  am  Nordrande  der 

')  Der  grundbesitzende  Adel  erlangte  in  Weißrußland  erst  während  der  polnischen 
Periode  seine  große  Macht,  also  zu  einer  Zeit,  in  der  Burgen  wertlos  geworden  waren. 
Daher  findet  man  in  Weißrußland  im  Gegensatze  zu  den  polnischen  Ländern  keine 
oder  nur  wenige  Adelsburgen. 


Beobachtungen  und  Studien  über  die  Siedlungen  in  Weißrußland.  75 

Pripetsümpfc  über  Slonim  nach  Wolkowyschk  und  Bjelostok.  Diese 
Straßen,  durch  ähnlich  beschaffene  nordsüdliche  verbunden,  knüpfen 
alte  weißrussische  Städte  aneinander  und  dienen  vorwiegend  westöst- 
lichen, also  weißrussischen  Verkehrsbedürfnissen.  Sie  werden  ge- 
kreuzt durch  lange  nordsüdliche  Straßenzüge,  die  tief  in  Litauen  be- 
ginnen und  bis  nach  Podlachien  verfolgbar  sind  (Wilna — Lida — 
Wolkowyschk — Litauisch-Brest  und  Kowno — Grodno — Wolkowyschk 
— Litauisch-Kamieniec — Litauisch- Wysoko — Litauisch-Brcst).  Diese 
vorwiegend  litauischen  Verkehrsbedürfnissen  dienenden  Straßen  sind 
jüngere,  dem  weißrussischen  Straßennetze  hinzugefügte  Maschen. 

Die  polnische  Stadt.  An  der  Stelle,  wo  unterhalb  Brest- 
Litowsk  der  Bug  eine  mehr  nördliche  Richtung  einschlägt,  ermöglichen 
angehäufte  Talsande  einen  bequemen  Übergang,  einen  Zugang  von 
Polen  nach  dem  sonst  so  scharf  abgegrenzten  Weißrußland.  Oberhalb 
der  Brückenstelle  liegt  Drohiczin.  Vom  Flusse  aus  gesehen  krönt  es 
den  Rand  eines  40  m  hohen  Steilufers,  welches  mit  dem  Bug  und  seiner 
sehr  breiten  sumpfigen  Niederung  einen  natürlichen  Schutz  gewährt. 
Oben,  auf  der  ebenen  Hochfläche,  verschwindet  die  Eigenart  der  Lage 
völlig;  dafür  aber  fesseln  ungewöhnlich  umfangreiche  und  hohe  Ge- 
bäude den  Blick,  bedeutende  Kirchen-  und  Klosterbauten  im  barocken 
Stile  des  17.  Jahrhunderts.  Sie  liegen  um  einen  sehr  großen,  vier- 
eckigen Marktplatz  verstreut,  der  den  Mittelpunkt  des  regelmäßigen 
Stadtplanes  und  den  Ausgangspunkt  des  radiär-konzentrischen  Straßen- 
netzes bildet,  welches  die  podlachischen  Rodungdörfer  verbindet. 

Nahe  Drohiczin  liegt  ein  verkehrsreicherer  Ort,  Siemiatycze, 
gleichfalls  ein  Ausgangspunkt  ausstrahlender  Straßen.  Die  Stadt  ist 
aus  rechteckigen  Häuserblöcken  zusammengesetzt  und  wird  von  recht- 
winklig angeordneten  Straßen  zerschnitten.  Fast  ein  Drittel  der  An- 
lage nimmt  der  riesige  Marktplatz  ein,  in  dessen  Mitte  ein  steinerner, 
zweistöckiger  Kaufhof  von  beträchtlichen  Maßen  steht.  Unfern  davon 
erhebt  sich  eine  sehr  große,  barocke  Kirche,  verbunden  mit  einem 
prächtigen  Palaste,  der  mit  vielfacher  Pfeilergliederung,  verkropftcn 
Gesimsen  und  zierlich  geschweiften  Fronten  sich  aus  Warschau  oder 
Krakau  in  die  podlachischen  Wälder  verirrt  zu  haben  scheint.  Den 
genannten  Städten  ähnelt  das  benachbarte  Bjelsk,  wenn  es  auch  nicht 
so  großartige  Bauwerke  besitzt.  Der  an  eine  lange  Hauptstraße  ge- 
lehnte Marktplatz  mit  dem  freistehenden  Rathause  und  seinem  von  einer 
leichten  Haube  gekrönten  Uhrturme  erinnert  an  kleine  deutsche  Städte. 

Alle  drei  Orte  weisen  die  wesentlichen  Eigenschaften  der  polni- 
schen Stadt  auf:  Der  Stadtplan  ist  im  Gegensatze  zu  dem  individuellen 
der  aus  Dörfern  frei  entwickelten  weißrussischen  Städte  planvoll,  das 
in  Nordostdeutschland  übliche  Kolonialschema.     Mit  ihm  drangen  auch 


76  B.  Brand  t: 

zahlreiche  andere  Züge  deutschen  Städtewesens  in  den  slawischen 
Orten  ein,  darunter  das  Rathaus.  Überall  haben  die  Polen  die  Städte 
Weißrußlands  mit  Kirchen  und  Klöstern  geschmückt,  Kennzeichen 
einer  machtvollen  Propagandatätigkeit  der  römischen  Kirche  im 
orthodoxen  Lande.  Insbesondere  ist  Drohiczin  mit  seinem  Reichtum 
kirchlicher  Bauwerke  auch  in  dieser  Hinsicht  als  Stützpunkt  anzusehen. 

Die  Polen  machten  sich  den  Steinbau  in  den  Städten  unter 
deutschem  Einflüsse  früher  und  in  größerem  Umfange  zu  eigen,  als  die 
anderen  slawischen  Völker  und  verbreiteten  ihn  auch  in  Weißrußland. 
Wären  die  weißrussischen  Städte  länger  litauisch  geblieben,  so  sähen 
wir  in  ihnen  wahrscheinlich  Fluchten  schmaler,  ungeputzter  Giebel- 
fronten, wie  in  den  norddeutschen  Städten.  Da  das  Polentum  aber 
kulturell  mehr  im  Südwesten  wurzelt,  lösten  Einflüsse  von  dort  die 
älteren  norddeutschen  ab.  Es  breiteten  sich  jene  langgestreckten 
Fassaden  in  ausgesprochenen  oder  angedeuteten  Renaissance-  und 
Barockformen  mit  heller  Tünchung  aus,  die  heute  den  Städten  ihr 
Gepräge  verleihen.  Selbst  wo  Holz  benutzt  wird,  wird  die  Schauseite 
steinmäßig  bearbeitet  und  getüncht. 

Durch  Ausdehnung  ihres  Städtebauwesens  auf  Weißrußland  haben 
die  Polen  die  dortigen  bedeutenderen  Städte  den  altpolnischen  ange- 
glichen, sie  dadurch  aber  auch  in  einen  bemerkenswerten  Gegensatz 
zu  den  kleineren  Landstädten  gebracht. 

Die  Entwicklung  des  Straßennetzes,  welche  der  Kolonisation  Pod- 
lachiens  parallel  ging,  ist  früher  -besprochen  worden.  Polnische 
Straßen  haben  das  weißrussisch-litauische  Netz  vor  allem  in  seinem 
westlichen  Abschnitte  verdichtet. 

Die  russische  Stadt.  Die  Bedeutung  Drohiczins,  die  wir 
aus  seinen  Bauwerken  folgern,  der  Verkehr,  den  der  weite  Markt  an- 
zeigt, gehören  vergangenen  Zeiten  an.  Heute  ist  der  Ort  menschen- 
arm und  unbedeutend.  Kirchen  und  Klöster  sind  leer  und  fensterlos, 
manches  Gewölbe  ist  eingestürzt;  aus  den  Fenstern  des  Klosters  hoch 
über  dem  Bug  wächst  Buschwerk  heraus,  das  entblößte,  faulende 
Dachgespärr  wird  vom  Winde  zerrissen.  Von  der  einst  zahlreichen 
Geistlichkeit  ist  nur  ein  einziger  Pfarrer  übrig  geblieben ;  eine  zwischen 
den  Ruinen  stehende,  bescheidene  Kaj)clle  allein  dient  zum  Gottes- 
dienst der  kleinen  Gemeinde.  Ein  für  Mitteleuropa  ungew^öhnliches 
Bild  von  Blüte  und  Verfall,  "das  an  den  Orient  erinnert.  Neben  den 
Ruinen  aber  erhebt  sich  ein  fremdartiger,  sauber  getünchter  Monumental- 
bau mit  bunter  Bedachung  und  leuchtenden  Kui)peln,  der  orthodoxe 
Sobbor,  den  wir  auf  Wege  nach  Osten  überall  wiederfinden.  Drohiczin 
ist  ein  großartiges  Denkmal  des  jahrhundertealten  Kampfes  zwischen 
der  römischen  und  der  griechischen  Kirche,  zwischen  Polen  und  Ruß- 
land,   zwischen   westlicher    und    östlicher    Gesittung    überhaupt.      In 


Beobachtungen  und  Studien  über  die  Siedlungen  ift  Weißrußland.  77 

weniger  drastischer  Weise  ist  der  letzte  Triumph  des  Sobbor  über  die 
Kirche  ein  sinnfäUiges  Merkmal  aller  weißrussischen  Städte  geworden. 
Überall  sehen  wir  polnische  Klöster  in  Verfall  oder  in  russische 
Kasernen  und  Magazine  verwandelt,  überall  auf  enteignete  römisch- 
barocke  Kirchen  —  ein  seltsam  barbarischer  Anblick  —  bunte  Kuppeln 
und  das  byzantinische  Doppelkreuz  gepflanzt.  Durch  Jahrzehnte  hin- 
durch ist  mit  Fleiß  daran  gearbeitet  worden,  den  Städten  einen  Hauch 
Moskaus  zu  verleihen. 

Positives  leistete  die  russische  Herrschaft  durch  die  Neugestaltung 
des  Straßen-,  durch  die  Schöpfung  des  Eisenbahnnetzes.  Durch  die 
Angliederung  des  Landes  änderten  sich  die  Verkehrsbedingungen. 
Mehr  denn  je  wurde  Weißrußland  peripherisches  Glied  eines  großen 
Länderraumes.  Früher  das  Ziel  westöstlichen  Verkehrs,  wurde  es 
jetzt  ein  Durchgangsland,  welches  Rußland  mit  seiner  Westgrenze  und 
mit  Mitteleuropa  verbindet.  Diese  Tatsache  und  militärische  Gesichts- 
punkte, nicht  die  Bedürfnisse  des  Landes,  leiteten  die  planvollen  und 
energisch  durchgeführten  neuen  Anlagen.  Nur  ein  Teil  des  alten 
Straßennetzes  wurde  zeitgemäß  ausgebaut,  während  der  andere  ver- 
ödete. Eine  neue,  großzügig  angelegte  Straße,  die  Moskauer  Heer- 
straße, zieht  ganz  im  Süden,  schon  im  Saume  der  Pripetsümpfe,  weitab 
von  den  alten  Städten  vorbei.  Auch  die  Bahnen  ließen  alte  Städte  ab- 
seits liegen  (Drohiczin,  Nowogrodek,  Pinsk) ;  andere  wurden  mehr 
durch  Zufall  als  durch  Absicht  Bahnstation  (Wolkowyschk) ;  einige 
wurden  auch  Hauptknotenpunkte  (Lida,  Grodno,  Bjelostok).  Der  neue 
Verkehr  griflf  also  in  die  bis  dahin  gleichmäßige  Entwicklung  der 
größeren  Städte  ein.  Hier  förderte  er,  dort  wirkte  er  lähmend  auf  das 
Wachstum,  konservierend  auf  das  alte  Stadtbild  (so  auf  das  etw^a 
30  km  abseits  der  Bahn  liegende  Nowogrodek).  In  wichtigen  Knoten- 
punkten aber  entstanden  vollkommen  neue  Städte  rein  russischen  Ge- 
präges. Eine  neue  russische  Stadt  Brest  erstand,  die  den  Beinamen 
des  litauischen  nicht  mehr  verdient. 

In  einer  sandig-sumpfigen  Ebene  erwuchs  Baranowitschi,  der 
Knotenpvinkt  von  fünf  Schienensträngen.  Nähert  man  sich  der  Stadt, 
so  fallen  in  dem  öden,  siedlungsarmen  Gelände  zuerst  Reihen  von 
Güterschuppen,  eiserne  Brücken,  Wassertürme  u.  dgl.  auf.  In  großem 
Bogen  nähert  sich  der  Zug  einem  sich  immer  mehr  verdichtenden  Netz 
von  Gleisen  mit  Kreuzungen  und  Überführungen.  Zwischen  mächtigen, 
zum  Teil  kahlen,  noch  nicht  in  Benutzung  genommenen  Bahndämmen 
und  frischen  Ausschachtungen  geht  es  weiter  zur  riesigen  Steinrampe, 
einer  umfangreichen,  doch  noch  unfertigen  Bahnanlage.  An  schwinden- 
den Kiefernwäldern,  Maschinenschuppen  und  Rangiergleisen  vorbei, 
führt  eine  schattenlose,  staubige  Straße  zu  der  2  km  entfernten  Stadt. 
Hart  an  der  Bahn  sieht  man  die  Reste  des  Dorfes  und  Gutes  Barano- 


78        B.  B  r  a  n  d  t :  Beobachtungen  und  Studien  über  die  Siedlungen  in  Weißrußland. 

wilschi,  das  der  seit  einem  halben  Jahrhundert  aus  dem  Nichts  aufge- 
schossenen Neugründung  den  Namen  gegeben  hat.  Der  Teil,  in  den 
man  zuerst  eintritt,  ist  streng  rechtwinklig,  schematisch  wie  eine 
amerikanische  Stadt  angelegt;  ein  Viereck  ist  als  Markt  ausgespart. 
Die  breiten  Straßen  sind  meist  ungcpflastert,  aber  zur  Vermeidung  des 
tiefen  Staubes  oder  Morastes  mit  hölzernen  Bürgersteigen  versehen. 
Die  Häuser  sind  aus  Holz,  weitläufig  und  niedrig  gebaut.  Zwischen 
ihnen  erheben  sich  einige  Fabrikgebäude.  Die  Hauptstraße  .ist  ge- 
pflastert; neben  elenden  Hütten  stehen  hohe,  in  Hast  gemauerte  Back- 
steinhäuser, die  lediglich  nach  dem  Gesichtspunkte  der  Nützlichkeit 
und  Billigkeit  aufgeführt  erscheinen.  Schmutzige  Verkaufsstände 
wechseln  mit  anspruchsvollen  Kaufhäusern  von  dürftiger  Scheinaus- 
stattung. In  ihnen  liegen  minderwertiger  Ausschuß  fremder  In- 
dustrien, Modewaren,  unechte  Juwelen  und  andere  billige,  doch  nicht 
wohlfeile  Luxusgegenstände  zum  Kaufe  aus.  Dieser  vorwiegend  von 
Juden  bewohnte,  sichtlich  rasch  aufgeschossene,  unfertige  Stadtteil  ist 
gleichwohl  schon  zur  ,, Altstadt"  geworden  (Stary-Baranowitschi).  Von 
ihr  aus  schieben  sich  jüngere,  ähnliche  Stadtteile  in  das  wüstliegende, 
steppenartige  Gelände  vor:  das  ,, Lager  Baranowitschi",  eine  besondere, 
gleichfalls  rechteckig  angelegte  Stadt,  in  der  Baracken  und  Kasernen 
die  Häuser,  ein  Exerzierplatz  den  Markt  vertritt.  Mit  den  nördlich  der 
Bahn  gelegenen,  weitläufigen  Magazinen  und  dem  nahen,  durch  die 
einzige  Kunststraße  verbundenen  Skobjeljew-Lager  veranschaulicht 
dieser  Stadtteil  die  militärische  Bedeutung  Baranowitschis,  welche  der 
der  Lage  im  Eisenbahnnetze  folgte.  Die  nur  von  Russen  bewohnte 
,, Neustadt"  endlich  (Nowy-Baranowitschi),  besteht  aus  einigen  fächer- 
förmig angeordneten,  baumbestandenen  Straßen,  deren  gartenumgebene 
Blockhäuser  sich  durch  farbigen  Anstrich,  Wohnlichkeit  und  freund- 
lichen Anblick  vorteilhaft  von  den  meisten  Wohnhäusern  der  Juden 
und  Polen  unterscheiden. 

Der  russischen  Stadt  könnte  man  als  letzten  Typus  die  früher  ge- 
schilderte kleine  Landstadt  als  die  jüdische  bzw.  tatarische  anreihen. 
Hierbei  zeigt  sich  noch  einmal  ganz  besonders,  daß  alle  hier  be- 
schriebenen Typen  nicht  in  reiner  Form  vorkommen,  sondern  daß  je 
nach  Geschichte,  herrschender  Bevölkerung  und  überwiegendem 
Kultureinflusse  bald  der  eine,  bald  der  andere  Typ  in  den  Vordergrund 
tritt.  Dieses  abgestufte  Zusammenwirken  gestaltet  die  Städtebilder 
Weißrußlands  mannigfaltig  und  eingehender  Beachtung  wert. 

Anmerkung.  Der  vorliegende  Aufsatz  wurde  von  der  Schriftleitung  der 
Zeitschrift  zur  Veröffentlichung  angenommen  und  auf  Ersuchen  des  Autors  der  Landes- 
kundlichen Kommission  beim  Generalgouvernement  Warschau  zur  Aufnahme  in  Reihe C 
der  „Beiträge  zur  Polnischen  Landeskunde"  zur  Verfügung  gestellt. 


Kleine  Mitteilungen.  *        79 


KLEINE  MITTEILUNGEN. 

Europa. 

Deutsche,  Polen  und  Kassuben  in  Westpreußen  und  Posen.  Wir 
legen  unserm  Hefte  ein  Kärtchen  über  die  Verteilung  der  Deutschen, 
Polen  und  Kassuben  in  Westpreußen  und  Posen  bei,  welches  nach 
ähnHcher  Methode  wie  die  S.  io8  erwähnte  große  Spraclienkarte  die 
Verbreitung  der  in  genannten  Provinzen  gesprochenen  Sprachen  wieder- 
gibt. Es  werden  hier  je  5000  Bewohner  durch  einen  kleinen  Kreis 
wiedergegeben,  dessen  Farbe  ihre  Nationalität  anzeigt.  Die  kleinen 
Kreise  sind  so  gruppiert,  daß  eine  der  Einwohnerzahl  entsprechende 
Zahl  auf  jeden  politischen  Kreis  kommt.  Hier  sind  sie  so  gestellt,  wie 
es  ungefähr  den  Nationalitäten  entspricht.  So  kommt  einerseits  zum 
Ausdruck,  wne  verschieden  dicht  die  Bevölkerung  in  einzelnen  Teilen 
der  Provinz  ist,  wie  dünn  namentlich  das  überwiegend  polnische  Gebiet 
links  der  Weichsel  besiedelt  ist,  während  die  von  Deutschen  ein- 
genommenen Gebiete  Westpreußens  sehr  dicht  bewohnt  sind.  Deutlich 
heben  sich  die  überwiegend. und  rein  deutschen  von  den  überwiegend 
polnischen  Gebietsteilen  ab,  und  es  zeigt  sich,  daß  es  ein  zusammen- 
hängendes, rein  polnisches  Sprachgebiet  nirgends  gibt.  Ferner  hebt 
sich  der  Streifen  mit  überwiegend  deutscher  Bevölkerung  an  der  Warthe, 
Netze  und  Weichsel  als  deutsche  Brücke  scharf  hervor.  Während  die 
kleinen  Kreise  der  Karte  lediglich  geographisch  gruppierte  Einwohner- 
zahlen sind  und  sich  nicht  an  bestimmte  Orte  knüpfen,  entsprechen 
die  größeren  Kreise  nach  Lage  und  Größe  den  Städten  mit  mehr  als 
25  000  Einwohnern,  und  es  ist  der  Anteil  der  Deutschen  und  Polen 
an  ihrer  Bevölkerung  durch  farbige  Sektoren  veranschaulicht.  Man 
sieht,  daß  in  den  mittleren  und  größeren  Städten  das  deutsche  Element 
entweder  vorwiegt  oder  wenigstens  sehr  ansehnlich  ist.  Kassuben 
spielen  in  ihnen  keine  nennenswerte  Rolle.  .4.  Penck. 

Die  erdmagnetische  Deklination  in  Deutschland.  In  den  geo- 
graphischen Lehrbüchern  finden  sich  leider  keine  Angaben  über  die 
Werte  der  magnetischen  Deklination  in  den  verschiedenen  Gegenden 
Deutschlands.  Es  dürften  deshalb  einige  Angaben  darüber  willkommen 
sein.  Zu  Beginn  des  Jahres  1919  hatte  die  mittlere  westliche  Dekli- 
nation folgende  Werte: 

Aachen 11°  16'  Braunschweig  ...  9°     2'  Posen 5°  37' 

Köln 10°  49'  München 8°  15'  Gleiwitz 4°  52' 

Straßburg 10°  14'  Berlin 7°  32'  Danzig 4°  45' 

Frankfurt  a.  M.  .  .  9°  51'  Dresden 7°  32'  Königsberg   ....  3°  20' 

Hamburg 9°  14'  Breslau 5°  40'  Goldap 1°  34' 


O.  Baschiti. 


Amerika. 


0  Die  Expedition  Robert  J.  Flahertys  nach  den  Belcher-Inseln  und 
der  Ungava- Halbinsel   hat  Teile   Kanadas,    die    bisher    noch   gänzlich 


gQ  Kleine  Mitteilungen. 

unbekannt  gewesen  waren,  aufgesucht  und  von  ihnen  eine  höchst  an- 
schauHche  Schilderung  entworfen.  Die  Kenntnis  von  der  Existenz  der 
Belcher-Inseln,  einer  Inselgruppe,  die  der  Ostküste  der  Hudson-Bucht 
vorgelagert  ist,  geht  schon  um  300  Jahre  zurück.  Sie  beruht  aber 
nicht  auf  Reiseberichten,  sondern  auf  Aussagen  von  Eskimos,  die  auch, 
wie  Flaherty  feststellt,  eine  überraschend  gute  Karte  der  Inselgruppe 
hatten.  R.  J.  Flaherty  ist  der  erste  Forscher,  der  die  Inseln  betreten 
hat.  Nach  mehreren  vergeblichen  Versuchen  191 1  und  1912,  von  der 
Ostküste  der  Hudson-Bucht  aus  die  Inseln  zu  erreichen,  gelang  ein 
kurzer  erster  Besuch  im  Jahre  191 3,  dem  ein  längerer  einjähriger  Auf- 
enthalt  1914/ 15   folgte. 

Die  Belcher-Inseln  bestehen  aus  vier  großen  und  mehreren  kleinen 
Inseln.  Sie  bedecken  bei  einer  größten  Längenerstreckung  von  170  km 
und  einer  maximalen  Breite  von  100  km  ein  Areal  von  rund  13  ooo  qkm. 
Auf  den  Seekarten  erschienen  sie  bisher  als  kleine  Inseln,  von  denen 
die  größte  nicht  mehr  als  13  km  Länge  hat.  Sie  bauen  sich  aus  typi- 
schem Animikian-Gestein  auf,  d.  h.  aus  Eruptivgesteinen,  roten  Schiefern 
und  Mergeln,  gelben  Quarziten  und  weiß-grauen  Kalken,  die  sämtlich 
wie  die  Inseln  NNE  streichen.  Die  Sedimente  sind  gefaltet.  Ihr  Fallen 
schwankt  zwischen  5°  und  50°.  Fast  der  dritte  Teil  der  Belcher-Inseln 
besteht  aus  dem  Eruptivgestein,  einem  Diabas,  der  die  Hügelgruppen 
autbaut,  während  die  gefalteten  Sedimente  keine  steilen  Hügelketten 
bilden.  Ihr  Gepräge  haben  die  Inseln  durch  die  Eiszeit  erhalten.  Rund- 
höcker, zahllose  Seen  von  wenigen  Metern  Durchmesser  bis  zu  dem 
großen,  schönen  Kasegaleek-See,  der  eine  Länge  von  etwa  70  km  und 
eine  mittlere  Breite  von  13  km  besitzt,  kennzeichnen  die  Inseln  als 
einen  Teil  des  laurentischen  Landes.  Eine  Bodenkrume  ist  nur  in  den 
Tälern  vorhanden,  während  die  Erhebungen  gänzlich  frei  davon  sind. 
Die  kleinen  Seen  sind  im  allgemeinen  seicht  und  frieren  teilweise  bis 
zum  Boden  hin  durch.  Der  Kasegaleek-See  soll  dagegen  nach  den 
Aussagen  Eingeborener  größere  Tiefen  besitzen.  Er  liegt  etwa  15  m 
über  dem  Meeresspiegel.  Er  zerfällt  in  mehrere  breitere,  offene  Flächen, 
die  durch  schmale,  flußartige  Strecken  miteinander  verbunden  sind. 
Namentlich  der  südliche  Teil  des  Sees  ist  inselreich.  Inseln  sind  aber 
auch  der  Westküste  vorgelagert,  die  sich  nicht  besonders  steil  empor- 
hebt. Bei  weitem  steiler  steigt  die  Ostküste  des  Kasegaleek  an.  Schroffe, 
im  Mittel  50  m  hohe  Diabashügel,  die  in  Kliffen  zum  Seespiegel  hin 
abbrechen,  begleiten  sie  in  ihrer  ganzen  Länge.  Der  Abfluß,  der  den 
See  im  SW  verläßt,  ist  kurz  (18  km),  besitzt  aber  seenartige  Erweite- 
rungen,, die  durch  schnellenreiche,  engere  Laufstrecken  verbunden 
werden.  An  der  Mündung  erreicht  er  eine  Breite  von  70  m  und  eine 
mittlere  Tiefe  von  iV2"^-  Die  Belcher-Inseln  sind  reich  und  tief  gebuchtet 
und  werden  durch  schmale  Sunde  voneinander  getrennt.  Sie  besitzen 
mehrere  gute  Häfen,  die  gewöhnlich  in  der  ersten  Juliwoche  eisfrei 
werden.  Das  Klima  der  Inseln  weicht,  wie  gleichzeitige  Beobachtungen 
auf  den  Inseln  und  an  der  Mündung  des  Großen  Walfisch-Flusses  an 
der  Westküste  Labradors  zeigen,  beträchtlich  von  dem  des  Festlandes 
ab.  Die  Temperaturen  sind  höher  und  gleichmäßiger.  Während  die 
Temperaturen  auf  den  Belcher-Inseln  1914  erst  nach  dem  2.  Januar 
unter    0°    sanken,     hatte    die    Festlandsstation    in    der    gleichen    Zeit 


Kleine  Mitteilungen.  81 

eine  mittlere  Temperatur,  die  unter  dem  Nullpunkt  lag.  Es  wurden 
hier  sogar  —  30*^  gemessen.  Im  Februar  betrug  das  Minimum  der 
mittleren  Monatstemperatur  auf  den  Inseln  — ^19°;  etwas  wärmer  war 
der  Januar,  —  16°,  beträchtlich  wärmer  der  März,  — 9°.  Ende  Mai 
begann  sich  warmes  Sommerwetter  einzustellen.  Weit  stärker  ist  aber 
die  Bewölkung  und  Nebelbildung  auf  den  Inseln  als  wie  auf  dem  Fest- 
land, und  ebenso  sind  dort  stärkere,  aber  auch  konstanter  wehende  Winde 
die  Regel,  die  im  allgemeinen  aus  SSE  kommen.  Die  Pflanzenwelt  ist  typisch 
subarktisch:  Weiße  und  graue  Flechten,  Moose,  die  niedrige  nordische  Weide, 
Zwergbirken  usw.  sind  ihre  charakteristischen  Vertreter.  Im  Frühsommer 
bedecken  blühende,  farbenprächtige  Anemonen  große  Teile  der  Täler 
mit  einem  leuchtenden  Blütenteppich.  Mehr  arktisches  Gepräge  besitzt 
die  Tierwelt  der  Inseln.  Die  größeren  Tiere,  wie  schwarze  Bären,  Biber, 
Wölfe,  Ottern,  Marder,  Hermeline  usw.,  die  das  Festland  aufweist,  sind 
den  Inseln  fremd.  Dafür  sind  Füchse,  namentlich  Eisfüchse,  und  See- 
hunde häufig.  Caribus,  die  früher  die  Inseln  aufgesucht  haben,  kommen 
auf  ihren  Wanderungen  nicht  mehr  so  weit  nach  Norden  hinauf  und 
fehlen  heute  ganz.  Zuweilen  finden  Eisbären  im  Winter  den  Weg  über 
das  Eis  der  Hudson-Bucht  zu  den  Inseln.  Walrosse  sind  während  der 
warmen  Jahreszeit  in  den  Buchten  der  nördlichen  Inseln  häufig  und  auch 
der  Weißwal  ist  nicht  selten.  Reich  vertreten  ist  die  Vogelwelt;  vor  allem 
sind  es  die  Seevögel:  Enten  verschiedener  Art,  vor  allem  Eiderenten, 
ferner  Taucher,  Kanadische  Gans  usw.  haben  auf  den  Inseln  ihre  Brut- 
plätze und  bilden  eine  willkommene  Beute  der  Eskimos.  Diese  Eskimos 
gehören  zwei  verschiedenen  Stämmen  an,  die  aber  im  wesentlichen  ein- 
ander sehr  ähnlich  sind.  Gering  an  Zahl  sind  die  ,, Insulaner",  die 
Kittoktangmiuts,  die  aus  fünf  Familien  bestehen.  Eiwas  größer  ist  die 
Zahl  der  eingewanderten  festländischen  Eskimos,  der  Ifimimiut  (20  Fa- 
milien). Sie  leben  von  der  Jagd  und  dem  Fischfang  und  stehen  im 
Handelsverkehr  mit  den  Handelsniederlassungen  der  Hudson-Bai-Gesell- 
schaft, der  sie  namentlich  Pelze  bringen. 

Die  ungünstigen  Eisverhältnisse,  die  die  ersten  Versuche  Flahertys, 
nach  den  Belcher-Inseln  zu  gelangen,  vereitelten,  veranlaBten  den  Forscher, 
die  Zwischenzeit  zu  einer  Durchquerung  der  Ungava-Halbinsel  zu  be- 
nutzen, die  die  Nordspitze  Labradors  zwischen  der  Hudson-  und  der 
Ungava-Bucht  darstellt  und  bisher  auch  nur  in  der  Hauptsache  längs 
der  Küsten  namentlich  durch  Low  bekannt  geworden  war.  Die  Reise 
ging  von  der  Mündung  des  Weißen  Walfisch-Flusses  an  der  Hudson- 
Bucht  zum  Leaf-Golf  an  der  Ungava-Bucht.  Bis  zum  Minto-See  folgte 
Flaherty  der  Route  Lows,  der  i8y8  den  See  entdeckt,  aber  nicht  völlig 
gequert  hatte,  und  von  da  aus  dem  Leaf-Fluß  bis  zu  der  Küste  der 
Ungava-Bucht.  In  Ft.  Chimo,  das  etwas  weiter  im  Süden  an  der 
Mündung  des  Koksoak-Flusses  liegt,  wurde  eine  kurze  Rast  gehalten. 
Von  da  aus  fuhr  Flaherty  längs  der  Küste  nach  Norden  zur  Mündung 
des  Payne  Flusses,  dem  er  zunächst  aufwärts  folgt,  um  dann  seinen  von 
Nordwesten  kommenden  Nebenfluß  bis  zu  der  Wasserscheide  zwischen 
der  Hudson-  und  der  Ungava-Bucht  aufwärts  zu  gehen.  Der  Povungnituk- 
Fluß  führte  ihn  alsdann  abwärts  zu  der  gleichnamigen  Bucht  an  der 
Westküste  Labradors. 

Im    allgemeinen    ist    die  Ungava-Halbinsel   ein   unwirtliches   Land, 

Zeitschr.  d.  Gesell.-ch.  f.  Erdkunde  7.\x  Berlin.     1019.     Xr.  1/2.  6 


32  Kleine  Mitteilungen. 

das  selbst  im  Sommer  nicht  völlig  schneefrei  wird.  Sein  typisches 
Gepräge  hat  es  durch  die  Eiszeit  erhalten:  Zahlreiche  Seen,  Rundhöcker, 
erratische  Blöcke  verdanken  ihr  Dasein  zumeist  der  bodcngestaltenden 
Tätigkeit  der  diluvialen  Inlandeismassen.  Zwischen  dem  Großen  und 
dem  Weißen  Walfisch-Flusse  Hegt  die  Wasserscheide  zwischen  der 
Hudson-  und  der  Ungava-Bucht  dicht  an  der  Küste  der  ersteren  Bai, 
eine  schroff  aufragende,  im  Maximum  350  m  Höhe  erreichende,  baum- 
lose Granitkette,  in  deren  Täler  zahlreiche  Seen  eingebettet  sind.  Nach 
Osten  hin  dacht  sich  die  Wasserscheide  allmählich  ab  und  geht  in  eine 
weite,  sanftwellige,  baumlose,  von  einzelnen  niedrigen  Büschen  bedeckte 
Ebene  über,  die  von  zahllosen  erratischen  Blöcken  bestreut  ist.  An 
dem  Seehund-  und  fischreichen  Minto-See,  der  die  beträchtliche  Länge  von 
fast  200  km  besitzt,  hat  das  aus  Granit  und  Gneis  bestehende  Gelände 
noch  eine  mittlere  Höhe  von  35  bis  60  m,  eine  maximale  von  140  m. 
Die  Baumgrenze  verläuft  an  der  Nordseite  des  Sees.  Die  Bäume  sind 
im  Süden  derselben  nur  ganz  vereinzelt,  oft  nur  alle  5  bis  lO  km  in 
den  Tälern  zu  finden.  In  breitem,  sich  allmählich  verengendem  Auslaß 
entströmt  dem  Minto-See  der  Leaf-Fluß,  der  sich  in  den  ersten  40  km 
seines  Laufes  noch  mehrmals  seenartig  erweitert.  Später  verschwinden 
die  Flußseen,  und  vereiste  Granit-Hügelketten,  die  sich  im  Mittel  bis  zu 
180  m  Höhe  erheben,  treten  nun  an  den  Fluß  heran.  Schnellen  sind 
selten,  und  nur  eine  von  ihnen  hat  eine  Länge  von  etwa  16  km.  An 
der  Mündung  des-  Leaf  stellen  sich  am  Fuß  der  Granithügel  Terrassen 
ein,  die  bis  zu  90  m  über  dem  Fluß  ansteigen.  Sie  stimmen  in  ihrer 
Höhe  gut  zu  den  von  Low  an  den  Rändern  der  Ungava-Bucht  beob- 
achteten Terrassenniveaus.  Die  Breite  des  Leaf  ist  an  seiner  Mündung 
ziemlich  bedeutend  (600  m).  Über  eine  Reihe  von  Stufen  stürzt  der 
Fluß  zu  einem  schmalen  Fjord  ab,  der  in  den  etwa  55  km  langen, 
45  km  breiten,  inselreichen  Leaf-Golf  übergeht.  Hier  treten  auch  wieder 
die  von  Low  weiter  im  Süden  beobachteten  kambrischen  Gesteine  auf, 
die,  horizontal  gelagert,  an  der  Süd-  und  Ostküste  des  Golfes  Tafelberge 
von  höchstens  90  m  Höhe  bilden.  Der  Leaf-Golf  ist  mit  der  Ungava- 
Bucht  in  ähnlicher  Weise  wie  der  Richmond-Golf  mit  der  Hudson-Bucht 
durch  eine  schluchtartige,  enge  Wasserstraße  verbunden,  in  welcher  die 
Flutwelle,  eine  der  höchsten  der  Welt  überhaupt,  wohl  20  m  hoch  steigt 
und  das  Eis  im  Golf  zu  bedeutender  Höhe  aufstaut.  Die  Payne-Bucht 
weiter  im  Norden  ist  der  tiefste  Einschnitt  der  LTngava-Bucht.  Sie  ist 
ziemlich  geräumig,  70:  25  km,  und  wird  von  über  200  m  hohen,  kahlen 
Granithügeln  umgeben;  Gneis  steht  ebenfalls  an,  und  an  der  Öffnung 
der  Bucht  zum  Ungava-Golf  findet  sich  auch  noch  ein  kleiner  Fetzen 
kambrischer  Gesteine.  Terrassen  fehlen  in  der  Nachbarschaft  des 
Payne-Ästuars.  Sie  stellen  sich  aber  am  Flusse  selbst  wieder  ein,  wo 
sie  an  den  Uferhügeln  bis  zu  über  lOO  m  Höhe  ansteigen.  Große 
Gänge  schwarzen  Eruptivgesteines  durchsetzen  den  Granit,  der  nackt, 
ohne  jede  Vegetation,  sogar  ohne  Moosvegetation,  zutage  liegt.  Der 
Payne-Fluß  entströmt  dem  Payne-See.  Kurz  nach  seinem  Austritt  aus 
dem  See  empfängt  er  von  NW  her  einen  Nebenfluß,  der  eine  große 
Seenkette  durch  zahllose  Schnellen  verbindet.  Das  Land  längs  seiner 
Ufer  wird  von  vielen  erratischen  Blöcken  überlagert.  Eine  außer- 
gewöhnliche Fülle  von   Lommen   besiedeln   die  Ufer   der  Seen.     Auch 


Kleine  Mitteilungen.  33 

die  Wasserscheide  zwischen  der  Hudson-Bucht  und  dem  L'n<^ava-Golf 
trä^4  kleine,  seichte  Seen.  Von  ihr  aus  fließt  der  Povunj^jnituk,  ein 
Fluß,  der  den  Payne  an  Größe  übertrifft,  zunächst  in  steilem,  von 
Stufen  unterbrochenem  Lauf,  dann  ruhiger,  seenartig  verbreitert  durch 
weite,  sanftwellige,  im  Frühsommer  blumengeschmückte  Ebenen  zur 
Hudson-Bucht,  deren  größter  labradorischer  Zufluß  er  ist.  (Geogr. 
Review  1918,  V,  S.  433,  VI,  S.  116.) 

oDie  Sierra  de  Perijä,  ein  Ausläufer  der  Nord- Anden,  der  das 
Ostufer  des  Magdalenen- Flusses  begleitet,  ist  bisher  noch  so  gut  wie 
unbekannt  geblieben.  Nur  der  Westabfall  war  von  W.  Siewers  besucht 
worden,  während  der  östliche  Teil  dieses  wilden  und  unwegsamen 
Gebirges,  das  die  Grenze  zwischen  Columbia  und  Venezuela  bildet, 
bisher  noch  nie  erforscht  worden  ist.  Die  Ursache  dafür  bildete  das 
äußerst  feindliche  Verhalten  der  kriegerischen  indianischen  Bewohner. 
Im  Jahre  1918  gelang  es  Theodor  de  Booy,  der  im  Auftrage  der 
amerikanischen  geo'graphischen  Gesellschaft  in  New  York  die  Sierra  de 
Perijd  erforschen  sollte,  durch  die  Vermittlung  einiger  Tucuku-Indianer 
des  Gebirges,  die  mit  Bewohnern  der  Maracaiboebene  am  Ostfuße  der 
Sierra  in  friedlichem  Verkehre  stehen,  von  den  Macoas,  unter  denen 
sie  leben,  eine  Reiseerlaubnis  zu  erhalten.  Die  Sierra  de  Perijä  besteht 
aus  mehreren  parallelen  Ketten,  deren  östlichste  äußerst  steil  zur 
Maracaiboebene  abbricht.  Sie  werden  von  tiefen,  engen  Talschluchten 
zerschnitten,  in  denen  die  das  ganze  Jahr  über  fließenden  Flüsse  in 
Wasserfällen  abwärts  eilen.  Ein  dichter  Urwald  deckt  alle  Gehänge; 
nur  die  höheren  Gipfel,  die  sich  zu  2000  m  und  mehr  erheben,  tragen 
einen  dichten  Farnenwald,  besonders  exponierte  Bergspitzen,  aber  auch 
Grasvegetation.  De  Booy  glückte  es,  die  Quellen  des  Macoita  zu  er- 
forschen. Dieser  Fluß  entspringt  aus  zwei  Quellflüssen,  die  beide 
Wasserfälle  von  beträchtlicher  Höhe  besitzen.  Einer  dieser  Wasser- 
fälle zerfällt  in  drei  Abschnitte,  von  denen  der  größte  70  m  Höhe  hat. 
Das  Tal  des  Macoita  wird  von  den  Macoas  bewohnt.  Auf  je  einem 
Bergsporn  liegt  eine  einzige  Hütte  inmitten  einer  kleinen  Lichtung, 
jedoch  so  dicht  der  Nachbarhütte,  daß  eine  Verständigung  leicht,  ein 
Verkehr  aber  infolge  des  trennenden,  steilwandigen,  tiefen  Tales  un- 
bequem und  schwierig  ist.  Es  handelt  sich  bei  einer  derartigen  Anlage 
des  Dorfes  um  eine  Schutzmaßnahme  gegen  feindliche  Angriffe.  Die 
Felder  der  Eingeborenen  liegen  auch  nicht  bei  den  Hütten,  sondern 
oft  eine  Stunde  und  mehr  von  diesen  entfernt  auf  Lichtungen  des 
Urwa'des.  Im  übrigen  ist  das  Gebirge  zwischen  den  Quellen  des 
Macoita  und  dem  Rio  Lajas  unbewohnt.  Der  Plan  de  Booys,  auch  die 
Quellen  des  Apon  zu  besuchen  und  eine  Durchquerung  des  Gebirges 
bis  zu  seinem  Westfuße  durchzuführen,  scheiterte  an  dem  Mangel  an 
Nahrung  kurz  vor  der  vollen  Verwirklichung.  Das  Tal  des  Apon 
wurde  in  800  m  Meereshöhe  erreicht,  wo  der  Fluß  bereits  etwa  12  m 
breit  ist.  Er  fließt  mit  einer  Geschwindigkeit  von  18  km  die  Stunde, 
und  seine  Tiefe  ist  hier  nirgends  weniger  als  i  m,  oft  sogar  etwa  2  m. 
In  den  Ketten,  die  zwischen  dem  Macoita  und  dem  Aponfluß  liegen, 
sichtete  de  Booy  Gipfel  von  nahezu  4000  m  Höhe  (Siewers  hatte  2800 
bis    3000  m    Höhe    geschätzt).     De   Booy   beobachtete  wie   Siewers   in 


34  Kleine  Mitteilungen. 

den  westlichen  Teilen  der  Sierra  auch  im  Innern  vulkanische  Gesteine, 
die  Einsprengunge  von  Granit  umschlossen.  Eine  mächtige  Verwitte- 
rungskrume bedeckt  alle  Abhänge  namentlich  im  Walde.  Nur  dort, 
wo  die  Vegetation  wie  an  einigen  Gipfeln  weniger  dicht  ist,  ist  auch 
die  Bodenschicht  weniger  stark,  nimmt  aber  hangabwärts  wieder  be- 
deutend an  Stcirke  zu.  Das  Klima  des  Gebirges  ist  ziemlich  kühl. 
Dem  tragen  die  Indianer  auch  darin  Rechnung,  daß  sie  mit  einem 
langen,  weißen  Gewand   bekleidet  sind.     (Geogr.  Review    191 8,  Bd.  VI, 

s.  385.) 

o  Die  Forschungsreise  von  Hamilton  Rice  nach  dem  Rio  Negro, 
Januar  bis  März  1917,  hat,  obgleich  infolge  des  äußerst  niedrigen 
Wasserstandes  ; —  ein  Teil  des  Flußbettes  lag  sogar  trocken  —  die 
Befahrung  des  Flusses  viel  früher  abgebrochen  werden  mußte,  als  ur- 
sprünglich geplant  worden  war,  doch,  wie  ein  Bericht  des  Leiters  der 
Expedition  im  Geographical  Journal  (191 8,  Bd.  52  S.  205)  zeigt,  wichtige 
Ergebnisse  gezeitigt.  Wenn  auch  das  Flußgebiet  des  Rio  Negro  durch 
die  Arbeiten  von  Wallace,  Spruce  und  Rojas  bereits  recht  gut  bekannt 
geworden  war,  so  fehlte  es  bisher  doch  an  einer  genauen  Karte  dieses 
Stromes.  Sie  zu  schaffen,  war  die  Hauptaufgabe  Hamilton  Rice's,  die  nun 
nur  zum  Teil  gelöst  worden  ist.  Nur  für  die  Strecke  Manaos  —  Säo  Gabriel 
liegt  nunmehr  eine  genaue  Karte  im  Maßstabe  i  :  750000  vor,  die  der 
genannten  Nummer  des  Geographical  Journal  beigefügt  ist. 

Der  Rio  Negro,  ein  Schwarzwasserfluß,  dessen  W  asser  durch  die 
gelösten  Humusstoffe  dunkel  gefärbt  ist,  entspringt  in  der  Nachbar- 
schaft des  Papuana  und  des  Icana,  die  beide  dem  Orinocosystem  an- 
gehören, in  69°  30'  W  und  2°  N.  Er  kommt  aus  einem  sumpfigen, 
seenreichen  Gelände.  Bis  zur  Abzweigung  des  Casequiare  trägt  er  den 
Namen  Rio  Guainia.  In  ziemlich  geradem,  von  Treibholz  freiem  Laufe 
fließt  er  durch  terra  firme,  d.  h.  durch  Land,  das  über  dem  Hoch- 
wasserniveau des  Flusses  gelegen  ist.  Die  Ufer  werden  bis  .\yrao 
aufwärts  aus  Sandstein  gebildet;  von  da  aus  tritt  an  den  Uferabbrüchen 
grauer  Ton  zutage,  der  nach  oben  in  einen  roten  oder  gefleckten  Ton 
übergeht.  Die  Breite  des  Flusses  ist  auf  der  Strecke  zwischen  Manaos 
und  Santa  Isabel  fast  immer  sehr  bedeutend,  bei  JManäos  beispielsweise 
etwa  6,5  km.  Dicht  oberhalb  Manaos  vergrößert  sich  die  Strombreite,  und 
nach  einer  kurzen,  etwas  schmäleren  Laufstrecke  unterhalb  von  Paricatuba 
erweitert  sich  der  Rio  Negro  seenartig  zum  Boiagu,  der  wegen  seiner 
starken  östlichen  Winde  von  den  Schiffern  sehr  gefürchtet  wird.  Bald 
darauf  stellen  sich  im  Flußbett  zahlreiche  Inseln  ein.  Auf  der  etwa 
650  km  langen  Strecke  Man/tos  -  Santa  Isabel  ist  es  beispielsweise  nur 
selten  möglich,  das  gegenüberliegende  Ufer  zu  erblicken.  Der  Fluß 
teilt  sich  dabei  in  mehrere  Anne.  Einer  derselben,  der  Parana-Anaviihana, 
ist  durch  große,  lang  gedehnte  Inseln  auf  eine  Entfernung  von  180  km 
so  scharf  von  dem  Hauptstrom  getrennt,  daß  dieser  nur  zwei  bis  dreimal 
sichtbar  wird.  Lotungen  in  diesem  Seitenarm  ergaben  ganz  beträchtliche 
Tiefen.  Es  wurden  nicht  unter  5,5  m  Tiefe  gemessen  und  an  der 
Mündung  einzelner  Nebenflüsse  wurde  sogar  in  9  bis  i  i  m  Tiefe  der 
Grund  noch  nicht  erreicht.  Die  meisten  Nebenflüsse  gehen  dem 
Rio  Negro  von  Norden  ^er  vom  Hochland   von  Guayana  zu.  *"  Einer  der 


Kleine  Mitteilungen.  85 

bedeutendsten  ist  der  Rio  Branco,  ein  Weißwasserstrom,  der  im  Gegen- 
satz zu  den  Schwarzwasserflüssen  stark  mäandriert,  sich  verzweigt,  von 
Untiefen,  Sandbänken  und  Inseln  durchsetzt  ist  und  nennenswerte  Tiefen- 
erosion nicht  besitzt.  In  drei  Mündungsarmen  ergießt  er  seine  Wasser 
in  den  Rio  Negro.  Seiner  Mündung  sind  zahlreiche  Inseln  vorgelagert, 
die  sich  durch  ihren  amphibischen  Charakter  von  den  übrigen  Inseln 
des  Rio  Negro  unterscheiden.  Sie  bilden  einen  Archipel,  den  chavascal, 
der  von  zahlreichen  Kanälen,  parana-miri  genannt^  durchzogen  wird. 
Erst  kurz  unterhalb  Santa  Isabel  ändert  sich  die  Natur  des  Flusses. 
Das  Bett  wird  schmäler,  und  Felsblöcke  und  Felsinseln  treten  nun 
zahlreich  im  Strome  auf.  Während  der  untere  Rio  Negro  bis  zur 
Mündung  des  Rio  Branco  ein  Sandsteingebiet  durchfließt,  tritt  auf  seiner 
oberen  Laufstrecke  der  Granit  zutage.  Das  Waldland,  das  die  Ufer 
des  Stromes  bedeckt,  wird  oberhalb  von  Santa  Isabel  von  steil  auf- 
ragenden Inselbergen  und  -gebirgen  unterbrochen.  Granitriffe  queren 
den  Strom  und  lassen  Stromschnellen  entstehen,  die  oft  eine  beträcht- 
liche Länge  haben.  Die  Katarakte  von  Säo  Gabriel  z.  B.  erstrecken 
sich  von  Camanäos  bis  zur  Mündung  des  Caiari-Uaupes,  d.  h.  über  eine 
Entfernung  von  mehr  als  50  km. 

Während  im  allgemeinen  die  Vegetation,  je  nachdem  sie  einen 
Schwarzwasser-  oder  Weißwasserstrom  begleitet,  ihr  eigentümliches 
Gepräge  trägt,  ist  der  Wald  am  unteren  Rio  Negro  nicht  besonders 
typisch.  Das  hängt  wohl  damit  zusammen,  daß  die  Bodenkrume  ein 
grauer  Sand  ist,  der  nur  einen  niedrigen  Wald  entstehen  läßt.  Das 
Tierleben  des  Rio  Negro  ist  nicht  besonders  reich.  Nur  die  Fischfauna 
ist  durch  eine  außerordentlich  große  Zahl  von  Arten  vertreten.  Spärlich 
ist  die  Besiedlung  an  den  Ufern  des  Flusses.  Das  hängt  wohl  damit 
zusammen,  daß  ihn  die  Portugiesen  für  sich  besonders  beanspruchen. 
In  dem  Gebiete  links  vom  Strome  wohnen  die  seßhaften  Aruaken, 
Kariben  und  Betoyas,  während  das  Land  rechts  des  Rio  Negro  von 
indio  do  matto,  den  Makü,  bewohnt  wird,  Fischern,  Jägern  und  Sammlern, 
die  ein  Nomadenleben  führen. 

Ozeane. 

Über  die  Verkehrswege  zur  See  am  Ende  des  Weltkrieges  hielt 
am  26.  November  1918  Professor  Dr.  G.  Schott  von  der  Deutschen 
Seewarte  zu  Hamburg  einen  Vortrag  im  Institut  für  Meereskunde  der 
Universität  Berlin.  Im  Stillen  Ozean  ist  die  britische  Schiffahrt 
während  des  Krieges  stark  zurückgegangen,  während  die  japanische, 
wenigstens  im  Nordwest-Quadranten  einen  gewaltigen  Aufschwung 
genommen  hat.  Japanische  Dampferlinien  gehen  über  Hongkong  nach 
Batavia,  Kapstadt  und  New  York,  nach  Bombay,  über  Vancouver  nach 
Seattle,  über  Panama  nach  Galveston  und  New  York  über  Südafrika 
nach  Südamerika  usw.  Dazvi  kommt  noch  ein  dichtes  Netz  von  SchiflF- 
fahrtslinien,  mit  dem  die  Japaner  Holländisch-Indien  cingesponnen 
haben.  Fast  die  ganze,  früher  von  dem  Norddeutschen  Lloyd  be- 
herrschte Küstenschiffahrt  ist  jetzt  in  japanischen  Händen.  Diese  un- 
heimliche Rührigkeit  der  Japaner  könnte  beunruhigend  sein,  wenn  nicht 
der  Schiffsraum  der  japanischen  Handelsflotte  im  Vergleich  zu  euro- 
päischen Verhältnissen  wegen  des  Eiscnmangels  noch  verhältnismäßig 


36  Kleine  Mitteilungen. 

klein  wäre.  Man  darf  daher  die  augenblickliche  machtpolitische  und 
handelspolitische  Vormachtstellung-  Japans  nicht  überschätzen.  Eng- 
land und  die  Vereinigten  Staaten  werden  nach  dem  Kriege  hier  wieder 
aufkommen,  insbesondere  haben  die  letzteren  ihre  Schiffahrt  im  Stillen 
Ozean  gewaltig  ausgedehnt,  während  England  die  scinige  ganz  erheb- 
lich einschränken  mußte  zugunsten  der  Holländer,  die  jetzt  ihre  indo- 
nesischen Produkte  anstatt  nach  lüiropa  nach  der  amerikanischen 
Westküste  ausführen. 

Im  Indischen  Ozean  herrscht  England  fast  allein.  Es  ist  ihm  ge- 
lungen, durch  die  Ausschaltung  Deutsch-Ostafrikas  und  Arabiens  diesen 
Ozean  zu  «inem  britischen  Binnenmeer  zu  machen. 

Im  Atlantisclien  Ozean  ist  besonders  auffällig  die  Ausdelmung 
amerikanischer  Schiffahrtslinien  auf  die  westindischen  Gewässer.  Die 
Vereinigten  Staaten  haben  es  hier  verstanden,  alle  mittelamerikanischen 
Staaten  in  eine  mehr  oder  weniger  starke  Abhängigkeit  zu  bringen  und 
sich,  von  anderen  Plätzen  abgesehen,  in.  Guantanamo  auf  Kuba  einen 
stark  befestigten  Flottenstützpunkt  zu  schaffen,  der  gerade  auf  dem 
Wege  von  New  York  nach  Panama  liegt.  Militärisch  und  politisch  ist 
hier  jeder  andere  Staat,  auch  England,  nur  geduldet.  Die  englischen 
Schiffahrtsfachblätter  konstatieren  mit  Bedauern  die  zunehmende  Ver- 
drängung des  britischen  Handels.  Der  amerikanische  Anteil  am  Welt- 
schiflbau  betrug  1914  nur  7%.,  er  stieg  bis  1918  auf  48  9^.,  1916  waren 
50000  Werftarbeiter  vorhanden,  19 18  aber  380000.  Die  Zahl  der 
Werften,  die  sich  mit  Stahl-,  Holz-  und  Beton-Schift'bau  beschäftigen, 
beträgt  augenblicklich  in  der  Union  : 

*      Stahl 

Atlantische    Küste    .  32 

Golfküste 5 

Große    Seen      ....      15 

Pazifische  Küste  ...     21 

Zusammen     y^t         82  4        159 

In  England  ist  man  sich  völlig  klar  darüber,  daß  im  westlichen 
Atlantischen  Ozean  für  die  britische  Schiffahrt  nur  noch  das  zu  holen 
ist,  was  die  Union  gestattet.  Aber  auch  im  östlichen  Atlantischen 
Ozean  haben  sich  die  Amerikaner  auf  den  Azoren,  in  Marokko  und  in 
Liberia  festgesetzt.  o.  Bascinu. 

Allgemeines. 

"■'■*  Eine  neue  Projektion  mit  geradlinigen  größten  Kugelkreisen 
gibt  W.  Im  m  1er  unter  dem  Namen  ,,ein  doppelazimutaler  gnomoni- 
scher  Kartenentwurf"  an,  dessen  Beziehung  zum  bekannten  gnomoni- 
schen  Entwurf  H.  Thorade  auseigandersetzt.  (Ann.  d.  Hydr.  usw. 
1919  p.  22ff.)  Der  Entwurf,  der  durch  mathematische  Berechnung  der 
Koordinaten  gefunden  wird,  ist  eine  Verallgemeinerung  des  bekannten. 
Er  erfüllt  die  weitere  Bedingung,  daß  für  zwei  beliebige  Punkte  die 
Azimute  winkeltreu  abf>ebildet  werden  und  nicht  nur  für  den  einen 
Kartenmittelpunkt,  wie  bei  der  gnomonischen  Projektion.  Der  Entwurf 
hat,  so  verzerrt  auch  *)ei  ihm  das  Kartenbild  aussieht,  doch  nicht  die 
großen  Winkelverzerrungen  wie  die  alte  Projektion.     Da  sie  ebenfalls 


Hob. 

Beton 

Summe 

31 

3 

66 

17 

— 

22 

I 

— 

16 

zz 

I 

55 

Kleine  Mitteilungen. 


87 


alle  größten  Kugelkreise  als  gerade  Linien  darstellt,  eignet  sie  sich 
also  besser  zur  Darstellung  von  Karten  zum  Segeln  im  größten  Kugel- 
kreise. Sie  verbindet  aber  damit  den  großen  Vorteil,  daß  auf  ihr  sofort 
die  Richtungen  zu  den  beiden  Festpunkten  geradlinig  aufgezeichnet  und 
abgelesen  werden  können.  Für  die  Nautik  wird  diese  Projektion  große 
Zukunft  besitzen,  da  die  Richtungen  von  zwei  Festpunkten  aus  sofort 
als  Schnittpunkt  den  Schiffsort  ergeben.  Da  diese  Richtungen,  die 
funkentelegraphisch  erfragt  und  beantwortet  werden,  natürlich  kürzeste 
Entfernungen,  also  größte  Kugelkreise  darstellen,  so  kann  die  Aufgabe 
nur  bequem  erfüllt  werden,  wenn  die  angegebene  Projektion  für  die 
beiden  Festpunkte  der  Funkenstationen  entworfen  ist.  Es  wären  also 
für  alle  Kombinationen  von  zwei  funkentelegraphischen  Richtungs- 
anlagen Karten  in  dieser  Projektion  mit  den  beiden  Orten  als  Fest- 
punkte zu  entwerfen.  Auf  ihnen  könnte  dann  sofort  durch  geradlinige 
Striche  der  Schififsort  ermittelt  werden.  Die  Projektion,  die  nur  die 
Halbkugel  auf  der  unendlichen  Ebene  darstellt  und  bei  der  die  Parallel- 
kreise Kegelschnitte  sind,  sollte  aber  auch  für  geotektonische  Fragen 
öfter  zu  Rate  gezogen  werden,  zumal  wenn  es  gilt,  Streichrichtungen 
von  Gebirgen  oder  Verwerfungen  über  große  Erdräume  zu  vergleichen. 
Denn  die  Kräfte  der  Erdkruste,  die  sich  in  Spannungen,  Verschiebungen 
oder  Verwerfungen  äußern,  werden  sich  nie  nach  den  Loxodromen 
richten,  sondern  stets  nach  den  Orthodromen.  Diese  geradlinig  und 
leicht  in  ihrer  Richtung  meßbar  und  vergleichbar  vor  sich  zu  sehen, 
kann  nur  von  Vorteil  sein  und  wird  oft  vor  weitgesteckten  Kombi- 
nationen und  Theorien  warnen.  w.  Behnvann. 


Die  Ausmessung  der  Loxodrome.  Die  Ermittlung  des  Kurses, 
den  ein  Schiff  steuern  muß,  um  von  einem  Ausgangspunkte  A  (s.  d.  Fig.) 
nach  einem  Ziele  Z  zu  gelangen,  i.st  eine  Aufgabe,  die  durch  die  sog. 
Merkatorprojektion  gelöst  wird,  da  diese,  außer  der  Winkeltreue  die 
Eigenschaft  besitzt,  den  Schiffsweg  — 
auf  der  Erdkugel  eine  spiralig  ge- 
krümmte Kurve,  die  Loxodrome,  —  p-< 
als  gerade  Linie  abzubilden.  Der  N.Br 
Winkel  Z  A  B  gibt  daher  unmittelbar 
den  zu  steuernden  Kurs.  Dagegen 
haben  die  , .wachsenden  Breiten"  der 
Karte  die  Folge,  daß  die  Länge  des  ^^° 
Weges  A  Z  sich  nicht  unmittelbar  aus 
ihr  entnehmen  läßt.  Man  pflegt  sich 
zu  helfen,  indem  man  ihn  in  kleine  ^q« 
Stücke  einteilt,  deren  jedes  man  an- 
nähernd mit  dem  ihm  entsprechenden 
Breitenmaßstabe  am  Kartenrande  aus-  30' 
mißt.  Die  Richtigkeit  dieses  Verfahrens 
beruht  darauf,  daß  jedes  Stück  der 
Loxodrome  in  demselben  Maße  verzerrt  ist  wie  der  zugehörige  Breiten- 
unterschied. (Vgl.  die  Lehrbücher,  z.  B.  Bolte,  Neues  Lehrbuch  der 
Schiffahrtskunde,    Hamburg   1914,  S.  20). 

Indessen    läßt    sich    durch    eine    einfache    Konstruktion    auch    die 


50Vl.  «tO'        30°        20°         10' 

A 

30° 

c                 k/ 

/'■W 

20° 

/30° 
/20° 

[10° 

:    /10* 

1 

/ 

1                       1 1                      i 

gg  Kleine  Mitteilungen. 

wahre  Länge  von  AZ  genau  (nicht  angenähert)  finden:  Man  bestimmt 
den  Breitenunterschied  von  A  und  Z  (s.  d.  Fig.),  hier  30°,  greift  eben- 
soviele  Grade  auf  der  Teilung  des  Äquators  ab  und  trägt  diese  Strecke 
von  Z  aus  auf  dem  Meridian  ab,-  bis  C.  Zieht  man  durch  C  die 
Parallele  zu  den  Breitenkreisen  und  bezeichnet  den  Punkt,  in  dem  sie 
A  Z  schneidet,  mit  A',  so  ist  A'  Z,  wiederum  auf  der  Aquatorteilung 
gemessen,  die  wirkliche  Länge  von  A  Z  (hier  etwa  =  40,5°  oder  2430  Sm. 
Die  Berechnung  ergibt  40,55^). 

Da  nämlich  jedes  Stückchen  der  Loxodrome  ebenso  stark  verzerrt 
ist  wie  der  zugehörige  Breitenunterschied,  so  muß  auch  die  mittlere 
Verzerrung  der  ganzen  Loxodrome  AZ  gleich  der  mittleren  Verzerrung 
des  ganzen  Breitenunterschiedes  A  B  sein,  und  es  muß  sich  die  ver- 
zerrte Länge  der  Loxodrome  A  Z  zum  verzerrten  Breitenunterschied  A  B 
verhalten  wie  ihre  wahre  Länge  A'Z  zum  w^ahren  Breitenunterschied  Z  C, 
woraus  die  Berechtigung  des  Verfahrens  einleuchtet.  —  Das  Ergebnis 
läßt  sich  übrigens  auch  leicht  durch  Integration  finden.      h.  Thorade. 

Die  Zonenzeit  auf  See.  Während  das  seit  der  ersten  Hälfte  des 
vorigen  Jahrhunderts  kontinuierliche  Anwachsen  des  Land  Verkehrs, 
insbesondere  die  Ausbreitung  des  Eisenbahnnetzes,  verhältnismäßig  früh 
das  Rechnen  nach  den  ,, Ortszeiten"  aufhören  ließ  und  zur  Bestimmung 
zunächst  von  ,, Landes-"  bzw.  ,, Nationalzeiten",  dann  —  nach  Fest- 
setzung eines  einheitlichen  Nullmeridians  —  zur  ,, Weltzeit"  bzw.  , .Zonen- 
zeit" geführt  hat,  arbeitet  die  Nautik  zum  großen  Teil  heute  noch 
mit  drei  verschiedenen  Systemen  zur  Zeitbestimmung,  deren  rechnerische 
Verarbeitung  umständlich  und  zeitraubend  ist,  nämlich  den  , .Ortszeiten", 
den  , .Landeszeiten"  und  der  ,, Weltzeit"  (Greenwicher  Zeit).  Im  Hafen 
wird  gewöhnlich  die  betreffende  Landeszeit  benutzt,  auf  offener  See 
dagegen  benötigen  die  Schiffe  die  , .Weltzeit"  und  die  ,, Ortszeit". 
Erstere  führen  sie  durch  Chronometer  mit  sich  oder  erfahren  sie  durch 
funkentelegraphische  Zeitsignale.  Die  ,, Ortszeit"  hingegen  wird  täglich 
aus  dem  Laufe  der  Gestirne  abgeleitet.  Da  sie  sich  aber  von  Meridian 
zu  Meridian  ändert,  stimmt  die  Zeit  des  weiterfahrenden  Schiffes  schon 
kurz  nach  der  Bestimmung  wieder  nicht  mehr  mit  der  gefundenen 
Ortszeit  überein!  Mit  anderen  Worten:  es  ist  so  unmöglich,  auf  See 
genau  die  wahre  Zeit  anzugeben,  wann  irgendein  Ereignis  eintritt,  und 
gerade  darauf  kommt  es  heutzutage,  wo  die  Funkentelegraphie  eine 
sofortige  Weitergabe  wichtiger  Beobachtungen  an  andere  Schiffe  oder 
an  Festlandsstationen  ermöglicht,  an. 

Um  die  genannten  Mißstände  zu  beseitigen,  haben  nun  im  Fe- 
bruar 1917  zwei  Mitglieder  des  ..Bureau  des  Longitudes"  in  Paris, 
Ch.  Lallemand  und  J.  Renaud,  den  Vorschlag  gemacht,  die  auf  dem 
Lande  seit  mehr  als  25  Jahren  bestbewährte  Zonenzeit  auch  auf  das 
Weltmeer,  damit  also  über  die  ganze  Erde  auszudehnen').  Die  Zonen 
sollen  von  Greenwich  nach  Osten  mit  Nr.  o  bis  23  bezeichnet  werden. 
Innerhalb  jeder  —  15  Längengrade  umfassenden  —  Zone  ist  dann  die 
gleiche  Zeit,  und  der  Übergang  von  einer  Zone  zu  einer  anderen  voll- 
zieht   sich    in    einfachster  Weise,    da    in    allen   Zonen    die   Uhren    die 

')  L'heure  en  mcr.     La  Geographie  XXXII.     Paris  1918.     Nr.  2. 


Literarische  Besprechungen.  89 

gleichen  Minuten  und  Sekunden  angeben  und  lediglich  die  Stunden- 
ziffer um  eine  ganze  Zahl  abweicht.  Ist  also  z.  B.  in  Greenwich  o^, 
so  ist  die  Stunde  jeder  Zone  durch  ihre  Nummer  gegeben. 

In  der  französischen  Marine  ist  diese  Zonenzeit  bereits  seit  dem 
22.  März  1917  obligatorisch  eingeführt,  in  der  italienischen  seit  Juni  1917, 
und  auch  die  britische  Admiralität  hat  sich  zur  Einführung  des  Systems 
der  Zonenzeit  auf  dem  Meere  entschlossen,  lediglich  mit  der  kleinen 
Modifikation,  daß  sie  die  Zonen  nicht  von  o  bis  23  zählt,  sondern 
dieselben  von  Greenwich  aus  nach  Westen  mit  +  i  bis  +  >2,  nach 
Osten  mit  —  i  bis  —  12  bezeichnet.  In  der  deutschen  Marine  wird 
die  Zonenzeit  auf  See  noch  nicht  benutzt.  h.  Heyde. 

Neue  geographische  Gesellschaften  und  Zeitschriften.  Seit 
Beginn  des  Jahres  19 17  gibt  Professor  Sebastiano  Crinö  in  Florenz 
eine  Halbmonatschrift  ,,Rivista  di  Geografia  didattica"  heraus,  die  als 
Ergänzung  der  ,,Rivista  Geografia  Italiana"  die  verschiedenen  Zweige 
des  geographischen  Unterrichts  sowie  die  Kulturgeographie  pflegen  soll. 

In  London  erscheint  seit  19 17  unter  dem  Titel  ,, New  Europe"  eine 
Zeitschrift,  in  der  namentlich  politisch-geographische  Probleme  des 
Weltkrieges  behandelt  werden. 

Eine  südafrikanische  geographische  Gesellschaft  ist  kürzlich  in 
Johannesburg  gegründet  worden.  Als  Herausgeber  ihres  Organes,  des 
,, South  African  Geographica!  Journal",  zeichnet  J.  Hutcheon  von  der 
School  of  Mines  and  Technology.  Die  erste  Nummer  dieser  neuen 
Zeitschrift  ist  gegen  Ende  des  Jahres  19 18  nach  Europa  gelangt.  Sie 
enthält  Berichte  über  die  in  den  Sitzungen  der  Gesellschaft  gehaltenen 
Vorträge  sowie  einen  Aufsatz  von  J.  W.  Bews  über  die  Pflanzengeographie 
Südafrikas,  in  dem  der  Verfasser  fünfzehn  Vegetationstypen  als  Grund- 
lage einer  pflanzengeographischen  Karte  von  Südafrika  aufstellt. 

Die  ,,Societe  Khediviale  de  Geographie"  in  Cairo  hat  ihren  Namen 
geändert  und  nennt  sich  jetzt,  den  veränderten  politischen  Verhältnissen 
entsprechend,  ,,Sultanieh  Geographical  Society".  Sie  beabsichtigt  ihr 
Arbeitsgebiet  zu  erweitern  und  namentlich  auf  die  Ethnographie  aus 
zudehnen,  sowie  zwei  Zeitschriften  ,, Bulletin"  und  ,,Memoirs"  heraus- 
zugeben, o.  B. 


LITERARISCHE  BESPRECHUNGEN. 

Arnheim,  F.:    Schweden.     Perthes  Kleine  Völker-  und  Länder-  "*'^ 

künde  zum  Gebrauch  im  praktischen  Leben  3.    Gotha,  F.  A.  Perthes. 
1917.  8°.    208  S. 

Das  vorliegende  Bändchen  ist  weder  eine  Völker-  noch  gar  eine 
Länderkunde,  sondern  ganz  einfach  eine  Geschichte  Schwedens  bis  zur 
Gegenwart,  die  keine  besondere  Rücksicht  auf  die  naturgegebenen 
Grundlagen  nimmt.  Als  Geschichte  ist  es  hübsch  und  lesbar  geschrieben, 
bis  auf  die  neueste  Zeit  durchgeführt,  in  welchem  Abschnitt  die  Nennung 
noch  heute  tätieer  Gelehrter  ansenehm  ist. 


gO  Literarische  Besprechungen, 

Der  statistische  Anhang  ist  äußerst  dürftig;  von  Wert  dagegen  das 
folgende  Literaturverzeichnis,  das  aber  wieder  an  den  natürHchen  Grund- 
lagen vorbei  geht.  Die  sog.  ,, politisch-physikalische"  Karte  in  i  :90000C0 
enthält  außer  Umrissen  des  Landes  nur  Eisenbahnen,  Flüsse,  Grenzen  (!), 
die  Wirtschaftskarte  Waldareal,  Anbauflächen,  Erze,  Kohlen  in  gleichem 
Maßstab. 

Wenn  der  Verlag  glaubt,  daß  sich  dieses  Werk  ,,zum  Gebrauch  im 
praktischen  Leben"  bewährt,  so  freuen  wir  uns  dieses  Optimismus. 
Das  Urteil  des  Geographen  wird  anders  lauten,  auch  wenn  er  von  der 
klaren  geschichtlichen  Zusammenstellung  hier  und  da  gern  und  mit 
Nutzen  seinerseits  Gebrauch  machen  wird.  g.  Braun. 


Götzinger,  Gustav :  Die  Eis  Verhältnisse  der  Lunzer 
Seen.  (Internat.  Rev.  der  gesamten  Hydrobiologie  und  Hydro- 
graphie.) Leipzig,  W.  Klinkhardt,  1917,  8^  IV  und  159  S.  46  Text- 
figuren und    18  Tafeln. 

Mit  außerordentlichem  Fleiß  hat  der  Verfasser  ein  umfangreiches 
Material  über  die  Eisverhältnisse  der  in  Nieder -Österreich  gelegenen 
Lunzer  Seen  zusammengebracht.  Es  umfaßt  eine  Beobachtungsreihe 
von  neun  Jahren  (1905/06  bis  191 3/14).  Die  eigenartigen  Veränderungen 
von  Eis  und  Wasser  der  Seen  sind  sorgfältig  und  gründlich  untersucht 
und  das  Ergebnis  zu  vielen  auf  Vergleichung  beruhenden  Schlußfol- 
gerungen verwertet.  Die  Mehrzahl  der  Beobachtungen  wurde  im  Bereich 
des  Untersees  angestellt,  während  der  tief  verschneite  Obersee  der 
winterlichen  Erforschung  weniger  zugänglich  war.  Für  jeden  der  Seen 
wird  das  Aneisen,  die  Eisperiode  und  die  Öffnung  des  Eises  eingehend 
erörtert,  und  außerdem  ist  auch  die  Eisbeschaffenheit  näher  untersucht 
und  dargestellt.  Auch  die  thermischen  Verhältnisse  des  Wassers, 
namentlich  während  der  Eisperiode,  sowie  die  Einwirkung  der  Zuflüsse 
sind  berücksichtigt.  Zahlreiche  wohlgelungene  photographische  Auf- 
nahmen veranschaulichen  in  interessanter  Weise  die  verschiedenen 
Zustände  des  Eises.  Dem  Text  sind  überdies  viele  Kartenskizzen  und 
Diagramme  zur  Erläuterung  beigegeben.  Auf  Einzelheiten  können  wir 
in  dieser  kurzen  Anzeige  nicht  eingehen.  uie. 


Haberlandt,A. :  Kultur  wissenschaftliche  Beiträge 
zur    Volkskunde    von    Montenegro,    Albanien    und 
Serbien.      Mit     12   Tafeln     und     63    Textabbildungen.      Ergänz. 
Bd.  XII  d.  Zeitschr.  f.  österr.  Volkskunde,  Wien  1917.    8°.  187  S. 
Das   vorliegcn.de    Werk   bietet    das    reiche    Beobachtungsmaterial 
einer  dreimonatigen  Forschungsreise  in  den  abgelegensten  Strichen  der 
vvestlichen  Balkanhalbinsel.     Im  Gegensatz  zu  J.  C  v  i  j  i  e  ,  der  diese 
ganze  Region  der  „patriarchalen"   Kulturzonc   zugewiesen    hat.    zeigt 
der  Verfasser,  daß  auch  hier  —  früher  mehr  als  in  den  letzten  Jahr- 
hunderten —  westliche  und  östliche  Einflüsse  unverkennbar  sind,  von 
denen  namentlich  die  byzantinisch-aromanischen   schon   in   den   Zeiten 
Großbulgariens    bis    ins    mittlere    Albanien    vordrangen    und    mit    der 


Literarische  Besprechungen.  91 

Türkenherrschaft  in  zwar  sozial  etwas  abgeänderter  Form  überall, 
selbst  in  den  Städten  des  südlichen-  Montenegro  Verbreitung  fanden. 
Man  muß  also  stärker  als  es  J.  C  v  i  j  i  c  tut,  darauf  hinweisen,  daß  es 
kein  reines  Nebeneinander  der  Kulturzonen  gibt,  sondern  eine  Uber- 
einanderschichtung  der  einzelnen  Kulturfaktorcn,  deren  Wellen  zu 
verschiedenen  Zeiten  ungleich  weit  greifen  und  sich  durchkreuzen.  Der 
•Hinweis  auf  die  Tatsache,  in  w'ie  viele  Komponenten  (altindo- 
germanisch, altillyrisch,  altslavisch.  serbisch,  römisch,  venetianisch- 
süditalienisch,  byzantinisch,  türkisch,  mitteleuropäisch,  westfränkisch) 
sich,  das  sogenannte  Bodenständige  auflösen  läßt,  wird  dem  Anthropo- 
geographen  eine  wertvolle  Warnung  sein,  nicht  ohne  gute  historische 
Kenntnis  und  reiches  Vergleichsmaterial  an  derartige  Arbeiten  zu 
schreiten.  Trotz  aller  Einwirkungen  der  Umrahmung  gibt  es  aber 
doch  in  der  Einzelgestaltung  sehr  viel  Bodenständiges.  Scharf  scheidet 
sich  in  Montenegro  das  Steinhaus  des  Karstgebietes  von  den  Holz- 
häusern der  bewaldeten  Brda  und  den  Strohhütten  der  Hochweiden. 
Auch  die  Drinebene  hat  ihre  eigene  Bauweise,  die  sich  unterscheidet 
von  der  im  Gebirgsland  der  Mirditen  und  der  Südalbaniens.  Bei 
Elbassan  gibt  es  burgartige  Gehöfte  ganz  anderer  Art  als  die  düsteren 
Kulas  an  der  Südseite  der  x-Mbanischen  Alpen  und  der  Metochia.  Von 
Interesse  ist,  daß  das  Altslavische  von  Prisren  kulturell  viel  mehr  Be- 
ziehungen zum  bulgarischen  Mazedonien  als  zum  serbischen  Norden 
hat,  doch  darf  man  daraus  w^ohl  keine  ethnographischen  Schlüsse 
ziehen.  .\'.  Krebs. 

Thoroddsen,  Th. :  F  e  r  d  a  b  6  k.    Skyrslur  um  Rannsöknir  ä  Islandi 

1882  bis  1898.     Kopenhagen   1913  bis  1915.     4  Bände.     8\      1389  S. 

Thoroddsen,    Th.:    Arferdi    ä    Islandi    i    Thüsund    Ar. 

Kopenhagen   1916  bis  1917.     8"^.     432  S. 
Thoroddsen,  Th.  :Lysing  Islands.  Kopenhagen  1907  bis  191  i . 

2  Bände.      1040  S. 
Thoroddsen,    Th .:    An    account    of   the   physical   geo- 
graphy  oficeland.     In  ,,K.  Rosenvinge  and  E.  Warming,    The 
botany  oficeland".     Kopenhagen  und  London   1914.    8".     151   S. 
Thorvaldur  Thoroddsen    hat    der    wissenschaftlichen  Welt  in   den 
letzten  Jahren   eine  Reihe   zusammenfassender  Werke   beschert,   die  es 
dem  Fernstehenden  gestatten,  sich  schnell  und  richtig  in  die  Geographie 
Islands    einzuarbeiten    oder    über   Teile    von    ihr    gute    Überblicke    zu 
gewinnen.    Freilich  ist  die  Voraussetzung  zum  \'erständnis  der  verdienst- 
vollen Arbeiten  die  gründliche  Kenntnis  der  isländischen  Sprache,  denn 
nur  in    dieser   sind   sie,   wenigstens   vorläufig,   erschienen.     Freuen   wir 
uns  zunächst,  daß  sie  überhaupt  in  Gänze  veröffentlicht  werden  konnten, 
da  ihnen  durch  Erschöpfung  der  Mittel  zur  Drucklegung  mehr  als  ein- 
mal die  Gefahr  drohte,  ein  Torso  werden  zu  müssen. 

Thoroddsen  hat  in  den  Jahren  1882  bis  1898  allsommerlich  seine 
Heimatinsel  diTrchforscht,  soweit  es  die  Kürze  der  wärmeren  Zeit  des 
Juli  und  August  zuließ.  Seither  hat  er  sich  fast  ausschließlich  lite- 
rarischen Quellenstudien  hingegeben,  nachdem  er  seinen  dauernden 
Wohnsitz  nach  Kopenhagen  verlegt  hatte.     Insgesamt  hat  er  870  Tage 


92  Literarische  Besprechungen. 

der  Forscherarbeit  im  Felde  gewidmet,  von  ilinen  wurden  i88  in  völlig 
unbewohnten  Gebieten  verbracht.  Die  Ergebnisse  der  Reisen  waren 
bislang  auf  zahlreiche  Zeitschriften  verteilt,  in  isländischen,  dänischen, 
deutschen  und  englischen  waren  die  wichtigeren  zu  finden.  Diese  ver- 
streuten Berichte  hat  der  Verfasser  jetzt  in  vier  stattlichen  Bänden  des 
Ferdabok,  dem  ,, Reisebuch",  vereint,  jedoch  nicht  nur  in  einfach  ge- 
sammelter Form  mit  einer  leichten  redaktionellen  Überarbeitung,  sondern- 
bei  Wahrung  der  chronologischen  Reihenfolge  um  zahlreiche  wertvolle 
Ergänzungen  bereichert,  namentlich  in  literarischer  und  geschichtlicher 
Hinsicht  aus  Quellen,  die  nur  sehr  schwer  zugänglich  sind.  Ferner 
sind  die  seit  den  Reisen  hinzugekommenen  Ergebnisse  anderer  Forscher 
hineingearbeitet.  Thoroddsen  hat  sich  auch  bei  dieser  Gelegenheit  nicht 
auf  das  rein  Geographische  beschränkt,  sondern  läßt  auch  die  übrigen 
Naturwissenschaften,  namentlich  die  Botanik  und  die  Zoologie,  ausführ- 
lich zu  Worte  kommen;  ganz  besonders  stark  aber  wird  von  ihm  die 
historische  Seite  gepflegt. 

Als  -willkommene  Bereicherung  gesellt  sich  zu  dem  Ferdabok  das 
Arferdi  von  Island  (,Jahr  um  Jahr  auf  Island").  In  ihm  wird  Jahr  um 
Jahr  von  der  Landnahmezeit  her  bis  zur  Gegenwart,  .von  865  bis  1900, 
eine  Zusammenstellung  aller  irgendwie  allgemein  wichtiger  Daten 
geboten.  In  diesem  Katalog  steckt  ein  einzigartiges  Material  über 
geographische  Vorgänge  während  der  letzten  tausend  Jahre  auf  einem 
in  sich  geschlossenen  Landgebiet;  ich  nenne  nur  Klimaveränderungen, 
Gletscherschwankungen  und  Verschiebungen  der  Vegetationsdecke,  oder 
Periodizität  des  Vulkanismus  in  Form  der  Eruptionen,  Thermen  und 
Geysire.  Island  ist  das  einzige  Land  der  Erde,  über 
dessen  geographische  Veränderungen  wir  über 
einen  längeren  Zeitraum  hinaus  in  lückenloser  Folge 
dank  einer  Bevölkerung,  die  ihre  seltsame  Naturumgebung  jederzeit 
scharf  beobachtete,  hinreichend  und  vor  allen  Dingen 
zuverlässig  unterrichtet  sind!  Noch  harrt  der  größte 
Teil  der  überlieferten  Nachrichten  einer  vergleichenden  x'Vus- 
wertung,  die  namentlich  zur  Kunde  der  Klimaschwankungen  und  der 
Tätigkeit  des  Vulkanismus  erwünscht  ist.  Thoroddsen  selbst  bringt  einen 
ausführlichen  Abriß  über  das  alljährliche  Auftreten  des  Aleereises  an 
den  isländischen  Küsten,  dessen  Hauptergebnisse  für  die  letzten  Jahr- 
zehnte in  einer  graphischen  Tafel  (S.  357)  leicht  eingesehen  werden 
können.  Auch  für  dieses  Werk  schuldet  die  geographische  Fachwelt 
dem  unermüdlichen  Verfasser  wärmsten  Dank. 

Schließlich  hat  Thoroddsen  in  einem  dritten  W^erke,  dem  Lysing 
Islands,  eine  allgemeine  Naturgeschichte  des  Landes  geliefert.  Sie 
wendet  sich  an  weitere  Kreise,  bietet  aber  auch  dem  Islandforscher 
willkommene  Hinweise  und  Bemerkungen.  Die  beiden  Bände  orientieren 
rasch  über  die  Insel,  klare  Gliederung  in  zahlreiche  Kapitel  im  Verein 
mit  photographischen  und  kartographischen  Beigaben  im  Text  erleichtern 
das  Verständnis  ungemein.  Die  Hauptabschnitte  sind  nach  einer  Dar- 
legung über  die  Größe  der  Insel:  Das  umgebende  Mctr,  die  Küsten, 
die  Landschaftsgliederung,  Flüsse,  Seen  und  die  Gletscher;  Lava,  Vul- 
kane und  Thermen;  Bodenaufbau;  Klima,  Vegetation  und  Tierwelt. 
Ein  gedrängter  Auszug  aus  dem  Buche  in  deutscher  Übersetzung  würde 


Literarische  Besprecliungen."  93 

sicherlich  von  vielen  Seiten  begrüßt  werden.  In  eni;lischer  Sprache 
liegt  er  von  Thoroddsen  bereits  vor,  als  Einführung  in  das  botanische 
Werk^  das  Kolderup  Rosenvinge  und  Eugen  Warming  über  Island 
herausgaben.  Thoroddsen  hat  in  ihm  in  knappen  Strichen  jene  geogra- 
phischen Faktoren  gezeichnet,  die  zum  Verständnis  der  vegetativen 
Bedingungen  die  Grundlage  abgeben,  also  in  erster  Linie  Ver- 
gletscherung mit  besonderer  Berücksichtigung  der  Schneelinie,  das 
fließende  und  stehende  Wasser,  Bodenverwitterung,  Klima,  Landschafts- 
gliederung.  Die  klimatologischen  Elemente  sind  nach  den  Aufzeich- 
nungen von  1872  bis  1906  berechnet  und  tabellarisch  und  graphisch 
übermittelt.  Über  Polygonboden  und  Solifluktion,  auf  die  die  Augen 
der  Wissenschaft  sich  erst  seit  einem  Jahrzehnt  stärker  gerichtet  haben, 
wird  viel  gutes  Beobachtungsmaterial,  namentlich  auch  im  Zusammen- 
hange mit  der  Vegetationsdecke,  erstmalig  mitgeteilt,     h.  Spetbinann. 


Koch-Grünberg,  Theodor  :Vom,  Roroima  zum  Orinoko. 
Ergebnisse  einer  Reise  in  Nordbrasilien  und  Venezuela  in  den 
Jahren  1911  bis  1913.  Unternommen  und  herausgegeben  im  Auftrage 
und  mit  Mitteln  des  Baeßler-Instituts  in  Berlin.  I,  Bd.:  Schilderung 
und  Reise.  X  und  406  S.  mit  6  Taf.  und  109  Abbild.  1917.  II.  Bd.: 
Mythen  und  Legenden  der  Taulipang-  und  Arekuna-Indianer.  XI  und 
313  S.     Berlin  1916,     Dietrich  Reimer  (Ernst  Vohsen).     S''. 

Der  Ethnograph  Koch-Grünberg  hat  in  den  Jahren  191 1  bis  191 3 
eine  erfolgreiche  Forschungsreise  in  das  Grenzgebiet  von  Brasilien, 
Venezuela  und  Britisch  Guayana  unternommen,  die  ihn  durch  zum  Teil 
noch  ganz  unbekannte  »Gegenden  führte.  Die  Ergebnisse  seiner  For- 
schungen gedenkt  er  in  einem  fünfbändigem  Werke  zu  veröffentlichen, 
von  denen  bereits  die  beiden  ersten  Bände  erschienen  sind. 

Der  erste  Band  bringt  die  Schilderung,  meist  auf  Grund  der  Tage- 
buchblätter. Wir  erfahren  aus  ihm  zunächst  den  Weg  der  Reise,  der 
auch  in  einer  beigefügten  Karte  näher  angegeben  ist.  Der  Ausgangs- 
punkt war  Manaos.  Von  dort  aus  ist  Koch-Grünberg  zum  Rio  Branco 
aufgebrochen  und  dann  diesen  Fluß  aufwärts  bis  Säo  Marcos  gefahren. 
Nach  längerem  Aufenthalt  daselbst  ist  er  auf  dem  Rio  Tacutu  nach 
Norden  weiter  vorgedrungen,  zunächst  bis  Koimelemong  am  Rio  Surumu. 
Hier  hat  er  vor  allem  die  Makuschi  studiert.  Das  weitere  Ziel  war 
der  Roroima,  an  dessen  Fuße  er  lange  Zeit  unter  den  Taulipang  zu- 
gebracht hat.  Darauf  ist  er  nach  Säo  Marcos  zurückgekehrt  und  hat 
von  hier  aus  eine  kühne  Reise  nach  dem  Orinoko  unternommen. 
Gerade  auf  diesem  Wege  hat  er  völlig  unbekannte  Gebiete  durchquert. 
Nur  Schomburgk  war  auf  einzelnen  Strecken  hier  sein  \'orgänger,  der 
unter  dem  Namen  Samburuku  in  dem  Gedächtnis  der  Bewohner  noch 
immer  fortlebt.  Die  Reise  folgte  zuerst  dem  Rio  Uraricuera,  dann  dem 
Rio  Merewari  und  schließlich  dem  Rio  Ventuari,  auf  dem  er  zum  Orinoko 
gelangte.  Durch  den  Cassiquiari  kehrte  er  wieder  zum  Rio  Negro  und 
auf  diesem   nach  Manaos  zurück. 

Die  Reise  war  mit  großen  Schwierigkeiten  verbunden  und  es  ist 
bewundernswert,  was  Koch-Grünberg  mit  den  wenigen  Hilfsmitteln,  die 
ihm    zu    Gebote   standen,    geleistet   hat,   ja   es   ist   geradezu    erstaunlich, 


94  Literarische  Besprechungen, 

daß  er  überhaupt  lebendig  zurückgekehrt  ist.  Sein  Leben  war  oft 
äußerst  gefährdet.  Die  Schwierigkeiten  bestanden  nicht  nur  in  der 
Überwindung  der  mangelhaften  Verkehrsmöglichkeiten,  sondern  auch  in 
den  ungünstigen  Verpflegungsverhältnissen  sowie  in  den  ungesunden 
Zuständen  des  Landes  und  der  Unterkünfte.  Alle  Hindernisse  hat  er 
aber  mit  einer  anerkennungswerten  Umsicht  und  nie  versagenden  Tat- 
kraft überwunden.  In  lebendiger  Anschaulichkeit  werden  uns  die  Er- 
lebnisse auf  der  Reise  geschildert.  Koch-Grünberg  stützt  sich  dabei 
im  wesentlichen  auf  sein  Tagebuch,  doch  werden  die  Ereignisse  nicht 
in  trockener  Aufzählung  wiedergegeben,  vielmehr  in  überaus  anziehender 
Form  mitgeteilt.  Es  sind  Schilderungen,  denen  man  anmerkt,  daß  sie 
aus  dem  unmittelbaren  Empfinden  heraus  an  Ort  und  Stelle  auf- 
geschrieben sind. 

Der  Reisende  ist  Ethnograph,  und  das  Ethnographische  überwiegt 
daher  auch  in  seinen  Ausführungen.  Allein  er  beschränkt  sich  keines- 
wegs auf  Ethnographica,  sondern  versteht  es  auch,  die  durchreisten 
Landschaften  anschaulich  zu  schildern,  und  gibt  viele  Aufschlüsse  über 
die  Natur  der  erforschten  Länder.  Man  folgt  seinen  Ausführungen 
mit  regster  Aufmerksamkeit,  und  in  dem  letzten  Teil  seiner  Reise,  wo 
er  unter  wilden  und  verkommenen  Indianern  lebt,  wird  die  Spannung 
aufs  äußerste  gesteigert,  da  man  jeden  Augenblick  eine  Katastrophe 
erwartet.  Tatsächlich  hatte  sich  während  seiner  Reise  auch  schon  das 
Gerücht  verbreitet,  daß  er  verschollen  sei.  Wie  er  selbst  angibt,  ver- 
dankt er  die  Erhaltung  seines  Lebens  vielleicht  nur  dem  Umstand, 
daß  die  Indianer  aus  Furcht  vor  seiner  Zauberkraft  es  nicht  wagten, 
ihn  zu  ermorden,  was  sie  wirklich  beabsichtigt  hatten.  Besonders 
fesselnd  sind  seine  Mitteilungen  über  die  Indianer,  unter  denen  er  fast 
wie  ein  Indianer  gelebt  hat.  Er  hat  viele  schlechte  Erfahrungen  mit 
ihnen  gemacht,  besonders  mit  den  Majonggong,  aber  anderseits  weiß 
er  auch  viel  Gutes  von  ihnen  zu  berichten.  So  gedenkt  er  im  Vor- 
wort auch  dankbar  ihrer.  ,, Trübe  Erinnerungen",  so  sagt  er,  ,,an  ein- 
zelne Undankbare  und  Übelwollende  werden  reichlich  aufgewogen  durch 
die  zahlreichen  Beweise  der  Freundschaft  und  Treue,  die  mir  diese 
braunen  Leute  entgegengebracht  haben.  An  meiner  Zuneigung  zu 
ihnen  hat  auch  diese  Reise  nichts  geändert."  Ihr  verdankt  er  seine 
großen  Erfolge  auf  ethnographischem  Gebiete.  Er  hat  es  vorzüglich 
verstanden,  sich  in  den  Geist  der  Indianer  einzuleben  und  ihr  Zu- 
trauen und  ihre  Freundschaft  zu  gewinnen.  Mit  den  Kindern  spielt  er 
wie  der  gute  Onkel,  der  zu  Besuch  gekommen  ist,  und  mit  den  Er- 
wachsenen geht  er  geschickt,  nachsichtig  und  im  entscheidenden 
Augenblick  auch  sehr  entschlossen  um.  Die  Schilderung  dieses  Ver 
kehrs  mit  den  Indianern  gehört  zu  dem  reizvollsten  seiner  Ausführungen 
und  durch  sie  gewinnt  er  nicht  nur  das  Interesse,  sondern  auch  die 
Liebe  der  Leser. 

Die  wissenschaftlichen  Ergebnisse  der  Reise  sollen  in  den  folgenden 
Bänden  niedergelegt  werden.  Der  bereits  erschienene  zweite  Band 
bringt  Mythen  und  Legenden  der  TauUpang-.  und  Arekuna-Indianer, 
Stämme  in  der  Gegend  des  Roroima,  die  zur  großen  Karaibengruppe 
gehören.  Der  Reisende  hat  sie  sich  von  zwei  Indianern,  die  monate- 
lang   seine   Genossen    auf  der   Fahrt  gewesen   waren,    erzählen   lassen. 


Literarische  Besprechungen.  or 

Neben  Naturmythen  und  Heroensagen  enthält  die  Sammlung  auch 
Märchen,  Tierfabehi  und  humoristische  Erzähhmgen.  Den  Legenden 
und  Mythen  folgen  einige  Texte  und  des  weiteren  werden  dann  die 
Erzählungen  auch  auf  Verwandtschaften  und  Entsprechungen  untersucht 
Auch  dieser  Band  bietet  viel  Interessantes  und  selbst  der  Laie  wird  gern 
die  ongmellen  Erzeugnisse  indianischer  Phantasie  lesen.  uie. 

Baltzer,  F.:  Die  I^olonialbahnen  mit  besonderer 
Berücksichtigung  Afrikas.  Mit  einem  Geleitwort  des 
Staatssekretärs  des  Reichs-Kolonialamts.  Mit  189  Abbild,  und  i  Karte. 
Leipzig,  G.J.Göschen,   1916.     8°.     462  S. 

In  einem  Zeitpunkt,  wo  Deutschland  fast  seinen  gesamten  Kolonial- 
besitz an  einen  Feind  verloren  hat,  def  nicht  zum  wenigsten  Krieg 
gegen  uns  führt,  um  unsere  schwach  verteidigten  Schutzgebiete  mit 
„gutem"  Grunde  wegnehmen  zu  können,  mag  das  Erscheinen  des  vor- 
liegenden Buches  vielen  etwas  deplaziert  scheinen.  Ist  doch  naturgemäß 
mit  der  Einbuße  unsres  überseeischen  Besitzes  die  zumal  seit  1907  so 
erfreulich  aufgeblühte  Kolonialfreudigkeit  des  deutschen  Volkes  stark 
zurückgegangen,  und  in  weiten  Krei.sen  berührt  man  heut  eine 
schmerzende  Wunde,  wenn  man  von  Kolonien  spricht.  Aber  dieser 
Zustand  ist  in  jedem  Fall  eine  vorübergehende  Erscheinung.  Die 
Studie  war  schon  vor  dem  Kriege  beendet.  Der  Kriegsausbruch 
hat  das  Erscheinen  des  Buches  verzögert.  Man  muß  aber  dem. 
Verfasser  recht  geben,  daß  er  die  durch  den  Krieg  bedingten,  noch 
nicht  abgeschlossenen  Veränderungen  im  Kolonialbahnwesen  grund- 
sätzlich unberücksichtigt  gelassen  und  die  Darstellung  mit  dem  Juni  1914 
abgeschlossen  hat.  Man  erhält  so  ein  sehr  dankenswertes  Bild  vom 
Zustand  der  kolonialen  Eisenbahnbetätigung  aller  Nationen  vor  dem 
Ausbruch  des  großen  Weltkrieg-Gewitters,  von  dem  an  eine  neue 
koloniale  Zeitrechnung  datieren  wird.  Daß  dem  ausgezeichneten  statisti- 
schen, historischen,  termischen  und  wirtschaftlichen  Material  eine  große 
Zahl  von  vortrefflichen  Bildern  beigegeben  ist,  ist  eine  angenehme  Be- 
lebung der  sonst  etwas  trockenen  Lektüre.  iMan  wird  dereinst  in 
Deutschland  dankbar  sein,  daß  dieses  Buch  noch  vor  dem  Beginn  der 
neuen  Ära  geschrieben  wurde.  f>  Henm<r 


K  r  ä  m  e  r  -  B  a  n  n  o  w  ,  Elisabeth :  Bei  kunstsinnigen  Kanni- 
balen   der    Südsee.     Wanderungen  auf  Neu-Mecklenburg   1908 
bis   1909,    nebst   wissenschaftlichen  Anmerkungen    von    Professor  Dr. 
Augustin  Krämer.     Berlin   1916.    8°.     284  S.  ^ 42  Federzeichnungen 
7  Karten,  8  Lichtbildern.  ' 

Wenn  eine  Frau  und  Künstlerin  forschend  durch  sehr  wenig 
bekannte  Gebiete  wandert  und  bei  wenig  berühnen  Xaturkindern  ihre 
Studien  und  Beobachtungen  macht,  so  darf  man  füglich  ein  eigenartiges 
literarisches  Erzeugnis  von  ihr  erwarten.  Diese  Erwartung  wird  von 
Frau  Krämer-Bannow  auch  tatsächlich  erfüllt,  wie  schon  ein  Blick  in 
das  reichillustrierte  vorliegende  Buch  zeigt:  die  charakteristischen  flotten, 
nach   Originalen    und  Photographien    gemachten  Federzeichnungen    der 


gß  Literarische  Besprechungen. 

Verfasserin  und  A.  Bannows,  sowie  der  Damen  H:  Pfizenmayer  und 
Ina  Krämer  bilden  einen  reizvollen  und  zugleich  sehr  lehrreichen 
Schmuck  des  Werkes  und  unterscheiden  es  vorteilhaft  von  vielen 
andern  modernen  Keisebeschreibungen  mit  ihren  minder  persönlichen 
Klisciiees.  Freilich  ist  der  künstlerische  Wert  der  einzelnen  Zeichnungen 
sehr  verschieden;  vielfach  ist  ein  solcher  auch  gar  nicht  beabsichtigt, 
sondern  nur  deutliche  Wiedergabe  von  bestimmten  Gegenständen  geplant 
gewesen;  da  und  dort  ist  auch  das  Figürliche  etwas  verzeichnet  oder 
nur  flüchtig  angedeutet;  aber  die  Stimmung  und  in  manchen  Fällen 
auch  der  Humor  einzelner  Zeichnungen  sind  doch  bedeutsam  und  ver- 
flechten die  Phantasie  des  Lesers  weit  mehr  mit  den  dargestellten  Land- 
schaften und  Volkstypen,  als  es  bei  anderer  Illustrierung  der  Fall  zu 
sein  pflegt.  Wer  nur  die  Bilder  aufmerksam  betrachtet,  wird  schon 
dadurch  allein  eine  gewisse  Vorstellung  der  Landschaft  und  Menschen, 
ihrer  Häuser  und  Gebrauchsgegenstände,  ihrer  Tänze  und  Schmuck- 
bestrebungen bekommen.  Aber  das  Wort  unterstützt  das  Hineinleben 
in  die  fremde  Welt  doch  sehr  wesentlich  und  wer  der  Verfasserin  an 
der  Hand  desselben  auf  ihren  Reisen  im  südlichen  oder  mittleren  Neu- 
Mecklenburg  in  die  gebirgigen  Binnenlandschaften  oder  an  die  brandung- 
umtosten Gestade  der  Küste  folgt,  wird  dank  der  Anschaulichkeit  der 
Darstellungen  eine  gute  Vorstellung  von  dem  Land  und  seinen  Leuten, 
von  den  Eigenschaften  und  dem  Leben  der  Eingeborenen  gewinnen. 
Als  besonders  reich  an  wertvollen  Beobachtungen  und  Erkundigungen 
(u.  a.  auch  über  intime  Gebräuche  des  Frauendaseins)  hat  sich  der  Auf- 
enthalt im  schönen  Lamusong  in  Mittel-Neu-Mecklenburg  erwiesen; 
auch  die  Beschreibung  der  Reise  ins  Hochland  von  Lelet,  das  so  selten 
von  Europäern  besucht  worden  ist,  ist  von  hohem  Interesse  für  den 
Leser.  Auf  Einzelheiten  einzugehen,  würde  zu  weit  führen.  Doch  sei 
noch  erwähnt,  daß  die  vom  Gatten  der  Verfasserin  beigesteuerten  Karten- 
skizzen und  wissenschaftlichen  Anmerkungen  den  Wert  des  empfehlens- 
werten Buchs  noch  erheblich  steigern.  Sehr  beherzigenswert  sind  die 
Ausführungen  der  Verfasserin  über  die  Anwerbung  (S.  47)  und  über 
Schutz  und  Erziehung  der  Eingeborenen  (S.  260  bis  263).   K.  Sapper. 


W  e  r  t  h  ,  Emil :  Das  Eiszeitalter.  Sammlung  Göschen  Nr.  43 1 , 
2.  Aufl.  Leipzig,  J.  J.  Göschen.  1917.  8".  171  S.,  18  Abbild,  u. 
I  Karte. 
Die  zweite  Auflage  des  wertvollen  und  inhaltsreichen  Bändchens 
bringt  gegenüber  der  erst  vor  acht  Jahren  herausgegebenen  ersten  nur 
unbedeutende  Veränderungen.  Geblieben  ist  vor  allem  die  Gliederung 
des  Stoffes,  wobei  stets  die  Behandlung  der  zur  Eiszeit  vergletschert 
gewesenen  (iebirge  von  den  ehemaligen  Inlandeisgebieten  getrennt 
erfolgt,  ein  Übelsland,  der  u.  a.  dazu  lührt,  daß  im  allgemeinen  Teile 
die  meisten  Glazialformen  nur  bei  der  Gebirgsvergletscherung,  Rund- 
höcker nur  in  Inlandeisgcbicten,  das  Seenphänomen  in  beiden  Be- 
sprechung findet.  Natürlicher  wäre  es  wohl  gewesen,  zwischen  Gebieten 
glazialer  Erosion  und  solchen  glazialer  Akkumulation  zu  unterscheiden 
und  auch  im  speziellen  Teile  die  einzelnen  Glazialgebiete  nicht  nach 
Gebirgs-   und  Vorlandvergletscherung  ■  zu   zerreißen.     In   der  Frage  der 


Literarische  Besprechungen.  97 

Glazialformen  geht  der  Verf.  bekanntlich  seine  eigenen  Wege.  So 
werden  als  Ausgangsfornien  der  Kare  (deren  durchschnittliche  Um- 
rahmung zu  bloß  200  m  angegeben  wird)  unerhebliche  X^ertiefungen 
oder  Einkerbungen  des  Gehänges  genannt,  obwohl  doch  in  zahlreichen 
Fällen  unzweifelhafte  Übergänge  von  normalen  Erosionstrichtern  zu 
echten  Karen  bekannt  sind.  Die  P2rklärung  des  Trogschlusses  geschieht 
noch  in  der  ursprünglich  von  P  e  n  c  k  gegebenen  Form,  obwohl  auch 
dieser  sich  den  Argumenten  von  Distel  und  Lauten  sach  an-^ 
geschlossen  hat.  Daß  ,,in  der  Regel  jedes  Talbecken  im  Trogtal  einer 
bestimmten  Rückzugsphase  entspricht",  ist  nicht  Regel,  sondern  eine 
seltene  Ausnahme.  Der  Trog  wird  als  in  ein  ehemaliges  Firnbecken 
eingelassen  bezeichnet,  obwohl  doch  sein  Eis  bereits  dem  Gletscher- 
Strom  angehört.  Auch  die  Behandlung  des  Lößes  ist  etwas  einseitig. 
Die  Angabe,  daß  es  keinen  postglazialen  Löß  gebe  und  daß  er  Mächtig- 
keiten bis  30  m  erreiche,  trifft  doch  nicht  allgemein  zu;  die  Behauptung, 
der  Löß  sei  durch  intensive  Gesteinszerstörung  entstanden  und  durch 
Wind  oder  Wasser  abgelagert  worden;  kann  leicht  mißverstanden  werden. 
Die  Behandlung  der  eiszeitlichen  Vergletscherung  der  Alpen 
geschieht  in  engem  Anschluß  an  P  e  n  c  k  und  Brückner,  aber  irrig 
ist  es,  das  Zurückbleiben  der  Gletscherenden  im  Gebirge  in  den  öst- 
lichen Ostalpen  einfach  auf  das  trocknere  Klima  zurückzuführen,  da 
doch  sowohl  in  den  niederösterreichischen  Alpen  als  im  Isonzogebiet 
die  diluviale  Schneegrenze  tiefer  lag  als  weiter  westlich.  Die  Schiefer- 
kohlen von  Uznach  werden  nun  als  vollgültig  interglazial  bezeichnet. 
Größere  Änderungen  gegenüber  der  ersten  Auflage  erfuhr  die  Behand- 
lung des  norddeutschen  Diluviums.  Verf.  unterscheidet  nun  auch  hier 
vier  Eiszeiten,  verm.ag  aber  die  älteste  Eiszeit  nur  durch  ,,die  ältesten 
Schotter  im  Gebirge"  (wq?)  zu  belegen,  was  natürlich  nichts  beweist. 
Daß  die  vier  Schotterterrassen  des  Rheintales  mit  Eiszeiten  nichts  zu 
tun  haben,  hätte  ausdrücklich  gesagt  werden  sollen.  Eine  austührliche 
Beschreibung  und  Chronologisierung  erfahren  die  neueren  Interglazial- 
funde,  die  diluvialen  Säugetiere  und  die  prähistorischen  Reste.  Die 
Jungmoränen  werden  in  eine  äußerste,  zwei  baltische  und  eine  Anzahl 
bottnischer  Zonen  gegliedert,  also  von  der  Ausscheidung  eines  Bühl- 
Stadiums  und  dem  Versuch  einer  Einordnung  der  skandinavischen  End- 
moränen in  gewisse,  den  alpinen  analoge  Rückzugsstadien  abgesehen. 
Dabei  ist  es  auffallend,  daß  die  äußersten  Jungmoränen  in  Deutschland 
von  der  äußern  baltischen  Moräne  bloß  lOO  km,  in  Rußland  aber  400  km 
entfernt  sind,  obwohl  doch  der  bei  den  Altmoränen  wirksame  Stau 
durch  die  mitteldeutsche  Gebirgsschwelle  jetzt  wegfällt.  Überhaupt  ist 
es  sonderbar,  daß  so  weit  auseinanderliegende  Moränensysteme  noch 
einer  und  derselben  Eiszeit  angehören  sollen.  Auch  die  Verbindung 
von  Salpausselkä  über  Gotland  und  Öland  nach  Südschweden  und  die 
Verknüpfung  der  Raer  mit  den  mittelschwedischen  Seemoränen  ist- 
wenig wahrscheinlich.  Doch  soll  auf  diese  noch  schwebenden  Fragen 
hier  nicht  näher  eingegangen  und  nur  bemerkt  werden,  daß  die  Ent- 
stehung der  großen  schwedischen  Seen,  ebenso  wie  des  Ostseebeckens 
und  der  großen  kanadischen  Seen  nicht  einfach  aus  der  glazialen 
Erosion  erklärt  werden  kann,  da  doch  zw'eifellos  Krustenbewegungen 
der  verschiedensten  Art  direkt  und  indirekt  mit  im  Spiele  sind. 

Zeitschr.  d.  Gesellsch.  f.  Erdkunde  zu  Berlin.     1919.    Xr.  i,'2.  7 


gg  Eingänge  für  die  Bibliothek  und  Anzeigen. 

Die  Behandlung  der  übrigen  Glazialgebiete  geschieht  auf  Grund 
reicher  Literaturkenntnis  und  auch  vieler  eigener  Beobachtungen  meist 
treffend;  doch  hätten  einige  Flüchtigkeiten  vermieden  werden  können; 
z.  B.:  Eiszeitspuren  in  Korsika  auf  dem  Monte  Rotondo  (sonst  nirgends?), 
im  „Bosnischen  Gebirge  mit  der  Vranica  Plannia"  (warum  nicht  in  den 
dalmatinischen,  herzegowinischen  u.  a.  Gebirgen?),  eiszeitliche  Schnee- 
grenze in  den  Pyrenäen  in  ungefähr  i6oo  m  (sollte  heißen  1300  bis 
2000  m),  Endmoränen  im  Tianschan  bei  750  m  (wo?),  was  sich  mit  der 
Mitteilung  einer  Depression  der  Schneegrenze  um  600  m  schlecht  ver- 
trägt. Unrichtig  ist  die  Erklärung  der  Driftless  area  dadurch,  daß  beider- 
seits davon  die  tiefen  Rinnen  des  Oberen-  und  Michigan-Sees  sich 
befinden,  da  sie  doch  westlich  von  beiden  Seen  liegt.  —  Bei  der  Behand- 
lung des  eiszeitlichen  Klimas  hätte  doch  wohl  auch  von  den  bedeut- 
samen Untersuchungen  von  P  e  n  c  k  über  die  Verschiebung  der  Klima- 
gürtel Notiz  genommen  werden  können.  Endlich  sei  konstatiert,  daß 
der  Verf  zur  Entstehung  einer  Eiszeit  nicht  wie  früher  ,,vicl  weniger 
tiefere  Temperaturen  als  reichere  Niederschläge",  sondern  ,, neben  tieferen 
Temperaturen"  ein  reichlicheres  Maß  von  Niederschlägen  für  notwendig 
erachtet.  Machaischek. 


EINGÄNGE  FÜR  DIE  BIBLIOTHEK  UND  ANZEIGEN. 

f  Besprechung   in   Aussicht   genommen. 

Bücher  und   Sonderabzüge: 

Europa. 

Brandt,  B.:  Geographischer  Bilderatlas  des  polnisch-weißrussischen  Grenzgebietes. 
(Beitr.  z.  poln.  Landesk.)  Berlin  1918.  IX.  128  S.  100  phot.  Aufn.,  i  Krt.  8°. 
(Landeskundl.  Kommiss.  Warschau.) 

°  Eine  sehr  gute  Zusaintiienstellung  charakteristischer,  auch  technisch  ge- 
kmgener  Bilder  aus  eineni  in  Deutschland  nur  zvenig  bekannten  Gebiet,  die 
durch  treffliche  Erläjitcrungen  belebt  und  ergänzt  wird. 

Dietrich,  Bruno:  Das  Klima  der  Rhön.     (S.-A. :  96.  Jahresber.  d.  Schles.  Ges.  f.  vaterl.  ' 
Kultur.)     Breslau  191 8.     16  S.     8°.     (Verf.) 

Dietrich,  Bruno:  Wirtschaftsgeographie  der  Rhön.  (S.-A.:  96.  Jahresber.  d.  Schles. 
Ges.  f.  vaterl.  Kultur.)     Breslau  1918.     36  S.,  2  Tf.     8°.     (Verf.) 

**  Der  Verf.,  dem  wir  bereits  morphologische  Studien  im  Gebiete  der  Rhön 
verdanken,  erweitert  in  den  Abhandlungen  seine  Forschungen  auf  das  Gebiet 
der  Klimatologie  und  der  Wirtschaftsgeographie,  Arbeiten,  die  um  so  datikens- 
werter  sind,  als  wegen  der  politischen  Zerrissenheit  des  Gebietes  das  Material 
sehr  verstreut  liegt.  .  Er  behandelt  nacheinander  Temperatur,  Wind  und 
Niederschlag,  bei  letsterem  sei  auf  das  Niederschlagsprofil  von  Fulda  bis  Mei- 
ningen auf  S.  10  hingewiesen.  In  der  wirtschaftsgeographischen  Abhandlung 
züird  besonderer  Nachdrtcck  auf  die  Abhängigkeit  der  Wirtschaft  vom  Boden  ge- 
legt. Die  Rhön  ist  vornehmlich  ein  Ackerbau-  und  Vieh::uchtgebiet.  Die  Be- 
handlung dieser  Wirtschaftsarien  nimmt  neben  der  Waldwirtschaft  den  brei- 
testen Raunt  ein,  die  Heimindustrie,  deren  Verbreitung  eine  Karte  veranschau- 
licht, konnte  kürzer  behandelt  werden. 


Eingänge  für  die  Bibliotliek  und  Anzeigen.  99 

Gießberger,  H.:  Das  Reichenhaller  Einsturzbeben  vom  19.  November  1910.  (Sitzb. 
d.  Kgl  Bayr.  Akad.  d.  Wissenscliaften  1918.)  München  1918.  38  S.  8°.  (Verf.) 
**  Das  Beben,  das  stärkste,  das  von  77  überlieferten  Erdbeben  bekannt 
geworden  ist,  ist  trotzdem  nur  ■mäfsig  bis  ziemlich  stark  gewesen  (Grad  4  bis  ^). 
Es  ist  ein  Einsturzbeben,  hervorgerufen  durch  Ausivasclncng  des  Salzes,  wie 
CS  bei  den  geologischen  Verhältnissen  der  Stadt  nicht  zu  verwundern  ist. 

Graf,    G.  E.:    Die  Entwicklung  des  Stadtgrundrisses  von   Berlin.     (S.-A. :   Mitteil.  d. 
Vereins  d.  Stud.  d.  Geogr.  a.  d.  Univers.  Berlin.)     Berlin  1918.     34  S.     8°.     (Verf.) 
°  Siehe  J.  Bartsch,  Die  Festgaben  zti  Albrecht  Pencks  sechzigste»!  Gebuftstag. 
Diese  Zeitschr.   igi8,  S.  jj2. 

Gran,  H.  H.  und  Torbjörn  Gaarder:  Über  den  Einfluß  der  atmosphärischen  Ver- 
änderungen Nordeuropas  auf  die  hydrographischen  Verhältnisse  des  Kristiania- 
fjordes bei  Dröbak  im  März  1916.  (Publ.  de  Circonstance.)  Kopenhagen  1918. 
29  S.     (Conseil  Permanent  International.) 

Hassinger,  H.:  Beiträge  zur  Physiogeographie  des  inneralpinen  Wiener  Beckens  und 
seiner  Umrandung.  (S.-A. :  Festband  Albrecht  Penck.)  Stuttgart  1918.  38  S.  8°. 
(H.  Hassinger.) 

°  Siehe  J.  Partsch,  Die  Festgaben  zu  Albrecht  Pencks  sechzigstem  Geburtstag. 
Diese  Zeitschr.  1^18,  S.  j2p. 

Janovsky,  Carl:  Die  Wollindustrie  Österreich-Ungarns.  (Wirtschaftsgeogr.  Karten 
u.  Abhandig.  z.  Wirtschaftskde.  v.  Österreich-Ungarn.)  H.  15,  Wien  1918.  78  S., 
I  Krt.     8°.     (Ed.  Hölzel.) 

Krebs,  Norbert;  Die  anthropogeographischen  Räume  der  Balkanhalbinsel.  (S.-A.:  Fest- 
band A.  Penck.)     Stuttgart  1918.     28  S.,  i  Krt.     8°,     (Verf.) 

°  Siehe  f.  Partsch,  Die  Festgaben  zu  Albrecht  Pencks  sechzigstem  Geburtstag. 
Diese  Zeitschr.   1Q18,  S.  jjx. 

Kunzer,  G.:  Bulgarien.  (Perthes  Kl.  Völker-  und  Länderkunde.)  Gotha  1919.  XI. 
169  S.     8°.     (F.  A.  Perthes.)    f 

Moscheies,  I.:  Das  Klima  von  Bosnien  und  der  Herzegowina.  I.,  H.  20.  (^Zur  Kunde 
der  Balkanhalbinsel.)  Sarajevo  1918.  62  S.,  12  Tf.  8°.  (Bosn.-Herz.  Institut 
für  Balkanforschung.) 

**  Das    mit    reichen    Tabellen   ausgestattete,   fleifsige   Werk   stützt  sich   auf 
lojährige    Beobachtungsreihen    (igot — igio)    von    60    Stationen.      Nach    kurzer 
j  Schilderung  des  Gesamtkliiiias,    in   zvelcher  der  teilweise  wüstenhafte  Charakter 

des  Landes  hervorgehoben  wird,  werden  die  Einzellandschaften  behandelt: 
1.  das  nordbosnische  Tief-  und  Hügelland,  3.  das  bosnische  Miftelgebirge,  j.  das 
ostbosnische  Kalkgebirge,  4.  das  subherzegowinische  Stufenland,  .  j.  das  west- 
bosnische Karstgebirge.  DreiKarten  der  fanuarisothermen,  der Sommerisothermen 
und  der  Niederschlagsverhältnisse  im  Mafsstab  1:2  Mill.  sind  leider  so  klein, 
dafs  die  Zahlen  und  Kurven  kaum  zu  lesen  sind,  ztunal  sie  durch  keine  Farben 
hervorgehoben  sind. 

Fax,  F.:  Der  gegenwärtige  Stand  der  zoologischen  Erforschung  Polens.  (Zeitschr. 
d.  Naturwiss.  Ver.)     Posen  1918.     19  S.    8°.    (Landeskundl.  Kommiss.  Warschau.) 

Fax,  F.:  Pflanzengeographie  von  Polen  (Kongreß-Polen).  (Beiträge  zur  poln.  Landes- 
kunde.)   Berlin  1918.    153  S.,  8  Tf.    8°.    (Landeskundl.  Kommiss.  Warschau.)     f 

Praesent,  H.:  Die  Bevölkerungsgeographie  des  Cholmer  Landes.  (S.-A.:  Pet.  Mitteil.) 
Gotha  1918.     9  S.,  2  Krt.     4°.     (Landeskundl.  Kommiss.  Warschau.) 

°  Verf.  untersucht  im  Anschlufs  an  die  durch  den  Frieden  von  Brest-Litowsk 
entstandene  Streitfrage,  ob  das  Cholmer  Land  den  Polen  oder,  wie  es  geschehen 
ist,  den  Ukrainern  zugesprochen  werden  müsse,  die  Verteilung  der  Nationalitäten, 


■j^QQ  Eingänge  für  die  Bibliothek  und  Anzeigen. 

/>/  diesevi  stritligen  Gebiet,  die  ja  für  die  Grenzziehung  tnafsgebend gewesen  ist. 
Bevölkerungsgeographisch  läfst  sich  im  Cholmer  Land,  in  dem  sich  Polen  tmd 
Ukrainer  innig  dtirchdringen,  eine  scharfe  Grenze  nicht  ziehen.  Die  Natio- 
nalitäloigrenzc  ist  eben  auch  hier  keine  Linie,  sondern  ein  breiter  Grenzsaum. 

Reichert,  I.:  Aus  Deutschlands  Waffenschmiede.  Berlin  1918.  112  S.  8°.  (Reichs- 
verlag.) 

Schaffer,  F.  H.:  Landeskunde  von  Thrakien.  I.,  H.  19.  (Zur  Kunde  der  Balkanhalb- 
insel.) Sarajevo  1918.  98  S.,  17  Tf.  8°.  (Bosn.-Herz.  Institut  für  Balksnforschung.)  f 

Schlaginhaufen,  Otto:  Über  die  menschlichen  Skclettrcste  aus  dem  Pfahlbau 'am 
Alpcnquai  in  Zürich.  (S.-A.:  Jahrg.  62  1917  d.  Vicrteljahrsschrift  d.  Naturforsch. 
Ges.  i.  Zürich.)     Zürich  1917.     12  S.,  3  Tf.     8°.     (Verf.) 

°  Unfersuchuftg  der  bei  den  Baggerarbeiten  entdeckten  Pfahlbauten,  die  wahr- 
scheinlich der  Bronzezeit,  also  der  letzten  der  drei  bisher  am  Züricher  See  festge- 
stellten Perioden,  angehören. 

Schultz,  Arved:  Ethnographischer  Bilderatlas  von  Polen.  Berlin  1918.  211  S.  8°. 
(Landeskundl.  Kommiss.  Warschau.) 

°  Eine  Ergänzung  zum  Handbuche  von  Poien,  die  in  ähnlicher  li^eise  wie 
Wunderlichs  Geographischer  Bilderatlas  in  trefflichen  Abbildungen  und  Te.xt- 
erlduterun^en  den  Leser  in  die  Volkskunde  Ko)igrefs- Polens  einführt. 

Sieger,  Robert:  Der  österreichische  Staatsgedanke  und  seine  geographischen  Grund- 
lagen.    Wien  1918.     96  S.     8*^.     (C.  Fromme.) 

Slanar,  Hans:  Bergen.  Eine  städtekundliche  Studie.  (S.-A.:  Mitteilung,  d.  k.  k.  Geogr. 
Ges.  Wien.)     Wien  1918.     25  S.,  i  Tf.     8°.     (Verf.) 

**  Eine  ktirze  Studie  städtekundlicher  Natur,  wie  man  mehrere  sich 
wünschen  möchte,  die,  von  der  Natur  des  Landes  ausgehend,  die  Geschichte  der 
Stadt,  ihre  Entwicklung,  ihre  wirtschaftsgeographische  Lage  und  Bedeutung 
schildert.  Auf  letzteren  Gesichtspunkt  wird  mit  Recht  grofser  Wert  gelegt,  die 
Bedeutung  der  Stadt  verläuft  in  Form  einer  Wellenlinie. 

Wähle,  Ernst:  Ostdeutschland  in  jungneolithischer  Zeit,  ein  prähistorisch-geographischer 
Versuch.   Würzburg    1918.    IX.    216  S.,  4  Tf.,  2  Krt.    8°.    (Gurt  Kabitzsch.)     f 

Wirth,  Walter:  Zur  Anthropogeographie  der  Stadt  und  Landschaft  Schaffhausen. 
(Inaugüral-Dissertation.)  Zürich  1918.  169  S.,  6  Tf.  8°.  (Geogr.  Seminar  der 
Universität  Zürich.)    f 

Wunderlich,    E.:    Geographischer    Bilderatlas    von    Polen.      3.    neu    durchgesehene 
Auflage.     Berlin  1918.     X.     145  S.     8^.     (Landeskundl.  Kommiss.  War^chau.) 
°  Siehe  A.  Penck,  Polen.     Diese  Zeitschr.   ipi8,   S.  too. 

Wunderlich,  £. :  Handbuch  von  Polen.  (Kongreß-Polen.)  Beitrag  zu  einer  allgemeinen 
Landeskunde.  2.  verb.  Aufl.  (Veröffentl.  der  Landeskundl.  Kommiss.  Warschau.) 
Berlin  1918.  XXXIL  519  S.,  55  Tf ,  19  Krt.,  50  Textfig.  8°.  (Landeskundl.  Kommiss.) 

Zwiedeneck,  O.  v.:  Die  Litwaki.  Berlin-München  1918.  (S.-A.:  Neue  jüdische  Monats- 
hefte.)    21  S.     8^^.     (Landeskundl.  Kommiss.  Warschau.) 

Asien. 
Hedin,  Sven:   Jerusalem.     Leipzig  1918.     157  S.,  i  Tf.     8°.     (F.  A.  Brockhaus.) 

°  Ein  Auszug  aus  dem  gleichnamigen  grofsen  Werk  des  gleichen  Verfassers. 
Hedin,  Sven:   Jerusalem.     Leipzig  1918.     342  S.,  2  Krt.     8°.     (F.  A.  Brockhaus.)     f 
Mzik,  Hans  v.:  Was  ist  Orient?     Eine  Untersuchung  auf  dem  Gebiete  der  politischen 
Geographie.    Wien  1918.     25  S.     8°.     (Gerold  &  Co.) 

**  Die  Frage  wird  dahin  beantwortet,  dafs  der  Orient  vornehmlich  ein  po- 
litischer Begriff  ist,    dessen  geographische  Lageverhältnisse  nicht  getiau  zu  um- 


Eingänge  für  die  Bibliothek  und  Anzeigen.  101 

schreiben   sind,    wie   die  Wandlung  des   Begriffs   im    Laufe  der  Zeiten   deutlich 

dokumentiert. 
Oberhummer,  Eugen:  Der  Name  Turan.    (S.-A:  Turan  1918.)   Budapest  1918.    16  S.   8°. 

(Verf.)       ■ 
Olufsen,  Ole:   Russisk  Turkestan.     Kopenhagen  1918.     34  S.     8^.     (Verf.) 
Penck,  Walther:   Die  tektonischen  Grundzüge  Westkleinasiens.    Beitr.  z.  anatolischen 

Gebirgsgeschichte.    Stuttgart  1918.     VII.     120  S.     8°.     (J.  Engelhorns  Nachf.j    f 
Philippson,  A.:    Kleinasien.     Handbuch  der  Regionalen  Geologie.    V.  2.    Heidelberg 

1918.     183  S.,  3  Tf.     8°.     (Carl  Wihter.)    f 

Afrika. 

Dinklage,  M. :  Liberia  in  seiner  Bedeutung  für  Deutschlands  Handel  und  zukünftige 
Versorgung.     Hamburg  1918.     43  S.     8°.     (C.  Boysen.) 

Kuhnert,  Wilhelm:  Im  Lande  meiner  Modelle.  Leipzig  1918.  281  S.,  32  Tf.  8^. 
(Verf.)    t 

Marquardsen,  Hugo:  Studien  über  Angola.  Zur  Urographie  Angolas.  (S.-A.:  Mitteilg. 
aus  d.  dtsch.  Schutzgebieten.)     Berlin  1918.     5  S.     4°.     (Verf.) 

°  Eine  sorgfältige  Zusammenstelhing  und  Verarbeitung  aller  bisher  über 
Angola  bekannt  gewordenen  topographischen  Daten,  die  um  so  dankenswerter 
ist,  als  ein  grofser  Teil  der  benutzten  Literatur  in  portugiesischer  Sprache  ge- 
schrieben und  einem  weiteren  Leserkreis  daher  nicht  zugänglich  ist.  Die  Dis- 
kussion der  in  Frage  kommenden  Angaben  zeitigte  manches  von  den  portugie- 
sischen Arbeiten  abweichendes  Ergebttis.  Alles  in  allem  läfst  diese  Zusammenstelhing 
wiederum  erke'nneit,  wie  unvollkommen  gerade  die  Kenntnis  portugiesischer 
Kolonien  bisher  noch  ist. 

Rein,  G.  K.:  Abessinien.  i.  Band.  Berlin  191S.  XIL  495  S..  12  T.  8°.  (Dietrich 
Reimer.)   f 

Kolonien, 

Koert,  W. :  Der  Krusteneisenstein  in  den  deutsch-afrikanischen  Schutzgebieten,  beson- 
ders in  Togo  und  im  Hinterlande  von  Tanga.  (Beiträge  z.  geolog.  Erforsch,  d. 
Dtsch.  Schutzgebiete.)     Berlin  1916.     69  S.     8°.     (Geolog.  Landesanstalt.) 

°  Siehe  H.  Stremme,  Die  Entstehung  des  Laterites.   Diese  Zeitschr.  igi7,  S.  114. 

Offermann,  Johanna:  Beiträge  zur  Petrographie  der  Insel  Neupommern.  (Beiträge 
z.  geolog.  Erforsch,  d.  dtsch.  Schutzgebiete.)  Berlin  1916.  48  S.  8°.  (Geolog. 
Landesanstalt.) 

°  Hingewiesen  sei  auf  die  geographisch-geologische  Übersicht,  die  den  petro- 
graphischen   Untersuchungen  vorangeschickt  ist. 

Rein,  K. :  Wie  England  die  deutschen  Kolonien  bewertet.  Berhn  191S.  80  S.  8°. 
(Dietrich  Reimer.) 

°  Eine  englische  Zusammenstellung  britischer  Kons i(latsberichte  und  amtlicher 
und  privater  deutscher  Quellen  über  die  wirtschaftliche  Lage  der  deutschen  Schutz- 
gebiete zu  dem  Zwecke,  das  englische  Volk  für  unsere  Kolonien  zu  interessieren, 
scheint  in  der  vorliegenden  Schrift  übersetzt.  Der  Stil  ist  nicht  immer  einwand- 
frei, und  eine  Fülle  von  Verschen  und  Schreibfehlern  (z.  B.  S.  34  Wahele  statt 
Wahehe)  mindern  den  Wert  dieser  Kriegsschrift. 

Schlaginhaufen,  Otto:  Le  Maire's  Claes  Pietercz- Bucht  an  der  Ostküste  Neu- 
Irlands.  (S.-A.:  XVI.  Jahresbericht  d.  Geogr.-Ethnogr..  Ges.  i.  Zürich.)  Zürich 
1917.     36  S.     8^.     (Verf.) 

°  Ein  Beitrag  zic  der  Lösung  der  Frage,  att  welcher  Stelle  der  Entdecker 
Neu-Irlands,  Le  Maire,  das  von  ihm  noch  für  Neu-Guinea  gehaltene  Land  zum 


102  Eingänge  für  die  Bibliothek  und  Anzeigen. 

ersten  Male  berührt  hat.  Nach  sorgfältiger  Untersuchung  aller  in  Betracht 
kommender  Angaben  in  Le  Maire's  Reisebericht,  kommt  Verf.  su  dem  Ergebnis, 
dafs  es  zwei  Buchten  an  der  Ostküsle  Neii-Irlands  sind,  die  beide  gleichen  An- 
spruch erheben  dürfen,  den  alt  ehrwürdigen  Namen  der  Claes  Pietercz-Bucht  zu 
tragen:  die  Muliama- Bucht  und  die  Bucht  des  Hiruan.  Eine  eindeutige  Lösung 
ist  heute  noch  nicht  möglich. 
Sprigade,  Paul:  Die  französische  Kolonie  Dahomey.  (S.-A. :  Mitt.  aus  d.  dtsch.  Schutz- 
gebieten.)    Berlin  1918.     52  S.     (Verf.) 

°  Eine  Zusammenstellung  tcnd  Verarbeitung  der  Literatur  über  Dahomey 
zu  einem  Werkchen  über  diese  Kolonie,  die  auch  eine  Fülle  nicht  geographischer 
Daten  bringt,  keine  geographische  Landeskunde. 

Allgemeine  Erdkunde. 

Arldt,  Theodor:  Handbuch  der  Paläographie.  Bd.  i:  Paläaktologie,  T.  i.  Bog. 
I — 20.     Leipzig  1917.     320  S.     8°.     (Gebr.  Borntraeger.)  f 

Hellmann,  G.:  Beiträge  zur  Geschichte  der  Meteorologie.  2.  Band.  (Veröff.  d.  Kgl. 
Pr.  Meteorol.  Inst.,  Nr.  296.)  Berlin  191 7.  \'I,  340  .S.,  3  Tf.,  i  Tb.  8°.  (Met. 
Inst.)  t 

Hellmann,  G.:  Über  strenge  Winter.  (Sitz.-Ber.  der  Kgl.  Pr.  Akad.  d.  Wiss.,  1917, 
52.)     Berlin.     22  S.     8°.     (Verf.) 

°  Eine  methodisch  wertvolle  Arbeit,  die  auf  neuem  Wege,  nämlich  durch 
Zerlegung  der  Temperatursummen  in  ihre  negativen  und  positiven  Bestandteile, 
den  Versuch  unternimmt ,  genauer  als  es  mit  den  bisherigen  Methoden  möglich 
gewesen  war,  den  Charakter  eines  Winters  festzustellen.  Die  Bestimnumg  der 
täglichen  negativen  Temperaturmittel  von  Berlin  von  iy66l6y  bis  tpiöji'/  für 
die  Zeit  vom  1.  XI.  bis  ßi.  HL  liefs  eine  Mindesttemperatursumme  von  — 320°, 
wobei  wenigstens  7  Tagesmittel  <  —  /ö°  sind,  als  Charakteristikum  sehr  strenger 
Winter  erscheinen.  In  diesen  1^0  Jahren  hat  Berlin  danach  j.f  sehr  strenge 
Winter  gehabt.  Der  als  sehr  streng  empfundene  Winter  ipiöjiy  gehörte  nur 
zti  den  mittelstrengen  Wintern.  Unter  den  sehr  strengen  Wintern  bezeichnete 
der  des  Jahres  iSspIßO,  der  sehr  früh  begann  und  bei  28  Tagen  mit  mehr  als 
--  /ö°  Tagesmittel  eine  Tagesmiticlsummc  von  — 68^°  erreichte,  den  Höhepunkt. 

Hellmann,  G.:  Über  milde  Winter.  (Sitz.-Ber.  der  Kgl.  Pr.  Akad.  d.  Wiss.,  1918, 
XI.)     8  S.     8°.     (Verf.) 

°  Verf.  bestimmt  den  Charakter  der  sehr  milden  Winter  nach  der  gleichen 
Methode  auf  Grund  der  positiven  Temperaturntittel  in  der  Zeit  vom  1.  XII.  bis 
28.  (2p.)  IL  Die  Grenzsumme  ist  240°,  zvobei  die  zugehörige  Stimme  der  nega- 
tiven Temperatur  mittel  höchstens  —  100'^  betragen  darf  In  dem  Zeitraum  von 
lyööjöy  bis  ipiöj /y  hat  es  in  Berlin  2y  sehr  milde  Winter  gegeben,  von  denen 
der  des  Jahres  lyp^lpö  mit  einer  positiven  Temperatursumme  von  .^12'^  und 
einer  negativen  von  —  2^^  der  bei  weitem  mildeste  geivesen  ist. 

Lange,  F.:  Landwirtschaftlich-statistischer  Atlas.  Berlin  1917.  XII  S..  105  Krt.  Fol. 
(Dietrich  Reimer.)  f 

Lipschütz,  Alexander:  Probleme  der  Volkseruährung.  Bern  191 7.  74  S.  8°.  (Max 
Drechsel.) 

Nordenskjöld,  Otto:  Studien  über  das  Klima  am  Rande  jetziger  und  ehemaliger 
Inlandeisgebiete.  (S.-A.:  Bull.  Geol.  Inst.  Upsala,  Bd.  15.)  Upsala  1916.  10.  S. 
8°.     (Verf.) 

°  Verf.  erkennt  in  den  Randgebieten  der  polaren  Landeismassen  der  Gegen- 
wart drei  grundverschiedene  Klimatypen,  den  maritimen,  kontinentalen  und gla- 


Eingänge  für  die  Bibliothek  und  Anzeigen.  103 

zialen  Typus,  deren  Wesen  tind  geographische  Verbreitung  er  schildert.  Er  sieht 
daraus  Rückschlüsse  auf  die  klimatischen  Verhälttiisse  der  Eiszeit.  Während 
des  Vorrückens  der  Gletscher  in  Norddetitschlaud  scheint  der  glaziale,  während 
des  Abschmelzens  der  kontinentale  Typus  vorgeherrscht  zu  haben. 
Penck,  Albreciit:  Über  politische  Grenzen.  (Rede  zum  Antritt  des  Rektorates.) 
Berlin  1917.     32  S.     8°.     (Verf.) 

° Siehe  Sieger,  R.:  Ztir  politisch-geographischen  Terminologie,  diese  Zeitschr. 
igi8,  S.  64. 
Ramann,  E. :  Bodeiibildung   und  Bodeneinteilung  (System  der  Böden).     Berlin  1918. 

VIII,  118  S.     8°.     (Julius  Springer.)  f 
Rolf,    Bruno:    Probalite    et  Pronostics    des  Pluies    d'ete.     Upsala    1917.     VII,    25  S., 

26  Tab.     8^.     (Meteorol.  Centralanst.  Stockholm.) 
Quervain,   A.  de:    Herdtiefe    von    Erdbeben    aus  Epizentralzeitbeobachtung.     (S.-A.: 

Zeitschr.  f.  Vulkanologie  1917,  Bd.  III.)     Berlin.     8  S.     8°.     (Verf) 
Quervain,  A.  de:  Über  die  Arbeit  d.  schweizerischen  Erdbebenwarte  Zürich.     iS.-A. : 
Vierteljahrsschrift    d.   Naturf    Ges.   in    Zürich,    Jahrg.  62    1917.)      Zürich    1917. 
9  S.,  I  Tf.     8°.     (Verf) 
Sapper,    Karl:    Beiträge    zur   Geographie    der    tätigen   \'ulkane.     (S.-A.:    Zeitschr.   f. 

Vulkanologie  1917,  Bd.  3.)     Berlin  1917.     138  S.,  i  Tf.     8°.     (Verf.)  j 
Schneider,  O. :  Ergebnisse  von  Bohrungen.     Heft  VII,  Gradabt.  38 — 87.    Berlin  1915. 

310  S.     8^.     (Behörde.) 
Schulze-Gaevernitz,  G.  von:   Neubau  der  Weltwirtschaft.     (Dtsche  Weltwirtsch.  Ges. 

Vereinsschriften,  H.  7,  1918.)     Berlin  1918.     36  S.     8°.     (C.  Heymann. | 
Sieger,  Robert:  Die  Nation  als  Wirtschaftskörper.     (S.-A.:  Festschrift  Eduard  Hahn.) 
19  S.     8°.     (Verf.) 

°  Verf.,  der  in  der  letzten  Zeit  in  mehreren  Zeitschriften  und  auch  in 
dieser  Zeitschrift  Untersuchungen  über  das  Wesen  der  Nation  veröffentlicht  hat, 
behandelt  sie  hier  nur  vom  wirtschaftlichen  Standpunkt  aus.  Er  kommt  dabei  zu 
dem  Ergebnis,  daß  eine  Nation,  wie  z.  B.  die  tschechische,  in  einem  geschlossenen 
Wohngebiet  auch  eine  wirtschaftlich  geschlossene  Autarkie  darstellen  kann,  die, 
sowie  sie  zugleich  Staatsnation  ist,  auch  über  die  Machtmittel  des  Staates  atif  wirt- 
schaftlichem Gebiete  verfügt.  Ist  die  Nation  über  mehrere  Wohngebiete  verteilt, 
so  können  in  der  Landesnatur  begründete  Unterschiede  in  der  Wirtschaft  liehe  71 
Entwickhing  Teile  der  Nation  absondern  und  zu  selbständigen  Staaten  ausgestalten, 
eine  Entwickhing,  wie  sie  manche  überseeischen  Kolonistenvölker  genommen 
haben.  Innerhalb  eines  Völkersiaates,  wie  es  z.  B.  Österreich-Ungarn  ist,  können 
sich  schließlich  nationale  Wirtschaftskörper  absondern  und  sich  sogar  bekämpfen. 
Stille,  Hans:  Hebung  und  Faltung  im  sogenannten  Schollengebirge.  Berlin  1916. 
25  S.     8°.     (Verf) 

°Eine  Kritik  und  Erwiderung  der  Lachmannschen  Angriffe  auf  die  Arbei: 
des    Verf.   „Die  saxonische  Faltung"   und  ztigleich  eine  Ablehnung  der  von  zahl- 
reichen Geologen  noch  auf  einer   Versammlung  in  Greifswald  1912  vertretenen 
Süßschen  Senkimgstheorie. 
Stille,  Hans:   Injektivfaltung  und  damit  zusammenhängende  Erscheinungen.     Leipzig 

191 7.     53  S.     8=.     (Verf) 
Sverdrup,  H.  U.:  Über  den  Energiev^erbrauch  der  Atmosphäre.     (Veröff.  Geophysikal. 
Inst.  Univ.  Leipzig.  2.  Serie,  Bd.  II,  H.  4.)     Leipzig  J918.     23  S.     8°.     (Inst.) 

*  Verf.  berechnet  die  Dissipation  der  kinetischen  Energie  der  Atmosphäre 
auf  Grund  der  beobachteten  Leistung  der  Reibungskraft  in  den  Luftschichten 
in  unmittelbarer  Nähe  der  Erdoberflache,  von  10  bis  1000  m  über  dem  Erdboden 


iQA  Eingänge  für  die  Bibliothek  und  Anzeigen. 

///id  in  der  freien  Atmosphäre  im  Mittel  für  die  gesamte  Erde  zu  4  •  /0— 3  Kilo- 
watt (Margnles  bisher  5-  ro-^3  Kilowatt),  ti^as  etwa  ;?'Vo  der' gesamten  Energie- 
menge der  Sonne,  die  an  der  Grenze  der  Atmosphäre  die  Erde  erreicht,  ent- 
spricht. 

Sverdrup,  H.  U.  u.  J.  Holtsmark:  Über  die  Beziehung  zwischen  Beschleunigungen 
und  (Jradientenändcrungen  und  ihre  prognostische  Verwendung.  (Veröff. 
Geophysikal.  Inst,  l^niv.  Leipzig,  2.  Serie,  Bd.  II,  H.  ,^.)  Leipzig  191 7.  28  S. 
8°.     (Institut.) 

*Dic  Verf.  untersuchen  die  ßeciehungen  szvischen  den  Gradienten-  und 
den  gleichnamigen  Windrichtungen  tmd  stellen  ein  neues  Verfahrett  auf,  das 
es  gestattet,  mit  Hilfe  der  Druckänderungen  im  Laufe  der  letzten  drei  Stunden 
die  lokale  Beschleunigung  und  damit  die  Änderung  des  Windfeldes  zunächst 
genau  jtur  für  die  Gebiete  stark  ändernder  Winde  ztt  berechnen.  Damit  ist 
der  praktischen  Wettervorhersage  ein  neues.^  xvichliges  Arbeitsfeld  eröffnet,  weil 
diese  Methode  dirckicn  Aufschlufs  über  den  Sinn  der  Windänderungen  zu 
geben  iiijstandc  ist. 

Sverdrup,  H.  U.  u.  J.  Holtsmark:  Über  die  Reibung  an  der  Erdoberfläche  und  die 
direkte  Vorausberechnung  des  Windes  mit  Hilfe  der  hydrodynamischen  Be- 
wegungsgleichungen. (Veröff.  Geophys.  Inst.  Univ.  Leipzig,  2.  Ser.,  Bd.  II,  H.  2.) 
Leipzig  1917.     45  S,     8°.    (Institut.) 

"^ Die  Verf.,  die  in  eingehender,  sorgfältiger  Weise  die  Methoden  zur  Be- 
stimmung der  Reibungskraft  an  der  Erdoberfläche  nachprüfen,  kommen  zu  dem 
Ergebnis,  dafs  die  direkte  Voratisberechnung  des  Windes  aus  den  hydrodyna- 
mischen Bezuegungsgleichuttgen  mir  dann  gelingt,  wenn  die  wirkliche  Reibungs- 
kraft, die  von  der  berechneten  gewöhnlich  um  2£  bis  ßo  %  ihres  Skalawertes 
abweicht,  mit  Sicherheit  bestimmt  werden  kann.  Bei  der  Einführung  der  aus 
den  mittleren  Reibungskoeffizienten  berechneten  Reibungskraft  in  die  Gleichungen 
gelingt  die  Vorausbcrechujing  des  Windes  nicht. 

Sverdrup,  H.  U.:  Zur  Bedeutung  der  Isallobarenkarten.  iS.-Aj  5  S.  8°.  (Geophys. 
Inst.  Univ.  Leipzig.) 

Wagner,  Hermann:  Die  Legende  der  Längenbestimmung  Amerigo  Vespuccis  nach 
Mondabständen  (23.  August  1499).  (S.-A.:  Nachr.  K.  Ges.  d.  Wiss.  Göttingen, 
Math-phys.  Kl.  1917.)     Göttingen  1917.     35  S.     8°.     (Verf.) 

°  A^ach  einem  kurzen  geschichtlichen  Überblick  über  die  Schicksale  der  Legende 
und  über  die  wechselnden  Urteile  über  Amerigo  Vespuccis  Bedeutung  geht  der 
Verf.  dazu  über,  die  Länge nbestimnuingen  des  Kolumbus  vom  Jahre  X4P4  und 
1^04,  der  als  erster  die  Methode  der  Längenbestimmung  durch  Vergleich  der 
Ortszeiten  angezvendet  haben  soll,  einer  Kritik  zu  unterziehen,  und  diese  An- 
nahme abzulehnen.  Auch  Amerigo  Vespucci  ist  nicht  der  Urheber  dieser  Methode. 
Der  Brief,  auf  dett  sich  diese  letztere  Annahme  stützt,  die  neuerdings  von  dem 
portugiesischen  Astronom  Joaquim  Bensaude  aus  deutschfeindlichen  Motiven 
eifrig  vertreten  zvird,  ist  unecht.  Erst  der  deutsche  Astronom  Joh.  Werner  hat 
im  Jahre  jS'4  (tl^  erster  eine  Methode  der  L^ängenbestimm ung  nach  Mond- 
abständen veröffentlicht;  das  /j.  Jahrhundert  kennt  in  Wahrheil  noch  keine 
Methode  der  Längenbestimm nng  nach   Mondabständen. 

Wallen,  Axel:  Till  FrAgan  om  Sammanförande  av  Statens  Meteorologiska  Central- 
anstalt  och  Hydrografiska  Byrftn.  (Medd.  fr.  Hydr.  Byr.  S.)  Stockholm  191 7. 
59  S.     8°.     (Hydrogr.  Byrün.) 

Werth,  Emil:  Das  Eiszeitalter.  2.  verb.  Aufl.  (Sammlung  Göschen  431.)  Leipzig 
1917.     171  S.     I  Tf.     8^.     iVerf)  t 


Verhandlungen  der  Gesellschaft.  105 

Werth,  E.:  Über  die  Beziehungen  des  jungdiluvialen  Bison  priscus  zu  den  lebenden 
Bison-Arten.  (S.-A.:  Sitz.  Ber.  d.  Ges.  Naturforsch.  Freunde,  Berlin.  Jahrg.  1917, 
Nr.  3.)     10  S.     8°.     (Verf.) 

Werth,  E. :  Zur  Natur-  und  Kulturgeschichte  der  Banane.  (S.-A.:  Festschrift 
Eduard  Hahn.)     Stuttgart  1917.     36  S.,  i  Tf.     8°.     (Verf.) 

Wolkenhauer,  W. :  Aus  der  Geschichte  der  Kartographie.  (Kartogr.  Bibliographie 
1840 — 1917.)  (S.-A.:  Dtsche  Geogr.  Bl.,  38.  Bd.,  H.  2.)  Bremen  1917.  44  S. 
8°.     (Verf.) 

*  Eine*  sorgfältige,  zuverlässige  Zusammenstellung  der  kartographischen  Lite- 
ratur von  1840  bis  igij.  Fast  Jedes  einzelne  angeführte  Werk  ist  liebevoll 
gewürdigt  und  zugleich  sind  Hinweise  gegeben,  wo  einschlägige  Besprechungen 
und  verzvandtc    Werke  zu  finden  sind. 

Jahrbuch  der  Urania  und  Astronomischer  Kalender  für  das  Jahr  1918.  Braun- 
schweig 1918.     IV,  162.     8  S.,  6  Tf.     8°.     (Vieweg  u.  Sohn.) 

°  Von  dem  reichen  Inhalt  wird  namentlich  R.  Alielkes  Abhandlung  ^Deutsche 
Siedlungskunde"  den  Geographen  besonders  interessieren. 

Jahresbericht  des  Schweizerischen  Erdbebendienstes  1916.  (S.-A.:  Ann.  d.  Schweiz. 
Met.  Zentralanst.  1916.)    Zürich  1917.     14  S.,  i  Tf.     4°.     (de  Quervain.) 


VERHANDLUNGEN  DER  GESELLSCHAFT. 


Allgemeine  Sitzung  vom  7.  Dezember  1918. 

Vorsitzender:    Herr  H  e  1 1  m  a  n  n. 

Die   Wahl    des   Beirates  für   das  Jahr   1919   wird   nach 

§  19    der  Satzungen    vollzogen.     Durch   Stimmenmehrheit  werden    die 

nachbenannten  Herren  gewählt: 

Dr.  Beyschlag,  Geheimer  Oberbergrat,  Professor,  Direktor  der 
Geologischen  Landes-Anstalt. 

W.  Bornhardt,  Geheimer  Oberbergrat,  Vortragender  Rat  im 
Ministerium  für  Handel  und  Gewerbe. 

Dr.  Conwentz,  Geheimer  Regierungsrat,  Professor,  Staatlicher  Kom- 
missar für  Naturdenkmalpflege  in  Preußen. 

Dr.  E  n  g  1  e  r  ,  Geheimer  Ober-Regierungsrat,  Professor,  Direktor  des 
Botanischen  Gartens  und   Museums. 

Dr.  P.  D.  Fiecher,  Exzellenz,  Wirklicher  Geheimer  Rat,  Unter- 
Staatssekretär a.  D. 

Dr.  O.  G  1  e  i  m  ,  Exzellenz,  Unter-Staatssekretär  im  Reichs-Kolonialamt. 

A.  von  Gwinner,  Direktor  der  Deutschen  Bank. 

Dr.  Heck,  Geheimer  Hofrat,  Professor,  Direktor  des  Zoologischen 
Gartens. 

Dr.  R.  Jannasch,  Professor,  Vorsitzender  des  Zentralvereins  für 
Handelsgeographie. 

Dr.  Kronfeld,  Justizrat,  Rechtsanwalt  und  Notar,  Rechtsbeistand 
der  Gesellschaft  für  Erdkunde. 


1  nn  Verhandlungen  der  Gesellschaft. 

Dr.  von  Luschan,  Geheimer  Regierungsrat,  Professor. 

Dr.   Schäfer,  Geheimer  Rat,  Professor. 

Dr.  Karl  von  den  Steinen,  Professor. 

Dr.  H.  S  t  r  u  V  e  ,     Geheimer    Regierungsrat,     Professor,     Direktor    der 

Sternwarte. 
Dr.  Georg  Wegener,  Professor  an  der  Handelshochschule. 


Die'  Gesellschaft  verlor  durch  den  -Tod  die  Mitglieder  Herren 
Professor  Dr.  Martin  Hartmann,  Lehrer  am  Seminar  für  orien- 
talische Sprachen  (Mitglied  seit  1887),  und  Standesbeamter  a.  D. 
E.  Stolze    (1878).  

Der  Vorsitzende  teilt  mit,  daß  durch  den  Konkurs  der  Druckerei 
bisher  nur  die*  Hefte  1/2  und  3/4  der  Zeitschrift  191 8  zur  Ausgabe 
gelangen  konnten.  Es  steht  jedoch  der  Abschluß  des  Vertrages  mit 
einer  anderen  Druckerei  bevor,  so  daß  alsdann  die  rückständigen  Hefte 
des  Jahrgangs  in  schneller  Folge  erscheinen  werden. 


Vortrag   des  Herrn  Dr.  R.  P  o  h  1  e  :  ,,Siedelungs-   und  wirtschafts- 
geographische Probleme  des  Nordens".     (Mit  Lichtbildern.) 


In  die  Gesellschaft  werden  aufgenommen: 

als  ansässiges  ordentliches  IMitglied 
Herr  Dr.  Siegfried  Goldschmidt,  Rechtsanwalt; 

als  auswärtige  ordentliche  Mitglieder 
Herr  H.  Arimond,  Leutnant  im  Dragoner-Regiment   11, 
,,     Dr.  E.  Littmann,  Professor,  z.  Zt.  BerUn, 
„      Dr.  Stanislaw  Pawlow'ski,  Privatdozent,  Lemberg, 
Fräulein  Gertrud  Stelzner,  stud.  phiL,  z.  Zt.  Haiensee, 
Geographisches      Institut      der      Universität,     Frank- 
furt a.  M. 


Fachsitzung  vom  16.  Dezember  1918. 

Vorsitzender:  Herr  P  e  n  c  k. 

Vortrag  des  Herrn  Dr.  med.  A.  H  i  n  t  z  e  :  „Reiseerfahrungen  über 
das  Klima  von  Mesopotamien  in  seiner  Einwirkung  auf  den  Menschen". 
(Mit  Lichtbildern.) 

An  der  Aussprache  beteiligten  sich  Herr  Hell  m  a  n  n  und 
der  Vorsitzende,  "" 


Verhandlungen  der  Gesellschaft.  jq^ 

Allgemeine  Sitzung  vom  18.  Januar  1919. 

Vorsitzender:  Herr  P  e  n  c  k. 

Die  Gesellschaft  verlor  durch  den  Tod  die  Mitglieder  Herren 
Major  a.  D.  Albert  Münch  (Mitglied  seit  1901),  Dr.  Arthur 
Salomonsohn,  Geschäftsinhaber  der  Diskonto-Gesellschaft  (1890) 
und  Major  a.  D.  R.  Ziethen   (1889). 


Geschäftsbericht  des  Generalsekretärs 
für   das   Jahr   191 8. 

„Die  trüben  Zeitverhältnisse  haben  auch  auf  den  M  itgliederstand  einen 
sehr  wenig  erfreulichen  Einfluß  geübt.  Wenn  immerhin  die  Zahl  der  neueingetretenen 
Mitglieder  51  (davon  27  auswärtige)  beträgt,  so  steht  ihr  jedoch  diejenige  der  aus- 
geschiedenen Mitglieder  von  79  (darunter  27  auswärtige)  gegenüber  Von  den  aus- 
geschiedenen Mitgliedern  verloren  wir  28  durch  den  Tod;  davon  starben  im  Kampfe 
für  das  \  aterland  Oberlehrer  Dr.  H  a  r  d  e  g  e  n  -  Berlin  und  Major  Kübel-  München 
Die  Zahl  der  ordenthchen  Mitglieder  beträgt  demnach  z.  Z.  564  ansässige  und  49s 
auswärtige  Mitglieder,  zusammen  1059  gegen  1087  im  Vorjahr. 

Die  Sitzungen  fanden  in  gewohnter  Weise  statt,  und  zwar  8  allgemeine 
und  7  Fachsitzungen,  in  denen  15  Vorträge  gehalten  wurden.  In  der  allgemeinen 
bitzung  des  Monat  Mai  wurde  das  9ojährigeBestehen  derGesellschaft 
gefeiert. 

•  F^\  Eingang  für  die  B  ü  c  h  e  r  s  a  m  m  1  u  n  g  betrug,  abgesehen  von  den 
periodischen  Schriften,  219  Werke  in  236  Bänden,  für  die  K  a  r  t  e  n  s  a  m  m  1  u  n  e 
22  Karten  bzw.  Kartenwerke  in  102  Blatt. 

Wissenschaftliche  Unternehmungen. 

1.  Was  zunächst  die  „Zeitschrift"  der  Gesellschaft  angeht,  so  konnten 
abgesehen  von  der  beschränkten  Papierbelieferung,  infolge  Konkurses  der  bisherigen 
Druckerei  vom  Jahrgang  191S  nur  die  Hefte  1/2  und  3/4  zur  Ausgabe  gelangen 
Nach  dem  nunmehr  erfolgten  Abschluß  des  Vertrages  mit  einer  anderen  Druckerei 
werden  die  rückständigen  Hefte  von  1918  und  die  Hefte  des  laufenden  Jahrganges 
in  moghckst  schneller  Folge  erscheinen.  j       0     & 

2.  Aus  der  H  e  n  r  y  L  a  n  g  e  -  S  t  i  f  t  u  n  g  wurde  der  Zinsbetrag  der  Jahre  1918 
und  1919  dem  Professor  Dr.  H  a  n  s  S  t  e  f  f  e  n  als  Unterstützung  für  die  Herausgabe 
seines  Werkes  über  „West-Patagonien"  bewilligt.  ■ 

Die  Feier  des  90jährigen  Bestehens  der  Gesellschaft  gab  Veranlassung  zu  den 
folgenden   Auszeichnungen: 

Seiner  Exzellenz  dem  Herrn  Generaloberst  Dr.  v.  ß  e  s  e  1  e  r  wurde  für  seine 
großen  Verdienste  um  die  Förderung  der  Landeskunde  Polens  ein  Ehren- 
tafel c  h  e  n   gewidmet. 

An  Medaillen  wurden  verliehen : 

die  K  arlRitter- Medaille  in  Gold  (als  vorläufiger  Ersatz  in  Eisen) 

Herrn  Dr.  S  v  e  n  v.  H  e  d  i  n  ; 
die  silberne  Karl  Ritter- Medaille 

den     Herren     Privatdozent    Dr.     Walter    Behrmann,     Professor 
Dr.  Koch-Grün  berg   und  Dr.  Fritz  Baedeker- 
die  silberneNachtigal- Medaille 

den   Herren  Professor  Dr.  Fritz  J  a  e  g  e  r  und  Professor  Dr.  L  e  o  n  - 

hard  Schulze-Jena. 

Schließlich  ist  noch  zu  berichten,  daß  der  Gesellschaft  durch  die  verstorbene 
i-rau  Generalkonsul  Gerhard  Rohlfs  ein  Vermächtnis  in  Höhe 
von  30  000  M.  als  G  erhardRohlfs-Stiftung  zugefallen  ist,  deren  Zinsen  für 
wissenscfiattliche  Unternehmungen  in  Afrika  verwendet  werden  sollen." 


jQg  Verhandlungen  der  Gesellschaft. 

Zu  Mitgliedern  des  Verwaltungs-Ausschüsses  der 
Karl  Ritter-Stiffung  werden  als  Vertreter  der  Gesellschaft  für 
die  nächsten  drei  Jahre  (iQ  19— 1921)  nach  §  3  der  Satzungen  der 
Stiftung  auf  Vorschlag  des  Vorstandes  die  Herren  Geh.  Ober  Regierungs- 
rat Professor  Dr.  E  n  g  1  e  r  ,  Geh.  Regierungsrat  Professor  Dr.  G  ü  ß  - 
feldt,  Professor  Dr.  Schweinfurth  und  Professor  Dr. 
K.  von  den  Steinen  wiedergewählt.  Außerdem  gehören  satzungs- 
gemäß dem  Verwaltungsausschuß  der  Vorsitzende  und  der  Schatzmeister 
der  Gesellschaft  an,  also  für  1919  Herr  Geh.  Regicrungsrat  Professor 
Dr.  P  e  n  c  k  und  Herr  Professor  ß  e  h  r  e  ,  ferner  durch  Wahl  des 
Vorstandes  das  Mitglied  desselben  Herr  Admiralitätsrat  Professor 
Dr.  K  o  h  1  s  c  h  ü  1 1  e  r. 

In  den  Ausschuß  der  Ferdinand  und  Irmgard  von  Richt- 
hofe n-Stiftung,  der  über  die  Verwendung  der  zur  Erreichung 
des  Stiftungszweckes  verfügbaren  Zinsen  zu  bestimmen  hat  (§  7  der 
Verfassung),  haben  für  das  Jahr  1919  der  Vorstand  und  Beirat  der 
Gesellschaft  für  Erdkunde  die  Herren  Geh.  Regierungsrat  Professor 
Dr.  Penck,  Admiralitätsrat  Professor  Dr.  Kohlschütter,  Geh. 
Ober-Regierungsrat  Professor  Dr.  E  n  g  1  e  r  und  Professor  Otto 
B  as  c  h  i  n  als  Vertreter  der  Gesellschaft  gewählt. 


Der  Vorstand  der  Gesellschaft  hat  ihren  bisherigen  Vertreter  in 
der  Rudolf  Virchow -Stiftung,  Herrn  Professor  K.  von 
den  Steinen,  nach  Ablauf  der  Wahlperiode  (§  5  der  Stiftungs- 
urkunde) für  die  nächsten  drei  Jahre  (1919 — 1921)  wiedergewählt. 


Der  Vorsitzende  bringt  zur  Kenntnis,  daß  das  Zentral- In- 
stitut für  Erziehung  und  Unterricht  eine  Reihe  von  geo- 
graphischen Abenden  namentlich  für  Lehrer  der  Erdkunde  im  Laufe 
des  Winters  veranstaltet  und  hierzu  auch  Freunde  der  Geographie  einladet. 


Vortrag  des  Herrn  Geh.  Regierungsrat  Professor  Dr.  A.  Penck: 
,,Die  deutsch-polnische  Sprachgrenze".     (Mit  Lichtbildern.) 

Deutsche  und  Polen  setzen  sich  im  Osten  des  Reichs  nicht  in  ähnlich  scharfer 
Weise  voneinander  ab,  wie  Deutsche  und  Franzosen  im  Westen,  sondern  sie  durch- 
dringen einander.  Es  ziehen  sich  Zungen  von  Deutschen  bewohnten  Landes  in  das 
überwiegend  von  Polen  besiedelte.  Es  mengen  sich  vielfach  deutsche  und  polnische 
Dörfer  durcheinander,  und  es  leben  in  demselben  Dorfe  gewöhnlich  Deutsche  und 
Polen  nebeneinander.  Um  zu  einer  klaren  Erfassung  des  beiderseitigen  Sprachgebiets 
zu  gelangen,  sind  statistische  Aufnahmen  nötig,  wie  solche  bei  den  Volkszählungen 
ausgeführt  werden.  Die  Ergebnisse  der  letzten  von  1910  wurden  im  Geograj^hischen 
Institut  der  Universität  unter  Leitung  des  Vortragenden  auf  etwa  100  Blätter  der 
Karte  des  Deutschen  Reiches  übertragen,  dermaßen,  daß  gemeindeweise  je  10  Ein- 
wohner je  nach  ihrer  sprachlichen  Zugehörigkeit  durch  einen  farbigen  Punkt  dar- 
gestellt wurden.  Diese  Hunderttausende  von  Punkten  gewähren  einen  klaren  Überblick 
über  die  Verteilung  von  Deutschen  und  Polen.  Es  hebt  sich  zunächst  das  rein 
deutsche  Sprachgebiet  henor,  in  dem  man.  höchstens  5  v.  H.  Anderssprachige  findet. 


Verhandlungen  der  Gesellschaft.  109 

Seine  Ostgrenze  verläuft  quer  durch  Oberschlesien  und  greift  in  Westpreußen  sowie  in 
den  westlichen  Partien  Posens  in  beide  Provinzen  über,  während  umgekehrt  das  gemischt- 
sprachige Gebiet  nur  wenig  aus  den  letzt  genannten  Provinzen  herausreicht.  Neben  dem 
großen  geschlossenen  rein  deutschen  Sprachgebiete  gibt  es  eine  rein  deutscheSprachinsel 
in  Ostpreußen,  die  nach  Westpreußen  zwei  Ausläufer  in  der  Richtung  aufDanzig  undGrau- 
denz  erstreckt.  Das  ganze  Mündungsgebiet  der  Weichsel^  ist  rein  deutsch  im  streng- 
sten Sinne  des  Wortes,  und  entschieden  muß  betont  werden,  daß  die  Weichsel  aut 
deutschem  Boden  das  Meer  erreicht.  Eine  zweite,  wesentlich  kleinere,  rein  deutsche 
Sprachinsel  erstreckt  sich  zwischen  Thorn  und  Bromberg.  Diesem  rein  deutschen 
Sprachgebiete  können  auf  dem  Boden  des  Deutschen  Reiches  nur  einzelne  kleine 
Inseln  rein  polnischen  Gebietes  mit  mehr  als  95  v.  H.  polnischer  Bevölkerung  gegen- 
übergestellt werden.  Es  fehlt  hier  ein  geschlossenes,  rein  polnisches  Sprachgebiet. 
Ein  solches  besteht  überhaupt  nicht  in  dem  Sinne,  wie  ein  geschlossenes  deutsches,  fran- 
zösisches, englisches  oder  italienisches  Sprachgebiet  existiert.  Nie  kann  es  ein  Polen  als 
einen  reinen  Nationalstaat  geben  —  wie  man  auch  seine  Grenzen  ziehen  möchte,  stets 
würde  es  Hunderttausende  oder  Millionen  Anderssprachiger  umfassen. 

Der  überwiegende  Teil  der  Ostmark  hat  sprachlich  gemischte  Bevölkerung.  Es 
unterscheiden  sich  aber  Gebiete  mit  überwiegend  deutscher  von  solchen  mit  überwiegend 
polnischer  Bevölkerung.  Zwischen  beiden  verläuft  die  Sprachgrenze.  Im  Süden,  in  Ober- 
schlesien und  in  dem  südlichen  Teile  Posens  zieht  sie  sich  nicht  weit  von  der  Grenze 
des  rein  deutschen  Sprachgebiets  entlang;  aber  im  Nordwesten  entfernt  sie  sich  weit 
von  ihr:  sie  zieht  sich  südlich  der  Netze  in  der  Richtung  auf  Thorn;  östlich  der 
Weichsel  verläuft  sie  etwa  auf  der  Südabdachung  der  Seenplatte.  Man  kann,  im 
überwiegend  deutschen  Sprachgebiete  bleibend,  von  Berlin  nach  Königsberg  wandern, 
ohne  auch  nur  ein  Dorf  mit  überwiegend  polnischer  Bevölkerung  zu  berühren.  Die 
Polen  nördlich  der  Netze  und  westlich  der  Weichsel  bilden  mit  den  Kassuben  eine 
Sprachinsel.  Diese  aber  wird  durchsetzt  von  zahlreichen  deutschen  Siedelungen, 
so  daß  es  hier  schwer  fällt,  die  Grenzen  überwiegend  polnischer  Bevölkerung  festzu- 
stellen: diese  bildet  hier  kaum  die  Mehrheit  im  sprachlich  gemischten  Gebiete. 
Ist  auch  die  Entwicklung  der  europäischen  Großstaaten  in  dem  letzten  Jahrhundert 
auf  die  Herausbildung  von  Nationalstaaten  gerichtet  gewesen,  so  fallen  doch  die 
Grenzen  der  vier  großen  Nationalstaaten  Europas  nur  ausnahmsweise  mit  Sprach- 
grenzen zusammen.  Alle,  auch  die  reinsten  Nationalstaaten,  schließen  fremde  Volks- 
elemente in  sich  ein  und  lassen  Teile  ihrer  eigenen  Nation  außerhalb  ihrer  Grenzen. 
Die  Sprache  allein  vermag  eben  nicht  zu  entscheiden  über  staatliche  Zugehörigkeit. 
Das  Selbstbestimmungsrecht  der  V'ölker  geschieht  auch  unter  dem  Einflüsse  wirt- 
schaftlicher oder  geschichtlicher  Momente.  Weder  die  deutschen  noch  die  fran- 
zösischen Schweizer  wünschen  den  Anschluß  an  ihre  Konnationalen  im  Deutschen 
Reiche  oder  in  Frankreich.  Die  polnisch  redenden  Masuren  Ostpreußens  sind  durch 
ihr  evangelisches  Bekenntnis  verknüpft  mit  den  Deutschen  Ostpreußens;  wirtschaft- 
liche Bande  stärkster  Art  ketten  die  Polen  Oberschlesiens  an  das  Deutsche  Reich. 
Die  Polen  Westpreußens  links  der  Weichsel  fallen  überhaupt  nicht  in  das  zusammen- 
hängende überwiegend  polnische  Sprachgebiet  hinein.  Gleiches  gilt  von  den  meisten 
im  Regierungsbezirk  Bromberg.  Wenn  endlich  bei  den  Polen  des  Regierungsbezirks 
Posen  augenblicklich  der  Wunsch  nach  Anschluß  an  eine  Republik  Polen  sehr  leb- 
haft ist.  so  darf  nicht  vergessen  werden,  daß  genau  ein  Drittel  der  Bevölkerung 
jenes  Regierungsbezirks  deutsch  ist.  Wenn  endlich  polnische  Geographen  und 
Politiker  schon  während  des  Krieges  von  einem  großen  Polen  gesprochen  haben, 
das  auch  die  sechs  preußischen  Regierungsbezirke  mit  ansehnlicher  polnischer  Be- 
völkerung einschließen  soll,  so  bedeutet  dies  den  Wunsch  des  Anschlusses  von 
etwas  über  3  Millionen  Polen  und  einer  fast  gleich  großen  Zahl  von  Deutschen,  also 
eine  gröbliche  Verletzung  von  deren  Selbstbestimmung. 


In  die  Gesellschaft  wird  aufgenommen: 

als  ansässiges  ordentliches  Mitglied 
Herr   Dr.   Heinrich   Liepe,    Oberlehrer,   Berlin-Britz. 


22Q  \'erhandlungen  der  Gesellschaft. 

Fachsitzung  vom  27.  Januar  1919. 
Vorsitzender:  Herr  K  o  h  1  s  c  h  ii  1 1  e  r. 

Vortrag  des  Herrn  Professor  Dr.  Walter  Vogel:  Eine  bundes- 
staatiiche  Gliederung  Deutschlands  auf  natürlicher  Grundlage.  (Mit 
Lichtbildern.) 

An  der  Aussprache  beteiligten  sich  die  Herren  B  a  s  c  h  i  n  , 
K.Fischer,  Graf,  Hoffmeister,  A.  Penck,  Stahlberg, 
S  t  a  u  d  i  n  g  e  r  und   der  Vortragende. 


Allgemeine  Sitzung  vom  15.  Februar  1919. 

Vorsitzender:  Herr  P  e  n  c  k. 

Der  Gesellschaft  ist  das  Hinscheiden  der  Mitglieder  Herrn  Geh. 
Ober -Justizrat  A.  Fr  lest  (Mitglied  seit  1882)  und  Herrn  Senator 
O.  E,  W  e  s  t  p  h  a  1  in  Hamburg  (1918)  gemeldet  worden. 


Unter  Hinweis  auf  eine  Ausstellung  von  Kriegskarten  führte  der 
Vorsitzende  aus,  daß  die  großartigen  Leistungen  des  Heeres  auf  dem  Gebiete 
des  Kartenwesens  während  des  Krieges  nur  wenig  bekannt  geworden  seien.  Zwei  Be- 
hörden teilten  sich  in  die  Arbeit:  daheim  war  wie  in  Friedenszeiten  die  Kartographische 
Abteilung  der  Landesaufnahme  tätig,  draußen  im  Felde  wirkten  die  einzelnen  F"eld- 
vermessungs-Abteilungen.  Die  Kartographische  Abteilung  schuf  namentlich  Karten, 
die  auf  bereits  vorliegenden  deutschen  Arbeiten  beruhen,  sowie  solche  für  entlegene 
Kriegsschauplätze  durch  Bearbeitung  der  besten  vorliegenden  Quellen.  Ihr  danken 
wir  sowohl  die  großen  Übersichtskarten  "einzelner  Kriegsschauplätze,  die  in  den 
Handel  gekommen  sind,  als  auch  eine  nur  für  den  Dienst  bestimmte  Operationskarte. 
Sie  schuf  ferner  Karten  von  Mesopotamien,  Persien,  Syrien  und  Palästina  bis  zum 
Sinai  herab,  von  Finnland  bis  zur  Murmanküste.  Manche  dieser  Karten  sind  direkt 
nach  fremden  Vorlagen  hergestellt  worden,  vielfach  nach  russischen  Quellen,  andere 
erheischten  eine  mühsame  Neukonstruktion.  Die  Feldvermessungs-Abteilungen  waren 
an  den  einzelnen  Fronten  tätig  und  unterstanden  dabei  der  Leitung  des  Chefs  des 
Feldvermcssungswesens.  Sie  lieferten  Frontkarten  teils  auf  dem  Wege  der  üblichen 
topographischen  Aufnahme  in  dem  von  uns  besetzten  Gebiete,  teils  auf  photo- 
grammeirischem  Wege  außerhalb  desselben,  sowie  namentlich  auf  Grund  von  Flieger- 
aufnahmen. Selbstverständlich  wurden  auch  die  Karten  der  Feinde  ausgiebig  be- 
nutzt. Auf  diesem  Wege  haben  wir  für  den  Norden  und  Osten  Frankreichs  vom 
Meere  bis  zur  Schweizer  Grenze,  von  Livland  bis  zur  Ukraine  herab,  sowie  für  das 
südliche  Mazedonien  Frontkarten  im  Maßstabe  i  :  25  000  erhalten,  auf  Grund  deren 
für  besonders  wichtige  Gebiete  Vergrößerungen  auf  i  :  10  000,  selbst  auf  i  :  5000 
hergestellt  worden  sind.  Die  meisten  dieser  P'rontkarten  stellen  das  Gelände  durch 
Höhenlinien  dar,  andere  heben  das  Relief  durch  Höhenschichtenkolorit  und  Schum- 
merung besonders  hervor,  und  es  sind  für  einzelne  Frontteile  in  Frankreich  und  im 
Elsaß  sehr  plastisch  wirkende  Karten  geschaffen  worden.  Die  Arbeit  der  Feld- 
vermcssungs-Abteilung  ist  um  so  höher  zu  schätzen,  als  vor  dem  Kriege  das  Feld- 
vermessungswesen nur  in  geringem  Umfange  vorgesehen  war  und  erst  während  des 
Krieges  sich  ausgestaltete,  wobei  sich  wegen  der  Ungleichheit  der  Vorbildung  von 
Landmessern  und  Ingenieuren  namentlich  in  Preußen  erhebliche  Schwierigkeiten  er- 
gaben. Über  tausend  verschiedene  Frontkarten  i  :  25  000  sind  hergestellt  worden, 
und   nicht  schätzen  läßt  sich  die  Zahl  der  im  Felde  gedruckten  Exemplare,  die  ge- 


Verhandlungen  der  Gesellschaft.  iii 

wohnlich  für  die  Kampfhandlungen  mit  dem  Aufdruck  der  beiderseitigen  Stellungen 
versehen  wurden.  Von  der  Landesaufnahme  ist  bekannt,  daß  sie  den  Druck  von 
273  Milhonen  Blatt  veranlaßte,  wovon  sie  150  bis  160  Millionen  selbst  druckte 


Vortrag  des  Herrn  Professor  Dr.  W  a  1 1  h  e  r  P  e  n  c  k  aus  Leipzig: 
„Reisen  in  der  Puna  von  Argentinien."    (Mit  Lichtbildern.) 

Zuden  auffallendsten  Zügen  in   der   Gebirgsgestaltung   der  Anden   Nordwest- 
argentmiens  gehört  ihre  Auflösung  in   einzelne  Parallelketten,   die   nacheinander  in 
den  Ebenen  Zentralargentmiens  versinken  und  hier  den  Namen  pampineSierren 
tragen      Nach   Norden   schließen  sich  die  Ketten   mit  der  HauptkeUe   des  Gebirges 
am  Westrand  des  Kontmentes  zu   einem  Hochland,    der    Puna    de    Atacam  a 
zusammen.    In  diesem  besitzen  die  Ketten  dieselbe  Höhe  zwischen  4000  und  ^000  m' 
vvie   die   pampinen  Sierren,   aber  die  Senken  dazwischen  gewinnen  in  der  Puna  mit 
einemmal   große   absolute  Höhe.     Sie  ;ciehen  als  Reihen  von  abflußlosen  Becken  mit 
durchschnittlicher   Hohe   von   3000   bis  4000   m   durch   das   Hochland   und   verleihen 
Ihm   dieselbe   merid.onale   Gliederung,   die   die   pampinen   Sierren   auszeichnet.     Die 
Untersuchungen  des  Südrandes  der  Puna  begannen  im  Oktober  1912  und  kamen  im 
April  1914  zum  Abschluß    Ein  Gebiet  von  14  000  qkm  wurde  geologisch  aufgenommen, 
für  welche  Aufgabe   die  Schaffung   einer  topographischen  Karte   nötig  wurde      Eine 
solche  ist  im  Maßstab  i  :  200000  unter  besonderer  Betonung  des  Formenschatzes 
des  Gebirges  vom  Verfasser  aufgenommen  worden.    Die  geologischen  Untersuchungen 
wurden  weit  über  den  Rahmen  dieser  Karte  ausgedehnt  und  führten  unter  anderem 
zur  Besteigung   einiger   die   Puna  auszeichnender  Vulkanriesen   (Nevado  Bonete   mit 
Jf.°°  "^-  0J°  de  los  Losas  mit  6600  m  und  Nevado  San  Francisco  mit  6000  m  Meeres- 
hohe).    Die   Ergebnisse    lassen    sich  wie    folgt    zusammenfassen:   Die  Gliederung   in 
Ketten  und  Senken  ist  das  Ergebnis  einer  großangelegten  Faltung,  der  „Großfaltung", 
bei   der  Mulden  und   Sattel   von   großer   Schwingungsweite,   eben  die  Gebirgsketten 
und  die   Senken   (die  im  Lande   der  pampinen  Sierren  ,.Bolsone"    genannt  werden) 
entstanden   sind.     Der  Faltungsprozeß   dauert  in    mehreren  Phasen  seit  dem  unteren 
Tertiär   bis  heute  an.     Er  betraf  die   pampinen   Sierren  und  die   Puna  in   gleicher 
Weise;   diese   aber   verhielt  sich  wie   eine   schwer  faltbare  Scholle,  darum  erlangten 
die  Höhenunterschiede  in  ihr  nicht  dieselben  Ausmaße  wie  in  den  pampinen  Sierren 
Dafür  erfuhr  die  Puna  als  Ganzes  Hebung,  der  sie  ihre  absolute  Höhe  und  die  Ge- 
schlossenheit   verdankt.     Die   Entwicklung    des   Flußnetzes    und   des   Formenschatzes 
des   Gebirges   hangt  aufs  innigste   zusammen   mit   der  Art  der  Krustenbewegungen 
Diese  führten  stets  zu  einer  Emporwölbung  der  Ketten  über  die  Senken     Auf  jenen 
erzeugte  die  Abtragung  der  Reihe  nach  verschiedene  Lahdschaftsformen.  die  jedoch 
wegen    der  extremen   Trockenheit   des   Gebietes   trotz   ihres  zum   Teil   hohen   Alters 
noch  nicht  wieder  zerstört  werden  konnten.     Der  Hauptgegensatz  zwischen  Puna  und 
pampinen   Sierren    beruht    darauf,    daß   jene    ein    altes   Relief   trägt,   das   heute   die 
b  c  h  e  1 1  e  1   der  pampinen  Sierren   auszeichnet,   daß   ihr  das  schroöe.   felsige  Hoch- 
gebirgsrelief  f  e  h  1 1 ,  das  die  Abhänge  der  Sierren  auszeichnet.     Verschärft  wird  der 
Gegensatz   durch   die   außerordentliche   Entwicklung  des   Schuttes   in   der   Puna    der 
Berg   und   lal  überzieht    alle  Formen  rundet  und  glättet.     Seine  Bildung  hängt  mit 
der  sehr  viel   größeren  Trockenheit  der  Puna  im  Vergleich  zum  semiartden  Gebiet 
der  pampinen  Sierren  zusammen. 

In  die  Gesellschaft  werden  aufgenommen: 

als  ansässige  ordentliche  Mitglieder 
Herr  Dr.  Gerhard  G  u  m  1  i  c  h  ,  Studienrat,  Charlottenburg, 
Herr  Dr.  Gerhard  Kammrad,  Oberlehrer, 
Herr  R.  Sydow,  Exzellenz,  Staatsminister  a.D.; 

als  auswärtige  ordentliche  Mitglieder 
Herr  JosefFrühling,  Oberlehrer,  z.  Zt.  Weißensee, 
Herr  Karl  Stabenow,  Oberlehrer,  z.  Zt.  Berlin. 


122  Verhandlungen  der  Gesellschaft. 

Allgemeine  Sitzung  vom  15.  März  1919. 

Vorsitzender:    Herr  P  e  n  c  k. 

Die  Sitzung  fand  um  7  Uhr  abends  in  der  neuen  Aula  der  Uni- 
versität statt,  welche  Rektor  und  Senat  der  Universität  freundlichst  zur 
Verfiiguntj  gestellt  hatten.  Die  Beteiligung  war  auf  die  Mitglieder  der 
Gesellschaft  und  die  von  ihnen  eingeführten  Gäste  beschränkt.  Auüer- 
dem  hatten  der  Vorstand  sowie  das  Reichs-Kolonialamt  an  Vertreter 
der  Reichs-  und  Staatsbehörden,  insbesondere  an  das  Kommando  der 
Schutztruppen  und  an  die  aus  Deutsch-Ostafrika  heimgekehrten  Offiziere, 
Beamte  und  Mannschaften  Einladungen  ergehen  lassen.  Auch  der 
Lehrkörper  der  Universität  und  die  Mitglieder  der  Akademie  der 
Wissenschaften  waren  zahlreich  vertreten.  Die  Beteiligung  betrug  über 
1200  Personen. 

Die  Tagesordnung  für  die  Sitzung  lautete: 

1.  Begrüßung   der  aus  Ostafrika  heimgekehrten  Schutztruppen; 

2.  Herr  Gouverneur  Dr.  Schnee:  ,,Die  Zustände  in  Deutsch- 
Ostafrika  während  des  Krieges." 

3.  Protest  der  Gesellschaft  für  Erdkunde  gegen  die  Bestreitung 
der  kolonisatorischen  Fähigkeiten  des  deutschen  Volkes. 

Ausführlichen  Bericht  über  den  Verlauf  der  Sitzung  siehe  S.   r. 


Schluß  der  Redaktion  am  21.  April  1919. 


Druck  von  E.  S.  Mittler  &  Sohn,  Berlin  SW 68,  Kochstr.  68—71. 


Zeitschrift  der  Gesellschaft  für  Erdkunde  zu  Berlin.  1919.  Heft  1-2. 


Karte  1 


Verteilung  der  Deutschen  und  Polen 
in  Westpreußen  und  Posen. 

Dargestellt  von  Prof  Dr  Albrecht  Penck. 


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Städte  mit  mehr  als  25000  Einwohnern 

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Lith.Anst  V  Bogdan  Gisevius, Berlin  W  Buiowstr66 


Heyde, 


in 


Das  Schichtstufenland. 

Von  Professor  Dr.  Robert  Gradmann. 

Der  Hauptzweck  der  folgenden  Alitteilungen  ist  der  Nachweis 
von  Rumpfflächen,  die  weder  Abrasionsflächen  noch  Peneplains 
sind  und  in  beliebiger  Höhe  über  dem  Gleichgewichtsprofil  der  Flüsse 
entstehen  können.  Sie  gehören  ausschließlich  dem  Bereich  der  Flach- 
schichtung an  und  lassen  sich  wohl  am  besten  im  Schichtstufenland 
nachweisen.  Als  Beispiel  wähle  ich  die  süddeutsche  Stufenlandschaft, 
nicht  bloß,  weil  sie  mir  besonders  genau  in  allen  ihren  Teilen  bekannt 
ist;  sie  eignet  sich  auch  aus  allgemeinen  Gründen  gut  als  Musterbei- 
spiel und  ist  als  solches   schon  bisher  mit  Vorliebe  benutzt  worden. 

Die  süddeutsche  «der  schwäbisch-fränkische  Stufenlandschaft  ist 
gleich  ihrem  Gegenbilde,  dem  lothringischen  Stufenland,  aus  dem 
Schichtengebäude  der  Trias  und  des  Jura  herausgeschnitten.  Die  La- 
gerung ist  wenig  gestört  und  zeigt  nur  im  allgemeinen  ein  leichtes 
Einfallen  vorwiegend  gegen  Südosten.  Die  Schichten  sind  dort,  wo  sie 
am  höchsten  liegen,  im  Norden  und  Westen,  auch  am  stärksten  der  Zer- 
störung anheimgefallen.  So  entsteht,  wie  aus  jeder  geologischen  Über- 
sichtskarte zu  ersehen,  eine  gürtelförmige  Anordnung  der  Gesteinsfor- 
mationen. Von  den  Jurahöhen  der  Schwäbischen  und  Fränkischen  Alb 
schreitet  man  nach  Norden  und  Westen  über  den  Lias,  Keuper  und 
Muschelkalk  des  Neckar-  und  Maingebiets  hinweg  zu  immer  älteren 
Schichten,  bis  schließlich  im  Schwarzwald,  Odenwald  und  Spessart  der 
Buntsandstein  und  dessen  Unterlage  aus  paläozoischen  und  archaischen 
Gesteinen  zutage  kommt.  Ansehnliche  Stufenbildungen,  deren  Stirn 
ebenfalls  nach  Nordwesten  und  Westen  schaut,  stehen,  wenigstens  nach 
der  früher  allgemeinen  Auffassung,  in  engem  Zusammenhang  mit  dem 
Wechsel  des  Gesteins.  Sie  scheinen  an  Schichtenmassen  von  beson- 
derer Widerstandskraft  geknüpft,  wie  die  Kalke  des  Weißen  Jura 
(Schwäbisch-Fränkische  Alb),  die  blauen  Kalke  und  Eisensandsteine 
des  Doggers  (Vorstufen  der  Alb),  die  Kalk-  und  Sandsteine  des  unteren 
Lias  (Albvorland,  Filder,  Höhen  des  Schurwaldes  und  Welzheimer 
Waldes  usf.),  die  Keupersandsteine  (Keuperhöhen  vom  Schönbuch  bis 
zum  Steigerwald  und  zu  den  Haßbergen)  und  den  Hauptmuschelkalk 
(Gäu-Ebenen  des  württembergischen  Unterlands,  des  badischen  Bau- 
lands und  Unterfrankens).  Auf  diesen  inneren  Zusammenhang  will  das 
Wort  ,,S  c  h  i  c  h  t  Stufenland"  hinweisen. 

Trotz  dieses  überaus  einfachen  Aufbaues  ist  der  Entstehungs- 
mechanismus keineswegs  geklärt;  manche  Probleme,  die  uns  jetzt  be- 

Zeitschr.  <1  Ge>eUscb.  f.  Erdkurnie  zu  Berlin.     1919.     Xr.  3/4.  8 


J^  ]  4  R  o  b  e  r  t   Ci  r  a  d  m  a  u  n  : 

sonders  wichtig  scheinen,  hat  man  bis  vor  kurzem  überliaupt  nicht 
gesehen,  und,  was  noch  mißHcher  ist,  verfehlte  Theorien  haben  mehr 
als  einmal  zu  irrtümlicher  Darstellung  der  tatsächlichen  Geländever- 
hältnisse verführt. 

1.  Das  Neumayrsche  Prinzip.  Melchior  Neumayr^),  dem  sich  aus- 
drücklich Alfred  Hettner-)  und  stillschweigend  unter  anderen  Wilhelm 
Branca^)  angeschlossen  hat,  erklärt  die  Formen  des  Schichtstufenlands 
aus  der  Beschleunigung  der  Abtragung  mit  der  Höhe  über  dem  Meere. 
In  den  Hochgebirgen  sind,  wie  Neumayr  ausführt,  die  Täler  noch  un- 
fertig, ihre  Sohle  ist  stark  geneigt,  das  Wasser  greift  daher  mit  außer- 
ordentlicher Energie  an,  und  dadurch  wird  auch  für  alle  anderen  Ab- 
tragungsvorgänge eine  steile  Böschung  geschaffen.  Außerdem  nehmen 
die  Niederschlagsmengen  mit  der  Höhe  zu,  die  Verwitterung  und 
namentlich  die  Frostwirkung  ist  eine  viel  kräftigere.  Die  Folge  ist 
eine  Steigerung  der  Abtragung  mit  zunehmender  Erhebung,  ,, welche 
alles  auf  ein  normales,  mit  der  Entfernung  vom  Meere  gleichmäßig 
ansteigendes  Niveau  zu  erniedrigen  sucht". 

Damit  allein  schon  soll  sich  die  nach  Norden  und  Westen  hin 
zunehmende  Zerstörung  und  Abfuhr  der  Gesteinsmassen  erklären.  Aus 
dem  wechselnden  Gesteinswiderstand  gegenüber  den  Kräften  der  Ab- 
tragung ergibt  sich  dann  die  Stufenbildung  von  selbst. 

Gegen  diese  Theorie  besteht  das  grundsätzliche  Bedenken,  daß 
damit  der  Abtragungsbeschleunigung  mit  der  Höhe  doch  wohl  zu  viel 
zugemutet  wird.  Wir  verstehen,  daß  und  warum  im  Hochgebirge 
oberhalb  der  Schneegrenze  die  Wirkung  der  abtragenden  Kräfte  gegen- 
über dem  Mittelgebirge  oder  dem  Tiefland  um  em  Mehrfaches  ge- 
steigert sein  muß;  wir  verstehen  auch,  daß  an  gewissen  kritischen 
Punkten,  wie  z.  B.  an  der  Waldgrenze  infolge  des  fehlenden  Vege- 
tationsschutzes, eine  plötzliche  Steigerung  der  Abtragungsvorgänge 
eintreten  wird.  Allein  unverständlich  bleibt,  wie  es  dadurch  zu  einer 
vollständigen  Nivellierung  des  Landes  kommen  soll.  Mit  der  allmäh- 
lichen Abtragung  des  Hochgebirges  zu  Mittelgebirgshöhe  nimmt  ja 
auch  die  Energie  der  zerstörenden  Kräfte  ab,  und  es  ist  nicht  zu 
glauben,  daß  durch  die  ganz  unbedeutende  Zunahme  der  Niederschläge, 
sagen  wir  von  50  zu  50  Meter,  die  Abtragung  in  einer  Weise  gesteigert 
werden  soll,  daß  dadurch  eine  auch  nur  annähernde  Einebnung  erzielt 
würde.  Ein  gewisser  Höhenunterschied  im  vSinne  des  Schichten- 
gefälles müßte  jedenfalls  immer  bestehen  bleiben. 

^)  Erdgeschichte  i.     1887.     S.  446  ff. 

-)  Rumpfflächen  und  Pseudorumpfflächen  (Geogr.  Zeitschr.  19.    1913-    S.  193). 
ä)  Schwabens    125    V'ulkanembrjonen    (Jahresh.    des    V.    f.    vaterl.    Naturk.    in 
Württ.  50.     1894.    S.  537 ff.). 


Das  Schichtstufenland.  115 

In  unserem  Falle  liegt  aber  sogar  eine  Umkehrung  des  ursprüng- 
lichen Gefälles  vor.  Während  die  Schichten  nach  Nordwesten  an- 
steigen, werden  die  Stufen  in  der  gleichen  Richtung  bis  an  den  Rand 
des  Odenwaldes  immer  niedriger;  der  Rand  der  VVeiß-Jura-Stufe  er- 
reicht in  Schwaben  eine  mittlere  Höhe  von  etwa  700  m,  die  Keuperstufe 
etwa  500  m,  die  Muschelkalkstufe  200  bis  300  m.  Die  verschiedene 
Widerstandskraft  der  Gesteine  erklärt  diese  Höhenunterschiede  keines- 
wegs ;  die  Schichtenmassen  des  Braunen  Jura  sind  durchschnittlich  nicht 
härter  als  die  Keupersandsteine,  und  diese  gewiß  nicht  widerstands- 
fähiger als  der  Hauptmuschelkalk. 

Dagegen  spürt  man  deutlich  den  Einfluß  des  Stromgefälles.  In 
dessen  Richtung  nehmen  die  Höhen  im  allgemeinen  ab,  wie  sie  auch 
von  jedem  größeren  Fluß  seitlich  zurückweichen.  Das  Zurücktreten 
der  Keuperhöhen  zu  beiden  Seiten  des  Neckars  von  Cannstatt  ab- 
wärts, die  Buchtenbildung  der  Rems  und  Murr,  ebenso  von  Kocher, 
Bühler  und  Jagst  je  beim  Austritt  aus  der  Keuperstufe  geben  davon 
ein  lebhaftes  Bild^).  Es  ist  nicht  unmöglich,  diese  Beziehung  in  die 
Neumayrsche  Erklärung  hineinzudeuten;  doch  müßte  das  Verhältnis 
zu  den  sonstigen  abtragenden  Kräften  jedenfalls  deutlicher  zum  Aus- 
druck kommen. 

2.  Die  Davissche  Theorie  des  Schichtstufenlandes.  Eine  jetzt  sehr 
verbreitete  Theorie,  die  in  ihrem  Grundgedanken  auf  Ramsay  zurück- 
geht, wurde  durch  W.  M.  Davis  entwickelt,  und  speziell  auf  das  süd- 
deutsche Stufenland  durch  Erwin  Scheu^),  durch  Penck^)  und  auch 
durch  Davis  und  Braun*)  angewandt.  Sie  überträgt  die  Abhoblung  des 
schiefgestellten  Schichtengebäudes  einem  besonderen  Vorgang,  der  Ab- 
tragung der  ganzen  Landschaft  bis  auf  das  untere  Denudationsniveau, 
mit  anderen  Worten,  der  Bildung  einer  Peneplain  oder  Verebnungs- 
fläche^).  Damit  entsteht  der  gürtelförmige  Wechsel  des  Gesteins,  und 
es  ist  zugleich  der  Entwässerungsrichtung  der  gebührende  Einfluß  ein- 
geräumt. Erst  infolge  nachträglicher  Neubelebung  des  Flußgefälles 
kommt  es  dann  zur  Ausräumung  der  weichen  Gesteinsstreifen  durch 
subsequente  Flüsse ;  dadurch  werden  die  harten  Schichten  herausgear- 
beitet oder  „herausgeschält",  ,, herauspräpariert".  An  den  so  entstan- 
denen Schichtstufen  entsprechen  die  Stufenflächen  den  Schichtflächen, 

^)  Vgl.  z.  B.  Regelmanns  Geolog.  Übersichtskarte  von  Württemberg  und  Baden. 

'')  Zur  Morphologie  der  Schwäbisch-Fränkischen  Stufenlandschaft  (Forsch,  z. 
d.  Landes-  u.  Volksk.  18.  1909.     S.  370  ff.). 

^]  In  Scobels  Handbuch.     5.  Aufl.     1909.     i.     S.  149. 

*)  Grundzüge  der  Physiogeographie.     2.  Aufl.     2.     S.  46. 

^)  Diesen  Ausdruck  verwende  ich  im  folgenden  ausschließlich  im  strengen 
Sinn  des  Wortes  peneplain,  d.  h.  für  Abtragungsflächen,  die  durch  Einebnung  bis 
auf  das  untere  Denudationsniveau  entstanden  sind. 


11« 


Robert   Grad  mann: 


die  Stufenabfälle  den  Schichtköpfen,  und  eine  durch  die  Stufenkanten 
gelegte  ideale  Fläche  entspricht  der  alten  Verebnungsfläche.  Vgl.  das 
Schema  Abb.  6. 

Gegen  diese  Theorie  läßt  sich  ein  sehr  gewichtiger  Einwand  er- 
heben :  die  Formen,  die  sie  erklären  will,  entsprechen  wohl  einer  viel- 
\  erbreiteten  und  in  zahlreichen  Profilen  niedergelegten  Auffassung*), 
aber  nicht  der  Wirklichkeit.  Die  Stufenflächen  des  schwäbisch-frän- 
kischen Stufenlandes  sind  zum  überwiegenden  Teil  gar  keine  Schicht- 
flachen,  sundem  Rumpfflächen  vom  Charakter  der  Tafelrümpfe^).  Statt 
konkordant  mit  dem  Schichtenbau  zu  verlaufen,  wie  die  schematischen 
Profile  es  darstellen,  schneidet  die  Oberfläche  die  Schichten  meist  schief, 
wenn  auch  in  sehr  flachem  Winkel  ab,  so  daß  die  zu  oberst  liegenden 
Schichten  allmählich  auskeilen  und  eine  nach  der  andern  zum  Ver- 
schwinden kommt. 


Abbild.  6. 


Die  Sache  ist  an  und  für  sich  von  keiner  großen  Bedeutung  und 
wurde  denn  auch  früher  nicht  weiter  beachtet.  Allein  neuerdings  wird 
großer  Wert  darauf  gelegt,  und  weitgehende  Schlüsse  haben  sich  an 
diese  Beobachtung  geknüpft,  so  daß  wir  keinesfalls  daran  vorbeigehen 
dürfen. 

Der  Sachverhalt  wurde  zuerst  auf  der  Alb  erkannt.  Dort  sind 
gegen  die  Donau,  im  Nordzug  der  Fränkischen  Alb  auch  gegen  den 
ßöhmerwald  hin,  die  jüngsten  Jura-  bzw.  Kreideschichten  in  bedeuten- 
der Mächtigkeit  erhalten;  nach  Norden  und  Westen  nehmen  sie  immer 
mehr  ab,  bis  sie  schließlich,  und  zwar  ohne  erkennbare  Stufenbildung, 
ganz  verschwinden  und  die  Felsen-  und  Quaderkalke  des  mittleren 
Weißen  Jura  die  Oberfläche  bilden.  Nach  Erwin  Scheu')  und  Erich 
Seefeldner*)  ist  diese  Tatsache  gleichzeitig  auf  zwei  Pfingstexkursionen 

')  Z.  B.  Regelmann  a.  a.  O.  (Profil);  Hranca  a.  a.  O.  S.  513;  Fritz  Jäger,  Über 
Oberflächengestaltung  im  Odenwald  (Forsch,  z.  d.  Landes- u.  Volksk.  15.    1904.   S.  275). 

-)  Über  Falten-,  Schollen-  und  Tafelrümpfe  vgl.  Hettner  a.  a.  O.  S.  107. 

3)  A.  a.  O.  S.  371. 

*)  Morphogenetische  Studien  aus  dem  Gebiete  des  Fränkischen  Jura  (Forsch,  z. 
d.  Landes-  n.  Volksk.  21.    1914.    .S.  343). 


Das  Schichtstufenland.  117 

des  Jahres  1907  vom  Berliner  Geographischen  Seminar  auf  der  Schwä- 
bischen Alb,  vom  Wiener  Seminar  auf  der  Fränkischen  Alb  festgestellt 
worden.  Neuerdings  hat  auch  Hermann  Reich^)  auf  die  „bisher  an- 
scheinend übersehene,  höchst  bemerkenswerte  Tatsache"  der  „über- 
raschenden Ebenheit"  der  Albhochfläche  im  Vergleich  mit  dem  tekto- 
nischen  Bau  hingewiesen  und  dieselbe  als  alte  Abtragungsflächc  erklärt. 
Sehr  bemerkenswert  ist  auch  der  Nachweis  eines  tektonischen  Grabens 
auf  der  HohenzoUernalb^) ;  die  Oberfläche  geht  darüber  hinweg,  wie 
wenn  er  gar  nicht  da  wäre.  Im  Grunde  kannte  man  diesen  Rumpf- 
charakter schon  längst;  er  ist  aus  der  geologischen  Karte  ohne  weiteres 
abzulesen,  und  z.  B.  Gümbel  hat  bereits  deutlich  genug  darauf  hin- 
gewiesen. Es  handelte  sich  nur  noch  darum,  dem  Kinde  den  rechten 
Namen  zu  geben. 

Fast  noch  deutlicher  kommt  das  Wesen  der  Rumpffläche  in  den 
Gäu-Ebenen  des  württembergischen  Unterlandes  und  Unterfrankens 
zum  Vorschein  (Herrenberger  Gäu  und  Strohgäu,  Kraichgau,  Hohen- 
lohesche  Ebene,  Bauland.  Unterfranken).  Darauf  hat  Scheu^)  zuerst 
hingewiesen.  Wie  schon  aus  Regelmanns  Übersichtskarte  und  noch 
eindrucksvoller  aus  den  geologischen  Karten  größeren  Maßstabs  her- 
vorgeht, besteht  die  sogenannte  Muschelkalkstufe  oder  Muschelkalk- 
platte nur  zum  Teil  aus  Muschelkalk,  hauptsächlich  in  den  höher  ge- 
legenen Strecken  entlang  dem  Rande  des  Schwarzwaldes,  Odenwaldes 
und  Spessarts.  Sonst  ist  der  Untergrund  überwiegend  Lettenkohle, 
meist  noch  überdeckt  von  Löß  und  Lößlehm ;  teilweise  tritt  sogar  Gips- 
keuper  an  deren  Stelle,  so  im  östlichen  Kraichgau  und  im  Zabergäu. 
Über  alle  diese  Schichten  hinweg  läuft,  sie  in  flachem  Winkel  schnei- 
dend und  ohne  Stufenbildung,  eine  einheitliche,  nur  von  jungen  Tälern 
zerschnittene  Ebene  in  einer  Höhenlage  von  250  bis  350  m,  nur  an 
den  Rändern  gegen  den  Schwarzwald  und  Odenwald  hin  bis  über  500  m 
ansteigend. 

Ähnlich  verhält  es  sich  auf  den  Keuperhöhen  des  Schönbuchs. 
Schurwaldes,  Welzheimer  und  Mainhardter  Waldes,  der  Löwensteiner 
und  Waldenburger,  Limpurger  und  EUwanger  Berge,  der  Frankenhöhe 
und  des  Steigerwaldes.  Nur  auf  den  älteren  geologischen  Karten,  die 
ganze  Schichtenstöße  unter  der  einheitlichen  Farbe  des  „Stubensand- 
steins" zusammenfassen,  erscheinen  diese  Hochflächen  als  Schicht- 
flächen;   in   Wirklichkeit  schneidet  die   Oberfläche    in    der    auf  weite 


^)  Stratigraphische    und    tektonische   Studien    im   Uracher  Vulkangebiet.     Diss. 
Freiburg  1915.     S.  27. 

2)  Edwin    Grünvogel.    Geologische    Untersuchungen    auf    der    HohenzoUernalb. 
Diss.    19 14. 

3)  A.  a.  O.  S.  387. 


118 


Robert   G  r  a  d  m  a  n  ii  : 


Strecken  auffallend  gleichbleibenden  Höhe  von  etwa  500  m  diskordant 
eine  ganze  Reihe  von  Formationsgliedern  durch.  Erst  der  untere  Lias 
erzeugt  darüber  wieder  eine  deutliche  Stufe. 

Auf  den  neueren  Karten  großen  Maßstabs  mit  weit  durchgeführter 
stratigraphischer  Gliederung  und  sorgfältig  konstruierten  Profilen 
kommen  die  Rumpfflächen  gut  zum  Ausdruck.  Ich  empfehle  zum  Stu- 
dium besonders  die  Geologische  Karte  des  Großherzogtums  Baden. 
I  :  25  000,   Bl.   34,   41,   47,   52,    101/102,    HO,    120,    121,    144,   und   die 


Wei  liribich 


Vogsltftld 


fiitjtnburg 


Bftten^erj 


MuicheLKalh: 


n 


LettenhohU. 


mm      E5S]      [zz 

6ip5Keupcr  Sandsteine  u  Mergel  LidS. 

dmiltUr  u.  ober.  K«upi?n 


Braun  prJura. 


Abbild.  7.     Profil  durch  die  Rumpffläche  der  Baar  bei  Schwenningen 
von  WNW  nach  OSO. 

(Nach  der  geologischen  Spezialkartc  von  Württemberg.) 


württembergischen  Blätter  gleichen  Maßstabs,  Bl.  66,  80,  92,  93,  94. 
105,  106,  117,  118,  141,  151  (wiedergegeben  in  Abb.  7).  Aus  diesen 
Profilen  ist  auch  zu  ersehen,  wie  die  Oberfläche  sich  über  die  meisten 
Verwerfungen   als   Schollenrumpffläche   spurlos   hinwegsetzt. 

Durchaus  treffend  ist  der  Tatbestand  auch  in  den  zahlreichen 
Profilen  von  Erich  Seefeldner  a.  a.  O.  dargestellt.  In  älterer  Zeit  finde 
ich  besonders  von  Gümbel  (Geognostische  Karte  des  Königreichs 
Bayern,  Bl.  17,  Ansbach)  die  Verhältnisse  richtig  wiedergegeben. 

3.  Sonstige  Peneplaintheorien.  Die  heutige  Geomorphologie^) 
kennt  außer  gewissen,  noch  nicht  völlig  geklärten  Formen  des  glazialen 
und  des  ariden  Klimas,  die  hier  nicht  in  Frage  kommen,  nur  zwei  Arten 


1)  Vgl.  bes.  Alfred  HeUner  a.  a.  O.  S.  185 ff. 


Das  Schichtstufenland. 


119 


!^  3 


ii5 


.äS 


von  Rumpfflächen:  Abrasionsflächen  und  Ver- 
ebnungsflächen.  Im  Bereich  des  schwäbisch- 
fränkischen Stufenlandes  ist  auch  die  Abrasion 
durch  Meeresbrandung  höchstens  für  die  öst- 
Hchsten  und  südlichsten  Teile  des  Juragebiets 
(Transgression  des  Kreide-  und  wieder  des 
MoUassemeörs)  denkbar,  sonst  vollkommen  aus- 
geschlossen. Nach  dem  bisherigen  Stande  der 
Wissenschaft  sind  daher  weder  die  Beobachtungs- 
grundlagen, noch  ist  die  Schlußweise  zu  bean- 
standen, wenn  von  verschiedenen  Seiten  die 
Folgerung  gezogen  wurde:  die  Stufenflächen  sind 
Rumpfflächen,  also  Verebnungsflächen  ^).  Sie 
wären  somit  nicht  bloß  aus  einer  Verebnungs- 
fläche  herausgearbeitet,  wie  die  Davissche  Theorie 
es  will,  vielmehr  unmittelbar  Stücke  von  Ver- 
ebnungsflächen. 

Die  einfachste,  aber  auch  gewaltsamste 
Lösung  dieser  Art  ist  die  von  Erich  Seefeldner^) 
und  Gustav  Braun  3):  Die  einzelnen  Rumpfflächen 
werden  als  Stücke  einer  ursprüngUch  einheitlichen 
präoligozänen  Verebnungsfläche  aufgefaßt.  Da 
sie  heute  ja  nicht  in  einer  Ebene,  sondern  als 
Stufenflächen  übereinander  liegen,  so  müßten  in- 
zwischen tektonische  Verschiebungen  eingetreten 
sein.  Eine  Verbiegung  oder  richtiger  eine  Flexur 
der  Verebnungsfläche  wird  von  Seefeldner  denn 
auch  in  der  Tat  angenommen.  Wie  jedoch  aus 
seinen  eigenen  Profilen  (besonders  Tafel  III 
Prof.  23,  hier  in  Abbild.  8  wiedergegeben)  hervor- 
geht, ist  in  den  Lagerungsverhältnissen  von  einer 
solchen  Flexur  durchaus  nichts  wahrzunehmen; 
die  Schichten  zeigen  ein,  wenn  auch  nicht 
schlechthin  regelmäßiges,  so  doch  stetiges  Ein- 
fallen nach  Osten.  Zur  Zeit  der  Verebnung 
müßte  demnach  der  westliche  Flügel  aufgebogen 
gewesen    sein,    um    bis    auf  den   Keuper   herab 


^)  Z.  B.  Seefeldner  a.  a.  O.  S.  242:  „Dies  lehrt,  daß 
die  Hochfläche  des  Fränkischen  Jura  keine  Schichtfläche 
ist,  sondern  die  Schichtflächen  schneidet.  Es  liegt  also 
hier  eine  Rumpffläche,  eine  Peneplain  vor". 

2)  A.  a.  O.  S.  242 flf. 

3)  Deutschland.     191 6.     S.  igff. 


220  Robert   G  r  a  il  in  a  n  n 

abgetragen  zu  werden  und  dann  wieder  in  seine  ursprüngliciie  Lage 
zurückzusinken.  Wir  hätten  damit  den  ganz  kniffligen  Fall  einermorpho- 
logischen Flexurstufe  bei  tektonisch  ungestörter  Lagerung,  und  von 
einer  Schichtstufe  dürften  wir  überhaupt  nicht  mehr  reden.  Seefeldner 
zieht  dabei  neben  der  Fränkischen  Alb  nur  die  Hochflächen  des  Steiger- 
waldes und  der  Frankenhöhe  in  Betracht.  Sollen,  wie  Gustav  Braun 
es  für  wahrscheinlich  hält,  auch  die  Gäu-Ebenen  und  die  Höhen  des 
Schwarzwaldes  derselben  präoligozänen  Verebnungsfläche  angehören, 
so  müßte  der  gleiche  verzwickte  Verbiegungs-  und  Rückbiegungsvor- 
gang  wiederholt  an  verschiedenen  Stellen  angenommen  werden ;  eine 
Vorstellung,  zu  der  man  sich  schwer  entschließen  wird.  Sie  steht  über- 
dies mit  dem  sicher  beobachteten  Zurückweichen  der  Stufen  im  Wider- 
spruch. 

Es  ist  kein  Zweifel :  wenn  die  einzelnen  Stufenflächen  Vereb- 
nungsflächen  sind,  dann  können  sie  nicht  gleichzeitig,  sondern  nur 
nacheinander  entstanden  sein,  und  in  der  Zwischenzeit  muß  jedesmal 
eine  Verjüngung  der  ganzen  Landschaft  durch  Hebung  der  gesamten 
Scholle  oder  durch  Tieferlegung  der  Erosionsbasis  stattgefunden  haben. 
In  richtiger  Erkenntnis  dieser  Sachlage  hat  bereits  Erwin  Scheu^) 
wenigstens  zwei  Verebnungsflächen  angenommen,  eine  ältere,  tertiäre, 
der  die  Hochflächen  der  Alb  angehören,  und  eine  jüngere,  die  der 
großen,  von  Kocher,  Jagst  und  Tauber  durchflossenen  „Muschelkalk- 
ebene" entspricht.  Allein  auch  die  Keuperhöhen  werden  von  Rumpf- 
flächen abgeschnitten ;  was  dem  einen  recht,  ist  dem  andern  billig. 
Norbert  Krebs  und  Otto  Lehmann^)  sind  deshalb  ganz  folgerichtig 
bereits  bei  einer  Dreizahl  angelangt :  ,,Vor  dieser  einen  Landoberfläche 
(der  Fränkischen  Alb)  liegt  nun  eine  zweite  niedrigere  im  Bereich  der 
oberen  Altmühl  und  der  Rezat,  die  mit  500  bis  470  m  Höhe  quer  über 
Keuper,  Lias,  Dogger  hinweggreift  und  sich  bis  hart  an  die  Stirn  der 
Malmstufe  verfolgen  läßt.  Es  besteht  also  vor  der  Alb  eine  ausge- 
dehnte Einebnungsfläche  von  der  Art,  wie  sie  Scheu  aus  dem  Gebiet 
der  Muschelkalklandschaft  der  Hohenloher  Ebene  und  des  Tauber- 
grunds beschreibt,  die  sich  ihrerseits  an  den  Fuß  der  Frankenhöhe 
anschließt." 

Drei  Verebnungsflächen  übereinander,  wobei  es  jedesmal  auf  weite 
Strecken  zu  einer  vollkommenen  Abtragung  des  Landes  bis  zum 
unteren  Denudationsniveau  kommt,  während  an  anderer  vStelle  wieder 
ansehnliche  Reste  vom  nächstvorhergegangenen  und  darüber  wieder 
solche  von  einem  noch  älteren  Zyklus  stehengeblieben  sind,  das  ist 
immer  eine   schwierige   Vorstellung.      Sie   zwingt,    Dinge   zusammen- 

»)  A.  a.  O.   S.  378. 

^)  Zur  Urgeschichte  der  Rezat-Altmühl  (Zeitschr.  d.  (ies.  f.  Erdk.    Berlin  1914). 


Das  Schichtstufenlaiid.  121 

zudenken,  die  sich  im  Grunde  widersprechen.  Schließlich  könnte  man 
sich  jedoch  mit  allerhand  Hilfshypothesen  über  diese  allgemeine 
Schwierigkeit  hinwegtrösten,  wenn  sich  nur  wenigstens  einzelne  An- 
haltspunkte ergeben  wollten,,  die  uns  die  Anwendung  der  Theorie 
gerade  in  diesem  Fall  erleichtern.  Aber  das  Gegenteil  ist  der  Fall. 
Bedenklich  ist  es  schon,  daß  sich  der  vollständige  Ablauf  der  drei 
Zyklen  im  wesentlichen  in  die  Tertiärperiode  zusammendrängt.  Noch 
mehr  muß  uns  befremden,  daß  die  tektonische  Ruhe,  die  den  voll- 
ständigen Ablauf  eines  Zyklus  bis  zum  Endstadium  ermöglicht,  jedes- 
mal genau  mit  dem  Zeitpunkt  zusammentrifft,  in  dem  sich  die  Gleich- 
gewichtskurve der  Flüsse  gerade  im  Bereich  der  widerstandsfähigsten 
Schichten  (Jurakalk,  Keupersandstein,  Hauptmuschelkalk)  befand^). 
Das  Wesen  der  Schicht  stufe  wird  ja  auch  von  dieser  Theorie 
preisgegeben ;  das  Zusammentreffen  mit  dem  Wechsel  harter  und 
weicher  Schichten  erscheint  wesentlich  als  Zufall  und  läßt  sich  nur 
sehr  schwer  deuten.  Macht  man  gar  vollen  Ernst  mit  dem  Grundsatz, 
daß  jede  Rumpffläche  eine  Verebnungsfläche  sein  muß,  dann  bekämen 
wir  in  Wirklichkeit  nicht  bloß  drei,  sondern  mindestens  ein  halbes 
Dutzend  Verebnungsflächen  übereinander,  jede  zufällig  im  Bereich 
harter  Schichten.  Denn  auch  im  Schilfsandstein,  im  unteren  Lias,  im 
unteren  und  mittleren  Dogger,  im  unteren  Weißen  Jura  stellen  sich 
scharf  abgesetzte  Stufenflächen  ein,  die  sich  nur  ausnahmsweise  mit 
den  Schichtflächen  decken. 

In  neue  Verlegenheiten  bringt  uns  die  Aufgabe,  anzugeben,  wel- 
chem Umstand  die  als  Stufen  über  der  nächstunteren  Verebnungsfläche 
sich  erhebenden  Gebirgsmassen  jedesmal  ihre  Erhaltung  verdanken. 
Die  Annahme,  daß  es  „Härtlinge"  seien,  daß  die  abgetragenen  Teile 
der  einzelnen  Schichtenmassen  in  einer  leichter  verwitternden  Fazies 
entwickelt  gewesen  seien  als  die  stehengebliebenen,  wäre  ja  doch  voll- 
ständig aus  der  Luft  gegriffen.  Es  könnten  nur  ,,Mosore"')  sein, 
Gebirgsmassen,  die  entlang  den  Wasserscheiden  wegen  des  dort  w'e- 
niger  tiefen  Einschneidens  der  Flüsse  stehengeblieben  sind ;  dann  aber 
müßte  man  doch  wohl  einen  sehr  allmählichen  Übergang  in  die  tiefer 
liegende  Verebnungsfläche  annehmen.  Statt  dessen  sehen  wir 
überall  die  Stufen  scharf  abgesetzt,  schroff  und  steil  sich  erheben. 

Die  einzelnen  Verebnungsflächen  müßten  sich  auch  rückwärts  ins 
Bergland  hinein  mindestens  in  Form  von  Terrassen  verfolgen  lassen ; 
auch  das  will  nirgends  recht  gelingen.     Versuchen  wir  es  mit  Sehens 


*)  Beide  Einwände  hat  in  allgemeiner  Form  schon  Hettner  (a.  a.  O.  S.  194) 
erhoben. 

')  Vgl.  Penck,  Geomorphologische  Studien  aus  Bosnien  und  der  Herzegowina 
(Z.  d.  D.  u.  Ost.  Alpenv.    31.     1900). 


222  Robert   G  r  a  d  m  a  n  ii  : 

,, Muschelkalkebene",  die  am  Talausgang  des  Neckars  aus  den  Keuper- 
höhen  bei  Cannstatt  80  bis  100  m  über  dem  Neckarspiegel  liegt,  so 
finden  wir  im  Keupertal  bei  Eßlingen  an  den  Talwänden  in  entsprechen- 
der Höhenlage  Terrassen,  die  sich  allenfalls  als  Flußterrassen  deuten 
lassen,  aber  auch  Schichtterrassen  (Stubensandstein)  sein  können. 
Erst  bei  Plochingen  stellt  sich  wieder  eine  breitere  Fläche  ein ;  es  ist 
die  Liasebene  der  ,,Filder".  Allein  sie  behält  die  zu  erwartende 
Höhenlage  keineswegs  bei;  sie  steigt  nach  Westen  allmählich  an,  bis 
sie  bei  Stuttgart  die  im  Norden  unmittelbar  vorliegende  ,, Muschel- 
kalkebene" um  mehr  als  200  m  überragt!  Hier  geht  also  eine  Ver- 
ebnungsfläche  in  die  nächstältere,  ja  sogar  in  die  vornächste  über,  und 
was  das  Schlimmste  ist,  diese  Regelwidrigkeit  steht  im  schönsten  Ein- 
klang mit  dem  Schichtenbau :  die  Filderebene  hebt  sich  einfach  mit 
dem  unteren  Lias,  dem  sie  angehört.  Das  ist  nur  eins  der  vielen  Bei- 
spiele von  unerträglichen  Widersprüchen,  die  man  nur  mit  den  kunst- 
vollsten Verbiegungs-,  Härtlings-  und  sonstigen  Hilfshypothesen  hin- 
wegdeuten könnte,  während  ein  viel  einfacherer  Zusammenhang  mit 
Händen  zu  greifen  ist. 

Als  mageres  Ergebnis  der  kritischen  Übersicht  über  die  bisherigen 
Versuche  zur  Morphogenese  des  süddeutschen  Stufenlandes  bleibt  nur 
die  Feststellung:  Die  Stufenflächen  sind  ihrer  Hauptmasse  nach  aller- 
dings keine  Schichtflächen,  sondern  Rumpfflächen.  Es  sind  aber  auch 
keine  Verebnungsflächen,  wenigstens  nicht  alle.  Die  Schlußfolgerung : 
,, Rumpffläche,  also  Verebnungsfläche"  kann  nicht  richtig  sein;  es  muß 
noch  irgendeine  andere,  bisher  nicht  beachtete  Möglichkeit  der  Rumpf- 
flächenbildung geben. 

4.  Das  Prinzip  der  abgeflachten  Firste.  In  der  Tat  ist  es  möglich, 
auch  ohne  Peneplain  in  einzyklischer  Entwicklung  zu  den  Charakter- 
formen des  Schichtstufenlandes  zu  gelangen,  sobald  man  sich  nur  von 
gewissen  inkorrekten  Vorstellungen  über  die  Abtragungsvorgänge  befreit^). 

Ehe  ich  an  diesen  Nachweis  gehe,  ist  noch  eine  Vorfrage  zu  er- 
ledigen, nämlich  wie  es  kommt,  daß  die  beiden  Hauptflüsse  des 
schwäbisch-fränkischen  Stufenlandes,  Main  und  Neckar,  dem 
Schichtengefäll  entgegenfließen.  Diese  auffällige  Erscheinung 
erklärt  man  sich  wohl  am  einfachsten  mit  Fritz  Jäger-)  durch  Ante- 


^)  Die  Deduktion,  in  die  ein  Teil  der  folgenden  Mitteilungen  gekleidet  ist. 
will  nicht  als  Untersuchungsmethode,  nur  als  Darstellungsform  aufgefaßt  sein.  Der 
wirkliche  Weg,  auf  dem  ich  zum  Ziele  gelangt  bin,  ist  sehr  viel  umständlicher:  er 
hat  von  ungezählten  Einzelbeobachtungen  über  ebenso  viele,  oft  später  als  irrtümlich 
erkannte  Erwägungen  und  Versuche  geführt  und  kann  dem  Leser  unmöglich  zu- 
gemutet werden. 

2)  A.  a.  O.  S.  278. 


Das  Schiclitstufenland.  123 

zedenz.  Die  ursprüngliche  Abdachung  des  Landes  bei  der  ersten 
Hebung  aus  dem  Jurameer  mag  den  heutigen  Entwässerungsverhält- 
nissen ungefähr  entsprochen  haben,  abgesehen  von  einer  nachträglichen 
kleinen  Verschiebung  der  Wasserscheide  zuungunsten  des  Donau- 
gebiets, ein  vielbesprochener  und  oft  übertriebener  Vorgang,  der  uns 
hier  nicht  weiter  berührt.  Erst  in  der  Folge  hob  sich  dann  das  Land 
gegen  den  Schwarzwald  und  Odenwald  hin  stärker  als  im  Südosten 
und  Osten.  Diese  nachträgliche  Hebung  ging  jedoch  so  langsam 
vonstatten,  daß  es  zu  keiner  Gefällsumkehrung  der  Flüsse  kam ;  diese 
konnten  in  der  seit  Powell  oft  geschilderten  Weise  ihre  ursprüngliche 
Laufrichtung  beibehalten,  indem  sie  im  gleichen  Zeitmaß  wie  das  Land 
sich  hob,  ihr  Bett  entsprechend  tiefer  einsägten^). 

Wie  man  sich  das  nun  auch  zurechtlegen  mag,  jedenfalls  sind  im 
Bereich  des  Unterlaufs  von  Main  und  Neckar  Schichten,  die  zur 
Jurazeit  noch  tief  unter  dem  Meeresspiegel  lagen,  heute  200  m 
über  das  Meer  emporgehoben;  die  Flüsse  haben  inzwischen  sämtliche 
Gesteinsformationen  vom  Weißen  Jura  bis  herab  zum  Buntsandstein 
durchsägt  und  ihre  Täler  Hunderte  von  Metern  vertieft.  Riedel 
von  solcher  Höhe  konnten  zwischen  den  Tälern  nicht  stehenbleiben. 
Dies  folgt  aus  dem  Prinzip  des  oberen  Denudationsniveaus,  wie  es 
Penck  in  seiner  Morphologie^)  entwickelt  und  in  Scobels  Handbuch^) 
durch  Profile  veranschaulicht  hat  (s.  Abb.  9).  Mit  dem  Tieferein- 
sehneiden  der  Paralleltäler  müssen  die  dazwischenstehenden  Riedel 
immer  schmäler  werden  (Abb.  9,  I.  H.),  bis  schließlich  die  Hänge  be- 
nachbarter Täler  oben  zusammenstoßen,  sich  gegenseitig  schneiden 
(Abb.  9,  HL) ;  damit  ist  die  ursprüngliche  Oberfläche  ganz  verschwun- 
den, aus  dem  Riedel  ist  ein  Grat  oder  First*)  geworden.  Bei  gegebener 
Maschenweite  des  Talnetzes  und  mittlerem  Böschungswinkel  müssen 
fortan  mit  jeder  weiteren  Talvertiefung  auch  die  Firste  an  Höhe  ent- 
sprechend abnehmen  (Abb.  9,  HL  IV.),  und  es  kommt  so  zu  einer 
mittelbaren  Abtragung  des  gesamten  Flußgebiets.    Um  sich 

^)  Nehmen  wir  mit  Deecke  (Geologie  von  Baden  1918)  eine  Regression  des 
Jurameers  an,  so  daß  in  der  Gegend  um  den  mittleren  Neckar  nur  Brauner,  kein 
Weißer  Jura  zur  Ablagerung  kam,  so  müßte  die  Urabdachung  allerdings  doch  eine 
nordsüdliche  gewesen  sein.  In  diesem  Fall  kämen  wir  um  eine  Schaukelbewegung 
kaum  herum. 

2)  I.  1894.  S.  365.  Bei  der  ersten  Einführung  des  Begriffs  im  Vortrage  von 
1887  (Über  Denudation  der  Erdoberfläche.  Sehr,  des  V.  zur  Verbr.  naturw.  Kenntn. 
in  Wien.    27.     1886/87  S.  443)  fehlt  noch  die  Begründung  auf  die  Flußarbeit. 

^)  5.  Aufl.     1909.     I.     S.  144. 

*)  Die  beiden  Ausdrücke  sind  von  Penck  übernommen;  wir  brauchen  den 
ersten  in  morphographischem,  den  zweiten  in  morphologischem  Sinne;  Grate  können 
auf  beliebige  Weise  entstehen,  ein  First  nur  durch  Unterschneidung. 


124 


Robert   G  r  ;i  d  m  a  n  n 


die  ,,Abhoblung"  eines  schiefgestellten  Schichtengebäudes  auf  ein  im 
großen  einheitliches,  in  der  Richtung  des  Fiußgefälles  sich  allmählich 
senkendes  Niveau  verständlich  zu  machen,  bedarf  es  daher  weder  einer 
gewaltigen  Steigerung  der  Abtragung  mit  der  Meereshöhe  im  Sinne 
Neumayrs,  noch  einer  besonderen  Peneplainbildung.  Es  genügt  dazu 
die  gewöhnliche  Flußarbeit^. 

Außer  der  Flußarbeit  wirken  ja  aber  noch  zahlreiche  andere  Vor- 
gänge auf  das  Gelände  ein,  die  Verwitterung  der  Oberfläche  und  Ab- 
fuhr der  gelockerten  Bestandteile  durch  die  Schwerkraft,  durch  ober- 
flächlich abspülendes  Regen-  und  Schneewasser,  durch  den  Wind  und 
durch   chemisch   auflösendes    oder  auslaugendes   Sickerwasser.       Ihre 


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Abbild.  9. 

vereinten  Wirkungen  fassen  wir  im  Gegensatz  zur  Flußarbeit  als  un- 
mittelbare Abtragung  oder  Abtragung  schlechtweg  zu- 
sammen. 

Aus  den  heutigen  Formen  geht  ohne  weiteres  hervor,  daß  die 
Flußarbeit  längere  Zeit  der  Abtragung  vorausgeeilt  sein  muß;  denn 
der  umgekehrte  Fall  ist  nicht  denkbar,  und  solange  die  Abtragung 
mit  der  Ausschürfungstätigkeit  des  Flusses  auch  nur  gleichen  Schritt 
hält,  kommt  überhaupt  keine  Talbildung  zustande,  vielmehr  hätten 
wir  dann  eine  von  ihrer  Geburt  an  „greisenhafte"  Landschaft.  Solange 
die  Flußarbeit  im  Vorsprung  ist,  beherrscht  sie  durch  die  Unterschnei- 
dung  der    Talwände    die    ganze  Formenwelt;    die  Wirkung    der  Ab- 


1)  Auch  hierin  schließe  ich  mich  Fritz  Jäger  (a.  a.  O.  S.  273  f.)  an. 


Das  Schichtstufenland.  125 

tragung  bleibt  vollkommen  verdeckt.  Die  ganze  Landschaft  besteht, 
hobald  die  ursprüngliche  Oberfläche  durch  Unterschneidung  beseitigt 
ist,  lediglich  aus  Kerbtälem  und  dazwischenstehenden  Firsten,  das 
Bild  eines  frisch  zerschnittenen  Berglandes. 

Schließlich  aber  muß  die  Talvertiefung  aufgehört  oder  sich  so 
stark  verlangsamt  haben,  daß  die  unmittelbare  Abtragung  den  Vor- 
sprung zum  Teil  wieder  einholen  konnte.  Denn  nur  so  ist  die  Ab- 
flachung der  Firste  zu  Rücken  und  Abtragungsflächen  denkbar,  wie 
wir  sie  heute  vor  uns  sehen. 

Wir  haben  bestimmte  Anhaltspunkte  dafür,  daß  ein  solcher 
Wechsel  sich  im  Laufe  der  Vorzeit  öfters  wiederholt  hat.  Allein  für 
das  Verständnis  der  Grundformen  genügt  vorläufig  die  einfachere  An- 
nahme. 

Denken  wir  uns  die  Flußarbeit  anfangs  allein  tätig,  die  Parallel- 
flüsse in  stets  gleichbleibender  Entfernung  voneinander  und  die 
Schichten  alle  von  gleicher,  sehr  bedeutender  Widerstandskraft,  so 
könnte  der  Längsschnitt  durch  einen  zwischen  zwei  Tälern  stehen- 
gebliebenen First  entlang  der  Wasserscheide  etwa  so  aussehen,  wie 
Abb.  9,  L  es  zeigt. 

In  Wirklichkeit  ist  ja  die  Widerstandskraft  der  einzelnen  Schich- 
ten außerordentlich  verschieden.  In  der  Morphologie  pflegt  man  nur 
zwischen  harten  und  weichen  Schichten  schlechtweg  zu  unterscheiden. 
Durch  die  vereinten  Kräfte  des  Luftkreises  sollen  die  weichen  Schich- 
ten bis  zum  Flußniveau  hinab  zerstört  und  „ausgeräumt"  und  eben 
dadurch  die  harten  Schichten  herausgearbeitet,  ,, herauspräpariert" 
werden.  Als  Ergebnis  würde  ein  Profil  entstehen  ähnlich  dem  ifi 
Abb.  6  wiedergegebenen.  Das  setzt  offenbar  unweigerlich  voraus, 
daß  die  Abtragung  der  harten  Schichten  gleich  Null  ist,  daß  diese 
überhaupt  nur  mittelbar  durch  Untergrabung  und  Abbruch  der 
Schichtenköpfe  eine  Einbuße  erleiden. 

Daß  diese  Voraussetzung  unhaltbar  ist,  bedarf  eigentlich  kaum 
des  Beweises;  jedenfalls  genügt  die  Erinnerung  an  ein  paar  allgemein 
bekannte  Tatsachen,  um  sich  davon  zu  überzeugen.  Schon  die  potro- 
graphische  Beschaiifenheit  (Ouarzite,  feste  Kalke,  härtere  und  weichere 
Sandsteine  und  Konglomerate,  Gips,  Stein-  und  Tonmergel,  Tone  und 
lockere  Aufschüttungen)  weist  keineswegs  auf  einen  einfachen  Gegen- 
satz von  Hart  und  Weich,  vielmehr  auf  eine  reichgegliedcrte  Stufen- 
leiter hin.  Überall  wo  Felsgestein  in  weitem  Umfang  bloßliegt,  wie 
etwa  im  Hochgebirge,  in  Polar-  und  Wüstengebieten,  da  lehrt  der 
Augenschein  durch  Steinschläge,  Kernsprünge  u.  dgl.,  daß  auch  die 
härtesten  Gesteine  schließlich  der  Verwitterung  und  Abtragung  er- 
liegen.    Auf  ebenen   Flächen  vollzieht  sich   die  Abtragung  allerdings 


1 26  Robert   Gradmann 

viel  weniger  augenfällig  als  an  den  Hängen.  Allein  zu  einem  völligen 
Stillstand  kommt  es  auch  hier  in  der  Regel  doch  nicht,  auch  nicht 
unter  Vegetationsschutz,  wenigstens  nicht  auf  freien  Hochflächen. 
Selbst  unter  völlig  ebenem  VValdboden  lassen  sich  bei  gelegentlichen 
Aufschlüssen  im  felsigen  Untergrund,  etwa  aus  hartem  Kalkgestein, 
frische  Verwitterungsspuren  wahrnehmen ;  es  läßt  sich  namentlich 
beobachten,  wie  die  Baumwurzeln  in  die  Spalten  eindringen  und  das 
Gestein  mit  großer  Gewalt  zersprengen.  Hätten  diese  Vorgänge  seit 
ungezählten  Baumgenerationen  in  derselben  Gesteinszone  sich  ab- 
gespielt, so  müßte  diese  längst  zu  feinem  Grus  und  Schutt  zertrüm- 
mert sein.  Die  Verwitterungsrinde  müßte  bald  eine  solche  Mächtigkeit 
erlangt  haben,  daß  auch  die  tiefgehendsten  Wurzeln  sie  nicht  mehr  zu 
durchdringen  vermögen.  Statt  dessen  lehrt  der  Augenschein,  daß  die 
Verwitterung  unter  dem  Vegetationsboden  immer  weitergeht  und 
immer  wieder  frisches  Gestein  angreift.  Wenn  dabei  die  Verwitte- 
rungsrinde nicht  unbeschränkt  an  Mächtigkeit  zunimmt,  so  kann  dies 
nur  daher  rühren,  daß  im  gleichen  Zeitmaß,  wie  ihr  durch  subku- 
tane- Verwitterung  Bestandteile  des  Untergrundes  einverleibt 
werden,  eine  Abtragung  und  Entführung  von  Bodenbestandteilen  nach 
irgendwelcher  anderen  Richtung  stattfindet.  Es  wird  dabei  im  trocke- 
nen Klima  besonders  an  Entführung  der  Feinerde  durch  den  Wind, 
im  feuchten  an  chemische  Auflösung  und  Auslaugung  zu  denken  sein, 
die  ja  gerade  in  der  Verwitterungsrinde  besonders  lebhaft  vor  sich 
geht.  Einer  der  stärksten  Beweise  dafür,  welch  gewaltige  Massen  auch 
des  härtesten  Gesteins  mit  der  Zeit  durch  subkutane  Verwitterung  zer- 
^ört  und  durch  chemische  Auflösung  beseitigt  werden,  ist  wohl  die 
Lehmüberdeckung  von  Kalkhochflächen  wie  etwa  auf  der  Schwäbi- 
schen Alb.  Diese  Lchmdecken  müssen,  wiewohl  heute  oft  aus- 
gesprochen kalkarm,  als  Verwitterungsrückstände  aus  verhältnis- 
mäßig sehr  reinen  Kalksteinen  hervorgegangen  sein;  sie  setzen  daher 
für  ihre  Bildung  eine  ganz  gewaltige  Masse  der  Auflösung  verfallenen 
Kalkgesteins  voraus. 

In  besonders  feuchtem  Klima  kommt  es  allerdings  vor,  daß  durch 
Rohhumus-  und  Ortsteinbildung  die  Abtragung  unterbunden  wird,  daß 
statt  dessen  sogar  eine  Anhäufung  von  Humusstoft'en  Platz  greift. 
Allein  das  sind  nach  Raum  und  Zeit  Ausnahmen,  die  wir  nicht  weiter 
zu  berücksichtigen  brauchen. 

Um  uns  die  Wirkung  der  abtragenden  Kräfte  zu  vergegenwär- 
tigen, nehmen  wir  an,  in  dem  Längsschnitt  Abb.  lo  sei  die  Mächtigkeits- 
abnahme der  härteren  Schichten  b,  d,  f,  g,  i  infolge  der  Abtragung 
innerhalb  einer  Zeiteinheit  =  n,  im  Bereich  der  weichen  Schichten  c, 
e,  h,  k    zehnmal  größer,  also  =  lo  n. 


Das  Schichtstufenland. 


127 


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j28  KobcrtTi  radmann: 

Nun  wird  sich  die  verschiedene  Widerstandskraft  der  einzelnen 
Schichten  ja  schon  unter  der  Herrschaft  der  reinen  Flußarbeit  g^eltend 
inachen :  je  härter  das  Gestein,  um  so  steiler  die  Böschung  der  Tal- 
wände, um  so  hölier  der  Grat ;  je  weicher  das  Gestein,  um  so  flacher 
die  Böschung-,  um  so  tiefer  die  Einsattlung  der  Firstlinie.  Da  sich 
jedoch  die  Widerstandskraft  des  Gesteins  hier  in  gleichem  Sinne  wie 
bei  der  Abtragung  geltend  macht,  können  wir  diesen  Umstand  ver- 
nachlässigen und  annehmen,  der  Einfluß  des  Gesteinswiderstandes  auf 
die  Firsthöhe  sei  in  dem  Verhältnis    i  :  lo  schon   inbegriffen. 

Nunmehr  lassen  wir  die  Talvertiefung  stillstehen  und  die  Kräfte 
der  unmittelbaren  Abtragung  auf  den  First  einwirken.  Nach  Verlauf 
einer  Zeiteinheit,  worunter  man  sich  eine  mindestens  fünfstellige  Zahl 
von  Jahren  vorstellen  mag,  wird  dann  der  Längsschnitt  dem  Profil  II 
in  Abb.  lo,  nach  einer  weiteren  Zeiteinheit  dem  Profil  III,  nach  fünf 
Zeiteinheiten  dem  Profil  IV  entsprechen.  Die  Konstruktion  ist  ein- 
fach und  bedarf  kaum  der  Erläuterung.  Es  ist  z.  B.  im  Profil  II  von 
den  harten  Schichten  f  und  g  zwischen  Punkt  E  und  Punkt  F  die 
Größe  n  abgetragen.  In  Punkt  D  hat  die  Mächtigkeit  der  harten 
Schicht  überhaupt  nur  noch  %  n  betragen ;  zu  ihrer  Abtragung  wurde 
daher  nur  die  Hälfte  der  Zeiteinheit  beansprucht,  und  die  andere 
Hälfte  genügte,  um  die  weiche  Schicht  e  an  diesem  Punkt  ebenso  voll- 
kommen abzutragen;  denn  ihre  Mächtigkeit  ist  genau  =  5  n  ange- 
nommen. Umgekehrt  wurde  in  Punkt  C  die  erste  Hälfte  der  Zeit- 
einheit für  die  Abtragimg  der  weichen  Schicht  e  in  Anspruch  ge- 
nommen, und  in  der  zweiten  Hälfte  konnte  von  der  harten  Schicht  d 
nur  noch  der  kleine  Betrag  von  I/2  n  beseitigt  werden.  In  ähnlicher 
Weise  sind  die  Profile  II  bis  IV  durchaus  berechnet. 

Der  Querschnitt  entzieht  sich  einer  exakten  Konstruktion.  Auch 
nach  Abschluß  der  Talvertiefung  arbeitet  die  Seitenerosion  an  der 
Umformung  der  Talwändc  noch  weiter,  und  zwar  ungleich  und  un- 
berechenbar (Mäander,  Prallhänge,  Gleithänge).  Außerdem  wissen 
wir  nicht,  wie  sich  die  Abtragungsgeschwindigkeit  mit  dem  Böschungs- 
winkel ändert.  Im  allgemeinen  nimmt  sie  mit  der  Steilheit  der 
Böschung  wohl  zu ;  aber  w'eiche  Schichten  werden  an  Steilhängen 
durch  die  darüberlagernden  harten  Gesteinsmassen  geschützt,  und 
diese  ihrerseits  werden  untergraben  und  brechen  an  den  Schichten- 
köpfen in  die  Tiefe.  Ihr  Schutt  wirkt  wiederum  als  schützende  Decke 
über  den  tiefer  gelegenen  Böschungen  und  schützt  namentlich  deren 
Fuß,  soweit  er  nicht  vom  Fluß  unmittelbar  benagt  wird.  Diese  außer- 
ordentlich verwickelten  Verhältnisse  vermögen  wir  nicht  rechnend  zu 
beherrschen ;  für  die  Beurteilung  der  Gesamtwirkung  sind  wir  auf 
Analogieschlüsse  aus  der  unmittelbaren  Beobachtung  angew^iesen.     Sie 


Das  SchichtstufcMiland.  |29 

lehrt  uns.  daß  durch  die  Abtragungsvorgäuge  die  Böschungen  ab- 
geflacht, die  Kanten  abgeschliffen,  die  scharfen  Grate  mit  der  Zeit 
in  sanfte  Rücken  verwandelt  werden,  und  zwar  um  so  rascher,  je 
weicher  und  undurchlässiger  das  Gestein  ist. 

Wo  daher  harte  Schichten  in  der  Firstlinie  liegen,  da  werden  sich 
Gratformen,  wenn  auch  in  etwas  gemilderter  Schärfe,  bis  zur  völligen 
Abtragung  der  betreffenden  Schicht  erhalten,  so  im  Profil  1 1  und  III 
auf  den  Strecken  AB.  EF,  JK,  bzw.  A^B\  EVF\pK\  Im  Bereich  der 
weichen  Schichten  wird  dagegen  die  Umwandlung  in  die  Rückenform 
rasch  vor  sich  gehen;  es  wird  bald  eine  Form  entstehen  wie  Abb.  ii,  I. 
Geht  nun  die  Abtragung  weiter,  so  wird  zwar  nicht  einfach  die  Schicht- 
fläche der  nächstfolgenden  harten  Schicht  hcrauspräpariert;  wohl  aber 
muß  die  Abtragung  sich  beträchtlich  verlangsamen,  sobald  sie  die 
harte  Schicht  erreicht.  Dies  ist  zuerst  an  den  Rändern  der  Fall,  wäh- 
rend   in    der    Mitte    im    Bereich    der   weichen    Schicht    die   Abtragung 


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Abbild.  II. 

zunächst  noch  im  gleichen  Zeitmaß  weitergeht.  Dadurch  wird  eine 
sehr  bedeutende  Abflachung  erzielt ;  wir  erhalten  jetzt  Hochflächen 
mit  ganz  schwacher  Neigung  beiderseits  gegen  die  Ränder  hin.  Die  Quer- 
schnitte durch  die  harten  Schichten  in  Abb.  lo,  II.  III.  werden  jetzt  etwa 
so  aussehen  wie  Abb.  ii,  II.  es  darstellt.  Die  Hochflächen  müssen  sich 
dabei  in  der  Richtung  des  Schichtenfallens,  da  sie  sich  ja  der  Basis 
des  gleichschenklig-dreieckigen  Querschnitts  immer  mehr  nähern,  be- 
ständig verbreitern,  Parallelverlauf  der  Täler  vorausgesetzt. 

Im  Verlauf  weiterer  Zeiteinheiten  nehmen  die  Gratformen,  wie 
ein  Vergleich  zwischen  Profil  II  und  III  (Abb.  lo)  zeigt,  an  Ausdeh- 
nung immer  mehr  ab,  die  y\btragungsflächen  immer  mehr  zu,  bis  eine 
reine  Schichtstufenlandschaft  (Abb.   ro,  IV.)  daraus  geworden  ist. 

Im  Querschnitt  entwickelt  sich  dabei  ein  höchst  bezeichnender, 
übrigens  lange  bekannter  Übergangszustand  überall  dort,  wo  zwei 
harte  Schichten  durch  eine  weiche  Schicht  getrennt  sind.  Es  entsteht 
eine  Schulterbildung  durch  Herausarbeitung  der  älteren  Hartschicht 
(Abb.  12).  Besonders  breit  wird  die  Schulter,  wenn,  wie  in  Abb.  12 
angenommen,  die  jüngere  Hartschicht  von  geringerer  Widerstands- 
kraft ist  als  die  ältere.  Die  jüngere  bleibt  dann  als  Krönung  eines 
vschmalen  Rückens,  der  auf  der  Hochfläche  aufgesetzt  ist  und  durch 

Zeitschr.  d.  üesellsch.  f.  Erdkunde  zu  Berlin.     1919.    \r.  3/4.  9 


130 


Robert   G  r  a  d  m  a  n  n  : 


Zerschneidung  auch  in  Zeugenberge  aufgelöst  sein  kann,  noch  eine 
Zeitlang  erhalten.  Ist  diese  Deckschicht  einmal  zerstört,  dann  schmilzt 
der  Zeuge  vollends  rasch  zusammen,  und  die  beiden  Schultern  ver- 
einigen sich  zu  einer  einheitlichen  Hochfläche,  auf  der  höchstens  noch 
eine  flache  Bodenschwellung  den  früheren  Zustand  verrät. 

Die  vorgetragene  Erklärungsweisc  scheint  mir  zwei  Vorteile  zu 
besitzen  : 

I.  erklärt  sie  auf  die  einfachste  Weise,  d.  h.  durch  die  einfachsten 
Vorgänge,  die  Entstehung  der  Schichtstufen,  l^s  mag  überraschend 
sein,  folgt  aber,  wie  wir  gesehen  haben,  aus  einer  einfachen  Rechnung 
ganz  unwiderleglich,  daß  schon  ein  verhältnismäßig  geringer  Unter- 
schied im  Zeitmaß  der  Abtragung  genügt,  um  Stufen  von  großer 
Schärfe  herauszuarbeiten.  Es  bedarf  dazu  keiner  vorausgegangenen 
Peneplainbildung  und  keiner  seitlichen  Erosion  durch  abgleitende 
subsequente  Flüsse  und  was  man  sonst  zu  Hilfe  genommen  hat.    Dies 


Abbild.  12. 


empfinden  wir  als  besondere  Wohltat  dann,  wenn  wir,  wie  so  oft,  nach 
den  nötigen  subsequenten  Flüssen  am  Fuß  der  Stufe  auf  der  Karte  und 
in  der  Natur  vergebens  suchen.  Auch  das  Zurückweichen  oder  „Zu- 
rücklegen" der  Stufen,  das  manchen  Forschern  so  viel  zu  schaffen 
gemacht  hat,  erklärt  sich  dabei  spielend  (vgl.  Profil  H,  III,  IV). 

2.  Die  Stufenflächen  erscheinen  bei  dieser  Theorie  nicht  mehr  als 
Schichtflächen,  vielmehr  so,  wie  sie  in  der  Xatur  und  auf  .'Sorgfältig 
konstruierten  Profilen  (vgl.  besonders  Abb.  7)  zu  sehen  sind:  überall 
da,  wo  Hart  auf  Hart  zu  liegen  kommt,  werden  die  Schichtflächen  von 
der  Oberfläche  diskordant  geschnitten,  und  die  Schichten  keilen  ganz 
allmählich  aus;  nur  wo  harte  und  weiche  Schichten  wechsellagern, 
entsteht  eine  Stufenbildung.  Bezeichnend  ist  namentlich  das  Aus- 
keilen der  harten  Deckschicht  am  .^tufenrande.  Es  ist  zwar  in  der 
Natur  nicht  leicht  so  messerscharf,  wie  es  in  unseren  Profilen  er- 
scheint; das  erklärt  sich  meist  durch  den  Ausgleich  der  übersteilen 
Böschungen,  was  ein  kleines  Zurückweichen  der  Stufenkante  unter 
Abbruch  der  harten  Deckschicht  zur  Folge  hat,  seltener  durch  das 
Einschneiden  von   Längsflüssen    am    Stufenrande,    worauf    wir    noch 


l)as  Schiclitstufenland.  131 

zurückkommen.  Aber  stetsr  wird  der  eigentliche  äußere  Stufenabfall 
vorzugsweise  aus  weichem  Gestein  aufgebaut;  die  hohen,  mauerartigen 
Felswände  erscheinen  z.  R.  im  Albgebiet  regelmäßig  erst  in  den  Tälern, 
nicht  am  äußeren  Albrand,  besonders  auffallend  ist  dies  Verhältnis  im 
Gebiet  der  Fränkischen  Alb. 

Wir  bezeichnen  die  hier  dargcstelhe  Form  der  Abtragungsf^äche 
als  abgeflachten  First.  Ihre  Entstehungsweise  ist  außerordent- 
lich einfach  und  naheliegend,  und  wahrscheinlich  hat  sich  schon  früher 
mancher  die  Sache  in  ähnlicher  Weise  zurechtgelegt  und  nur  deshalb 
nicht  ausdrücklich  beschrieben,  weil  man  der  Sache  weiter  keinen 
Wert  beilegte;  in  der  Tat  ist  sie  erst  durch  die  allzu  weitgehenden 
Folgerungen,  die  man  neuerdings  an  die  Rumpfflächen  geknüpft  hat, 
von  Bedeutung  geworden.  Übrigens  dürfte  sich  das  Prinzip  im  Be- 
reich des  Tafel-  und  auch  des  Bruchschollenlandes  auch  anderwärts 
fruchtbar  erweisen,  und  die  angewandte  Methode  ist  jedenfalls  noch 
einer  weitgehenden   Verfeinerung  und    Vervollkommnung  zugänglich. 

Unseren  bisherigen  Erwägungen  lag  die  Voraussetzung  zugrunde, 
daß  die  Flüsse  dem  Schichtengefäll  entgegenfließen.  Um  sich  den  um- 
gekehrten Fall  zu  vergegenwärtigen,  darf  man  sich  die  Längsschnitte 
nur  etwas  nach  einer  Seite  geneigt  denken,  dann  bewegt  sich  der  Fluß 
in  der  Richtung  des  Schichtenfallens ;  bei  Rechtsneigung  ist  das 
Schichtengefäll,  bei  Linksneigung  das  Flußgefäll  das  stärkere.  Den 
ersteren  Fall  haben  wir  z.  B.  auf  der  Donauseite  der  Alb.  Auch  dabei 
entstehen  Durchbruchstäler,  wie  z.  B.  dasjenige  der  oberen  Donau 
selbst,  der  Wörnitz  und  Altmühl;  nur  sind  sie  in  diesem  Fall  nicht 
mehr  antezedent,  sondern  epigenetisch. 

Bewegen  sich  die  Hauptflüsse  in  der  Streichrichtung,  so  daß  wir 
an  Stelle  der  Querflüsse  Längsflüsse^)  bekommen,  wie  z.  B.  am  Ost- 
rande des  Schwarzwaldes,  so  vollzieht  sich  die  Abtragung  ebenfalls 
in  ähnlicher  Weise.  Die  Stufen  verlaufen  hier  nicht  quer  zu  den 
Flußläufen,  sondern  parallel  mit  ihnen  als  fortlaufende  Mauern,  die 
von  den  Nebenbächen  verhältnismäßig  nur  wenig  zerschnitten  sind. 
Abb.  13,  in  der  übrigens  die  Talformen  keinen  Anspruch  auf  Korrekt- 
heit machen,  dürfte  zur  Erläuterung  genügen.  Besonders  eindrucks- 
voll sind  hier  die  Stellen,  wo  ein  Tal  mit  einem  Stufenrand  zusammen- 

')  Diese  tektonisch-morphographischen  Begriffe  sind  mit  den  konsequenten, 
obsequenten  und  subsequenten  Flüssen  des  Systems  von  W.  M.  Davis  nicht  zu  ver- 
wechseln Wir  vergleichen  hier  die  Flußrichiung  lediglich  mit  dem  bekannten 
Schichtengefäll,  ohne  uns  über  die  Entstehung  dieses  \'erhältni5ses  auszu>prechen. 
Die  Davisschen  Begriffe  beziehen  sich  auf  das  \'^erhältnis  zu  der  unbekannten  Ur- 
abdachung,  die  mit  dem  Schichtengefäll  nicht  übereinzustimmen  braucht,  und  sind 
echt  morphologisch;  sie  enthalten  ein  ganz  bestimmtes  synthetisches  Urteil  über  die 
Entstehungsvorgänge. 


182 


Robert   Ci  r  a  d  m  a  n  n  : 


fällt  (A.  D.  in  Abbild.  13);  die  Steilwand  wird  hier  be- 
sonders ansehnlich  und  nininil  unter  IJmständen  die 
Charaktertbrmen  einer  Talwand  an,  indem  zufolge  der 
Unterschneidung  die  abgebrochenen  Schichtköpfe  harter 
Gesteine  jähe  Felswände  bilden,  während  sie  am  Rand 
einer  reinen  Verwitterungsstufe  (Abbild.  13  B.  C.)  wie 
immer  nur  eine  dünne,  scharf  auskeilende  Deckschicht 
darstellen.  Der  ebenfalls  nicht  ganz  seltene  Fall  eines 
schief  zur  Streichrichtung  verlaufenden  Flusses  bedarf 
keiner  besonderen  Darstellung. 

In  jedem  dieser  Fälle  sehen  wir  bei  Wechsellagerung 
harter  und  weicher  Schichten  aus  einer  Tafel  ein  Stufen- 
land mit  Rumpfflächen  entstehen.  Echte  Schichtflächen 
können  dagegen  in  einem  stark  abgetragenen  Lande  nur 
dann  zum  Vorschein  kommen,  wenn  Flußgefäll  und 
Schichtengefäll  genau  übereinstimmen,  und  das  ist  wohl 
immer  nur  auf  kleineren  Strecken  der  Fall. 

Kehren  wir  nun  zu  unserem  ersten  Beispiel  zurück 
und  verfolgen  die  Entwicklung  noch  etwas  weiter,  so  ist 
klar,  daß  bei  fortdauernder  tektonischer  Ruhelage  die 
Abtragung  nach  Verlauf  einiger  weiteren  Zeiteinheiten 
eine  Grenze  finden  muß.  Unter  das  untere  Denudations- 
niveau, das  durch  das  Gleichgewichtsprofil  der  Flüsse  be- 
stimmt wird,  kann  sie  auch  in  den  weichsten  Schichten 
nicht  hinab,  weil  keine  Abfuhrmöglichkeit  mehr  vorhanden 
ist.  Dadurch  werden  die  Höhenunterschiede  im  Gelände 
mit  der  Zeit  ausgeglichen,  und  aus  den  abgeflachten  Firsten 
wird  zuletzt  wirklich  eine  Verebnungsfläche.  Der  Durch- 
schnitt durch  eine  solche  in  der  Flußrichtung  wird  zuletzt 
dem  Profil,  von  dem  wir  ausgegangen  sind  (Abbild.  11,  1.), 
genau  gleichen,  nur  daß  wir  natürlich  in  diesem  F'all  mit 
einer  starken  Schuttbedeckung  zu  rechnen  haben. 

Erfolgt  nun  eine  Neubelebung  des  Flußgefälles,  so 
wird  die  Verebnungsfläche  durch  die  frisch  eingeschnittenen 
Täler  zunächst  wieder  in  Riedel  zerschnitten.  Sofort 
treten  aber  auch  die  Abtragungsvorgänge  wieder  in 
Tätigkeit.  Sie  äußern  sich  gegenüber  den  verschieden- 
artigen Gesteinsniassen  wesentlich  in  der  gleichen  Weise, 
wie  wir  dies  bei  der  Abtragung  eines  Grats  verfolgt 
haben;  es  muß  sich  daher  im  Längsprofil  die  Entwicklung, 
wie  in  Abbild.  11,  II  bis  IV  dargestellt,  wiederholen. 
Dagegen  wird  das  Querprofil  und  namentlich  der  Grund- 


fi  f^l4 


Das  SchiclilstufcnlaiKi.  133 

riß  natürlich  wcsentlicli  anders  aussehen:  Grat-  und  Kückenfornien 
fehlen  ganz;  jede  Stufe  endigt  in  einem  mauerartig  geschlossenen, 
quer  zu  den  Tälern  verlaufenden  Steilabfall,  der  erst  nach  und 
nach  durch  rückwärts  einschneidende  Schluchten  und  Täler  zer- 
schnitten   wird. 

Damit  endigen  wir  nun  doch  in  der  zvveizyklischen  Schichtstufen- 
theorie nach  W.  AI.  Davis,  nur  dal.}  wir  keine  einfache  ., Ausräumung" 
der  weichen  Schichten  und  Herausarbeitung  von  Schichtflächen  durch 
abgleitende  subsequente  Flüsse,  vielmehr  auch  in  diesem  Fall  Rumpf- 
flächen als  Ergebnis  der  Abtragung  annehmen.  Wir  geben  also  die 
Möglichkeit  einer   zweizyklischen   Entwicklung   ausdrücklich    zu. 

Ist  die  Hebung  der  alten  Verebnungsfläche  bzw.  die  Senkung  der 
Erosionsbasis  eine  sehr  bedeutende,  so  werden  genau  wie  im  gehobe- 
nen Tafelland  die  Hochflächen  durch  Unterschneidung  schließlich  ganz 
verschwinden  und  nur  noch  Firste  übrigbleiben.  Die  vorausgegangene 
Peneplainbildung  ist  damit  für  die  weitere  Entwicklung  völlig  bedeu- 
tungslos geworden,  und  es  können  im  weiteren  Verlauf  die  Firste 
wieder  zu  Rümpfen  abgeflacht  werden,  ganz  wie  in  der  einzyklischen 
Entwicklung. 

Durch  diese  Betrachtungen  hat  sich  uns  der  Kreis  von  Möglich- 
keiten für  die  Entstehung  von  Rumpfflächen  im  Schichtstufenland  in 
liöchst  Vvillkommener  Weise  erweitert.  Eine  solche  Rumpffläche 
kann  sein : 

1.  ein  abgeflachter  First, 

2.  das   Stück  einer  Verebnungsfläche, 

3.  eine    aus    einer    Verebnungsfläche    herausgearbeitete    Stufen- 
fläche. 

5.  Anwendung  auf  die  Einzelformen  des  schwäbisch-fränkischen 
Stufenlandes.  Treten  wir  mit  diesem  erweiterten  Kreis  von  Erklä- 
rungsmöglichkeiten nochmals  an  unser  Schichtstufenland  heran,  so 
zeigt  sich  sofort,  daß  wir  mit  der  einseitigen  Anwendung  eines 
Prinzips  nicht  durchkommen.     Die  Natur  tut  uns  den  Gefallen  nicht. 

Gleich  bei  der  obersten  Stufe,  dem  Hochland  der  Schwäbisch- 
Fränkischen  Alb,  versagt  unsere  neue  Erklärung.  Wir  haben  uns 
zwar  von  ihrem  Rumpfcharakter  eingehend  überzeugt,  so  daß  von  der 
vielberufenen  ..Juratafel"  streng  genommen  nicht  mehr  die  Rede  sein 
darf.  Allein  für  die  Ableitung  aus  abgeflachten  Firsten  fehlt  es  gerade 
hier,  im  Bereich  des  mittleren  urtii  oberen  W^eißen  Jura,  an  der  not- 
Avendigen  Voraussetzung,  der  regelmäßigen  Überlagerung  harter 
Schichten    durch    weiche. 

Vielmehr  dürften  die  Höhen  der  Schwäbischen  und  der  Fränki- 
schen Alb  wirklich  als  ein  Stück  jener  alttertiären,  stark  eingeebneten 


1  ß^  K  ()  b  r  r  t    C,  r  a  d  m  a  n  n  : 

Landschaft  aufzufassen  sein,  die  bei  Philippi,  Gustav  Braun  u.  a.  eine 
so  bedeutung-svolle  Rolle  spielt.  An  Stelle  der  bloßen  Abtragungs- 
formen finden  wir  nämlich  hier  oben  in  breitem  Streifen  entlang  der 
Hauptwasserscheide  eine  ausgeprägte  'j'allandschaft^)  mit  meist  sanft, 
aber  immerhin  bis  zu  loo  m  ansteigenden  Rücken  und  Kuppen,  nur 
daß  ihre  Basis  nicht  das  heutige  Flußnetz  ist,  vielmehr  ein  bis  zu 
400  m  höher  liegendes  Netz  von  Trockentälern,  die  alle  Merkmale  alter 
Flußtäler,  namentlich  ein  durchaus  gleichsinniges  Gefäll  zur  Schau 
tragen.  Bohncrztone  mit  Knochen  von  Säugetieren,  die  bis  ins  Oligo- 
zän  und  Eozän  zurückreichen,  beweisen  direkt  das  hohe  Alter  dieser 
Landschaft,  ihre  geringe  Umgestaltung  seit  dem  frühen  Tertiär.  Zur 
Zeit  ihrer  Ausbildung  kann  diese  Landschaft  nur  wenig  über  das  nahe 
Tertiärmeer  des  heutigen  Alpenvorlandes  sich  erhoben  haben.  Ab- 
lagerungen des  Mollassemeeres  liegen  auf  der  Alb  selbst  bei  Winter- 
lingen und  Bitz  bis  zu  850  m  ü.  d.  M.  Die  Alb  war  demnach  schon 
im  mittleren  Tertiär  wieder  teilweise  unter  den  Meeresspiegel  ge- 
taucht, und  es  ist  nicht  wahrscheinlich,  daß  sie  vorher  zu  bedeutenden 
Höhen   emporgestiegen  wäre. 

Man  wird  selten  so  viele  triftige  Gründe  geltend  machen  können 
für  die  Auffassung,  daß  wir  eine  zwar  nicht  bis  zur  Verebnungsfläche-), 
wohl  aber  bis  nahe  zum  unteren  Denudationsniveau  abgetragene  und 
dann  gehobene  alte  Landschaft  vor  uns  haben.  Und  auch  deren  Er- 
haltung gerade  an  dieser  Stelle  läßt  sich  besonders  leicht  verständlich 
machen.  Durch  die  nachträgliche  starke  Hebung  über  die  Erosions- 
basis seit  dem  Miozän  war  den  Gewässern  Gelegenheit  geboten,  in 
den  bald  erweiterten  Klüften  des  Kalkgebirges  zu  verfallen.  Nur  die 
kräftigsten  Flüsse  konnten  ihre  Täler  rasch  genug  vertiefen ;  die  klei- 
neren Gewässer  mußten  fortan  unterirdische  Wege  einschlagen,  um 
erst  am  Fuß  des  Gebirges  in  kräftigen  Quellen  wieder  zum  Vorschein 
zu  kommen.  Dadurch  wurden  die  alten  Landformen  einer  weiteren 
Bearbeitung  durch  ständig  fließendes  Wasser  entzogen  und  konnten 
sich  dank  zugleich  der  verhältnismäßig  starken  Widerstandskraft  der 
Jurakalke  in  wesentlich  unversehrtem  Zustand  bis  in  die  Gegenwart 
herüberretten.  Naiürlich  sind  sie  stark  verwittert,  und  nur  selten 
schaut  noch  ein  Fclskopf  aus  den  abgeflachten  Hängen  hervor.  Um 
so  eindrucksvoller  ist   der  Gegensatz  zu   den   frisch   eingeschnittenen. 


')  Eine  Schilderung  habe  ich  in  der', .Beschreibung  des  Oberamts  Münsingen. 
Hrsg.  vom  K.  Württ.  Statist.  Landesamf,  2.  Bearb.  1912,  S.  154Ö'..  und  in  meiner 
,,Siedlungsgeographic  des  Königreichs  Württemberg".  1914.  S.  21,  gegeben. 

^)  Es  müßte  sich  höchstens  herausstellen,  daß  die  Trockentallandschaft  der 
Hochalb  selbst  erst  in  eine  noch  ältere  Verebnungsfläche  eingesenkt  ist,  ein  Eindruck, 
den  man  stellenweise  auf  der  Fränkischen  Alb  bekommen  kann. 


l)a,<  Schichtstufenland.  ]35 

schroff  und  unvermittelt  einbrechenden  Engtälern.  Mit  ihren  jäh  auf- 
schießenden, mannigfach  gestalteten  Felsformen,  ihrer  ganz  anderen 
Vegetation,  ihrer  reichen  Bewässerung  im  Grunde  zaubern  sie  eine 
neue   Welt  hen^or. 

Weiter  nördlich  und  westlich  sind  die  Jurakalke  zufolge  der  stär- 
keren Hebung  und  zugleich  des  tieferen  Einschneidens  der  dem  Rhein 
zugewandten  Flüsse  durch  Unterschneidung,  wogegen  auch  die  härx 
teste  Deckschicht  wehrlos  ist,  schon  frühzeitig  zum  A^erschwindcn 
gebracht  und  die  darunter  liegenden,  der  oberflächlichen  Abspülung 
viel  mehr  ausgesetzten  Mergel-  und  Sandsteinschichten  durch  die  ver- 
einten Kräfte  der  Flußarbeit  und  Abtragung  vollständig  umgearbeitet 
worden. 

Daß  die  Talvcrtiefung  auch  in  jüngerer  Zeit  noch  mehrfache 
Unterbrechungen  und  wieder  Neubelebungen  erfahren  haben  muß. 
zeigen  die  häufigen  Gefällsknicke  im  Lauf  der  kleineren  Gewässer 
und  namentlich  die  echten,  durch  Geröllablagerungen  gesicherten 
Flußterrassen,  alte  Talböden,  wie  man  sie  jetzt  in  allen  Flußgebieten 
des  Stufenlandes  festgestellt  und  vielfach  mit  den  diluvialen  Schotter- 
terrassen des  Alpenvorlandes  parallelisiert  hat.  Aber  nur  einmal  und 
nur  auf  kleine  Strecken  ist  es  dabei  noch  einmal  zu  einer  Abtragung 
bis  nahe  zum  unteren  Denudationsniveau  gekommen;  das  war  um  die 
Wende  der  Tertiärzeit  oder  zu  Beginn  der  Diluvialperiede.  Alt- 
diluviale l^lußgeröUe  breiten  sich  nämlich  wie  im  Alpenvorland  so  auch 
im  Stufenland  über  ganz  auffallend  weite  Flächen  aus.  Sie  liegen  im 
Neckargebiet  meist  etwa  loo  m  über  den  heutigen  Talsohlen.  Die 
geologische  Karte  verzeichnet  sie  auf  den  Hochflächen  der  Gäu-Ebenen 
und  des  Albvorlandes  als  ,, Deckenschotter"  oder  ,, Höhenschotter"  in 
Entfernungen  bis  über  3  km  von  den  heutigen  Talrändern^).  Dies 
weist  auf  eine  Landschaft  mit  außerordentlich  weiten  und  flachen 
Tälern  hin-),  wie  sie  nur  in  einer  Zeit  längerer  tektonischer  Ruhe  ent- 
stehen kann.  Eine  so  weitgehende  Abtragung  ist  jedoch  nur  dort 
erfolgt,  wo  sich  der  Fluß  in  den  außerordentlich  leicht  verwitternden 
Schichten  des  Gipskeupers  oder  des  mittleren  und  oberen  Lias  nebst 
dem  Opalinuston  oder  an  deren  unterer  Grenze  bewegte.  Damit  wird 
das    Verständnis     für   die     immerhin     auffallend    starke   Neigung   zur 


*)  Vgl.  bes.  Geognost.  Karte  von  Württemberg  1  :  50  000,  Bl.  9.  Besigheim. 
2.  Aufl.     1903. 

^)  Das  ist  auch  die  Auffassung  von  Martin  Schmidt,  Erl.  zur  Geolog.  Spezialk. 
des  Königreichs  Württemberg,  Bl.  94.  Nagold,  S.  37:  ,,Erst  der  Diluvialperiode  ge- 
hören die  tiefen  Taleinschnitte  an,  die  das  am  Schlüsse  der  vorangegangenen  Tertiär- 
periode sehr  einförmig  wellenförmige  Relief  des  Plateaus  in  charakteristischer  Weise 
nach  einem  neuen  Typus  gegliedert  haben.'' 


jag  Robert    Grad  in  a  n  n  : 

Flächenbildung  gerade  im  Bereich  der  Lettenkohlcngruppc  und  des 
unteren  Lias  erleichtert.  Mit  dieser  Auffassung  näiiere  ich  mich 
Erwin  Scheu^),  könnte  aber  allerhöchstenfalls  eine  „lokale  Yereb- 
nungsfläche"  von  untergeordneter  Bedeutung  gelten  lassen.  Im  Be- 
reich der  Keupersandsteine  und  des  Weilien  Jura  haben  sich  die  Täler 
gleichzeitig  nicht  wesentlich  erweitert. 

Alle  übrigen  Stufenflächen  des  schwäbisch-fränkischen  Stufen- 
landes, namentlich  alle  die  l'lachböden  im  Bereich  der  Keupersand- 
steine, des  Lias,  des  Braunen  und  des  unteren  Weißen  Jura  iii  Höhen- 
lagen von  150  bis  350  ni  oberhalb  der  heutigen  Talsohlen,  aber  auch 
die  Gäuebenen  ihrer  primären  l'lntstehung  nach  erklären  sich  am 
ungezwungensten  als  durch  Abtragung  herausgearbeitete  Kumpf- 
flächen  von  der  Art,  wie  sie  in  Abb.  11,  IV.  dargestellt  sind.  Welche 
unüberwindlichen  Schwierigkeiten  einer  allgemeinen  Ausdehnung  der 
Verebnungshypothese  auf  alle  diese  Rumpfflächen  entgegenstehen, 
davon  haben  wir  uns  eingehend  überzeugt,  und  ebenso,  wie  befriedi- 
gend die  tatsächlichen  Formen  mit  den  abgeleiteten  IVohlcn  überein- 
stimmen. Besonders  geltend  zu  machen  ist  noch  die  überall  festzu- 
stellende eckige  Beschaffenheit  des  Gebirgsschuttes,  der  seine  Abkunft- 
aus  bereits  abgetragenen  Schichten  im  Hangenden  oft  noch  deutlich 
verrät,  das  Fehlen  von  Flußablagerungen  und  alten  Talstücken  auf 
den  betreffenden  Hochflächen. 

Jetzt  fragt  sich  nur  noch,  wie  weit  die  einzelnen  Stufenflächen 
unmittelbar  aus  der  einst  weiter  nach  Nordwesten  ausgedehnten 
alten  Landoberfläche  herausgeschnitten  sind  (oben  S.  133  Zifif.  3)  oder 
erst  aus  den  durch  Unterschneidung  der  alten  Landoberfläche  ent- 
standenen Firsten   (ebenda  Zifif.    i). 

Streng  genommen  ist  die  erstere  Entstehungsweise  in  unserem 
Fall  die  einfachere.  Allein  deren  charakteristisches  Merkmal,  der  ge- 
schlossene, quer  zu  den  Tälern  verlaufende  Stufenabfall,  findet  sich 
zwar  sehr  häufig  in  allgemein  gehaltenen  Beschreibungen,  aber  um 
so  seltener  in  der  Wirklichkeit.  Fast  überall  sind  die  Stufen  völlig 
zerfranst,  in  schmale,  oft  spitzwinklig  zulaufende  Bergzungen  und 
Berghalbinseln  aufgelöst.  Jede  geologische  oder  topographische  Karte 
mittleren  Maßstabs  zeigt  das  gleiche,  nicht  mißzuverstehende  Bild. 
Von  der  Stirnseite  gesehen,  erscheint  eine  solche  Stufe  dem  Fernblick 
allerdings  leicht  als  geschlossene  Wand;  allein  das  ist  nur  Gesichts- 
täuschung. Was  man  hier  sieht,  sind  in  Wirklichkeit  die  Wände  der 
weitgeöfifneten  Stirntäler,  in  die  man  von  vorn  hineinblickt ;  seltener 
Hegen  randliche  Längstäler  vor  mit  den  in  Abb.  it,  angedeuteten  Cha- 

')  Vgl.  oben  S.  120. 


Das  Schichtstufenland.  137 

rakterformeii.  Auch  die  nicht  selten  auftauchenden  Felswände  deuten 
auf  Talhängc,  nicht  auf  echte  Stufenränder  hin. 

Was  ebenso  stark  gegen  eine  alte  \  erebnungsflächc  wie  gegen  die 
immittelbare  Herausarbeitung  aus  einer  solchen  spricht,  das  sind  die 
überaus  häufigen  „Zeugen",  Reste  von  jijngeren,  sonst  bereits  ab- 
getragenen Schichten,-  die  in  Form  steiler  Rücken  und  Kuppen  über 
die  sonst  völlig  glatten  Hochflächen  emporragen.  Fast  als  Muster^ 
bild  einer  gehobenen  und  frisch  zerschnittenen  X'erebnungsfläche 
könnte  man  die  Hochfläche  tier  Löwensteiner  Berge  und  des  Main- 
hardter  Waldes  hinstellen^).  Sie  bewegt  sich  nur  im  Betrag  von  we- 
nigen Metern  um  die  weithin  gleichbleibende  Höhe  von  500  m  herum, 
während  die  jungen  Täler  bis  zu  250  m  tief  einschneiden.  Allein,  geht 
man  etwas  südwärts,  so  erheben  sich  über  diesen  Sandsteinflächen 
plötzlich  wieder  einzelne  Berginselchen  mit  einer  Decke  von  unterem 
Lias  bis  zur  Höhe  von  55(3,  560,  in  einem  F"all  (bei  Hohenbrach)  bis 
594  m. 

Ganz  ähnliche  Liasinseln  erheben  sich  über  den  ."^andsteinflächen 
des  Schurw-aldes,  des  Welzheimer  Waldes,  der  Elhvanger  Berge.  Im 
Stromberg  und  im  Schönbuch  tragen  entsprechende  Zeugen  nur  noch 
eine  Kappe  aus  Rätsandstein,  so  auch  bei  Tübingen  der  österberg  und 
der  Bußberg.  Über  den  Lettenkohlenebenen  erheben  sich  Zeugen  aus 
Schilfsandstein,  wie  der  Asperg  oder  der  Lemberg  bei  Affaltrach.  In 
dieselbe  Klasse  gehören  auch  die  zahlreichen  Zeugenberge  aus  Eisen- 
sandstein über  den  Liasflächen  an  der  Westfront  der  Fränkischen  Alb 
und  jedenfalls  zum  Teil  die  berühmten  Vorberge  der  Alb  aus  unterem 
Weißem  Jura  (Zollern,  Achalm,  Staufen,  Rechberg,  Ipf  usw^)  und 
auch  die  ,,Gammabuckel"  (Tenuilobatenmergel)  über  den  Flächen 
des  unteren  Weißen  Jura. 

Jede  dieser  Kuppen,  die  aus  Rumpfflächen  aufsteigen,  bereitet  der 
Peneplaintheorie  beliebiger  Form  hier  wie  anderswo  endlose  Verlegen- 
heiten. Gegen  ,,Härtlinge"  wie  gegen  ,,}kIosore"  sprechen  die  gleichen 
Gründe  wie  schon  oben  S.  121  angeführt.  Höchst  ungezwungen  erklären 
sie  sich  dagegen  aus  der  Firsttheorie :  es  liegen  ganz  einfach  Schul- 
terbild.ungen  vor  (vgl.  oben  S.  129  und  Abb.  12).  Dazu  stimmt 
ihr  ganzer  Aufbau ;  immer  bestehen  sie  ihrer  Hauptmasse  nach  aus 
weichem  Gestein  (Gipskeuper.  Zanklodonmergel,  Impressamergel, 
Tenuilobatenmergel),  das  von  einer  dünnen  härteren  Deckschicht  ge- 
krönt wird,  und  stets  erheben  sie  sich  entlang  der  Wasserscheide, 
genau  in  der  Alitte  einer  Alasche  des  Flußnetzes,  was  für  Härtlinge 
ein  "unbegreiflicher  Zufall  wäre.     Sie  stehen  damit  in  trettlichem  Ein- 

')  Geognost.  Karte  von  Württemberg  r  :  50  000,  Bl.  10.  Löwenstein.  —  Karte 
des  D.  R.  I  :  100  000  Bl.  575.  Hall. 


J  sjg  K  (j  I )  e  r  l    ( ;  r  a  d  in  a  n  ii 

klang  mit  der  einheitlichen  Vorstellung'  einer  ehemaligen  Firstland- 
schaft, die  bei  stillstehender  Talvertiefung  langsam  der  Abtragung 
anheimgefallen  ist. 

Nur  eine  Ausnahme  muß  ich  gelten  lassen.  Die  Stufe  des  unteren 
Weißen  Jura  (Beta.  Bimammatuskalke.  ^\'erkkalk  nach  Gümbel)  setzt 
in  sehr  bedeutender  Höhe,  nur  wenig  unterhalb  der  Überfläche  der 
alten  Tertiärlandschaft  der  Alb  ein  und  steigt  nach  Nordwesten  so 
stark  an,  daß  sie  dort,  wo  sie  breiter  entwickelt  ist,  die  bedeutendsten 
Höhen  der  Alb  überhaupt  erreicht  (Lemberg  1015  m,  Oberhohcnberg 
loii  m,  Deilingcr  Berg  1006  m).  Es  ist  wohl  denkbar,  daß  ein  Teil 
dieser  Hochflächen  —  denn  sie  sind  morphologisch  sicher  nicht  ein- 
heitlich -  wirklich  unmittelbar  aus  der  älteren  Tcrtiärlandschaft 
herausgeschnitten  ist.  Die  Kalke  des  mittleren  und  oberen  Weißen 
Jura  wären  dann  in  der  Zone  der  heutigen  unteren  Weiß-Jura-Stufe 
schon  im  Alttertiär  als  abgetragen  zu  denken  und  die  mittel-  und 
jungtertiäre  Zerschneidung  wäre  in  demselben  Gürtel  nicht  mehr  bis 
zur  Firstbildung  fortgeschritten ;  es  genügte  dann  die  nachträgliche 
Ausräumung  der  Tenuilobatenmergel,  um  die  Stufe  herauszuarbeiten. 

Und  noch  eine  weitere  Einschränkung  ist  bezüglich  des 
Zusammenklingens  der  einzelnen  Landschaftselemente  zu  machen  :  die 
jüngsten  Taleinschnitte  fallen  ebenfalls  aus  dem  Rahmen  des  Gesamt- 
bildes heraus.  Sie  sind  wie  im  iMbgebict  (oben  S.  134  f.),  so  auch  im 
übrigen  Stufenland  schroff  und  unvermittelt,  oft  mit  scharfen  Kanten 
in  die  altdiluvialen  Talböden  und  die  gesamte,  sonst  so  wohlabgerun- 
dete Abtragungslandschaft  eingesenkt.  In  ihren  oberen  und  seitlichen 
Verzweigungen  zeigen  diese  Talnetze  noch  überall  die  jugendlichen 
Formen  des  Kerbtales.  Diese  vertragen  sich  schlechterdings  nicht  mit 
einer  gleichzeitigen  Abflachung  der  Firste,  die  vielmehr  einen  Still- 
stand der  Talvertiefung  und  daher  lauter  wohlausgereifte  Sohlentäler 
als  gleichzeitige  Bildungen  voraussetzt.  Auch  aus  diesem  Grunde 
müssen  wir  annehmen,  daß  auf  die  tektonische  Ruheperiode,  der  unser 
Schichtstufenland  seine  Charakterformen  wesentlich  verdankt,  eine 
Neubelebimg"  der  FTußarbeit,  wahrscheinlich  durch  erneute  Hebung 
des  ganzen  Gebietes,  gefolgt  ist.  Diese  Firste,  aus  denen  die  heutige 
Landschaft  herausgearbeitet  ist,  müssen  wir  uns  daher  nicht  aus  dem 
Grunde  der  heutigen  Täler,  vielmehr  aus  einer  (relativ)  weit  höher 
gelegenen  Basis  aufsteigend  denken. 

6.  Die  morphogenetische  Entwicklungsfolge.  Zur  vollständigen 
Klärung  und  zugleich  als  Probe  auf  die  Durchführbarkeit  der  vor- 
getragenen Anschauungen  ist  eine  gedrängte  Übersicht  über  die  form- 
bildenden Vorgänge  wohl  kaum  zu  entbehren.  Auf  genauere  Zeit- 
bestimmungen,   die   vom    erdgescliichtlichen    .Standpunkt   aus  vielleicht 


Das  SchicIUslufciiland  139 

erwünscht,  aber  von  der  Murpholog-ic  aus  nicht  erforderlich  sind,  muß 
um  so  mehr  verzichtet  werden,  als  die  Entwicklung  in  den  einzelnen 
Teilen  des  Gebietes  keine  gleich fcn-m ige  war.  Im  Osten,  im  Regnitz- 
und  Altmühlgebict,  waren  die  1  lebungsvorgängc  viel  schwächer  als  im 
Westen;  hier  ist  sogar  eine  starke  Senkung  zvvischeneingeschaltet,  wie 
die  mächtigen  Sandablagerungen  in  den  weiten  Talgründen  des  Nürn- 
berger Beckens  beweisen.     Die  Hauptvorgänge  sind  folgende : 

1.  Auftauchen  des  Landes  aus  dem  Jurameer  zu  mäßiger  Höhe. 
Die  Abdachung  entspricht  wenigstens  eine  Zeitlang  annähernd  den 
heutigen  Entwässerungsverhältnissen.  Ausbildung  des  Gewässer- 
netzes; beginnende  Abtragung  des  Landes. 

2.  Allmähliche  .Hebung,  besonders  stark  'im  Nordwesten  und 
Westen.  Nur  dort,  wo  die  Schichten  noch  heute  am  tiefsten  liegen 
und  wo  infolge  der  eintretenden  Verkarstung  der  Jurakalke  nur  eine 
sehr  geringe  Taldichte  herrschte  (Schwäbische  und  Fränkische  Alb), 
bleibt  die  alte  Landoberfläche  im  wesentlichen  erhalten,  sonst  wird 
sie  bis  in  die  Zone  der  heutigen  unteren  WeiLH-Jura-Stufe  durch  Unter- 
schneidung seitens  der  sehr  tief  eingesägten  Flüsse  vollkommen  zer- 
stört und  das  Land  in  Firste  aufgelöst.  Es  erfährt  dadurch  eine 
mittelbare  Abtragung  auf  ein  Niveau,  das  mit  dem  Flußgefäll  an- 
nähernd parallel  verläuft. 

3.  Die  Hebung  kommt  zum  Stillstand.  Das  Land  unterliegt  der 
unmittelbaren  Abtragung;  die  Firste  werden  abgestumpft  und  das 
Ganze  allmählich  in  eine  Schichtstufenlandsjchaft  verflacht;  eine  ganze 
Anzahl  von  Schichtstufen  entsteht  gleichzeitig  in  verschiedenen 
Höhen:  Muschelkalk-,  Keuper-,  Lias-,  untere  Weiß-Jura-Stufe  nebst 
schmäleren  Vorstufen.  Die  letzte  große  Stillstandsperiode  reicht  min- 
destens bis  zum  Ende  der  Tertiärzeit  und  ist  ausreichend,  um  an  be- 
schränkten Stellen  im  Bereich  besonders  weicher  Schichten  das  Land 
bis  nahe  zum  unteren  Denudationsniveau  abzutragen  (Gäu-Ebenen  und 
Albvorland  je  zum  Teil). 

4.  Erneute  und  wiederholte  IJelebung  der  Flußarbeit  während 
der  Diluvialperiode  durch  Hebungen,  die  wiederum  im  Schwarzwald 
und  Odenwald  besonders  kräftig  einsetzen,  und  vielleicht  auch  durch 
Zunahme  der  Niederschläge.  Ausbildung  der  heutigen  scharfen  Tal- 
einschnitte mit  Flußterrassen,  während  die  Abtragung  der  Höhen,  so- 
weit sie  nicht  von  der  jüngsten  Talbildung  angeschnitten  werden,  sehr 
langsam  in  den  alten  Bahnen  weitergeht ;  Herausbildung  der  heutigen 
Geländeformen. 


140  ^''  ^^  IUI  d  c  r  1  i  c  li : 


Die  Bedeutung  der  diluvialen  Ablagerungen 
für  die  Entwicklung  des  polnischen  Flachlandes. 

\'()ii  Dr.  E.  Wunderlich. 

Über  den  Untergrund  des  polnischen  Flachlandes  Hegen  bisher  nur 
ganz  wenige  spezielle  Untersuchungen  vor.  Eine  kurze  Arbeit  von 
L  e  vv  i  11  s  k  i  beschäftigt  sich  weniger  damit,  die  Entwicklung  der 
heutigen  Oberflächengestaltung  zu  erklären,  als  vielmehr  die  Tektonik 
des  tieferen  Untergrundes  aufzuhellen.  Auf  Grund  der  Bohrungs- 
ergebnisse längs  der  beiden  Querprofile  Ciechocinek  —  Deblin  und 
Kaiisch — Wlodawa  wird  ein  muldenförmiger  Bau  des  mittleren  und 
nördlichen  Kongreß-Polen  festgestellt  und  dessen  hydrologische  Kon- 
sequenzen besprochen^).  Von  F  1  e  s  z  a  r  ist  sodann  unter  dem  Titel 
,,Zur  Evolution  der  Oberflächengestaltung  des  polnisch-deutschen  Flach- 
landes" eine  vorläufige  Mitteilung  erschienen-),  deren  Titel  eigentlich 
die  Mitbehandlung  des  polnischen  Flachlandes  vermuten  läßt.  Das  von 
ihm  auf  seinen  beiden  Karten  dargestellte  und  im  Text  behandelte 
Gebiet  umfaßt  jedoch  lediglich  das  norddeutsche  Flachland  bis  zur 
Prosna. 

Die  erste  zusammenfassende  Darstellung  dessen,  was  bisher  über 
die  Entwicklung  der  Oberflächengestalt  des  polnischei^  Flachlandes 
bekannt  war,  ist  unseres  Wissens  in  großen  Zügen  im  ,, Handbuch  von 
Polen"  3)  gegeben.  Meine  damaligen  Ausführungen  stützten  sich,  so- 
weit sie  auf  den  tieferen  Untergrund  Bezug  nahmen,  auf  die  Ergebnisse 
der  Tiefbohrungen,  die  bis  dahin  in  der  polnischen  geologischen 
Literatur  bekannt  geworden  waren.  Es  handelte  sich  für  Kongreß- 
Polen  um  ungefähr  400  Bohrungen.  Schon  damals  wurde  der  Mangel 
eines  systematisch  fortgesetzten  Bohrungsverzeichnisses  nach  Art  der 
von  der  Preußischen  Geologischen  Landesanstalt  herausgegebenen  Re- 
gister für  Kongreß-Polen  besonders  betont.  Inzwischen  ist  nun  pol- 
nischerseits  vom  Ingenieur  R  y  c  h  1  o  w  s  k  i  der  erste  Versuch  einer 
solchen  Zusammenstellung  gemacht  worden'*);  die  Herausgabe  des  um- 


')  Lewinski,  J.,  Die  unterirdischen  Gewässer  des  nördlichen  Teils  des  König- 
reichs Polen  (russisch).     Waschau  191 1. 

Ein  kürzerer,  inhaltlich  ähnlicher  .Aufsatz  ist  polnisch  erschienen  unter  dem 
Titel:  „Wody  artezyjskie  w  pöhiocnej  czesci  Kröl.  Polskiego".     Zieniia  I.  1910. 

')  Anzeiger  der  Akad.  der  Wiss.,  Krakau  1913. 

^)  Handbuch  von  Polen.  Beiträge  zu  einer  allgemeinen  Landeskunde,  i.  .Aufl. 
Berlin  1917. 

■•)  R  y  c  h  t  o  w  s  k  i  .  B..  Materjaly  do  hydrologii  Krölcstwa  Polskiego  i  ziem 
przylcghch  (Materialien  zur  Hydrologie  des  Königreichs  Polen  und  der  angrenzenden 
Länder.)     Warschau    191 7. 


Die  Hedputiini^   (1<m-  diluvialon   Abla^'iTiiiij^'eii  usw.  ]  l\ 

fangreichen,  über  700  Seiten  starken  Bandes  ist  durch  die  Gesellschaft 
der  Wissenschaften  in  Warscliau  ermöglicht  worden.  R  y  c  h  i  o  w  s  k  i  s 
Register  bezieht  sich  indessen  nicht  nur  auf  Kongreß-Polen,  sondern 
vor  allem  auch  auf  die  angrenzenden  litauischen,  weiß-  vmd  groß- 
russischen sowie  ukrainischen  Gebiete;  nur  rund  die  Hälfte,  also  etwa 
600  der  tabellarisch  wiedergegebenen  Bohrungen,  ist  dem  Gebiete 
Kongreß-Polens  entnommen.  Als  erster  Versuch  einer  solchen  syste- 
matischen Sammlung  verdient  das  Werk  von  R  y  c  h  1  o  w  s  k  i  sicherlich 
alle  Anerkennung,  obgleich  sowohl  vom  wissenschaftlichen  wie  vom 
praktischen  Gesichtspunkt  aus  vieles  noch  anders  hätte  angelegt  werden 
können'). 

Immerhin  enthält  die  Zusammenstellung  von  R  y  c  h  1  o  w  s  k  i  einige 
neue  Bohrungsmaterialien,  die  mir  bei  der  Abfassung  der  ersten  Auf- 
lage des  Handbuches  noch  nicht  bekannt  waren.  Ich  habe  daher  bei 
den  nunmehr  so  erweiterten  Grundlagen  zum  ersten  Male  den  Versuch 
machen  können,  das  gesamte  Bohrungsmaterial  für  Kongreß-Polen 
kartographisch  auszuwerten.  An  der  Hand  der  beiden  folgenden 
Karten  (Abbild,  i  und  2)^)  soll  die  Entwicklung  der  Oberflächengestal- 
tung des  Landes  etwas  eingehender  verfolgt  werden. 

Zunächst  seien  einige  kurze  methodische  Bemerkungen  voraus- 
geschickt. Karte  i  gibt  eine  schematische  Übersicht  der  durchschnitt- 
lichen Mächtigkeit  des  Diluviums  innerhalb  Kongreß-Polens,  und  zwar 
bezeichnen  die  gezogenen  Linien  sogenannte  Isopachyten,  d.  h.  Linien 
gleicher  Mächtigkeit,  im  Abstand  von  50  zu  50  Meter.  Sie  sind  in 
eine  moderne  Höhenschichtenkarte  eingezeichnet,  um  sofort  die  Be- 
deutung der  eiszeitlichen  Aufschüttungen  für  das  heutige  Relief  hervor- 
traten zu  lassen.  Als  Grundlage  für  die  Konstruktion  der  Karte  sind 
zunächst  die  Bohrungen  benutzt,    in  denen  das  Diluvium  völlig  durch- 


^)  Ungenügend  sind  vor  allem  die  Quellenangaben;  wo  der  Verfasser  nicht 
eigenes  Material  verwendet,  hätte  unbedingt  eine  genauere  Quellenangabe  stattfinden 
müssen.  Dadurch,  daß  das  behandelte  Gebiet  bis  über  Petersburg.  Moskau  und  die 
Wolga  hinaus  bis  an  das  Kaspische  Meer  ausgedehnt  worden  ist,  ist  ferner  das  Material 
häufig  lückenhaft  geblieben.  Im  einzelnen  lassen  dann  die  Ortsbezeichnungen  viel- 
fach sehr  zu  wünschen  übrig;  besonders  spezielle  Angaben  über  die  genauere  Lage 
der  Bohrlöcher  (Lokalität,  Höhenlage  usw.)  vermißt  man  leider  allzu  häufig,  so  daß 
die  Auswertung  der  Bohrungen  ohne  Zuhilfenahme  genauerer  Spezialkarten  vielfach 
ganz  unmöglich  ist.  Sehr  unzweckmäßig  ist  es  auch,  daß  die  Angaben  der  Mächtig- 
keit der  Schichten  in  Fuß  statt  in  Meter  gegeben  werden;  selbst  wo  die  Original- 
angaben  in  Fuß  gegeben  sind,  hätte  die  Umrechnung  in  Meter  vorgenommen 
werden  sollen;  die  Originalangaben  hätten  ja  zur  Kontrolle  in  Klammern  daneben 
gesetzt  werden  können.  Vgl.  hierzu  auch:  Wunderlich,  E.,  Der  tiefere  üntef' 
grund  Kongreß-Polens.     Dtsch.  Warsch.  Zeitung  vom  15.  Mai  1918. 

^)  Vgl.  Handbuch  von  Polen.    2.  Aufl.    1918.    S.  126  und  127. 


142 


K.  W  u  n  d  c  r  I  i  c  h  : 


sunken  worden  ist^).  Ihre  Zahl  ist  in  Kongreß-Polen  nicht  sehr  groß. 
Die  betreffenden  Bohrungen  wurden  ursprünglich  auf  einer  größeren 
Übersichtskarte  eingetragen  und  danach  die  Iso]:)achyten  zunächst  in 
großen  Zügen  konstruiert.  Bei  der  endgültigen  i\us/eichnung  sind 
dann  auch  die  übrigen  Bohrungen,  wo  das  Diluvium  nicht  durchsunken 
ist,  als  Hilfspunkte  mit  verwertet  worden;  sie  vermögen  gelegentlich 
wertvolle  Hinweise  zu  geben.  Wo  mehrere  Bohrungen  für  einen  Ort 
zur  Verfügung  standen,  ist  in  der  Regel  der  maximale  Wert  verwendet 
worden.  Besonders  mag  hier  noch  auf  die  Verwendung  der  so- 
genannten Talbohrungen  hingewiesen  werden,  d.  h.  der  Punkte,  wo  die 
Bohrlöcher  in  den  großen  Talungszügen  des  polnischen  Flachlandes 
niedergebracht  sind.  Hier  mußte  berücksichtigt  werden,  daß  einzelne 
dieser  Talzüge  bis  zu  30  und  40  Meter  in  die  diluviale  Hochfläche 
eingesenkt  sind,  und  der  entsprechende  Betrag  ist  der  Mächtigkeit  des 
erbohrten  Diluviums  hinzugefügt  worden.  Bei  Warschau  z.  B.  beträgt 
der  Summand  rund  20  Meter,  bei  Kaiisch  30  Meter,  bei  Wioclawek 
noch  etwas  mehr  (30  bis  40  Meter).  Eine  eingehendere  Nachprüfung 
der  Bohrungsangaben  selbst  konnte  nicht  vorgenommen  werden,  da  sie 
bei  dem  Fehlen  einer  amtlichen  Zentralstelle,  die  vor  allem  die  Bohr- 
proben sammeln  müßte,  auf  sehr  große  Schwierigkeiten  stößt.  Doch 
ist  in  allen  Fällen,  wo  die  Angaben  im  Vergleich  zu  den  anderen 
Bohrungen  zweifelhaft  erschienen,  von  einer  Verwendung  der  be- 
treffenden Zahlen  abgesehen  worden. 

Die  zweite  Karte  (Abbild.  2)  gibt  eine  schematische  Übersicht  der 
subdiluvialen  Oberfläche-)  des  polnischen  Flachlandes,  und  zwar  be- 
zeichnen die  angegebenen  Linien  Isohypsen  dieser  alten  Fläche  in 
Abständen  von  50  zu  50  Meter.  .Ms  Grundlage  ist  wiederum  die 
moderne  Höhenscliichtenkarte  gewählt,  um  die  Bedeutung  des  alten 
Reliefs  für  die  heutige  Oberflächengestaltung  zu  zeigen.  Auch  für 
diese  Karte  sind  die  Bohrungen,  wo  das  Diluvium  nicht  durchsunken 
ist,  als  Hilfspunkte  mit  herangezogen  worden.  Wo  mehrere  Bohrungen 
zur  Verfügung  standen,  sind  stets  die  tieferen  zugrunde  gelegt.  Im  Süden 
des  Landes,  wo  die  älteren  Gesteine  in  kleineren  oder  größeren  Flächen 
an  die  Oberfläche  emporkommen,  hat  die  topographische  Karte  die 
Konstruktion  der  Isohypsen  wesentlich  erleichtert. 

')  Von  einer  Wiedergabe  der  Bohrungspunkte  in  der  Karte  mußte,  um  die 
Darstellung  nicht  zu  überlasten,  abgesehen  werden.  Im  allgemeinen  können  diese 
Angaben  auch  im  Rahmen  einer  solchen  Skizze  entbehrt  werden. 

')  Fleszar  spricht  bei'  seiner  Karte  von  der  „unterdiluvialen"'  Fläche.  Der 
Ausdruck  erscheint  mir  nicht  günstig,  weil  er  leicht  Verwechslungen  mit  der  in 
geologischen  Schriften  noch  immer  gebräuchlichen  Bezeichnung  ,, unteres  Diluvium" 
hervorrufen  kann. 


Die  Bedeutung  der  diluvialen  Ablagerungen  usw.  143 

Erwähnt  sei  scliließlich  noch,  daß  beide  Karten  unabhängig  von- 
einander konstruiert  worden  sind,  um  so  zugleich  die  Probe  auf  die 
Richtigkeit  der  Darstellung  zu  erhalten.  Die  Abweichungen  der  beiden 
Karten  sind  indessen  verhältnismäßig  so  gering,  daß  sie  im  allgemeinen, 
unbeschadet  vernachlässigt  werden  können,  um  so  melir,  als  es  sich 
ja    nur   um    schematische  Übersichten    handelt.  Im    einzehien    lassen 

die  beiden   Karten  folgendes  erkennen : 

a)  Karte  der  durchschnittlichen  x\I  ä  c  h  t  i  g  k  e  i  t. 
Das  Material  ist  für  das  nördliche  Kongreß-Polen  zu  lückenhaft,  so  daß 
es  noch  nicht  möglich  ist,  die  Isopachyten  für  das  Polnisch-Baltische 
Hügelland  festzulegen.  Die  Bohrungen  im  Gouvernement  Suwatki 
(in  Kowno,  Kalwarja  usw.)  zeigen  ein  rund  KX)  Meter  mächtiges 
Diluvium,  das  indessen,  noch  nicht  durchsunken  ist,  so  daß  über  die 
Gesamtmächtigkeit  bisher  nichts  Sicheres  bekannt  ist.  Wahrscheinlich 
ist  sie  stellenweise,  namentlich  in  der  Suwalkier  Moränenlandschalt, 
die  die  Fortsetzung  des  Baltischen  Höhenrückens  bildet,  viel  größer. 
Allerdings  ist  anderseits  das  Diluvium  in  der  Umgebung  von  Grodno 
und  an  verschiedenen  anderen  Punkten  längs  des  Niemen  stellenweise 
nicht  sehr  mächtig;  Kreide  und  Tertär  kommen  hier  mehrfach  hoch 
herauf.  Aber  es  ist  nicht  ganz  sicher,  ob  diese  älteren  Schichten  in 
diesen  hohen  Niveaus  tatsächlich  insgesamt  anstehend  sind,  oder  zum 
Teil  nur  Schollen  innerhalb  eines  mächtigeren  Diluviums  darstellen. 

Glücklicherweise  wird  das  vorliegende  Bild'  durch  die  Ergebnisse 
der  zahlreichen  Bohrungen  etw^as  ergänzt,  die  in  den  angrenzenden 
Teilen  des  norddeutschen  Flachlandes  (Provinz  Ost-  und  Westpreußen) 
niedergebracht  und  von  F  1  e  s  z  a  r  bereits  verwertet  worden  sind.  Seine 
Karte  ergänzt  unsere  Darstellung  für  das  ganze  nördliche  Gebiet  mit 
Ausnahme  von  Suwalki,  für  das  vorläufig  die  näheren  Grundlagen 
noch  ausstehen.  Auch  über  die  nordöstlich  angrenzenden  Teile  Litauens 
und  Weißrußlands  fehlt  es  noch  durchaus  an  den  wünschenswerten 
Unterlagen. 

Nach  F  1  e  s  z  a  r  s  Karte  erreicht  das  Diluvium  im  Gebiet  des 
Baltischen  Höhenrückens  (Masuren)  über  150  Meter  Mächtigkeit.  Da 
indes  das  Diluvium  nach  den  Angaben  Gagels  auf  den  größten 
Höhen  des  Baltischen  Höhenrückens  noch  nicht  durchsunken  worden 
ist^),  kann  man  wohl  annehmen,  daß  der  maximale  Betrag  rund 
200  Meter  erreicht.  Nach  Süden  zu,  gegen  Kongreß-Polen,  findet  nach 
F"  1  e  s  z  a  r  eine  rasche  Abnahme  statt.  Der  von  ihm  angegebene  Ver- 
lauf der   lon  Meter-lsopachyte,   die  Kongreß-Polen  ganz  auszuschließen 

'1  Gagel,  C,  Die  Be\vei:se  für  eine  mehrfache  X'ereisung  Xorddeutschlands 
in  diluvialer  Zeit.     (leol.   Rundschau   1913.  spez.  S.  39*1. 


■J  44  E.  W  11  II  d  (•  r  1  i  r  li  : 

scheint,  stimmt  indessen  nicht  niit  dem  Ergebnis  der  bisherigen  pol- 
nischen Tiefbohrun^en  überein.  F  1  e  s  /,  a  r  zeichnet  nur  an  der  unteren 
Drewenz  noch  einmal  eine  kleine  Insel  von  über  lüO  Meter  Mächtigkeit, 
•läßt  aber  im  übrigen  die  lOO  Meter-Isopachyte  weit  nördlich  Kongreß- 
Polens  verlaufen.  Wie  jedoch  aus  der  beifolgenden  Karte  hervorgeht, 
erreicht  das  Diluvium  noch  am  Südrand  der  Plonsker  Platte  und  auch 
im  Bereich  der  Ostrower  Hochfläche  im  Durchschnitt  noch  immer  über 
lOO  Meteri).  Selbst  falls  es  sich  später,  wenn  weitere  Bohrungen  hin- 
zugekommen sind,  herausstellen  sollte,  daß  die  angegebenen  Punkte 
nur  sozusagen  Inseln  größerer  Mächtigkeit  darstellen,  so  ist  doch  ganz 
klar,  daß  die  Abnahme  des  Diluviums  auf  der  polnischen  Südabdachung 
des  Baltischen  Höhenrückens  nicht  so  rasch  erfolgt,  als  man  nach  der 
Karte  von   F  l  e  s  z  a  r   annehmen  sollte^). 

Längs  des  unteren  Weichseltales  ist  die  Zahl  der  Bohrungen  inner- 
halb Kongreß-Polens  relativ  weitaus  am  größten.  Das  Auftreten  von 
Steinsalz  und  Braunkohle  hat  hier  eine  lebhaftere  Bohrtätigkeit  ver- 
anlaßt, die  eine  genauere  Darstellung  dieses  Gebietes  ermöglicht. 
Allgemein  ist  die  verhältnismäßig  sehr  geringe  Mächtigkeit  des  Diluviums 
längs  des  ganzen  unteren  Weichseltales  charakteristisch;  sie  tritt  auf 
der  beifolgenden  Karte  durch  den  Verlauf  der  50  m-Isopachyte  deutlich 
hervor.  Zunächst  ist  in  der  Gegend  zwischen  Nieszawa,  Wlociawek 
und  Radziejöw  eine  größere  Anzahl  von  Bohrungen  vorhanden,  in 
denen  das  Diluvium  50  m  noch  nicht  erreicht.  Diese  Zone  setzt  sich 
ostwärts,  wenn  auch  etwas  schmaler  werdend,  fort.  Sowohl  auf  dem 
Nordufer  der  Weichsel  (Gegend  von  Piock-Dobrzyi'i),  als  auch  auf  dem 
Südufer  (Gombin,  Sochaczew)  ist  das  Diluvium  durchschnittlich  wenig 
mächtig.  Das  gestattet,  den  Verlauf  der  50  m-Isopachyte  nach  Osten 
weiter  zu  verfolgen.  Selbst  in  Lowicz  sind  in  einer  Bohrung  nur  31  m 
Diluvium  festgestellt.  In  einer  anderen  Bohrung  daselbst  ist  allerdings 
das  Diluvium  mit  57  m  noch  nicht  durchsunken;  immerhin  wird  man 
eine  Ausbuchtung  der  50  m-Isopachyte  nach  Süden  bis  in  die  Gegend 
von  Lowicz  annehmen  müssen.  Äußerst  geringmächtig  erweist  sich  ferner 
das  Diluvium  an  dem  gesamten  Nordostrand  der  Warschau — Lodzer  Platte, 
in  der  Gegend  von  Btonie,  Grodzisk  und  Mszczonöw  bis  nach  Warschau 
und  Praga.    Abgesehen  von  einer  einzigen  Bohrung  in  Jeziorna  (südlich 


')  Bohrung  Wnory  nördlich  Mazowieck  iii  Meter  /n.  d.  ^  nicht  durchsunken/, 
Podgörze  bei  Lomza  100  Meter  /n.  d./,  Grodzisk  nördlich  Oströw  108  Meter  /n.  d./, 
Sokolowo  bei  Pultusk  106  Meter,  Malawie.s  bei  Wyszogröd  116  Meter  /n.  d,/,  Lipno 
109  Meter  /n.  d./  —  die  letzte  Bohrung  ist  allerdings  nicht  ganz  sicher. 

')  Wegen  dieser  Unterschiede  ist  auch  davon  abgesehen  worden,  die  Fortsetzung 
der  Isopachyten  aus  der  Karte  von  F  1  e  s  z  a  r  in  die  eigene  Darstellung  zu  über- 
nehmen. 


Die  Bedeutung  der  diluvialen  Ablagerungen  usw.  ]45 

m 

Warschau),  die  angeblich  147  m  Diluvium  angetroffen  haben  solP),  ist 
das  Diluvium  im  Bereich  (;Jes  südwestlichen  Teiles  des  Warschauer 
Staubeckens  und  seiner  Umgebung  augenscheinlich  durchweg  wenig 
mächtig.  In  fast  sämtlichen  Vororten  Warschaus  bleibt  das  Diluvium 
unter  50  m;  nur  in  Czyste  ist  an  einer  Stelle  etwas  über  50  m  Diluvium 
festgestellt'^).  Erst  weiter  nach  Modlin  zu  wird  das  Diluvium  augen- 
scheinlich wieder  mächtiger.  In  Jabtonna  sind  53  m  Diluvium  erbohrt, 
die  sich  unter  Anrechnung  der  diluvialen  Abtragung  um  etwa  20  m 
erhöhen.  Demnach  ist  die  50  m-Isopachyte  hier  gegen  Nordosten  ge- 
schlossen. Auch  sonst  ist  eine  weitere  Fortsetzung  der  Zone  gering- 
mächtigen Diluviums  nach  Osten  nicht  erkennbar,  selbst  wenn  Hilfs- 
isopachyten  in  Abständen  von  25  zu  25  m  eingefügt  werden.  So  sind 
bei  Wegröw  87  m  Diluvium  festgestellt;  in  Kamionek,  in  der  Nähe  der 
Bahn  nach  Biaiystok,  ist  das  Diluvium  mit  84  m  noch  nicht  durchsunken, 
und  in  der  Nähe  des  mittleren  Bugtales  ist  das  Diluvium  offenbar  noch 
mächtiger. 

Südlich  des  unteren  Weichseltales  nimmt  das  Diluvium  indessen 
ebenfalls  wieder  an  Mächtigkeit  zu.  Zwar  liegt  in  der  Gegend  von 
Kutno  und  Leczyca  noch  ein  inselförmiges  Gebiet,  wo  das  Diluvium 
unter  50  m  bleibt^),  weiter  im  Süden  aber  nimmt  die  Mächtigkeit  dann 
rasch  noch  einmal  beträchtlich  zu.  Bei  Warta  (nördlich  Sieradz  an  der 
Warthe),  in  Lodz  und  westlich  von  Lowicz  (Jackowice)  sind  Mächtig- 
keiten des  Diluviums  von  über  lOO  m  festgestellt,  und  selbst  südwestlich 
von  Kaiisch,  in  Szczypiorno,  wurden  noch  82  m  Diluvium  erbohrt. 
Unsicher  ist  allerdings,  ob  das  Gebiet  tatsächlich  ein  geschlossenes, 
einheitliches  Areal  der  lOO  m-Isopachyte  bildet,  oder  ob  sich  das  Ganze 
•später,  wenn  weitere  Bohrungen  vorliegen  werden,  in  einzelne  Inseln 
auflösen  wird.  Nicht  ganz  sicher  ist  ferner,  ob  die  Zone  mit  über 
100  m  Mächtigkeit  von  Lodz  her  bis  an  die  deutsche  Grenze  reicht, 
oder,  wie  auf  unserer  Karte  angenommen  ist,  nach  Westen  zu  geschlossen 
bleibt.  In  Kaiisch  selbst  sind  an  der  Prosna  nur  30  m  Diluvium  erbohrt, 
die  auch  bei  Hinzurechnung  der  diluvialen  Abtragung  nicht  mehr  als 
60  m  ergeben.  Dem  entspricht  auch  der  Wert  von  Radliczyce  (östlich 
von  Kaiisch)  mit  64  m.  Bei  Konin  und  Kolo  kommt  außerdem  der 
tertiäre  Untergrund  ziemlich  hoch  herauf,  freilich  ist  nicht  sicher  bekannt, 

')  Diese  Angabe  erschien  mir  nicht  sicher;  ich  habe  sie  daher  in  der  Karte 
unberücksichtigt  gelassen. 

^)  57  m,  auf  der  Karte  als  einzige  unbedeutende  Ausnahme  daher  nicht  besonders 
hervorgehoben. 

^)  Ein  Zusammenhang  dieser  Insel  mit  dem  Gebiet  längs  der  unteren  Weichsel 
besteht  ofifenbar  nicht,  da  in  Gostynin,  Zychlin  und  deren  Umgebung  größere 
Mächtigkeiten  des  Diluviums  festgestellt  sind. 

Zeitschr.  d.  Gesellsch.  f.  F.rdkunde  zu  Berlin.     1919.     Nr.  3/4.  10 


146 


K.  W  u  11  d  c  r  1  i  c  h 


ob  das  Tertiär  hier  wirklich  ansteht,  oder  nur  Schollen  bildet.  Immerhin 
scheint  die  gegebene  Darstellung,  die  die  lOO  m-Isopachyte  auf  das 
Gebiet  zwischen  Bzura  und  Warthe  beschränkt,  richtiger  zu  sein.  Hierzu 
paßt  auch  sehr  gut  die  Darstellung  bei  F 1  e  s  z  a  r  ,  dessen  Karte  auf 
der  ostposenschen  Hochfläche  und  südlich  der  Warthe  nur  zwei  einzelne 
kleine  Gebiete  von  über  lOO  m  Mächtigkeit  angibt. '  Anderseits  dart 
allerdings  nicht  übersehen  werden,  daß  in  dem  ganzen  Dreieck  zwischen 
KaTisch,  Kolo  und  der  deutschen  Grenze  viel  zu  wenig  Bohrungen  vor- 
handen sind,  um  schon  jetzt  etwas  Abschließendes  sagen  zu  können. 
Vereinzelt  werden  sich  hier  vielleicht  doch  noch  größere  Mächtigkeiten 
feststellen  lassen. 

Ähnlich  müssen  die  Verhältnisse  im  Osten  der  Weichsel  liegen. 
Bei  Garwolin  ist  das  Diluvium  mit  125  m,  unweit  Zelechow  mit  80  m 
noch  nicht  durchbohrt,  und  wenig  westlich  von  Lukow  erreicht  das 
Diluvium  noch  82  m.  Man  kann  also  um  Garwolin  vielleicht  bis  in 
die  Nähe  von  Lukow  ein  Gebiet  mit  über  lOO  m  Mächtigkeit  annehmen. 
Auf  die  hohen  Werte  längs  des  mittleren  Bugtales  unterhalb  von  Brest- 
Litowsk  wurde  oben  bereits  kurz  hingewiesen.  Hier  ist  das  Diluvium 
in  mehreren  Bohrungen,  z.  B.  um  Drohiczyn,  mit  90  m  noch  nicht  durch- 
sunken.    Wahrscheinlich  tritt  hier  die  100  m-Isopachyte  noch  einmal  auf. 

Südlich  der  geschilderten  Zone  nimmt  dann  das  Diluvium  rasch  end- 
gültig ab.  Zunächst  folgt  ein  Streifen  von  wechselnder  Breite,  in  dem 
die  Mächtigkeit  des  Diluviums  vielfach  noch  über  50  m  beträgt,  im 
einzelnen  aber  schon  recht  ungleich  ist.  So  sind  z.  B.  längs  der  Warthe, 
ferner  südwestlich  von  Lodz  (Dobrön)  zwei  kleine  Gebiete  vorhanden, 
wo  die  Mächtigkeit  schon  ganz  geringfügig  ist.  Das  Auftreten  zahl- 
reicher weiterer  derartiger  Inseln  ist  mit  Sicherheit  zu  erwarten.  Die- 
Karte  kann  hier  bei  dem  kleinen  Maßstab  nur  den  Typus  dieser  Auf- 
ragungen des  älteren  Untergrundes  geben.  Jedenfalls  dürfte  die  auf 
unserer  Karte  eingetragene  50  m-Isopachyte  in  Wirklichkeit  einen  noch 
viel  ungleichmäßigeren  Verlauf  besitzen.  Sie  tritt  vom  deutschen  Gebiet, 
wo  ihr  F  1  e  s  z  a  r  offenbar  zuletzt  eine  zu  stark  nordwärts  gerichtete 
Tendenz  gegeben  hat,  halbwegs  zwischen  Kaiisch  und  Czenstochau 
nach  Kongreß-Polen  über".  Für  ihren  weiteren  Verlauf  sind  dann  haupt- 
sächlich die  Bohrungen  in  Parzymiechy,  in  der  Nähe  des  Wartheknies 
(58  m  Dil.,  /n.  d./),  Niechcice,  südlich  Petrikau  (45  m  Dil.,  /n.  d./)  ferner 
Cielfidz  und  Rylsk  Maly,  beide  nördlich  Nowe  Miasto  a.  d.  Pilica  gelegen 
(56  m,  /d./,  bzw.  63  m,  /n.  d./),  maßgebend.  Danach  dürfte  also  ungefähr 
das  Pilicatal  die  Südgrenze  des  über  50  m  mächtigen  Diluviums  bilden. 
Im  Radomer  Flachland  sind  jedenfalls  bisher  noch  nirgends  Mächtig- 
keiten von  über  50  m  erbohrt;  die  höchsten  festgestellten  Werte  liegen 
hier  zwischen  30  und  40  m. 


Die  Bedeutung  der  diluvialen  Ablagerungen  usw.  147 

"  Östlich  der  Weichsel  stützt  sich  die  weitere  Führung  der  50  m- 
Isopachyte  zunächst  auf  die  Bohrungen  von  Deblin  (Iwangorod)  und 
Maciejowice,  nördlich  Deblin.  Erstere  ergaben  ein  sehr  geringmächtiges 
Diluvium,  das  auch  unter  Anrechnung  der  diluvialen  Abtragung  im 
Weichseltal  50  m  nicht  erreicht;  in  Maciejowice  ist  dagegen  das  Dilu- 
vium mit  63  m  noch  nicht  durchsunken.  Maßgebend  sind  dann  weiter 
verschiedene  Bohrungen  zwischen  Radzyn  und  Parczew,  die  rund  20  bis 
30  m  Diluvium  ergeben  haben.  In  Wiodawa  a.  Bug  sind  dagegen  nach 
den  bisherigen  Bohrungen  noch  rund  50  m  Diluvium  anzunehmen. 
Offenbar  hat  das  tiefergelegene  Buggebiet  wieder  eine  mächtigere  Auf- 
schüttung erfahren. 

Südlich  der  genannten  Linie  nimmt  das  Diluvium  aber  sehr  rasch  ab. 
Die  Mittelgebirgsschwelle  mit  ihrem  älteren  Gesteinssockel  hebt  sich 
sowohl  westlich  wie  östlich  der  Weichsel  nunmehr  verhältnismäßig  schnell 
aus  der  diluvialen  Bedeckung  heraus.  In  der  Gegend  von  Dublin  und 
Cholm  ist  das  Diluvium  nur  noch  in  einzelnen  Niederungen  zwischen 
den  Kreidehöhen  etwas  mächtiger.  Zweifelhaft  scheint  mir  die  Angabe, 
daß  in  Leczna  im  mittleren  Wieprzgebiet  noch  einmal  65  m  Diluvium 
erbohrt  sein  sollen.  W^ürde  es  sich  jedoch  als  zutreffend  herausstellen, 
so  müßte  für  die  Gegend  von  Leczna  noch  einmal  die  50  m-Isopachyte 
inselförmig  eingetragen  werden.  Ausgeschlossen  ist  das  immerhin 
nicht.  — 

Zusammenfassend  zeigt  sich,  daß  die  seinerzeit  im  Handbuch  von 
Polen  gegebene  Darstellung  über  die  Mächtigkeitsverhältnisse  im  all- 
gemeinen durchaus  aufrecht  erhalten  werden  kann.  Am  stärksten 
erweist  sich  das  Diluvium  mit  fast  200  m  Mächtigkeit  im  Norden,  im 
Gebiet  des  Baltischen  Höhenrückens.  Weiter  zeigt  sich  trotz  des 
dünnen  Netzes  der  Tiefbohrungen,  daß  das  Diluvium  in  Kongreß-Polen 
nach  Süden  zu  abnimmt.  Die  Abnahme  erfolgt  jedoch  nicht  gleich- 
mäßig und  vor  allem  nicht  in  dem  Maße,  wie  bisher  von  einigen  Seiten 
angenommen  worden  ist').  Vielmehr  muß  man  bis  an  die  untere 
Weichsel  und  fast  bis  an  den  unteren  Bug  heran  im  allgemeinen  mit 
einer  Aufschüttung  von  über  lOO  m  rechnen.  Dann  folgt  die  Zone  der 
großen  Täler,  die  sog.  Polnische  Niederung.  Das  Diluvium  ist  hier 
im  Westen  zunächst  nicht  sehr  mächtig.  Namentlich  längs  der  unteren 
Weichsel  bis  in  "die  Gegend  von  Warschau  fallen  durchweg  —  beson- 
ders im  Vergleich  zu  norddeutschen  Tälern  —  die  geringen  Mächtigkeits- 
zahlen des  Diluviums  auf.  Eine  Fortsetzung  dieser  Zone  nach  Osten 
ist  aber  nicht  erkennbar.  Vielmehr  folgt  südlich  und  östlich  dieses 
Streifens   wieder   eine   Zone   stärkerer  Aufschüttung,   wo   das   Diluvium 

^)  Vgl.  vor  allem  die  Angaben  bei  B  e  h  r  und  T  i  e  t  z  e  (Jahrb.  der  Kgl.  Preuß. 
Geol.  Landesanst.  1912.    S.  98  ff.). 

10* 


]^48  ^-  Wunderlich: 

z.  T.  noch  einmal  über  lOO  ni  Mächtigkeit  erreicht,  um  dann  erst  südRch 
dieses  Streifens  gegen  die  Grenze  des  Flachlandes  verhältnismäßig  rasch 
abzunehmen.  Die  Gesamtverteilung  ist  also  ähnlich  wie  in  Nord- 
deutschland, besonders  im  Oder- Weichselgebiet.  Ob  in  Kongreß-Polen 
eine,  wenn  auch  geringe,  größere  durchschnittliche  Mächtigkeit  vor- 
handen ist,  kann  jetzt  noch  nicht  entschieden  werden. 

b)  Die  Karte  der  subdiluvialen  Oberfläche.  Im 
Norden,  im  Bereich  des  Polnisch -Baltischen  Hügellandes,  sind  die 
Grundlagen  wiederum  sehr  lückenhaft.  Die  bisher  aus  Suwaiki  bekannt 
gewordenen  Tiefbohrungen  sind  zu  wenig  zahlreich,  um  daraus  sichere 
Schlüsse  ziehen  zu  können.  Vor  allem  fehlen  Tiefbohrungen  in  dem 
Niemengebiet  zwischen  Kowno  und  Grodno,  das  in  der  Fortsetzung 
des  ostpreußischen  Höhenrückens  gelegen  und  deshalb  besonders 
wichtig  ist.  Sie  würden  erweisen,  ob  sich  die  von  F 1  e  s  z  a  r  für 
Ost-  und  Westpreußen  angegebene  Aufragung  der  subdiluvialen  Ober- 
fläche nach  Kongreß-Polen  hinein  fortsetzt.  Seine  Karte  verzeichnet 
längs  des  Baltischen  Höhenrückens  Aufragungen  der  älteren  Unterlage 
bis  über  lOO  m.  Ähnliches  zeigten  schon  früher  die  Karten  von 
Tornquist  und  Bayreuther');  nach  ersterem  soll  hier  das  Tertiär 
bzw.  wohl  auch  Kreideschichten  hoch  emporkommen;  Tornquist 
spricht  geradezu  von  einem  ,, polnischen  (Kreide-)Sockel"  an  derSüdgrenze 
Ost-  und  Westpreußens.  Er  nimmt  weiter  an,  daß  die  ältere  Unterlage 
nach  Norden  zu  absinkt,  was  die  Karte  von  F 1  e  s  z  a  r  dann  auch 
bestätigt  hat.  Die  bisherigen  Bohrungen  innerhalb  Kongreß-Polens 
stehen  dazu  nicht  im  Widerspruch.  In  Kowno  ist  die  prädiluviale 
Unterlage  in  —  4  m  z.  B.  noch  nicht  erreicht.  Und  anderseits  wäre 
nicht  ausgeschlossen,  daß  sich  die  hohe  Lage  des  prädiluvialen  Unter- 
grundes um  Grodno  als  in  der  Fortsetzung  des  polnischen  Sockels  von 
Tornquist  gelegen  erweist.  Doch  ist  leider,  wie  gesagt,  die  Zahl 
der  bekannt  gewordenen  Bohrungen  in  Kongreß-Polen  noch  viel  zu 
klein,  um  darüber  bereits  etwas  Sicheres  aussagen  zu  können. 

P>st  weiter  südHch,  nach  dem  unteren  Weichseltal  zu,  wird  das 
Netz  dicht  genug,  um  festere  Anhaltspunkte  zu  liefern.  Die  Unterlage 
des  Diluviums  liegt  hier  offenbar  im  Meeresniveau,  bzw.  etwas  darunter^). 
Wie  sich  die  o  m  -  Isohypse  fortsetzt,  muß  noch  offen  bleiben.  Ver- 
mutlich umgibt  sie  ein  geschlossenes,  nicht  sehr  breites  von  O  nach  W 
etwas  ausgedehnteres  Areal  zwischen  der  unteren  Weichsel,  dem  unteren 

')  Vgl.  Tornquist,  S.,  Geologie  von  Ostpreußen.  Berlin  1907,  und  Bay- 
reuth e  r .  W.,  Die  Oberflächengestalt  von  Pomesanien  usw.    Diss.    Königsberg  1913. 

2|  Bohrung  Drogoszewo  b.  Ostroleka  —  17m  /n.d./,  Grodzisk  b.  Ostroleka  —  8  m 
/n.  d./,  Sokolowo  b.  Puhusk  — 21  m,  PuUusk  —7m  /n.d./.  Malawies  b.  Wyszogröd 
—  I  m  /n.  d./  und  Lipno  -f  6  m  /n.  d./. 


Die  Bedeutung  der  diluvialen  Ablagerungan  usw.  X49 

Narevv  und  dem  eigentlichen  Baltischen  Höhenrücken ').  Möglicherweise 
ist  es  auch  kein  ganz  geschlossenes  Areal,  sondern  löst  sich  später, 
wenn  weitere  Bohrungen  vorliegen  werden,  noch  in  einzelne  kleinere 
Einheiten  auf. 

Längs  des  unteren  Weichseltales  steigt  die  prädiluviale  Unterlage 
rasch  an.  Schon  westlich  von  Piock  kommt  das  Tertiär  sehr  hoch 
(bis  über  50  m);  ebenso  liegt  die  Unterkante  des  Diluviums  westlich 
von  Nieszawa  durchweg  sehr  hoch.  Das  Gebiet,  wo  die  subdiluviale 
Oberfläche  geschlossen  über  50  m  aufragt,  wird  indessen  erst  etwas 
südlicher  erreicht.  Nach  den  bisher  vorhandenen  Tiefbohrungen  ver- 
läuft die  50  m-Isohypse  aus  der  Gegend  zwischen  Kaiisch  und  Peisern 
an  Turek  vorbei  über  Gostynin,  um  sich  dann,  wie  die  Karte  zeigt, 
eng  an  das  untere  Weichsel-  und  Bugtal  anzuschließen.  Möglicherweise 
muß  aber  die  Linie  im  Warthegebiet  nördlicher  gezogen  werden,  da 
in  der  Gegend  von  Kolo  und  Konin  stellenweise  das  Tertiär  recht  hoch 
kommt.  Allgemein  scheint  jedoch  der  Anstieg  der  Unterlage  nicht 
ganz  regelmäßig  zu  erfolgen.  Nordwestlich  von  Lowicz  z.  B.  ist  das 
Diluvium  bei  -  1  m  noch  nicht  durchsunken,  reicht  also  noch  unter 
den  Meeresspiegel.  Es  ist  nicht  ausgeschlossen,  daß  es  sich  hierbei  um 
eine  Ausbuchtung  der  o  m- Isohypse  nach  Süden  handelt. 

Südlich  dieser  Linie  steigt  dann  die  subdiluviale  Oberfläche  im 
allgemeinen  rasch  an.  Sie  erreicht  bald  100  m.  Die  lOO  m-Isohypse 
tritt  von  Posen  her,  wo  sie  F 1  e  s  z  a  r  zuletzt  offenbar  zu  weit  nach 
Norden  abbiegt,  nach  Kongreß-Polen  über  und  verläuft  hier  aus  der 
Gegend  von  Sieradz  längs  der  unteren  Pilica  nach  Osten.  Doch  läßt 
die  Karte  verschiedene  größere  Unregelmäßigkeiten  erkennen.  So 
macht  die  Isohypse  nördlich  von  Lodz  eine  größere  Ausbuchtung  nach 
Norden,  die  eine  höhere  Aufragung  des  Untergrundes  verrät.  Ob  eine 
damit  zusammenhängende  Erhebung  der  älteren  Unterlage  in  der  Gegend 
von  Mszczonöw  vorhanden  ist,  muß  offen  bleiben;  vorläufig  erschien 
es  sicherer,  um  Mszczonöw  zunächst  nur  eine  isolierte  Aufragung  an- 
zunehmen. Andererseits  aber  zeigt  sich  in  den  Bohrungen  nördlich 
von  Sieradz  dicht  bei  Warta  (Unterkante  -\-  ij  m)  und  in  Garwolin 
(Unterkante  o  m  /n.  d./)  eine  auffällig  tiefe  Lage  des  Untergrundes. 
Besonders  in  der  Gegend  von  Garwolin  muß  der  Untergrund  offenbar 
ziemliche  Unebenheiten    aufweisen 2),     Ob    es    sich   an   den   genannten 


^)  Ein  Zusammenhang  mit  dem  unter  dem  Meeresniveau  gelegenen  Teil  der 
subdiluvialen  Oberfläche  im  nördlichen  Ost-  und  Westpreußen,  das  nach  v.  L  i  n  s  t  o  w  s 
neuerer  Darstellung  (Zeitschrift  f.  Gletscherk.  Bd.  X)  etwas  größer  ist,  als  nach  der 
Karte  von  F  1  e  s  z  a  r  ,  scheint  aber  nicht  zu  bestehen. 

^)  Im  Rahmen  dieser  Bohrungen  betrachtet,  erscheint  auch  die  oben  erwähnte 
Bohrung  von  Jeziorna  nicht  so  ganz  unglaubwürdig. 


J50  •  K-  Wunderlich: 

beiden  Stellen  nur  um  sozusagen  isolierte  Locher  in  der  Unterlage 
oder  aber  um  Spuren  zusammenhängender  Tiel'enrinnen  handelt,  läßt 
sich  vorläufig  nicht  entscheiden.  Ausgeschlossen  wäre  das  Letztere 
indessen   bei  beiden   Stellen  keineswegs. 

Der  weitere  Anstieg  nach  Süden  erfolgt,  soweit  sich  bisher  erkennen 
läßt,  etwas  regelmäßiger.  Bald  ist  die  1 50  m- Isohypse  erreicht,  die  im 
allgemeinen  einen  ziemlich  gleichmäßigen  Verlauf  zu  nehmen  scheint, 
noch  etwas  weiter  südlich  dann  die  200  m-Isohypse,  deren  Verlauf  in 
dessen  bereits  durch  die  Höhen  längs  des  Pilicatales,  das  Mittelgebirge 
und  die  Aufragung  des  Lubliner  Hügellandes  bei  Puiawy  offensichtlich 
stark  bestimmt  wird^).   — 

Alles  in  allem  ist  das  Kartenbild  der  subdiluvialen  Oberfläche  für 
Kongreß-Polen  verhältnismäßig  klar  und  einfach.  Das  Wichtigste  daran 
ist,  daß  die  Unterlage  des  Diluviums  im  Bereich  des  Baltischen  Höhen- 
rückens sehr  hoch  liegt  (rd.  lOO  m),  daß  sie  dann  südlich  davon  stark 
eingemuldet  erscheint,  so  daß  das  Diluvium  im  nördlichen  Kongreß- 
Polen,  ja  selbst  noch  an  einzelnen  Stellen  der  Polnischen  Niederung 
bis  unter  den  Meeresspiegel  reicht.  Erst  weiter  im  Süden  steigt  dann 
die  Unterlage  gegen  die  Mittelgebirgsschwelle  hin  an.  Am  bemerkens- 
wertesten ist  somit,  wenn  man  das  heutige  Relief  damit  vergleicht, 
eine  gewisse  Übereinstimmung,  die  in  dem  muldenförmigen  Bau  der 
subdiluvialen  und  der  heutigen  Oberfläche  hervortritt.  Nur  erscheint 
die  Mulde  in  der  subdiluvialen  Fläche  etwas  weiter  nach  Norden  gelegen. 

Vergleichen  wir  nun  beide  Karten  untereinander  und  mit  dem 
heutigen  Relief,  so  läßt  sich  zunächst  die  Frage,  welche  Bedeutung 
dem  Eise  für  die  allgemeine  Oberflächenentwicklung  des  polnischen 
Flachlandes  zukommt,  einwandfrei  in  dem  Sinne  beantworten,  daß  im 
nördlichen  und  mittleren  Kongreß-Polen  wie  in  Norddeutschland  die 
diluviale  Vereisung  für  das  heutige  Relief  zweifellos  ausschlaggebend  ge- 
worden ist.  Vor  allem  fällt  auf,  daß  die  Erhebung  des  Baltischen  Höhen- 
rückens in  der  Hauptsache  doch  nur  aus  diluvialen  Aufschüttungen  ge- 
bildet ist.  Ältere  Kerne  sind  zwar  vorhanden,  scheinen  aber  doch 
nicht  so  bedeutenden  Anteil  an  der  Erhebung  des  Ganzen  zu  haben, 
als  manchmal  angenommen  wurde.  Im  mittleren  Kongreß-Polen  ist 
das  Eis  ebenfalls  insofern  ausschlaggebend  gewesen,  als  es  durch  Auf- 
füllung der  zwischen  den  präexistierenden  Höhen  gelegenen  Niede- 
rungen das  heutige,  im  allgemeinen  ausgeglichenere  Relief  geschaffen  hat. 

Ob  nun  daneben  auch  tektonische  Vorgänge  zur  Erklärung  der 
heutigen  Oberflächengestalt  des  polnischen  Flachlandes  mit  heran- 
zuziehen sind,  ist  dagegen  nicht  ohne  weiteres  zu  entscheiden. 

1)  Südlich  von  Puiawy  hätte  die  200  m- Isohypse  etwas  stärker  nach  Westen 
ausgebuchtet  werden  können,  als  es  auf  der  Karte  geschehen  ist. 


Die  Bedeutung  der  diluvialen  Ablagerungen  usw.  151 

Die  von  F  1  e  s  z  a  r  für  Norddeutschland  mit  Recht  als  Regel  an- 
gesehene Verteilung  der  Hauptmassen  des  Diluviums  in  den  Einsenkungen 
der  subdiluvialen  Oberfläche  ist  in  Kongreß-Polen  nur  im  mittleren  Teil 
des  Landes  sofort  erkennbar.  Hier  tragen  die  Höhen  der  prädiluvialen 
Unterlage  in  der  Tat  nur  ein  geringmächtiges  Diluvium,  während  die 
dazwischen  gelegenen  Einsenkungen  in  erheblichem  Maße  zugeschüttet 
worden  sind.  Ganz  offensichtlich  haben  diese  Erhebungen  schon  vor 
dem  Herannahen  der  Vereisung  bestanden  und  dem  Eis  bei  seinem 
Vordringen  Widerstand  entgegengesetzt.  Auch  längs  der  unteren 
Weichsel  ist  noch  Ähnliches  deutlich  zu  beobachten.  Hier  kommt  die 
Unterlage  des  Diluviums  verhältnismäßig  sehr  hoch  hinauf,  und  die 
diluviale  Aufschüttung  ist  wiederum  entsprechend  gering,  während  die 
nördlich  dieser  Erhebung  gelegene  Einsenkung  der  subdiluvialen  Ober- 
fläche durch  eine  über  lOO  m  mächtige  Aufschüttung  völlig  aus- 
geglichen ist.  Alan  muß  danach  wohl  annehmen,  daß  auch  das  ganze 
Gebiet  längs  der  unteren  Weichsel  schon  vor  der  Vereisung  eine  ge- 
wisse Erhebung  gebildet  hat,  deren  Entstehung  allerdings  noch  zu  er- 
klären wäre^). 

Anders  liegen  die  Verhältnisse  dagegen  in  der  Zone  Lodz-Garwolin 
und  vor  allem  im  Bereich  des  Baltischen  Höhenrückens.  Im  erst- 
genannten Gebiet  weist  der  Untergrund,  abgesehen  von  der  Erhebung 
der  Kreideschichten  bei  Lodz,  keine  besonderen  Unregelmäßigkeiten 
auf.  Trotzdem  hat  hier  eine  beträchtliche  Zunahme  der  diluvialen  Auf- 
schüttungen stattgefunden.  Tektonische  Einflüsse  scheinen  mir  indessen 
dafür  nicht  maßgebend.  Ich  glaube  vielmehr,  diese  besonders  stark 
ausgeprägte  Akkumulationszone  durch  die  gerade  in  diesem  Streifen 
nachweisbare  längere  Stillstandslage  des  Eises  genugsam  erklären  zu 
können.  Von  der  Warthe  her  ziehen  sich  hier  über  Lodz  und  Rawa 
Spuren  einer  größeren  Randlage  des  Eises,  die  sich  weiterhin  nach 
kurzer  Unterbrechung  durch  das  Weichseltal  deuthch  bis  in  die  Gegend 
südlich  von  Siedice  verfolgen  lassen. 

Bekanntlich  haben  auch  Stillstandslagen  das  Relief  des  Baltischen 
Höhenrückens  geschaffen  und  nach  der  Großartigkeit  dieser  Landschaft 
zu  urteilen,  müssen  die  Stillstandslagen  von  noch  viel  größerer  Dauer 
gewesen  sein.  Trotzdem  bleibt  auffallend,  daß  gerade  im  Bereich  des 
Baltischen  Höhenrückens,  wo  die  prädiluviale  Unterlage  zum  Teil  bis 
zu  über  lOO  Meter  heraufkommt,  die  diluviale  Aufschüttung  so  mächtig 
ist.  Die  Frage,  ob  hier  die  subdiluviale  Oberfläche  tatsächlich  mit  dem 
vordiluvialen  Relief  identisch  ist,  oder  ob  letzteres  nicht  doch  durch 
nachträgliche  tektonische  Vorgänge  verändert  worden  ist,  bedarf  zweifel- 

')  Auf  den  Gegensatz  dieser  Verhältnisse  zu  den  norddeutschen  Tälern  (Oder, 
Elbe  und  Weser)  wurde  bereits  kurz  hingewiesen. 


2  52  E.  W  u  n  d  e  r  1  i  c  h  : 

los  einer  eingeliendcren  Priil'ung.  Die  mächtige  Ausbildung  der  dilu- 
vialen Schichten  kann  nun  meines  Erachtens  nicht  ohne  weiteres  als  Beweis 
für  eine  spatere  Hebung  des  Baltischen  Höhenrückens  angesehen  werden. 
Gewiß  erscheint,  wie  Fleszar  schon  für  Norddeutschland  betont,  die 
Bedeckung  gerade  der  größten  prädiluvialen  Höhen  durch  die  mächtigste 
Decke  der  diluvialen  Ablagerungen  nicht  wohl  erl<lärlich.  Aber  es  muß 
doch  auch  bei  den  besonders  für  dieses  Gebiet  sicher  anzunehmenden 
lang  andauernden  verschiedenen  Stillstandslagen  des  Eises  mit  einer 
ganz  besonders  mächtigen  Aufschüttung  gerechnet  werden.  lOO  bis 
150  Meter  erscheinen  hierfür  durchaus  nicht  zu  hoch  ^).  Es  kommt 
hinzu,  worauf  bereits  Tornquist  die  Aufmerksamkeit  gelenkt  hat, 
daß  die  höchsten  Erhebungen  der  Diluvialablagerungen  im  Baltischen 
Höhenrücken  und  damit  die  größten  Mächtigkeiten  des  Diluviums  nicht 
etwa  dort  auftreten,  wo  sich  die  Unterlage  des  Diluviums  in  größerer 
Höhenlage  befindet,  sondern  umgekehrt  in  jenen  Gebieten,  in  denen 
die  Unterkante  des  Diluviums  am  tieften  reicht.  Mit  anderen  Worten 
gilt,  entgegen  der  Anschauung  von  Fleszar,  die  Regel,  daß  sich 
die  Hauptmassen  des  Diluviums  in  den  Einsenkungen  des  subdiluvialen 
Reliefs  finden,  auch  für  den  Baltischen  Höhenrücken,  wenigstens  in 
Ostpreußen.  Das  muß  eigentlich  davor  warnen,  vorschnell  zu  tekto- 
nischen  Erklärungen  der  heutigen  Oberflächengestaltung  zu  greifen. 

Anderseits  sprechen  gewisse  morphologische  Momente  doch  für 
eine  Hebung  des  nördlichen  Teiles  von  Kongreß-Polen.  S  a  w  i  c  k  i 
hat  vor  allem  auf  die  eigenartige  Ausbildung  des  mittleren  Niemen- 
tales hingewiesen,  die  seiner  Auffassung  nach  eine  diluviale  Hebung 
dieses  Gebietes  voraussetzt^).  Im  Handbuch  -von  Polen  ist  ferner  darauf 
aufmerksam  gemacht,  daß  auch  bei  der  unteren  Weichsel  und  Oder 
ähnliche  Schlingenbildungen  auftreten,  die  allerdings  noch  nicht  näher 
untersucht  worden  sind.  Immerhin  scheinen  mir  die  Hebungsbeträge, 
die  sich  dabei  aus  der  Entwicklung  der  Terrassen  errechnen  lassen, 
verhiillnismäßig  nicht  sehr  groß;  sie  dürften  im  Niemengebiet  100  Meter 
kaum  erreicht  haben. 

Die  Möglichkeit  einer  solchen  Hebung  muß  jedenfalls  zugegeben 
werden.  Vielleicht  ist  gleichzeitig  eine  gewisse  Absenkung  des  mittleren 
Kongreß-Polen  erfolgt.  So  scheint  mir  die  tiefe  Lage  der  diluvialen 
Unterkante,  die  noch  bei  Lowicz  und  Garwolin  unter  dem  Meeres- 
spiegel gelegen  ist,  eine  gewisse  Senkung  dieses  Gebietes  während 
,bzw.  nach  der  Eiszeit  anzudeuten.    Die  subdiluviale  Fläche  scheint,  nach 

'j  Vgl.  dagegen  Wahnschaffe,  Zeitschr.  f.  Gletscherkunde  V.  191 1,  S.  337/8. 

2)  Sawicki,  L.  von.  Niemen  jako  klucz  do  zrozumienia  genezy  nizu  polnoc- 
nego  .  .  .  (Der  Niemen  als  Schlüssel  zum  Verständnis  der  Entstehung  des  nördlichen 
Flachlandes.)    Spraw.  Tow.  Nauk.     Warschau  1909. 


I<>' 


Zcilsclir.  d.  Oescllsch.  f.  I'^dkunde  zu  Berlin,   191 8. 


Abliandlune  Iv  Wuiuk'rlich. 


too  ■  soo  •. 


aao-  101  m. 


Reprod. -Anstalt  l).  Rciiin;!-  (E.  \'()hsen),   iJerlin. 


Karte  1 .     Versuch  einer  schematischen  Übersichtskarte  der  Mächtigkeit  des  Diluviums 

im  polnischen  Flachland. 

Die    Linien    sind     Linien     gleiclier    M:icliti.t;kcit    (Isoiiacbyten)    des   Diluviums.      Die    als    (Irundlage    gewählte    moderne 
Hohenscliiclitenkarte  snll   die   ütileutiing  der  eiszeitlichen  Aiifscliiilliingen   für  das  heutige   Relief  zeigen. 


Zeilsclir.  d.  Oesellsch.  f.  Erdkunde  zu  Berlin,  1918. 


Abhandlung  E.  Wunderlich. 


an-  Sit  m  SCO       ioo  ..  tto  --  »tt^ 

Reprod. -Anstalt  D.  Reimer  (E.  Vohsen),  Berlin. 


Karte  2.    Versuch  einer  schematischen  Übersichtskarte  des  subdiluvialen  Reliefs 

des  polnischen  Flachlandes. 

Die  Linien   sind  Isohypsen  des  subdiluvialcn  Reliefs  in  Abständen  von  50  m.     Sie  sind  in  die  moderne  Höhenschichten- 
karte eingezeichnet,  um  die  Bedeutung  des  alten  Reliefs  für  die  heutige  Oberflächengestalt  zu  zeigen. 


Die  Bedeutung  der  diluvialen  Ablagerungen  usw.  153 

der  Ausbildung  der  tiefsten  Schichten  zu  urteilen,  tatsächlich  erst  nach- 
träglich in  diese  tiefe  Lage  gekommen  zu  sein. 

Wir  haben  also  möglicherweise  eine  diluviale  bzw.  postglaziale 
Hebung  des  Baltischen  Höhenrückens  und  eine  gleichzeitige  Absenkung 
des  mittleren  Kongreß-Polen  anzunehmen.  Daß  wir  uns  im  Gebiet 
der  Polnischen  Niederung  auf  unruhigem  tektonischem  Boden  befinden, 
ist  ja  bekannt.  Schon  L  e  w  i  u  s  k  i  hat  auf  den  muldenförmigen  Bau 
des  mittleren  Kongreß-Polen  hingewiesen^),  und  es  macht,  wie  im  Hand- 
buch von  Polen  ausgeführt  wurde,  ganz  den  Eindruck,  als  ob  im  Be- 
reich der  Polnischen  Niederung  schon  während  des  Tertiärs  eine  flache 
(jeosynklinale  bestanden  hat.  Letzteres  ist  indessen  noch  nicht  sicher; 
zudem  könnte  die  Einsenkung  der  tertiären  Schichten  ja  auch  die  Folge 
jüngerer  tektonischer  Bewegungen  sein.  Daher  wird  es  weiterer  Unter- 
suchungen bedürfen,  diese  Frage,  die  für  die  Entwicklung  der  Ober- 
flächengestaltung des  polnischen  .Flachlandes  von  grundlegender  Be- 
deutung ist,  einer  endgültigen  Beantwortung  zuzuführen. 


Der  Vorgang  der  Selbstverstärkung. 

Von  Dr.  W.  Behrmann. 

Auf  einer  freien,  ebenen  Sandfläche,  vielleicht  einer  Strandebene, 
über  die  ein  gleichmäßiger,  ruhiger  Wind  streicht,  wird  durch  irgend- 
ein Ereignis  eine  Erhöhung  gebildet.  Es  kann  dies  durch  die  Spur 
eines  Menschen  oder  Tieres  geschehen,  aus  einer  Riffelung  des  Sandes 
kann  ein  Sandhäufchen  übriggeblieben  sein,  es  kann  durch  einen 
fremden  Gegenstand,  eine  Konservenbüchse  oder  eine  größere  Muschel 
die  erste  Erhöhung  gebildet  werden.  Der  Wind  findet  einen  Wider- 
stand, er  wird  zum  Emporsteigen  gezwungen  und  läßt  den  Sand,  den 
er  mit  sich  führt,  hinter  dem  Gegenstande  im  Windschutze  fallen. 
Dadurch  wächst  die  Erhöhung.  Der  Wind  wird  gezwungen,  stärker 
nach  aufwärts  zu  biegen,  er  erzeugt  hinter  dem  Sandhäufchen  einen 
Wirbel,  einen  Konvektionstrom.  Wo  Wind  und  Konvektionstrom  sich 
treffen,  entsteht  eine  lokale  Verminderung  in  der  Geschwindigkeit  des 
Windes,  wodurch  wieder  die  Transportkraft  herabgesetzt  wird  und  der 
mitgeführte  Sand  zu  Boden  fällt.  Der  Konvektionstrom  führt  von  der 
Rückseite  Sand  herbei,  beide  helfen  somit  am  Aufbau  des  Sandhaufens. 
Dieser  wächst  durch  seine  eigene  Existens.  Denn  bei  gleichbleibenden 
äußeren   Bedingungen    wird    der   Wind    immer    höher    abgelenkt,     ent- 


\)  Vgl.  die  beiden  eingangs  zitierten  .Arbeiten  und  die  ihnen  beigegebenen  Protile. 


254  ^-  Behrmann: 

sprechend  ein  stärkerer  Könvektionstrom  erzeugt  und  die  Düne  höher. 
So  trägt  die  erste  Unregelmäßigkeit,  die  erste  Störung  des  Gleichgewichts- 
zustandes zwischen  Sandebene  und  dem  Winde  alle  Bedingungen  zur 
Entstehung  der  Düne  in  sich.  Die  erste  Sandanhäufung  verstärkt  sich 
selbst.  Dieser  Selbstverstärkung  sind  jedoch'  Grenzen  gezogen,  der 
Sandhaufen  wächst  nicht  in  den  Himmel.  Seine  Höhe  hängt  von  der 
Stärke  des  Windes  und  der  Höhe  des  Sandtreibens  ab.  Wächst  die 
Düne  über  die  Höhe  des  Sandtreibens  hinaus,  so  kann  der  Wind  den 
Sand  nur  noch  aufwärts  rollen,  die  Spitze  der  Düne  wird  jetzt  leichter 
der  zerstörenden  als  der  aufbauenden  Kraft  des  Windes  anheimfallen. 
Durch  das  Emporsteigen  an  der  Luvseite  wird  der  Wind  aus  seiner 
Bahn  abgelenkt,  er  kann  dadurch  so  schwach  werden,  daß  er  keinen 
Sand  mehr  transportieren  kann.  Durch  einen  zu  schwachen  Wind  wird 
der  Könvektionstrom  nicht  mehr  bis  zum  Boden  der  Sandebene  erzeugt, 
vielmehr  bringt  er  nur  einen  kleinen  Wirbel  hervor,  der  die  Düne 
wieder  anfrißt.  Am  Ende  des  Anwachsens  ist  ein  neuer  Gleichgewichts- 
zustand zwischen  den  verschiedenen  Kräften  erreicht,  der  den  Entwick- 
lungsprozeß beendet.  Ist  schon  vorher  der  Wind  schwächer  oder  stärker 
geworden,  hat  er  gedreht,  so  sind  neue  Momente  aufgetreten,  die  den 
Gang  der  Entwicklung  stören  und  ihn  nicht  bis  zum  Maximalbetrag 
ablaufen  lassen. 

In  einem  Flußbett  hat  sich  ein  Baumstamm  verankert  oder  ein 
Strauch  festgesetzt,  der  den  Sand  fängt  und  den  ersten  Anlaß  zur 
Bildung  einer  Sandbank  bildet.  Das  Wasser  fließt  bei  dem  etwas 
seichteren  Bett  durch  die  verstärkte  Reibung  etwas  langsamer.  Dadurch 
wird  seine  Transportkraft  etwas  geringer,  es  schlägt  sich  gerade  hier 
von  neuem  Sand  nieder.  Dadurch  wird  das  Bett  noch  seichter,  die 
Reibung  noch  größer,  die  Transportkraft  noch  geringer,  Sand  schlägt 
sich  in  verstärktem  Maße  nieder.  Die  Sandbank  verstärkt  sich  selbst, 
bis  durch  ein  anderes,  fremdes  Ereignis  diesem  Gesetz  des  Anwachsens 
durch  sich  selbst  Einhalt  geboten  wird.  Es  kann  durch  die  Sandbank 
das  ganze  Flußbett  z.  B.  so  aufgestaut  werden,  oder  die  Wassermasse 
so  zusammengepreßt  werden,  daß  das  Wasser  durch  die  Enge  hindurch- 
brausen muß  und  so  die  Sandbank,  die  sich  an  der  Oberfläche  ver- 
stärkte und  nach  den  Seiten  hin  langsam  in  der  Stromrichtung  aus- 
dehnte, jetzt  seitlich  angenagt  und  wieder  zerstört  wird. 

Eine  ähnliche  Erscheinung  kann  man  am  Flußbett  verfolgen,  wenn 
sich  seitlich  am  Ufer  eine  Sandbank  ausbildet.  Sie  wächst  aus  den- 
selben Gründen,  die  wir  eben  sahen.  Durch  ihr  Wachsen  wird  der 
Querschnitt  des  Flusses  unregelmäßig,  die  größere  Masse  des  Wassers 
wird  nach  außen  verschoben,  das  gegenüberliegende  Ufer  stärker  an- 
gegriffen und  eine  Strombiegung  erzeugt.     Sie  vergrößert  sich  wieder 


Der  Vorgang  der  Selbstverstärknng.  156 

selbst,  indem  das  Gleitufer  mehr  und  mehr  aus  dem'  Stromstrich 
gezogen  wird,  sich  hier  immer  leichter  die  Sedimente  niederschlagen 
können,  bis  sogar  Stromstillstand  oder  rückläufige  Strombewegung^  am 
Gleitufer  eintritt.  Das  Prallufer  aber  erodiert  in  dem  gleichen  Maße 
stärker  und  wandert  durc*h  sich  selbst  nach  außen.  Dem  Seitwärts- 
drängen wird  erst  Einhalt  geboten,  wenn  die  Strombiegung  eine  Größen- 
ordnung hat,  die  der  gesamten  Wassermasse  des  Flusses  entspricht. 

Schon  die  erste  Umbiegung  des  Stromes  erzeugt  ein  Zurückpendeln 
des  Stromstriches  unterhalb  der  ersten  Biegung.  Die  erste  Strombiegung 
erzeugt  eine  zweite,  diese  eine  dritte  und  so  fort.  Der  erste  Mäander 
ist  die  Ursache  des  zweiten,  dieser  des  dritten  und  so  weiter.  Die 
Mäander  erzeugen  sich  selbst,  verstärken  sich  gegenseitig,  bis  ein  neuer 
dynamischer  Gleichgewichtszustand  erzeugt  ist.  Diese  Selbsterzeugung 
hat  erst  ihr  Ende,  wenn  die  Flußgeschwindigkeit  zu  gering  wird,  also 
die  Pendelbewegung  des  oberen  Mäanders  nicht  mehr  auf  die  abwärts- 
liegende Stromstrecke  übertragen  werden  kann. 

Eine  tonhaltige  Verwitterungsrinde  überzieht  eine  große  Anzahl 
von  Bergen.  Hat  sich  nun  aber  irgendwo  eine  kleine  Bodenunebenheit 
in  Form  einer  Stufe  gebildet,  vielleicht  durch  Frost,  durch  Vegetation, 
Wege  oder  andere  Ursachen,  so  sickert  das  Regenwasser  von  dem 
höheren  Teil  in  den  tieferliegenden  hinab.  Dadurch  wird  dieser 
feuchter,  er  wird  scfimierig  und  die  Verwitterungsrinde  kann  hier 
leichter  zu  Tale  kriechen  als  in  dem  oberen  Teile.  Dadurch  erweitert 
sich  die  Kluft  zwischen  den  beiden  Partien,  der  untere  Teil  sinkt  tiefer, 
der  stehengebliebene  Teil  wird  trockener,  das  Wasser  sickert  noch 
mehr  zu  dem  rutschenden  Teil,  dieser  greift  auf  Nachbargebiete  über 
und  vergrößert  sich  selbst.  Durch  die  Rutschung  wird  der^  feste  Ver- 
band mehr  und  mehr  gelockert,  das  Wasser,  das  von  oben  zuströmt, 
kann  besser  den  Boden  durchfeuchten  und  das  Schmiermaterial  bilden. 
Der  Vorgang,  den  das  erste  stufenförmige  Absitzen  einleitete,  verstärkt 
sich  selbst,  bis  durch  das  völlige  Abrutschen,  das  sich  bei  der  dicken 
Verwitterungsrinde  der  Tropen  z.  B.  zum  Bergsturz  steigern  kann,  der 
Prozeß  sein  Ende  erreicht. 

Hat  sich  an  einer  Küstenbiegung  durch  die  Strömung  der  erste 
Ansatz  zu  einem  Küstenhaken  gebildet,  so  verstärkt  auch  er  sich  selbst. 
Denn  durch  ihn  werden  die  Wellen  gezwungen,  parallel  zur  Küste  zu 
laufen,  wo  sie  vorher  der  Biegung  der  Küste  folgten.  Sie  können 
also  leichter  das  Strandmaterial  versetzen.  Je  länger  der  Küstenhaken 
ist,  desto  mehr  beeinflußt  er  Wellen  und  Küstenströmung,  desto  leichter 
kann  er  wachsen.  Das  Wachstum  findet  seine  Grenze,  wenn  die 
Materialzufuhr  nicht  mehr  ausreicht,  wenn  die  Meerestiefen  zu  groß 
werden  oder   die  durch  den  Küstenhaken  abgelenkten  Strömungen  und 


I5H  W.  n  c  h  r  m  a  n  n  : 

die  Ströme  des  Haffs  die  Nehrung  angreifen.  Der  durch  irgendeine 
Ursache  eingeleitete  Prozeß  steigert  sich  selbst,  bis  das  Gleichgewicht 
der  Kräfte  durch  Hinzutreten  neuer  Kräfte  wieder  hergestellt  ist  und 
ein  weiteres  Anwachsen  unmöglich  ist. 

Dieser  .Vorgang  der  Selbstverstärkung  einer  einmal  eingeleiteten 
Entwicklungsreihe  hat  eine  weitgehende  Bedeutung  in  dem  Kampf  der 
Naturkräfte.  Der  Praktiker  kennt  es  genau,  er  weiß,  daß  ein  Gebäude, 
ein  Ufer,  ein  Deich  vor  allem  davor  bewahrt  werden  muß,  daß  die 
erste  Zerstörung  Platz  greift.  Denn  ist  die  Zerstörung  erst  im  Gange, 
so  ist  sie  nicht  mehr  aufzuhalten,  sie  schafft  durch  sich  selbst  neue, 
günstige  Bedingungen  zum  Weiterumsichgreifen  i). 

Ähnlich  verhält  es  sich  auch  z.  B.  mit  der  Zerstörung  eines  Ge- 
birges. Der  erste  Wasserriß  bei  einer  Bruchstufe,  um  ein  einfaches 
Beispiel  zu  nehmen,  fängt  die  Niederschläge  nicht  bloß  an  der  Tal- 
sohle, sondern  auch  an  den  Gehängen  auf,  dadurch  wird  die  Menge 
des  Wassers,  die  er  abwärts  führt,  verstärkt.  Er  muß  sich  tiefer  ein- 
schneiden und  dementsprechend  die  Böschungen  seiner  Wände  ab- 
schrägen. Sein  Einzugsgebiet  wird  größer,  die  Wasserzufuhr  dement- 
sprechend bedeutender  usw.,  bis  sich  ein  Flußsystem  ausgebildet  hat, 
bis  durch  Rückwärtserosion  die  Bruchstufe  zum  Reifestadium  abgetragen 
ist.  Auch  hierbei  hat  das  Gesetz  seine  Grenzen.  Ist  erst  das  Gebirge 
völlig  in  eine  Gratlandschaft  aufgelöst,  so  kann  Bas  Einzugsgebiet  nicht 
mehr  vergrößert  werden.  Der  Prozeß  des  Einschneidens,  der  sich  bis 
zu  diesem  Maximalbetrag  selbst  gesteigert  hat,  läuft  jetzt  langsamer 
ab,  da  neue  Momente  hinzutreten,  wie  Umschüttung  des  Gebirges, 
Verwitterung  der  Gesteine.  Die  völlige  Einebnung,  das  restlose  Durch- 
laufen des  Zyklus  bis  zum  Stadium  der  Fastebene  gehorcht  nicht  mehr 
dem  ersten  Gesetz  allein. 

Allen  diesen  Beispielen  scheint  mir  ein  ganz  allgemeines  Prinzip 
zugrunde  zu  liegen,  das  ich  den  Vorgang  der  Selbst- 
verstärkung nennen  möchte.  Es  sagt  nichts  über  die  Ursache 
einer  Kräfteverschiebung  aus,  sondern  nur  über  den  Ablauf  der  einmal 
eingeleiteten  Störung.  Dieser  Verlauf  vollzieht  sich  nicht  gleichbleibend, 
sondern  in  Form  einer  Progression.  Diese  wird  in  vielen  Fällen  eine 
einfache  arithmetrische-  Progression  sein,  wenn  nämlich  keine  neuen 
Kräfte  fördernd  oder  hindernd  hinzutreten.     Die  uns  umgebende  Natur 

1)  Es  macht  natürlich  keinen  Unterschied  aus,  ob  man  von  einer  sich  selbst 
vergrößernden  Zerstörung  oder  Ablagerung  spricht,  wie  bei  den  vorigen  Beispielen. 
Denn  einer  Abtragung  entspricht  in  der  Natur  überall  eine  Ablagerung  und  um- 
gekehrt. Wir  richten  unser  Augenmerk  nicht  auf  die  Resultate  der  Abtragung  oder 
Ablagerung,  sondern  auf  die  Art  des  Vorgangs.  Beispiele  für  die  sich  selbst  ver- 
größernde Zerstörung,  wie  z.  B.  bei  der  Kliffbildung,  lassen  sich  leicht  anführen. 


Der  Vorgang  der  Selbstverstärkung.  157 

strebt  im  allgemeinen  nach  einem  Zustande  des  Gleichgewichts  aller 
Naturkräfte.  Wird  durch  irgendein  Ereignis  das  Gleichgewicht  an 
einem  Punkte  gestört,  so  verläuft  der  Prozeß  der  Ausgleichung  in 
einem  sich  selbst  steigernden  Fortschritt,  bis  an  diesem  Punkte  wieder 
der  Gleichgewichtszustand  durch  Hinzutreten  anderer  Kräfte  erreicht  ist. 

Die  Beispiele  waren  alle  gewählt  aus  dem  Gebiet  der  Morphologie. 
Leicht  ließe  sich  ihre  Anzahl  vermehren.  Auch  aus  dem  Gebiete  der 
anderen  anorganischen  Natur  können  unschwer  Belege  für  diesen  Vor- 
gang gefunden  werden.  In  der  Meteorologie  spielt  er  eine  große  Rolle. 
Ein  Schneefleck  auf  einem  Berge  z.  B.  kühlt  die  Luft  ab,  dadurch 
kann  die  Temperatur  so  erniedrigt  werden,  daß  der  Niederschlag  nur 
in  Form  von  Schnee  fällt, .  dadurch  wächst  der  Schneefleck  usw.  Das 
Anwachsen  der  Minima  und  Maxima  wird  mit  dem  gleichen  Gesetz  zu- 
sammenhängen. 

Auch  in  der  organischen  Welt  beobachtet  man  oft  einen  sich 
selbst  steigernden  Vorgang,  der  dem  beschriebenen  in  der  anorganischen 
Natur  an  die  Seite  gestellt  werden  könnte.  Die  Moorpflanzen  z.  B. 
schaffen  sich  selbst  die  günstigen  Bedingungen  zur  Weiterausdehriung, 
indem  sie  und  ihre  Verwesungsprodukte  die  Feuchtigkeit  festhalten 
und  so  dem  Umsichgreifen  des  Moores  vorarbeiten.  Bäume  schaffen 
durch  Laubabwurf  sich  selbst  d'en  Humusboden.  Eine  Stadt  zieht  die 
Verwaltung  an  sich,  diese  den  Kaufmann,  der  wieder  den  Verkehr, 
besserer  Verkehr  wieder  vermehrte  Einwohnerzahl,  mehr  Kaufleute, 
mehr  Beamte  usw.  im  Wege  der  Selbststeigerung i). 

Diese  Beispiele  mögen  genügen,  um  einen  für  die  ganze  Natur 
gültigen  Vorgang  zu  charakterisieren.  Indem  das  Prinzip  der  Selbst- 
verstärkung aufgestellt  ist,  glaube  ich  nicht  viel  Neues  gesagt,  aber 
alte,  oft  beobachtete  Tatsachen  unter  einem  einheitlichen  Gesichtspunkt 
zusammengefaßt  zu  haben. 

^)  Die  Selbststeigerung  ist  also  etwas  anderes  als  eine  Addition,  eine  Ver- 
mehrung. Bei  ersterer  werden  durch  die  Anwesenheit  dieses  Faktors  günstige  Be- 
dingungen bei  der  Umwelt  zu  seiner  schnelleren  Fortentwicklung  selbst  geschafien. 
bei  letzterer  dagegen  vermehrt  sich  etwas  ohne  Rücksicht  auf  die  Schaffung  günstiger 
Bedingungen.  Die  Verbreitung  von  Gerüchten,  die  einfache  Vermehrung  der  Pflanzeu 
und  Tiere  fällt  also  nicht  unter  die  Selbststeigerung. 


158  J-  V-  Hann 


Zum  Klima  von  Caracas. 

Von  J.  V.  Hann. 

Zufällig  kam  mir  eine  Publikation  aus  Venezuela  zu  Gesicht  unter 
dem  Titel:  Apendice  a  la  Memoria  del  Ministerio  de  Relationes  in- 
tcrios:  Trabajos  del  Cuerpo  de  Ingenieros.  Caracas  191 1.  Ein  starker 
Band,  Großaktav,  verschiedenen  Inhalts,  darunter  zwei  Tabellen  in 
Plakatformat  (wie  dies  im  spanischen  Amerika  üblich  und  möglichst 
unbequem  zur  Benutzung  ist)  mit  Ergebnissen  meteorologischer  Beob- 
achtungen in  den  Jahren  1909  und  1910  unter  der  Aufschrift:  Obser- 
vatorio  Caligal.  Der  Inhalt  dieser  Tabellen  deckt  sich  ziemlich  voll- 
ständig mit  jenen  aus  den  Jahren  1906  und  1907,  über  welche  ich  in 
der  Meteorologischen  Zeitschrift  1908,  S.  "521,  berichtet  habe.  Bei 
der  Seltenheit  meteorologischer  Daten  aus  Venezuela  kopierte  ich  mir 
diese  Tabellen  vollständig.  Sie  gaben  mir  Veranlassung,  selbe  mit  jenen 
früheren  zu  einer  Klimaskizze  von  Caracas  zu  verarbeiten,  da  sich  nun 
vierjährige  Mittelwerte  ableiten  ließen.  Dabei  muß  ich  auch  auf  eine 
ältere  Mitteilung  über  das  Klima  von  Caracas  zurückkommen,  welche 
Dr.^  r  n  s  t  aus  Caracas  in  der  Zeitschrift  für  Erdkunde,  Bd.  VII,  1872, 
veröffentlicht  hat.  Sie  beruht  auf  dreijährigen  Beobachtungen,  1868  bis 
1870,  von  A.  Avelado.  Sie  sollen  mit  vortrefflichen  Instrumenten  an- 
gestellt worden  sein.  Der  Beobachtungsort  war  ein  zu  ebener. Erde 
gelegenes  Zimmer  des  Colegio  di  Santa  Maria.  Die  Beobachtungszeiten 
waren  7'',  2^  93  für  die  Temperatur;  Barometer  und  Psychrometer  wurden 
um  10''  a.  und  4h  p.  abgelesen.  Als  Seehöhe  wird  927,3  m  angegeben. 
Über  die  I>age  des  neuen  Observatoriums  Caligal  kann  ich  leider  nichts 
Näheres  angeben.  Die  geographischen  Koordinaten  stimmen  mit  jenen 
der  Station  von  Avelado  überein,  aber  die  Seehöhe  ist  eine  erheblich 
größere,  1042,5  m,  also  115  m  höher.  Über  die  Beobachtungszeiten 
und  die  Ableitung  der  Tagesmittel  am  Observatorium  Caligal  wird 
nichts  gesagt  (!)  trotz  der  extremen  Genauigkeit  der  Angaben.  Es  ist 
auch  alles  richtig  gerechnet,  soweit  ich  mich  davon  überzeugen  konnte. 

Eine  folgende  Tabelle  enthält  (zumeist)  vierjährige  Mittelwerte 
einiger  meteorologischer  Elemente  für  das  Observatorium  Caligal,  und 
am  Schlüsse  auch  die  Mittel  für  Temperatur  und  den  Regenfall  in  der 
Stadt  Caracas,  115  m  unterhalb  des  Observatoriums.  Diese  Tabelle 
möchte  ich  mit  einigen  Bemerkungen  begleiten. 

Luftdruck.  Hier  wurden  auch  die  älteren  dreijährigen  Beob- 
achtungen einbezogen  (wegen  der  verschiedenen  Seehöhe  in  Form  von 
Abweichungen  der  Monatsmittel  vom  Jahresmittel). 

Die  jährliche  Periode  des  Luftdrucks  (aus  sieben  Jahrgängen)  verläuft 
sehr  regelmäßig.  Die  Maxima  fallen  auf  Februar  und  Juli  (Hauptmaximum), 
die  Minima  auf  April  und  November  (Hauptminimum).  Die  Jahres- 
schwankung beträgt  kaum  2  mm.  Die  mittleren  Monatsschwankungen 
(Differenz  der  Monatsextreme)  sind  gering,  Minima  Mai,  Maxima  Ok- 
tober. Die  mittlere  Jahresschwankung  (vier  Jahre)  beträgt  auch  nur 
7,8  mm;  absolute  Extreme  680,3  und  671,3.  Die  Geringfügigkeit  der 
unperiodischen  Luftdruckschwankungen  erhellt  zur  Genüge  aus  diesen 
Zahlen. 


Zum  Klima  von  Caracas.  1 59 

Temperatur.  Durch  die  neuen  Beobachtungen  am  Obser- 
vatorium zu  Caracas  hat  sich  eine  Unsicherheit  über  die  wahre  mittlere 
Temperatur  von  Caracas  eingestellt,  so  sonderbar  dies  scheinen  mag. 
Die  mittlere  Temperatur  am  Observatorium  läßt  sich  mit  jener,  die 
Avelado  für  die  Stadt  gefunden,  kaum  in  Einklang  bringen.  Gegen 
letztere  läßt  sich  aber  formell  kaum  ein  Einwand  erheben.  Wie  die 
Temperatur  am  Observatorium  berechnet  worden  ist,  wird  nicht  an- 
gegeben, sie  ist  um  0,7°  niedriger  als  das  Mittel  der  täglichen  Extreme, 
die  glücklicherweise  auch  mitgeteilt  werden. 

Avelado  fand  in  der  Stadt  eine  mittlere  Temperatur  von 
21,8°,  das  Mittel  der  täghchen  Extreme  am  Observatorium  ist  20,3°, 
das  gibt  einen  Unterschied  von  1,5°  für  eine  Höhen -Differenz  von 
115  m,  ein,  man  darf  wohl  sagen  unmöglicher  Temperaturgradient. 
Die  Sache  verschlimmert  sich  noch  dadurch,  daß  die  Mittel  der  täg- 
lichen Extreme  meist  zu  hoch  sind;  nach  der  Beobachtung  zu  San  Jose 
Costarica  beträgt  dort  die  Korrektion  — 1,1°,  eine  Korrektion,  wie 
sie  in  den  Tropen  öfter  vorkommt.  Dann  würde  man  gar  nur  19,2° 
erhalten,  ziemlich  nahe  kommend  dem  Mittel  19,6°,  das  vom  Obser- 
vatorium selbst  angegeben  wird.  Der  Gradient  für  115  m  würde 
dadurch  auf  2,6°  steigen  (oder  2,2°  mit  19,6°  gerechnet).  Vielleicht 
darf  man  annehmen,  daß  die  Temperatur,  die  Avelado  beobachtet  hat, 
eine  sogenannte  Stadttemperatur  ist,  wofür  sein  Beobachtungsort  auch 
sprechen  möchte.  Sie  könnte  dann  leicht  um  i"^  und  darüber  zu  hoch 
sein,  wie  ich  dies  auch  für  Quito  nachgewiesen  habe'). 

In  nahe  gleicher  Breite  mit  Caracas  liegt  San  Jose  Costarica 
9°  56'  N  in  1150  m  Seehöhe,  also  rund  1 10  m  höher  als  das  Obser- 
vatorium von  Caracas.  Die  mittlere  Temperatur  ist  dort  19,7°,  was 
mit  +  0,6°  auf  das  Observatorium  reduziert,  20,3°  gibt,  das  ist  in  der 
Tat  das  Mittel  der  täglichen  Extreme  daselbst.  Da  die  Regenmenge 
zu  San  Jose  Costarica  die  doppelte  von  der  am  Observatorium  beträgt, 
ist  die  Temperatur  von  San  Jose  vielleicht  relativ  etwas  niedriger  und 
die  Korrektion  der  täghchen  Extreme  größer 2)  als  zu  Caligal. 

Wenn  wir  die  Temperatur  von  19,6°  am  Observatorium  als  richtig 
annehmen  wollten,  erhielten  wir  im  Meeresniveau  mit  0,6°  pro  100  m 
26',  was  mit  unseren  Isothermenkarten  für  die  westindischen  Gewässer 
ziemlich  gut  stimmen  würde.  Die  Temperatur  nach  Avelado  21,8°  in 
930  m  gäbe  etwa  271/3°,  was  wohl  für  diese  Gegend  zu  hoch  ist. 

Wir  dürfen  uns  also  wohl  mit  19,6°  zu  Caracas  in  1040  m  Seehöhe 
zufrieden  geben,  besonders  wenn  wir  annehmen,  daß  die  Lage  des 
Observatoriums  115m  über  der  Stadt  eine  relativ  kühle  ist.  Richtige 
Temperaturmittel  in  den  Tropen  zu  erhalten,  bleibt  immer  eine  sehr 
schwierige  Sache. 

Die  Temperatur  erreicht  zu  Caracas  ihr  (Haupt-) Maximum  im  Mai, 
ein  zweites  schwächeres  im  September,    die  niedrigste  Temperatur  hat 

')  Meteorologische  Zeitschrift  191 5,  S.  4S9. 

2)  In  den  regenreichen  Tropenklimaten  ist  die  Korrektion  der  täglichen  Extreme 
größer  als  in  den  trockenen,  wo  sie  sehr  gering  werden  kann.  Darin  besteht  der 
größte  Nachteil  bei  der  Benutzung  des  Mittels  der  täglichen  Extreme  in  Tropen- 
klimaten. Die  Karten  der  Monats -Isothermen  von  A.  Buchan  in  Challenger 
Report,  Physics  and  Chemistry,  Vol.  II,  P.  V,  1.S89,  sind  deshalb  in  den  Tropen 
recht  unzuverlässig,  und  sie  sind  noch  immer  durch  keine  neueren  ersetzt!  Ein 
Vorwurf  gegen  die  Tätigkeit  der  internationalen  Meteorologe*Kongresse. 


160  'J-  '•'■  Hann 

der  Januar.  Die  JahressQhwankung  beträgt  3,4''  (trockene  Tallage 
zu  San  Jose  nur  1,7°,  freiere  Lage  viel  regenreicher).  Die  Sonne  steht 
zu  Caracas  im  Zenit  Mitte  April  und  Ende  August,  die  höchsten 
Temperaturen  folgen  also  den  beiden  Zenitständen  nach.  Ich  habe 
in  meine  Tabelle  auch  die  Monatsmittel  der  Temperatur  in  den 
einzelnen  vier  Jiihrgängen  aufgenommen,  damit  man  die  etwaigen 
Schwankungen  in  den  Eintrittszeiten  der  Temperaturextreme  verfolgen 
kann.  Diese  Schwankungen  stellen  sich  als  sehr  gering  heraus,  auch 
recht  charakteristisch   für  das  Klima. 

Die  tägliche  Temperaturschwankung  ist  am  größten  im  März  und 
im  September,  also  beim  höchsten  Sonnenstand,  am  kleinsten  im  Juni 
und  Juli  in  der  trübsten  Zeit  des  Jahres.  Die  mittlere  Monats- 
schwankung der  Temperatur  ist  am  größten  im  April  (17,1°),  am 
kleinsten  im  Juli.  Die  absolute  (mittlere)  Jahresschwankung  beträgt 
20,4°  (zu  San  Jose  nur  16,5°).  Die  Temperaturextreme  waren  in  vier 
Jahren  31,0°  (April  1906)  und  9,6"  (Januar  1907).  In  unserem  Klima 
steigt  auch  in  lOOO  m  Seehöhe  die  Temperatur  gelegentlich  über  31°, 
also  höher  als  beim  Zenitstande  der  Sonne  zu  Caracas  unter  10^2"  NBr. 

Hydro  meteore.  Die  Mittelwerte  der  relativen  Feuchtigkeit 
am  Observatorium  scheinen  mir  sehr  zweifelhaft,  das  ganze  Jahr 
hindurch  80  bis  84  ^/q.  Es  fehlen  auch  die  Angaben,  auf  welche 
Tageszeiten  sich  diese  Mittel  beziehen.  In  den  Tabellen  der  letzten 
zwei  Jahre  finden  sich  aber  auch  zwei  Kolumnen  mit  der  Überschrift: 
Maxima  media  und  Minima  media  diurna  (1909  und  1910).  Aus  diesen 
Daten  habe  ich  Tagesmittel  abgeleitet  sowie  die  mittleren  täglichen 
Amplituden  und  in  meine  Tabelle  aufgenommen.  Diese  Mittel  haben 
innere  Wahrscheinlichkeit  für  sich.  In  der  Stadt  wurde  1869/70  die 
Feuchtigkeit  um  lO*»  am.  und  4h  pm.  beobachtet.  Die  Jahresmittel 
sind  für  iQi»  61  ^o-  für  4h  60  °/g  (April  53^/0,  Dezember  66  o/^).  Diese 
Mittel  sind  natürlich  zu  niedrig. 

Die  Mittel  für  die  Bewölkung  sind  an  den  beiden  Stationen  so 
übereinstimmend,  daß  ich  sie  zu  einem  Gesamtmittel  vereinigen  konnte, 
welches  also  auf  siebenjährigen  Beobachtungen  beruht.  Dezember/Fe- 
bruar haben  die  kleinste  Bewölkung,  Mai,  Juni,  Juli  die  größte.  In 
den  letzten  zwei  Jahrgängen,  die  mir  vorliegen,  wurde  auch  der 
Sonnenschein  registriert.  Die  Zahlen  für  die  mittlere  Dauer  des 
Sonnenscheins  pro  Tag  zeigen  auffallenderweise  kaum  einen  bestimmten 
jährlichen  Gang.  Mit  den  gleichzeitigen  Mitteln  der  Bewölkung  ver- 
glichen (die  ich  hier  weggelassen  habe),  ergibt  sich  keine  Relation,  wie 
man  sie  in  unseren  Klimaten  gefunden  hat,  aber  ähnliches  habe  ich 
an  tropischen  Stationen  öfter  bemerkt.  An  einen  schädlichen  Einfluß 
des  Bergschattens  auf  die  Sonnenscheindauer  zu  Caracas  ist  kaum  zu 
denken,  das  Tal  verläuft  von  West  nach  Ost.  Die  Silla  de  Caracas 
erhebt  sich  allerdings  zu  2578  m,  aber  im  Norden  der  Stadt  (der 
Höhenwinkel  beträgt  nach  Humboldt   11,2'',  die  Entfernung  8,8  km). 

Die  mittlere  Sonnenscheindauer  im  Jahre  beträgt  etwa  2592  Stunden, 
d.  i.  ungefähr  59  ^/q  der  möglichen  Dauer,  während  die  mittlere  Be- 
wölkung in  den  entsprechenden  Jahren  53  ^!q  betragen  hat,  aus  der 
Sonnenscheindauer  hätte  man  sie  nach  der  gewöhnlichen  Regel  auf 
41  "/q  schätzen   müssen. 


Zum  Klima  von  Caracas.  Ißl 

Der  Regen  fall  ist  an  der  oberen  Station  erheblich  größer  als 
an  der  unteren,  884  mm  gegen  791,  diese  letztere  Menge  fiel  an 
74,3  Tagen  (Januar/April  nur  3,7,  Juni/ September  42,3),  in  der  neuen 
Beobachtungsreihe  fehlt  die  Angabe  der  Regentage.  Die  Regenmenge 
ist  sehr  gering  für  10^0°  Breite  und  lOOO  m  Seehöhe  und  ziemlich 
unregelmäßig  auf  die  Monate  verteilt,  wie  man  aus  den  Monatssummen 
der  vier  Jahrgänge  in  unserer  Tabelle  ersehen  kann.  Um  die  jährliche 
Regenperiode  aus  beiden  je  vierjährigen  Beobachtungsreihen,  trotz  der 
doch  recht  verschiedenen  Jahresmengen  richtig  ableiten  zu  können, 
habe  ich  die  Monatssummen  zuerst  in  Prozenten  ausgedrückt  und  dann 
erst  die  Mittel  genommen. 

Monatsmengen  des  Kegenfalls  in  Prozenten  (8  Jahre  c 

Dezember.     .     5,6       März  .     .     .     .1,8     Juni    ....  14,2     September  .  .  12,1 

Januar  .•    .     .     3,1       April  ....     3,9     Juli     .     ,     .     .  13.9     Oktober  .     .  .  14,0 

Februar     .     .     1.6*     Mai     ....     9,1     August     .     .     .12,0     November   .  .     8,7 

Die  obere  Station  hat  einen  gleichmäßiger  auf  das  Jahr  verteilten 
Regenfall,  wie  das  ja  gewöhnlich  der  Fall  ist, 

Regenverteilung  in  Prozenten: 
Stadt  927  m. 
Dezember;  F'ebruar        März/Mai        Juni /August     September/Oktober  Max.-Min. 

5  II  42  42  37 

Observatorium  1042  m. 
Dezember/Februar        MärzMai        Juni/August     September/Oktober  .Nlax.-Min. 

15  19  38  28  23 

Die  Regenmessungen  stammen  aber  nicht  aus  den  gleichen  Jahr- 
gängen. Die  meisten  Regenfälle  sind  mit  elektrischen  Entladungen 
verbunden.  Gewitter  stellen  sich  häufig  gegen  4  bis  5^  nachmittags 
ein,  sie  sind  aber  über  der  Stadt  selten,  da  die  meisten  sich  über  den 
großen  waldbedeckten  Gebirgen  im  Norden  entladen. 

Die  Windstärke  ist  in  der  Trockenzeit  am  größten,  am  kleinsten 
von  Mai  bis  September,  die  Maxima  zeigen  die  gleiche  Periode.  Sie 
erreichten  20  m's  im  April  und  November  1909  und  im  März  1910, 
in  der  Regenzeit  nur    11   bis   12   m/s. 

Infolge  der  Richtung  des  Tales  kommen  in  Caracas  nur  östliche 
und  westliche  Winde  vor,  erstere  sind  trocken  und  warm,  das  Baro- 
meter steigt,  und  es  stellt  sich  heiteres  Wetter  ein.  Die  Westwinde 
sind  rauh  und  feucht,  und  ihr  Wasserdampf  verdichtet  sich  an  Bergen. 
Es  zeigt  sich  auch  eine  tägliche  Periode  der  Windrichtung.  Morgens 
herrscht  meist  Ostwind,  nachmittags  treten  westliche  Winde  ein.  Stürme 
sit|d  sehr  selten. 

Eine  eingehendere  Beschreibung  des  Khmas  von  Caracas  findet 
man  bei  Alexander  v.  Humboldt:  Reise  in  die  Aquinoctial-Gegenden 
des  neuen  Kontinents^).  Einige  Steljen  daraus  (auch  diese  gekürzt) 
mögen  hier  Platz  finden. 

In  der  kühlen  Jahreszeit  im  November  und  Dezember  sind  die 
Morgen  ausnehmend  schön,  bei  reinem,  klarem  Himmel.  Aber  gegen 
Abend   trübt   sich   die  Luft,    die   nahen  Berge  umziehen  sich,    und  die 


*)  Deutsch  von  H.  Hauö".     Stuttgart  1859.     II.  B.     S.  148  bis  158. 

/eitschr.  d.  Gc^ellsch.  f.  Erdkunde  zu  Berlin.     1919.    Nr-  3/4.  11 


162  J    ^-  Hann: 

Wolken  senken  sich  tief  herab.  Beim  Anblick  dieses  Wolkenhimmels 
meinte  ich  nicht  in  einem  gemäüigten  Tale  der  heißen  Zone  zu  sein, 
sondern  mitten  in  Deutschland,  auf  den  fichten-  und  lärchenbewachsenen 
Bergen  des  Harzes').  Im  Sommer  ist  dieser  Kontrast  zwischen  Morgen 
und  Abend  verschwunden.  Im  Juni  und  Juli  sind  die  Nächte  hell  und 
ausnehmend  schön.  Die  Luft  behält  fast  beständig  die  den  Hochebenen 
eigentümliclie  Reinheit  und  Durchsichtigkeit.  Die  Landschaft  prangt 
dann  in  ihrer  vollen  Pracht.  Man  hört  das  Klima  von  Caracas  oft 
einen  ewigen  Frühling  nennen.  Was  läßt  sich  auch  Köstlicheres  denken 
als  eine  Temperatur,  die  bei  Tag  sich  zwischen  20  und  26^,  bei  Nacht 
zwischen  16  und  18°  hält,  und  in  der  die  Banane,  die  Orange,  Kaffee, 
Apfelbäume,  Pfirsich  und  Weizen  nebeneinander  gedeihen.  Auch 
Zuckerrohr  wird  noch  gebaut,  Ananas  und  daneben  unsere  Küchen- 
kräuter,  Erdbeeren,  Weinreben  und  fast  alle  Obstbäume  der  gemäßigten 
Zone.  Leider  ist  aber  dabei  die  W^itterung  sehr  unbeständig,  und  die 
Einwohner  klagen,  daß  sie  oft  am  selben  läge  verschiedene  Klimate 
haben.  Der  menschliche  Organismus  ist  in  diesem  Klima  auch  gegen 
kleine  Temperaturschwankungen  sehr  empfindlich.  Das  unbeständige 
Wetter  und  die  häufige  L^nterdrückung  der  Hautausdünstung  erzeugen 
katarrhalische  Beschwerden  in  den  mannigfaltigsten  Formen  2).  liat 
sich  der  Europäer  einmal  an  die  große  Hitze  der  Niederungen  unter 
den  Tropen  gewöhnt,  wenn  die  Hitze  nicht  zugleich  sehr  feucht  ist, 
so  bleibt  er  gesünder  als  in  Caracas  und  all  den  Gebirgsländern,  wo 
der  gepriesene  ewige  Frühling  herrscht. 

Im  Tale  von  Caracas  herrschen  zwei  Winde  vor.  Der  Westwind 
heißt  der  Wind  von  Catia-*).  Er  kommt  aber  nur  scheinbar  aus  West, 
meist  ist  es  der  abgelenkte  Seewind  aus  Ost  und  Nordost.  Er  ist  sehr 
feucht,  der  Gipfel  der  Silla  umzieht  sich  bei  seinem  Eintritt  mit  Wolken. 
Die  Einwohner  von  Caracas  fürchten  sich  sehr  vor  ihm,  Personen  mit 
empfindlichem  Nervensystem  verursacht  er  Kopfschmerzen.  Manche 
Personen  verlassen  das  Haus  nicht,  wie  man  es  in  Italien  beim  Wehen 
des  Scirocco  tut.  Dagegen  führt  der  Ost-  und  Südostwind,  der  Wind 
von  Petare,  die  trockene  Luft  des  Gebirges  und  des  Binnenlandes  herbei, 
zerstreut  die  Wolken  und  läßt  die  Gipfel  der  .Silla  in  ihrer  ganzen 
Pracht  erscheinen. 

Trotz  der  hohen  Lage  ist  der  Himmel  von  Caracas  gewöhnlich 
weniger  blau  als  unten  in  Cumana,  es  ist  Weiß  dem  Blau  beigemischt. 
Die  Intensität  des  Himmelblau  war  auf  dem  Sausureschen  Cyanometer 
von  November  bis  Januar  im  Durchschnitt  18,  nie  über  20,  in  den 
Küstengegenden  22  bis  25  Grad.  Beim  Wind  von  Petare  war  auch  bei 
ganz  heiterem  Himmel  das  Blau  auffallend  blaß.  In  den  Monaten 
April,  Mai,  Juni  regnete  es  in  Caracas  sehr  viel,  die  Gewitter  kommen 
immer  aus  Ost  und  Südost.  'J>otz  der  Häufigkeit  derselben  hagelt  es 
in  Caracas  nur  selten,  etwa  alle  4  bis  5  Jahre  einmal. 

')  Wochenlang,  sagt  Humboldt,  konnte  ich  weder  Sonnenhöhen  noch  Stern- 
höhen messen.  Der  Übergang  von  herrlich  durchsichtiger  Luft  zur  völligen  Dunkel- 
heit erfolgt  sehr  rasch. 

^)  Die  gleiche  Klage  lesen  wir  über  den  „ewigen  Frühling"  im  Klima  von 
Bogota  und  Quito,  bei  A.  v.  T  h  i  e  1  m  a  n  n  und  H  a  n  s  M  e  y  e  r.  S.  Handbuch  der 
Klimatologie.     II.  B.     3.  Aufl.     S.  366/367. 

')  Weil  er  aus  der  Richtung  von  Catia.  westwärts  von  Cabo  Bianca,  herkommt. 


Zum  Klima  von  Caracas. 


163 


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J(34  ^^    Maurer 


Zenitale  und  azimutale  Abbildungen. 

Von  H.  Maurer. 

I.  In  dieser  Zeitschrift,  lyi/,  S.  461,  hat  Herr  v.  Hammer  mir 
die  Schuld  an  dem  W'irrwarr,  der  bezüghch  der  Bezeichnung  ,,ze- 
nital"  besteht,  zugeschoben,  weil  ich  einer  wohldefinierten 
alten  Bezeichnung  eine  neue  Bedeutung  hätte  geben 
wollen.  Dieser  Vorwurf  ist  in  doppelter  Weise  ungerechtfertigt,  da 
ich  einerseits  keine  neue  Bedeutung  für  zenital  aufgestellt  habe  und 
anderseits  die  Bezeichnung  ,, zenital"  durchaus  nicht  wohldefi- 
niert war,  wie  ich  in  Pet.  Mitt.  1914,  II.,  S.  61  ff.  dargelegt  habe. 
Dagegen  hat  Herr  v.  H  a  m  m  e  r  zu  dem  bestehenden  Wirrwarr,  dessen 
Bekämpfung  dieser  Aufsatz  gewidmet  war,  sehr  wesentlich  beigetragen, 
indem  er  1889  in  seinem  Buch:  ,,Über  die  geographisch  wichtigsten 
Kartenprojektionen,  insbesondere  die  zenitalen^)  Entwürfe"  auf  S.  y 
drei  verschiedene,  voneinander  abweichende  Definitionen 
von  ,, zenital"  gegeben  und  dann  in  Pet.  Mitt.  191 5,  I.,  S.  96  alle  früheren 
Definitionen  von  zenital,  einschließlich  seiner  eigenen,  verworfen  und 
eine  vierte,  gänzlich  andersartige  aufgestellt  hat.  Besonders  greift 
er  191 5  die  von  mir  empfohlene  Definition  an,  die  eine  der  von  ihm 
selbst  1889  aufgestellten  ist.  Ich  hoffe,  an  anderer  Stelle  auf  die  Kritik, 
die  Herr  v.  Hammer  meinem  Aufsatz  in  Pet.  Mitt.  1914,  II.,  hat 
angedeihen  lassen,  ausführlicher  eingehen  zu  können,  möchte  aber,  da 
Klarheit  und  Einheitlichkeit  über  die  wichtige  Gruppe  der  zenitalen 
Abbildungen   geschaffen   werden   muß,   diese  Frage  hier  kurz  darlegen. 

Um  klare  Begriffe  zu  erhalten,  seien  folgende  Eigenschaften  von 
solchen  Abbildungen  der  Kugel  auf  die  Ebene  festgelegt,  bei  denen  die 
Bilder  der  Hauptkreise  eines  ausgezeichneten  Kugelpunkts  S  durch  einen 
Punkt  A  laufende  Linien  sind,  während  A  nicht  immer  Bild  von  S  zu 
sein  braucht. 


*)  Hier  ist  zenital  im  Titel  wohl  noch  in  dem  jetzt  kaum  mehr  gebräuchlichen  Sinn 
verstanden,  der  sich  nicht  auf  das  Abbildungsgesetz,  sondern  auf  die  Lagebestimmung 
des  Entwurfs  bezieht:  zenital  —  schiefachsig,  weder  „normal"  noch  „transversal".  Der 
Ausdruck  war  schief,  da  ja  auch  der  Pol  und  jeder  Äquatorpunkt  ein  Zenit  besitzt. 
Der  heute  bei  Azimutalprojektionen  für  schiefachsig  vielfach  gebräuchliche  Ausdruck 
„Horizontal"  leidet  an  dem  gleichen  Mangel.  „Schiefachsig"  ist  weit  besser.  Sehr 
mit  Recht  weist  aber  Hammer  darauf  hin,  daß  für  „normal"  und  „transversal"  die 
Zusammensetzungen  mit  ,,Pol"  und  „Äquator"  —  auch  die  Ausdrücke  ..polständig"' 
und  „äquatorständig"  —  bei  Kegel-  und  Zylinder-Projektionen  schlecht,  ja  mißver- 
ständlich werden.  Bei  einer  äquatorständigen  Zylinder- Projektion  wird  jedermann 
annehmen,  daß  der  Zylinder  auf  dem  Äquator  steht,  aber  nicht,  wie  es  der  Analogie 
mit  der  äquatorständigen  Azimutal -Projektion  entspricht,  die  Zylinderachse  in  der 
Äquatorebene  liegt.  Die  Ausdrücke  „normal"  und  ».transversal"  leiden  daran,  daß 
im  Wort  „normal"  keinerlei  Andeutung  liegt,  es  handle  sich  um  Lagebestimmung 
nach  Pol,  und  Erdachse.  Am  zweckmäßigsten  wären  vielleicht  die  Bezeich- 
nungen :  erdachsig,  querachsig  und  schiefachsig.  die  wohl  ohne 
weiteres  richtig  verstanden  werden  und  zu  allen  Fällen  passen. 


Zenitale  und  azimutale  Abbildungen.  Iß5 

Forderung  I:  Die  Bilder  der  Horizontalkreise  von  S  sind  konzentrische 
Kreislinien*)  um  A  als  Zentrum  —  ohne  weiteren 
Zusatz  — ; 

,,  II:   Wie  I  mit  dem  Zusatz:  ,,und  zwar  Vollkreise"; 

,,  III:  Wie   I   mit  dem   Zusatz:    „und   zugleich   Linien   kon- 

stanter Verzerrung"  2j. 

Die  Forderung  III  ist  erfüllt,  wenn  neben  I  die  Forderungen  IV 
und  V  erfüllt  sind: 

Forderung  IV:  Die  Bilder   der  Hauptkreise  sind  kongruente  Kurven, 
zu   deren  jeder   der  Punkt   A  gleich   liegt.     (Sonder- 
fall IV a:   Die  Kurven  sind  Gerade); 
,,  V:  Die    Schnittwinkel     der    Hauptkreisbilder     sind    den 

Schnittwinkeln  der  Hauptkreise  proportional.    (Sonder- 
fall Va:    ,, Gleich"  statt  ,, proportional".) 

D.ie  von  mir  vertretene  Definition  von  ,,zenital"  ist  die  For- 
derung III.  Sie  findet  sich  bereits  in  der  Kartenentwurfslehre  von 
Z  ö  p  p  r  i  t  z  ,  1884,  S.  27,  in  B  1  u  d  a  u  s  Neubearbeitung  dieses  Buches, 
191 2,  S.  59  und  besonders  S.  190;  hier  wird  eine  Karte  als  zenital 
erklärt,  in  der  die  Bilder  der  vollen  Breitenkreise  konzentrische  Halb- 
kreise und  die  der  Meridiane  deren  Radien  sind,  die  sich  unter  den 
halben  wahren  Winkeln  schneiden.  Ich  selbst  hatte  diese  Definition  von 
,, zenital"  1905  in  den  Ann.  d.  Hydrographie,  S.  355,  meinem  Aufsatz: 
Über  Lösung  von  Poldreiecksaufgaben  durch  Diagramme,  die  auf  zeni- 
talen  Kartenprojektionen  beruhen"  zugrunde  gelegt  und  darin  die 
Wichtigkeit  dieser  Abbildungsgruppe  erläutert.  Im  Hammer  sehen 
Buch,  1889,  erscheint  diese  Definition  auf  S.  9  in  der  Anmerkung: 
,,Am  schärfsten  ließe  sich  dann  der  Unterschied  zwischen  echt 
zenital  und  unecht  zenital  damit  erläutern,  daß  in  jenen,  z.  B. 
bei  Wiechel,  die  Linien  gleicher  Verzerrung  noch  Kreise  um  den 
Kartenmittelpunkt  (die  Horizontalkreisbilder)  sind"  (Hammers  Defi- 
nition III).  Also  echtzenital  =r  Forderung  III.  Ich  habe 
also  keine  neue  Definition  für  zenital  vorgeschlagen. 

Die  beiden  anderen  Hammerschen  Definitionen  von  1889  sind 
folgende:  Nach  Hammers  Definition  I  unterscheiden  sich  die  nicht 
azimutalen,     zenitalen     Projektionen^)     von     den     azimutalen 


')  Einschließlich  aller  Sonderfälle :  Vollkreis,  Kreisbogen,  Punkt,  gerade  Strecke. 

2)  D.  h.:  In  allen  Punkten  eines  Horizontalkreisbildes  bestehen  in  jeder  Hinsicht 
dieselben  Verzerrungsverhältnisse. 

^)  Hier  spricht  auch  Herr  v.  Hammer  von  nicht  azimutalen,  zenitalen  Projektionen, 
während  er  an  anderen  Stellen,  weil  diese  von  geringer  Bedeutung  seien,  erklärt, 
auch  in  der  Definition  brauchten  die  Begriffe  „zenital'"  und  „azimutal"  nicht 
auseinandergehalten  zu  werden.  Diese  Auffassung,  die  schuld  an  dem 
Wirrwarr  im  Bezeichnungswesen  in  der  Kartographie  ist,  halt;e  ich  für  durchaus 
unberechtigt.  Die  theoretische  Kartographie  als  Lehre  von  der  Abbildung  der  Erd- 
oberfläche auf  die  Ebene  ist  eine  in  ihren  Grundlagen  mathematische  Wissenschaft 
und  kann  klare  Gnmdbegriffe  nicht  entbehren.  Von  mathematischen  Spitzfindigkeiten 
kann  man  sich  dabei  freihalten;  aber  die  Ungenauigkeit  darf  nicht  soweit  gehen,  daß 
auch  aus  den  besten  Lehrbüchern  nicht  entnommen  werden  kann,  was  unter  einzelnen 
Abbildungsgruppen  gemeint  ist.  So  steht  es  aber  für  den  Begriff  „zenital"  und  wird 
es,  wenn  den  Auffassungen  der  Herren  Schoy  und  Hammer  Raum  gegeben  wird,  für 
den  Begriff  „azimutal"  auch  kommen. 


Ißß  H.  Mau  r  e  r  : 

ebenso  wie  die  unecht  konischen  von  den  echt  konischen,  d.  h.:  Die 
Horizontalkreisbilder  bleiben  bei  den  zenitalen  Projektionen  konzen- 
trische Kreislinien,  während  die  Hauptkreisbilder  beliebige  Kurven  sein 
können.  Das  entspricht  also  der  obigen  Forderung  I;  und  als  Beispiel 
einer  solchen  zenitalen  Projektion  führt  Hammer  die  Stabsche 
Projektion  an,  mit  konzentrischen  Kreisbogenstücken  als  Breitenkreisen 
und  transzendenten  Kurven  als  Meridianen. 

Er  fährt  dann  fort:  ,,Der  zuletzt  genannte  Spezialfall  könnte 
übrigens  \^eranlassung  geben  zu  einer  weiteren  Trennung  dieser  nicht- 
azimutalen Zenitalprojektionen  in  unechte  (Umfang  eines  beliebigen 
Horizontalkreises  nicht  durch  den  ganzen  Umfang  eines  Kreises 
dargestellt),  zu  welchen  der  eben  genannte  Stabsche  Entwurf  gehören 
würde,  und  in  echtzenitale,  welche  z.  B.  durch  die  Wiechelsche  Pro- 
jektion oder  durch  irgendeine  ähnliche  repräsentiert  wären."  Danach 
also  wäre  e  c  h  t  z  e  n  i  t  a  1  (Hammers  Definition  H)  =  der 
Forderung  II.  II  und  III  sind  aber  nicht  gleichbedeutend.  Die 
Kegelprojektionen  fallen  unter  III,  aber  nicht  unter  II;  und  man  kann 
Abbildungen  konstruieren,  die  II  erfüllen,  aber  nicht  III. 

Bei  dieser  Sachlage  läßt  sich  gar  nicht  angeben,  was  denn 
Herr  v.  Hammer  unter  der  ,, wohldefinierten"  Bezeichnung:  ,,zenital 
alten  Stils"  verstanden  wissen  wilU).  Wenn  er  nun  1915  seine  3  De- 
linitionen  von  zenital  verwirft,  so  geschieht  dies  mit  der  von  mir  ver- 
teidigten Definition  III  wesentlich  deshalb,  weil  sie  auch  die  Kegel- 
projektionen zenital  nennt,  bei  denen  er  den  für  zenitale  Abbildungen 
erforderlichen  Zusammenhang  mit  einer  Zenitlinie  vermißt.  Offenbar  sehr 
zu  Unrecht !  Spielt  doch  in  allen  Abbildungen  nach  Definition  III  die  Zenit- 
linie des  Punktes  Seine  entscheidende  Rolle.  Alle  Großkreise  durch  sie  werden 
als  identische,  in  jeder  geometrischen  Eigenschaft  vollkommen  vertausch- 
bare Kurven,  alle  Horizontalkreise  um  sie  als  Achse,  als  konzentrische 
Kreislinien  wiedergegeben;  und  alle  Punkte  gleichen  Zenitabstands  von 
S  haben  im  Bild  von  einem  Punkt  A  gleichen  Abstand  und  vcillig 
gleiche  Verzerrungsverhältnisse.  Das  ist  wahrlich  Beziehung  genug  zu 
dieser  Zenitlinie;  und  v.  Hammers  Satz:  ,,]\Iit  der  Erdachse 
hat  der  P]  n  t  a\'  u  r  f  einer  normalen  konischen  Pro- 
jektion nicht  das  mindeste  zu  tun"  wird  kein  Kartograph 
als  richtig  anerkennen.  Es  steht  durchaus  nichts  im  Wege,  auch  die 
konischen  und  zylindrischen  Entwürfe  zu  den  zenitalen  zu  rechnen. 
Daß  sie  mit  den  übrigen,  die  der  Forderung  III  genügen,  eine  wichtige 
zusammengehörige  Gruppe  von  Abbildungen  bilden,  hat  die  Literatur, 
insbesondere  die  nautische,  deutlich  genug  erwiesen. 

Hammers  4.  Definition  (191 5)  ist  nicht  so  deutlich  gefaßt, 
daß  man  bei  jeder  beliebigen  Abbildung  bestimmen  könnte,  ob  sie  nach 
ihr  zenital  ist  oder  nicht.  Man  erfährt  nur,  daß  in  zenitalen  Abbil- 
dungen das  unendlich  kleine  Gebiet    des  Kartenmittelpunkts  kongruent 


')  Außer  den  genannten  drei  Definitionen:  zenital  =  Forderung  I,  zenital  -^  For- 
derung II,  zenital  =  Forderung  III  findet  man  in  der  Literatur  noch:  zenital  =  azi- 
mutal (H.  Gretschel,  Lehrb.  der  Kartenprojektionen,  1873),  zenital  —  mittabstandstreu 
(Steinhauser,  Grundzüge  der  math.  Gcogr.,  3.  Aufl.,  S.  1171,  zenital  =  schiefachsig 
(N.  Herz,  Lehrb.  der  Kartenprojektionen,  1885,  S.  188),  zenital  =  Gegenteil  von  schief- 
achsig (Schoy.  Ann.  der  Hydrographie,   1913,  S.  33). 


Zenitale  und  azimutale  Abbildungen.  167 

abgebildet  werden  soll;  das  wäre  also  Winkeltreue  im  Kartenmittel- 
punkt (Forderung  Va).  Etwaige  weitere  Forderungen  muß  man  aus 
den  Angaben  zu  kombinieren  suchen,  daß  die  Peircesche  Quinkunxial- 
Projektion  als  zenital  gelten. soll,  bei  der  die  Hauptkreisbilder  trans- 
zendente Kurven  mit  Wendepunkten  in  der  Kartenmitte  (darunter 
4  Gerade)  und  die  Horizontalkreisbilder  transzendente  Kurven  mit  den 
Grenzfällen  Kreis  und  Quadrat  sind,  daß  aber  die  Kegel-  und  Zylinder- 
projektionen, auch  die'winkeltreuen,  nicht  zenital  sein  sollen.  Ich  darf 
1  lerrn  v,  Hammer  anheimstellen,  scharf  zu  definieren,  welche  Fügen- 
schaften  seine  neue  .Vbbildungsgruppe  haben  soll,  das  Bedürfnis  nach 
einer  solchen  Gruppe  darzutun  und,  falls  dies  erwiesen  ist,  für  sie 
einen  andern  Namen  als  zenital  vorzuschlagen.  Denn  es  ist  schlechter- 
dings nicht  einzusehen,  warum  man  die  Forderung  I,  die  allen  bis- 
herigen Definitionen  der  zenitalen  .Vbbildungen ^)  gemein  war,  jetzt 
plötzlich  über  Bord  werfen  soll.  Unter  diesen  verschiedenen  Defini- 
tionen bleibt  aber  diejenige  nach  Forderung  III,  die  Zöppritzsche,  die 
empfehlenswerteste,  weil  sie  tatsächlich  eine  wichtige  Gruppe  mit  gemein- 
samen wertvollen  Eigenschaften  zusammenfaßt. 

2.  Auch  bezüglich  der  azimutalen  Abbildungen  hat  Herr 
V.  Hammer  leider  die  über  diesen  Begriff  bestehende  Einmütigkeit 
schwer  geschädigt.  Man  verstand  allgemein  (auch  Herr  v.  Hammer  in 
seinem  Buch  1889)  unter  ,, azimutal"  die  Vereinigung  der  Forderungenil, 
IVa  und  Va.  Erst  1913  ließ  Herr  Schoy  für  azimutale  Karten  die 
l'orderung  II  fallen,  und  als  ich  dies  zurückwies,  nahm  ihn  Herr 
V.  Hammer  in  Pet.  Mitt.  191 5,  I.,  S.  97  in  der  sonderbaren  Art  in  Schutz, 
daß  er  für.  azimutale  Abbildungen,  falls  sie  Karten  liefern,  nach  wie 
vor  II,  IVa  und  Va  verlangte,  für  den  Fall  aber,  wo  die  Abbildung  ein 
Kartogramm  oder  ähnhches  liefert,  II  für  unnötig  erklärte.  Eine 
solche  Unterscheidung  ist  unhaltbar.  Für  eine  azimutale  Abbildung  der 
Kugel  auf  die  Ebene  kann  es  nur  eine  bestimmte  Definition 
geben,  einerlei,  ob  man  das  entstandene  Bild  eine  Karte  oder  ein  Karto- 
gramm nennt.  Selbstverständlich  wird  man  an  eine  geographische 
Karte    andere   Anforderungen    stellen   als   an   ein   Kartogramm-);    aber 

')  Natürlich  abgesehen  von  den  Bedeutungen  zenital  =  schiefachsig  oder 
=  Gegenteil  von  schiefachsig. 

-)  Immerhin  scheint  mir  Herr  v.  Hammer  seine  Definition,  die  geographische 
Karte  müsse  ein  bestimmtes  Stück  der  Erdoberfläche  in  einer  ebenen  Zeichnung 
„möglichst"  originalgetreu  mit  „möglichst  geringen  Verzerrungen'-  darstellen,  wobei 
diese  Forderung  nach  verschiedenen  Richtungen  hin  spezialisiert  werden  könne,  viel 
zu  streng  auszulegen.  Er  erklärt  z.  B.  alle  perspektivischen  Abbildungen  für  keine 
Karten,  wenn  der  Augpunkt  nicht  zwischen  zwei  und  vier  Kugelhalbmessern  unter 
dem  Berührungspunkt  der  Bildebene  mit  der  Kugel  liegt.  Danach  sind  die  gno- 
mischen Seekarten  und  die  orthographischen  Mondkarten  keine  Karten,  sondern 
Kartogramme  und  darf  überhaupt  kein  perspektivisches  Bild  eines  Stücks  Erdober- 
fläche, wie  es  von  irgendeinem  Punkt  aus  wirklich  aussieht,  Karte  genannt  werden. 
Auch  wäre  ja  bei  so  strenger  Scheidung  jede  Abbildung,  die  eine  Wiedergabe  mit 
möglichst  geringen  Verzerrungen  (in  irgendeinem  besonderen  Sinn)  anstrebt, 
aber  nicht  auf  das  Vollkommenste  erreicht,  nur  ein  Kartogramm;  und  fast  alle 
älteren  Karten  wären,  weil  inzwischen  bessere  Abbildungsarten  gefunden  sind,  dieser 
Bezeichnung  nicht  mehr  würdig.  Mit  der  Frage  nach  der  Befinition  der  einzelneu 
Abbildungsarten  hat  aber  die  Unterscheidung  zwischen  Karte  und  Kartogramm  nicht 
das  geringste  zu  schaflfen;  hätte  man  doch  bei  derselben  Abbildungsart  häufig  die 
Darstellung  eines  kleineren  Erdstücks  Karte,  diejenige  eines  größeren  Kartogramm 
zu  nennen. 


|(}g  H.  Maurer:  Zenitale  und  azimutale  Abbildungen. 

(lies  hat  doch  mit  der  Definition,  was  eine  azimutale 
Abbildung  ist,  überhaupt  nichts  zu  tun.  Verzichtet  man  aber 
im  Begriff  „azimutal"  auf  die  Forderung  II,  so  hätte  dies  eine  sehr 
sonderbare  Folge.  Auch  nach  Herrn  v.  Hammer  sind  die  azimutalen 
Abbildungen  jener  Spezialfall  der  allgemein  konischen  i),  wo  der  Kegel 
in  eine  Ebene  übergeht.  Man  muß  also,  wenn  die  Forderung  II,  oder 
verallgemeinert  I,  für  die  azimutalen  Abbildungen  nicht  erfordert  wird, 
auch  für  die  konischen  Abbildungen  die  Forderung  I  fallen  lassen. 
Nun  hat  aber  bisher  gerade  die  Forderung  I  für  die  wesentlichste  der 
konischen  Abbildungen  gegolten.  Dies  erhellt  daraus,  daß  sie  allein 
auch  bei  den  , .unecht  konischen"  Abbildungen  aufrechterhalten  bleibt, 
während  man  für  diese  auf  IV  und  V  verzichtet.  Für  ,,unecht 
konisch"  bliebe  also  bei  Wegfall  der  Forderung  I  für  azimutal  und 
konisch  überhaupt  keine  Forderung  übrig.  Nein,  es  besteht  nicht  der 
geringste  Anlaß,  die  vor  Schoys  Entgleisung  von  allen  Kartographen 
für  ,, azimutal"  geforderte  Vereinigung  der  Forderungen  II,  IVa  und  \'a 
künftig   für  diese  Abbildungsart  aufzugeben. 

Hält  man  Abbildungen,  die,  wie  Schoys  Karte,  die  Forderungen  IVa, 
V  erfüllen  und  I  nicht,  für  so  wichtig,  daß  sie  eigene  Bezeichnungen  er- 
halten sollen,  so  gebe  man  ihnen  andere  Namen  als  azimutal.  Besser 
als  Ausdrücke  wie  ,, unecht  konisch",  die  nicht  erkennen  lassen,  welche 
Eigenschaften  der  konischen  Abbildungen  erhalten  bleiben,  wären  dann 
Bezeichnungen,  wie  etwa: 

,,Kegelstrahlig"  mit  den  Grenzfällen  ,,s  ä  u  1  e  n  s  t  r  a  h  l  i  g" 
und  b  ü  s  c  h  e  l  -  oder  vollbüschelstrahlig,  wenn  die  Forde- 
rungen IV  und  V  (eventuell  mit  ihren  Spezialfällen)  für  die  Hauptkreise 
erhalten  bleiben  sollen,  über  die  Horizontalkreise  aber  keine  Forderung- 
gestellt  wird,   und  anderseits: 

•■  ,,  K  e  g  e  l  k  r  e  i  s  i  g  "  mit  den  Grenzfällen  ,,  s  ä  u  1  e  n  k  r  e  i  s  i  g  •' 
und  ,,  V  o  1  l  k  r  e  i  s  i  g  ",  wenn  nur  die  Forderung  I  (mit  ihren  Sonder- 
fällen) für  die  Horizontalkreise  bestehen  bleiben,  über  die  Hauptkreise 
aber  keine  Forderung  gestellt  werden  soll. 

*)  Statt  „konisch'  könnte  man  wohl  auch  „kegelig'  sagen  und  unter  „allgemein 
kegelig  ikonisch)"  (ich  hatte  dafür  ..kegelartig"  vorgeschlagen)  die  kegeligen  (im 
engeren  Sinn)  mit  den  azimutalen  und  „säuligen'"  (zylindrischen)  Abbildungen 
zusammenfassen.  Herr  v.  Hammer  verficht  für  diese  „allgemein  kegeligen"'  Abbildungen 
die  äußerst  unglückliche  Bezeichnung  „geometrisch  einfach  definiert",  die  durchaus 
nichts  von  dem  besagt,  was  sie  ausdrücken  soll.  Wer  wird  auf  den  Gedanken 
kommen,  die  Globular-Projektion  z.  B.  mit  ihrer  kindlich  einfachen  geometrischen 
Definition  sei  nicht  „geometrisch  einfach  definiert",  während  z.  15.  eine  Tissotsche 
porigonale  Kegelprojektion  es  sein  soll? 


Karl   bischer:   netrachtungeli  übef  Abfluß,  Stau  und  Walzenbildung  usu . 


169 


Betrachtungen  über  Abfluß,  Stau  und  Walzenbildung  bei 

fließenden  Gewässern. 

Nach  Th.  Rehbocks  Festschrift  i). 

Die  unten  näher  bezeichnete  Festschrift  des  bekannten  Professors 
des  Wasserbaues  an  der  Technischen  Hochschule  in  Karlsruhe  ist  in 
erster  Linte  zwar  für  Anwendungen  im  Wasserbau  geschrieben.  Die 
in  Ihr  behandelten  Fragen  sind  zum  großen  Teil  aber  auch  echt  ^geo- 
graphisch-morphologische.  Manche  von  ihnen  werden  deshalb  schon 
in  r  e  n  c  k  s  Morphologie  eingehend  erörtert.  Auch  die  meisterhafte  Art 
der  Darstellung  kommt  dem  Geographen  sehr  entgegen,  da  sie  überall 
Tm  ^7  ♦'Anschauung  geschöpft  und  von  zahlreichen  und  reichhaltigen 
Abbildungen  begleitet  ist,  wie  man  sie  so  glänzend  selbst  in  einem 
nlr  ^'."h  ff  \  o""';  ausnahmsweise  vereinigt  findet.  Für  das  Studium 
der  Schrift  ist  außerdem  sehr  vorteilhaft,  daß  sie  sich,  wie  der  nach- 
stehende Auszug  zeigt,  nicht  auf  die  Darlegung  neuer  Forschungs- 
ergebnisse beschränkt,  sondern  auch  eine  Reihe  schon  bekannrer 
Erscheinungen  und  theoretischer  Sätze  nochmals  zusammenfaßt,  um 
eine  gewisse  Abrundung  und  leichtere  \'erständlichkeit  der  Darstellune 
zu  erzielen.  ^ 

1..  Z^'^ifL^^^'^'i^  "^i^,  ^^^"^"^  ^"'^^^  ^^^  Aufgabe,  in  dem  zu  ver- 
legenden Flußbett  der  Sihl  bei  Zürich  eine  Absturzstufe  von  4,625  m 
zu  schaffen,  bei  welcher  die  linksufrige  Zürichseebahn  unter  den  Fluß 
unterfuhrt  werden  soll.  Bei  340  qkm  Niederschlaggebiet  sind  die 
kleinsten  Abflußmengen  der  Sihl  bisher  auf  1,5  cbm/sek  gesunken; 
durch  den  für  das  Etzelwerk  zu  erbauenden  Stausee  sollen  sfe  künftig 
au  2.5  cbm/sek  gehalten  werden.  Die  Hochwassermenge  ist  wieder 
holt    auf  550   bis   560  cbm/sek    gestiegen;    zur   Sicherheit    hat    Reh- 

au°s4dehnf    V'^'^'S""^    ^^u'  -^"^   ^^^"^^"    ^''    ""^^^    7°^^  ^bm/sek 
ausgedehnt.     In  der  Hauptsache  ist  er  dabei  mit  flußbaulichen  Modell- 

ZZTfüZ  ^^°'-,^§^"^^"'    ^'«    ^"«ist    im   Karlsruher  Flußbaulaboratorium 
ausgeiunrt  worden  sind. 

Die  zu  ermittelnde  zweckmäßigste  Form  des  Überfallbauwerks  hängt 
von  den  ßewegungszuständen  des  Wassers  und  damit  auch  der  Sink- 
q.h  V  l  ;"  seinem  Bereiche  eintreten  sollen.  Im  ersten  Teile  der 
Schrift  entwickelt  R  e  h  b  o  c  k  deshalb  die  für  das  Weitere  benötigten 
Grundgesetze  der  verschiedenen  Arten  der  Wasserbewegung,  denen  er 
folgende  Bezeichnungen  gibt.  Vom  „  F  1  i  e  ß  e  n  " ,  be?  dem  die 
1-lussigkeit  m  ihrem  ganzen  Querschnittumfang  von  Wandungen  be- 
grenzt oder  bei  freier  Ausbildung  eines  Flüssigkeitspiegels  von  einem 
Bett  getragen  wird,   unterscheidet   er   das  „Stürzen  '^    bei   dem    die 

K.i  fl'fl^J^^"^?"-  ^^•'    Betrachtungen    über    Abfluß.    Stau    und  Walzenbildune 
HocSukTn  K?;r'^^     Untersuchungen  aus  dem  Flußbaulaboratoriunrder  Techn 
rrnfih^r,.       r  ^   'u^^•     ^f^^^chr.  z.  Feier  des   60.  Geburtstages  Sr.  Kgl    Höh    d 
Großherzogs  Friedrich  II.  von  Baden.i     Berlin  1917.     X'ü.    114  S      mi    ^Ireyr^hh 
13  Planen  u.  23  Taf.  mit  66  Phot.  in  Autotvpie      >  I  extabb.. 


]70  Karl  Fischer: 

I'lüssigkeit  die  Führung  durch  die  Wandungen  der  Leitungen  oder  des 
Bettes  verliert  und  sich  frei  in  einem  leeren  oder  mit  gasförmigen 
iMedien  erfüllten  Raum  bewegt,  wobei  sie  den  auf  sie  wirkenden  äußeren 
Kräften  nach  allen  Richtungen  hin  zu  folgen  vermag.  Das  Fließen 
kann  sich  auf  zwei  Arten  vollziehen;  die  eine  wurde  bisher  gewöhnlich 
als  Laminar-  oder  Parallelbewegung,  auch  bandftirmiges  Strömen 
bezeichnet,  die  andere  als  turbulentes  oder  wirbeliges  Fließen,  weil  bei 
ihr  die  einzelnen  Wasserteilchen  in  scheinbar  regellosen  Bahnen,  auch 
(juer  zur  Hauptbewegungsrichtung,  durcheinander  gewirbelt  werden. 
Rehbock  nennt  das  bandfcirmige  Fließen  kurz  „Gleiten",  das 
'wirbelige  ,,  S  t  r  ö  m  e  n  "  iDder  ,,  S  c  h  i  c  ß  e  n  " ,  je  nachdem  die 
Wassergeschwindigkeit  unter  oder  über  einem  bestimmten  Wert  liegt, 
auf  den  wir  noch  zurückkommen.  Zwischen  (/leiten  und  Strömen  gibt 
es  eine  gew^isse  Geschwindigkeitsspanne,  in  der  das  Wasser  sowohl 
gleiten  wie  strömen  kann.  Welche  Bewegungsart  eintritt,  hängt  dann 
wesentlich  davon  ab,  ob  die  Zuleitung  des  Wassers  gleichmäßig  und 
ruhig  oder  schon  gestört  erfolgt.  ,, Reines  Gleiten"  ist  jedoch  nur  bei 
Geschwindigkeiten  unter  der  unteren  Grenze  der  Spanne  möglich. 
Beide  Grenzen  hängen  wesentlich  von  der  Zähigkeit  (Viskosität)  der 
Flüssigkeit,  also  auch  von  ihrer  Temperatur  ab.  Das  Wasser  hat  so 
geringe  Zähigkeit,  daß  im  Naturbett  grcißerer  Wasserläufe  das  Gleiten 
schon  bei  Geschwindigkeiten  aufhört,  die  nur  kleine  Bruchteile  eines 
Zentimeters  in  der  Sekunde  betragen.  ,,Bei  Flußbetten  von  größerer 
l'iefe  müßte  das  Wasser  fast  stillstehen,  wenn  der  .Vbfluß  gleitend  er- 
folgen soll.  Im  Unterlauf  größerer  Flüsse  scheint  beim  Kentern  der 
Strömung  infolge  eindringenden  Flutwassers  bei  ganz  windstillem  Wetter 
aber  doch  gelegentlich  die  Gleitbewegung  einzutreten",  wie  R  e  h  b  o  c  k 
,,aus  der  im  Tidegebiet  größerer  Ströme,  namentlich  am  Rio  de  la 
Plata,  zuweilen  beobachteten  aufl'allenden  Spiegelglätte  (ier  Oberfläche 
schließt,  nach  welcher  der  genannte  Strom  wohl  seinen  Namen 
erhalten  hat". 

Wie  die  Grenzgeschwindigkeiten  zwischen  Gleiten  und  Strömen, 
so  ist  auch  die  Fließgeschwindigkeit  beim  Gleiten  von  der  Wasser- 
temperatur abhängig,  und  zwar  nach  dem  Poiseuilleschen  Gesetz. 
Dagegen  wirkt  bei  wirbeligem  Fließen  die  Temperatur  des  Wassers 
verschwindend  wenig  auf  die  Fließgeschwindigkeit.  ,,Die  Unter- 
suchungen im  Karlsruher  Flußbaulaboratorium  haben  selbst  bei  einer 
bis  auf  Bruchteile  eines  Hundertstel  genauen  Bestimmung  von  Überfall- 
beiwerten für  Wehre  keinen  wahrnehmbaren  Einfluß  einer  Abkühlung 
des  Wassers  von  18°  auf  7°C  ergeben,  während  nach  dem  Poiseuille- 
schen Gesetz  eine  solche  Abkühlung  eine  Verkleinerung  der  Fließ- 
geschwindigkeiten über  25  '^/q  ergeben  würde."  Da  nun  bei  den 
natürlichen  Wasserläufen  fast  nur  mit  wirbeligem  Fließen  zu 
rechnen  ist,  so  ist  es  bei  diesen  also  wohlbegründet,  daß,  wie  P  e  n  c  k 
schreibt,  ,,die  Hydrotechniker  den  Einfluß  der  Temperatur  auf  die 
Wasserbewegung  kaum  würdigen",  sondern  für  die  IMüsse  immer  nur 
zu  Abflußformeln  und  Abflußmengenlinien  gelangen,  die  von  der 
Wassertemperatur  unabhängig  sind. 

Beim  wirbeligen  Fließen  wird  im  Wasser  weit  mehr  mechanische 
Energie  verbraucht,  d.  h.  in  Wärme  umgesetzt,  als  beim  (ileiten.    (F'in 


Betrachtungen  über  Abfluß,  Stau  u.  Walzenbildung  bei  fließenden  Gewässern.     171 

Zahlenbeispiel  für  diese  Umwandlung  folgt  unten  bei  Besprechung 
der  Walzen.)  Die  Versciiiedenheit  des  Energieverbrauchs  gestaltet  die 
Gesetze  des  wirbeligen  Fließens  wesentlich  anders  als  die  des  gleiten- 
den. Bei  diesem  ist  das  Reibungsgefälle  der  ersten,  bei  wirbeligem 
Fließen  aber  der  zweiten  Potenz  der  Fließgeschwindigkeit  verhältnis- 
gleich, die  Fließgeschwindigkeit  also  bei  wirbeligem  Fließen  nur  der 
Quadratwurzel  aus  dem  Keibungsgefälle.  Unter  Reibungsgefälle  ist  das 
Getälle  zu  verstehen,  das  gerade  dazu  genügt,  die  Reibungswiderstände 
zu  überwinden,  also  einen  gleichförmigen,  d.  h.  flußabwärts  weder  be- 
schleunigten noch  verzögerten  Abfluß  hervorzurufen.  Wenn  die  Ge- 
schwindigkeit auf  dem  Wege  vom  Querschnitt  S,  zum  Querschnitt  Sg 
zu-  oder  abnimmt,  so  ist  das  wirkliche  Gefälle  der  Strecke  5^82  im 
ersten  Falle  größer,  im  andern  kleiner  als  das  Reibungsgefälle.  Das 
zum  Reibungsgefälle  noch  hinzutretende  positive  oder  negative  Gefälle 
heißt  Geschwindigkeitsgefälle.  Die  Wirkung  seines  Hinzukommens  ist 
am  besten  durch  Einführung  der  Geschwindigkeitshöhen  und  der . 
Energielinie  zu  veranschaulichen.  Ist  im  Querschnitt  S  die  mittlere 
Geschwindigkeit  gleich  u,  so  ist  als  zugehörige  Geschwindigkeitshöhe 
diejenige  von  R  e  h  b  o  c  k  mit  Ah  bezeichnete  Höhe  zu  verstehen,  aus 
der   ein   schwerer   Punkt    herabfallen    muß,    um   die   Geschwindigkeit  u 

u2 
anzunehmen,  also  Ah  =     .      Die    Enerüielinie    ist    um    die    Geschwin- 

digkeitshöhe  A  h  über  dem  Wasserspiegel  liegetid  zu  denken.  Ein 
Herabfallen  von  der  Energielinie  bis  auf  den  Wasserspiegel  erzeugt 
also  gerade  die  Geschwindigkeit,  die  in  dem  betreffenden  Querschnitt 
herrscht.  Diese  ist  nun  freilich  nicht  im  ganzen  Querschnitt  gleich. 
Deshalb  ist,  wenn  u  die  mittlere  Ouerschnittsgeschwindigkeit  bezeichnet, 

Ah  nicht  ,enau  gleich   "A  soncTern  gleich  1 .  "i.  wöbe,  a  von  ,  etwa 

.->  ir>  2g'  *»  2g 

bis  r,2  schwankt  und  im  Durchschnitt  für  mittlere  natürliche  Wasser- 
läufe gleich  1,09  ist.  Bestehen  bleibt  dabei,  daß  die  Geschwindigkeits- 
höhen sich  annähernd  verhältnisgleich  dem  Quadrat  der  Geschwindig- 
keiten ändern.  Dies  gilt  für  gleitendes  Wasser  ebenso  wie  für  wirbelig 
fließendes.  Ein  entsprechender  Unterschied  wie  in  der  Abhängigkeit 
vom  Reibungsgefälle  besteht  bei  den  Geschwindigkeitshöhen  also  nicht. 
Hieraus  folgt  u.  a.,  daß  sich  wohl  die  Erscheinungen  des  wirbeligen 
Fließens  an  Modellen  maßstäblich  nachbilden  lassen,  nicht  aber  die  des 
Gleitens.  Beim  Modellmaßstab  i  :  k  müßten  bei  Gleiten  die  .Vbfluß- 
mengen  nämlich  (als  Produkte  aus  Querschnitt  mal  Geschwindigkeit) 
nach  dem  Satze  über  das  Reibungsgefälle  wie  i  :k',  nach  dem  über 
die  Geschwindigkeitshöhen  aber  wie  i  :  k-'^  verkleinert  werden,  während 
bei  wirbeligem  Fließen- die  Verkleinerung  i  :  k-5  für  beide  Beziehungen 
zutrifft. 

Die  Energielinie  ist  also  eine  über  dem  Wasserspiegel  zu  denkende 
Linie,  die  bei  gleichförmigem  Abfluß  im  allgemeinen  gleiches  Gefälle 
hat  wie  der  Wasserspiegel,  dessen  Gefälle  dann  auch  mit  dem  der 
Flußsohle  übereinstimmt.  Ein  positives,  d.  h.  Beschleunigung  hervor- 
rufendes Geschwindigkeitsgefälle"  hebt  dagegen  die  Energielinie  imi 
seinen  Betrag,  ebenso  wie  ein  negatives  sie  um  diesen  senkt. 

Es  seien  jetzt  die  Flußsohle  und  die  Energielinie  durch  zwei   fest- 


172 


Karl   Fischer: 


liegende  Parallelen  gegeben,  die  man  der  Einfachheit  halber  wagerecht  an- 
nehmen kann.  (Abbild.  14.)  In  der  Sohle  liege  Punkt  A,  senkrecht  über  ihm 
in  der  Energielinie  Punkt  B.  Der  Wasserspiegel  schneide  die  Senkrechte 
AB  in  C,  und  man  betrachte  nun  alle  möglichen  Höhenlagen  des  Wasser- 
spiegels, indem  man  C  nach  und  nach  von  A  bis  B  rücken  läßt.  Bei 
jeder  Lage  von  C  ist  die  Abflußmenge  O  in  einem  Längsstreifen  des 
Flusses  von  der  Breite  1  biä  auf  einen  Zahlenfaktor  gleich  AC-VCB, 
da  der  Querschnitt  des  Streifens  der  Wassertiefe  AC,  die  Geschwindig- 
keit aber  der  Wurzel  aus  der  Geschwindigkeitshöhe  CB  verhältnisgleich 
ist.     Sowohl  wenn  C  mit  A  wie  wenn  es  mit  B  zusammenfällt,  ist  die 

Abflußmenge  Null,  da 
im  ersten  Pralle  kein 
Wasser,  im  zweiten 
aber  keine  Geschwin- 
digkeit vorhanden  ist. 
Dazwischen  gibt  es  eine 
Grenzlagc,  in  der  die 
Abflußmenge  am  größ- 
ten wird.  Sie  tritt  bei 
AC  =  I  AB  ein,  d.  h. 
wenn  die  Wasser  tiefe 
zwei  Drittel  des  Ab- 
standes  zwischen  Sohle 
und  Energielinie  be- 
trägt. Trägt  man  die 
Abflußmenge  für  jedes 
C  von  C  aus  wagerecht 
als  Strecke  CD  auf,  so 
bilden  die  Punkte  D  eine  krumme  Linie,  die  durch  A  und  B  geht  und 
in  der  Höhe   j  AB  ihre  größte  .Vusbauchung  hat. 

Bezeichnet  man  den  Abstand  zwischen  Sohle  und  Energielinie, 
also  AB,  mit  h,  so  gehört  zu  jener  größten  Abflußmenge  die  Ge- 
schwindigkeitshöhe l  h,  folglich  die  Geschwindigkeit  1^-|  g  •  h  bei  der 
Wassertiefe  rj  h.  Für  die  zur  größten  Abflußmenge  gehörende  Ge- 
schwindigkeit Up=}^|g'h  und  die  zugehörige  Wassertiefe  t^  =  |  h 
besteht  also  die  Gleichung  u^  =  V'g  t^,.  Dieser  Ausdruck  stellt  aber 
zugleich  die  Wellengeschwindigkeit  bei  der  Wassertiefe  t^  dar.  B  e  i 
gegebener  Lage  der  Sohle  und  der  Energielinie 
wird  die  Abfluß  menge  also  am  größten,  wenn  die 
F  I  i  e  ß  g  e  s  c  h  A\'  i  n  d  i  g  k  e  i  t  gleich  der  W^  e  1 1  e  n  g  e  s  c  h  w  i  n  - 
d  i  g  k  e  i  t    ist. 

Die  bisher  als  veränderlich  angenommene  Wassertiefe  behalte  jetzt 
den  festen  Wert  t,,.  Dann  bildet  die  Wellengeschwindigkeit  1  g  •  t^ 
die  bisher  offen  gelassene  Grenzgeschwindigkeit,  bei  der  das  Strömen 
zum  Schießen  wird.  Die  Trennung  nach  dieser  Geschwindigkeit  ist 
deshalb  so  wichtig,  weil  die  Übertragung  von  Einwirkungen  auf  den 
Wasserabfluß  stromaufwärts  aufhört*  wenn  die  Fließgeschwindigkeit 
größer  wird  als  die  Wellengeschwindigkeit.  Die  Dynamik  beider  Be- 
wegungsarten   gestaltet    sich    grundverschieden.      So   bewirkt   eine  \'er- 


B 

£!nergie  Linie 

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Abbild. 


14.     Knergielinie  und 


5ohle 
.'Vbflußmcnge. 


Betrachtungen  über  Ablluli,  Stau  u.  Walzenbildung  bei  fiiefjeiidcn  Gewässern.      ]  ,3 

kleinerung    des    FliiLUiuersclinittes,    z.   B.    durch    Zusamnienziehun^    der 
Ufer,   Sohlenhebung  oder  Pfeilcreinbauten: 

[   Senkung  des  Wasserspiegels 
bei  strümendeni  Wasser  j    Abnahme  der  Wassertiefe 

I    Zunahme  der  Gesclnvindigkeiten 
I    Hebung  des  Wasserspiegels 
bei  schießendem  Wasser  |    Zunahme  der  Wassertiefe 

I    .Abnahme  der  Geschwindigkeiten. 

Daß  ein&  Ouerschnittverkleinerung  den  W^asserspiegel  senken 
kann,  wird  aus  der  Energielinie  überraschend  einfach  verständlich.  Bei 
fester  Lage  der  Energielinie  wäre  ja,  wie  oben  gezeigt  wurde,  wenn 
die  Wassertiefe  größer,  die  Geschwindigkeit  mithin  kleiner  ist  als  in 
der  Grenzlage  zwischen  Strömen  und  Schießen,  jede  weitere  Hebung 
des  Wasserspiegels  schon  bei  unverändert  gelassenem  Bett  mit  einer 
Abnahme  der  Abflußmenge  verbunden.  Wenn  dazu  noch  ein  Teil  des 
Querschnitts  wegfällt,  müßte  die  Abnahme  def  Abflußmenge  noch  größer 
sein.  Die  Abflußmenge  bleibt  doch  aber  dieselbe.  Der  Verlust  an 
Querschnitt  kann  mithin  nur  durch  eine  Zunahme  der  Geschwindigkeit 
ausgeglichen  werden,  und  diese  erfordert  eine  Zunahme  der  Geschwin- 
digkeitshöhen, also,  solange  die  Energielinie  festliegt,  eine  Senkung  des 
Wasserspiegels.  Befindet  sich  das  Wasser  dagegen  im  Schießen,  so 
kehren  die  Verhältnisse  sich  um,  da  eine  Spiegelsenkung  dann  schon 
bei  unverändertem  Bett  die  Abflußmenge  verkleinern  würde.  Das  Ent- 
scheidende ist  also  das  Verhalten  der  Energielinie.  Es  ist  also  nur  zu 
zeigen,  daß  deren  Verschiebungen  sich  in  solchen  Grenzen  halten,  daß 
jene  Schlüsse  bestehen  bleiben. 

Wir  wollen  diese  Fragen  aber  nicht  weiter  verfolgen,  sondern  uns 
Gebilden  zuwenden,  deren  Bedeutung  nicht  erst  theoretischer  Er- 
örterungen bedarf,  nämlich  den  W  a  s  s  e  r  w  a  1  z  e  n.  Wenn  das  Bett 
keine  regelmäßigen  schlanken  Begrenzungen  hat,  sondern  an  einzelnen 
Stellen  schroffe  Änderungen  der  Tiefe  oder  der  Breite  vorkommen,  so 
trennt  sich  der  Wasserstrom  von  einzelnen  Teilen  der  Bettwandung, 
so  -daß  sich  zwischen  ihm  und  dem  Bett  Räume  mit  totem  Wasser 
bilden.  Das  Wasser  steht  in  diesen  aber  nicht  still,  sondern  wird 
durch  das  über,  unter  und  neben  ihm  hinfließende  Wasser  in  eine 
Drehbewegung  versetzt.  So  können  Walzen  mit  annähernd  wagerechter 
wie  solche  mit  annähernd  senkrechter  oder  mit  schräger  Achse  ent- 
stehen. Normal  walzen  mit  wagerechter  Achse  sind  die  Grund- 
walze  n.  Ihre  Drehrichtung  entspricht  der  eines  Wagenrades  oder 
oberschlächtigen  Wasserrades.  Im  oberen  Teil  der  Walze  bewegt  sich 
das  Wasser  also  wie  der  Wasserstrom  abwärts,  im  unteren  dicht  über 
der  Sohle  aufwärts,  so  daß  die  Geschiebeführung  unterbrochen  wird. 
G  e  g  e  n  w  a  1  z  e  n  sind  die  an  der  Oberfläche  aufwärts  drehenden 
Deck  walzen.  Sie  entstehen  nur  dort,  wo  der  Fließzustand  vom 
Schießen  ins  Strömen  übergeht,  und  zwar  erfolgt  dieser  Übergang  am 
stromabwärts  gerichteten  Ende  der  Deckwalzen.  Diese  wirken  auf  den 
Wasserstrom  also  wie  Bremsen,  indem  sich  unter  ihnen  der  Kampf 
des  schießenden  Wassers  mit  dem  strömenden  voUzieiit,  der  große 
Energiemengen  verzehrt.  Die  Geschiebebewegung  wird  von  den  Deck- 
walzen   dagegen    nur    darin    beeinflußt,    daß    sie    die    ganze   Strömung 


174  K  a  r  1    K  i  s  c  h  c  r  : 

verlangsanien.  Stromaufwärts  enden  die  Deckwalzen  oft  mit  einem 
,,\V  a  s  s  e  r  s  p  r  u  n  g  ".  An  ihrem  oberen  Ende  bildet  sich  nämlich 
ein  Steilabsturz  dadurch,  daß  das  im  oberen  Teil  der  Walze  strom- 
aufwärts fließende  Wasser  durch  den  unter  der  Walze  abwärts 
schießenden  Wasserstrom  auf  kurzer  Lauflänge  abgebremst  und  strom- 
abwärts mitgeführt  wird,  wobei  die  Wasserteilchen  der  Oberfläche  in 
kurzem  steilen  Bogen  auf  den  Wasserstrom  herabgerissen  werden. 
Bei  flüchtiger  Betrachtung  sieht  dies  so  aus,  als  ob  die  Oberfläche 
des  Wasserstroms  plötzlich  emporspringt,  während  das  Wasser  tat- 
sächlich abwärts  fällt.  Die  Bezeichnung  Wassersprung  beruht  also  auf 
einer  Täuschung.  Ebenso  ist  es  falsch,  den  Wassersprung  für  eine 
selbständige  Erscheinung  zu  halten. 

Die  U  f  e  r  w  a  1  z  e  n  sind  am  rechten  Ufer  R  e  c  h  t  s  w  a  1  z  c  n  , 
die  sich  wie  der  Uhrzeiger  drehen,  am  linken  L  i  n  k  s  w'  a  1  z  c  n. 

Zu  den  H  a  u  p  t  w  a  1  z  e  n  gesellen  sich  öfter  N  e  b  e  n  w  a  1  z  e  n  , 
die  nicht  oder  doch  nur  in  geringer  /Vusdehnung  vom  Wasserstrom 
selbst  berührt  werden,  sondern  sich  zwischen  den  Hauptwalzen  und 
dem  Bett  oder  auch  zwischen  verschiedenen  Hauptwalzen  bilden.  Den 
Antrieb  zur  Bewegung  erhalten  die  Nebenwalzen  von  den  Hauptwalzen, 
so  daß  sie  sich  im  entgegengesetzten  Sinne  drehen  wie  diese.  Neben- 
deckwalzen  sind  also  dem  Drehungssinn  nach  Normalwalzen  (oben 
abwärts,  unten  aufwärts),  Nebengrundwalzen  aber  Gegenwalzen.  Zu- 
weilen bilden  sich  auch  Nebenwalzen  zw'eiter  und  dritter  Ordnung. 

Von  großer  Bedeutung  sind  die  Wasserwalzen  für  den  Energie- 
Haushalt  des  Wasserstroms.  Die  Energie,  die  für  die  Bewegung  des 
Wassers  der  Walzen  und  für  die  Überwindung  der  dabei  zu  leistenden  Rei- 
bungsarbeit, sowie  zur  Deckung  der  bei  der  Mischung  verschieden  schnell 
fließender  Wasserteile  eintretenden  Energieverluste  erforderlich  ist,  kann 
nämlich  nur  dem  Wasserstrom  entnommen  werden,  und  bei  einem  schnell 
fließenden  Wasserstrom  und  entsprechend  lebhaft  bewegten  Wasserwalzen 
ist  die  Energieabgabe  an  die  Walzen  oft  beträchtlich.  In  besonderem 
Maße  gilt  dies  für  die  Deckwalzen,  die  deshalb  ein  sehr  wirksames  Mittel 
bilden,  um  schädliche  E!nergiemengen  in  Wasserwärme  umzusetzen. 
So  ist  bei  den  Untersuchungen  über  die  zweckmäßigste  Gestalt  des 
Sihlüberfalles  sorgfältig  darauf  geachtet  worden,  am  Fuße  des  Über- 
falles ein  solches  Sturzbecken  zu  schaffen,  daß  in  ihm  unbedingt  eine 
standsichere  Deckwalze  entsteht.  Bei  Hochwasser  von  550  cbm/sek 
wüiden  von  der  Überfallkante  bis  zum  Ende  des  Sturzbeckens  voraus- 
sichtlich 30  üOO  Pferdekräfte  vernichtet  werden.  Die  Wassertemperatur 
würde  sich  dadurch  aber  knapp  um   Vioo^  ^  erhrihen. 

Welche  Ausdehnung  die  Uferwalzen  erreichen  können,  ist  aus 
einem  Plan  ersichtlich,  in  welchem  der  Abfluß  größten  Hochwassers 
des  Mains  bei  Würzburg  (2585  cbm/sek)  nach  Modellversuchen  dar- 
gestellt ist.  An  einer  rund  i  km  langen  Flußstrecke,  deren  Über- 
schwemmungsgebiet allerdings  so  unregelmäßig  ist,  daß  man  die  Er- 
gebnisse nicht  verallgemeinern  darf,  wird  weit  über  die  Hälfte  der 
ganzen  vom  Wasserspiegel  bedeckten  Fläche  durch  Uferwalzen  aus- 
gefüllt, die  in  wenig  veränderter  Form  bis  zur  Flußsohle  hinunterreichen, 
und  so  der  Wasserableitung  entzogen.  Der  Energieverbrauch  wird  dabei 
so   groß,   daß   der   Wasserspiegel   am    unteren   Ende   der  Strecke   höher 


Betrachtungen  über  AbtiulJ.  Stau  u.  Walzcnbildung  bei  fließenden  (iewässern.      175 

steht  als  am  oberen.  Das  Geschwiiuli^keitsj^elälle  wird  also  stärker 
negativ,  als  das  Reibungsgefälle  positiv  ist.  Solche  Fälle  sind  nach 
R  e  h  b  o  c  k  gar  nicht  so  selten,  und  er  wendet  sich  nachdrücklich 
gegen  die  Meinung,  daß  auf  negative  überfiächengefälle  nicht  geachtet 
zu  werden  brauche,  weil  negative  Geschwindigkeitsgefälle  durch  das 
immer  positive  Reibungsgefälle  ausgeglichen  würden. 

Scharf  zu  scheiden  von  den  Wasserwalzen  sind  die  F 1  i  e  U  - 
Wirbel,  die  bei  wirbelig  flieüendem  Wasser  auch  in  geraden  Fluß- 
strecken   auftreten     und    durch    die    verschiedene    Größe    der    Abfluß- 


Abbild.    15.     Lage  der  von  Punkt  P   in  gleichen 
Zeitabständen  ausgegangenen  Wellenimpulse. 

a  bei  stehendem  Wasser, 

b  bei  gleichmäßig  strömendem  Wasser, 

c  beim  Grenzzustande  zwischen  Strömen  und  Schießen, 

d  bei  schießendem  Wasser. 


geschwindigkeiten 

teilchen   hervorgerufen   werden. 


benachbarter  Wasser- 
Auch  sie 
zeigen  am  rechten  Ufer  Rechts-,  am  linken 
Linksdrehung.  Dabei  bewegen  sich  aber 
alle  Wasserteilchen  flußabwärts,  während  das 
Wasser  der  einen  Seite  der  Walzen  ström-  ^ 

aufwärts  -fließt. 

Weitere  Abschnitte  der  Schrift  behandeln  die  Verschieden- 
heit der  Wellenformen  in  strömendem  und  in  schießendem 
Wasser.  Werden  von  einem  gegen  das  Bett  festen  Punkt  P  an  der  Ober- 
fläche eines  Gewässers  stehende  Wellen  erzeugt,  so  bilden  die  Wellen- 
berge, wenn  das  Wasser  ruht,  um  P  konzentrische  Kreise.  (Abbild.  15  a.) 
Fließt  das  Wasser  mit  gleichmäßiger  Geschwindigkeit,  so  bleibt  die 
Kreisform  erhalten;  jeder  Kreis  verschiebt  sich  aber  als  Ganzes  strom- 
abwärts. Ist  die  Geschwindigkeit  des  Fließcns  kleiner  als  die  der  Wellen, 
so  umschließt  jeder  Kreis  noch  immer  alle  vorher  entstandenen,  also 
auch  jeder  den  Punkt  P;  nur  liegen  die  Kreise  nicht  mehr  konzen- 
trisch, sondern  die  Bogenstücke  oberhalb  P  einander  näher  als  unter- 
halb. (Abbild.  15b.)  Sind  Fließ-  und  Wellengeschwindigkeit  gleich,  so 
berühren  alle  Kreise  einander  in  P,  so  daß  in  P  eine  Welle  quer 
zur  Flußrichtung  entsteht.  (Abbild.  15c.)  Schießt  das  Wasser  dagegen, 
d.  h.  fließt   es   mit   mehr   als  Wellengeschwindigkeit,   so   lösen  sich  die 


276  F  r  i  t  z   M  a  c  h  a  t  s  c  li  e  k  : 

Kreise  von  F  los  und  überschneiden  einander,  wobei  sie  einen  Winkel- 
raum ausfüllen,  dessen  Scheitel  in  P  liegt  und  dessen  Öffnung  2  a  an- 
genähert durch  u  •  sin  a  =  )  g  t^  gegeben  ist,  worin  u  die  Geschwin- 
digkeit und  t„  die  Tiefe  des  Wassers  bedeutet.  (Abbild.  I5d.)  Längs 
der  Schenkel  des  Winkels  bilden  sich  also  S  c  h  r  ä  g  w  e  1  1  e  n  ,  die 
mithin  eine  ^Eigentümlichkeit  des  schießenden  Wassers  sind  und  daher 
S  c  h  i  e  ß  w  e  1  1  e  n  heißen.  Solche  Schießwellen  können  von  jedem 
Widerlager  und  jedem  Strompfeiler  (von  diesen  paarweise)  ausgehen. 
Sie  werden  vom  Ufer  unter  gleichem  Winkel  zurückgeworfen  wie  sie 
auftreffen,  und  so  können  ganze  Gruppen  solcher  Schrägwellen  den 
Spiegel  eines  schießenden  Wasserstromes  rautenförmig  zerlegen. 

In  R  e  h  b  o  c  k  s  Pestschrift  sind  die  Wellen  in  prächtigen  Licht- 
bildern dargestellt.  Auch  von  den  übrigen  Abbildungen  werden  viele 
den  Geographen  fesseln,  so  z.  B,  die  Längenschnitte  mit  den  in  ihnen 
auftretenden  wellenförmigen  Spiegelschwankungen,  Walzen  und  Gegen- 
gefällen und  mehrere  Pläne,  in  denen  die  Form  des  Wasserspiegels 
durch  Höhenlinien  dargestellt  ist,  so  daß  Längs-  und  Ouergefälle  ab- 
gelesen werden  können.  Mögen  die  Abbildungen  recht  viele  Betrachter 
finden!  Diese  werden  auch  im  Text  der  Schrift  noch  auf  vielerlei 
stoßen,  was  trotz  seiner  Wichtigkeit  hier  nicht  erwähnt  werden  konnte. 

Berlin-Friedenau.  Karl   Fischer. 


Neue  Lehr-  und  Handbücher  zur  allgemeinen  Erdkunde. 

\'on  Fritz  Machatschek. 

In  unseren  Tagen  wird  die  Geographie  wieder  einmal  vor  neue 
Aufgaben  gestellt.  Mit  einem  gewissen  Recht  verlangt  man  größere 
Berücksichtigung  der  Länderkunde,  namentlich  im  Unterricht,  und 
stärkere  Betonung  ihrer  anthropogeographischen  Seite.  Aber  es  ist  kein 
Zweifel,  daß  die  Länderkunde  nur  auf  Grund  einer  soliden  Kenntnis  der 
allgemeingeographischen  Talsachen  betrieben  w^erden  kann,  und  mit 
vollem  Recht  hat  vor  kurzem  A.  P  e  n  c  k  an  dieser  Stelle  betont,  daß 
jene  erst  durch  die  allgemeine  Erdkunde  ihr  festes  Gerippe  erhalte 
und  daß  nach  einem  Ebenmaß  in  der  Pflege  beider  Seiten  der  Geogra- 
phie gestrebt  werden  müsse.  Es  mag  sich  daher  verlohnen,  kurz 
Umschau  zu  halten  über  die  in  jüngster  Zeit  erschienenen  literarischen 
Rehelfe,  die  in  erster  Linie  den  Anfänger  in  das  Stadium  der  Geographie 
einführen,  aber  auch  dem  Fachmann  als  Nachschlagewerke  von  Wert 
sein  wollen.  Namentlich  in  ersterer  Beziehung  steht  da  die  Darstellung 
vor  ganz  außerordentlich  schwierigen  Aufgaben.  Der  von  Tag  zu  Tag 
wachsende  Umfang  der  Forschungsergebnisse,  die  heikle  Frage,  inwie- 
weit die  Resultate  der  Nachbarwissenschaften  geographisch  bedeutsam 
sind  und  in  dem  Rahmen  geographischer  Darstellung  Aufnahme  finden 
sollen,  die  große  Anzahl  noch  kontroverser  Fragen:  .die  diese  stoßliche 
Überfülle  im  Gegensatz  zu  dem  zur  Verfügung  stehenden,  meist  engen 
Raum  nötigt  zur  sorgfältigsten  Auswahl  und  Abwägung  aller  Einzelheiten 


Neue  Lehr-  und  Handl^üchcr  zur  allgemeinen  Erdkunde.  ]  77 

im  Ausdruck,  aber  auch  zur  schärfsten  Formulierung  der  als  gesichert 
anzusprechenden  Ergebnisse.  Allen  diesen  Klippen  ist  das  auf  reichster 
Lehrerfahrung  beruhende  Lehrbuch  der  Geographie  von  H.Wagner 
in  bisher  unübertroffener  Weise  ausgewichen,  aber  auch  er  hat  es  nicht 
vermeiden  können,  daß  sein  Buch  in  letzter  Auflage  bereits  auf  etwa 
1000  Seiten  angewachsen  ist  und  überdies  ein  großer  Teil  des  Mit- 
geteilten in  Anmerkungen  verwiesen  werden  mulJte. 

Ahnliche  Aufgaben  setzt  sich  der  vor  kurzem  in  zweiter  und  ver- 
besserter Auflage  erschienene  ,, Grundriß  der  allgemeinen  Erdkunde" 
von  W.  Ule^),  der  den  kühnen  Versuch  macht,  auf  kaum  der  Hälfte 
des  genannten  LTmfangs  gleichfalls  das  Gesamtgebiet  der  allgemeinen 
Erdkunde  abzuhandeln.  Leider  kann  der  Referent  nicht  der  Meinung 
sein,  daß  dieser  Versuch  durchaus  geglückt  ist.  Es  verstößt  gegen  die 
Gleichberechtigung  aller  Zweige  der  allgemeinen  Erdkunde,  wenn  die 
Ozeanographie  auf  kaum  30,  die  politische  Geographie  auf  gar  nur 
4  Seiten  abgetan  wird,  während  beispielsweise  der  allgemeinen  Geologie 
(die  übrigens  m.  E.  in  einem  geographischen  Lehrbuch  namentlich  mit 
ihrem  historischen  Teil  nichts  zu  tun  hat),  20  Seiten  eingeräumt  sind, 
leider  auch  diese  nicht  frei  von  Irrtümern,  v.-ie:  ,,Die  alpine  Trias  ist 
fast  ausschließlich  eine  Tiefseebildung"  oder  ,,dem  Kohlenkalk  folgt  die 
Kulmformation'',  aber  auch  von  Wiederholungen;  so  wird  die  Beschrei- 
bung von  Falten  und  Überschiebungen  und  die  Theorien  der  Gebirgs- 
bildung  zweimal  gebracht.  Anderseits  hat  aber  offenbar  das  drückende 
Gefühl  des  Raummangels  den  Verfasser  gezwungen,  wichtige  rein 
geographische  Tatsachen  nur  flüchtig  zu  berühren,  oft  aber  in  so  wenig 
präziser  Form,  daß  ]\Iißverständnis  oder  Unverstandenbleiben  die  Folge 
sein  muß.  Welche  Verwirrung  muß  es  z.  B.  beim  Anlänger  hervor- 
rufen, wenn  bei  der  Klassifikation  der  Gebirge  geologische  und  morpho- 
logische Merkmale  durcheindergeworfen  werden  („Rumpfgebirge  sind 
Massengebirge")  oder  wenn  die  Karren  als  Ergebnis  chemischer  \'er- 
witterung  des  Kalks  beschrieben,  aber  daneben  gesagt  wird,  daß  ähn- 
liche Bildungen  auch  auf  anderen  Gesteinen  sich  finden,  sobald  sie 
aus  Gemengteilen  verschiedener  Härte  zusammengesetzt  sind,  und  daß 
Karrenfelder  dort  entstehen,  wo  die  widerstandsfähigsten  Partikel  lieraus- 
präpariert  sind.  Die  Kare  werden  unter  ,, Verwitterung"  behandelt 
und  dabei  bemerkt,  daß  in  die  oberen  Gehänge  der  Bergrücken  tiefe 
Nischen  eingesenkt  sind  (durch  Verwitterung.^),  während  an  anderer 
Stelle  die  Kare  als  glaziale  Formen  erscheinen.  Was  soll  sich  ferner 
der  Leser  darunter  denken,  wenn  einfach  behauptet  wird,  daß  die  Arbeit 
des  Wassers  in  eine  vertikale  und  horizontale  Komponente  zerfällt,  und 
dann  die  Talterrassen  wie  folgt  erklärt  werden:  ,, Schließlich  (bei  der 
Seiterosion)  wird  die  Sohle  der  Furche  breiter  als  die  Wasserrinne,  das 
Wasser  gräbt  dann  in  den  Talboden  eine  neue  Furche  ein".  Unver- 
ständlich ist  es,  den  Canon  ,, gewissermaßen"  als  übertieltes  Tal  zu 
bezeichnen,  dem  Löß  vertikale  Poren  zuzuschreiben  u,  dgl.  Derartige 
L'nklarheiten  finden  sich  übrigens  auch  in  dem  dem  \'erfasser  näher- 
stehenden klimatologischen  und  hydrographischen  Teil.  So  wird  bei 
der  Temperaturumkehrung  mit  der  Höhe  das  \^orhandensein  einer 
Wolkendecke   als   begünstigend    erklärt.     Widerspruchsvoll    ist   die   Be- 

1)  Leipzig  1915  14S7  S.  mit  114  Tc.xtfiguren). 

Zeitschr.  d.  desellsch.  f.  Kvdkiinile  zu  Berlin.     1919.     Xr.  3  4.  12 


2  '^g  F  r  i  t  z    M  a  c  h  a  t  s  c  h  e  k  : 

handlun^"  der  Blätterstruktur  des  Gletschereises,  unverständlich  die 
Hehauptun^,  daß  theoretisch  Eisberge  zu  \/,^^  ihrer  Höhe  über  die 
Mecresflriche  aufragen  müßten,  und  die  Erklärung  der  Temperatur- 
zunahme in  den  ozeanischen  Gräben  durch  das  Abiließen  ,, wärmeren, 
schwereren  Wassers".  Der  Raummangel  hat  den  Verfasser  nicht 
gehindert,  das  singulare  Phänomen  der  Meermühlen  von  Argostoli  zu 
erwähnen,  freilich  mit  der  sonderbaren  Erklärung,  daß  die  Ursache  in 
iler  starken  Verdunstung  des  Wassers  im  zerklüfteten  Boden  zu  suchen 
sei.  Geradezu  gefährlich  aber  ist  folgende  Theorie:  , .Jeder  Staat  ist 
von  einer  sogenannten  Interessensphäre  umgeben;  zwischen  den  Kultur- 
staaten  Europas  wird  diese  durch  neutrale  Staaten,  z.  B.  die  Schweiz, 
dargestellt." 

Eine  persönliche  Note  in  der  Erörterung  strittiger  Frageii  der 
Morphologie  des  Landes  wird  man  nicht  eben  erwarten  dürfen.  Von 
der  Davisschen  Zyklentheorie  scheint  der  Verf.  nicht  viel  zu  halten, 
aber  wo  er  ihrer  Erwähnung  tut,  geschieht  es  in  einer  Weise,  die  den 
unbefangenen  Leser  von  schärfstem  Mißtrauen  gegen  diese  Lehre  erlüllen 
muß.  So  heißt  es  z.  B.:  ,, Viele  Rumpfflächen  tragen  nicht  mehr  den 
Charakter  der  Reife,  sondern  ihre  Gewässer  besitzen  Stromschnellen 
und  Wasserfälle,  sind  also  noch  im  Stadium  der  Jugend";  oder:  ,,Auf 
abgetragenen  Landflächen  (Rumpfflächen)  bedingt  zuerst  das  allgemeine 
Gefälle  die  Richtung  der  Täler,  sodann  beeinflußt  aber  auch  die  Struktur 
des  Gebirges  die  F^ntwicklung  der  Flüsse."  Auch  den  Wirkungen  der 
Glazialerosion  steht  der  Verf.  noch  immer  skeptisch  gegenüber,  aber  sein 
Einwand,  daß  das  Gletschereis  am  Boden  durch  den  hohen  Druck 
])lastischer  werde  und  daher  an  Erosionskraft  verliere,  kann  doch  wohl 
nicht  ernst  genommen  werden. 

Es  ist  nach  den  genannten  Beispielen  kaum  anzunehmen,  daß  der 
Anfänger  aus  L'  1  e  s  Lehrbuch  zu  klaren  Vorstellungen  über  die  Haupt- 
Ichren  der  allgemeinen  (leographie  gelangen,  noch  weniger,  daß  sich 
der  l'achmann  seiner  als  eines  Nachschlairewerkes  bedienen  werde. 


In  vollem  Lmfang  wird  letzterer  Zweck  erreicht  in  A.  Supans 
bekannten  ,, Grundzügen  der  physischen  Erdkunde",  die  nun  nach  erst 
dreijähriger  Pause  in  abermals  umgearbeiteter  und  verbesserter  Auflage 
erschienen  sind^).  In  rastlosem  Schaffenseifer  ist  ihr  Verfasser  allen 
Neuerscheinungen  gerecht  geworden  und  hat  wesentliche  Abschnitte 
einer  durchgreifenden  Neubearbeitung  unterzogen.  Im  wesentlichen 
unverändert  geblieben  sind  sowohl  die  ersten  drei  als  auch  die  beiden 
letzten  Hauptabschnitte  und  damit  leider  auch  der  Übelstand,  daß 
zusammengehörige  Erscheinungsgruppen  aus  dem  Gebiete  der  Hydro- 
graphie des  Süßwassers  auf  die  einzelnen  Abschnitte  verteilt  sind.  So 
findet  man  die  Temperaturverhältnisse  der  Süßwasserseen  im  Abschnitt 
,,Das  Meer",  ihren  Wasserhaushalt  unter  ,, Dynamik  des  Landes"  dar- 
gestellt, wo  auch  die  Abflußverhältnisse  und  die  Wasserstandsschwan- 
kungen der  Flüsse  und-^das  Bodenwasser  behandelt  werden.  Vielleicht 
entschließt  sich  der  Verfasser  in  einer  gewiß  bald  wieder  erforderlichen 
Neuauflage  zu  einem  neuen  Hauptabschnitt  über  die  Hydrographie  des 

')  6.  Auflage.     Leipzig   1915. 


Neue  Lehr-  und  Handbücher  zur  allgemeinen  Erdkunde.  I79 

Süßwassers,  das  alle  zusammengehörigen  Erscheinungen  umfassen  könnte. 
Daß   man   m   einem  W^erke  von   diesem  Umfang  und  bei  einem  Autor 
von  der  Bedeutung  S  u  p  a  n  s  die  einführenden  Ka])itel  aus  dem  Bereich 
der   Geophysik    und    der  dynamischen   Geologie   nicht   wird   vermissen 
wollen,    ist   begreiflich,   und  mit  Interesse  liest  man   hiar  die  kritischen 
^Ausführungen  über  die  verschiedenen  Anschauungen  von  der  BiMchaffen- 
heit  des  Erdinnern,   über  die  Theorien  der  Gebirgsbildung,   üb^Xiveau- 
schwankungen  und  Vulkanismus  u.  a.  Die  Hauptarbeit  der  Neugestaltung 
aber  hat  S  u  p  a  n  den  morphologischen  Abschnitten  seines  Werkes  ge- 
widmet, in  denen  er,  wie  er  im  Vorwort  selbst  betont,  eingehender,  als 
es   in   früheren  Auflagen  geschehen  war,   sich  mit  der  Arbeitsmethode 
von  W.  M.   Davis    auseinandersetzt,    da    ,, einfache  Ablehnung    nicht 
mehr  möglich  ist".     S  u  p  a  n  s  durchaus  maßvoll  gehaltene  Kritik  richtet 
-ich    weniger    gegen   die  Terminologie   der  Davisschen   Lehre,    was  ja 
auch    eme  Frage  von    untergeordneter  Bedeutung    ist,    als    gegen    die 
Methode  ihrer  Anwendung,  aber  ai»ch  gegen  einzelne  Punkte  der  Theorie 
des  geographischen  Zyklus  selbst.     S  u  p  a  n   meint,   daß  dieser  wohl  zu 
weitgehender  Verflachung,  aber  nicht  zu  völliger  Einebnung,  d.  h.  zur 
Beseitigung   der  Wasserscheiden   führen  kann,   und   definiert   daher   die 
aus   der  Erosion    „mariner"  (d.  h,  ins  Meer  mündender)  Flüsse   hervor- 
gegangene  Peneplain    als    eine   in    sehr   fortgeschrittenem   Zustand   der 
l  berreite    in    ihrer  weiteren   Entwicklung  gehemmte   Oberflächenform 
Ich  meine,  daß  dieser  Definition  auch  überzeugte  Anhänger  der  Zyklen- 
lehre  sich   werden    anschließen    können,    daß    aber   auch  Davis    selbst 
nichts  anderes  gemeint  und  niemals  eine  völlige  Einebnung  für  möglicli 
gehalten    hat,    wie  ja    schon    der    Ausdruck   P  e  n  e  piain    und    die    stete 
Erwähnung  der  Restberge  zeigt,   wenngleich  anderseits  die  unglückliche 
Wendung   „Abtragung    bis    zu   einem   Tiefland"    in   diesem   Sinne  auf- 
gefaßt werden  könnte.    Es  wird  sich  gewiß  das  fließende  Wasser  immer 
nur  asymptotisch  emem  solchen  Endstadium  nähern   können,  wie  es  in 
nahezu  erreichter  Vollendung  etwa  in  der  Kirgisensteppe  oder  vielleiclit 
auch  im  südafrikanischen  Hochland  vorliegt. 

Gewichtiger  sind  die  Einwände  Supans  gegen  die  Methode  der 
Anwendung  der  Davisschen  Lehre  in  einzelnen  Fällen,  indem  er  den 
\  orwurf  erhebt,  daß  ihre  Anhänger  dort,  wo  keine  Rumpfflächen  mehr 
vorhanden  sind,  diese  aus  gleichen  Gipfelhöhen,  Mauerkämmen,  lokalen 
i  lateaustucken  und  mit  gewissen  geologischen  Argumenten  k  o  n  s  t  r  u  - 
1  e  r  e  n.  Zweifellos  ist  in  der  Anwendung  dieser  Kriterien  gesündigt 
worden,  und  es  ist  mir  möglich  gewesen,  einige  Fälle  derartiger  un- 
kritischer Rekonstruktionen  aufzuzeigen  und  zu  widerlegen:  richti»  ist 
auch,  daß  sehr  häufig  mit  dem  Ausdruck  Rumpffläche  l'nfug  getrieben 
w^rd  und  er  einem  Entwicklungsstadium  beigelegt  wurde,  das  von  einer 
nahezu  völligen  Einebnung  noch  recht  weit  entfernt  war;  und  gewiß 
geht  auch  Davis  zu  weit,  wenn  er  die  meisten  Gebirge  durch  die 
allmähliche  Zerschneidung  von  gehobenen  Tiefländern  entstanden 
sein  läßt.  Aber  dieser  Vorwurf  Supans  trifft  m.  E.  nicht  das  Wesen 
der  Lehre,  sondern  einzelne  Fälle  ungeeigneter  Anwendung  (wie  P  e  n  c  k 
richtig  sagt:  „Das  beste  Werkzeug^  ist^  in  den  Händen\les  Stümpers 
gefährlich");  ihr  großer  Gewinn  ist  es  vielmehr,  daß  sie  uns  die  Formen 
der  Landoberfläche   in   ihrer  Entwicklung  verstehen    lehrt   und  uns  das 


]y,{)  F  r  i  t  /.    M  a  c  h  a  t  s  c  li  e  k  : 

Nebeneiiiaiidervorlxommen  \^on  Formeni^rui^pen  /weifellos  verschiedenen 
morpholoiiisclien  iVlters  erklärt.  Wenn  wir  in  den  Ostalpen  oder  im 
l)inarischen  Gebirge  weite  Hochflächen  von  in  hohem  Grade  unreifen 
und  doch  rein  fluviatil  entstandenen  Tälern  zerschnitten  sehen  oder 
wenn  im  Apennin  an  eine  heute  hochgelegene  und  stark  zertalte 
(iebirgszone  sich  im  Pliozän  eine  Zone  sehr  feinkörniger,  toniger 
Scdimeiite  angelagert  hat,  die  nur  von  Flüssen  mit  sehr  geringem* 
Gelälle  abgelagert  werden  konnten  (w^ozu  hier  noch  andere  Argumente 
kommen),  so  bleibt  auch  bei  sorgfältigster  Prüfung  aller  andern  Mög- 
lichkeiten keine  andere  Erklärung  übrig  als  die  durch  Unterbrechung 
des  alten  und  Wiedereinleitung  eines  neuen  Zyklus,  und  darum 
nennen  wir  solche  Gebirge  mit  Recht  zweizyklische  Gebirge,  womit  ja 
keineswegs  gesagt  ist,  daß  sie  früher  einmal  ideale  Tiefländer  oder 
auch  nur  Penej)lains  im  Supanschen  Sinne  gewesen  sind.  Es  ist  zu 
bedauern,  daß  S  u  p  a  n  sich  in  diesen  Fällen  mit  der  Kritik  begnügt 
und  nicht  auseinandergesetzt  hat,  wie  derartige  Formenvergesellschaf- 
tungen anders  zu  erklären  wären.  Denn  dem  Versuch,  solche  Flächen 
einfach  für  lokale  Verebnungen  zu  halten,  widerspricht  sowohl  ihre 
gesetzmäßige  und  ausgedehnte  Verbreitung  als  auch  ihr  Auftreten  in 
hoher  Lage  neben  den  jugendlichen  Talformen,  was  sich  mit  all  dem 
nicht  verträgt,  was  wir  denn  doch  heute-  über  die  Zusamniengehörig- 
kcit  von  Formengruppen  zu  wissen  glauben.  Daß  in  diesen  und  ver- 
wandten Fällen  auch  die  von  S  u  p  a  n  befürwortete  Erklärung  durch 
iMithüllung  oder  ,,Keve]ation"  einer  fossilen  Rumpffläche  nicht  aus- 
reicht, bedarf  keiner  weiteren  Auseinandersetzung.  Sie  genügt  aber 
auch  nicht  für  die  zuerst  von  P  1;  i  1  i  p  ])  i  aufgefundene  alttertiäre 
Rumpffläche  ?^Iittel-  und  Süddcutschlands.  Denn  diese  wird  nicht  nur 
aus  dem  Vorhandensein  ausgedehnter  welliger  Flächen  im  Bereich  der 
]:)aläozoischen  gefalteten  Gesteine  erschlossen,  sondern  namentlich  dort, 
wo  die  Einebnungsflächc  auch  über  jüngere,  zwar  nicht  gefaltete,  aber 
doch  gest/irte  Deckschichten  hinwegzieht.  Das,  was  S  c  h  m  i  1 1  h  e  n  n  e  r 
von  der  allmählichen  Entblößung  der  alten  Schwarzwaldrumj^ffläche 
beschreibt,  ist  auch  im  mittleren  Böhmen  deutlich  zu  sehen,  wo  einer- 
seits unter  der  Kreidedecke  die  präzenomane  Rumpffläche  zum  Vor- 
schein kommt,  anderseits  eine  jüngere  und  höher  gelegene  Fläche  über 
Kreide-  und  altpaläozoische  Schichten  hinwegzieht.  Wenn  also  S  u  p  a  n 
zweifellos  Recht  hat,  daß  die  schematische  Anwendung  deduktiver 
Konstruktionen  zu  Irrtümern  verleiten  kann,  so  wnrd  er  doch  zubilligen 
müssen,  daß  in  der  Mehrzahl  der  Fälle  ehrliche  Arbeit  auf  dem 
Boden  der  Induktion  und  der  Beobachtung,  aber  gestützt  auf  die  Lehre 
vom  Zyklus,  zu  den  heutigen  Anschauungen  von  der  Entwicklungs- 
geschichte der  Formen  geführt  hat.  Sie  hat  uns  aber  auch  zu  einer 
schärferen  Formulierung  des  Begriffes  ,, Gebirge"  und  zu  einer  deut- 
lichen Trennung  vom  Standpunkt  des  Geologen  verholfen.  Wie  ich 
schon  einmal  an  dieser  Stelle  bemerkt  habe,  kann  es  vom  geographi- 
schen Gesichtspunkt  alte  Gebirge  nicht  geben,  denn  den  alten  oder 
überreifen  Formengesellschaften  fehlt  das  bezeichnende  Merkmal  des 
Gebirges,  der  anschauliche  Wechsel  von  Hoch  und  Niedrig,  und  es  ist 
daher*  nur  vom  geologischen  Standpunkte"  berechtigt,  wenn  S  u  p  a  n 
(S.  39)   die    nördlich   von  Tibet   gelegenen  Gebirge   als   ältere  den  süd- 


i 


Neue  Lehr-  und  Handbücher  zur  allgemeinen  Erdkunde.  i<j^i 

asiatischen  gegenüberstellt,  wobei  es  dahingestellt  bleibe,  ob  nicht  <iuch 
der  Himalaya  eine  ältere  tektonische  Anlage  hat.  Die  Unterschiede 
liegen  eben  vor  allem  in  der  Art  des  Materials  und  daher  der  gebirgs- 
bildenden  Dislokationen.  Ein  ähnlicher  Fall  eines  „alten"  und  doch 
morphologisch  jungen  Gebirges  liegt  wahrscheinlich  auch  im  Ural  vor, 
und  es  hat  daher  nichts  mit  dem  Verhalten  eines  Faltengebirges  gegen 
sein  Vorland  zu  tun,  wenn  der  Steilabfall  des  Urals,  wie  S  u  p  a  n  betont, 
gegen  sein  östliches  Vorland  gerichtet  ist. 

Der  knappe  Raum  verbietet  es,  auf  andere  Punkte  der  Supanschen 
Darstellung  strittiger  Fragen  einzugehen;  nur  ganz  allgemein  sei  be- 
merkt, daß  in  manchen  Fällen  anstatt  der  einlach  referierenden  Gegen- 
überstellung verschiedener  Ansichten  eine  noch  schärfere  Stellungnahme 
des  erfahrenen  Fachmanns  erwünscht  wäre.  Nicht  um  kleinliche  Kritik 
zu  üben,  sondern  um  auf  gewisse,  m.  E.  der  Änderung  bedürftige 
Stellen  hinzuweisen,  seien  endlich  noch  folgende  Einzelheiten  heraus- 
gehoben: S.  S28  wird  auf  die  Bedeutung  der  Lotungen  in  der  RhCme  bei 
Bellegarde  aufmerksam  gemacht,  die  erst  den  Beweis  geliefert  hätten, 
daß  das  Wasser  unter  Umständen  auch  wannenfirmige  \'ertiefungen 
auszuhöhlen  vermag.  Offenbar  handelt  es  sich  um  Kolke  im  Flußbett, 
die  zwischen  den  Übergängen  auftreten.  Daß  (S.  534)  die  Talmäander 
dort  beginnen,  wo  der  Fluß  aus  weicherem  in  härteres  Gestein  übertritt, 
ist  zum  mindesten  recht  fraglich;  aber  unrichtig,  daß  (S.  577)  ,,Kare 
und  ähnliche  Formen  auch  in  der  Sächsischen  Schweiz,  im  Colorado- 
Gebiet  und  in  der  afrikanisch-arabischen  Wüste  vorkommen".  Unver- 
ständlich ist  es  ferner,  warum  (S.  581)  die  Lagerung  der  Deltaschichten 
im  Meere  gewöhnlich  flach  bis  nahezu  horizontal  sein  soll  und  sie  nur 
in  Binnenseen  bis  35°  Neigung  erreichen  kann.  Daß  sich  (S.  533)  im- 
durchlässigen  Gestein  und  im  Tafelland  keine  Ouelltrichter  (gemeint  sind 
offenbar  die  trichterförmig  sich  zusammenschließenden  Hintergehänge 
eines  Tales)  entwickeln  können,  stimmt  nicht.  S.  554  wird  die  Rekamulde 
westlich  von  Zirknitz  als  ein  durch  Deckeneinbruch  eines  Hohlraumes 
entstandenes  Polje  gedeutet;  es  handelt  sich  um  ein  Tal  im  Flysch. 
Die   höchste  Temperatur   der   Gasteiner  Thermen   beträgt  40,6°.    nicht 

(s.  504)  71,5°.  -    ^>     ' 

Auf  ganz  anderem  Boden  steht  jenes  Werk,  durch  das  Davis' 
geomorphologische  Anschauungen  zum  erstenmal  in  zusammenfassender 
Form  in  Deutschland  verbreitet  worden  sind,  die  , .Grundzüge  der 
Physiogeographie-'  von  W.  M.  Davis  und  G.  Braun,  das  aut^^Grund 
von  Davis'  ,,Physical  Geography"  (1898)  neu  bearbeitet,  zuerst  191 1 
erschienen  ist  und  nunmehr,  in  zwei  getrennten  Bändchen  heraus- 
gegeben, in  zweiter  Auflage  vorliegt i).  Die  erste  Auflage  hatte,  was 
den  morphologischen  Teil  anbelangt,  natürlich  sehr  verschiedene  Be- 
urteilung gefunden:  allgemein  aber  war  die  Meinung,  daß  darin  die 
andern  Seiten  der  physischen  Erdkunde  viel  zu  kurz  gekommen  waren. 
Um  diesem  Vorwurf  zu  begegnen,  entschlossen  sich  Verfasser  und 
Verleger  zu  einer  Zweiteilung  derart,  daß  der  (1915  erschienene)  2.  Teil 
die  :\Iorphologie   bringt,    der  erste  (i9'7)  die  „Grundlagen"  derselben. 

1)  II.  Teil.  Leipzig  1915,  I.Teil,  ebenda  1917. 


I  ,S2  F  r  i  t  z   M  a  c  h  a  t  s  c  h  p  k  : 

tl.  h.:  die  l->dkiii4cl,  Lufthülle,  Land  und  Wasser,  Wasscrhülle  nebst 
einem  Anhang  über  die  Methoden  der  Physio[;eographie.  Da  ferner 
die  Zeitverhältnisse  eine  Alitarbeit  von  W.  M.  Davis  an  dieser  Neu- 
bearbeitung nicht  gestatteten,  rühren  dieAnderungen  des  morphologischen 
Teils  und  der  ganze  erste  Teil  von  G.  Braun  her.  Wie  nun  dieser 
in  der  Einleitung  betont,  weicht  das  Buch  in  seiner  ganzen  Anlage  von 
den  gangbaren  Lehrbüchern  der  physischen  Erdkunde  ab,  indem  es  vor 
allem  der  Schulung  zur  Beobachtung  und  Darstellung  dienen  will.  Es  be- 
handelt daher  auch  die  Lehren  der  Geophysik,  der  allgemeinen  Meteo- 
rologie und  Ozeanographie,  aber  nicht  als  Selbstzweck,  sondern  nur  in 
Auswahl  und  insoweit,  als  sie  für  den  besonderen  geographischen  Zweck 
als  Grundlage  von  Forschung  und  Beobachtung  dienen  sollen,  so  da!» 
dadurch  die  großen  Lehrbücher  nicht  ersetzt,  sondern  nur  in  ihren  spezi- 
fisch physiographischen  Teilen  ergänzt  werden  sollen.  Ebenso  will 
auch  der  morphologische  Teil  keine  vollständige  und  systematische 
Morphologie  sein,  sondern  vor  allem  auch  nur  der  Vorbereitung  zur 
eigenen  Beobachtung  dienen.  Damit  ist  aber  eigentlich  der  Sinn  des 
Wortes  ,,Physiogeographie"  verschoben;  denn  wenn  der  erste  Teil  nur 
ihre  Grundlagen  bringen  will,  so  ist  eben  der  zweite  Teil  die  eigent- 
liche Physiogeographie  und  diese  also  doch  nur  die  Morphologie  der 
Landoberfläche;  die  übrigen  Zweige  der  physischen  Erdkunde  erfahren 
entgegen  dem  Titel  des  Werkes  keine  ebenbürtige  Behandlung  und 
dieses  müßte  eigentlich  ,, Geomorphologie  und  ihre  Grundlagen"  heißen. 
Ein  später  zu  erscheinender  dritter  Teil  soll  allerdings  eine  übersicht- 
liche Darstellung  der  physischen  Geographie  der  Erdoberfläche  enthalten. 
Man  wird  also  im  ersten  Teil  weder  Vollständigkeit  noch  aus- 
führliche Begründungen,  am  wenigsten  Angaben  über  die  geographische 
X'erbreitung  der  wichtigsten  Erscheinungen  aus  dem  Gebiet  der 
(icophysik,  allgemeinen  Geologie,  Meteorologie  und  Hydrographie  er- 
warten dürfen  (speziell  der  den  Erdkörper  behandelnde  Abschnitt  ist 
so  kurz,  daß  er  ohne  Schaden  hätte  fortbleiben  können),  aber  die 
Mitteilung  des  Tatsächlichen  geschieht  in  so  präziser  und  doch  leicht 
faßlicher  Form,  daß  sie  als  erste  Einführung  ihren  Zweck  gewiß  er- 
reichen wird.  Besonders  sei  auf  die  wesentlich  umgearbeiteten  Iso- 
thermen- und  Isobaren-  und  Niederschlagskarten  in  der  auch  sonst  zur 
.Anwendung  gebracliten  liomalographischcn  Projektion  verwiesen.  Auch 
die  nunmehr  neu  eingefügten  Anmerkungen  aus  dem  Gebiet  der 
Petrographie  und  Geologie  beschränken  sich  auf  das  morphologisch 
Wichtige  (wobei  irrig  Kontakt-  oder  Dynamometamorphose  durch  das 
Eindringen  von  Schmelzfluß  zwischen  andere  Gesteine  erklärt,  die 
Kontraktionshypothese  abgelehnt  und  die  cpirogenetischen  Bewegungen 
durch  isostatische  Vorgänge  zu  erklären  versucht  wird,  was  wohl  nicht 
ganz  ausreicht).  Die  umnittelbare  Vorbereitung  für  den  morphologi- 
schen Hauptteil  bilden  die  (nur  20  Seiten  umfassenden)  Ausführungen 
über  den  Abtragungsvorgang,  meinem  Empfinden  nath  doch  etwas  zu 
kurz ;  denn  wenn  auch  bei  der  Darstellung  der  Entwicklungsgeschichte 
der  Formen  immer  wieder  aut  das  Wie?  der  Vorgänge  zurückgekommen 
wird,  so  reicht  doch  die  vergleichende  mor])hologische  Betrachtung  als 
Ersatz  für  die  Analyse  der  erodierenden  Vorgänge  nicht  aus  und  es 
kann  leicht  der  Eindruck  erweckt  werden,  als  ob  wir  über  diese  selbst 


Neue  Lehr-  und  Handbücher  zur  allgemeinen  Erdkunde.  X33 

schon  i;anz  im  klaren  wären;  besonders  gilt  dies  von  der  eben  nur 
gestreiften  Art  der  Wirkung  des  Eises  und  des  Windes  auf  die  Aus- 
gestaltung der  Landoberllächc. 

Der  zweite  (morphologische)  Teil  bringt  gegenüber  der  ersten  Auf- 
lage des  deutschen  Werkes  nicht  unwesentliche  Veränderungen;  die  in 
dieser  enthaltenen,  meist  recht  primitiven  Hinweise  auf  die  Beziehungen 
zwischen  morphologischen  und  anthropogeographischen  Verhältnissen 
sind  nunmehr  gänzlich  fortgelassen.  In  der  theoretischen  .\bleitung  des 
Zyklus  wird  der  Unterschied  zwischen  morphologischem  und  geolo- 
gischem vVlter  betont,  in  die  Erklärung  des^Kartenbilds  ist  ein  kurzer 
Abschnitt  über  morphologische  Karten,  in  die  Betrachtung  der  Ebenen 
und  Plateaus  eine  Bemerkung  über  ,, Landterrassen"  (lokale,  an  Flüsse 
gebundene  Verebnungsflächen)  eingefügt.  Neu,  aber  m.  E.  unbegründet 
ist  die  Feststellung,  daß  die  Herausbildung  von  Schichtstufenlandschaften 
das  Vorhandensein  einer  Rumpffläche  voraussetzt.  Größere  Verände- 
rungen zeigt  die  Behandlung  der  Ausgestaltung  der  Faltengebirge,  wo- 
bei auf  die  Unmöglichkeit,  die  Urform  von  kompliziert  gebauten  Decken- 
und  Schuppengebirgen  zu  rekonstruieren ,  hingewiesen,  aber  dies  für 
bedeutungslos  angesehen  v.drd,  da  sich  herausgestellt  habe,  daß  alle  diese 
Gebirge  mehrzyklisch  sind  und  daher  die  Formen  des  letztverfl-ossenen 
Zyklus  als  Urform  anzusehen  sind.  Demgegenüber  sei  bemerkt,  daß 
abgesehen  davon,  daß  dieser  Beweis  für  die  Westalpen  mir  nicht  er- 
bracht erscheint,  doch  auch  die  ursprüngliche  Struktur  für  die  Aus- 
gestaltung sehr  wesentlich  ist.  Solche  Gebirge  entziehen  sich  eben  der 
deduktiven  Behandlung.  Ebenso  geht  es  zweifellos  nicht  an,  den  Mont 
Blanc  (ebenso  wie  den  Chan-Tengri  im  Tianschan,  einfach  als  über- 
l«benden  Rest  eines  früheren  Zyklus  anzusehen,  der  noch  nicht  zum 
oberen  Denudationsniveau  der  Gegenwart  abgetragen  worden  ist.  Neu 
eingeführt  ist  die  Betrachtung  des  reif  zerschnittenen  Berglandes  im 
2.  Zyklus.  Die  Begriffe  Rumpffläche  und  Restberge  werden  unter  den 
,Xandschaften  mit  einfacher  Struktur"  zuerst  erläutert,  freilich  mit  Bei- 
spielen aus  Gebieten  mit  sehr  stark  gestörter  Struktur.  Es  hätte  sich 
wohl  empfohlen,  diese  Begriffsbestimmungen  sofort  in  der  ,, theoretischen 
Grundlegung"  zu  bringen  und  die  Gliederung  in  Landschaften  mit  ein- 
facher und  komplizierter  Struktur  noch  schärfer  durchzuführen. 

Die  Behandlung  der  Vulkane  ebenso  die  der  Täler  ist  nahezu  unver- 
ändert geblieben,  doch  ist  das  Kapitel ,, Schutt  des  Landes"  in  das  über  die 
Täler  aufgelöst,  so  daß  nunmehr  auch  die  Abschnitte  über  schutterfüllte 
Becken  und  die  großen  Ebenen  unter  den  Tälern  behandelt  werden, 
was  etwas  störend  wirkt;  inkonsequent  ist  es,  Aufschüttungsterrassen 
bei  der  ursprünglichen  Talentwicklung,  Felsterrassen  beim  wieder- 
belebten Fluß  zu  besprechen.  Unverändert  geblieben  ist  auch  das 
Kapitel  über  die  ariden  Formen  in  der  bekannten  Fassung  des  ariden 
Zyklus  von  Davis,  die  aber  doch  rein  deduktiv  und  nur  auf  halbaride 
Gebiete  (Salzsteppen)  anwendbar  ist,  den  extremen  Wüsten  gegenüber 
aber  versagt.  Auch  das  Kapitel  über  die  Landlormen  des  nivalen 
Klimas  hat  nur  insofern  eine  Ausgestaltung  erfahren,  als  SchlifT- 
kehle  und  Trogschluß  kurz  erwähnt,  die  Trogschulter  aber  nur  als 
Gehängeknick  beschrieben  wird.  Das  schwierige  Problem  der  Ent- 
stehung der  Trogschulter   und   der   hohen  Lage   der  Schliffgrenze  über 


1W4;      i'ritz  Machatschek:  Neue  Lehr-  u.  Handbücher  zur  allgemeinen  Erdkunde. 

der  Schulter  wird  also  abermals  iiberj^aiigen,  wie  auch  die  der  Natur 
nicht  entsprechenden  Abbildunf;en  \^on  D  a  v  i  s  zur  Erläuteruni^-  der 
'J"roj4form  der  Tiiler  wieder  übernommen  sind.  Neu  eingefügt  ist  ferner 
ein  kurzer  ^Abschnitt  über  die  Landlbrmen  im  feuchtheißen  Klima,  nur 
in  der  Anordnung  des  Stoffes  etwas  verändert  das  letzte  Kapitel  über 
die  Küstenformen.  Die  Illustrierung  des  Werkes  ist  durch  mehrere 
gute  Landschaftsbilder  nach  Photograi)hien,  meist  mit  erklärender  Be 
schriftung  im  Bilde  selbst,   verbessert  worden. 

So  ist  das  Werk  zwar  im  wesentlichen  das  alte  geblieben,  aber 
doch  in  mancher  Beziehung  umgestaltet  und  verbessert,  in  anderer  noch 
der  \'erbesserung  und  Erweiterung  bedürftig.  Mag  vielleicht  auch 
manchem  der  eingeschlagene  Weg  zu  einseitig,  die  Beweisführung  nicht 
immer  ganz  überzeugend  erscheinen,  so  geht  doch  zweifellos  aus  ihm 
der  groüe  Vorteil  der  genetischen  Betrachtungsweise  und  der  Loslösung 
von  der  rein  systematischen  Darstellung  hervor.  Möchte  uns  nun  bald 
auch  eine  vollständige  .Morj:)hologie  der  ErdoberOäche  auf  dieser  Grund- 
lage beschieden  sein! 


KLEINE  MITTEILUNGEN. 


Europa. 

Die  Gradzählung  der  Karte  des  Deutschen  Reiches  r  :  lOOOtX) 
geschieht  bekanntlich  nach  dem  Meridian  von  Ferro,  welcher  ge- 
wöhnlich als  der  Meridian  20°  westlich  Paris  definiert  wird  und  in 
W'irklichkeit  gar  nicht  durch  die  Insel  Ferro,  sondern  20'  östlich  derselben 
durch  das  Meer  verläuft.  Die  Verschärfung  der  Längenbestimmung 
Potsdam  bzw.  Berlin  nach  Paris  und  Green  wich  hat  ergeben,  daß  sie 
früher  um  13,4"  zu  groß  angenommen  worden  ist.  Demnach  bezieht 
sich  die  Gradzählung  der  deutschen  Karten,  streng  genommen,  nicht 
auf  den  üblichen  Ferro-Meridian  20-  westlich  Paris  (Ferro — Paris), 
sondern  auf  einen  13,4"  w'eiter  westlich  gelegenen  Ferro-Meridian 
(Ferro — Potsdam).  Wir  haben  daher  in  Deutschland  faktisch  zwei  Ferro- 
Meridiane  in  Gebrauch. 

Die  Gradzählung  der  Landesaufnahme  ist  von  großer  Bedeutung 
für  die  Blatteinteilung.  Die  Grenzmeridiane  der  Blätter  werden  durch 
die  Meridiane  von  1/2  zu  1/.,°  gebildet,  die  nach  Ferro — Potsdam  ge- 
zählt werden.  Um  die  Blätter  durch  die  Meridiane  von  ^/^  zu  7-2^  nach 
Ferro — Paris  zu  begrenzen,  müßte  man  von  jeder  Karte  der  Reichs- 
karte im  Westen  einen  13,4"  breiten  Streifen  abschneiden  und  im 
Osten  einen  ebenso  breiten,  bei  der  mittleren  geographischen  Breite 
des  Reiches  260  m  messenden  Streifen  anstückeln.  Dies  würde  eine 
riesige  Aufgabe  bedeuten,  durch  welche  der  Karteninhalt  nicht  die  ge- 
ringste Veränderung  erfahren  würde.  Die  Preußische  Landesaufnahme 
hat  sich  ganz  richtig  entschlossen,  bei  der  alten  Zählung  zu  bleiben 
und  nunmehr  den  Meridian  Ferro  (Potsdam)  als  denjenigen  zu  erklären, 
nach  welchem  sie  zählt,   während  für  die  Messungen  selbst  der  Meridian 


Kleine  Mitteilungen.  lo- 

durch  die  Mitte  der  großen  Kuppel  des  Observatoriums  des  Geodäfi- 
schen  Institus  in  Potsdam  zugrunde  gelegt  wird.  Ferro  (Potsdam)  lieot 
last  genau  17-  40'  (genau  17°  39'  59,414")  westlich  Greenwichi).  Dk- 
Grenzmendiane  der  Reichskarte  werden  daher  fast  genau  durch  die 
Meridiane  von  20'  und  50'  östlicher  Länge  von  Green  wich  begrenzt, 
'no   .J°-  ,?''/'"'    ^!''°    (Potsdam)    =     12°  20'     r.stlich    Greenwich; 

00  30  östlich  Potsdam  =  12°  50'  östHch  Greenwich.  Es  ist  also 
die  Minuteneinteilung  am  Rande  der  Reichskartenblätter  fast  oenau 
nach  den  ganzen  Minuten  östlicher  Länge  von  Greenwich  durchgeftihrt 
und  der  Lbergang  vom  Gradnetz  der  Landesaufnahme  zu  dem  von 
Greenwich  ist  praktisch  viel  leichter  als  nach  dem  .Meridian  von  Paris 
durchzuführen. 

Peiich. 

Die  Nationalitäten  in  den  deutschen  Ostprovinzen.  Eine  Fälschung 
schlimmster  Art  stellt  die  „Xationalitätenkarte  der  östlichen  Provinzen 
des  Deutschen  Reiches'-  von  Jakob  Spett  dar^),  die  afs  Grundlage 
die    „\ogelsche   Karte    des    Deutschen    Reiches    und    der   Alpenländer 

1  :  500  OOO"  benutzt  und  im  Titel  behauptet,  nach  den  Ergebnissen  der 
amtlichen  \  olkszählung  vom  Jahre  1910  entworfen  zu  sein.  Die  Karte 
ist  gedruckt  bei  Justus  Perthes  in  Gotha;  der  Name  des  Verleoers  ist 
aut  der  Karte  selbst  nicht  angegeben,  sondern  auf  einem  nach?räolich 
aut  die  Rückseite  der  Karte  aufgeklebten  Zettel. 

Der  Anteil  deutscher  und  polnischer  Bevölkerung  wird  prozentual 
-no      A  ,^^'Sfstellt   (über  85^0  deutsch,    über   700/^  deufsch,    über 

^0"p   deutsch,    über    50  0/^   polnisch,    über   70  7^    polnisch. '  über   85  0. 
polnisch),   und  zwar  nicht  nach  Kreisen,  sondern  nach  kleineren  Flächen 
die    gelegentlich   Gemeinden    entsprechen    dürften,    was    den    Eindruck 
groUer  Spezialisierung  und  Genauigkeit  erweckt. 

Auf  der  Karte  befindU  sich  eine  „Statistische  Übersicht"  über  die 
Bevölkerung  der  einzelnen  Kreise  und  Regierungsbezirke.  Sie  gibt 
einen  Einblick  in  die  Art  der  auf  der  Karte  durchgeführten  Unter- 
sclieidung  von  Deutschen  und  Polen.  Es  werden  unterschieden:  deutsch 
v.H.  und  polnisch  usw.  v.  H.,  d.  h.  also:  Spett  weist  den  Polen  alles 
zu,  u-as  nicht  deutsch  ist,  z.  B.  auch  die  ganze  tschechische  Bevölkerung 
von  Oberschlesien,  die  auf  der  Karte  in  der  Tat  als  polnisch  dar 
gestellt  wird,  ferner  alle  Zweisprachigen.  Tatsächlich  ergibt  eine  Über- 
prutung  der  mitgeteilten  Zahlen,  daß  dies  geschehen  ist.  Auf  diese 
\\  eise  erzielt  Spett  eine  relativ  größere  Zahl  von  Polen  (denen  er  die 
Kassuben  sowohl  als  auch  die  Masuren  zuweist,  ein  von  polnischer 
beite  Ott  geübtes  \  erfahren)  gegenüber  den  Deutschen.  Aber  nicht 
nur  dies. 

Eine  Betrachtung  der  Karte  vergewissert,  daß  er  überall  die  Zahl 
der  1  ölen  größer  angibt,  als  nach  dieser  gewiß  weitherzigen  Fassung 
des  Begriffes  Polen''  möglich.  Von  66  Stichproben,  die  im  Gebiete 
der  Warthe-Netze-Linie  und  unteren  Weichsel  sowie  im  Gebiete  der 
-uemarkationslinie    vorgenommen    wurden,    weicht    die   Spettsche  Dar- 

J)  Die  Insel  Ferro  liegt  18°  westlich  Gr. 

)  Jakob  Spett  ing.  Nationalitätenkarte  der  östlichen  Provinzen  des  Deutschen 
^n.-?  •  m'?  ?'"  Ergebnissen  der  amtlichen  X'olkszählung  vom  Jahre  19  oen" 
uoifen.     Maßstab  r  :  500  000.     Verlag  von  Moritz  Perles.     wfen  191S 


jgg    .  Kleine  Mitteilungen. 

Stellung    in    allen    Tällen    von    lien    amtlichen    Ergebnissen    zugunsten 
der  Polen  ab. 

Spett  stellt  nicht  nur  Orte  mit  gleich  großer  deutscher  und  polnischer 
Bevölkerung,  wie  z.  B.  Scinvekatowo,  als  überwiegend  polnisch  dar, 
sondern  auch  Orte  mit  deutscher  Mehrheit,  und  zwar  nicht  bloß,  wenn 
diese  nur  einige  Prozent  ausmacht,  sondern  auch,  wo  sie  ganz  aus- 
gesprochen ist;  z.  B.  Wolfshagen:  247  Einwohner,  davon  238  Deutsche; 
Scherlanke:  900  Einwohner,  885  Deutsche;  Schwarzhauland:  382  Ein- 
wohner, 376  Deutsche.  Ein  Ort  wie  Eigenheim  mit  646  Einwohnern, 
darunter  572  Deutschen,  wird  als  zu  85  *^/q  polnisch  dargestellt!  Das 
sind  aber  nicht  Einzelresultate,  sondern  das  ist  die  Regel.  Das  Mittel 
der  Prozentsätze,  um  die  Spett  die  Zahl  der  Polen  zu  groß  angibt,  ist 
30  ^/q;  infolgedessen  erscheinen  im  Durchschnitt  Gebiete,  die  wie  West- 
preußen fast  -/g  deutsche  Mehrheit  aufweisen,  als  überwiegend  polnisch! 
Rein  deutsche  Gemeinden  fehlen,  wenn  die  Orte  auf  der  Karte  nicht 
genannt  sind ;  überwiegend  deutsche  Gebiete,  die  sich  in  polnische 
eindrängen,  wie  z.  B-  dasjenige,  welches  die  rechts  der  Weichsel  sitzen- 
den Polen  des  Kreises  Stuhm  von  den  links  der  Weichsel  wohnenden 
Polen  trennt,  werden  weggelassen,  rein  deutsche,  die  im  Osten  an- 
grenzen, werden  als  polnisch  dargestellt.  Forstgebiete  mit  überwiegend 
])olnischer  Bevölkerung  bezeichnet  Spett  richtig  als  überwiegend  polnisch. 
Forstgebiete  mit  überwiegend  bzw.  rein  deutscher  Bevölkerung  läßt  er 
einfach  weiß. 

In  alledem  ist  kein  anderes  System  zu  erblicken,  als  die  Absicht, 
die  Verbreitung  der  Deutschen  zugunsten  der  Polen  zu  gering  wieder- 
zugeben und  es  muß  daher  die  Spettschc  Karte,  wie  eingangs  ge- 
schehen, als  eine  Fälschung  schlimmster  Art  bezeichnet  werden. 

Jlcrberi  Hcydc. 

"*  Die  Gipfelflur  in  den  Alpen.  Die  Konstanz  des  Gipfelniveaus 
eines  Gebirges,  oder  wie  A.  Penck  in  einem  Aufsatz^)  sie  neuerdings  be- 
zeichnet ,,die  Gipfelflur",  ist  oft  beobachtet  und  beschrieben  worden.  Den 
Gedankengängen  W.  M.  Davis  über  den  Geographischen  Zyklus  folgend 
ist  mehrfach  versucht  worden,  allein  schon  aus  der  fast  gleichen  Höhe 
der  Gipfel  eine  erosive  Entstehung  der  Gebirge  aus  einer  Fastebene 
zu  folgern.  Penck  wendet  sich  gegen  diese  Auffassung,  die  bei  den 
Alpen  allein  schon  darum  hinfällig  wird,  weil  sich  in  allen  jüngeren 
Schichten  am  Rande  der  Alpen  grober  Gesteinsschutt  vorfindet,  ein 
Rumpf  als  das  Endergebnis  der  Abtragung  aber  einen  solchen  der 
Umgebung  nicht  liefern  kann.  Der  Aufsatz,  der  für  die  spezielle 
Geschichte  der  Alpen  von  größter  Wichtigkeit  ist,  wird  dadurch  um 
so  bedeutungsvoller,  als  Penck  in  ihm  eine  großzügige  Abwandlung  der 
Lehre  vom  geographischen  Zyklus  bietet,  die  viele  Widersprüche  des 
alten  Schemas  zu  lösen  verspricht. 

Er  sagt,  die  Erosion  beginnt  nicht  mit  der  fertig  gehobenen  Fast- 
ebene, sondern  mit  der  Hebung  selbst.  Dieser  einfache  Gedanke  führt 
ihn  dazu  zwischen  drei  verschiedenen  Arten  der  Gebirgsbildung  zu 
unterscheiden,     die     nach     dem    jeweiligen     Stärkeverhältnis     zwischen 

^)  Sitzungsberichte  der  preuß.  Alcad.  d.  Wiss.     1919.     S.  256. 


Kleine  Mitteilungen.  J-J^J 

Hebung  und  Erosion  entstehen.  Ist  die  Hebung  schnell  und  an- 
dauernd, so  entstehen  zuerst  Taleinschnitte  und  zwischen  ihnen  Riedel, 
die  Taleinschnitte  vertiefen  sich  und  bilden  im  Laufe  der  Zeit  die 
Riedel  in  Schneiden  um.  Die  Höhe  der  Schneiden  hängt  nur  ab  von 
der  Taldichte.  Bei  ständiger  Hebung  kann  trotzdem  das  Gebirge  nicht 
wachsen,  weil  die  Erosion  es  nicht  zuläßt,  das  obere  Denudwtions- 
niveau,  die  ,,Grenzgiptelllur"  bleibt  als  obere  Grenze  bestehen.  Erst 
wenn  die  Hebung  nachläßt,  können  runde  Formen,  wie  Rücken,  durch  Ver- 
witterung usw.  entstehen,  die  aber  bei  diesem  Vorgang  aus  den  Schneiden 
ihren  Ursprung  nehmen.  Jetzt  erst  setzt  die  bekannte  Weiterentwicklung 
ein,  die  zur  Fastebene  hinstrebt.  Ist  dagegen  die  Hebung  vorzeitig  beendet, 
so  entwickeln  sich  zwar  zuerst  Taleinschnitte  und  Riedelflächen,  dann  aber 
runden  sich  die  Formen  ab,  es  entstehen  Rückenformei^  die  jetzt  unter 
Überspringung  der  Schneideformen  unmittelbar  aus  den  Riedelformen 
entstehen.  Die  Entwicklung  ist  gleichlaufend  mit  der  ersten,  nur  fehlt 
das  ,, reife"  Mittelglied,  die  Entstehung  der  Schneiden.  Ist  drittens 
endlich  die  Hebung  nur  ganz  langsam  erfolgt,  so  entstehen  überhaupt 
keine  Riedelflächen,  die  Landschaft  hat  von  ihrer  ersten  jugendlichen 
Entstehung  an  Formen,  die  man  mit  W.  M.  Davis  als  greisenhaft  be- 
zeichnen müßte.  Ja,  ist  die  Hebung  zuerst  ganz  langsam,  dann  schneller, 
endlich  stefig  erfolgt,  so  erhalten  wir  Formenreihen,  die  gerade  dem 
, .normalen"  Zyklus  völlig  entgegengesetzt  sind,  in  dem  zuerst  Flachlands-, 
dann   Mittelgebirgs-,   endlich   Hochgebirgsformen  entstehen. 

Dieser  Gedankengang  scheint  die  Fragen  der  Gipfelflur  der  Alpen 
der  Lösung  näher  zu  führen.  Die  randlichen  Partien  hoben  sich  lang- 
samer, als  die  Mitte,  nicht  nur  bei  den  ganzen  Alpen,  sondern  auch 
bei  einzelnen  Teilen  derselben.  Ein  flacher  Faltenw^urf  traf  das  alte 
Gebirge  quer  zum  Verlauf  und  hob  einzelne  Partien.  Diese  verwan- 
delten sich  in  Schneiden,  während  am  Rande  die  geringere  Hebung 
Rückenform.en  erzeugte.  Die  glaziale  Formgebung  wandelte  Rücken. 
Schneiden  und  Täler  um,  bei  den  Rücken  deutliche  Kare  hinterlassend, 
an  den  Schneiden  weniger  ausgeprägte  Firnmulden  schaffend  und  die 
Täler  übertiefend.  Trotz  der  Bedeutung  der  eiszeitlichen  Formen  ist 
aber  noch  heute  das  rein  erosive  Bild  des  sich  hebenden  Gebirges 
für  Talverlauf  und  Gipfelflur  maßgebend.  jr'.  Bchrmaun. 

0  Eine  neue  Einteilung  Schwedens  in  kulturgeographische  Land- 
schaften auf  Grund  der  Stadtanlagen  versucht  der  schwedische  Geograph 
an  der  Universität  Lund,  Helge  Nelson,  im  Ymer  1918,  S.  341.  Xord- 
schweden,  von  der  Grenze  gegen  Finnland  bis  nahezu  zum  Dal-Elf, 
zerlegt  er  in  drei  in  der  Längsrichtung  gestreckte  Gebiete:  das  Gebirgs- 
land,  das  nordschwedische  Waldland  und  das  nordschwedische  Küsten- 
land. Zwischen  die  beiden  ersteren  schaltet  er  im  Bereich  des  oberen 
Jemtlandes  noch  eine  vierte  Landschaft  ein,  die  er  als  nordschwedisches 
Silurgebiet  bezeichnet.  Das  Gebirgsland  umfaßt  das  Land  oberhalb 
der  Wald-  und  damit  auch  der  Ackerbaugrenze,  eine  Landschaft,  die 
/i  300  qkm  Areal  bedeckt  und  von  65  ooo  Menschen^)  bewohnt  wird, 
was  einer  Dichte  von  0,4  auf  i  qkm  entspricht.     Städte  würden  diesem 


Die  Zahlen  gehen  zurück  auf  die  Volkszählung  v.   i.  i.  1916. 


\^^  Kleine  Mittcilunifcn. 

W'aldj^ebiet  iVcnid  sein,  wenn  nicht  der  lierj^bau  an  der  Grenze  des 
.\ckerbaues  hätte  Kjerunas  entstehen  lassen,  einen  Ort  von  8iOü  Seelen, 
der  in  seinen  Mauern  damit  29  ^Jq  der  Gesamtbevölkerung  beherbergt. 
\'iel  dichter  besiedelt  ist  das  nordschwedische  Waldland,  das  immerhin 
auch  noch  siedlungsfeindlich  ist.  Auf"  145  150  qkm  Fläche  kommen 
hier  290000  Einwohner,  also  2,4  auf  i  qkm.  Die  Zahl  der  Städte  ist 
mit  7  auch  nur  gering,  und  diese  sind  noch  dazu  klein.  In  ihnen 
wohnen  im  ganzen  1 2  0()0  Einwohner,  d.h.  4,3^/0  der  Gesamtbevölke- 
rung,  und  von  ihnen  hat  der  Bergwerksort  Malmberget  allein  4000  Ein- 
wohner. Innerhalb  dieses  langgedehnten  Waldgebietes  ist  die  Dichte 
nicht  überall  gleich.  Während  in  dem  wärmeren  Wärmland  im  Süden 
auf  I  qkm  7  bis  8  Menschen  kommen,  ist  es  im  Xordea  nur  ein  einziger. 
Sowie  der  Bodef^,  wie  im  nordschwedischen  Silurgebiet,  besser  und  ertrag- 
reicher wird,  ist  die  Besiedlung  größer.  I*2ine  Fläche  von  1  3  700  c^km  haben 
hier  Soooo  Menschen  innc,  und  5,8  Personen  kommen  auf  i  qkm.  Die 
Zahl  und  Größe  der  Städte  ist  noch  klein.  In  2  Städten  wohnen 
13300  Seelen,  d.  h.  17%  der  Bevölkerung.  Das  nordschwedische 
Küstenland,  ohne  das  Gästrikland,  mit  seinem  Wald,  seinem  reicheren 
Ackerbau  und  seiner  blühenden  Holzindustrie  weist  eine  viel  größere 
Bevölkerungsdichte  und  Zahl  von  Städten  auf.  Auf  55  lOO  qkm  leben 
hier  621  OOO  Personen  (12  auf  1  qkm),  wovon  118  800  Personen,  I9'^,0' 
in  33  Städten  wohnen,  Handels-,  Bezirks-,  Sägewerks-  und  Industrieorten 
von  mehr  oder  weniger  städtischem  Charakter.  Mit  Dalarne  bildet  das 
Gristrikland  eine  natur-  und  kulturgeographische  Provinz,  ein  l'bergangs- 
gebiet  zwischen  dem  nordschwedischen  Küstenland  einerseits  und  dem 
mittclschwedischen  Flach-  und  Hügelland  andrerseits.  Für  den  be- 
deutenden Bergbau  dieser  Landschaft  ist  das  nahe  Hügelland  mit  seinen 
großen  Wasserkräften  ein  wichtiger  Faktor  für  die  Eisenhütten.  Wie  das 
nordschwedische  Waldland  aber  hat  sie  auch  eine  große  Holzindustrie. 
Das  ebenere  Relief  und  das  mildere  Klima  begünstigen  außerdem  den 
.\ckerbau.  So  ist  auch  hier  die  Volksdichtc  bedeutend  höher,  28  auf 
I  qkm  (Areal  9700  qkm,  240000  Einwohner),  und  auch  die  Städte- 
anlagen sind  zahlreich.  40^/q  der  Bevölkerung  der  Landschaft,  96  800 
Menschen  leben  in  20  Städten.  Das  Hügelland  dagegen  hat  bei  nahezu 
gleicli  großer  Ausdehnung,  8900  qkm,  etwas  mehr  als  die  Hälfte 
an  Einwohnern,  130000,  also  nur  eine  Dichte  von  15  auf  i  qkm.  Die 
Zahl  der  Städte  ist  ebenfalls  geringer,  und  die  Städte  sind  klein.  In 
13  Orten  mit  über  lOCXD  Einwohnern  leben  29  50O  Menschen,  also  23"/^. 
Das  Hügelland  ist  ein  Ausläufer  des  nordschwedischen  Waldlandes,  und 
der  Wald  hat  die  Entwicklung  der  städtischen  Siedlung  gehemmt.  Die 
mittelschwedische  Flachlandsackerbauzone  liegt  zwischen  dem  wald- 
bedeckten Plateauland  und  der  schärenumsäumten  Küste  und  zerfällt 
in  drei  l'nterprovinzen.  Das  Mälarland  hat  im  Mälarsce,  das  Wener- 
land  im  Wenersee  sein  natürliches  Zentrum.  Der  Wettersee  spielt  für 
seine  Umgebung  die  gleiche  vermittelnde  Rolle.  Östlich  von  ihm  liegt 
tlas  dritte  natürliche  Teilgebiet,  Ostgotland.  Als  ganzes  umfaßt  diese 
Landschaft  70  000  iikm  mit  21/2  ^^ill-  Einwohnern,  d.  h.  nahezu  die  Hälfte 
{44^1'q)  der  Gesamtbevölkerung  Schwedens.  Die  Volksdichte  steigt  auf 
39  auf  I  qkm  (42  im  Mälargebiet,  ^J  im  Wenergebiet  und  33  in  Ost-, 
gotland).     Die  Städte,   87   an  der  Zahl,    beherbergen  nahezu  die  Hälfte 


Kleine  Mitteilungen.  139 

aUer  Bewohner  (470;^)  und  dräni^en  sich  vor  allem  im  Maiarland  zu- 
sammen," eine  Entwicklung,  die  neben  natürlichen  auch  durch  historische 
Faktorjen  bedingt  ist.  Das  südschwedische  Hochland  hat  seine  Süd- 
grenze etwa  in  der  Linie  Hallandsäs  bis  Sölvesborg.  Es  umfaßt  das 
Horstplateau  von  Schonen  und  dessen  Flachland,  49  300  qkm  mit 
I  060000  Einwohnern,  2  3  Einwohner  auf  i  qkm.  Die  Zahl  der  Städte  betragt 
45  mit  230900  Einwohnern,  d.  h.  22'^/q  der  GesamtbevcUkerung.  Die 
Halbinsel  Schonen  zerfällt  in  drei  Teile:  das  Flachland  von  Kristianstad, 
das  südwestliche  Flachland  und  das  Horstplateau.  Letzteres  ist  in  ge- 
wissem Sinne  ein  Cbergangsgebiet  zwischen  den  beiden  Flachländern, 
das  von  Moränen  bedeckt  ist.  Es  ist  Ackerbauland.  Die  Dichte  ist 
deshalb  geringer,  27  auf  i  iikm.  Auf  3050  qkm  wohnen  80000  Menschen. 
Die  Zahl  der  Städte  ist  klein  (2),  und  die  städtische  Bevölkerung  macht 
nur  3,3%  der  Gesamtbevölkerung  aus,  eine  Zahl,  wüe  sie  erst  wieder 
ähnlich  im  nordschwedischen  Waldland  auftritt.  .Mehr  als  doppelt  so 
groß  ist  die  Dichte  im  Flachland  von  Kristianstad,  58  (1.150  qkm, 
64  000  Einwohner).  Gering  ist  die  Zahl  der  Städte  (3),  relativ  klein  ihre 
Größe  (19000  Einwohner),  so  daß  SO^Jq  der  BevcUkerung  in  den  Städten 
leben.  Das  fruchtbarste  Gebiet  Schwedens  ist  das  südwestliche  Flach- 
land. Auf  5300  qkm  leben  infolgedessen  530  000  •Menschen,  so  daß 
die  Dichte  hier  eine  Größe  von  102  erhält.  Von  ihnen  leben  nahezu 
die  Hälfte  (49^/^)  in  30  Städten.  In  seiner  Gesamtheit  besitzt  Schonen 
auf  9500  qkm  673  000  Einwohner,  72  auf  i  qkm,  von  denen  42^|'q  in 
Städteh  leben.  Rein  landwirtschaftlichen  Charakter  tragen  endlich  die. 
beiden  letzten  kulturgeographischen  Landschaften,  Öland  und  Gotland. 
Auf  4500  qkm  Fläche  sitzen  83  500  Personen,  19  auf  i  qkm,  und  da- 
von  13,5%  in  den  Städten. 

Asien. 

**  Reise  an  der  Grenze  von  China  und  Tibet.  .\uf  wenig  be- 
gangenen, teilweise  neuen  Wegen  hat  Oliver  Coales  die  östlichsten 
Teile  Tibets  besucht  i),  die  Grenzgebiete  zur  Provinz  Sz-tchwan,  also 
die  Gebiete  des  Landes  Kham,  das  vom  Jang-tsz-e,  Mekong  und  Salveen 
im  parallelen  Laufe  durchflössen  wird,  bevor  sie  sich  nach  Osten  und 
Süden  trennen.  Der  Bericht  über  die  Reise  ist  nicht  so  sehr  durch 
die  geographischen  Schilderungen  wichtig  —  beschränkt  sich  der  Autor 
doch  leider  auf  ganz  allgemeine  Angaben,  wie  Stadtschilderungen,  Paß- 
höhen usw.  —  als  dadurch,  daß  wir  eine  Geschichte  der  Landschaft  in 
den  letzten  Jahren  erhalten,  wo  bei  dem  Krieg  zwischen  China  und 
Tibet,  bei  der  erfolgreichen  Eroberung  durch  ChaoErli-feng,  endlich 
nach  seinem  unnatürlichen  Tode  bei  Ausbruch  der  chinesischen  Revo- 
lution 191 1  die  Grenze  bald  am  Jang-tsze,  bald  am  Mekong  verlief. 
Auch  noch  während  der  Reise  herrschte  Kriegszustand  zwischen  den 
Nachbarländern.  Die  Reise  begann  im  Dezember  1916,  führte  also 
gerade  in  den  Wintermonaten  Dezember  und  Januar  über  diese  hoch- 
gelegenen Partien,  ohne  daß  durch  Schnee  oder  Kälte  die  Expedition 
sehr  zu  leiden  gehabt  hätte.  Die  Reise  ging  von  Tachienlu  aus  und 
folgte  der  nih'dlichen  Karawanenstraße,  die  China  mit  Tibet  und  Lhasa 


^)  Geogr.  Journal  -19 19  S.  228. 


!<)()  Kleine  Mitteilungen. 

verbindet,  die  zwar  einen  Umweg  macht,  dafür  aber  bequemere  Pässe 
zur  \'erfügunf(  hat.  Die  Bergketten  steigen  bis  5400  6iOO  m  empor 
und  werden  in  Pässen  v'on  3900 — 4800  m  überstiegen.  Trotzdem  ist 
das  Land,  das  zwischen  den  Bergketten  liegt,  östlich  des  Jang-tsze, 
gut  bewohnt.  Besonders  die  Horpa-Staaten  um  den  Hauptort  Kandze 
am  Jalung  sind  volksreich,  die  Bewohner,  gemischt  aus  Tibetanern  und 
Chinesen,  haben  durch  Handel  und  den  Karawanenbetrieb  zwischen 
China  und  Lhasa  Wohlstand  erworben,  der  sich  besonders  in  den 
reichen  Lamaklöstern  offenbart.  Auf  Berieselungsfeldern  gedeiht  Mais 
hier  noch  in  3000  m  Höhe.  Auch  die  Dege-Staaten,  die  mächtigsten 
von  Kham  zwischen  Jalung  und  Jang-tsze,  sind  noch  volkreich.  Hier 
hört  der  Granit  auf,  Sandsteine  setzen  ein,  die  Flüsse  schneiden  sich 
in  tiefen,  schwer  passierbaren  Canons  ein.  Über  den  4500  m  hohen 
Le-La-Paß  ging  es  steil  hinunter  zum  Tal  des  oberen  Jang-tsze.  Jen- 
seits dehnt  sich  eine.weite,  offene  Graslandschaft,  von  nomadisierenden 
Tibetanern  bewohnt.  Die  höchste  hier  verlaufende  Bergkette  erreicht 
5960  m,  bildet  aber  nicht  die  Wasserscheide  zwischen  Mekong  und 
Jang-tsze,  sondern  wird  von  den  Nebenflüssen  mehrfach  durchbrochen. 
Es  wurde  die  Brückenstadt  Chamdo  am  Mekong  erreicht,  wo  der  süd- 
liche Karawanenweg  sich  mit  dem  nördlichen  vereinigt.  Nach  einem 
kurzen  Vorstoß  in  der  Richtung  auf  Lhasa  wurde  der  Rückweg  auf 
teilweise  neuen  Wegen,  zuerst  fast  dem  Mekong  folgend,  dann  östlich 
über  Batang  und  Litang  nach  Tachienlu  angetreten.         j;:  Eehrniaim. 

Afrika. 

0  Eine  geologische  Forschungsreise  in  Deutsch-Ostafrika  hat  der 
Leipziger  Geologe  Krcnkel  kurz  vor  Ausbruch  des  Krieges  im  Früh- 
jahr 19 14  angetreten.  Ihr  Zweck  sollte  es  sein,  das  durch  die  reichen 
Fundplätze  einer  vorwcltlichcn  Faima  berühmt  gewordene  Tcndciguru- 
gcbicl  und  das  weitere  Hinterland  von  Lindi  zu  besuchen  und  von 
da  aus  die  noch  kaum  bekannten  Landschaften  zwischen  der  Lindi- 
küstc  und  dem  Nyassasee  einerseits,  der  Zentralbahn  und  der  Süd- 
grenzc  unserer  Kolonie  anderseits  zu  erforschen.  Der  Krieg  hat 
Krenkels  Forschungen  in  ganz  andere  Bahnen  gelenkt  und  leider  von 
diesen  Plänen  nichts  zur  Ausführung  kommen  lassen.  Krenkel  trat 
zu  Beginn  des  Feldzuges  in  die  Schutztruppe  ein  und  hat  ihr  bis  19 16 
als  Geologe  große  Dienste  geleistet.  Weite  Teile  der  Kolonie  wurden 
auf  schnellen  Zügen  durchforscht  und  daneben  wertvolle  geologische, 
zoologische  und  anthropologische  Sammlungen  angelegt.  1916  geriet 
CT  alsdann  schwerkrank  in  die  Hände  der  Belgier,  die  ihm  alle  schrift- 
lichen wissenschaftlichen  Aufzeichnungen  und  Tagebücher,  die  aus- 
gedehnten Routenaufnahmen  abnahmen  und  sie  ihm  auch  später  nicht 
trotz  aller  Bemühungen  zurückgaben,  einen  Forscher  so  also  um  die 
Früchte  mehrjähriger,  angestrengter  Tätigkeit  brachten.  Wie  ein 
kurzer,  jetzt  veröffentlichter  Reisebericht  lehrt,  hat  Krenkel  auf  seinen 
l'lxpcditionen  hauptsächlich  die  I^andschaftcn  längs  der  Zentralbahn 
durchzogen.  Seine  Ergebnisse  bringen  eine  Bestätigung-  und  Ergän- 
zung von  denen  Tornaus,  Obsts,  O.  E.  Meyers,  Stuhlmanns  u.  a.  m.. 
um  die  wichtigsten  Erforscher  dieser  Teile  Deutsch  -  Ostafrikas  zu 
nennen. 


Kleine  Mitteilungen.  imi 

Die  erste  Tätigkeit   entfaltete  Krenkcl   in    Daressalam,   wo   er  auf 
den    Wunsch  des  Gouverneurs  die  geologischen   Sammlungen  für  das 
landeskundliche   Museum  der  Kolonie  ordnete.     Von   Daressalam  aus 
wurden    aber    auch    das    Küstengebiet    und    die    vorgelagerten    Inseln 
durchforscht,     dessen     junge    Küstcnablagerungen,     ertrunkene    Täler 
btrandterrassen  und  Uferformen  noch  so  mancherlei  Probleme  bieten' 
Mit  der  Zentralbahn   erreichte   Krenkel   alsdann   das   Ulugurugebirge 
einen  machtigen,  steil  aus  der  Ebene  ansteigenden  Gebirgsklotz    der 
wie  schon  bekannt,  aus  gefalteten  kristallinen  Gesteinen  aufgebaut  wird 
Gneisen,   Glimmerschiefern,   kristallinen   Kalken,   Hornblendegesteinen' 
granatf uhrenden  Gneisen   und  Schiefern,   daneben  Granit      Besonders 
eingehend  schildert  Krenkel  die  Landschaftsformen  Ugogos    das  wäh- 
rend des  Krieges  sich  zur  Überraschung  aller  als  Korn-  und  Fleisch- 
kammer der  Kolonie  bew^ährt  hat.    Wie  Obst  und  O.  E.  Mever  beschreibt 
es  Krenkel  als  ein  wenig  gegliedertes,  doch  keineswegs  ebenes  Plateau 
das  allerseits  von  höheren  Landschaften  umrahmt  ward  und  in  seiner 
Mitte  eine   schon  w^eitgehend   zertalte  Gebirgsanschwellung  trägt    das 
Ugogo-Mittelgebirge.     Wie  Obst  und  O.  E.  Meyer  hält  auch  Krenkel 
Ugogo  für  ein  schief  gestelltes,  innerlich  wieder  zerspaltenes   Kessel- 
bruchfeld   dessen  Bruchränder  er  in  Übereinstimmung  mit  jenen  ver- 
folgt.     Nur  glaubt   er  gegenüber   diesen   beiden   Forschern    die    Fort- 
setzung  des    nördlichen    Bruchrandes,    der   Ugogostufe    Obsts,    in    der 
Stufe  von  Mpapua  zu  sehen  und  sie  sogar  noch  weiterhin  in  dem  Tal- 
rand des  Kinjassungw^e-  und  Mukondokwaflusses,  die   die   Berge  von 
Unguru  und  Usagara  trennen,  bis  nahezu  Kilossa  verfolgen  zu  können 
wo  sie  von  dem  Graben  der  Mkattasteppe  begrenzt  und  abgeschnitten' 
wird^    Von  Interesse  für  die  Lösung  der  viel  umstrittenen  Frage  nach 
der  Entstehung  der  Steilränder  Ugogos  ist  Krenkels  Beobachtung  von 
jungtertiaren,    vulkanischen   Gesteinen,    die   in   der   Form    von   Gäno-en 
und  Decken  an  der  Turubruchstufe  dort  emporgequollen  sind    wo  "die 
Zentralbahn   den  Steilrand  emporklettert.      Vulkanisches  Gestein   (Ba- 
salt?) hatte  auch  schon  O.  E.  Meyer  an  der  Kilimatindestufe  gesehen 
Im   übrigen   ist  Ugogo  aus   einem   der  ältesten   Granite   Deutsch-Ost- 
a  nkas,   einem  altpaläozoischen    Granit  aufgebaut,   der  in  einer 
Umhüllung  von  kristallinen  Schiefern    steckt,    in    der    sich    vielleicht 
zwei  verschieden   alte  Abteilungen   werden   unterscheiden   lassen      Sie 
alle  werden  verhüllt  von  den  jungen  Deckschichten,  die  aus  den  Unter- 
suchungen und  Kontroversen  Obsts  und  Tornaus  bereits  gut  bekannt 
geworden   sind,   und  zu  deren  Charakterisierung  Krenkel  bisher  nichts 
Aeues  hinzufugt.     Von  Ugogo  aus  durchzieht  Krenkel  die  sich  nördlich 
und   westlich    anschließenden   Landschaften,    im    wesentlichen    Gebiete 
die  Obst  schon  eingehend  beschrieben  hat.     Von  Ugogo  aus  aber  be- 
sucht   Krenkel    auch    Unjamwesi    und    die    Ostufer    des     fanganjika 
Lnjamwesi   baut   sich   ebenfalls    wie  Ugogo    aus    dem    Fundamental- 
granit  auf,  dessen  Verbreitungsgebiet  durch  flache  Bodenwellen    Insel- 
berge, unentschiedene  Entwässerung,  zur  Reiskultur  benutzte  sumpfige 
Senken   charakterisiert   wird.      Anzeichen   deuten   darauf   hin     daß   der 
^undamentalgranit    nicht    einem    gewaltigen    Aufquellen    gränitischen 
Magmas,  sondern  mehrmaligen  Intrusionen  seine  Entstehung  verdankt 
^is  zum  Malagarassi  dehnt  sich  das  Granitgebiet.  Westlich  des  Flusses 


\<y2  '  Kleine  Mitteilungen. 

setzt  die  tlachgclagcrtc  Tanganjika-Forniatioii  ein,  die  von  J'ornau  be- 
reits eingehend  geschildert  worden  ist  und  nur  am  See  stark  gestört, 
ja  gefaltet  ist.  In  ilirem  \'erbreitungsgcbiet  sind  Tafelländer  und 
-berge  die  J<.egel.  Die  Oberfläche  der  .Sandsteine,  die  in  der  'i'anganjika- 
Fonnation  überwiegen,  ist  löcherig  zerfressen  und  von  Strudellöchern 
nicht  selten  durchsetzt,  ein  Zeichen  dafür,  daß  früher  auf  dem  Plateau 
h'lüsse  stömten,  die  heute  ihren  Lauf  in  die  Tiefe  der  weit  eingeschnit- 
tenen Täler  verlegt  haben.  Die  starke  Zerrüttung  der  Gesteine, 
yuetsciiungcn,  Verwerfungen,  Faltungen,  ja  sogar  Faltenüberschie- 
bungen an  den  Steilrändern  des  Sees  sprechen  für  die  tektonische  Ent- 
stellung des  Tanganjikagrabens.  Im.  Bereich  der  Tanganjika-Formation 
gewinnen  namentlich  in  Uha  Diabase  eine  ausgedehnte  Verbreitung. 
Xördlicli  und  südlich  der  Tanganjika-Formation  stellt  sich  wieder  das 
kristalline  Grundgebirge  ein;  im  Süden  taucht  es  im  Kungwestock  auf, 
im  Norden  bei  Xjansa  in  Urundi.  Erst  ganz  im  Süden  des  Sees  bei 
Bismarckburg  treten,  wie  bekannt,  erst  wieder  Gesteine  der  Tangan- 
jikaT^ormation  auf.     (Xat.  \\'ochcnschr.    1919,  S.   177.) 

Polargebiete. 

■■■"•'  Der  Südpolar-Kontinent  Antarktis  und  seine  Vereisung  wird  in 
einer  Schritt  der  Bayerischen  Akademie  der  Wissenschaften  i)  von 
E.  V.  Drygalski  zusammenhängend  behandelt.  Er  schätzt  die  Größe  des 
Kontinents  auf  14  Mill.  qkm.  Die  \'ereisung  besteht  aus  drei  Arten 
von  Eis,  dem  Inlandeis,  dem  Schelfeis  und  dem  Treibeis,  wie  es  dem 
Lande,  der  Flachsee  und  der  l'iefsee  entspricht.  P>steres  ist  ein  durch 
Spalten,  Bänderungen,  Moränen  und  viele  Luftblasen  ausgezeichnetes 
Schneeis.  Das  Schelfeis  ist  zum  großen  Teile  auch  Schneeis,  nur 
zum  kleineren  Meereis,  während  beim  Treibeis  das  Verhältnis  umgekehrt 
ist.  .VUe  Hochflächen  und  Randzonen  des  Inlandeises  gehören  zum 
Nährgebiet  der  Gletscher,  die  Schneegrenze  liegt  im  Meeresniveau. 
Die  Niederschläge  sind  stärker  als  der  Gletscherschwund  durch  Ablation, 
Schmelzung  und  X'erdunstung,  wodurch  die  Gletscher  wachsen,  wenn 
auch  die  Bewegung  nur  gering  ist.  Von  vielen  Zentren  aus  geht  die 
Bewegung  vor  sich,  wo  eben  der  Schnee  sich  häuft,  ein  einheitliches 
Zentrum  für  die  ganze  Eismasse  gibt  es  nicht.  Es  gewähren  die  gla- 
zialen Erscheinungen  das  Bild  einer  Eiszeit,  die  im  Rückgang  begriffen 
ist.  Eine  Folge  des  Rückganges  sind  die  Schelfcismassen,  die  Relikte 
einer  größeren  Vereisung  sind.  Die  diluviale  Eiszeit  hat  in  der  Ant- 
arktis kein  wesentlich  anderes  -Vussehen  gehabt  als  das  heutige  Inlandeis. 
Die  Gletscher  lassen  sich  ganz  allgemein  einteilen  in:  l.  Eisbildungen 
mit  aufgel(")stcm  Nähr-  und  aufgelöstem  Abflußgebiet,  A.  Heims  alpiner 
Typus,  Firnmulden  und  Gletscherzungen;  2.  Eisbildungen  mit  gemein- 
samem Nähr-  und  aufgelöstem  Abflußgebiet,  A.  Heims  norwegischer 
Typus,  Hochlandeis  und  Gletscherzungen;  3. Eisbildungen  mit  aufgelöstem 
Nähr-  und  gemeinsamem  Abflußgebiet,  Firnmulde  und  \'orlandeis: 
4.  Eisbildungen  mit  'gemeinsamem  Nähr-  und  Abflußgebiet,  A.  Heims 
grönländischer  Typus,  Inlandeis.  Der  vierte  Typus  beherrscht  die 
Antarktis.  IC  Hehr ma im. 

^)  Sitzungsberichte  Math.-physik.  Klasse  1919. 


Kleine  Mitteilungen. 
Allgemeines. 


der  nie'dfrländi^h^G  ;gn^;,/?\i',  il't^f  äufV''''H'-  ^^T/.  vermag 
711  o-phpn      q;     .•    1  s''4^ii   ^viutengraatt  auf  urund  von   ßohninp-pn 

auf  den  Boden  e  Sar  v,^,  cheT  s"  7"'™',  ^I«'™?^--'^"*'  ^"^»t  sich 
Inseln  können  J^z  ""^d  •:  e  , 'x: u™'"  r":'  Sch^'T^™  .™" 
kungen,  in  Wirklichkeit  aber  ein  A„sch.«lle  ,  do.  Vi  '  "  ,  ^'"" 
Aquatorgürtel  als  Folo-eerscheinunp^  ri.rpTi  /  ■  """P''^'^'*  "" 
n-ische  Forscher  Daiv  nnnin,m  ^  t  ,  1"'  "'"=  '"=  '^"  ^merika- 
50  bis  6o  m  Höhe  n,e  be  so  Jr.ZT  ''°'a''""  ""'"  «""?  ™" 
inseln  nachweisbar  s"nd  /  WifkHch.  4'"^''"^''  '''\'''  '"  Korallen- 
mal Inseln  die  noch  d.lr.h'^  t-  Senkungen  aber  betreffen  ein- 
verbunden sind  und  b,hen*H''"?  Kontmentalschelf  mit  dem  Fes.lande 

Solcher  ."rrlrt^ifs^tisf  :L"4^e'™w!,;"/^".^'"'?'=*-'^""^»- 
Inseln  begleiten    und  auch    A  ^n.  7^^     I    VVallnffe,   die    festländische 

Diese    Senkungen    neraen    ..V'  ,    t  ''."'"  F«t'='"dssockel  aufsitzen. 

Teilen  des  KontTnenta  sehelfesk.      *    "^"""^    Hebungen   an    anderen 

■     mit  den  ozean  sehen   InscIt^H-^P'"''";'-  r.'^""^"^  ^'«=^1  es  dagegen 

sind,  wie  zahl"        e  Ins"        ',''>■  °m"^  ''"p  ^.f"=^""S  -"n,  FestlaSde 

disehen  oder  die   Bermuda    nsch,'?,^''"^f'""-  ™  ''«'"''='''="  I"" 

^^tTt  iÄ?^-;?^^-  ^' die  ^^. - 
^rÄsi?SS^r=l^-^^^^ 

^:^^Jt^£7£^iF?^p ."-"  -""alt:- 

Es  hat  demnach  eine  Senkung!  .Meeresoberfläche  aufgeragt  hat. 

eine  Senkung    die  Dah     der  V^t    "'"^'=^'™.^  75  m  stattgehabt,  also 
durch  ein  pldstozänes  Ansehen       h""  1?  E'^eittheorie,  nicht  mehr 

Dazu  vvurd^=raber  nun  „och  ta"  o"  m'Vi  f'^T'T'^  \^^'"™  ''^""■ 
vulkanische  Gerolle  mit  SnnrJ^  f^K        ,       ^^,  """''■  <''^'''  -Meeresspiegel 

eine  Gerölllage  ""rantnsetzn  sTe^''^'-^'^'^™"^  ^'='""<»™'  d- 
Senkung  hin?  die  n'indestens  hn  OhI  "'"""  j'"^''"'  ""^"^  ^^'^"^ 
viel  früher  eingesetzt  hntte  H  ?.''S°^«".  wahrschemlich  aber  schon 
bereits  jungeTzfnes  AUer  Lh  *<L""';~"'""  '^='»™  ''«^^  Riffkalkes 
hören  zu  dem  schwe  cn  sT,^  "'  F  Grundgesteine  der  Insel  ge- 
vulkanischer Maen  findet  a"er  in   d"eVE:dl""?"1^-^°   gewaltiger 

s.ch  stets  d,e  \  erbmdung  von  vulkanischen  ozeanischen   Inseln  und 

Ze.lschr.  a.  Geselkcb.  f.  Erdkunde  zu  Berlin.    ,,,,.    Sr.  3',. 


I  tj^  Kleine   Mitteilungen. 

Koralleninseln  nachweisen  läßt.  Nicht  zu  erklären  sind  dadurch  ge- 
hobene Koralleninseln,  die  allerdings  in  der  Zahl  weit  hinter  den  sich 
senkenden  zurückstehen.  Bei  jenen  mag",  wie  das  auch  schon  Darwin 
riusspricht,  Diastrophisnius  die  Ursache  des  Aufsteigens  gewesen  sein. 
( W-rslag  vom  de  gew.  \'ergaderingen  d.  Kgl.  Akad.  van  Wetenschapcn. 
Amsterdam,    1916,  S.  215.J 

Die  Ausmessung  der  Loxodrome.  Herr  T  h  o  r  a  d  c  setzt  in  dieser 
Zeitschrift  -^919,  S.  87,  ein  strenges  X'erfahren  zum  Ausmessen  von 
Loxodromen  auseinander,  das  sich  durch  große  Einfachheit  auszeichnet." 
Aus  diesem  strengen  Verfahren  leitet  man  leicht  das  Xäherungsverfahren 
mit  Hilfe  der  Mittelbreite  ab,  das  in. den  Lehrbüchern  der  Nautik  und 
Kartographie  gelehrt  wird.  Das  strenge  Verfahren  scheint  im  vorigen 
Jahrhundert  zuerst  von  R  ü  m  k  e  r  ,  Handbuch  der  Schiffahrtskunde  1844, 
dann  von  Grunert,  Loxodromische  Trigonometrie  1849,  und  später 
von  N.  i  f  e  r  /  ,  Lehrbuch  der  Landkartenprojektionen  1885,  behandelt 
zu  sein.  Den  Autoren,  die  sich  mit  der  Frage  beschäftigt  haben,  wie 
M  e  r  k  a  t  o  r  zu  seinem  berühmten  Kartenentwurf  gekommen  ist,  scheint 
das  einfache  strenge  Meßverfahren  entgangen  zu  sein,  denn  sie  haben 
ihm  künstliche  Verfahren  zugedacht,  die  er  h()chstwahrscheinlich  nicht 
angewandt  hat  und  auch  wohl  nicht  anzuwenden  fähig  war.  Das  Rätsel 
findet  seine  einfachste  Lösung,  wenn  nachgewiesen  werden  kann,  daß 
Merkator  das  strenge  Meßverfahren  für'Loxodromen  gekannt  hat. 

M  e  r  k  a  t  o  r  hat  die  Winkeltreue  des  Kartenentwurfs  gekannt,  denn 
er  hat  den  Entwurt  unmittelbar  auf  dem  Gesetz  der  Winkcltreue  auf- 
gebaut. Alle  Loxodromen  schneiden  sich  in  der  Karte  unter  den 
gleichen  Winkeln,  wie  die  Urbilder  auf  der  Kugel,  das  ist  der  Grund- 
gedanke des  Entwurfs.  Schneiden  sich  aber  alle  Loxodromen  der 
Karte  unter  den  Kugelwinkeln,  so  müssen  sich  folgerichtig  auch  alle 
anderen  Km'ven  unter  den  Kugelwinkeln  schneiden,  denn  jede  Kurve 
kann  aus  unendhch  vielen  Loxodromen  entstanden  gedacht  werden. 
Zu  dieser  Überlegung  ist  die  Kenntnis  höherer  ^lathematik  nicht  er- 
forderlich. Aus  der  Winkeltreue  folgt  dann  leicht  die  Ähnlichkeit  der 
Bilder  der  imendlich  kleinen  Teile,  welche  Eigenschaft  von  M  e  r  k  a  t  o  r 
gefunden  ist. 

Zum  .Ausmessen  von  Kurven  auf  der  Kugel  benutzte  man  Winkel- 
haken. Maß  nun  M  e  r  k  a  t  o  r  die  Loxodrome  AZ  (Fig.  S.  Sj)  auf 
der  Kugel  in  Einheiten  eines  Großkreises  aus,  so  fand  er  beim  Über- 
tragen in  die  Karte,  daß  sie  gleich  A'Z  war.  Ebenso  fand  er,  daß  ZC 
den  Breitenunterschied  von  Z  und  A  in  P^inheiten  des  Großkreises  dar- 
stellte.    Daraus  folgt  unmittelbar  das  Gesetz  der  Karte: 

Vergrößerter  l^reitenunterschied      Vergrößerte  Strecke 
Wahrer  Brcitemmtcrschicil  Wahre  Strecke 

Auf  Grund  dieses  Gesetzes,  das  ohne  Kenntnis  höherer  Mathematik 
erlangt  ist,  hat  Merkator  das  strenge  Meßverfahren  für  Loxodromen 
in  der  Legende  zu  seiner  Weltkarte  beschrieben.  Damit  ist  bewiesen, 
wie  B  reu  sing  in  seinem  Vortrag  zu  Puisburg  1869  sagte,  daß  Mer- 
kator eine  vollkommen  klare  Einsicht  in  die  Theorie  und  den  Gebrauch 
der  nach   ihm  benannten  Seckartenprojek-tion  gehabt  hat.     Klar  ist  auch. 


Literarische  Besprechungen.  '  -.q- 

daß  Merkator  keine  Tabelle  der  „vergrößerten  Breiten"  (Meridionalteile) 
zu  berechnen  brauchte,  da  er  alle  Maße  unmittelbar  der  Kuc^el  entnahm 
Diese  rabelle  aulzustellen,  blieb  W  r  i  .<,.  h  t  vorbehalten  W  r  i  r,  h  ^ 
hat  mit  d.eser  Tabelle  die  erste  looarithmisch-tri5.onometrische  Tabelle 
Kcschatfen,  bevor  die  Logarithmen  bekannt  waren.  Er  hat  sie  auf  die 
denkbar  einlachste  und  sicherste  Weise  berechnet.  Sein  Verfahren  ist 
heute   unter    dem  Namen    „mechanische  Quadratur"  bekannt  und  wird 

Wr.    '       "T""^""f  """^  Anwendung  durch  G  a  u  ß  in  der  rechnenden 
Astronomie  häufig  benutzt.  ,    r,-  ^ 

-i.   il^acii/eyrr. 

Die  Zonenzeit  auf  See.  In  Heft  1/2  dieser  Zeitschrift  (S.  88/80) 
^^urde  m  dem  Artikel  über  die  Zonenzeit  auf  See  gesagt,  daß  dieselbe 
bei  der  deutschen  Marine  noch  nicht  benutzt  würde,  wfe  aus  den 
Annalen  der  Hydrographie  1918,  S.  201,  hervorgeht  und  von  maß 
gebender  stelle  mitgeteilt  wurde,  ist  die  Zonenzelt  auf  See  seit  dem 
Jahre    1918  auch  bei  der  deutschen  Marine  eingeführt    •        VTLi 


LITERARISCHE  BESPRECHUNGEN. 

Andersson      Gunnar:      Australien     Natur    och     Kultur- 
S tudier   och   Minnen,     btockholm.     Gebers    o.  J.  (1915--)   8=^       ^60  S 
Mit  50  Tai.  und  30  Textbildern.  J    \  J  :>■)  ^  ■     -O9  b. 

<^urrh%  ^"'r''-?  Vereinigung  zur  Förderung  der  Wissenschaften  hat 
durclT_  Ihre  84.  Tagung  in  Australien  i.  J.  1914  die  \-eranlassunc.  zur 
\  erotfentlichung  einer  Reihe  von  Werken    über   den  Erdteil  und%e  ne 

^XaTnandboH  f  ^^^^^"x,  ^/^  Commonwealth  gab  ein  stattliches 
i-cderal  Handbook  heraus  (Merbourne  1914,  598  S.  8°),  das,  von  ver- 
schiedenen \  ertassern  bearbeitet,  auch  der  plwsischen  Geogr^pl^^  eine 
eingehende,  im  modei'nen  Sinne  gehaltene  Darstellung  von^Gr  HTth 
Taylor  widmet.  Dazu  gesellt  sich  ein  Kapitel  übSr  das  Klima  von 
Ausrahen  des  bewährten  Meteorologen  Hunt,  ein  solche  über  die 
Xeget^ition    des    Regierimg.sbotanikers   Maiden,    über    das  Tier' eben 

on  Haswell    und    eine    eingehende   Geologie    von    Edgewort 
1    av.d    mit    einem    ganzen    Stamm    von    Mifarbeitern.     Das    Kapi  e 
über  AstronouTie  und  Geodäsie  von  13  a  r  a  c  c  h  1    bietet  Material    üb^ 
die    Gienzmeridiane    in    Australien.     Voran    gehen    Kapitel     über    dl^ 
Geschichte  von  Australien  von   Ernest  Scott    und    über    die   Ein^ 
geborenen   vom   bekannten   Ethnologen   B  a  1  d  w  i  n  S  p  e  n  c  e  r      Zum 
Schlüsse    kom.nen    mehr    wirtschaftliche    Kapitel    über  Viehzucht    und 
Ackerbau  von  Sinclair,    über  Bergbau  von  Pitt  man  und  Gibb 
Maitland,    über    Handel    und   Gewerbe    von    Light  food,    über 
Erziehungswesen  von  Fr  an  eis  Anderson,    übe?    die    poli  ischeö 
bysteme  in  Australien  von   H  a  r  r  i  s  o  n  M  o  o  r  e.     Den  Schhiß  bil  e 
^ermlschte    statistische    Mitteilungen    des    verdienten     Statistikers    de 
Con.monwealth    G.  H.  K  n  1  b  b  s.     Das    Federal   Handbook    entsprich 


l;5- 


290  Literarische  Besprechungen. 

genau  seinem  Titel:  es  ist  ein  gedies^encs  Handbucli  über  einen  großen 
politischen  Raum,  welches  die  einzehien  darin  auftretenden  P^rscheinungen 
systematisch  behandelt. 

Ahnliche  Werke  gaben  die  einzelnen  australischen  Staaten  heraus. 
Am  meisten  schließt  sich  das  Handbuch  von  Neu-Sud-Wales  dem  Typus 
des  Federal  Handbuches  an.  Es  ist  ein  streng  wissenschafthchesWerk. 
Sein  Kapitel  über  die  Geographie  von  Neu-Süd-Wales  des  Regierungs- 
statistikers T  r  i  V  e  1 1  wird  durch  ein  eingehendes  von  S  u  s  s  m  i  I  c  h 
und  Andrews  bearbeitetes  chorologisch  gegliedertes  Kapitel  über 
physische  Geographie  und  dieses  durch  eine  tektonische  Geologie  des 
ausgezeichneten  Gejologen  Edgeworth  David  ergänzt,  der  ein 
geologisches  Cbersichtskärtchen  beilegt.  Weitere  Kapitel  behandeln 
Zoologie  und  Botanik,  die  P2ingeborenen,  das  Observatorium.  Diesen 
Kapiteln  naturgeschichtlichen  Inhalts  stehen  i  5  Kapitel  volkswirtschaft- 
licher Art  voran. 

Das  von  A.  AI.  L  a  u  g  h  t  o  n  und  S.  T.  H  a  1 1  herausgegebene 
Handbuch  von  Viktoria  ist  im  wesentlichen  volkswirtschaftlichen  Inhalts. 
Dem  ^Abschnitt  über  Bergwesen  des  Regierungsgeologen  H  e  r  m  a  n 
ist  ein  geologisches  Kapitel  eingefügt  mit  einer  kleinen  geologischen 
Übersichtskarte  und  einer  Höhenschichtenkarte  des  Staates.  Auch  das 
Handbuch  von  Süd-Australien  rückt  Wirtschaftliches  stark  in  den 
\'ordergi'und,  enthält  aber  auch  ein  gutes  Kapitel  über  Geologie  und 
Physiographie  von  H  o  w  c  h  i  n.  Beigefügt  ist  eine  geologische  Karte 
und  eine  meteorologisch -hydrographische,  sowie  eine  Eisenbahnkarte. 
Seine  reiche  Illustrierung  gewährt  ihm  etwas  von  dem  Aussehen  der 
zahlreichen  Reklameschriften,  welche  die  australischen  Kolonien  heraus- 
geben, um  zur  Einwanderung  anzulocken.  Dieser  Charakter  kommt 
im  Handbuch  von  West-Australien  voll  zur  Geltung,  das  durch  seinen 
l)rächtigen  Bildschmuck  gute  Vorstellungen  vom  Lande  vermittelt. 
Eine  im  Text  gedruckte  geologische  Karte  ist  recht  dürftig,  eine  oro- 
graphische  fehlt,  wie  in  den  meisten  anderen  Handbüchern.  Dagegen 
ist  das  kleine  Handbuch  von  Tasmanien  mehr  wissenschaftlich  gehalten. 
Ks  wird  von  einer  Geographie  alten  Stiles  eingeleitet,  behandelt  ein- 
gehend Flora  und  Fauna,  Geologie  und  iMngeborene  (von  Fritz 
N  ö  1 1  i  n  g);  ein  Abschnitt  über  Meteorologie  fehlt.  Nützlich  sind  die 
beigegebcnen  Stadt-  und  Hafenpläne  von  Hobart. 

Groß  ist  die  von  den  Handbüchern  gebotene  Menge  länderkund- 
lichen Materials,  aber  in  allen  tritt  der  chorologische  Gesichtspunkt 
meist  gänzlich  hinter  dem  systematischen  zurück,  und  keines  liefert  eine 
geographische  Beschreibung  von  ganz  Australien  oder  einzelnen  seiner 
Teile.  Eine  solche  findet  in  ihnen  lediglich  Bausteine.  Bei  dem  stark 
ökonomischen  Sinne,  der  das  gesamte  Leben  in  Australien  beherrscht, 
geht  die  Erforschung  der  Landesnatur  mehr  systematisch  in  bestimmten 
Linien  als  chorologisch  auf  die  Gesamterfassung  der  Natur  einzelner 
Räume.  So  stark  die  Pflege  von  Naturwissenschaften  und  Volkswirtschaft 
im  Lande  ist,  so  viel  bleibt  noch  für  die  Geographie  zu  tun. 

Sollten  die  Handbücher  den  von  fern  hergekommenen  Teilnehmer 
der  Tagung  der  britischen  Assoziation  über  Australien  unterrichten,  so 
ist  das  angezeigte  Werk  von  Gunnar  Andersson  das  Ergebnis 
der  Eindrücke,  den  ein  aufmerksamer  und  gut  unterrichteter  Besucher 


Literarische  Besprechungen. 
Moghchkeiten,  selbst  zu  sehen  und  viefzu  Xcü      Vuch  l  n  dT"    ''""-" 

'".6 1 1".:  strith^d"^'"^"'^  .von  Aus;X;;' E^  Veh.:,rde,: 

der  neueren   und  Tltpr^n  y^;*-    ^-          i  .       ^  ,    ivapitei  über  Groldbergbau 

Städte  besprochen    3che  I;'"^^^^^"^^^"   ^^^^den   behandelt,    die  GroJJ- 
Zun.  Schhi;°:-d.n;t  de  ">ffaT^e':^  Bevölkerung  bergen, 

und    den    sozialen    Fr.rL    "^'^^[  ^'"  Kapitel  der  australischen  Politik 

gee.^,et,    dr  iäweiischen  Lestl.re":     if'"''  °^n^'^"''"»  "^^"^'^ 
gezeichnetes  Bild    von  Australien    zu  "ebe"     Sefne  h'™''!,"  ^"' 

geze,ch„ete  Illustrierung  verdient  besonrere^Her^Xb™'?'   ""'   '"'^- 


aus- 


gebracht  hat  Verschiedene  ^pU  ^^^'f'^'^  ""^  dem  Sinai  zusanmien- 
medaner  noch  immer  Zn?^  ^'^^^v  ^"'  ^^"  ^"^  Nichtmoham- 
heiligen  Städten  A  TJ  na  u  d  Inf  t"  ^""^''^^^^^'-^  ^^-^^-ns,  den 
Der   beeleitende  Tpv     ,=  '  '^fT'^"  '^^  türkischen  Freunden. 

..  Oktober  ,9,6      Leipz  o""'ot|,f  l^  T   ''  '"''°^''  '»'^  "'-^  ™'" 
n:     17    .  ^,         ^^ip^ig-     Uuelle  es:  Alever.      1017       «0      6-7  ^ 

gende?  Fcme^volr":,  'IT  I"  •'^"  ^^'^^---enschaL;   nnt'  abe-r4l,i. 
ne   Non    lag  zu   Tag   in  Erscheinung  treten,    machen  es  für 


\(j}^  Eingänj,'e  für  die  Bibliothek  und  Anzeigen, 

den  mit  natiirwisscnscliat'tlichcm  Unterricht  betrauten  Lehrer  zur  Pflicht, 
mit  seiner  W'issenscliaft  in  dauernder  Fühlung  zu  bleiben."  ,,Über  die 
erforderlichen  Kenntnisse  hinaus  gehören  ohne  Zweifel  zu  einem  guten 
naturwissenschaftlichen  Unterricht  auch  besondere  unterrichtstechnische 
I'ähigkeiten."  So  schreibt  Geheimrat  Norrenberg  im  ersten  Teil  des 
]5crichts  über  die  Tätigkeit  der  Hauptstelle  für  den  naturwissenschaft- 
lichen Unterricht  in  den  ersten  zwei  Jahren  ihres  Bestehens.  Aus 
wissenschal'tlichen  wie  unterrichtsmetiiodischen  ]3edürfnissen  heraus 
entstanden  vor  rund  2j  Jahren  Veranstaltungen,  die  zu  dauernden,  vom 
Staat  gef(')rderten  Einrichtungen  der  Uehrerfortbildung  heranwuchsen, 
bis  eine  geschlossene  behördliche  Ordnung  mitten  im  Krieg  daraus 
wurde.  Sie  weist  über  die  iMalSnahmen  der  Lehrerfortbildung  hinaus 
der  Mauptstelle  als  Aufgaben  zu  erstens  die  Prüfung  naturwissenschaft- 
licher Lehrmittel,  dann  Erteilung  von  Auskunft  und  Rat  bei  Neu- 
anschaffungen von  Lehrmittelsammlungen,  schließlich  Anlage  von 
Normalvcrzeichnissen.  Von  der  Fürsorge  für  das  höhere  Schulwesen 
ist  eine  lü'weiterung  auch  auf  Mittel-  und  Volksschulen  eingetreten. 
Der  Geograph  ersieht  aus  der  Berichterstattung  des  Leiters  der  Haupt- 
stelle, Prof.  H.  Hahn,  daß  auch  der  Erdkunde  eine  Pflegstätte  unter  den 
Naturwissenschaften  eingeräumt  ist.  In  den  beiden  Berichtsjahren 
wurden  zusammen  neun  Reihen  von  Vorfesungen,  Übungen,  Ausflügen 
für  akademisch  und  seminarisch  vorgebildete  Lehrer  und  Lehrerinnen 
der  Erdkunde   und    ein' allgemein    zugänglicher  Einzelvortrag    gehalten. 


EINGÄNGE  FÜR  DIE  BIBLIOTHEK  UND  ANZEIGEN. 

•f  Besprechung   in   Aussicht  g  e  n  o  m  m  e  n. 

Bücher  und   S  o  n  d  e  r  a  b  z  ü  g  e  : 
Europa. 

Aus  den  Archiven  des  belgischen  Kolonialministeriums.     Berlin  19x6.    9S  .S.     11  Tt'.; 
I.  Folge,  1918.     80  S.     2  Tf.     S'.     (Frhr.  v.  Danckelman). 

Dreyer,  Joh.:  Die  Moore  Kurlands.     (Veröfftl.  d.  Geogr.  Inst,  der  Albertus- Univers. 
Königsberg).     Hamburg  191 9.     6,  261  S.      i  Krt.    8^.     (L.  Fricderichsen  &  Co.)  v 

Emin,    Achmed:    Die   Türkei.     ( Pertlies"  Kleine  \'ölker-  und  Länderkunde.     5.  Bd.» 
Gotha  1918.     Vill.  95  S.     I  Tf.     8°.     1  F.  A.  Perthes.)    j 

Gehrig,   Hans  u.  Heinr.  Waentig:    Belgiens   Volkswirtschaft.      Leipzig    1918.     33S  S. 
1   Tf.     8°.     (B.  G.  Teubner.)     r 

Geiser,   Wilhelm:    Die  Islandfischerei    und   ihre  wirtschaftsgeographische  Bedeutung. 
(Inaugural-Dissertation.i     Berlin   191 8.     71  S.     8^.     (\'erf.  1 

Eingehende  Behandlung  der  F/srherei  der  einzelnen  Fiseharlen.  die  lei 
Island  gefangen  werden.  Der  .  Inteil  der  enropäischen  Staaten  wird  durch  zahl- 
reiche Tabellen  und  Diagramme  veranschaulicht.  Eine  Kartenskizze  stellt  die 
Haupll'anggebiele  der  Fischarien  und  Wale  dar.      .  11. 

Grisebach,  H.:    Das  polnische  Bauernhaus.    (VerötTentl.  d.  Landeskundl.  Kommission. 
Warschau.)     Berli^n   1917.     106  S.     18  Tf.     8  .     (Landesk.  Kommission.)    f 


Eingänge  für  die  Bibliothek  und  Anzeigen.  ]  99 

Häberle,*  Daniel:  Die  Höhlen  der  Kheinpfalz.  (Beitr.  z.  Landesk.  d.  Rlicinpfalz. i 
Kaiserslautern  19 18.     54  S.     S-"*.     (Verf.) 

°  Nach  einem  kurzen  einleUendeii  allgemeiiien  i  berblick  über  Höhlen,  zcelc/ten 
Begriff  Verf.,  sehr  xceil  fassend,  auch  auf  Nischen,  Pilz  felsen  usw.  ausdehnen  xcill, 
schildert  der  Verf.  die  Höhlen  der  Rheinpfalz  in  ihrer  mannigfachen  Form.  Er 
unterscheidet  ihrer  Entstehung  nach  ursprüngliche  Höhlen  —  sie  fehlen  in  der 
Kheinpfalz  — .  später  gebildete  natürliche  Höhlen,  die  jedoch  auch,  zcic  es  der 
geologische  Bali  der  PJalz  nicht  anders  erwarten  lafst,  keinen  gröfseren  Umfang 
haben,  und  künstliche  Höhlen.  Zahlreiche  Abbildungen  und  Skizzen  unterstützen 
in  anschajilicher   Weise  das  geschriebene  Wort. 

Heim,  A.:  Monographie  der  Churfirsten-Mattstock-Gruppe.  Text.  4.  Teil.  Tektonik 
und  Oberflächengestaltung.  (Beitr.  z.  Geol.  Karte  d.  Schweiz,  X.  F.  XX.  Lfg.  1 
Bern  1917.     IV,  85,  XI  S.     8  Tf.     4-.     (A.  Francke.i     v 

Kiesel,  K.:  Petershüttly,  Ein  Friedensziel  in  den  Vogescn.  Berlin  1918.  W\\,  216  S. 
IG  Tt.     8^.     (D.  Reimer. I 

Krebs,  Xorbert:  Das  österreichisch-italienische  Grenzgebiet.  (Die  Kriegsschauplätze. 
6.  H.)     Leipzig  1918.     V,  46  S.     8°.     (B.  G.  Teubner.i 

°  Die  Schrift  ist  im  Juli  ipij  unter  dem  Eindruck  des  \  'erraies  unseres 
einstigen  Bundesgenossen  entstanden,  kann  aber  heute  noch,  da  der  politische 
Kampf  um  Südtirol  verstärkt  einsetzt,  gröfstes  Interesse  beanspruchen.  \'erf.. 
dem  das  Gebiet  durch  eigene  Anschauung  vertraut  ist,  gibt  mit gezvohnter  Meister- 
schaft eine  knappe  anschauliche  Schilderung  dieses  eigenartigen  Kriegsschau- 
platzes, seiner  Xatur  tind  seiner  militärischen  Bedeutung.  Die  italienischen 
Ansprüche  auf  Südtirol  entbehren,  zvie  Verf.  überzeugend  dartut,  infolge  der 
nationalen  und  historischen  Entzf  ick  hing  dieses  Grenzgebietes  der  rechtlichen 
Grundlage,  und  auch  der  \'erlauf  der  Staatsgrenze  in  Südtirol  zeigt,  dafs  Tirol 
eher  noch  hinter  seinen   natürlichen  geographischen  Grenzen  zurückgeblieben  ist. 

Krebs,  Norbert:  Belgrad.  (S.-A.:  Österr.  Monatsschr.  f.  d. Orient.  1917.)  15  S.  8°.  (Verf.) 

°  Umfafst  das  1.  Kapitel  der  „Beiträge  zur  Geographie  Serbiens"  die  später 

in  den  Abhandlungen  der  Geographischen  Gesellschaft  in  Wien  erscheinen  sollen. 

Lauterborn,  Robert:  Die  geographische  und  biologische  Gliederung  des  Rhein- 
stroms. Heidelberg.  8^.  3  Teile.  I.  Teil:  1916.  61  S.  II.  Teil:  1917.  70  S. 
lil.  Teil:  1918.     87  S.     (Verf.)     f 

Luther,  A.:  Rußland.  II.  Geschichte.  Staat.  Kultur.  (Aus  Xatur  u.  Geisteswelt.  563.1 
Leipzig  1918.     134  S.     8^.     (B.  G.  Teubner.) 

°  Rufsland  gehört  zvohl  zu  den  Ländern  Europas,  das  dem  zeeiteren  Kreise 
der  Gebildeten  ziemlich  unbekannt  ist.  Zu  den  zahlreichen  zeährend  des  Krieges 
erschienenen  gemeinverständlichen  Darstellungen,  die  diese  Lücke  auszufüllen 
suchen,  gehört  auch  L.  Werk,  das  einen  zveiieren  Leserkreis  rasch  und  leicht 
über  die  russischen  ]'erhältnisse  orientieren  und  ihm  auf  diese  Weise  zu  einem 
Verständnis  der  heuligen  Zustände  verhelfen  ze/ll.  Geschildert  ist  das  alte 
Rul'sland  bis  zur  Revolution,  die,  da  der  Flufs  der  Ereignisse  eine  absehliefsende 
Darstellung  verbietet,  kaum  berührt  z^Hrd.  Eine  geographische,  landeskundliche 
Darstellung  ist  es  aber  nicht. 

Mayrhofer,  Johannes:  Spanien.  Freiburg  i.  Br.  1918.  XII,  256  S.  i  Tf.  S  . 
(Herdersche  Verlagshandlung.)     f 

Moscheies,  J.:  Die  Postglazialzeit  in  Skandinavien.  (S.-.\.:  Zeitschr.  f.  Gletscher- 
kunde. 1     Leipzig  1918.     34  S.     8°.     (^Verf.j 

Verf.  kommt  zu  dem  Ergebnis,  dafs  die  von  I^enck  und  Brückner  fest- 
gesetzte   Chronologie    der    Postglazialzeit  für    das'    Gebiet    der    skandinavischen 


2Q0  Eingänge  für  die  Bibliothek  und  Anzeigen. 

VereiS7iug  Geltung  haben  dürfte.  Er  siüizt  setjie  Ansicht  auf  die  posfflasialen 
Ablagerungen  Skandinaz<iens,  auf  Grund  derer  er  drei  posliilasiale  Stadien, 
swei  Tnterstadiahiiten  und  ein  postglaaiales  Kliniaoptiniuni  nachweist.         w. 

Praesent,   Hans:    Aus    der    Geschichte    der  Kartographie   Kongreß -Polens.      (S.  A.: 
Kartogr.  Zeitschrift.)    Wien  1918.     6  S.     4°.     (Landeskdl.  Kommiss.  Warschau.) 
**  Ein   kurser   Überblick   über  Polens  Kartographie  von    1  sjo  bis  181  j   mit 
besonderer  Berücksichtigung  der  Zeit  um  die    IVende  des  18.  Jahrhunderts. 

Quaas,  A.:  Das  Rurtal.  Ein  Beitrag  zur  Geomorphologie  der  Xordeifel.  Bonn  1917. 
119  S.     4  Tf.     8-.     (Verf.) 

°  Verf.  unternimmt  es,  auf  Grund  eitigehender  Beobachtuugeii  und  petro- 
graj>hischer  Untersuchungen  für  das  Rurtal  elf  verschiedene  Terrassensysteinc 
aufzustellen,  von  denen  die  vier  7intersten  den  vier  ntederrhei7iischen  Diluvial- 
terrassen, die  vier  nächst  höheren  dem  Pliozän  ztnd  die  drei  höchsten  dem 
Miozän  (?)  zugeschrieben  werden.  Fossilfunde  fehlen.  Das  Studium  der 
Terrassenschotter  gcxvährt  eisten  interessanten  Einblick  in  die  Geschichte  der 
Rur,  die  nicht  immer  dem  heutigen  Talzug  gefolgt  und  ihre  Quellen  und  ihren 
Lauf  häufig  verätidert  haben  dürfte. 

Schaefer,  Dietrich:  Kurland  und  das  Baltikum  in  Weltgeschichte  und  Weltwirtschaft. 
(Dtsche.  Weltwirtschftl.  Ges.)     Berlin  1918.     30  S.     8^.     (Carl  Heymann.) 

Sonntag,  P.:  Neue  geologische  Bilder  und  Skizzen  aus  Westpreußen.  (S.-A.:  Naturf 
Gesellsch.)     Danzig  1918.     22  S.     8°.     (Verf.) 

°  Eine  Sammlung  von  vier  kurzen  Aufsätzen:  Der  Verla 21  f  der  Endmoränen 
im  kassubischen  Hochland,  —  der  Ursprung  des  Schwarzwasser-Sanders,  — 
über  einige  neue  Oser  in  Westpreufsen  7tnd  die  Porta  Cassubica,  —  Tief  bohr /177g 
Saspe  (Rangierbah7thof). 

Spies,  Georg.  Die  rumänische  Petroleumindustrie  und  ihre  Bedeutung  in  der  Welt- 
wirtschaft.     Bukarest  191 7.     64  S.     8°. 

^  Zivei  \'orträge  nicht  rein  geographischer  Nat7ir  i77Sofer7/  als  sie  a7ich  a/tf 
/7aiionalöko77on7ische  Frage7t  wie  07ganisatio7t,  Ko77ti77gentieru77gsgesetze  uszk: 
<i//gehe77.  Der  erste  vo7i  beide7i  beschäftigt  sich  /nit  Ru/i7ä77ien  7i7ir  soiceit.  als 
dieses  La7id  ei/z  Glied  in  der  Reihe  der  Weliprod7ize77ten  für  Petroleun/  ist. 
die  i7i  da/ikenswerter  Weise  S7isan77nengestellt  7ind  je  in  ihrer  Hede7it7i77g  ge- 
ivüi'dißt  werdezt.  Der  zweite  Vortrag  beha7tdelt  gesondert  Rumänie 77  als  Produzent 
tind  prüft  die  Absatzwege,  die  für  den  Uatzdel  i7i  Frage  kon77nen,  zzan/entlich 
de7i  Donaztzveg.  Beide  Vorträge  si/zd  a7is  der  Erke7Z77t/zis  herazis  entsta77den. 
dafs  das  Petrole7i7i7  für  das  Wirtschaftslebeiz  eines  Staates  beso77ders  in/  Kriege 
V071  vitaler  Bedeutung  ist.  Die  daran  gek/züpftczz  handelspolifischen  Foi'der/ingen 
sind  dzirch  den  ylzzsga/zg  des  Krieges  überholt. 

Staub,  R. :  Über  Faciesverteilung  und  Orogenese  in  den  südöstlichen  Schweizeralpen. 
(Beitr.  z.  Geol.  Karte  d.  Schweiz,  N.  F.  XLVI.  Lfg.  III.  Abt.)  Bern  1917. 
VIII,  33  S.     2  Tab.     4  Tf.     40.     (A.  Francke.) 

Sterzel,  I.  T.:  Die  organischen  Reste  des  Kulms  und  Rotliegenden  der  Gegend  von 
Chemnitz,  Leipzig  1918.     VI,   iii  .S.     15  Tf.     8°.     (B.  G.  Tcubner.) 

Thoroddsen:  Ferdabök.  Skvrlur  um  Rannsöknir  a  Islandi  1882  bis  1S98.  Kaup- 
mannahöfn  1913  bis  1915.     4  Bde.     8°.     (Verf.) 

Thoroddsen:    Lipsing  Islands.     Kaupmannahöfn    1907  bis  1911.    2  Bde.    8"^.    (\'erf.)  f 

Vogel,  W.:  Deutschlands  bundesstaatliche  Neugestaltung.  Berlin  1919.  16  S.  i  Krt. 
8°.     (Verf.) 

■  *  Ei77  Vorschlag  der  Azifteilztzzg  Dezitschlaz/ds  in  14  B/i/zdesstaatetz  mit 
Karte,    nämlich   PreufsezZi   Schlesien,   Brandenbztzg.    Niedersachsen,    Thüringen. 


Eingänge  für  die  Bibliothek  und  Anzeigen. .  201 

überwachsen,    Westfalen,  Rheinland,  Pfaiz-Ucsscn,  Sclnuahen,  Elsafs-Loihringen, 
Franken,  Hayeru,  Osterreich. 

Wunderlich,  E.,  I.  Kölzer,  E.  Pax  sen.,  F.  Pax  jun.,  W.  Praesent:  Die  Grenzen 
Kongreß -Polens.  (Beitr.  z.  Poln.  Landeskunde.)  Wien  191 9.  48  S.  8^. 
(Landeskdl.  Kommiss.) 

**  A^ach  den  verschiedenen  (lesichtspnntden  des  Morphologen,  Kliniatologen, 
Botaniker,  Zoologen  nnd  Aulhropogeographen  zverden  die  Grensen  Kongrej's- 
Polens  untersucht  mit  dem  Resultat,  da/s  das  Land  wohl  eine  Provinz  mit 
besonderen  Zügen  darstellt,  aber  eine  scharfe  nati'irliche  Umgrenzung  dem  Über- 
gangsgebiet mangelt. 

V.  Zahn,  G.:  Die  Moräne  im  Schneetiegel  im  Thüringerwald.  (Beitr.  z.  Landeskunde 
von  Thüringen.)     Jena  1919.     32  S.     8°.     (Verf.) 

"*  Eine  genaue  Untersuchung  der  „Moräne",  die  als  Ablagerung  aines  Berg- 
schlipfes gedeutet  zvird,  wodurch  der  Thüringer  Wald  a7is  der  Reihe  der  ver- 
gletschert gewesenen  Gebirge  ausscheidet.  Die  Schneegrenze  zcird  etzua  c^oo  m 
hoch  gewesen  sein.  Die  Schrift  eröffnet  eine  nette  Reihe  von  \"eröffentlichungeii, 
die  als  „Beiträge  zur  Landeskunde  Thüringens"  in  zzcangloser  Folge  erscheinen 
zverden. 

Zimmermann,  L  E.:  Die  Eigenarten  und  geologischen  Aufnahmeschvvierigkeiten  des 
Bober-Katzbach-Gebirges.  (S.-A. :  Jahrb.  d.  Kgl.  Preuß.  Geolog.  Landesanstalt.  1 
Berlin  1917.     29  S.     8°.     (Verf.)     f 

Die  Südgrenze  der  deutschen  Steiermark.  (Denkschrift  des  akademischen  Senats  der 
Universität  Graz.)  Graz  1919.  58  S.  i  Tf.  i  Krt.  8°.  (Universität  Graz.  1 
**  Auf  Grund  tiefgehender  geographischer,  politischer  und  zvirtschaft liehe r 
Erzvägungen  wird  die  Forderung  aufgestellt,  dafs  Deutschösterreich  unbedingt 
Anspruch  hat  auf:  1.  das  Drantal  oberhalb  der  Südgrenze  der  Marburger 
Sprachijtsel,  2.  das  Pettauer  Feld  mit  seiner  Umrahmting,  j.  den  Westeingang 
zu  dem  natürlichen  Korridor  südlich  des  Bachern  und  4.  den  Weitensteiner 
Zug.  Eine  gute  Sprachenkarte  1:200000  von  R.  z'.  Pfaundler  gibt  der  Schrift 
eine  Bedeutung  über  den  Augenblick  hinatis. 

Asien. 
Erkes,  Eduard:  China.    (Perthes  Kl.  Völker-  u.  Länderkunde.)    Gotha  1919.    3,  16S  S. 

I  Krt.     8°.     (Perthes  A.-G.)     r 
Hedin,  Sven:    Southern  Tibet.     Discoveries  in  former  times  compared  with  my  own 

researches  in  1906  bis  1908.     Vol.  \,  XXXII,  293  S.     53.  Tf.    4°;  Vol.  II,  330  S. 

24  Tf.     4°;   Vol.   III,   369  S.     31   Tf.     4°;   Vol.   V.   220  S.     II  Tf.     40;   Atlas 

(Panoramas)  105  Tf.,  fol. ;  Maps  15  BI.,  fol.     Stockholm  1917.     (Verf.)     v 
Maaß,  Alfred:   Quer   durch   Sumatra.     2.    Aufl.     Berlin    1917.     X\TII.    177  S.     2  Tf. 

8°.     iB.  Behri.    r 
Alte  Denkmäler  aus  Syrien,  Palästina  und  Westarabien.     \'eröfi'entlicht  auf  Befehl 

von    Ahmed   Djemal   Pascha.     Georg  Reimer,   Berlin    191S.     100  Tafeln  mit 

beschreibendem  Text.     4°.     (Direktor  Wiegand.)     t 

Afrika. 

Adolf  Friedrich,  Herzog  zu  Mecklenburg:  Wissenschaftliche  Ergebnisse  der  Deutschen 
Zentral-Afrika-Expedition  1907  bis  1908,  Band  \T,  Teil  i:  Ethnographie-Anthro- 
pologie I.     Leipzig  1917.     XVI.  412  S.     2  Tf.     8^.     (Klinkhardt  &  Biermann.)  v 

Christensen,  Carl:  Naturforskeren  Pehr  Torsskai.  Hans  Rejse  til  Aegypten  og  Ara- 
bien 1761  bis  63.     Kopenhagen  1918.     172  S.     8^.     (H.  Hagerup.) 


202  -Eingänge  für  die  Bibliothek  und  Anzeigen. 

Huber,  Micliacl:  Im  Reiche  der  Pharaonen.  2  Bde.,  Freiburg  i.  Br.  191S.  XII.  271 
und  \'II.  290  S.     I   Tf.     8^.     (Herdersche  \'erlagshandlung.)     !• 

Langenmaier,  Theodor:  Lexikon  zur  alten  Gcograjihie  des  südöstlichen  Äquatorial- 
afrika. (Abhandig.  d.  Hamburgischen  Kolonialinstituts.  1  Bd.  39.  Hamburg  191. S. 
VI.I     100  S.     8^.     (L.  Friedcrichsen  &  Co.)     7 

Niehoff,  Kurt:  Oberflächengestaltung,  Niederschlag  u.  Abfluß  des  Niger  u.  seiner 
Nachbargebiete.     Berlin   1917.     66  S..  5  Krt.     4'^.     (\'erf.)    j 

Kolonien. 
Brinckmann,  .*\.  E.:  Eine  Unterredung  mit  Pater  van  der  Bürgt  über  die  Schmähschritt 
von   Evans  Lewin   ..Deutsche  Kolonisatoren   in  Afrika''.     (S.  A.  Koloniale  Rund- 
schau H.  11/12.)    Berlin  1918.     18  S.     8^.    (Geh.  Rat  Marquardsen.) 

**  Eilte  Zuriickzi'eiSiing  des  Paniplileis  von  Evatis  Levin,  die  in  dem  Zeugnis 
X'ipjell  S.  2:  ,,Die  deiiisclie  Kolonisation   tvar  in  Denisch-Osiafrika   der  gröfste 
Segen  für  Land  nnd  Leute.'' 
Lewin,   Evans:    Deutsche  Kolonisatoren  in  Afrika.     Orell  Füßli.  Zürich  1918.     71  .S. 
8°.     (Geh.  Rat  Marquardsen.) 

**  Eine  Scinuälischrift,  die  berefts  S.  24  .linn.  geniigcnd  charakterisiert  zeiirde. 

Mansfeld  A.  u.  Hildebrand,  G.:  Englische  Urteile  über  die  deutsche  Kolonisations- 
arbeit.    Berlin  1919.     47  S.     8^.     (Dietrich  Reimer.) 

*"  Eine  Zusammenstellung  von  Aussprüchen  bedeutender  englisclier  Politiker 
und  Schriftsteller  aus  der  Zeit  vor  dem  Kriege  über  unsere  Kolonialpolitik 
und  -tvirlschaft,  als  das  Urteil  noch  nicht  durch  die  Kriegsleidenschaftcn  getrüld 
ivc^.  Man  zuird  mit  Freude  diese  geschickte  .liiszvahl  lesen,  zveil  unserer  Fähig- 
keit zu  Kolonisieren  in  ihr  Gerechtigkeit  zviderfährt. 

Meyer,  Hans:  Das  portugiesische  Kolonialreich  der  Gegenwart.  Berlin  191S.  VII. 
74  S.     4  T.     8^.     (D.  Reimer.)     v 

Rein,  K. :  Kolonien!  eine  deutsche  Mußforderung.  Berlin  1919.  36  S.  8^.  (Dietrich 
Reimer.) 

■::-*  jT^iiig  Schri/'t,  die  von  unserem  Recht  auf  Kolonien  ausgehend,  Zi'ie  zcir 
es  durch  unsere  Eingeborencnpolilik  erzvorben  haben,  die  energische  Forderung 
nach  Kolonialbesitz  aufstellt,  den  uns  einfachste  politische  Gerechtigkeit  zjisfircchen 
niufs.  Der  Verfasser  sollte  die  Gröfsc  der  Kolonien  nicht  mehr  in  Quadrai- 
meilen  angeben. 

Reichskolonialamt:  Die  Behandlung  der  einheimischen  Bevölkerung  in  den  kolo- 
nialen Besitzungen  Deutschlands  u.  Englands.  Berlin  1919.  201  S.  6  Tf.  4'. 
(Behörde.) 

■'•*  Eine  Zu rijckzveisung  der  englischen  Anschuldigung,  DeutscJilaud  sei  ///.- 
zvürdig,  Kolonien  zu  besitzen.  Sie  zcird  geführt,  indem  Punkt  für  Punkt  das 
belastende  Material  des  englischen  Blaubuchs  vom  ^August  ii)i8  vorgenommen, 
das  viele  Unzvahre  und  Falsche  berichtigt,  und  das  Gehässi(;e  der  englischen 
Darstellung  beleuchtet  zvird,  ohne  dafs  vorgekommene  L  'bergriffe  beschönigt 
Zierden.  Lm  zzi'citen  Teil  zvird  die  Behandlung  der  Einheimischen  in  den 
englischen  Kolonien  näher  beleuchtet  mit  dem  Resultat,  dafs  der  sich  nicht 
zum  Richter  aufzcerfen  darf  der  selber  nicht  rein  ist,  sondern  in  allen  Kolo- 
nien die  Eingeborenen  herzlos  und  grausam  bis  zur  Ausrottung  oder  J'er- 
sklavung  behandelte.      l'gl.  diese  Zeitschrift  S.  _'j. 

Tappenbeck,  Ernst:  Deutsch  Neuguinea.  Berlin  1901.  178  S..  i  Bild,  i  Krt.  S-. 
(Lnt.  .A.rimond.1 


Eingänge  für  die  Bibliothek  und  Anzeigen.  203 

The  Treatment  of  Native  and  other  Populations  in  the  Colonial  Possessions  of  Germany 
and  England.  Published  by  the  German  Colonial  Oftice.  Berlin  191 9.  312  S. 
8^.     (Behörde.) 

'"*  Englische  Übersetzung  des  deiilsclieii    Werkes,    leider  oliiie  die  IrelJUcheu 
BeiveistiiiHel  der  Abbild it /ige  11. 

Polargebiete. 

Mikkelsen,  ICjnar:  Tre  Aar  Paa  Grönlands  Ostkyst.    Kopenhagen  191 S.    33S  S.     1  Tf. 

8=.     (Ankauf.) 

Die  Meere. 

Buch,  Kurt:  Über  die  Alkalinität,  Wasserstoffionenkonzentration,  Kohlensäure  und 
Kohlensäuretension  im  Wasser  der  Finland  umgebenden  Meere.  (Finländische 
Hydrogr.  Biolog.  Untersuchungen  Xr.  14. 1  Helsingfors  1917.  132  S.  2  Tf.  4°. 
(Soc.  Scient.  Fennica.)    t 

Busch,  W. :  Über  das  Plankton  der  Kieler  Föhrde.  i.  Teil  (Aus  d.  Lab.  f.  int. 
Meeresforsch.  Kiel.     Biol.  Abt.  Xr.  30).     Kiel  1917.     114  S.     4^.     ilnstitut.i 

Jahrbuch  1913.  Enthaltend  hydrographische  Beobachtungen  in  den  Finland  um- 
gebenden Meeren.  Herausgegeben  von  Dr.  Rolf  Witting.  Helsingfors  1914- 
134  S.,  5  Tf.     4^.     (Societas  Scientiarum  Fennica.) 

Die  Ostsee.  (Deutsche  Zeitschrift  für  Wirtschaft  und  Kultur  der  Ostseeländer.) 
Herausgegeben  von  Dr.  Richard  Pohle.  Berlin  1918.  Heft  i  bis  4.  8-.  iTro- 
witzscli  &  Sohn.) 

Schnaß,  l<"ranz:  Anleitung  u.  Stoffe  zu  meereskundl.  Studien  u.  Stunden.  (Beiheft  20 
zur  Zeitschr.  „Lehrerfortbildung'-.)     Leipzig  1918.     60  S.,  i  Krt.     8^.     (A.  Haase.) 

Schott,  G.:  Ozeanographie  u.  Klimatologie  des  Persischen  Golfes  u.  d.  Golfes  von 
Oman.     (Beil.  z.  d.  Ann.  d.  Hydrogr.)    Berlin  1918.     46  S.    7  Tf.    S  =  .    (Verf  1    -r 

Allgemeine  Erdkunde. 
Arendt,- Th.:  Ergebnisse  der  Gewitter-Beobachtungen  in  den  Jahren  1913,  1914  und 

1915.     (Veröff.   d.   Kgl.    Preuß.    Met.   In.st.   Xr.  297.)     Berlin  191S.     XXXI,  66  S. 

4-.     (Institut.) 
Banse,    Ewald:    Alexander    Humboldt.      (S.-A. :    Dtsche.    Rundschau.!      Berlin    1918. 

39  S.     8^\     (Verf) 
Baruch,  A. :    Die   Grundlagen   unserer  Zeitrechnung.     iMathem.   Physik.  Bibliothek) 

Leipzig  1918.     51  S.,     8°.     (B.  G.  Teubner.) 
Berg,   Alfred:    Geographisches  Wanderbuch.      2.    Aufl.     Leipzig    191S.     300   S.     S\ 

(B.  G.  Teubner.)     t 
Bölsche,  Wilhelm:  Fliszeit  u.  Klimawechsel.    Stuttgart  1919.    77  S.    8^.    (Franckhsche 

\^erlagshdlg.) 

**  In    der    bekaniilen   ansprechenden    Heise   schilderi   der    ] 'erfasse  r  einem 

weiteren  Pnbliknni  die    Wandlungen  unserer  Anschauungen  über  die  l'rsachen 

der  Kisseit   und  der  Kliinaivechsel.   beginnend  mit  Goethe   und  endend  bei  den 

Anschauungen  eines  Arrhenius  und  I-^rech. 
Conwentz,    H. :    Merkbuch    für    Xaturdenkmalpflege    und    verwandte    Bestrebungen. 

Berlin  1918.     VIII.     109  S.     8°,     (Gebrüder  Borntraeger.) 
Davis,  W.  M.  und  G.  Braun:  Grundzüge  der  Physrogeographie.     Leipzig  191 7.    XL 

209  S.     I   Tf.     8^.     (B.  G.  Teubner.) 
Davis,   W.   M.   und  K.    Oestreich:    Praktische   Übungen    in   physischer   Geographie. 

Leipzig  1918.     Textband  XII.   116  S.,  S=:  Atlas  38  S.     (B.  G.  Teubner.  1     t 
Defant,  Albert:   Wetter  und  Wettervorhersage.     Wien   19 18.     M.  290  S.     i    Tf.     8-=. 

(Franz  Dcuticke.l 


0()4  Eingänge  für  die  Bibliothek  und  Anzeigen. 

Dietsch,  Marie:  Untersuchungen  über  die  Änderung  des  Windes  mit  der  Höhe  in 
Zyklonen.  (\'erößentl.  d.  Geophysik.  Instit.  d.  Universität  Leipzig.)  Leipzig  1918. 
39  S.     8'=.     (Institut.) 

°  Verf.  ti'Ut  an  diese  Untersuchungen  mit  dem  neuen  Gesichtsptinkt  heran, 
da/'s  nur  die  Berücksichtigung  der  Druckverteilung  in  verschiedenen  Höhen  ein 
richtiges  Bild  von  den  Windverhältnissen  in  der  Höhe  gestattet.  Auf  Grund  von 
extrapolier tcfi  Isobarenkarten  in  der  freien  yUmosphäre ,  die  dtirch  direkte 
Luftdruckbcobachiunget2  in  der  freien  Atmosphäre  kontrolliert  werden,  ivird  die 
Änderung  des  Windes  in  Zykloneti  am  Erdboden,  in  ßoo,  1000,  i^oo  und  2000  m 
Höhe  berechnet.  Dabei  ergibt  sich  gegenüber  älteren  Arbeiten  die  wichtige  Tat- 
sache, dafs  in  2000  in  Höhe  vorn  Einströmen  und  hinten  Bewegung  etwa 
langentiell  cu  den  Isobaren  vorhanden  ist. 

Egerer,  A. :  Kartenlesen.  (Gemeinverstdl.  Einführung.)  Stuttgart  1918.  100  S.. 
I   Krt.     8°.     (Bonz'  Erben.)     t 

Festschrift  Eduard  Hahn  zum  LX.  Geburtstag.  Stuttgart  1917.  XI.  368  S.,  i  Bild. 
I   Tf.,  I   Krt.     8°.     (Strecker  und  Schröder.) 

Frech,  F.:  Allgemeine  Geologie.  Dritte  Auflage.  I.  Vulkane  einst  und  jetzt.  1917. 
VI,  119  S.  I  Tf.  II.  Gebirgsbau  und  Erdbeben.  1917.  124  S.  i  Tf.  IV.  Boden- 
bildung, Mittelgebirgsformcn  und  die  Arbeit  des  Ozeans.  1918.  140  S.  i  Tf. 
(Aus  Natur  und  Geisteswelt  207.    208,    210.)     Leipzig.     8°.     (B.  G.  Teubner.)     t 

Hann,  Julius  von:  Untersuchungen  über  die  tägliche  Oszillation  des  Barometers. 
III.  Die  dritteltägige  (achtstündige)  Luftdruckschwankung.  Wien  191 7.  64  S. 
so.     (Verf.i 

°  Wie  die  halbtägige  Lujldruckschwankung,  so  hat  auch  die  drittel  lägige 
atmosphärische  luftdrttckschwankung,  deren  markante  Erscheinungen  unter- 
s/icht  werden,  eine  selbständige  Existenz.  Ihre  Amplituden  und  Phasenzeilen 
trage)!  lerresteren  Charakter  und  zeigen  vor  allem  den  Einflufs  der  geogra- 
phischen Breite,  dagegen  eine  bemerkenszvert  grofse  Unabhängigkeit  von  der  \  'er- 
leiliing  von  Wasser  und  Land. 

Hann,  J.  v. :  Die  jährl.  Periode  d.  halbtägigen  Luftdruckschwankung.  (S.-A. :  Sitzungs- 
bericht d.  Kais.  Akademie  d.  Wissensch.)     Wien  191 8.     103  S.     8°.     (Verf.) 

Hashagen,  I.:  Umrisse  der  Weltpolitik  I.  u.  II.  (Aus  Natur  u.  Geisteswelt.)  Leipzig 
191S.     147  S.;  141  S.     8°.     (B.  G.  Teubner.) 

Hassert,  K. :  Johann  Joachim  Becher,  ein  Vorkämpfer  deutscher  Kolonialpolitik  im 
17.  Jahrh.     (S.-A.:  Koloniale  Rundschau.)     Berlin  191S.     28  S.     8'^.     (Verf.i 

°  Biographie  eines  fast  vergessenen,  viel  verkannten  und  unermüdlichen 
Vorkämpfers  des  kolonialen  Gedankens  im  77.  Jahrhundert,  dessen  Pläne  damals 
leider  nicht  verzvirklicht  zvorden  sind. 

Heilborn,  A.:  Der  Mensch  in  der  Urzeit.  (Aus  Natur  u.  Geisteswelt.)  Leipzig  19 18. 
VI.     102  S.     8°.     (Mittler  u.  Sohn.) 

Hellmann,  G.:  Über  die  nächtliche  Abkühlung  der  bodennahen  Luftschicht.  (S.-A.: 
Sitzungsber.  d.  Preuß.  Akademie  d.  Wissenschaften.)  Berlin  1918.  8  S.  8°.  (\'erf.) 
°  Verf.  entzvickelt  eine  neue  Methode,  die  nächtliche  Abkühlung  bodennaher 
Luftschichten  gesetzmäfsig  zu  bestimmen  und  prüft  dieselbe  an  Beobachtungen. 
Die  dabei  gefundenen  Zahle-nzverte  haben  dabei  nur  für  die  Beobachtungsstelle 
Gültigkeil ;    doch    lassen   sich   auch   einige  allgemein  gültige    Gesetze  feststellen. 

Hellmann,  G.:  Über  warme  und  kalte  Sommer.  (S.-A. :  Sitzungsber.  d.  Preuß. 
Akademie  d.  Wissensch.)     Berlin  1918.     17  S.     8°.     (Verf.) 

°  Bestimmt  nach  derselben  Methode,  zvie  in  den  schon  früher  angezeigten 
Arbeiten    über  strenge   und   milde  ll'inter  OpjQ,  S.  102)   die  charakteristischen 


Eingänge  für  die  Bibliothek  und  Anzeigen.  205 

Merkmale  xvarincr  und  kühler  Soninicr  in  Berlin  für  die  tiejtnzigjährige  Periode 
182p  bis  igi8. 
Hennig,    Richard:    Grundzüge    einer    militärischen    Verkehrspolitik    unter    Berück- 
sichtigung der  Erfahrungen  des  Weltkrieges.    (Verkehrswiss.  Abh.  3.  H.i    Berlin 

191 7.  100  S.     8^     (Verf.) 

Hesse,  R.:  Abstammungslehre  und  Darwinismus.    TAus  Natur  u.  Geisteswelt.)    Leipzig 

1918.  119  S.     8°.     (B.  G.  Teubner.) 

Hettner,  Alfred:  Die  Einheit  der  Geographie  in  Wissenschaft  u.  Unterricht.     Berlin 

1919.  32  S.     8°.     (Zentralinst.  f.  Erz.  u.  Unterricht.) 

**  Die  wertvolle,  jahrelanges  Arbeiten  an  der  Methodik  der  Geographie  sn- 
sammenfassende  Schrift  betont  den  einheitlichen  Charakter  der  Erdkunde  als 
chorologischer  Wissenschaft,  wodurch  der  frühere  Dualismtis  als  einer  all- 
genieinen  Erdwisse7ischaft  tmd  einer  Lehre  von  der  Verbreitung  einer  Er- 
scheinung verschwindet  und  die  Geographie  als  die  Lehre  der  räumlichen  l'er- 
teilung  den  beiden  anderen  grofsen  Gruppen  im  System  der  Gesamtwissenschaff, 
der  Lehre  von  der  sachlichen  Verschiedenheit  und  der  geschichtlichen  Wandlzing, 
gleichxvertig  an  die  Seite  tritt.  Für  Hettner  ist  die  Geographie  im  wesentlichen 
Lätiderkzmde,  nicht  um  ein  Bild  eines  Landes  ::u  geben,  sondern  um  das  Wesen 
einer  Landschaft  zu  deiiten,  das  sich  aus  der  Wechselwirkung  der  Erscheinungen 
bestimmt.  S.  ii:  „Die  Geographie  .  .  .  hat  es  mit  der  dinglichen  Erfüllung  des 
/Raumes  zu  ttcn.  Sie  zvill  zvissen,  wie  die  verschiedenen  Erdräume  und  Erd- 
stellen aussehen;  sie  ist  die  Wissenschaft  von  der  Erde  oder  Erdoberfläche  ztach 
der  verschiedenen  Ausbildung  ihrer  Teile,  ist  Länderkunde ;  aber  sie  ist  das 
natürlich  nicht  im  Sinne  der  speziellen  Länderkunde  oder  Betrachtung  der 
einzelnen  Länder  und  Ortlichkeiten,  sondern  auch  im  Sinne  der  Auffassung 
der  ganzen  Erdoberfläche  als  eines  Komplexes  oder  Systemes  von  Ländern  und 
Ortlichkeiten,  also  der  allgemeinen  und  vergleichenden  Länderkunde."  Daraus 
ergibt  sich  ihre  Stellung  im  Unterricht. 

Heyde,  Herbert:  Die  Höhennullpunkte  der  amtlichen  deutschen  Kartenwerke.     (S.-A. : 
Festband  A.  Penck.)     Stuttgart  1918.     9  S.     8°.     (Verf.) 
**  Vgl.  die  Besprechung  von  J.  Bartsch  igi8  S.  jj.?. 

Hoeniger,  R.:  Das  Deutschtum  im  Ausland.  (Aus  Natur  u.  Geisteswelt.)  Leipzig 
1918.     132  S.     8^.     (B.  G.  Teubner.) 

Kaßner,  K. :  Das  Wetter  u.  seine  Bedeutung  f.  d.  prakt.  Leben.  2.  Aufl.  Leipzig 
1918.     152  S.,  27  Fig.,  6  Krt.     8°.     (Quelle  u.  Meyer.) 

Langenbeck,  W. :  Geschichte  des  deutschen  Handels  seit  dem  Ausgange  des 
Mittelalters.  .  (Aus  Natur  und  Geisteswelt.)  Leipzig  191S.  141  S.  S-. 
(B.  G.  Teubner.) 

Leverkinck:  Über  den  Einfluß  des  Windes  auf  die  Gezeiten.  (Veröfftl.  des  Marine 
Observ.  Wilhelmshaven.)     Berlin  1915.     50  S.     i  Tf.     4°.     (Behörde.) 

Ligocki,  Julius:  Sechs  Millionen  verloren.  100  Jahre  deutscher  Auswanderung  nach 
Übersee  1815-1914.     Berlin  1917.     24  S.     i  Krt.     8°.     (S.  Schropp.) 

**  Die  Schrift  will  vor  jeder  Auswanderzing,  auch  in  jogenannte  „geeignete" 
Länder,  warnett. 

Numelin,  R. :  Die  Ursachen  der  Völkerwanderungen  auf  primitiven  Kulturstufen. 
(Deutsches  Referat.)     Helsingfors  1918.     22  S.     8°,     (Verf.) 

Festband  Albrecht  Penck.  Zur  Vollendung  des  60.  Lebensjahres  gewidmet  von  seinen 
Schülern  und  der  Verlagsbuchhandlung.  Stuttgart  1918.  XIL  438  S.,  10  Tf. 
8°.     (J.  Engelhorns  Nachf.)     f 


-_)()(;  Eingänge  für  die  Bibliothek  und  Anzeigen. 

Philippson,  A.:  Johann  Jiistiis  Rein.  (Aus  d.  Chronik  d.  L'nivers.  Bonn.)  Bonn  1918. 
4  S.     S^,     (Geogr.  Seminar  d.  Univers.  Bonn.) 

^  l-liii  kurzer  XnrliriiJ  auf  den  Professor  der  (jeoj^ra/^Jiie  an  der  I  'iiiversildl 
in   Bonn. 

Pohle,  R.:  Die  Probleme  des  Nordens.  (S.-A. :  Dtsch.  Rundschau  XL\',  1.)  Berlin 
1918.     17  S.     8=.     (\'erf.) 

Der  beTiaiiiüe  Forscher  Osleiiropas  und  Xordasiens  <fiö/  ans  seiner  reichen 
Kenntnis  heraus  einen-  i'berbiick  über  die  E7i1'ii'icklnngsnu>glichheiten  des  Xordens. 
d.  h.  des  Gebietes  ZMischen  der  eigenf/ichen  Polnrzoiie  nnd  der  (Jrenze  zn- 
saininenhängender  Ackerhiiltnr.  Es  sind  in  der  Flaiiptsache  (lebieie  des  Waldes 
lind  der  Tundra,  in  denen  sich  noch  Urformen  menschlicher  Wirtschaft  finden. 
Reiche  Enl-ancklunosmöglichkeiten  bietet  der  Norden  der  alten  Welt  für  die  ]  'ieh- 
zncht,  Xordenropa  für  Jagd.  Ren  ntiern'irtschaft,  Klein-  und  Grafs  fische  rei, 
I/olznntziing  und  Bergbau.  In  Anerkennttng  der  Bedentnno  dieser  Gebiete  hat 
England  die  M/trinanknste  besetzt.  Dentsriiland  mnfs  versuchen,  auch  seine// 
1-lin jlufs  hier  geltend  zu  machen.  If. 

Schlaginhaufen,  Otto:  Pygmäenrassen  und  Pygmäenfrage.  iS.-A.:  Jahrg.  61  [1916] 
d.  \'ierteljahrsschrift  d.  Xaturforsch.  Ges.  i.  Zürich.)    Zürich  1916.    28  S.    8^.    (Verf.) 

Schmidt,  Ad.:  Besitzt  d.  lägl.  erdmagnetische  Schwankung  in  der  Erdoberfläche  ein 
Potential?^   (S.-A.:  Phys.  Zeitschrift  1918.)     Leipzig  1918.     7  S.     8°.     (Verf.) 

'^  Eine  Auseinandersetzting  mit  den  anffalleiiden  Ergebnissen  A.  van  l'leutens, 
die  in  einer  im  September  iQij  in  Utrecht  erschienenen  Dissertation'  zu  einer 
Verneinung  der  Frage  gelangt  loar.  Schmidt  xveist  nun  nach,  dafs  in  dem 
(lebiete,  „aus  dein  allein  Beobachtungen  verzvendet  zvorden  sind,  diese  intierhaib 
der  Genauigkeitsgrenzen  der  Darstellung  mit  der  Annahme  eines  Potentials 
im  Einklang  stehen". 

Schmidt,  .Ad.:  Erdmagnetismus.  (S.-A.:  PLncykl.  d.  math.  Wissensch.)  Leipzig  1917. 
13.)  S.     S-.     (Verf.)     ■;■ 

Schreiber,  Paul:  Einrichtung  u.  Aufgaben  der  im  Weltkricg.sjahr  1915  erbauten  Wetter- 
warten auf  d.  Wahnsdorfer  Kuppe  bei  Dresden  u.  auf  dem  Fichtelberge.  Dresden 
1918.     85  S.     18  Tf.     4^.     (Sachs.  Landeswetterwarte.) 

*'■■  Eine  instrumentenkundlich  xvichtige  ^ibhandlung  der  Einrichtung  cif/er 
meteorologische?!  Station  >nit  einer  Schilderung  des  \'erlaufs  der  Witterung  in 
Sachsen  vom   1.  Juli  uii ^^  bis  Ende  Juli  1018. 

Schubert,  Emmerich:  Kultur  und  X'olkswirtschaft.  Heidelberg  191S.  XIX.  460  S. 
8-.     (Carl   Winter.) 

Schulte  im  Hofe,  .\.:  Auswanderung  u.  .Vuswanderungspolitik.  Berlin  191 8.  104  S., 
iKrt.     8^.     (Reimer  [V^ohsen].) 

*''■'  Xach  eingehender  Darstellung  der  deutschen  Aus'H'anderung  auf  Grund 
der  Statistiken  der  Zentral-Auskunftsteile  für  Attsii'anderer,  der  PJn-  und 
Rückivanderung.  -wird  die  Einwanderung  in  den  überseeischen  Landern  und  die 
Ausieandernng  aus  Hriliscli-Indien  und  China  behandelt.  Bei  der  statistischen 
Karte,  auf  der  1  qmm  =  100  Personen  dargestellt  ivird,  niufs  die  Anivendting 
der  Merkator- Projektion  ganz  falsche  Bilder  der  G röfsenvcrhä Itnisse  der  Lander 
geben,  sie  sollte  vermieden  werden,  selbst  wenn  es  sich  nur  um  statistische 
Da  rs  tellu  ng  h  a  n  de  II. 

Sieblist,C).:  Das  Telegraphen-  und  Kernsprechwesen.  (Aus  Natur  u.  Gcistcswelt. ) 
Leipzig  1918.     VI.     122  S.     8^.     (B.  G.  Teubner.j 

von  Toula,  Franz:  Lehrbuch  der  Geologie.  Wien  1918.  XI.  556  S.,  30  Tf.  8'. 
(Alfred  Holder.)     r 


Eingänge  für  die  Bibliothek  und  Anzeigen.  207 

Viator,  A.  K. :  Deutschlands  Anteil  an  Indiens  Schicksal.  Leipzig  1918.  94  S.  S-. 
(Otto  Wigand.) 

Voigt,  A.:  Deutsches  Vogelleben.  (Aus  Natur  u.  Geistesvvelt.)  Leipzig  191S.  124  S. 
8^.  ^(B.  G.  Teubner.) 

Wagner,  Hermann:  Die  Entwicklung  der  wissenschaftl.  Nautik  im  Beginn  des  Zeit- 
alters der  Entdeckungen  nach  neueren  Anschauungen.  (S.  A. :  Ann.  d.  Hydr.) 
Berlin   191S.     62  S.     8°.     (Verf.)     f 

Wagner.  Paul:  Die  Stellung  der  Erdkunde  im  Rahmen  der  Allgemeinbildung. 
(Sehr.  d.  Deutsch.  Ausschusses  f.  d.  Mathemat.  u.  Naturwissenschaft!.  Unterricht.; 
Leipzig  1918.     18  S.     8°.     (E.  S.  Mittler  u.  Sohn.) 

""  Die  Sclirift,  die  der  deuisdie  Aiisschiifs  für  den  niailieiiiaiisclien  ii/id  tiaiitr- 
xvisse7ischafilichen  L  'nter rieht  zu  der  seinen  niaclil,  gelii  von  der  Bedetilitng  der 
Erdkunde  als  Bildnngsfach  ans,  stellt  die  bekannten  nnd  so  notivendigen  Griind- 
fordernngen  an  eine  Reform  des  erdkundlichen  Unterrichts  nocit  einmal  zusaiuiin-n 
und  endet  mit  dem  Ziel  des  Unterrichts.     Dieses  mut's  sein: 

1.  Eine  durch  Kat iiranschan iing  erworbene  Kenntnis  der  erdkundlichen 
Eige7iart  des  Heimatgebietes. 

2.  Klare  Vorstellung  von  den  'wichtigsten  Landschaften  und  ]  'ölkerschaften 
der  Erde,  genauere  Kenntnis  aus  der  Länderkunde  Mitteleuropas. 

j.  Übersichtliche  Kenntnis  der  Haupttatsachen  der  allgemeinen  Erdkunde 
(feste  Erdrinde,    Wasser,  Luft,    l'erbreitung  der  L.ebezvesen,    J'älkerkunde). 

./.  Bekanntschaß  mit  den  Grundlehren  der  mathematischen  Erdkunde  und 
mit  den  einfachsten  Fällen  der  Kartenprojeklion. 

j.   Klare  Raum-  und  Zahlvorstellungen  von  den  l'erhältnissen  auf  der  Erde. 

6.  Fähigkeit,  nicht  nur  den  Atlas,  sondern  auch  die  amtlichen  Speaialkarten 
SU  lesen   und  im   Gelätide  zu  gebrauchen. 

7.  Einiges  Verständnis  für  die  zvechselseitigen  Beziehungen  und  ursächlichen 
Zusammenhänge  zwischen  den  natürlichen  '['erhältirissen  auf  der  Erde  (Boden- 
forni,  erdgeschichtliche  ]'eränderungen,  Klima,  Pflanzenkleid),  sozvie  zzvischeii 
diesen   und  den  Anfserungsformen  des  Dienschlichen  Lebens. 

Walther,  Johannes:  Geologie  in  der  Heimat.     Leipzig  1918.     222  S.     16  Tf.     i   Krt. 

8".     (Quelle  &  Meyer.)     i 
Weber,  G.:  Kulturschulung.     Ein  Programm  zur  Hebung  der  Eingeborenen.    Berlin 

1919.     47  S.     8^.     (Dietrich  Reimer.) 

**  Der   Schulmeister   soll  durch    die   Ei/nuirkung  auf  die  Eingeborenen    in 

der  „Kultur schule"  diese   stetiger   in   die   europäische  Kultur  und  die  Arbeit  in 

europäischen  Betriebeti  vorbereiten,  ein  Zuktniftsplan. 
Weber,   L. :    Einführung    in   die  Wetterkunde.     (Aus  Natur  u.  Geisteswelt.)     Leipzig 

1918.     I\'.     124  S.     8°.     (B.  G.  Teubner.j 
Wedemeyer,  A. :  Gradnetze  zenitaler  Karten  großen  Maßstabes.  (S.  A. :  Ann.  d.  Hydr.i 

Berlin  1918.     31  S.     8°.     (Verf.) 
Wirtz,  Carl:    Tafeln   und  Formeln   aus  Astronomie  und  Geodäsie.     Berlin  1918.     X. 

238  S.     8^.     (E.  S.  Mittler  u.  Sohn.i 
Wolkenhauer,  Wilhelm:  Robert  von  Schlagintweit.    Darmstadt  191S.    5  S.    8°.    (Verf.i 
°  Eine  kurze  Biographie  des  berühmten  deutschen  Forschungsreisenden  nnd 

Alpenforschers.     Beigefügt  ist  ein  V'rzcichnis  seiner  Schriften. 


OQg  Verhandlungen  der  Gesellschaft. 


VERHANDLUNGEN  DER  GESELLSCHAFT. 


Fachsitzung  vom  24.  März   1919. 

Vorsitzender:    1  Icrr  K  o  h  1  s  c  h  ü  1 1  e  r. 

Vorträge:  Herr  Dr.  C  r  ;i  ti  z  :  ,,Die  Fortschritte  der  Photot^rammetrie 
im  Kriei^e";  Herr  Regierun<^sbaumeister  Ewald:  ,,Die  Photogrammetrie 
bei  den  Marine-Klieger- Abteilungen". 

Mitteilung  des  Herrn  Oberleutnant  J  a  n  c  k  e  über  „Aufnahmen  an 
der  Sinai-Front".     (Mit  Lichtbildern.) 

An  der  Aussprache  beteiligten  sich  die  Herren  Abendroth, 
Behrmann,  Cranz,  Finck,  pall,  Marquardsen,  No- 
\v  a  t  z  k  i  ,    A.  P  e  n  c  k  ,  V.    J  s  c  h  u  d  i. 


Allgemeine  Sitzung  vom  5.  April  1919. 

Vorsitzender:   Herr  P  e  n  c  k. 

Der  Vorsitzende  eröffnet  die  Sitzung  mit  der  Mitteilung,  daß  der 
Vorstand  nach  Anhörung  des  Beirats  gemäß  §  20  der  Satzungen  Herrn 
Geh.  Regierungsrat  Professor  Dr.  H  e  1 1  m  a  n  n  in  Anerkennung  seiner 
großen  Verdienste  um  die  Gesellschaft,  die  er  sich  in  mehr  als  dreißig- 
jähriger Tätigkeit  im  Vorstand  der  Gesellschaft,  insbesondere  als  lang- 
jähriger Vorsitzender  derselben,  erworben  hat,  zum  E  h  r  e  n  -  P  r  ä  s  i  - 
d  e  n  t  e  n  der  Gesellschaft  ernannt  hat. 


Der  Vorsitzende  teilt  ferner  mit,  daß  Herr  Professor  Dr.  M  e  r  z 
mit  dem  Schluß  des  Jahrgangs  1918  der  Zeitschrift  der  Gesellschaft  von 
der  Schriftleitung  derselben  zurückzutreten  gewünscht  und  im  Einverständ- 
nis mit  dem  Vorstand  Herr  Privatdozent  Dr.  W.  Behrmann  vom  Jahr- 
gang 191 9  ab  die  Schriftleitung  der  Zeitschrift  zu  übernehmen  sich  bereit 
erklärt  hat.  Nach  Worten  des  Dankes  an  Herrn  Merz  für  seine  große 
Mühewaltung  im  Interesse  der  Gesellschaft,  durch  die  er  die  Zeitschrift 
der  Gesellschaft  zur  ersten  deutschen  geographischen  Zeitschrift  ge- 
macht habe,  spricht  der  Vorsitzende  die  Hoffnung  aus,  daß  es  der 
neuen  Schriftleitung  gelingen  werde,  die  Zeitschrift  auf  ihrer  Höhe  zu 
halten. 

Nach  Ablauf  der  Wahlperiode  werden  auf  Vorschlag  des  Vor- 
standes als  Vertreter  der  Gesellschaft  im  Kuratorium  der  Ferdinand 
von  Richthof en-Stiftung  die  Herren  Geh.  Regierungsrat  Pro- 
fessor Dr.  S  t  r  u  V  e  und  Professor  Dr.  Ludwig  D  i  e  1  s  (für  die  Zeit 
von  April   1919  bis  April   1922)  gewählt. 


Verhandlungen  der  Gesellschaft.  209 

Satzungsmäßige  Mitglieder  des  Kuratoriums  sind  ferner:  der  Vor- 
sitzende der  Gesellschaft  für  Erdkunde  Herr  Geh.  Regierungsrat  Pro- 
fessor Dr.  A.  P  e  n  c  k  ,  zugleich  in  seiner  Eigenschaft  als  Vertreter  der 
physischen  Geographie  an  der  hiesigen  Universität,  Herr  Geh.  Bergrat 
Professor  Dr.  Pompeckj  als  Vertreter  der  allgemeinen  Geologie, 
Herr  Geh.  Regierungsrat  Professor  Dr.  H  e  1 1  m  a  n  n  als  Vertreter  der 
Meteorologie,  Herr  Professor  Dr.  Vogel  als  Vertreter  der  historischen 
Geographie,  sodann  der  Schatzmeister  der  Gesellschaft  Herr  Professor 
B  e  h  r  e. 


Vortrag  des  Herrn  Dr.  Lutz  (als  Gast):  ,,Über  Reisen  in  Mittel- 
amerika".    (Mit  Lichtbildern.) 

„Der  Redner,  der  vor  dem  Kriege  als  Leiter  des  Nationalmuseums  in  Panama 
im  Bereich  der  Republiken  Costarica  und  Panama  mehrere  ausgedehnte  Forschungs- 
reisen in  die  unbekannteren  Gebiete  unternommen  hatte,  erörterte  einleitend  kurz 
die  von  Deutschen  um  die  Mitte  des  vorigen  Jahrhunderts  unternommenen  Koloni- 
sationsversuche. Die  heutigen  Siedler,  im  südlichen  Mittelamerika  etwa  fünfzig  an 
der  Zahl,  im  nördlichen  mehrere  hunderte,  begannen  meist  als  junge,  unternehmungs- 
lustige Kauf  leute  ihre  Tätigkeit,  verstanden  es  aber,  die  jeweiligen  Kaffeekrisen  klug 
zu  nutzen  und  billig  Land  zu  erwerben.  So  gelangten  sie  zu  außerordentlichem 
Wohlstand.  Durch  eine  kluge  Politik  gegenüber  der  Bevölkerung  erlangten  sie  auch 
merklichen  Einfluß  auf  die  leitenden  Kreise. 

Nach  Kriegsausbruch  erhob  sich  eine  von  englischen  und  amerikanischen  Be- 
hörden geschürte  Boykottbewegung,  der  Millionenvverte  zum  Opfer  fielen.  In 
Costarica  versuchte  vor  allem  der  amerikanisch-englische  Bananen-Trust,  die  „United 
Fruit'",  unter  Anwendung  aller,  auch  der  bedenklichsten  Mittel,  die  deutschen 
Besitzungen  zu  vernichten.  Die  Vorzugstarife  auf  der  von  der  genannten  Gesellschaft 
kontrollierten  Überlandbahn  wurden  durch  Bestechung  der  einheimischen  Regierung 
aufgehoben,  die  Kaffeekurse  an  der  Neu  Yorker  Börse  so  gedrückt,  daß  eine  Ausfuhr 
der  Produkte  nicht  mehr  möglich  war.  Weitere  wirtschaftliche  Gewaltmaßnahmen 
führten,  nach  englischen  Blättermeldungen,  zu  bewaffneten  Zusammenstößen  zwischen 
der  den  deutschen  Pflanzern  ergebenen  einheimischen  Bevölkerung  und  angeblichen 
Regierungstruppen,  die  in  amerikanischem  Solde  standen.  Trgtzdem  die  deutschen 
Pflanzer  seit  4^3  Jahren  vom  Weltmarkt  abgeschnitten  waren,  haben  sie  sich  gehalten 
infolge  ihrer  Finanzkraft  und  gegenseitiger  Unterstützung.  In  Ländern  wie  Panama, 
wo  sie  auf  einer  einsamen  Insel  im  Stillen  Ozean  interniert  wurden,  sind  namhafte 
Werte  verloren  gegangen,  abgesehen  von  den  körperlichen  und  seelischen  Leiden, 
denen  sie  in  der  furchtbaren  tropischen  Haft  ausgesetzt  waren. 

Redner  schilderte  dann  den  geologischen  und  geographischen  Aufbau  jener 
Gebiete  und  führte  an  Hand  trefflicher  Lichtbilder  durch  die  atlantischen  Küsten- 
ebenen mit  ihren  echt  tropischen,  feuchten  Regenwäldern,  ihren  Bananenkulturen 
und  drang  dann  in  die  höheren  Regionen  der  an  landschaftlichen  Reizen  so  reichen 
Vulkanwelt  der  zentralen  Cordillere  ein.  Längere  Zeit  verweilte  er  in  den  deutschen, 
mustergültig  unterhaltenen  Kaffeeplantagen  der  „meceta  central'"  und  durchstreifte 
dann  noch  die  pazifischen  Gras-  und  Busch-Savannen,  unterbrochen  durch  lichte 
Parkwälder,  mit  ihrem  eigenartigen  Tierleben.  Auch  die  Ureinwohner  und  ihre 
Kultur  wurden  kurz  geschildert. 

Zum  Schlüsse  erging  sich  der  Redner  noch  über  die  Frage,  ob  jene  Gebiete  für 
die  nach  Friedensschluß  zu  erwartende  Auswanderung  in  Betracht  kämen.  Er 
warnte  nachdrücklich  vor  übereiltem  \'erlassen  des  heimatlichen  Bodens  und  setzte 
als  Bedingung  für  eine  wirksame  Betätigung  im  Auslande  die  unbedingte  Zugehörig- 
keit und  stete  Pflege  der  Beziehungen  zur  Heimat  fest.  Nur  in  diesem  Geiste  könne 
der  Deutsche  seinen  guten  Namen  im  Auslande,  wieder  erringen." 


Zeitschr.  d.  Gesellsch.  f.  Erdkunde  zu  Berlin.     1919.     Nr.  3/4.  14 


210  Verhandlungen  der  Gesellschaft. 

In  die  Gesellschaft  werden  aufgenommen: 

als  ansässige  ordentliche  Mitglieder 
Herr  Dr.  D  a  n  t  z  ,   Bergwerksdirektor, 
,,      Emil   Duve,  Rcichsbankkassierer,  Berlin, 
Paul  Heimann,   Bergassessor,  Berlin, 
Fräulein   Ursula   v.  Jocden,   Haiensee, 

,,         HedwigSchulz,  Oberlehrerin,  Berlin, 
Herr   W  e  i  d  n  e  r  ,    Generalmajor    und   Oberquartiermeister,    Chef   der 
Landesaufnahme; 

als  auswärtiges  Mitglied 
Herr   Dr.    Walter    Schmidt,    Oberlehrer    und    Dozent    für   Wirt- 
schaftsgeographie, Cüthen ; 

wieder  eingetreten 
Herr  Dr.  L.   Nuernberg,  Arzt,  Berlin. 


Schluß  der  Redaktion  am  29.  Mai  1919. 


Druck  von  E.S.Mittler  &  Sohn,  Berlin  SW  68,  Kochstr.  68— 71. 


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Das  Rheingebiet  oberhalb  Basel. 

Eine   morphogenetische   Studie. 
Von  Professor  Dr.  Gustav  Braun. 

Der  südliche  Schwarzwald  wird,  wie  die  übrigen  wieder  aufge- 
deckten Gebirgsrümpfe  Mittel-  und  Südwestdeutschlands,  von  einem 
System  von  Schichtstufen  umgürtet,  die  ihre  Stirn  dem  Rumpf  zu- 
kehren und  deren  Lehnen  sanft  nach  außen  hin  abfallen.  Beginnend 
unmittelbar  südlich  Basel  am  Rande  der  Rheintalflexur,  lassen  sie  sich 
in  schön  geschwungenem  Bogen,  den  Rhein  in  der  Gegend  von  Walds- 
hut überschreitend,  über  Donaueschingen  weithin  nach  Südwestdeutsch- 
land verfolgen,  dessen  rechtsrheinischen  Teil  sie  dann  völlig  ausfüllen. 

Aus  diesem  weiten  Kranz  sei  hier  die  Strecke  zwischen  Basel  und 
Villingen  herausgegriffen,  die  ihren  besonderen  Charakter  durch  die 
Eigentümlichkeiten  ihrer  Entwässerung  erhält;  sie  zeigt  gleichzeitig 
im  oberen  Donaugebiet  normale  sehr  altertümliche  Züge,  während  das 
Rheingebiet  gänzlich  abweichend  und  mit  der  Systematik  einer  Schicht- 
stufenlandschaft und  ihrem  Entwässerungssystem  zunächst  nicht  ver- 
einbar erscheint.  Alan  könnte  infolgedessen  versucht  sein,  den  süd- 
lichen Teil  des  Kranzes  der  Schichtstufen,  etwa  von  der  Linie  Schatt- 
hausen — Waldshut  an,  als  nicht  mehr  zu  der  oben  zusammengefaßten 
Gruppe  von  Oberflächenformen  gehörig  hinzustellen  und  hier  ein 
Zwischenland  zwischen  Schwarzwald,  der  Baar,  Randen,  Hegau,  dem 
Kettenjura  und  Mittelland  aufzustellen.  Dem  ist  aber  nicht  so:  das 
ganze  Bogenstück  bis  Basel  gehört  strukturell  zu  dem  Schichtstufen- 
system Südwestdeutschlands,  und  fremd  in  ihm  ist  nur  die  Ent- 
wässerung. 

Seinem  Aufbau  nach  besteht  das  Schichtstufenland  Südwest- 
deutschlands aus  einem  System^  harter  und  weicher  Schichten,  das  mit 
dem  Buntsandstein  (stellenweise  Rotliegenden)  beginnt  und  mit  dem 
Malm  nach  oben  hin  endigt.  Irn  ganzen  Gebiet  hart  ist  ein  Teil  des 
Muschelkalks,  ein  wenig  hart,  s"ö  daß  er  Kanten  bildet  und  darum  ein 
guter  Leithorizont  ist,  der  Lias;  im  Dogger  und  Malm  tritt  beim  Fort- 
schreiten in  ostwestlicher  Richtung  mehrfach  Pazreswechsel  ein,  so  daß 
die  gleichen  Horizonte  sich  nicht  durch  das  ganze  Gebiet  in  gleicher 
petrographischer  Ausbildung  verfolgen  lassen.  X'achstehende  Tabelle 
zeigt  die  wichtigsten  Ausbildungsformen: 

Zeitschr.  d.  Gesellsch.  f.  Erdkunde  zu  Keilin      1919.     Xr.  5,6.  15 


212 


Gustav  Braun 


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Das  Rheingebiet  oberhalb  Basel. 


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214  Gustav   Braun: 

Dieses  ganze  Schichtsystem  fällt  mit  der  geringen  Neigung  von 
einigen  Graden  vom  Schvvarzwald  fort  nach  Osten — Südosten — Süden 
ein.  Die  wichtigeren  Unregelmäßigkeiten  liegen  im  Süden.  Hier  ist 
im  XW.  Basels  im  Dinkelberg-Plateau  und  in  der  angrenzenden  Land- 
schaft nördlich  der  Wiese  ein  Teil  des  Scdimentmantels  eingebrochen 
und  eingebogen  und  dadurch  gegenüber  dem  Sclnvarzwald  in  eine 
andere  Stellung  gekommen;  in  der  Scholle  aber  blieb  trotz  mancher 
Zerrüttung  der  Bau  insofern  gewahrt,  als  man  auch  hier,  vom  Schwarz- 
wald au.sgehend  bis  zum  Kettenjura  in  immer  jüngere  Horizonte  ge- 
langt. Das  gleiche  gilt  für  den  Basler  Tafeljura:  trotz  starker  Zer- 
stückelung bleibt  dieser  Grundcharakter  des  Südwestens  gewahrt. 

Im  Aargauer  Tafeljura  tritt  eine  andere  Komplikation  ein,  zwei 
im  Sireichen  verlaufende  Störungslinien,  die  Leibstadtcr  Linie  und  die 
Mandacher  Linie,  die  augenscheinlich  mit  der  Bildung  des  Faltenjura 
in  Beziehung  stehen.  An  der  nördlichen  Leibstadter  Linie  ist  eine  Auf- 
biegung erfolgt,  an  der  südlichen  Mandacher  eine  Aufschiebung  der 
südlicher  gelegenen  Sedimenttafel. 

Schließlich  ist  dieses  ganze  Stück  der  Sedimenthülle  dadurch  be- 
sonders gekennzeichnet,  daß  ihr  südlicher  Rand  eine  Faltung,  Zu- 
sämmenschiebung  und  Aufpressung  erlitten  hat,  die  wir  heute  mit  dem 
Nkmcn  des  Kettenjura  bezeichnen.  Es  ist  das  die  Folge  der  Lage 
düeses  Stückes  der  Erdrinde  zwischen  dem  starren  Schwarzwald  und 
den  von  Süden  herandrängenden  Alpen.  Wir  vermögen  aber  auch  in 
dieser  Runzelung  des  Randes  kein  Merkmal  zu  sehen,  das  uns  bestim- 
men könnte,  die  nördlich  davon  .gelegenen  Sedimenttafcln  aus  dem 
strukturellen   Zusammenhange  mit   Schwaben   herauszunehmen. 

Weiter  nördlich  liegt  im  Bonndorfer  Graben  eine  westnordwestlich 
streichende  Störungszone  Vor,  an  der  eine  Versenkung  eines  etwa  15  km 
breiten  Streifens  stattgefunden  hat.  Der  Zusammenhang  bleibt  aber 
auch  hier  gewahrt,  vom  Schwarzwald  bis  zum  Hegau  gelangt  man  in 
immer  jüngere  Schichten,  deren  harte  Bänke  jeweils  ihre  Stirnen  dem 
Westen  zukehren. 

In  dieser  raschen  Übersicht  wurde  der  Nachweis  zu  führen  ver- 
sucht, daß  strukturell  trotz  mancher  Störung  auch  der  Basler  und 
Aargauer  Tafeljura  zum  südwestdeutschen  Gebiet  gehören.  Fremd 
in  ihm  ist  also  nur  das  Gewässersystem  des  Rheins,  und  somit  steht 
als  R  h  e  i  n  p  r  o  b  1  e  m  die  Frage  vor  uns :  Wie  kommt  der  Rhein  in 
diese  Landschaft,  die  ihrer  Struktur  entsprechend  bei  norirnaler  Ent- 
wicklung ein  ganz   anderes   Gewässe'rnetz   haben   müßte? 

Die  Fragestellung  in  dieser  Form  ist  neu ;  immerhin  liegen  schon 
Versuche  vor,  die  sieh  mit  der  Entwicklung  des  Rheins  und  seines  Tales 
beschäftigen  und  schon  manche  Klärung  in  Teilfragen  erbracht  haben. 


Das  Rheingebiet  oberhalb  IVasel.  215 

Jul.  Schill  weist  schon  1866  darauf  hin'),  daß  sich  der  Rhein 
unterhalb  W'aldshut  ursi)rünglich  in  höherem  Niveau  entwickelt  habe 
und  daß  er  dann  unter  dem  Druck  seiner  nördlichen  Zuflüsse  sich 
allmählich  nach  Süden  verschob,  wenn  er  schreibt:  „In  Gesamtheit 
weisen  alle  diese  Verhältnisse  dahin,  daß  der  Stromweg  seine  Sohle 
allmählich  vom  Südrande  des  Schwarzwaldes  g'egen  den  Schweizerjura 
hinab  vertiefte  und  verschob,  und  zwar  auf  Kosten  der  weichen  For- 
mationsglieder  der  unteren  Muschelkalkbildungen"  (S.  15)  und  ,,Ganz 
übereinstimmende  Erscheinungen,  welche  auf  das  klarste  eine  höhere 
und  mehr  der  rechten  Rheinseite  angehörende  Strömung  befürworten" 
usw.   (S.    16). 

1886  fand  Ed.  Brückner^)  drei  Schotter,  die  von  Baden  im 
•Aargau  bis  Basel  durchlaufen,  w^elches  Ergebnis  L.  du  P  a  s  q  u  i  e  r 
1891  bestätigte^).  Seine  Karte  z-eigt,  daß  schon  zur  Zeit  des  Decken- 
schotters die  heutigen  Flußrichtungen  festlagen.  Bezüglich  des  Alters 
der  Deckenschotter  weist  er  nach,  daß  sie  auf  einer  Erosionsfläche 
der  oberen  Süßwassermolasse  liegen,  also  jünger  sind,  daß  sie  ander- 
seits aber  erheblich  älter  seien  als  die  Hochterrassenschotter.  Er  stellt 
sie  in  das  Oberpliozän ;  diese  und  andere  seiner  Ansichten  haben  sich 
als  nicht  haltbar  erwiesen,  der  oben  skizzierte  Kern  aber  bleibt. 

1894  stellte  A.  G  u  t  z  w  i  1  1  e  r*)  in  der  Umgebung  von  Basel 
vier  Schotter  fest,  deren  obersten  er  als  ,,Oberelsässischen  Decken- 
schotter" bezeichnet,  der  sich  nach  dem  Doubsgebiet  hinüber  verfolgen 
läßt.  Er  ist  stark  zersetzt,  enthält  alpine  Gesteine  und  hat  keine 
Äquivalente  im  Rheintal  oberhalb  Basel. 

1903  vermochte  Ed.  Brückner'^)  die  im  bayerischen  Alpenvor- 
land gewonnene  Viergliederung  der  Schotter  auf  das  Schottergebiet  im 
Nordwesten  der  Schweiz  anzuwenden  und  konnte  zeigen,  daß  überdies 
noch  westlich  Basel  ein  höchster  Schotter  vorhanden  ist,  der  sogenannte 
Sundgauer  Schotter,  der  älter  ist  als  der  ältere  Deckenschotter,  also 
oberpliozän.  Er  erklärt:  „Die  GeröUe  des  Sundgauer  Schotters  ge- 
langten an  ihre  heutige  Stelle  zu  einer  Zeit,  als  der  Jura  ganz  ein- 
geebnet war  .  .  .",  nämlich  über  eine  Fußebene  hinweg,  die  sich  voin 

\)  Beitr.  z.  Statistik  d.  inn.  Verwaltung  d.  Großherzogtums  Baden.  23.  Jul. 
Schill:  Geol.  Beschreibung  d.  Umgebungen  von  Waldshut.     Carlsruhe  1866. 

*)  Ed.  Brückner:  Vergletscherung  d.  Salzachgebietes  usw.  Geogr.  Abh.  I. 
I.     1886. 

2)  L.  du  P  a  s  q  u  i  e  r  :  Über  die  fluvioglazialen  Ablagerungen  d.  Nordschweiz. 
Beitr.  z.  geol.  K.  d.  Schweiz.     N.  F.   i.     1891. 

*)  A.  G  u  t  z  w  i  1 1  e  r  :  Die  Diluvialbildungen  der  Umgebung  von  Basel.  Verh. 
Naturforsch.  Ges.  Basel.     X.     1894.     512. 

^)  Ed.  Brückner  in  A.  Penck-  Ed.  Brückner:  Die  Alpen  im  Eis- 
zeitalter.    II.     Leipzig  1909  (1903). 


216  Gustav  Braun: 

Alpcnfuß  über  iMittelland  und  Jura  bis  in  den  Sundgau  erstreckte. 
Ein  ,, Rhein"  hätte  damals  also  nicht  existiert. 

An  derselben  Stelle  wurde  für  den  Aaredurchbruch  die  bestechende 
Theorie  entwickelt,  daß  es  sich  um  Antezedenz  handle.  Eine  prägla- 
ziale Rumpffläche  sei  zur  Ausbildung  gekommen,  die  von  Süden  in 
den  Jura  eingriff;  von  ihr  aus  hätten  sich  die  Plüsse  epigenetisch  eingesenkt. 

1907  berührt  O.  F  r  e  y^)  mehrfach  das  iProblem  des  Rheins,  das 
an  sich  außerhalb  des  Rahmens  seiner  Arbeit  gelegen  ist.  Er  setzt  „die 
Ablenkung  der  mittelschweizerischen  Gewässer"  in  ,,die  Rinne  am 
Südrande  des  Schwarzwaldes"  in  die  Zeit  nach  Ablagerung  der  Sund- 
gauerschotter  und  vor  Ablagerung  'des  älteren  Deckenschotters.  Den 
Vorgang  denkt  er  sich  folgendermaßen  (z.  T.  vielleicht  im  Anschluß 
an  I".  M  a  c  h  a  t  s  c  h  e  k  1905)  :  „Bei  der  Aufstauung  der  Juraketten 
und  ihrer  Überschiebung  über  den  südlichen  Tafeljura  entstand  unter 
Mitwirkung  von  Verwerfungen  zwischen  den  Jurafalten  und  der 
Schwarzwaldscholle  ein  Ost — West  gerichtetes  breites  tektonisches 
Tal,  durch  das  die  Entwässerung  der  umliegenden  Gebirge  sich  vollzog. 
Am  alten  Schwarzwaldhorste  drängten  sich  die  Jurafalten  am  stärksten 
zusammen  und  wurden  demgemäß  am  höchsten  emporgehoben.  Durch 
den  Zusammenschub  aber  nahm  die  Entfernung  des  Molasselandes 
von  der  oberrheinischen  Senke  ab.  Die  Flüsse  gewannen  an  Gefälle 
und  durchsägten  den  aufsteigenden  Jura,  der  größte  in  der  Richtung 
des  heutigen  Rheintales  von  Waldshut  nach  Basel.  Seine  Quellflüsse 
entsprangen  am  Lägerngewölbe,  am  Plateaujura  und  am  Schwarzwald." 

Dem  gegenüber  strömten  die  Gewässer  des  Molasselandes  der 
Pliozänzeit  der  Donau  zu,  deren  Erosionsbasis  sehr  weit  entfernt  ist. 
Sie  konnten  daher  von  den  transjurassischen  Flüssen  angezapft  werden ; 
zuerst  verfielen  diesem  Schicksal  die  pliozäne  Aare,  dann  die  Reuß, 
die  Limmat  usw^,  schließlich  auch  die  Gebirgsstrecke  des  Rheins. 

Hier  wird  also  der  Brücknerschen  Theorie  der  Antezedenz  die 
der  Anzapfung  für  die  Entstehung  der  Juradurchbrüche  entgegen- 
gestellt, der  ganze  Vorgang  in  das  Pliozän'  verlegt. 

1912  kommt  A.  Gutz  willer  nochmals  auf  die  Schotter  der 
Umgebung  von  Basel  zurück-) ;  er  sieht  jetzt  den  ,,Oberelsässischen 
Dcckenschottcr"  ,,'als  eine  fluvioglaziale  Bildung"  aus  „frühglazialer 
oder  späti)li()zäncr  Zeit"  an,  die  ,,in  direkter  westlicher  Fortsetzung 
des  Rheintalcs  von  Waldshut  bis  Basel"  liegt,  und  lehnt  Brückners 
Hypothese  ab. 


^)  O.  F  r  e  y :  Talbildung  und  glaziale  Ablagerungen  zwischen  Emme  und  Reuß. 
N.  Denkschr.  allg.  Schweiz.  Ges.  f.  d.  ges.  Naturwiss.     41.  2.     1907.     S.  354  f- 

^)  A.  Gutzwiller:  Die  Gliederung  der  diluvialen  Schotter  in  der  Umgebung 
von  Basel.     Verh.  Naturforsch.  Ges.  Basel.     23.     191 2. 


Das  Rheingebiet  oberhalb  Basel.  217 

So  weit  die  wichtigere  Literatur  und  die  von  ihr  g-cbrachten 
Lösungen.  Es  besteht  volle  Übereinstimmung-  bezüglich  der  Alters- 
frage der  Sundgauer  Schotter :  sie  sind  oberpliozän  und  die  ältesten 
in  der  mittelrheinischen  Senke  kenntlichen  Ablagerungen  eines  Flusses 
mit  alpinem  Einzugsgebiet.  Brückner  aber  läßt  sie  von  Süden 
über  den  Jura  her  kommen  und  erklärt  die  Juradurchbrüche  als  ante- 
zedent,  G  u  t  z  w  i  1 1  e  r  läßt  sie  von  Osten  her  kommen,  und  F  r  e  y 
schließlich  erklärt  das  Rheintal  unterhalb  Waldshut  für  tektonisch 
angelegt,  die  Juradurchbrüche  durch  Anzapfung.  Irgendwelche  Beweise 
für  diese  Anschauung  außer  ihrer  logischen  Geschlossenheit  im  An- 
schluß an  bestimmte  Voraussetzungen  bringt  er  nicht  bei. 

Bei  meinen  eigenen  Studien  über  die  Umgebung  von  Basel,  die 
ich  1912  begann,  drängte  sich  mir  alsbald  die  Überzeugung  auf,  daß 
im  Rhein  t  a  1  selbst  schon  alles  Beobachtbare  ermittelt  sei,  daß  man 
den  Rahmen  weiter  fassen  müsse  und  daß  es  die  mittelrheinische  Senke 
sei,  die  als  Erosionsbasis  die  Entwicklung  der  Nachbarlandschaften 
immer  und  immer  wieder  bestimmt  hätte.  Somit  galt  meine  erste 
Studie  von  1914^)  dem  Versuch  einer  Festlegung  der  Entwicklung 
der  südlichen  mittelrheinischen  Senke,  um  hier  den  Anhaltspunkt  für 
die  Betrachtung  der  Umgebung  zu  gewinnen-).  Das  überraschende 
Resultat  war,  daß  die  im  Oligozän  tief  angelegte  Senke  alsbald  im 
Miozän  von  Schutt  völlig  aufgefüllt  wurde,  so  daß  im  Mittelmiozän 
die  Entwässerung  von  Vogesen  und  Schwarzwald  über  die  Zone  der 
Senke  hinweg  in  das  helvetische  Meer  erfolgen  konnte.  Zu  dem  heutigen 
tief  gelegenen  Landstreifen  wurde  die  Senke  erst  wieder  im  Diluvium 
durch  Ausräumung  und  Einbrüche.  Sie  war  also  im  Miozän  nicht 
die  Erosionsbasis  der  Umgebung,  wurde  dazu  erst  im  Zusammenhang 
mit  der  Jurafaltung  im  Pliozän  —  lag  damals  aber  noch  hoch,  senkte 
sich  erst  im  Diluvium  zur  heutigen  Tiefe^). 

Von  diesen  Grundsätzen  war  bei  der  Untersuchung  der  benach- 
barten Gebirge  auszugehen.  Auch  über  diese  lagen  teilweise  schon 
morphologische  Studien  vor:  Ed.  Brückner  hatte,  wie  schon  er- 
wähnt, eine  pliozäne  Einebnungsfiäche  im  Jura  vermutet ;  im  Basler 
Tafeljura     hatte     A.   B  u  x  t  o  r  f*)      festgestellt,     daß    ,,die    ursprüng- 

')  G.  B  r  a  u  n  :  Z.  Morphologie  d.  Umgpbung  von  Basel.  Verh.  Naturforsch. 
Ges.  Basel.     25.     1914.  —  Verh.  19.     D.  Geogr.  Tag  Straßburg.     1914. 

2)  G.  Braun:  Z.  d.  Landeskunde  V.  Der  Schwarzwald.  Zeitschr.  Ges.  f. 
Erdk.     Berlin  1914.     Nr.  3.     (Schlußabsatz). 

•*)  —  so  bereits  1914  und  wieder  in  „Deutschland"  1916.  Jetzt  ähnlich 
W.  Salomon  in  Sitz.  Ber.  Heidelberger  Ak.  Math,  naturwiss.  Kl.  Abt.  A.  1919.  i, 
ohne  meine  Arbeiten  zu  erwähnen. 

*)  A.  Buxtorf:  (Nicht  gedruckte)  Habilitationsvorlesung  1908.  —  Oberflächen- 
gestaltung und  geol.  Gesch.  d.  nordschweiz.  Tafeljura.  \''erh,  Schweiz.  Naturforsch. 
Ges.     93.     Vers.  Basel.     1910.     I. 


2ig  Gustav   Braun: 

liehe  Anlage  der  Tafeljurahochfläche  .  .  .  bei  der  Transgression 
des  mittelmiozänen,  helvetischen  Meeres"  cnstanden  sei;  ,, diese  alte 
miozäne  Abrasionsfläche  ist  bis  heute  da  erhalten  geblieben,  wo  sie 
in  harte  Kalke  zu  liegen  kam  (Hauptrogenstein  und  Malmkalke)". 
Neuerdings  kommt  B  u  x  t  o  r  f  auf  die  gleichen  Erklärungen  zurück 
und  nennt  nunmehr  die  „Abrasionsfläche",  auf  welcher  das  mittel- 
miozäne  Meer  transgredierte,  nach  ihrem  Alter  ,,vindobonische" 
Fläche^). 

Im  südlichen  Schwarzwald  weist  B.  Brandt")  nach  H.  P  h  i  1  i  p  p 
schotterbedeckte  ältere  Talböden  nach,  die  in  620  und  550  m  Höhe  am 
Rande  des  Gebirges  aufhören,  ohne  sich  ins  Vorland  fortzusetzen. 
Weiter  oberhalb  liegt  ein  noch  höheres  Schottervorkommen  bei  790  m. 
Diese  Nachweise  bleiben  wichtig,  auch  wenn  man  bezüglich  ihrer 
Peutung  anderer  Ansicht  ist  als  Brandt. 

Somit  kann  man  die  allgemeine  Anschauung  um  19 14  etwa  dahin 
formulieren :  im  Jura  sind  fraglos  Reste  einer  jungtertiären  Ein- 
ebnungsfläche  erhalten,  anderseits  gibt  es  in  den  Schwarzwaldtälern 
hochgelegene  Talböden. 

Der  Untersuchung  waren  nach  alledem  zwei  Wege  gewiesen : 
erstens  Untersuchung  des  Rheintales  selbst  auf  Entwicklungsstadien 
für  die  Zeit  zwischen  dem  mittleren  Miozän  und  dem  Beginn  der  Eis- 
zeit; zweitens  Untersuchung  der  rechts  und  links  an  das  Rheintal  an- 
schließenden Gebiete  auf  etwa  erkennbare  Flächen,  die  für  die  Ent- 
wicklung des  Tales  von  Bedeutung  gewesen  sein  konnten.  Für  beide 
Aufgaben  bestand  eine  äußere  Schwierigkeit  darin,  daß  die  badische 
Rheintalseite  bis  heute  recht  unvollkommen  untersucht  und  daß  sie 
überdies  infolge  des  Krieges  verschlossen  war.  Immerhin  war  sie 
mir  von  früher  durch  Exkursionen  bekannt  und  lag  das  gesamte 
Karten-  und  Literaturmaterial  in  Basel  vor,  so  daß  eine  gewisse  Sicher- 
heit sich  doch  gewinnen  ließ. 

Die  Untersuchung  des  Rheintales  selbst  blieb  ergeb- 
nislos. Es  sind  sehr  viel  Flächen  in  beiläufig  500  m  Höhe  vor- 
handen —^  aber  sie  erwiesen  sich  sämtlich  als  Landterrassen,  durch 
die  wechselnde  Härte  der  Gesteine  bedingt,  so  daß  sie  für  das  Verfolgen 
von  Erosionsphasen  nicht  brauchbar  waren.  Im  kristallinen  Schwarz- 
wald treten  in  entsprechender  Höhe  Absätze  auf,  in  denen  man  wohl 
Reste  des  pliozänen  Talbodens  vermuten  kann,  doch  ließ  sich  das  aus 
den  angedeuteten  Gründen  bis  jetzt  nicht  weiter  verfolgen. 


^)  A.  Buxtorf:  Über  Prognosen  u.  Befund  beim  Hauensteinbasistunnel  usw. 
Tätigkeitsbericht  Naturforsch.  Ges.  Baselland.  191 1/16.     Liestal  1917. 

'')  B.  Brandt:  Studium  z.  Talgeschichte  der  Großen  Wiese  im  Schwarzwald. 
Diss.  Freiburg  1914. 


Das  Rheingebiet  oberhalb  Basel. 


219 


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Abbild.  i6. 


Dagegen  führte  die  U  n  t  e  r  s  u  c  h  u  n  g  der  R  a  n  d  1  a  n  d  - 
Schäften  weiter^) :  im  T  a  f  e  1  j  u  r  a  wurde  die  Unmöglichkeit  er- 
kannt, die  Auflagerung  s  fläche  der  bis   loo  m  mächtigen  Xagel- 

1)  G.  Braun:  Z.  Morphologie  d.  Umgebung  von  Basel  II.  Verh.  Xaturforsch. 
Ges.  Basel  28.  II.  1917. 


220  Gustav   Braun: 

fluli  (Pmxtf)rfs  vindobonischc  Fläche)  mit  der  heutigen  Oberfläche  zu 
identifizieren,  die  sich  vielmehr  unter  spitzem  Winkel  schneiden.  Das 
Alter  der  Anlage  der  heutigen  Oberfläche  wurde  zu  tortonisch-sar- 
matisch,  obermiozän,  bestimmt.  Ihre  Beschaffenheit  war  die  einer 
Fastebene,  aus  der  eine  Reihe  von  Härtlingen  aufragte. 

Bei  der  Untersuchung  des  Seh  w^a  rzwaldabhanges  zeigte 
sich  bei  rund  700  m  ein  auffälliger  Wechsel  der  Formen :  unterhalb 
liegen  terrassierte,  aber  sonst  fast  gleichmäßig  zum  Rhein  hin  ge- 
böschte  Hänge,  oberhalb  weiter  Verebnungcn  mit  Böschungen  zu  den 
größeren  Tälern  hin,  die  weit  aus  dem  Innern  kommend,  südsüdöstlichc 
bis  südliche  Richtung  haben.  Diese  Verebnungen  liegen  im  kristallinen 
Grundgestein,  das  hier  und  da  noch  von  Buntsandsteinfetzen  bedeckt 
ist.  Sie  fallen  also  an  vielen  Stellen  mit  dem  permischen  Rumpf 
zusammen.  Daß  sie  etwas  anderes  sind,  beweist  eine  Stelle  oberhalb 
Waldshut,  wo  man  auf  über  3  km  Entfernung  in  750  bis  880  m  Höhe 
über  eine  Fläche  dahinwandert,  die  sämtliche  Sedimente  vom  Haupt- 
muschelkalk abwärts  abschneidet  und  dann  in  das  Grundgebirge  über- 
greift. 

Es  liegt  also  auch  hier  eine  Rumpffläche  von  fast  ebener  Be- 
schaffenheit vor,  die  sich  nach  Süden  senkt.  Es  ist  wohl  erlaubt,  sie 
mit  der  obermiozänen  Fläche  des  Tafeljura  zu  identifizieren,  da  die 
allenfalls  auch  noch  in  Frage  kommende  vindobonischc  Fläche  hier 
schon  weit  größere  Höhen  aufweist  und  eine  Fläche  vorhanden  sein 
muß,  die  den  nachvindobonischen  Aufschüttungen  entspricht.  So  ergab 
sich  die  Möglichkeit,  die  obermiozäne  Fläche  quer  über  das  Rheintal 
hinüberzus[)annen  und  damit  sie  ihren  strukturellen  Verhältnissen  nach 
zu  rekonstruieren.  Diese  Rekonstruktion  —  mag  sie  noch  so  anfechtbar 
in  Einzelheiten  sein  —  erbrachte  für  die  Anlage  des  Rheintales,  das 
ja  aus  dieser  Fläche  heraus  sich  entwickelte,  zweierlei  Hinweise.  Es 
ergab  sich,  daß  der  Rhein  in  einer  Subsequenzzone,  dem  Keuper-Lias- 
Opalinus-  Streifen,  angelegt  sei,  und  daß  zweitens  im  Bereich  des  heu- 
tigen Rheintales  ursächlich  mit  der  Jurafaltung  im  Zusammenhang 
stehende  Faltungen  und  Verbicgungen  aufgetreten  seien. 

Der  Nachweis  des  Zusammenhanges  der  Rheintalanlage  mit  der 
Jurafaltung  brachte  dann  auch  die  Erkenntnis  für  die  Anlage  des  süd- 
rheinischen Gewässernetzes  als  einer  Serie  von  Folgeflüssen,  konsequent 
vom  Kamm  der  Auffaltung  nach  Norden  und  Nordwesten  hin  ab- 
fließend. Einer  von  diesen  Folgeflüssen  zapfte  die  ältere  Entwässerungs- 
ader des  Mittellandes,  die  Ur-Aare  oder  Aare-Donau  an  einer  Stelle 
an,  wo  infolge  Fazieswechsels  der  mächtige  harte  Hauptrogenstein 
ausfällt^)  und  weiche  Schichten  ein  schnelles  Rückschreiten  der  Erosion 

*)  So  auch  A.  Buxtorf  a.  a.  O.  1917. 


Das  Rheingebiet  oberhalb  Basel.  221 

gestatteten.  Da  die  Sundg-auschotter  bereits  alpine  Geröfle  fijhren, 
ist  dieser  Vorgang  in  das  Oberpliozän  zu  setzen. 

Wir  sind  also  nun  in  der  Lage,  auf  das  oben  als  Frage  formulierte 
Problem  eine  Antwort  zu  geben :  es  liegt  auch  im  Süden  des  Schwarz- 
waldes eine  Landschaft  vor,  die  strukturell  in  den  entscheidenden  Zügen 
Südwestdeutschland  gleicht.  Sie  war  nach  einer  letzten  teilweisen 
Meeresbedeckung  im  Obermiozän  eingeebnet  und  enthielt  damals  ein 
zu  ihrer  letzten  Schrägstellung  konsequentes  Gewässernetz,  das  vom 
Schwarzwald  nach  der  Donau-Aare  führte.  Infolge  tektonischer  Be- 
wegungen entstand,  von  der  Gegend  von  Basel  aus  nach  rückwärts 
sich  in  einer  Subsequenzzone  entwickelnd,  ein  Vor-Rhein,  der  der 
Donau-Aare  die  nördlichen  Zuflüsse  entzog,  von  dem  aus  ein  südlicher 
Nebenfluß  schließlich  dem  Hauptstrom  in  die  Flanke  fiel  und  ihm  als 
Aare  sein  ganzes  alpines  Einzugsgebiet  entzog.  Die  weitere  tiefe 
Einsenkung  der  Erosionsbasis  in  der  mittelrheinischen  Senke,  die  weiten 
Subsequenzzonen,  in  denen  sich  die  Entwicklung  vollzog,  und  schließ- 
lich die  große  Wasserfülle  des  alpinen  Einzugsgebietes  bewirkten  eine 
kräftige  Ausräumung  zwischen  W'ialdshut  und  Basel,  ebenso  ein 
weiteres  Eingreifen  in  das  obere  Donausystem,  das  völlig  dem  Rhein 
anheimfallen  wird. 

Der  Rhein  ist  daher  ein  Räuber,  sein  Tal  gehört  in  die  Ent- 
wicklungsreihe Grand  Cafion  —  Elbecaiion  im  Eibsandsteingebirge. 
Die  Ebenheiten  zu  beiden  Seiten  sind  nur  in  ihren  höchstgelegenen 
Teilen  Reste  einer  regionalen  Einebnungsfläche,  jm  übrigen  Land- 
terrassen. 

Nach  diesen  Feststellungen  bietet  es  natürlich  einen  hohen  Reiz, 
diesen  Eingriff  des  Rheins  in  ein  ganz  anderes  System  von  Oberflächen- 
formen und  Flußanordnung  räumlich  zu  verfolgen  und  die  hier  im 
Rheintal  unter  günstigen  Vorbedingungen  gewonnenen  Ergebnisse  zur 
Fixierung  weiter  abgelegener  Oberflächenformen  zu  benützen.  Gehen 
wir  nach  Nordosten  gegen  das  Donaugebiet  hin,  so  dürfen  wir  er- 
warten, ältere  Zustände  zu  finden,  während  im  Mittelland  die  diluviale 
Vereisung  und  Talvertiefung  eine  starke  Verwischung  derselben  be- 
wirkt haben  werden.  Es  wird  daher  richtig  sein,  zuerst  das  obere 
D  o  n  a  u  g  e  b  i  e  t  in   den   Kreis   der  Betrachtung  zu   ziehen. 

Dort  hat  A.  P  e  n  c  k  schon  1899  die  Verhältnisse  klargelegt^) ; 
A.  G  ö  h  r  i  n  g  e  r  ^)  hat  sodann  die  Schotter  untersucht  und  nach  einer 
Gliederung  gestrebt,  die  indessen  in  ihren  Anfängen  stecken  geblieben 
ist.    A.  P  e  n  c  k  läßt  die  miozäne  Donau  auf  der  Oberfläche  des  A\^cißen 


^)  A.  Penck:  Thalgeschichte  der  obersten  Donau.     Schriften  d.  \'er.  f.  d.  Ge- 
schichte des  Bodensees  usw.     28.  1899.     117. 

2)  A.  Göhringer:  Talgeschichte  der  oberen  Donau  usw.    Diss.  Freiburg  1909. 


222  Gustav  Braun: 

Jura  entstehen,  auf  der  vindobonischen  Fläche,  wie  wir  heute  sagen, 
und  versucht  die  Ableitung  der  heutigen  Schichtstufenlandschaft  un- 
mittelbar aus  dieser  heraus.  Wir  wissen  heute,  daß  auch  schon  die 
vindobonische  Fläche  eine  Rumpffläche  war,  und  können  zeigen,  daÜ 
auch  hier  nicht  diese,  sondern  eine  obermio/.äne  Fastebene  Ausgangs- 
fläche ist. 

Dieselbe  ist  uns  ausgezeichnet  unter  den  Vulkanen  des  Hegau 
erhalten,  wo  ihr  an  Ablagerungen  Süßwasser'kalk  und  Gipse  ent- 
sprechen, die  in  enger  Verbindung  mit  den  vulkanischen  Tuffen  auf- 
treten^). Das  Alter  ergibt  sich  zu  sarmatisch  (Ühningcr  Stufe),  die 
Höhenlage  zu  etwa  550  bis  600  m,  in  der  Burghalde  bei  Thengen  zu 
750  m.  In  dieser  Höhe  aber  liegen  weiter  westlich  im  Bereich  von 
Blatt  Blumberg  der  badischen  Karte  große  Ebenheiten  über  der 
hier  100  m  mächtigen  Nagelfluh,  die  gegen  den  Westrand  der  Xagelfluh- 
vorkommnisse  auf  etwa  850  m  ansteigen.  Dort  stehen  wir  zugleich 
am  Rand  der  harten  Malmkalke,  von  wo  aus  w'ir  über  eine  weite  aber 
untiefe  Ausräumung  hinweg  jenseits  den  Schwarzwald  herübergrüßen 
sehen.  An  seinem  Abhang  linden  wir  ähnliche  Höhen  erst  wieder  in 
der  Umgebung  von  Göschweilcr,  wo  man  vom  Trigonodusdolomit  über 
Hauptmuschelkalk,  Anhydritgruppe,  unteren  Muschelkalk  auf  den 
Buntsandstein  und  langsam  weiter  ansteigend  auf  das  kristalline  Ge- 
biet kommt-).  Hier  liegen  in  900  m  verarmte  Schotter,  die  w^ohl  nichts 
anderes  als  Relikte  der  Juranagclfluh  darstellen^).'  Ich  finde  also  hier 
oben  wiederum  wie  am  Südhang  des  Schwarzwaldes  eine  noch  heute 
wohl  erhaltene  Rumpffläche  von  fast  ebener  Beschaffenheit  vor,  die 
ich  mit  der  Oberfläche  der  Juranagelfluh  weiter  östlich  identifiziere  und 
xlaher   obermiozän    (sarmatisch)    nenne. 

Wir  befinden  uns  hier  tektonisch  im  Bereich  des  sogen.  ,, Bonn- 
dorfer  Grabens",  und  A.  Göhringer  hat  versucht,  P  e  n  c  k  s  Dar- 
legungen mit  dem  Hinweis  abzutun,  er  habe  die  Tektonik  nicht 
berücksichtigt.  Das  ist  richtig,  sie  war  damals  noch  unbekannt,  aber  da 
P  e  n  c  k  mit  seinen  Überlegungen  im  Streichen  des  eingesunkenen 
Streifens  blieb,  wäre  eine  Heranziehung  der  Tektonik  für  ihn  nicht 
von  grundsätzlich  ändernder  Bedeutung  gewesen.  Auch  ich  habe 
soeben  mit  Absicht  die  Erscheinungen  im  Streichen  des  Grabens 
verfolgt.  Fragen  wir  uns  nun  aber,  auf  den  trefflichen  tatsächlichen 
Feststellungen  der  badischen  Landesgeologen  fußend,  nach  dem  Alter 
des  Grabens  und  damit  seiner  Bedeutung  für  die  hier  gegebene  Ent- 

')  F.  Schalch  in  Beitr.  z.  geol.  K.  d.  Schweiz  XIX.  2.     1S83. 
^)  F.  Spiegelhalter:  Die  Tektonik  im  obersten  Teil  des  Bonndorfer  Grabens. 
Mitt.  Großherz.  Bad.  Geol.  L.  A.  VI.  2.     1912.     Karte,:  :  25  000. 

^)  In  der  Literatur  sehr  verschieden  gedeutet,  meist  als  diluvial  angesehen. 


Das  Rheingebiet  oberhalb  Basel.  223 

Wicklung,  so  ergibt  sich  ganz  klar,  daß  die  Versenkung  prä-vindobonisch 
ist,  parallel  ging  mit  der  Bruchbildung  im  Tafeljura. 

Das  marine  Miozän  auf  Blatt  Blumberg  liegt  im  Bereich  des 
Bonndorfer  Grabens  zwischen  750  und  800  m  Höhe,  aiißerhalb  des- 
selben am  Buchberg  bei  Merishausen  in  740,  am  Randenhorn  805  m 
in  anderer  Fazies,  aber  unstreitig  gleichaltrig^).  Aus  diesen  Ziffern  und 
einem  Blick  auf  die  Karten  geht  hervor,  daß  das  vindobonische  Aleer 
hier  in  eine  Landschaft  mit  größeren  Unebenheiten  transgrediertc, 
als  sie  im  schweizerischen  Jura  vorlagen,  daß  aber  die  Transgression 
im  Grabengebiet  nicht  weiter  nach  Westen  reichte,  als  in  den  nicht 
eingesunkenen  Teilen,  und  daß  die  marinen  Uferbildungen  im  Graben 
noch  heute  ebenso  hoch  liegen    als  außerhalb. 

Dies  sind  aber  nicht  die  einzigen  Fingerzeige  darauf,  daß  die 
Einsenkung  im  großen  und  ganzen  schon  damals  vollzogen  und  wieder 
ausgeglichen  war;  ein  weiterer  Hinweis  liegt  darin,  daß  in  seinem 
Bereich  alle  Schichtgrenzen  und  Stufen  um  ein  erhebliches  Stück  (7  bis 
IG  km)  .weiter  westlich  zu  finden  sind  als  im  Süden  und  Norden  —  der 
Einbruch  erfolgte  eben  zu  einer  Zeit,  als  die  allgemeine  Rückverlegung 
der  Stufen  noch  nicht  so  weit  fortgeschritten  war  als  im   Diluvium. 

Schließlich  das  Argument,  mit  dem  Schalch  (19 16)  auf  die 
Jugendlichkeit  der  Verwerfungen  hinweist :  die  verschieden  hohe  Lage 
der  Juranagelfluh  in-  und  außerhalb  des  Grabens.  Es  geht  nicht  an, 
eine  100  m  mächtige  Geröllbildung,  bei  der  sich  die  Gleichaltrigkeit 
einzelner  Bänke  nicht  beweisen  läßt,  zu  derartigen  Überlegungen  heran- 
zuziehen. Wie  im  Tafeljura  sind  vielmehr  die  tieferen  Teile  der  Land- 
schaft von  mächtigeren  Aufschüttungen  ver'hüllt  worden  als  die 
höheren,  an  welche  die  Aufschüttung  aber  allmählich  auch  herankam. 
Den  zweiten  Satz,  daß  nirgends  die  Tertiärbildungen  ohne  Unter- 
brechung über  schon  vorhandene  ältere  Störungen  übergreifen,  kann 
man  gerne  für  das  Gebiet  von  Blatt  Wiechs  gelten  lassen,  da  nach 
dem  Bodenseegebiet  hin  ja  wohl  in  der  Tat  jüngeres  Aufleben  der 
Störungen  besteht. 

Durch  die  vorstehenden  Darlegungen,  denen  sich  mühelos  weitere 
morphologische  Deduktionen  anfügen  ließen  (ich  wünsche  aber 
auch  Geologen  zu  überzeugen,  denen  solche  Gedankengänge  fremd 
zu  sein  pflegen),  glaube  ich  den  Nachweis  erbracht  zu  haben,  daß  zum 
mindesten  der  Hauptteil  des  Bonndorfer  Grabens  in  dem  Stück  zwischen 
Jura  und  Schw^arzwald  dem  Hauptausmaß  der  Störung  nach  prä- 
vindobonisch  sei  —  womit  ich  spätere  Bewegungen  keinesfalls  ablehne. 
Die  Vorbedingungen  für  die  Rekonstruktion  der  sarmatischen  Fläche. 

^)  F,  Schalch:  Das  Tertiärgebirge  auf  dem  Reyath  Kant.  Schaffhausen. 
Mitt.  Großh.  Bad.  Geol.  L.  A.  \'II.  2.  1914.  —  Erl.  zu  Blatt  Wiechs-Schaffhausen.    1916. 


224  Gustav  Braun: 

von  der  wir  ausgingen,  sind  also  auch  hier  gegeben.  Wir  kehren 
also  zu  ihr  zurück  und  wenden  unser  Augenmerk  auf  die  weite  untiefe 
Ausräumung,  in  welche  wir  vom  Randen,  Buchberg,  Eichberg  usw. 
hinabblicken.  Sie  ist  12  bis  13  km  breit  —  erreicht  damit  die  Aus- 
maße des  erweiterten  Rheintales  zwischen  den  Resten  der  sarmatischen 
Fläche  im  Tafeljura  und  Schwarzwald  bei  Waldshut;  sie  ist  aber  etwa 
750  m  hoch,  also  nur  100  bis  150  m  gegenüber  der  sarmatischen  Fläche 
vertieft.  Diese  Ausräumung  hat  mit  den  heutigen  Tälern  nichts  zu 
tun;  sie  ist  auch  älter  als  die  diluvialen  Talungen,  die  flach  in  sie  ein- 
geschnitten sind.  Sie  ist  eine  bemerkenswert  ebene  Rumpffläche,  in 
welclier  hart  und  weich  ohne  bedeutende  Stufenbildung  nebeneinander 
vorkommen.  Ich  möchte  diese  Ausräumung  für  pliozänen  Alters  halten, 
hervorgerufen  durch  ein  Flußsystem,  das  immer  noch  in  der  Richtung 
Hegau — Bodensee  der  Aare-Donau  zuströmte,  somit  ohne  Berührung 
mit  der  heutigen  sogen,  „oberen  Donau",  über  deren  Entwicklung  die 
Ansichten  keineswegs  geklärt  sind.  Immerhin  scheint  aus  den  Unter- 
suchungen von  J.  S  c  h  a  d  ^)  hervorzugehen,  daß  die  sogen.  Dq-Schotter 
etwas  sehr  voneinander  Verschiedenes  sind,  daß  man  zwischen  Tutt- 
lingen und  Scheer'  mehrere  Zwlischenstadifen  zwischen  Obermiozän 
und  Diluvium  hat,  und  daß  während  des  Pliozän  keine  Einebnungs- 
fläche  mehr  vorlag,  sondern  Erosion  und  Ausräumung  auch  dort 
stattfand. 

Auf  Grund  dieser  Überlegungen  komme  ich  dann  auch  dazu,  den 
du-Schottern  der  badischen  Karte  auf  dem  Eichberg  in  über  900  m 
Höhe  ein  wesentlich  höheres  Alter  zuzuschreiben  und  sie  —  falls  sie 
nicht  noch  älter  sind  —  als  mittelmiozän,  als  Relikte  der  Juranagelfluh 
vom  Beginn  der  Erosionsperiode  anzusehen.  Es  ist  ganz  ausgeschlossen, 
daß  die  Täler  der  älteren  Diluvialzeit  in  dieser  Höhe  gelegen  hätten. 

Ich  fasse  das  Gesagte  zusammen :  wir  befinden  uns  im  Gebiet  einer 
Ur-Wutach,  die  als  linker,  zur  prämittelmiozänen  Aufwölbung  konse- 
quenter Nebenfluß  der  Aar'e-Donau  erscheint.  Auch  hier  erkennen 
wir  als  Ausgangsfläche  der  heutigen  Entwicklung  eine  regionale 
Einebnungsfläche,  die  etwa  zur  sarmatischen  Zeit  ausgebildet  war,  als 
sich  im  Hegau  über  ihr  Vulkane  aufbauten.  Eine  teilweise  Zerschnei- 
dung und  Ausräumung  fällt  in  das  Pliozän.  Dann  aber  erstarrt  die 
Landschaft:  der  Einbruch  des  Rheins  in  das  Aare-Donau-Systcm  unter- 
bindet die  Entwicklung  aller  Donauzuflüsse.  Neubelebung  geht  erst 
vom  Rhein  aus ;  im  Keuperstreifen  entwickelt  sich  die  heutige  \\'utach 
nach  rückwärts  und  zapft  die  Ur-Wutach  an,  im  Streifen  der  Opalinus- 
tone wird  das  breite  Tal  des  Klettgaus  ausgeräumt.  Im  Ur-\\'^utach- 
• 

^)  J.  S  c  h  a  d  :  Zur  Entstehungsgeschichte  des  oberen  Donautales  von  Tuttlingen 
bis  Scheer.     Jahresber.  u.  Mitt.  d.  Oberrhein,  geol.  Ver.  N.  F.  II.  191 2.     127. 


Das  Rheingebiet  oberhalb  Basel.  225 

i^-ebiet  aber  ist  uns  —  abgesehen  von  den  Tälern  —  pliozäne  Topographie 
erhalten,  da  im  oberen  Donaugebiet  die  diluviale  Talverliefung  noch 
kaum  eingesetzt  hat,  ganz  anders  wie  im  Rheingebiet. 

Richten  wir  unsern  Blick  zu  zweit  auf  das  AI  i  1 1  e  1  1  a  n  d.  Die 
Grundlinien  seiner  Entwicklung  hat  Ed.  B  r  ü  c  k  n  e  r  i)  dahin  fest- 
gelegt, daß  er  als  Basis  des  älteren  Deckenschotters  die  sogenannte 
„präglaziale  Fläche"  als  eine  Rumpfebene  aufwies,  die  vom  Aare- 
durchbruch  an  gegen  die  Alpen  ansteigt.  Später  gab  dann  R.  Frei 
Rekonstruktionen  dieser  Fläche-),  die  freilich  mangels  morphologischer 
Schulung  nur  als  sehr  rohe  Annäherungen  anzusehen  sind.  Noch  weiter 
zurück  in  seinen  Darlegungen  als  Brückner  ging  O.  F  r  e  y  3).  Er 
weist  auf  die  ungleichmäßige  Verbreitung  der  Molassestufen  hin,  betont 
das  Fehlen  der  oberen  Süßwassermolasse  in  weiten  Teilen  des  Alittel- 
landes,  in  denen  sie  einstmals  vorhanden  gewesen  sein  muß,  und  schildert 
demgemäß  das  Molasseland  zu  Ende  der  Miozänzeit  als  ein  Tiefland 
etwa  vom  Charakter  der  Poebene,  dessen  Oberfläche  —  mindestens  im 
Westen  des  Mittellandes  —  wesentlich  höher  gelegen  habe,  als  die 
heutige  Oberfläche  liegt.  Aus  dieser  Oberfläche  heraus  habe  sich  dann 
die  Faltung  des  Jura  vollzogen,  an  dessen  Fuß  die  Aare-Donau  durch 
die  alpine  Zuflüsse  gedrängt  wurde. 

Jüngst  hat  A.  H  e  i  m"*)  ein  Kärtchen  der  Verbreitung  der  Molasse- 
stufen gegeben,  auf  dem  man  ohne  weiteres  sieht,  daß  der  West-  und 
Nordwestrand  der  oberen  SüdAvassermolasse  ein  zerfranster  Erosions- 
rand ist,  dort  flach  und  topographisch  unmerklich,  wo  die  Molasse 
weich  ist,  dort  schärfer  markiert,  wo  sie  wie  im  Napfgebiet  aus  harter 
Nagelfluh  besteht,  immerhin  auch  dort  infolge  allgemeiner  glazialer 
Abhobelung  nicht  gerade  eine  Stufe  bildend.  Es  dürfte  danach  also 
feststehen,  daß  die  sarmatische  Oberfläche  —  wenn  sie  überhaupt  er- 
halten ist  —  nur  dort  noch  vorkommen  kann,  wo  auch  noch  die  obere 
Süßwassermolasse  erhalten  ist. 

Das  Problem  steht  nun  so:  ist  die  sogen,  „präglaziale  Landober- 
fläche", deren  Lage  und  Verlauf  sich  aus  der  Rekonstruktion  der  Auf- 
lagerungsfläche des  älteren  Deckenschotters  ergibt,  teilweise  oder  ganz 
auch  noch  die  sarmatische  Fläche? 

In  dieser  Fragestellung  liegt  zugleich  der  Hinweis  auf  diejenige 
Gegend,  in  der  man  der  Antwort  nachzugehen  hat :  das  Rheintal  ober- 

'  I  Ed.  B  r  ü  c  k  n  e  r  in  A.  P  e  n  c  k  -  Ed.  B  r  ü  c  k  n  e  r  :  Die  Alpen  im  Eiszeit- 
alter.    II.     1909. 

2)  R.  Frei:  Monographie  d.  Schweiz.  Deckenschotters.  Beitr.  z.  geol.  K.  d. 
Schweiz.     N.  F.  37.     1912. 

3)  O.  Frey:  Talbildungen  und  glaz.  Ablag,  usw.     N.  Denkschr.    41.  2.     1907. 
*j  A.  Heim:  Geologie  der  Schweiz.     (2.  Lief.  1916.)     120. 


226  Gustav   Braun: 

halb  Waldshut,  wo  die  sarmatische  Fläche  noch  erhalten  ist  und 
zugleich  Deckenschotter  vorkommen.  Vielleicht  läßt  sich  dort  auch  ein 
Anhaltspunkt  dafür  gewinnen,  wie  weit  die  i^urchtalung  zum  Rhein 
hin   in  präglazialer  Zeit  bereits  fortgeschritten  war. 

Die  Gegend  zwischen  der  Lägern  und  dem  Rhein,  wo  reichlich 
Deckenschotter  erhalten  sind,  ist  von  vornherein  auszuschließen,  da 
hier  die  Molasse  noch  stark  von  der  Jurafaltung  mit  ergriffen  ist.  So 
lenken  sich  denn  unsere  Blicke  nach  dem  Irchel,  an  dem  in  der  Tat 
die  Auflagerungsfläche  des  älteren  Deckenschotters  (680  bis  685  m  nach 
R.  Frei)  so  hoch  liegt,  daß  sie  dem  Niveau  der  Oberfläche  der  Süß- 
wassermolasse jenseits  des  Rheines  und  damit  dem  Niveau  der  sarma- 
tischen  Fläche  in  dieser  Gegend  nahe  kommt.  Weiter  östlich  käme 
der  Schiener  Berg  mit  Deckenschotter  in  680  m  Höhe,  selbst  710  m 
hoch,  und  die  Deckenschojter  bei  Bodman  670  bis  690  m,  auf  dem  Sipp- 
linger  Berg  660  bis  690  m^).  Auf  fast  50  km  Abstand  mangelt  also 
jedes  Gefäll.  Im  Thurgebiet,  südlich  vom  Bodensee,  liegt  das  mittlere 
Niveau  der  Landschaft  wiederum   in  700  m   Höhe. 

Wir  kommen  also  zu  dem  Ergebnis,  daß  hier  die  präglaziale  Fläche 
stellenweise  im  Niveau  der  sarmatischen  liegt,  vielleicht  sogar  auf 
weitere  Gebiete  hin.  Um  das  feststellen  zu  können,  sind  indessen  noch 
eingehende  Untersuchungen  im  Felde  nötig,  die  sich  auf  die  Frage 
zu  erstrecken  hätten,  ob  die  Basisfläche  der  älteren  Deckenschotter  im 
großen  und  ganzen  die  Oberfläche  der  oberen  Süßwassermolasse  ist 
oder  ob  eine  Erosionsfläche  vorliegt,  die  in  nach  Süden  zunehmendem 
Maße  aus  der  Molasse  herausgeschnitten  ist. 

Immer  abeT  erscheint  auch  hier  das  Gewässernetz  in  seiner 
Anordnung  fremd  und  eigenartig.  Im  Gewässerknoten  von  Waldshut 
ist  der  Rhein  nächst  der  angezapften  Aare  der  mächtigste  Fluß  und 
nicht  die  subsequente  Wutach  oder  die  Klettgau-Bäche,  der  Rhein, 
der  doch  den  harten  Kalkrand  des  Mittellandes  durchbricht.  Die 
Ursache  ist  die  diluviale  Vereisung,  durch  welche  erst  das  Bodensee- 
gebiet, das  Gebiet  von  Glatt,  Töß  und  Thur  an  den  Rhein  angeschlossen 
w^urden.  Diesen  Vorgang  möchte  ich  in  die  Zeit  des  älteren  Decken- 
schotters ansetzen,  der  sich  in  mächtiger  Decke  über  der  prädiluvialen 
Oberfläche  ausbreitete  und  dessen  Schuttkegelform  die  links  vom 
Rheintal  austretenden  Gewässer  nach  links  abdrängte,  so  daß  sie  durch 
Lücken  des  Kalkrandes  zum  Rhein  abströmten.  Damit  gewannen  sie 
den  Anschluß  an  dessen  sich  senkende  Erosionsbasis,  und  es  begann 
ihre  Eintiefung  in  der  Günz-Mindel-Interglazialzeit,  die  dann  allmählich 
zum  heutigen  Bild  führte.     Angesichts  des  geringen  Widerstandes  der 


*)  A.  PenckinPenck-Brückner:  Die  Alpen  im  Eiszeitalter.  IL   1909.  400. 


Das  Rheingebiet  oberiialb  Basel.  227 

Molasse  waren  damit  erhebliche  Ausräumungen  verbunden,  einerseits 
im  Inneren  des  Molasselandes  (Thurgebiet),  anderseits  infolge  d€r 
großen  ihm  entströmenden  Wassermassen  auch  außerhalb  (Klettgau- 
Rhemtal  und  Bodenseegebiet). 

Mit  der  Berührung  dieses  Problems  mögen  meine  Untersuchungen 
für  jetzt  enden,  denn  hier  tritt  ein  neuer  Faktor  bestimmend  auf-  die 
diluviale  Vereisung.  So  ist  denn  der  Bogen  geschlossen,  der  das 
Rh€ingebiet  oberhalb  Basel  und  dem  Aaretal  in  sich  schließt  und  die 
aus  der  Untersuchung  des  Tales  zwischen  Basel  und  Waldshut 
gewonnenen  Ergebnisse  sind  so  weit  verfolgt  worden,  als  es  im  Rahmen 
des  Flußgebietes  möglich  war.  Wir  sahen  die  südwestdeutsche  Stufen- 
landschaft sich  zuspitzen  gegen  Basel  hin,  wo  sie  verschwindet;  wir 
sahen,  daß  sie  hier  schon  ihr  ursprünglich  fremde  Charaktere' auf- 
weist, daß  insonderheit  die  Jurafaltung  sie  schon  beeinflußt  hat 
Weitere  Bedeutung  dürfen  die  Ergebnisse  nur  noch  für  das  Verständnis 
der  Formen  des  Schwarzwaldes  besitzen,  eines  Gebietes,  das  dem 
Baseler  im  Kriege  verschlossen  war.  So  sei  denn  aus  den  Unter- 
suchungen in  knappster  Form  dasfürdieerklärende  Erd- 
beschreibung wichtige  Resultat  wie  folgt  zusammen- 
gefaßt : 

Die  Rheintallandschaft  oberhalb  Basel    vom  Gempenplateau  bis 
über  den   Randen   hinaus   ist   eine   Schichtstufenlandschaft   mit   ab- 
normer Entwässerung.    Sie  hat  sich  kontinuierlich  aus  einer  regional 
verbreiteten    Einebnungsfläche    sarmatischen    Alters    dadurch    ent- 
wickelt, daß  ihr  linker  Flügel  von  der  Jurafaltung  ergriffen  wurde 
und  dort   ein  Fluß  entstand,  dem  es  gelang,   unter  Durchbrechung 
des   Ihm   tektonisch  gespannten  Rahmens,   sich   ein    überaus    weites 
Einzugsgebiet  anzugliedern.   Diese  Verstärkung  führte  -  unterstützt 
von  wiederholten  Senkungen  der  Erosionsbasis  _  zur  Ausräumung 
eines  weiten  tiefen  Tales  und  der  Angliederung  weiterer  Zuflüsse 
Unter  dem   Einfluß   der   diluvialen   Vereisung  erfolgte    endlich    der 
Anschluß   des   Bodenseegebietes,   des   alpinen  Rheins  und   damit  der 
Zusammenschoß  der  Rheintallandschaft  oberhalb  Basel  in  ihren  ver- 
schiedenen Abschnitten.     Das  Rheintal   selbst  ist  tektonisch-subse- 
quent;  seine  Flanken  sind  weite  Ausräumungszonen  zwischen    dem 
Hartlingsraum  des  Schwarzwaldes  und  der  Stirn  der  alpinen  Über- 
schiebungen und  Auffaltungen. 

Der  hier  behandelte  Stoff  wurde  am  i.  Juli  19 17  auf  der  Ta-uno- 
des  Verbandes  der  Schweizerischen  Geographischen  Gesellschafte^'n  in 
Zunch  vorgetragen.  Die  Karte  beruht  auf  Durcharbeitung  des  ge- 
samten mir  erreichbaren  Materials  an  Karten,  Profilen  und  Texten,  die 

Zeitschr.  d.  Gesellsch.  f.  Erdkunde  zu  Berlin,     igig.     Nr.  5  6.  -  ;^6 


228  Gustav   Braun: 

zum  Teil  oben  und  vollständig  in  meinen  beiden  Arbeiten  ,,Zur  Mor- 
phologie der  Umgebung  von  Basel"  I,  1914  und  II,  1917  zitiert  sind. 
Sie  will  nur  eine  Skizze  sein,  nur  zeigen,  wie  ich  mir  die  Dinge  denke, 
und  ist  gegen  den  Rand  hin  immer  weniger  ausgefiahrt.  Die  Ein- 
teilung auf  der  Karte  gibt  das  Xetz  der  i  :  100  oooteiligen  Karte  des 
Deutschen  Reiches  und  der  Schweiz. 

Nachschrift. 

\'orliegende  Arbeit  ist  im  Juni  1917  abgeschlossen.  Die  lange, 
sonst  unerwünschte  Verzögerung  bei  der  Drucklegung  gibt  mir  die 
erwünschte  Gelegenheit,  zu  Angrififen  Stellung  zu  nehmen,  die  sich  von 
geologischer  Seite  gegen  meine  Arbeiten  (,,Zur  Morphologie  der  Um- 
gebung von  Basel"  I,  19 14,  II,  19 17)  richten.  Diese  Angriffe  gehen  von 
W.  D  e  e  c  k  e  aus  und  stehen  in  seiner  ,, Morphologie  von  Baden", 
Berlin  1918  (vornehmlich  S.  185  und  284). 

Auf  die  vielen  Einwände  des  Buches  gegen  die  moderne 
Morphologie  im  allgemeinen,  mit  denen  hier  jemand,  der  sie 
ganz  augenscheinlich  nicht  kennt  und  in  ihren  Zielen  mißversteht, 
seinem  Herzen  Luft  macht,  auf  die  überall  durchscheinende  Abneigung 
gegen  die  Geographie  überhaupt,  gehe  ich  hier  nicht  ein.  Es  sei  auf 
diese  Tendenz  des  Buches  hier  nur  darum  hingewiesen,  weil  dieselbe 
jede  sachliche  Diskussion  mit  dem  Verfasser  als  von  vornherein  un- 
fruchtbar erscheinen  läßt.  Wenn  D  e  e  c  k  e  eine  morphologische  Karte 
einer  ihm  angeblich  genau  bekannten  Gegend  ohne  Namen  nicht  lesen 
kann,  obwohl  in  der  nächsten  Tafel  meiner  Arbeit  dieselbe  Karte  mit 
vollem  Gewässernetz  und  Isohypsen  mit  50  m  Abstand  gegeben  ist, 
dann  fehlen  eben  die  unentbehrlichen  Grundlagen,  die  beiden  Autoren 
nötig  sind,  wenn  bei  einer  Diskussion  etwas  herauskommen  soll. 

Ich  stelle  also  nur  fest,  daß  D  e  e  c  k  e  s  Einwendungen  sich  gar 
nicht  gegen  die  geographisch  wichtigen  Ergebnisse  meiner  Arbeit 
(II,  S.  335)  wenden,  sondern  daß  D  e  e  c  k  e  nur  einen  Teil  meiner  Nach- 
weise bestreitet,  indem  er  mir  die  Beweislast  dafür  zuschiebt,  daß  die 
Verwerfungen  im  Tafeljura  niemals  seit  "clem  Obermiozän  aufgelebt 
seien  und  meine  Rumpfflächenrekonstruktionen  ablehnt.  Nun,  über  die 
Verwerfungen  hat  sich  A.  Buxtorf  bereits  geäußert  —  er  rekon- 
struiert sogar  die  ältere  vindobonische  Rumpffläche  — ,  und  sodann 
habe  ich  die  verlangten  Beweise  eben  morphologisch  geführt.  Das 
versteht  Herr  D  e  e  c  k  e  eben  nicht.  Was  aber  das  Gesamtergebnis 
anbelangt,  so  sei  hier  zum  Schluß  aus  A.  Heim:  , .Geologie  der 
Schweiz",  Lief.  6,  19 18  (Manuskript  abgeschlossen  Sommer  19 16  — 
meine  Arbeit  erschien  März   1917),  folgendes  angeführt: 

S.    566:    ,, Talweg    und   \"eiwerfungen,    neue   Form    und    alter   Bau 


Das  Rheingebiet  oberhalb  Basel.  229 

nehmen  im  Tafcljura  fast  keine  Rücksicht  aufeinander.  Die  durch  die 
Dislokationen  vormiozän  vorübergehend  geschaffene  Urographie  muß 
also  wieder  vollständig  überwältigt  und  von  der  Erdoberfläche  weg- 
gewischt worden  sein,  bevor  die  Anfänge  der  jetzigen  Talbildung  ein- 
gesetzt haben.     Die  war  bereits  zur  Alittelmiozänzeit  geschehen 

Längst  ist  festgestellt,  daß  ein  sich  einschneidender  Fluß  nicht  nach 
rechts  und  links  fragt,  sondern  sich  eben  da  vertieft,  wohin   die  jetzt 

verschwundene  ursprüngliche  Festlandsfläche  ihn  gewiesen  hat 

Die  Reste  der  endmiozänen  Oberfläche  blieben  als  relativ  stabile 
Plateaufläche  zwischen  den  Talfurchen  erhalten." 

S.  568:  ,,Die  Verwitterung  .  .  .  hat  in  der  Gesamtgestalt  den 
oligözän  entstandenen  inneren  Bau  ganz  zur  Unauffälligkeit  über- 
Avältigt." 

S.  567 :  „Es  gibt  nun  allerdings  Geologen,  welche  entgegenhalten, 
man  sehe  oft  noch  jetzt  in  der  Form  sofort  die  Tektonik  (Beispiele). 
Gewiß,  solche  Fälle  sind  reichlich  anzuführen,  sobald  wir  das  feinere 
Detail  der  Formen  prüfen.  Hier  ist  aber  stets  die  Form  nicht  durch 
die  Dislokation  direkt  erzeugt  worden,  sondern  die  Verwitterung  hat 
den  Dislokationsbau  erst  später  und  heute  wieder  herauszuschälen  und 
sichtbar  zu  machen  vermocht,  da  wo  er  während  einigen  geologischen 
Zeitabschnitten  verdeckt  geblieben  war." 

Darauf  folgt  S.  570  und  Taf.  XXI  eine  Tabelle  und  eine  Zeich- 
nung, die  die  Entwicklung  des  Tafeljura  ganz  im  Sinne  meiner  Aus- 
führungen darstellt,  und  S.  571  ein  durchaus  zustimmendes  Referat 
meiner  Ergebnisse,  die  ja  in  der  Tat  nichts  anderes  sind,  als  was 
Heim  oben  ausführt.     Ich  befinde  mich   also   in  guter   Gesellschaft. 

Greifswald,  Juni  19 19. 


Glaziale  und  pseudoglaziale  Formen  im  westlichen 

Kleinasien. 

Von  Professor  A.  Philippson. 

Wenn  auch  die  glazialen  Formen  —  Kare,  übertiefte  Trogtäler, 
Moränen  —  klar  und  unzweideutig  zu  sein  scheinen,  wo  sie  sich  in  einer 
Lage  finden,  in  der  man  eiszeitliche  Vergletscherung  vermuten  kann, 
so  begegnen  dem  Beobachter  doch  zuweilen  ganz  ähnliche  Formen 
dort,  wo  eine  eiszeitliche  Vergletscherung  unwahrscheinlich  oder  un- 
möglich ist,  und  geben  dann  zu  Zweifeln  und  schwierigen  Fragen 
Veranlassung.  Ich  brauche  nur  an  die  Erörterungen  über  die  frag- 
lichen   Kare   in    tiefer   Lage   in    der  Rhön   und    an    so   manche    andere 

16* 


230  ^-   Philippson: 

zweifelhafte  Gletscherspuren  in  deutschen  Mittelgebirg-en  zu  er- 
innern. Auch  die  innere  Struktur  von  scheinbaren  Moränen,  sofern 
nicht  gekritzte  Geschiebe  darin  gefunden  werden,  gibt  'meist  kein 
sicheres  Kriterium,  um  sie  von  Bergstürzen,  Schutthalden  u.  dgl.  zu 
unterscheiden.  Das  trifft  besonders  für  solche  Fälle  zu,  wo  es  sich 
nur  um  kleine  Lokalgletscher  handeln  kann,  deren  Zuzugsgebiet  ein- 
facher geologischer  Zusammensetzung  ist,  so  daß  keine  fremden  Ge- 
steine  darin   erwartet   werden    können. 

So  haben  mir  auch  zahlreiche,  scheinbar  glaziale  Formen  im 
westlichen  Kleinasien  bei  meinen  dortigen  Reisen  manche  Stunde  des 
Zweifels  und  innerer  Unruhe  verursacht.  Ich  habe  diese  Beobach- 
tungen in  meinem  Reisewerk  („Reisen  und  Forschungen  im  west- 
lichen Kleinasien",  Petermanns  Mitteilungen,  Erg.  Hefte  167,  19 10; 
172,  191 1;  177,  1913;  180,  1914;  183,  1915,  s.  Register:  ,, Glaziale, 
pseudoglaziale  Formen";  ,, Moränen")  einzeln  beschrieben  und  er- 
örtert, möchte  sie  aber  hier  noch  einmal  zusammenfassend  darstellen, 
da  sie  in  dem  Reisewerk  zerstreut,  trotz  des  Registers,  der  Beachtung 
leicht  entgehen  und  sie  mir  doch  dieser  wert  zu  sein  scheinen. 

Die  einzigen  Formen  in  Westkleinasien,  die  ganz  unzweifelhaft 
eiszeitliche  Gletscher  beweisen,  und  zwar  kleine  Kargletscher,  ent- 
deckte ich  am  17.  Juni  1902  an  der  Nordseite  des  Hochkammes  des 
Mysischen  Olymp  (Keschisch-Dag).  Dieser  mächtige,  von 
Konstantinopel  aus  sichtbare  Berg  erhebt  sich  im  Südosten  des 
Marmarameeres,  35  km  von  der  Küste,  unmittelbar  über  der  Stadt 
Brussa  als  ein  langer,  WNW  streichender  Rücken,  der  als  Rand- 
gebirge des  inneren  Hochlandes  das  regenreiche  pontische  Klima  im 
N  von  dem  trocknen  Steppenklima  hn  S  scheidet.  Der  Flochkamm, 
bis  2550  m  hoch,  besteht  aus  metamorphischem  Kalk  und  bildet  eine 
schmale  wellige  Hochfläche ;  darunter  tritt  auf  der  Nordseite,  etwa 
200  bis  300  m  tiefer,  unter  der  steilen  Felswand  des  Kalkes  Granit 
hervor;  auch  nach  W  hin,  südlich  der  Alphütten  Kyrkbunar  (,, Vier- 
zigquellen"), 1790  m,  hört  der  Kalk  auf  und  bildet  der  Granit  die 
Fortsetzung  des  Kammes,  der  hier  nur  noch  wenig  über  2000  m  hoch 
ist.  Der  Kamm  fällt  nach  N  steil  ab  zu  einer  breiten,  aber  hügeligen 
Ter'rassenfläche  im  Granit,  die  sich  am  Kamm  entlang  von  O  nach 
W  von  1900  auf  1600  m  senkt,  aber  von  Bächen  in  nördlicher  Rich- 
tung gequert  wird.  Diese  fließen  in  flachen  sanften  Tälchen  durch 
die  t3^pische  Granitlandschaft  der  Terrasse,  welche  überall  Blockver- 
witterung und  rundhöckerartige  Formen  zeigt,  die  aber  auch  sonst 
dem  Granit  eigentümlich,  nicht  glazial  sind.  Am  Nordrande  der 
Terrasse  stürzen  dann  die  Bäche  in  steilen  Schluchten  zur  nahen 
Ebene   von    Brussa   herunter. 


Glaziale  und  pseudoglaziale  Formen  im  westlichen  Kleinasien.  231 

An  der  Nordseite  des  Hochkammes,  also  auf  der  niederschlag- 
reichen Seite,  liegt  über  jener  Terrasse  eine  Reihe  prachtvoller^ 
Kare^)  (s.  Fig.  i,  Abbild,  i) ;  ihre  Felswände  bestehen  aus  Kalk,  ihr 
Boden,    bereits    in    dem    unterlagernden    Granit,    enthält    kleine    Seen, 


W"  Westgipfel  des  Hochkammes  \^-  Kyrkbunar 

a,b=  Doppelkar  W-  Ufermoräne  des  Doppelkar-Gletscbers 

.v.V;;:-      Moränenschutt  A  *  zweifelhaftes  Kar       \''}    Karboden 

Fig.  I.     Die  Kare  am  Mysischen  Olymp. 

die  zur  Zeit  meines  Besuches  (Juni)  noch  zum  Teil  mit  mächtigem 
Schnee  bedeckt  waren.  Am  deutlichsten  ist  das  westlichste  Kar  dieser 
Reihe.     Es  ist  ein  Doppelkar  insofern,  als  ein  scharfer  Vorspfung  der 


^)  Nach  mir  besucht  von  C  v  i  j  i  6  (Beobachtungen  über  die  Eiszeit  auf  der 
Balkanhalbinsel  usw.,  Zeitschrift  für  Gletscherkunde  III.  1908/09,  daselbst  auch 
Kartenskizze ,  die  von  meinen  Aufnahmen  etwas  abweicht)  und  von  W.  P  e  n  c  k 
(Die  tektonischen  Grundzüge  Westkleinasiens,  Stuttgart  191 8,  S.  39). 


232  A.   Philippson: 

Rückwand  es  in  zwei  nebencinandcrlicgcndc  Nischen  teilt.  Davor 
liegt  ein  großer  Moränenwall,  als  Ufermoräne  der  schräg  aus  dem 
Kar  gegen  Kyrkbunar  gerichteten  Gletscherzunge,  die  außerdem 
Grund-  und  Endmoränenhaufen  zurückgelassen  hat.  Sie  endete  bei 
1900  m  ü.  AI.  Der  Boden  der  Kare  Hegt  bei  2150  bis  2250  m^)  etwa 
300  m  unter  den  höchsten  Gipfeln;  danach  muß  die  zugehörige 
Schneegrenze  bei  ungefähr  2200  m  gelegen  haben.  Die  Formen  und 
Moränen  sind  so  frisch,  daß  es  nicht  zweifelhaft  sein  kann,  daß  sie 
der  jüngsten  Eiszeit  angehören.  (Das  Nähere  s.  ,, Reisen  und 
Forschungen"   III   S.   75;  Abbildung  in  meinem   ,, Mittelmeergebiet".) 

Unmittelbar  westlich  von  dem  Doppelkar,  dort  wo  der  Kalk  auf 
dem  Kamm  aufhört  und  der  niedrigere  Granitrücken  beginnt,  greift 
eine  viel  größere,  aber  sanft-trichterförmige  Nische  in  den  Kamm  ein, 
die  sich  gegen  Kyrkbunar  öffnet.  Cvijic  hat  diese  Nische  ebenfalls 
als  Kar  beschrieben  und  abgebildet;  nach  diesem  Forscher  schließt 
sich  daran  ein  „Zungenbecken"  an,  das  bis  Kyrkbunar  hinabreicht. 
Ich  habe  diese  große  Nische  nicht  unzweifelhaft  als  Kar  ansprechen 
können,  auch  das  „Zungenbecken"  habe  ich  nicht  als  solches  erkannt; 
Nachprüfung  w'äre  erwünscht.  Da  ich  die  Höhe  von  Kyrkbunar 
durch  Siedethermometer  auf  1790  m  bestimmte,  würde  dieses 
,, Zungenbecken"  demnach  bis  etwa  1800  m  herabreichen^).  Sollten 
diese  verschwommenen  Formen  wirklich  glazial  sein,  so  dürften  sie 
der  vorletzten  Eiszeit  zuzuschreiben  sein,  deren  Schneegrenze  dann 
bei    1900   m   anzusetzen   wäre. 

Die  kleinen  eiszeitlichen  Gletscher  an  der  feuchten  Nordseite  des 
Mysischen  Olymp  stimmen  in  ihrem  Auftreten  und  ihrer  Höhenlage 
völlig  befriedigend  mit  den  Beobachtungen  in  der  Balkanhalbinsel 
überein  (vgl.  Cvijic  a.  a.  O.  S.  10  f. ;  am  Thessalischen  Olymp 
z.  ß.  fand  C.  Kare  in  2200  bis  2500  m  Höhe) ;  die  diluviale  Schnee- 
grenze lag  hier  in  der  Höhe,  die  man  erwarten  konnte.  Daher  ist 
die  Annahme  W.  P  e  n  c  k  s  einer  nachdiluvialen  Hebung  des  Olymp 
unwahrscheinlich. 

Man  müßte  daher  erwarten,  daß  die  eiszeitliche  Schneegrenze  in 
Kleinasien  vom  Mysischen  Olymp  nach  Süden  und  in  das  Innere  des 
trockenen  Hochlandes  hinein  ansteige,  und  da  in  meinem  Reisegebiet 
keine  höheren  Gipfel  als  der  Olymp  vorhanden   sind"^),  demnach  auch 


^)  Nach  Cvijic  2200  bis  2300  m.  Nach  W.  Penck  setzt  sich  die  Karreihe 
ostwärts  fort  mit  Höhen  von  2000  m. 

^)  Die  Höhenangaben  Cviji6s  weichen  erheblich  von  den  meinigen  ab,  die 
ich  aber  für  richtiger  halte,  da  C.  nichts  darüber  angibt,  wie  er  seine  Höhen  ge- 
messen hat. 

3)  Der  von  mir  nicht  besuchte  Ak-Dag  in  Lykien  (^3030  m)  bleibt  außer  Betracht. 


Glaziale  und  pseudoglaziale  Formen  im  westlichen  Kleinasien.  233 

keine  anderen  Gipfel  vergletschert  gewesen  seien.  In  der  Tat  habe 
ich  an  den  meisten  Hochgipfeln  Westkleinasiens  keine  Spur  von 
glazialen  Formen  gefunden  (Ak-Dag  bei  Gedis  2094  m;  Murad-Dag 
2330  m,  beide  im  Phrygischen  Hochlande;  Chonas-Dag  2515  m;  Buba- 
Dag  2315  m,  beide  im  S  des  Beckens  von  Hierapolis  an  der  Grenze 
Phrygiens  und  Kariens,  und  viele  unter  2000  m).  Dagegen  beobachtete 
ich  an  einigen  Gipfeln,  die  erheblich  niedriger  sind  als  der  Olymp,  und 
auch  sonst  in  auffallend  niedriger  Lage,  Formen,  die  glazialen  äußerst 
ähnlich  sehen,  ja  z.  T.  unbedenklich  als  solche  anzusprechen  wären, 
wenn  nicht  die  tiefe  Lage  Bedenken  erregte. 

An  dem  2085  m  hohen  Egrigös-Dag  (Grenze  zwischen 
Phrygien  und  Alysien)  finden  sich  auf  der  östlichen  Seite  des  Gipfels 
zwei  muldenförmige  Hochtäler  von  etwa  1900  m  Höhe,  mit  unebenem 
buckligen  Boden,  in  den  sich  kleine  Erosionsschluchten  eingeschnitten 
haben  (R.  u.  F.  HI  S.  31,  Abbild.  4).  Da  diese  scheinbar  glazialen 
Formen  im.  Granit  liegen,  ist  es  nicht  ausgeschlossen,  daß  es  sich  nur 
um  die  bekannten  Verwitterungsformen  dieses  Gesteins  handelt. 

Am  Ak-Dag  bei  Simav  (im  Waldgebirge  des  südöstlichen 
Mysien)  stürzt  der  2168  m  hohe,  aus  einer  ziemlich  breiten  Tafel  von 
Trachyt  bestehende  Gipfel  nach  Norden  zu  einem  Taltrichter  ab,  zu 
dem  mehrere  steile  Runsen  konvergieren.  Der  Boden  des  Trichters,  in 
etwia  1700  m.  ü.  M.,  ist  hügelig  und  enthält  einen  kleinen  See.  Da 
ich  den  Trichter  nur  von  oben  gesehen  habe  und  sein  Boden  dicht  be- 
waldet ist,  bleibt  auch  hier  die  Diagnose  zweifelhaft  (R.  u.  F.  III  S.  18). 

Im  südlichen  Karien,  also  weit  im  Süden,  erhebt  sich  das  Serpen- 
tingebirge Sandras-Dag  zu  ungefähr  2500  m.  An  der  Nordseite, 
unmittelbar  an  dem  Gipfel,  sah  ich,  leider  nur  von  weitem,  drei  kar- 
ähnliche Nischen.  Da  ich  sie  nicht  besucht  habe,  bleiben  auch  sie 
unsicher.  —  Wenn  diese  drei  zweifelhaften  Fälle  wirklich  glazial  sind, 
so  würde  die  Schneegrenze  an  den  beiden  nördlicheren  Bergen  bei  un- 
gefähr 1900  m,  am  südlichen  Berg,  Sandras,  bei  etwa  2300  m  gelegen 
haben.  Das  würde  verständlich  sein,  wenn  es  sich  um  die  vorletzte, 
tiefer  hinabreichende  Eiszeit  handelte,  die  am  Olymp  vielleicht  eben- 
falls bei  1900  m  liegt,  während  die  2200-m-Schneegrenze  der  frischen 
Kare  des  Olymp  der  letzten  Eiszeit  angehört. 

Am  interessantesten  ist  aber  eine  Gruppe  von  breiten,  wannen- 
förmigen   Tälern   im   mittleren    Tmolos-Gebirge^). 

Der  Tmolos  ist  ein  breiter  Wall  aus  kristallinen  Schiefern  zwischen 
den  Grabenebenen  des  Hermos  im  Norden,  des  Kayster  im  Süden. 
Seine  Oberfläche  ist  eine  stark  gewellte  Rumpffläche,  die  nach  beiden 
Gräben  hin,    besonders    nach  Süden  zur  Kayster-Ebene,    mit    steilen 

1)  R.  und  F.  II,  S.  68ff.  " 


234  ^-   Philippson: 

Flanken  abfällt.  Während  diese  Flanken  von  jungen  steilen  Tälern 
eingekerbt  sind,  wird  die,  Rumpffläche  von  mehreren  sanften  reifen 
Hochtälern  von  S  nach  N  durchzogen,  deren  breiter  Boden  von  mäch- 
tigem Schutt  und  Schottern  erfüllt  ist  und  je  eine  Talwasserscheide 
enthält.  Es  sind  Stücke  alter  Flußtäler,  deren  Oberläufe  durch  den 
jungen  Einbruch  der  Kayster-Ebene  abgeschnitten  sind,  die  also  aus 
einer  Zeit  stammen,  als  die  Rumpffläche  des  Tmolos  sich  noch  weiter 
nach  S  bis  zum  Messogis-Gebirge  ausdehnte  und  zugleich  noch  in  ge- 
ringer Meereshöhe  lag.  Diese  alten  Talstücke  sind  dann  nach  der 
Hebung  von  den  Flanken  her  durch  die  jungen  Erosionstäler  an- 
geschnitten worden.  Irgendwelche  glazialen  Formen  enthalten  sie,  mit 
Ausnahme  der  gleich  zu  erwähnenden,  nicht,  es  liegt  aber  auch  zu- 
nächst kein  Grund  vor,  ihre  Entstehung  etwa  für  postglazial  zu  halten. 
Denn  die  Höhe  der  alten  Täler  im  westlichen  Tmolos  ist  zwischen 
650  und  900  m,  die  der  Rumpfschwellen  1000  bis  1200  m,  so  daß  Ver- 
gletscherung hier  nicht  erwartet  werden  kann. 

Im  mittleren  Tmolos  dagegen  erhebt  sich,  südlich  der  alten  Lyder- 
hauptstadt  Sardes,  auf  dem  hier  etwa  1500  m  hohen  Rücken  des  Rumpf- 
gebirges, und  zwar  an  dessen  Südrand,  der  isolierte,  pyramidenförmige, 
aus  Gneis  bestehende  Gipfel  Bos-Dag  zu  2129  m  (s.  Fig.  2).  Der 
Durchmesser  seiner  Basis  auf  der  Rumpffläche  ist  nur  etwa  4  km.  Nach 
S  fällt  er  unmittelbar  zur  Tiefebene  des  Kayster  ab;  nach  O  und  W 
liegt  er  auf  der  wasserscheidenden  Linie,  während  sich  nach  N  die 
Rumpffläche  in  etwa  8  km  Breite  ausdehnt  bis  zu  dem  stark  zertalten 
Abfall  zur  Hermos-Ebene.  Der  Gipfel  selbst  ist  frei  von  glazialen 
Formen.  Dagegen  sind  zwei  vom  Bos-Dag  nach-N  durch  die  Rumpf- 
fläche ziehende  Täler^)  —  das  Tal  Tschavdal  (das  östliche)  und 
das  von  Bosdagköi  (das  westliche)  —  in  einer  Höhe  von  etwa 
iioo  m  ü.  M.  auf  eine  Länge  von  etwa  3  km  wannenartig  aus- 
geweitet, mit  breitem  ebenen  Schuttboden,  von  Wiesen  bedeckt,  in 
denen  die  Bäche  mäandrieren.  Die  Gehänge  der  Täler  steigen  ziemlich 
gleichmäßig  mit  mäßiger  vSteilheit  zu  den  benachbarten  Rücken  von 
etwa  1300  m  ü.  M.  (200  m  relativ)  an ;  es  fehlt  also  das  typische 
U-Profil.  Nach  abwärts  werden  die  Täler  durch  einen  Gebirgsriegel 
abgeschlossen,  in  dem  die  Rumpffläche  wieder  bis  etwa  1500  m  steigt. 
Dieser  Riegel  wird  von  den  Abflüssen  der  beiden  Täler  in  engen, 
"V-förmigen  jungen  Schluchten  durchbrochen,  die  sich  mit  steilem 
Gefäll  zur  Hermos-Ebene  hinabsenken.  Das  auffälligste  ist  aber,  daß 
mitten  in  dem  Rücken,  der  die  beiden  wannenartigen  Täler  vonein- 
ander trennt  und  sich  an  einen  Sporn  des  Bos-Dag  anschließt,  ein  rund- 
licher Kessel  von  über  i  km  Durchmesser  eingesenkt  ist,  ebenfalls  mit 

1)  R.  und  F.  II,  S.  70  f. 


Glaziale  und  pseudoglaziale  Formen  im  westlichen  Kleinasien.  235 

sanften  Rändern,  in  der  gleichen  Weise  nach  N  abfließend  durch  eine 
Schlucht;  der  ebene  Boden  des  Kessels,  mit  Moor  erfüllt,  liegt  etwa 
200  m  höher  als  die  beiden  Nachbartäler,  nämlich  bei  1300  m.  Er  trägt 
den    Namen    Günalan    (Abbild.  2  sowie  Abbild.   14  in  R.  u.  F.  II). 


B  =  Bos-Dag  B  h  =  Bosdagköi 

6=  Göldjük  Ga=  Günalan  Jg,  Tschavdal 

Höhenlinien  im  Abstand  von  etwa  100  m. 
Fig.  2.     Die  Täler  am  Bosdag  (im  mittleren  Tmolos). 

Der  Anblick  dieser  Talformen,  namentlich  vom  Gipfel  des  Bos- 
Dag  aus,  ist  so  charakteristisch  glazial,  daß  ich  trotz  des  Fehlens  von 
Karen,  Moränen,  Rundhöckern  nicht  daran  zweifeln  würde,  daß  sie 
durch  Gletscher,  die  vom  Bos-Dag  herabstiegen,  wannenartig  erweitert 
und  vertieft  seien,  wenn  nicht  ihre  tiefe  Lage  und  die  sonstigen  ört- 
lichen Verhältnisse  große  Bedenken  erregten.  Die  Gletscher  müßten, 
von   dem   schmalen  und   steilen   Bos-Dag  aus,   der  für  größere  Firn- 


236  ^-    Philippson: 

mulden  keinen  Raum  g-ewährt,  bis  zu  einer  Entfernung  von  5  km  vor- 
gedrungen sein.  Die  Schneegrenze  könnte  höchstens  bei  etwa  1400  m 
angenommen  werden,  was  selbst  für  die  vorletzte  Eiszeit  viel  zu  niedrig 
erscheint ;  und  wie  ein  Gletscher  gerade  auf  dem  L  ä  n  g  s  r  ü  c  k  c  n 
den  Kessel  Günalan  ausarbeiten  konnte,  ist  nicht  zu  verstehen. 

In  das  Tal  von  Bosdagköi  mündet  von  W  das  Tal  von  T  e  k  k  c  , 
das,  entsprechend  der  allgemeinen  Richtung  der  Tmolostäler,  auch  von 
S  nach  N  verläuft.  Es  nimmt  seinen  Ursprung  westlich  vom  Bos-Dag 
in  der  Linie  der  Wasserscheide  des  Gebirges,  und  zwar  mit  einer  Tal- 
wasserscheide von  1189  m  ü.  M.,  an  der  sein  Überlauf  durch  den  Steil- 
absturz zur  Kayster-Ebene  nach  S  abgeschnitten  ist.  Als  Tal  eines 
ehemals  größeren  Flusses  hat  es  geringes  Gefälle  und  einen  Talboden, 
der  sich  allmählich  zur  Wanne  von  Bosdagköi  hin  verbreitert,  aber 
ohne  ausgesprochene  Anzeichen  der  Gletscherwirkung. 

Wohl  aber  zeigt  das  nächstwestliche  Hochtal,  das  von  G  ö  1  d  - 
j  ü  k^)  (Abbild.  3),  wieder  völlige  Formengleichheit  mit  denen  von 
Tschavdal  und  Bosdagköi ;  ja  der  obere  Teil  seines  etwa  i  km  breiten 
Bodens  ist  von  einem  2  km  langen,  bis  400  m  breiten  See  ein- 
genommen, der  in  der  Mitte  etwas  verengt  ist.  Sein  Spiegel  liegt  bei 
1029  m  und  ist  von  prächtigen  Baumkulturen,  Wiesen  und  Alais- 
feldern  eingerahmt;  seine  Ufer  sind  vielfach  sumpfig;  an  der  Ostseite 
wird  er  von  zahlreichen  Quellen  gespeist.  Von  seinem,  unteren  nörd- 
lichen Ende  erstreckt  sich,  vom  Ausfluß  des  Sees  durchzogen,  ein  sanft 
nach  der  Mittellinie  geneigter  Wiesenboden  noch  3  km  weiter,  so  daß 
die  Länge  des  ganzen  Hochtales  5  km  beträgt;  dann  verengt  sich  das 
Tal  und  nimmt  steileres  Gefälle  an;  es  beginnt  das  junge  Tal  des 
Nordabhangs  des  Gebirges.  Der  See  dürfte  also  innerhalb  der  Tal- 
wanne durch  seitliche  Schwemmhalden,  die  jetzt  von  den  Wiesen  be- 
deckt sind,  aufgestaut  sein. 

Die  Rücken  zu  beiden  Seiten  des  Tales  sind  nur  200  m  höher,  er- 
reichen nur  an  einzelnen  Stellen  1300  m  ü.  M.  Mit  dem  Bos-Dag 
hat  das  Tal  gar  keine  Verbindung,  sondern  dazwischen 
schieben"  sich  zwei  Täler  und  zwei  Rücken,  letztere  von  1200  bis 
1500  m  ü.  M.,  ein.  Das  obere  Ende  des  Tales  ist  keine  Talwasser- 
scheide, sondern  wird  von  einem  niedrigen  sanften  Felsrücken  gebildet, 
dessen  Paßhöhe  nur  36  m  über  dem  See  (1065  m  ü.  M.)  liegt.  Un- 
mittelbar jenseits  beginnt  der  Steilabsturz  zur  Kayster-Ebene,  dessen 
Fuß  (150  m  ü.  M.,  also  900  m  unter  der  Paßhöhe)  nur  knapp  4  km 
entfernt  Hegt.  Es  ist  also  völlig  unerfindlich,  von  wo  der  Gletscher 
gekommen  sein  sollte,  der  dieses  Tal  wannenartig  umgestaltet  hätte! 


R.  und  F.  II,  S.  68  und  Abbild.  12.  13. 


Glaziale  und  pseudoglaziale  Formen  im  westlichen  Kleinasien.  237 

Und  doch  macht  gerade  dieses  Tal  mit  seinem  Talsee  den  Eindruck 
eines  von  einem  Gletscher  geformten  Taks. 

Wenn  man  trotzdem  die  glaziale  Entstehung  dieser  Tahveitungen 
aufrechterhalten  will  —  es  könnte  sich  dabei  nach  dem  Fehlen  frischer 
Formen  nur  um  die  vorletzte  Eiszeit  handeln  — ,  so  genügt  die  An- 
nahme einer  seitdem  vor  sich  gegangenen  Senkung  des  Tmolos- 
Gebirges  um  etwa  600  m  nicht,  denn  dabei  blieb  der  Talgletscher  von 
Göldjük,  der  jeder  höheren  Bergumrahmung  entbehrt,  unerklärt. 
Sondern  man  müßte  annehmen,  daß  noch  zur  vorletzten  Eiszeit  hier 
bedeutende  hohe  Gebirgsmassen  südlich  der  heutigen  Wasserscheide 
bestanden  hätten,  die  erst  später  von  dem  großen  Einbruch  der  Kayster- 
senke  verschlungen  sind,  daß  also  damals  der  Bos-Dag  sich  weiter 
nach  Süden  und  Südwesten  mit  größerer  Höhe,  als  sein  jetziger  Rest 
besitzt,  ausgedehnt  habe ;  der  heutige  Bos-Dag  wäre  also  nur  ein  Über- 
rest jener  abgesunkenen  Gebirgsmasse.  Diese  Annahme  ist  keines- 
wegs unmöglich ;  sie  würde  das  isolierte  Auftreten  dieses  steilen 
schmalen  Berges  erklären;  auch  ist  der  südliche  Absturz  am  Bos-Dag 
und  westlich  davon  recht  frisch  und  noch  kaum  zertalt.  Daß  der  Ein- 
bruch der  Kayster-Ebene  jünger  ist  als  das  Neogen  Westkleinasiens, 
also  mindestens  Pliozän,  wahrscheinlich  sogar  quartär,  ergibt  sich  aus 
den  alten  enthaupteten  Hochtälern  des  Tmolos  und  aus  dem  Fehlen 
des  Xeogen  in  der  Kaystersenke  sowie  aus  anderen  Gründen^). 

Sehen  wir  uns  nach  einer  anderen  Erklärungsmöglichkeit  der 
wannenartig  erweiterten  Hochtäler  im  mittleren  Tmolos  und  ihres 
geringen  Gefälles,  der  Durchsägung  ihres  nördlichen  Gebirgsriegels 
um,  so  bleibt  nur  diejenige  übrig-),  daß  sich  die  nördliche  Zone  der 
lilumpffläche  tektonisch  aufgewölbt  habe,  so  daß  die  oberen  Talstücke 
aufgestaut,  infolgedessen  durch  Seitenerosion  ihrer  Bäche  verbreitert 
wurden,  während  die  Aufwölbungszone  durch  die  Bäche  antezedent 
durchsägt  wurde.  Damit  würde  die  z.  T.  größere  Höhe  des  nördlich 
abschließenden  Gebirgsriegels  gegenüber  den  Rücken  zwischen  den 
Talwannen  übereinstimmen.  Dann  würde  auch  die  zeitliche  Beziehung 
dieser  Umformung  zur  Eiszeit   fortfallen. 

Welche  dieser  beiden  Erklärungen :  \'ergletscherung  des  Tmolos 
in  der  vorletzten  Eiszeit  mit  seitherigem  Absinken  bedeutenden  Hoch- 
gebirges unter  die  Kayster-Ebene  —  oder  tektonische  Aufstauung  der 
Hochtäler  —  den  Vorzug  verdient,  kann  erst  im  Zusammenhang  mit 
dem  folgenden,  ähnlichen  Fall  erörtert  werden. 

Im  Innern  Mysiens,  wo  der  Makestos-Fluß  sein  großes  Knie  bildet, 

1)  Vgl.  R.  und  F.  IV,  S.  52. 

*)  Die  Entstehung  durch  Auslaugung  unterirdischer  Marmormassen  (R.  und  F.  II. 
S.  71)  möchte  ich  als  zu  gekünstelt  aufgeben. 


238 


A.   Philippson: 


in  dem  er  die  westliche  mit  der  nördlichen  Richtung  vertauscht,  ist  in- 
mitten des  Gebirg-slandes  das  kleine  Einbruchsbecken  von  S  i  n  d  i  r  g  i 
eingesenkt,  dessen  Schwemmlandsbodcn  nur  250  m  ü.  M.  liegt.  Im 
W  und  S  wird  der  Einbruch  von  Gebirge  umgeben,  das  aus  neogenem 
vulkanischen  Gestein  (Andesit)  besteht  und  eine  ausgedehnte  wellige 
Hochfläche  von  700  bis  800  m  ü.  M.  trägt.  Der  Abbruch  gegen  die 
Ebene  von  Sindirgi  ist  steil  und  scharf,  nur  wenig  zertalt,  augenschein- 
lich sehr  jung.  Über  der  Hochfläche  erheben  sich  einige  wenige  kegel- 
förmige Andesitberge,  so  im   W  von  Sindirgi  der  Berg  S  c  h  a  h  a  n  - 

kaja  (1028  m,  etwa  200  m  über 
der  Hochfläche),  den  ich  bestiegen 
habe.  In  dieser  Gegend  wird  die 
Hochfläche  von  mehreren  mulden- 
förmigen Hochtälern  mit  flachen 
Böden  in  Höhen  von  650  bis  750  m 
durchzogen,  die  nach  NO  plötzlich 
und  scharf  an  dem  jungen,  400 
bis  500  m  hohen  Steilabsturz  enden, 
der  zur  Ebene  von  Sindirgi  hinab- 
führt und  über  den  die  Bäche  mit 
steilem  Gefälle  stürzen.  Wir  haben 
es  also  auch  hier,  wie  im  Tmolos, 
mit  alten  Plateautälern  reifer  For- 
men zu  tun,  die  durch  einen 
jungen  Einbruch  abgeschnitten  sind. 
Eines  dieser  Hochtäler,  K  o  d  j  a  - 
j  a  i  1  a  ^)  (s.  Fig.  3  und  Abbild.  4^ 
zeigt  nun  ein  besonderes,  ganz 
Es  beginnt  an  der  NO-Seite  des 
genannten  Gipfels  Schahankaja,  der  sehr  steil  zu  dem  300  m  tiefer 
liegenden  Talboden  abfällt.  Letzterer  zieht  sich  vom  Fuße  dieses 
steilen  Talursprungs  2  km  weit  nach  NO,  ungefähr  400  m  breit, 
gegen  abwärts  sich  etwas  verengend,  so  daß  das  Tal  last  becken- 
artig erscheint.  In  der  Mitte  liegt  der  Boden  735  m  ü.  M.  Die  Höhen 
zu  beiden  Seiten  sind  sanft,  mit  Kiefern  bewaldet;  der  Wiesenboden 
des  Tales  ist  mit  flachen  Schutthügeln  besetzt,  zwischen  denen  mehrere 
kleine  Bäche  fließen;  man  glaubt,  eine  Grundmoräne  vor  sich  zu  haben. 
Am  auffallendsten  sind  zwei  Längsdämme,  wie  Ufermoränen,  an 
den  beiden  Seiten  des  Talbodens  entlang,  von  den  Talflanken  durch  je 
einen  kleinen  Bach  getrennt.  Der  deutlichere  Damm  ist  der 
auf     der     NW-Seite;     er    ist   geradlinig,     10  m    hoch,    mit    scharfem 

1)  R.  und  F.  III,  S.  9  und  Abbild,  i. 


S'  Schahankaja 


K»  Kodja-Jaila 

Schuttwälle 


Fig.  3.     Tal  an  der  Nordseite  der 
Schahankaja  bei  Sindirgi. 


glazial     anmutendes    Gepräge. 


Glaziale  und  pseudoglaziale  Formen  im  westlichen  Kleinasien. 


239 


Kamm.  Sein  Material  ist  Sand  mit  eckigen  oder  halbgerundeten 
Blöcken  darin,  die  aus  den  ringsum  anstehenden  Gesteinen  (auch  ver- 
sintertem  Gehängeschutt)  bestehen.  Gekritzte  Geschiebe  habe  ich 
nicht  gefunden,  doch  ist  sonst  das  Material  moränenartig  wie  die 
äußere  Form  des  Walles.  Am  unteren  Ende  des  ebenen  Talbodens 
beginnt  der  Steilabfall  zur  Ebene  von  Sindirgi.  Hier  endigen  die 
Längsdämme,  aber  der  Talboden  sinkt  zunächst  mit  gleichbleibender 
Breite  hinab,  auch  hier  noch  aus  Schutt  mit  unregelmäßigen  Hügeln 
und  Löchern  gebildet.  Erst  200  m  abwärts  verengt  sich  das  Tal  auf 
einer  kurzen  Strecke,  um  sich  dann  wieder  zum  flacheren  unteren  Ab- 
fall des  Gebirgsrandes  auszuweiten. 

Als  ich  dieses  merkwürdige  Tal  vom  Gipfel  der  Schahankaja  aus 
unter  mir  sah  und  dann  beim  Abstieg  durchwanderte,  sagte  ich  mir, 
daß  eine  typischere  Geländeform,  wie  sie  der  Zunge  eines  kleinen  Ge- 
birgsgletschers  von  etwa  3  km  Länge  mit  Grund-  und  Ufermoränen 
entspricht,    kaum  gefunden    werden  kann.     Und  doch,  wie  sollte  hier 
ein  Gletscher  entstanden   sein?     Seine  Schneegrenze   müßte   bei  etwa 
900  m  ü.   M.  gelegen  haben!     Selbst  wenn  wir  nur  an  die  vorletzte 
Eiszeit  denken,    wäre  das     1000  m   zu  tief!     Die    Versenkung    eines 
höheren  Gebirges  hinter  der  Schahankaja,  wie  beim  Tmolos,  ist  hier 
ausgeschlossen,  denn  der  Einbruch  von  Sindirgi  liegt  nicht    hinter 
dem  Tal,  sondern    vor    ihm.     Ebenso  ist  eine  lokale  Einsenkung  der 
Talumgebung  um  mindestens  1000  m  seit  der  Eiszeit  unmöglich,  denn 
die  Schahankaja  müßte  dann  in  einer  tiefen  Senke  liegen;  statt  dessen 
breitet   sich   die  Hochfläche  ringsum   weithin   mit   annähernd  gleicher 
Höhe   aus.      Bliebe   nur   Senkung   der  ganzen    Hochfläche   um   diesen 
Betrag.     Dem  widerspricht  €s  aber,  daß  dann  auch  sonst  noch  mehr 
derartige  Glazialformen  vorkommen   müßten,   was  nicht  der  Fall   ist. 
Nur   zwischen   Bigaditsch   und  Sindirgi,   auf   der   Nordseite   des    Ein- 
bruchsbeckens,    beobachtete    ich    in    einer    hügeligen    Hochmulde    in 
Andesit,    Blocktuff   und    Neogenkalk   zahlreiche    kleine,    glazial     aus- 
sehende   Hügel    mit    Andesitblöcken,    aber    sie    befinden    sich  in  nur 
450  m  ü.  M.  und  lassen  sich  durch  die  beim  Andesit  häufige  Block- 
verwitterung erklären.     Der  1876  m  hohe    U  1  u  s  -  D  a  g  ,  35  km  ONO 
von  der  Schahankaja,  hat    keine    glazialen  Formen.     So  bleibt  also 
nichts  übrig,  als  die  Formen  der  Kodjajaila  für  p  s  e  u  d  o  g  1  a  z  i  a  1  , 
d.  h.  glaziale  Formen  nachäffend,  anzusehen.      Die  Ausarbeitung  des 
breiten   Talbodens   durch   Seitenerosion   des   fließenden    Wassers  \'ann 
durch  eine  leichte  Erhöhung  des  Absturzrandes  oder  durch  eine  wider- 
sinnige Schiefstellung  der  Talsohle  erklärt  werden,  die  nur  sehr  gering 
gewesen  zu  sein  braucht  und  vielleicht  mit  dem  Einbruch  der  Sindirgi''- 
Ebene  verbunden  war.     Infolge  der  Stillegung  der  Tiefenerosion  er- 


240  A.   P  h  i  1  i  p  p  s  o  n  : 

füllte  sich  der  Talbodcn  mit  mächtigem  Verwitterungsschutt  und  Ge- 
kriech von  den  Seiten  her.  Als  dann  die  Schuttzufuhr  nachließ,  ver- 
mochten die  kleinen  Bäche  des  Hochtales  die  Schuttdeckc  in  unregel- 
mäßiger Weise  wieder  fortzuräumen,  und  dabei  blieben  die  schein- 
baren Ufermoränen  übrig.  Freilich,  die  Einzelheiten  dieser  Vorgänge 
bedürfen  noch  der  näheren  Aufklärung.  Aber  da  eine  Vergletscherung 
hier  doch  völlig  ausgeschlossen  erscheint,  bleibt  nur  die  angegebene 
Erklärung  übrig.  Und  damit  ist  denn  nach  Analogie  auch  bei  den 
vorher  geschilderten  Formen  des  mittleren  Tmolos  die  Entstehung  der 
breiten  Talböden  durch  Aufwölbung  und  Schiefstellung  vorzuziehen 
gegenüber  derjenigen  durch  Vergletscherung  von  einem  versunkenen 
Gebirge  her.  Erstere  Anschauung  ist  entschieden  die  weniger  ge- 
waltsame. Denn  wenn  auch,  wie  gesagt,  gewaltige  pleistozäne  Ein- 
senkungen  die  tiefen  Becken  und  Gräben  Westkleinasiens  geschaffen 
haben,  so  ist  doch  sonst  kein  Grund  vorhanden,  sie  erst  in  das 
jüngere    Quartär  zu  versetzen. 

Außer  den  geschilderten  Talformen  gibt  es  in  den  verschiedensten 
Teilen  Westkleinasiens  noch  eine  Anzahl  scheinbarer  Kare 
und  kleiner  Seen  in  den  verschiedensten  Höhenlagen,  abgesehen  von 
den  unzweifelhaften  Karen  am  Olymp.  Glücklicherweise  lag  die  erste 
dieser  Formen,  die  ich  kennen  lernte,  so  tief,  daß  ich  dann  auch  die 
höheren  mit  kritischen  Augen  betrachtete.  Es  war  ein  kleiner  See, 
Karagöl  (,, schwarzer  See")  genannt  —  ein  Name,  den  fast  alle 
kleinen  Seen  meines  Reisegebietes  tragen  — ,  der  sich  nur  4  km 
von  der  Küste  des  Ägäischen  Meeres,  399  m  ü.  M.,  befindet,  und 
zwar  am  Westabhange  des  780  m  hohen  Kara-Dag^).  Dieses 
ist  ein  Andesitgebirge,  d^as  sich  w)estlich  von  der  Münd'ungsebene 
des  Kaikos,  durch  diese  isoliert,  an  der  Küste  erhebt.  Der  rund- 
liche See  hat  etwa  100  bis  200  m  Durchmesser  und  ist  im  XO  und  S 
von  steilen  Felsgehängen  überragt.  Sie  bestehen  aus  Andesit,  der  eine 
nach  W,  gegen  den  See  hin,  etwas  geneigte  Decke  bildet  über  Tuff, 
der  darunter  an  der  Nordseite  des  Sees  hervorkommt.  Hinter  dem 
See  zieht  sich,  etwa  130  m  höher,  eine  Art  Terrasse  hin,  die  wohl  der 
Oberfläche  der  Decke  entspricht ;  andere,  höhere  Lavadecken  bauen 
sich  dahinter  auf.  Im  Osten  des  Sees  ist  in  den  Abhang  der  unteren 
Lavadecke  eine  kleine,  halbtrichterförmige  Nische  eingebrochen,  aus 
der  ein  Bergsturz,  ein  Haufwerk  mächtiger  Blöcke,  schon  stark 
bewachsen,  zum  See  hinabgegangen  ist.  Zwischen  den  Blöcken  sickert 
Wasser  hinunter  zum  See.  Höher  hinauf  sind  noch  mehrere  Abbruchs- 
nischen  sichtbar. 


^)  R.  und  F.  I,  S.  97  und  Abbild.  14  und  15. 


Glaziale  und  pseudoglaziale  Formen  im  westlichen  Kleinasien.  241 

Während  so  auf  drei  Seiten  der  See  von  Felsabhängen  umgeben 
ist,  wird  er  im  Westen  nur  von  einem  flachen  Wall  umzogen,  der  nur 
wenige  Meter  über  den  See  aufragt.  Er  trennt  diesen  von  einem 
tiefer  eingeschnittenen  Erosionstale,  das  nach  SW  zur  nahen  Küste 
hinabzieht  und  zu  dem  der  Wall  steil  abfällt.  Der  Wall  besteht  aus 
ziemlich  lockerem  Tuffkonglomerat ;  auf  dem  Außenabfall  liegen  auch 
große  Andesitblöcke.  Flugsand,  der  aus  dem  Zerfall  des  Andesits 
entsteht,  überweht  den  Wall  und  hat  augenscheinlich  den  westlichen 
und  nördlichen  Teil  des  Sees  seicht  gemacht,  während  im  übrigen 
Teil,  am  Fuß  der  Gebirgswand,  der  Boden  unter  dem  grünen  Wasser 
unsichtbar  ist.  Einen  oberirdischen  Abfluß  hat  der  See  nicht,  da- 
gegen bricht  am  Außenabfall  des  Walles  Sickerwasser  des  Sees  in 
Quellen  hervor. 

Etwas  südlicher,  tiefer  unten,  liegen  noch  zwei  Seen,  denen  aber 
die  Felsumrahmung  fehlt,  und  die  ich  nur  von  weitem  gesehen  habe. 

Der  Karagöl  ist  kein  Kratersee  oder  Maar.  Denn  in  ganz  West- 
kleinasien gibt  es,  außer  der  Katakekaumene  in  Lydien,  keine  Spur 
von  quartärem  Vulkanismus,  sondern  die  Laven  und  Tuft'e  sind  jung- 
tertiären Alters,  und  so  auch  im  Karadag;  die  ursprünglichen  äußeren 
Formen  der  Vulkane  sind  längst  durch  Erosion  entfernt.  Der  Karadag 
ist  eine  stark  abgetragene  Vulkanruine.  Auch  findet  sich  um  den  See 
nichts  von  lockeren  Auswürflingen.  Tuff  und  Tuffkonglomerat, 
welche  den  See  abdämmen,  gehören  der  Tuffschicht  an,  die  unter 
dem  Andesit  lagert,  daher  als  Produkt  des  Maares  nicht  in  Betracht 
kommt. 

Dagegen  macht  der  See,  am  Boden  einer  halbkreisförmigen  Fels- 
nische, den  Eindruck  eines  Kares.  Aber  ein  Gletscher  ist  völlig 
ausgeschlossen  in  dieser  Höhe  von  400  m.  Eine  postglaziale  Senkung 
um  etwa  1800  m,  die  nur  den  Karadag  betroft'en  hätte;  ist,  selbst 
wenn  man  solche  gewaltigen  Bewegungen  so  jungen  Alters  annehmen 
will,  unmög^lich;  dem  steht  schon  die  geringe  Tiefe  des  benachbarten 
Meeres  entgegen.  Eine  allgemeine  Senkung  der  ganzen  Landschaft 
ringsum  von  solchem  Betrage  kommt  auch  nicht  in  Betracht.  Dem 
widerspricht  der  Charakter  der  Zertalung  sowie  das  Fehlen  aller 
anderen  glazial  aussehenden  Erscheinungen  im  weitesten  Umkreise, 
außer  einer  etwas  moränenartigen  Ablagerung  im  Geikli-Dag 
bei  Pergamon  in  700  m  ü.  M.,  die  jedenfalls  eine  Verwitterungs- 
bildung ist^).  Also  ist  das  scheinbare  Kar  des  Karagöl  nicht  gla- 
zialen Ursprungs. 

Ein  ähnlicher   kleiner   See,   auch   Karagöl   genannt,   befindet   sich 


1)  R.  und  F.  I,  S.  94. 


242  A.   Philippson: 

am  Nordabhang  des  Jamanlar-Dag,  speziell  des  i loo  m  hohen 
Lebleb-Dag,  17  km  NO  von  Smyrna,  in  einer  Meereshöhe  von  816  m^). 
Er  ist  rings  von  Andesitkuppcn  und  Kiefernwäldern  umgeben.  Die 
rundliche,  von  einem  Schilfkranz  umwachsene  Wasserfläche  ist  von 
W  nach  O  etwas  länger  gestreckt  und  hat  in  dieser  Richtung 
etwa  150  m  Länge.  Im  W  wird  der  See  durch  einen  Kegel  von 
Andesitschutt  abgesperrt;  die  nördliche  niedrige  Umwallung  ist  eben- 
falls Schutt,  teilweise  auch  lockerer  Sand,  der  die  Ablagerung  eines 
älteren  Sees  zu  sein  scheint.  Talwärts,  nach  NW,  fällt  dann 
der  Boden  gleich  in  einer  steilen  Talstufe  ab ;  dort  tritt  alsbald  unter 
dem  Andesit  Tuff  auf,  während  westlich  des  Sees  bröckliger  Ton- 
schiefer unter  dem  Andesit  erscheint.  Rückschreitende  Erosion  hat 
von  der  Talstufe  aus  den  See  angezapft;  vielleicht  ist  der  Abfluß 
auch  künstlich.  Reste  einer  Sperrmauer  zeigen,  daß  man  den  See 
anzuspannen  versucht  hat.  Die  Schuttmasse  um  den  See  bildet  un- 
regelmäßige Hügel,  zwischen  denen  noch  einige  verlandete  kleine 
Seebecken  liegen.  Das  Ganze  gleicht  täuschend  einer  Moränenland- 
schaft. Doch  hindert  auch  hier  die  niedrige  Lage  und  die  Vereinze- 
lung des   Vorkommnisses   die   Annahme  einer   Vergletscherung. 

Im  Innern  des  Waldgebirges  Mysiens  liegt  an  dem  Talhang  des 
zwischen  dem  Ulus-Dag  (1876  m)  und  Alatscham-Dag  (1601  m)  tief 
eingeschnittenen  Kille-Su,  3  km  östlich  des  Dörfchens  Göseren, 
ein  kleiner  See,  ebenfalls  Karagöl  genannt,  auf  einer  schmalen  Ter- 
rasse etwa  100  m  über  dem  Fluß  (Meereshöhe  etwa  1000  m).  Er  ist 
talwärts  durch  einen  niedrigen  Wall  abgeschlossen.  Er  scheint  in 
kristallinen  Schiefern  unterhalb  einer  Andesitdecke  zu  liegen.  Leider 
bin  ich  nicht  an  ihn  herangekommen^). 

Mit  einem  großen  Sprung  begeben  wir  uns  weit  nach  O,  in 
die  entlegenen  Waldgebirge  des  Ahar-Dag  (1980  m)  und  K  a  r  - 
schak-Dag  (1848  m),  40  km  WSW  der  Stadt  Afiun-Karahissar. 
Der  Karschak-Dag  ist  eine  rundliche  Kuppe  aus  Andesit,  die  sich 
nur  wenig  über  eine  Hochfläche  desselben  Gesteins  erhebt.  Nach 
N  fällt  er  steil  zu  dem  500  m  tieferen,  engen  Tal  von  Eldisan 
ab.  An  dem  Abhang  tritt  unter  dem  Andesit  Sandstein  und  Kon- 
glomerat des  Neogens  hervor.  An  der  Grenze  des  Neogens  und  des 
auflagernden  Andesits  befindet  sich  eine  prachtvoll  frische  Felsnische, 
die  durchaus  einem  typischen  Kar  gleicht,  in  1685  m  ü.  M.,  also 
160  m  unter  dem  Gipfel,  nach  N  gewendet^).  Die  bogenförmige 
Hinterwand  der  Nische  ist  sehr  steil  und  besteht  aus  Andesit,  der  in 


1)  R.  und  F.  II,  S.  19  und  Abbild.  7. 

2)  R.  und  F.  III,  S.  13. 

3)  R.  und  F.  IV,  S.  75  f. 


Glaziale  und  pseudoglaziale  Formen  im  westlichen  Kleinasien.  943 

grobe  Pfeiler  und  Kugeln  abgesondert  ist.  Der  Boden  der  Xische 
ist  mit  eckigem  Andesitschutt  bedeckt  und  wird  durch  einen  ni^rigcn- 
Schuttwall  desselben  Materials  gegen  den  steilen  Abhang  ab- 
geschlossen, der,  ganz  im  Xeogen,  zu  dem  etwa  300  m  tieferen  Tale 
hinabführt. 

In  dem  Tal  von  E  1  d  i  s  a  n  ,  etwas  talabwärts  von  dfcm  ge- 
schilderten Kar,  zeigen  sich  beim  Eldisan-Tschiflik  auf  einer  Terrasse 
(in  etwa  1400  m  ü.  M.)  moränenartige  Schuttmassen,  Blockwälle 
und  Vertiefungen,  die  ich  in  den  ,, Reisen  und  Forschungen"  IV.. 
.S.  75  beschrieben  habe,  auch  wieder  aus  Andesitschutt  über  dem 
lockeren  Neogen. 

In  dem  nächsten  Paralleltal  fand  ich  an  der  südöstlichen  Tal- 
flanke in  1480  m.  ü.  M.,  etw^a  150  m  über  dem  Tal,  auf  einer  Terrasse 
inmitten  dichten  Kiefernwaldes  einen  kleinen  sumpfigen  See,  wieder 
Karagöl  genannt;  der  ganze  Abhang  besteht  aus  w^eichem  flysch- 
ähnlichen  Sandstein  und  Konglomerat  des  Neogens.  Mitten  im'  See 
stehen  aufrecht  im  Wasser  einige  abgestorbene  Baumstumpf e^),  ein 
unbestreitbares  Zeugnis  dafür,  daß  der  See  erst  vor  kurzem 
entstanden  ist,  und  zwar  durch  Sackung  und  Rut- 
sch u  n  g  des  A\'  e  i  c  h  e  n  Gesteins  an  dem  ziemlich 
steilen  Abhang. 

Nordwestlich  von  dem  Jetzterwähnten  Tal,  7  km  NW  vom  Kar- 
schak,  erhebt  sich  der  Ahar-Dag  als  eine  breite,  sanft  gewölbte 
Kuppel  aus  demselben  flyschartigen  Sandstein  und  Konglomerat  des 
Neogens,  etwa  1600  bis  1700  m  ü.  M.,  überragt  von  einigen  Kuppen 
und  Rücken  von  Andesit,  die  teils  als  Schlote  das  Neogen  durch- 
setzen, teils  als  Reste  von  Lavadecken  über  demselben  lagern.  Der 
höchste  dieser  Gipfel  hat,  wie  schon  angegeben,  1980  m.  An  diesem 
erscheint  an  der  Westseite  eine  karähnliche  Nische,  wiederum  an 
der  Grenze  der  harten  Lava  gegen  das  unterlagernde  weiche  Neogen. 
An  einer  niedrigen  Kuppe,  die  nur  aus  Neogen  besteht,  östlich  des 
höchsten  Gipfels,  öffnet  sich  an  der  Südseite  eine  Nische;  an  einer 
Andesitkuppe  westlich  des  höchsten  Gipfels  eine  andere  an  der  Nord- 
seite, aber  schon  ganz  im  unterliegenden  Neogen.  Die  Meereshöhe 
dieser  drei  „Kare"  des  Ahar-Dag  ist  auch  annähernd  1700  m,  wie  am 
Karschak. 

Beachtenswert  ist  es,  daß  sich  im  Ahar-Dag  von  den  Andesit- 
kuppen  aus  Blockströme  von  Andesitblöcken,  dünnen  Lavaströ- 
men gleichend,  über  den  Neogen-Sandstein  hinabziehen,  hier  und  da 
auch  solche  Blockstreifen  auf  dem  Sandstein  erscheinen  ohne  Zusam- 

')  R.  und  F.  V,  Abbild.  14. 

Zeitschr.  d.  Gesellsch.  f.  Erdkunde  zu  Berlin.     1919.    Nr.  5/6.  jy 


244  *'^-   P  11  i  1  i  P  P  s  o  n  : 

iiienhang-  mit  den  Andesitku|)i)cn.  Die  Blöcke  haben  sich  über  die  nur 
wenig'  geneigte  Oberfläche  des  Sandsteins  hinabbewegt  und  liegen  in 
dem  diese  Oberfläche  reichlich  bedeckenden  \'erwitterungssand. 
Stellenweise  sieht  man  auch  hier  wieder  wirre  Schutthügcl  mit  Pfuhlen 
und    kleinen    Seen,   wie    Moräncnlandschaft. 

So  haben  war  im  Karschak  und  Ahar-Dag  doch  eine  ziemlich 
ausgedehnte  Gruppe  von  Formen,  die  man  für  glaziale  Kare  und 
Moränen  halten  könnte,  meist  in  einer  Höhe  von  rund  1700  m.  Xach 
der  Frische  der  Formen  könnte  es  sich  nur  um  die  letzte  Eiszeit 
handeln.  Bei  der  Lage  weit  im  Innern  des  Landes  müßte  man  eine 
Schneegrenze  voraussetzen  von  bedeutend  größerer  Höhe  als  am 
Olymp  (2200  m),  so  daß  die  Kare  und  Blockströme  hier  mjndestens 
500  m  zu  tief  liegen !  Immerhin,  wenn  uns  nicht  die  beiden  Karagöl 
in  der  Nähe  der  Westküste  in  nur  400  und  800  m  ü.  M.  warnen 
würden,  so  möchte  man  die  glaziale  Entstehung  der  Kare  und  mo- 
ränenartigen Schuttmassen  am  Ahar-  und  Karschak-Dag  nicht  ganz 
von  der  Hand  weisen  und  lieber  nach  irgendeiner  Erklärung  für 
die  abnorm  tiefe  Lage  der  Schneegrenze  suchen.  Aber  nicht  nur  die 
genannten  tief  gelegenen  Kare  und  Seen  im  Kara-Dag,  Jamanlar-Dag, 
bei  Göseren,  sondern  auch  im  Ahar-Gebiete  selbst  die  tiefer  gelegenen 
,, Moränen"   von    Eldisan   und   das   Seelein   Karagöl    sprechen   dagegen. 

Für  die  Erklärung  aller  dieser .  Erscheinungen  ist  die  Tatsache 
von  der  größten  Bedeutung,  daß  sie  alle  zwar  in  den  verschiedensten 
Höhen,  aber  alle  unter  den  gleichen  geologischen  Bedin- 
gungen liegen,  nämlich  in  w'eichen,  leicht  rutschenden  Gesteinen, 
die  meisten  an  der  Grenze  derselben  gegen  eine  überlagernde  Decke 
von  harter,  zerklüfteter  und  infolgedessen  wasserdurchlässiger  An- 
desitlava.  Die  w'eichen  oder  bröckligen  Gesteine  sind:  Tuffe,  neogene 
Sandsteine  und  Konglomerate  oder  Schiefer.  Dazu  kommt  der  deut- 
liche Hinweis,  welchen  der  kleine  Karagöl  zwischen  Karschak  und 
Ahar  gibt:  hier  ist  als  bildende  Ursache  des  Sees  Rutsch  ung 
u  n-d  Sackung  in  den  w^  eichen  Gesteinen  unbestreitbar. 
Diese  Ursache  müssen  wir  auch  für  die  Bildung  der 
anderen  Seen,  ,,  K  a  r  e  "  ,  und  unregelmäßigen  m  o  - 
ränen  artigen  Schutthaufen  und  Schutt  wälle  in 
Anspruch  n  e  h  m  e  n.  Das  wird  w^eiter  bekräftigt  dadurch,  daß 
alle  diese  Formen  oberhalb  steiler  Abhänge  auftreten,  die  zu  tieferen 
Tälern  hinabführen,  also  unter  Umständen,  die  Rutschungen  und 
Ausweichen  des  weichen  und  vielfach  von  oben  her  von  Wasser 
durchtränkten  Materials  begünstigen.  Nur  die  Blockströme  des  Ahar- 
Dag  machen  hierin  eine  Ausnahme,  die  auch  auf  weicher,  aber  wenig 
geneigter    Unterlage    liegen.      Sie     sind    als     echte     Steinströme    auf- 


Glaziale  und  pscudoglaziale  Formen  im  westlichen  Kleinasien.  245 

zufassen,  als  Erscheinungen  des  Gekriechs,  bei  denen  subnivales 
Klima  der  Eiszeit,  mitg-ewirkt  haben  mag,  was  vielleicht  auch  bei 
den  „Karen"  des  Ahar  und  Karschak  als  Beihilfe  mit  in  Betracht 
kommt.  Die  Entstehung  derjenigen  Nischen  und  Seelein,  die  nur  in 
weichem  Gestein  liegen,  durch  Ausweichen  und  Sackung  ist  leicht 
verständlich.  Etwas  schwieriger  ist  das  Verständnis,  wo  der  Nischen- 
boden an  der  Grenze  der  überlagernden  harten  Lava  liegt,  die  Wände 
des  ,,Kars"  aus  dieser  bestehen.  Im  wesentlichen  kann  man  sich 
deren  Entstehung  so  vorstellen :  an  einem  ziemlich  steilen  Abhang 
lagert  klüftige  harte  Lava  über  weichem  Gestein;  das  Kluftwasser 
der  Lava  befeuchtet  die  Unterlage,  letztere  weicht  lokal  nach  dem 
Abhang  hin  aus,  die  Lava  zerspaltet  sich  infolgedessen  in  Blöcke,  die 
den  Abhang  hinabrollen  oder  als  Bergsturz  abfahren,  so  daß  eine 
Nische  entsteht.  An  deren  Boden  häufen  sich  die  Blöcke  der  Lava 
an,  und  bei  weiterem  Sacken  des  Nischenbodens  bildet  sich  ein  Schutt- 
wall vor  demselben  (Karschak).  In  anderen  Fällen,  wo  die  Sackung 
langsamer  vor  sich  geht,  haben  die  Wände  der  Nische  Zeit,  sich 
durch  \'erwitterung  mehr  abzuflachen,  vmd  die  Blöcke  zerfallen  in 
kleineren  Schutt  und  Sand,  der  allmählich  abwärts  kriecht  und  den 
langsam  rutschenden  und  sackenden  Nischenboden  mit  unregel- 
mäßigen moränenartigen  Schutthaufen  bedeckt  (Karagöl  im  Jamanlar). 
Auch  muß  man  annehmen,  daß  in  manchen  Fällen  der  Nischenboden 
zunächst  nach  außen  geneigt  ist,  so  daß  der  Schutt  darüber  hinweg 
weiter  abwärts  kriecht  oder  stürzt,  und  erst,  wenn  so  der  Nischen- 
boden schuttfrei  geworden,  ist  noch  einmal  der  Nischenboden  in  Form 
eines  Beckens  eingesackt.  So  erklärt  sich  der  Fall  des  Karagöl  im 
Kara-Dag,  wo  der  Boden  der  Nische  und  der  Wall  ohne  Block- 
bedeckung aus  dem  weichen  Gestein  der  Unterlage  bestehen  und  erst 
jenseits  am  tieferen  Abhänge  Andesitblöcke  liegen,  die  also  über  die 
Stelle  des  jetzigen  Sees  hinweggewandert  sind.  Das  wäre  unmöglich, 
wenn  das  Seebecken  schon  bestand.  Gerade  über  diesen  Karagöl  beob- 
achtet man  noch  kleinere,  neuere,  trichterförmige  Abbruche,  die  noch 
in  dem  ersten  Stadium  dieser  Entwicklung  begriffen  sind  und  noch 
keine  Beckenform  haben. 

\"ielleicht  wirken  bei  der  beckenförmigen  Einsenkung  des 
Nischenbodens  Sickerwasser  mit,  die  in  dem  weichen  Gestein  eine 
unterirdische  mechanische  Erosion  ausüben  und  so  ein  Einsinken  der 
Oberfläche  zur  Folge  haben. 

Ist  die  überlagernde  Lavadecke  nur  dünn,  so  kommt  es  bei  Rut- 
schungen und  Sackungen  der  LTnterlage  nicht  *zur  Ausbildung  einer 
Nische,  sondern  nur  zu  Gekriech,  zu  Steinströmen,  unregelmäßigen 
Schutthaufen  und  Einsenkungen   (Eldisan). 

17* 


246     ■^-  Philippson:  Glaziale  und  pseudoglaziale  Formen  im  westlichen  Kleinasien. 

Mit  diesen  Anschauun^^cn  scheint  es  im  Widerspruch  zu  stehen, 
daß  W.  P  e  n  c  k^)  neuerdings  an  der  Westseite  des  Kyraugas- 
Nordgipfels  in  Pisidicn,  südlich  von  Buldur  (120  km  südlich  vom 
Ahar-Dag),  ein  kleines  Kar  mit  vorliegendem  Moränenvvall  beob- 
achtet hat  in  einer  Meereshöhe  von  1700  m,  etwa  100  bis  150  m 
unter  dem  Gipfel ;  also  in  derselben  Meereshöhe,  in  der  sich  die  „Kare" 
des  Karschak  und  Ahar-Dag  befinden !  Und  dieses  Kar  liegt  im 
Kalkstein  ;  darauf  i)aßt  also  unsere  Erklärung  nicht!  Ist  diese 
Nische  wirklich  ein  echtes  glaziales  Kar,  lag  also  hier  die  glaziale 
Schneegrenze  bei  1700  bis  1800  m,  so  fällt  ein  Hauptgrund  dafür 
weg,  die  Nischen  des  Ahar  und  Karschak  für  nicht  glazial  anzusehen 
—  wogegen  die  anderen,  weit  tiefer  gelegenen  Formen  weiter  west- 
lich nach  wie  vor  nicht  glazial  sein  müssen  —  und  es  bliebe  das 
Problem  der  abnorm  tiefen  Lage  der  eiszeitlichen  Schneegrenze  in 
diesen  Gebirgen  von  Pisidien  und  des  südlichen  Phrygien  zu  erklären. 
Die  Schwierigkeit  dieses  Problems,  vor  allem  aber  die  von  \\\  P  e  n  c  k 
selbst  hervorgehobene  Isoliertheit  des  Kars  am  Kyraugas, 
während  sonst  in  dem  ganzen  weiten  südwestlichen  Kleinasien  an.  den 
zahlreichen,  viel  höheren  Gebirgen  keine  Glazialformen  gefunden 
werden,  veranlassen  mich,  vorläufig  noch  an  der  glazialen  Natur  der 
Kyraugas-Nische  zu  zweifeln.  Es  liegt  vielleicht  eine  Einsturz- 
Doline  vor. 

Jedenfalls  geht  aus  den  obigen  Ausführungen  hervor,  wie  Formen, 
die  den  glazialen  täuschend  ähnlich  sehen,  tatsächlich  nicht  glazialen 
Ursprungs  sind,  und  wie  schAver  es  ist,  sie  von  den  glazialen  zu 
unterscheiden.  Es  ergibt  sich  daraus  die  ^^■arnung,  aus  solchen 
Formen,  wenn  sie  isoliert  auftreten,  allzu  schnell  \'ergletscherungen 
zu  folgern.  Bei  ganz  auffällig  tiefer  Lage  stellen  sich  die  Bedenken 
von  selbst  ein.  Handelt  es  sich  aber  um  Höhenlagen,  die  allenfalls 
für  eiszeitliche  Gletscher  in  Betracht  kommen,  ist  große  Vorsicht  am 
Platze. 

')  A.  a.  O..  S.  87. 


zu ' 


Zeiisclir.  d.  Gesellsch.  f.  F.rdkitiide ::u  Berlin,  iuiq         Abhandluiis[  Philippsoii 


Abbild.  I.  Der  Mysische  Olymp  von  NO,  von  Kyrkbunar  aus;  aufge- 
nommen 2.  VI.  1902  von  der  Terrassenfläche  im  Granit  (1800  m). 
Über  dem  Granit  der  graue  Kalk  des  Hochkammes ;  links  das  Doppelkar 
mit  Schnee,  davor  der  graue  Wall  der  gebogenen  Ufermcräne.  In 
der  Mitte  des  Bildes  der  große  Trichter  (zweifelhaftes  Kar). 


\^^^'^-^T'  >:■  -¥  y^^ 


Gea -Verlag,  Berlin. 
Abbild.   2.     Hochtal  von  Günalan,    auf  dem  Rücken   zwischen   den  Tälern 
von  Bosdagköi  und  Tschavdal,  gesehen  vom  Bos-Dag.    Im  N  höhere 
Rumpfschwelle  mit  V-Tal. 


Zeitschr.  d.  Gcsellscli.  f.  Erdintude  zu  Berlin,  igtij         ^Hihandluiis;  Philippson 


Abbild.  3.     Hochtal  von  Göldjük  (etwa  1000  m)  mit  dem  See,  gesehen  von 
der  Wasserscheide  im  S. 


•a - Vcilarr,  Berlin . 


Abbild.  4.  Hochtal  Kodja-Jaila,  gesehen  vom  Gipfi'l  der  Schahankaja. 
Beckenförmiges  Tal  mit  Schuttboden.  Jenseits  über  dem  Steilabfall 
hinunter  ist  die  500  m  tiefere  Ebene  von  Sindirgi  sichtbar,  mit  dem 
weiläen  Band  des  Makestos-Flusses  im  Hintergrund. 


Hans   Meyer:    Die  französischen  Kolonien  Mittelafrikas.  247 


Die  französischen  Kolonien  Mittelafrikas. 

Eine  Besprechung  von  Hans  Meyer,  Leipzig. 

1 .  M  o  i  s  e  1 ,  Max :  Das  Generalgouvernement  vonFran- 
zösisch -Äquatorialafrika.  Mit  i  Karte  und  9  Skizzen. 
(Mitteil.  a.  d  Deutsch.  Schutzgeb.   19 17,  Heft  2.) 

2.  Sprigade,  Paul:  Die  französische  Kolonie  Ober- 
senegal und  Niger.  Mit  2  Karten  und  mehreren  Tabellen. 
(Mitteil.  a.  d.  Deutsch.  Schutzgebiet.  1917,  Heft  4.) 

3.  Sprigade,  Paul:  Die  französische  KolonieDahome. 
Mit   I  Karte.     (Mitteil   a.  d.  Deutsch.  Schutzgeb.  191 8,  Heft  2.) 

Die  seit  1888  von  der  Kolonialverwaltung  und  dann  vom  Reichs- 
kolonialamt alljährlich  in  mehreren  Heften  herausgegebenen  Mitteilungen 
aus  den  Deutschen  Schutzgebieten  haben  gemäß  ihrem  Namen  und 
ihrem  Zweck  früher  ausschließlich  der  landeskundlichen  Kenntnis  unserer 
deutschen  Kolonien  gedient  und  nur  gelegentlich  kurze  Nachrichten 
über  Gebiete  unserer  kolonialen  Nachbarn  gebracht.  Das  ist  im  Welt- 
krieg anders  geworden.  Seit  dem  2. Kriegsjahr  fließen  natürlich  dieOuellen 
wissenschaftlicher  Mitteilungen  aus  unseren  vom  Feind  besetzten  Kolo- 
nien äußerst  dünn  oder  gar  nicht  mehr,  so  daß  die  Mitt.  a.  d.  D.  Seh. 
zum  Einstellen  ihres  Erscheinens  verurteilt  gewesen  wären,  wie  so 
manche  andere  wissenschaftliche  Zeitschrift,  wenn  sie  nicht  ihren  Be- 
trachtungskreis über  die  eigenen  Kolonien  hinaus  erweitert  hätten. 
Seit  1916  ist  dies  geschehen,  indem  in  jedem  Heft  eine  besondere  Ab- 
teilung ,, Nachrichten  aus  den  benachbarten  Gebieten"  eingerichtet  ist, 
die  sehr  wertvolle  Ergänzungen  zu  den  Mitteilungen  über  unsere  eigenen 
Schutzgebiete  enthält.  Ergänzungen  im  doppelten  Sinn.  Einesteils 
sind  es  Mitteilungen  über  bestimmte  geographische  Erscheinungen  und 
Kräfte,  die  über  die  Grenzen  unserer  Kolonien  weit  in  die  Nachbar- 
gebiete hinein-  und  von  dort  hereinreichen,  wie  z.  B.  tektonische  Vor- 
gänge, Klima,  Vegetationsformationen,  Völkergrupp.en  usw.,  alle  auch 
mit  ihren  wirtschaftlichen  Wirkungen;  andernteils  sind  es  abgerundete 
landeskundliche  Schilderungen  einzelner  unserer  Nachbarkolonien  oder 
großer  Teile  derselben  in  methodischer  geographischer  Behandlung  und 
erläutert  durch  gute  Karten,  Skizzen,  Profile,  Tabellen  u.  a.  m. 

Diese  Darstellungen  und  Nachrichten  aus  den  Nachbargebieten 
unserer  Kolonien  erstrecken  sich  aber  nur  auf  Afrika  und  stehen 
in  offenbarem  inneren'  Zusammenhang  mit  den  bisherigen  kolonial- 
politischen Zukunftsplänen  der  Reichsregierung.  Nicht  nur  sind  in  den 
Mitt.  a.  d.  D.  Seh.  eine  Reihe  wertvoller  landeskundlicher  Schilderungen 
nichtdeutscher  mittelafrikanischer  Kolonien  erschienen,  son- 
dern das  Reichskolonialamt  hat  auch  begonnen,  eine  ganz  neue  große 
Karte  von  M  i  1 1  e  1  a  f  r  i  k  a  im  einheitlichen  Maßstab  1  :  2  Mill. 
herauszugeben,  die  das  Riesengebiet  in  lO  Blättern  darstellen  wird;  die 
beiden  Blätter  Ostsudan  und  das  Blatt  Deutsch-Ostafrika  sind  erschienen. 
Möge  die  Herausgabe  der  übrigen  7  Blätter  nicht  durch  den  Zusammen- 


248  H  a  n  s   M  e  y  e  r  : 

bruch  unserer  kolonialen  Hoffnungen  verzögert  oder  gar  verhindert 
werden!  Die  Bearbeiter  dieses  schwierigen,  allen  Ansprüchen  karto- 
graphischer lechnik  und  Akribie  gerecht  werdenden  Werkes  sind  die 
beiden  bewährten  Meister  unserer  deutschen  Kolonialkartographie,  M  a  x 
M  o  i  s  e  l  und  Paul  Sprigade  in  Berlin.  Über  die  große  Fülle  des 
in  diesem  Kartenwerk  verarbeiteten  höchst  verschiedenartigen  Alateriales 
deutscher,  englischer,  französischer,  belgischer  und  portugiesischer  Her- 
kunft gibt  das  kurze  Begleitwort  Auskunft.  Aus  diesen  Studien  mußte 
aber  auch  den  beiden  Kartographen  eine  geographische  Kennt- 
nis der  mittelafrikanischen  Ländef  erwachsen,  die  viel  mehr  umlassen 
konnte  als  die  tausend  Einzelheiten  des  Geländebildes.  Und  da  sow'ohl 
Moisel  als  auch  Sprigade  ein  gutes  Stück  Westafrikas,  dieser  von  Togo, 
jener  von  Kamerun,  aus  eigner  Bereisung  kennen,  so  lag  es  nahe,  daß 
sie  ihrer  vertieften  mittelafrikt^nischen  Sachkenntnis  auch  in  Form  von 
länderkundlichen  monographischen  Darstellungen  wissenschaftlichen 
Ausdruck  gaben.  Das  Ergebnis  sind  die  eingangs  genannten  drei  Ab- 
handlungen über  französische  Kolonien  Mittelafrikas. 

1 .  Max  M  o  i  s  e  1  s  Arbeit  über  das  Generalgouverne- 
ment von  Französisch -Äquatorialafrika  ist  die  um- 
fänglichste von  den  dreien  (156  Quartseiten);  sie  behandelt  auch  das 
räumlich  größere  Gebiet.  Dazu  bringt  sie  außer  einer  farbigen  Karte 
der  Völker  noch  9  schwarze  Kartenskizzen  verschiedenen  Inhaltes. 
Das  Ganze  ist  gegliedert  in  eine  allgemeine  Übersicht  über  das  Riesen- 
gebiet (59  Seiten)  und  eine  Darstellung  der  3  Einzelkolonien  Gabun. 
Mittel-Kongo  und  Ubangi-Schari-Tsad,  aus  denen  sich  das  General- 
gouvernement zusammensetzt;  in  der  letzteren  Kolonie  Ubangi-Schari- 
Tsad  werden  ihren  beiden  Territorien,  dem  Zivilterritorium  Ubangi-Schari 
und  dem  Militärterritorium  des  Tsad  besondere  Betrachtungen  gewidmet. 

Die  allgemeine  Übersicht  eröffnet  Moisel  mit  einer  Geschichte 
der  Erforschung  und  Eroberung,  die  alle  wichtigen  Vor- 
gänge, zu  einem  klaren  Gesamtbild  zuzammenfaßt,  klarer  als  es  irgend- 
woanders  zu  lesen  wäre,  und  eine  sehr  eindringliche  Vorstellung  davon 
gibt,  in  wie  enger  Verbindung  die  französische  Erforschung  dieser 
Länder  mit  der  franz()sischen  Eroberung  fortschreitet  und  mit  welch 
erstaunlicher  Energie,  militärischer  Kraft  und  diplomatischer  Geschick- 
lichkeit die  französischen  Offiziere,  die  vom  Beginn  der  französischen 
Besitzergreifung  an  den  Hauptteil  an  der  Erforschung  und  Eroberung 
haben,  trotz  so  vieler  schwerer  Rückschläge  zum  Ziele  kommen,  nach- 
dem in  den  ersten  Dreivierteln  des  19.  Jahrh.  die  friedliche  deutsche 
Afrikaforschung  von  Hornemann  bis  Nachtigal  die  Wege  gewiesen  und 
den  geographischen  Grund  gelegt  hatte.  Moisels  historische  Skizze 
endet  mit  den  Jahren  191 3/ 14.  Man  vermißt  ungern  einen  Hinweis 
auf  die  Vorgänge  und  Entwicklungen  der  drei  letzten  Jahre,  von  denen 
doch  mehr  als  Gerüchte  bekannt  geworden  sind. 

Der  Erforschungs-  und  Eroberungsgeschichte  folgt  ein  Abriß  d^r 
physischen  Geographie  des  Generalgouvernements  (S.  188  bis 
211),  in  welcher  der  Oberflächengestalt  dieser  in  5  verschiedene  große 
natürliche  Landschaften  gegliederten  Ländermasse,  und  darin  wieder 
dem    Tsadsee-Becken,     das    Hauptaugenmerk    gewidmet    ist.      An    die 


Die  französischen  Kolonien  Mittelafrikas.  249 

Oberflächengestalt  und  den  geologischen  Aufbau  schließt  sich  die  Be- 
trachtung der  Flora  und  Fauna  und  des  Klimas  —  letzteres  wäre 
besser  voranzustellen  gewesen  —  wobei  eine  übersichtliche  Tabelle 
der  Jahreszeiten  in  den  Einzelkolonien  Französisch-ÄquatorialatVikas  aul- 
gestellt wird.  In  dem  sich  anschHeßenden  Abschnitt  „Areal  und 
Bevölkerung"  wird  nach  einer  sehr  nützlichen  und  nötigen  Kritik 
der  französischen  amtlichen  Angaben  über  Flächeninhalt  und  Ein- 
wohnerzahl, deren  Berechnung  eine  Arealgröße  von  2  261  800  qkm  und 
eine  Einwohnerzahl  von  4  598  000  (2,0  p.  qkm)  ergibt,  die  Gruppierung 
der  Völker  in  großen  Umrissen  skizziert,  und  danach  die  Verwaltungs- 
gliederung, die  militärische  Organisation  —  worin  wir  freilich  nichts 
über  die  Organisation  und  Rekrutierung  während  des  Krieges  erfahren 
- —  die  Finanzwirtschaft,  die  Zölle,  der  Handel,  die  Konzessionsgesell- 
schaften, mit  sehr  willkommener  Liste  der  jetzt  noch  bestehenden 
Landgesellschaften,  die  Eingebornenreservate,  die  Rechtspflege  und 
das  Unterrichtswesen.  In  diesen  Kapiteln  verhält  sich  Äloisel  nur 
referierend,  wo  doch  einige  Kritik  an  den  angeblichen  Rechten  der 
Eingebornen  auf  Kautschukausbeutung,  an  der  angeblichen  vollständigen 
Freiheit  der  Eingebornen  im  Abschließen  von  i\rbeitsverträgen,  an  den 
angeblichen  Idealzuständen  im  Schulwesen  u.  a.  m.  angebracht  ge- 
wesen wäre. 

Der  allgemeinen  Übersicht  läßt  Moisel  die  Schilderung  der  e  1  n  - 
zelnenKolonien  in  drei  großen  Kapiteln  folgen  (S.  234  bis  327), 
die  in  die  Unterabteilungen:  Geographische  Übersicht,  Gesundheitsver- 
hältnisse, Bevölkerung,  Verwaltung,  Pohtische  Lage,  Finanzlage,  Handel, 
Produktion,  Konzessionsgesellschaften,  Verkehrswege,  Post,  Gerichtsbar- 
keit, Unterrichtswesen,  gegliedert  sind.  Von  diesen  Abschnitten  sind 
die  geographischen  Übersichten  zu  kurz  gekommen.  Während  im  All- 
gemeinen Teil  die  physisch-geographischen  Grundzüge  des  Ganzen  auf 
22  Seiten  gut  herausgearbeitet  sind,  empfindet  man  in  der  länderkund- 
lichen Einzelschilderung  der  drei  Kolonien  die  Beschränkung  der 
geographischen  Übersicht  auf  ^g  Seite  als  Mangel.  Dagegen  sind  die 
Schilderungen  der  Bevölkerung,  von  denen  die  von  Gabun  und  Mittel- 
kongo mit  Recht  zusammengefaßt  werden,  ausgiebig,  übersichtlich,  an- 
schaulich und  enthalten  das  Wesentliche.  Weiterhin  ist  in  der  Kolonie 
Gabun,  dem  ältesten  Stück  des  französischen  Kongobesitzes,  auf  die 
sehr  langsame  politische  und  wirtschaftliche  Entwicklung  aufmerksam 
gemacht,  die  in  dem  ungesunden  Klima,  dem  allzu  häufigen  Wechsel 
der  Beamten,  dem  verfehlten  Wirtschaftssystem  der  Konzessionsgesell- 
schaften, der  schlechten  Behandlung  der  Eingebornen  und  dem  geringen 
Militärschutz  ihren -Grund  hat.  Die  Bevölkerung  ist  in  steter  Unruhe: 
,,La  poudre  parle  tous  les  jours  et  ä  tout  propos".  Auch  eine  Illu- 
stration zum  zeitgemäßen  Kapitel  von  der  milden  Eingebornenbehand- 
lung  der  Franzosen  und  Engländer  gegenüber  den  Schandtaten  der 
deutschen  Bestien!  Während  es  darum  in  Gabun  Eingebornenkulturen 
gar  nicht  gibt,  haben  einige  europäische  Gesellschaften  mit  dem  Plantagen- 
bau von  Kakao  und  Kaffee  in  den  Flußtälern  des  Küstengebiets  be- 
gonnen. Man  erführe  gern  etwas  von  der  Art  dieser  Betriebe,  die  auch 
am  unteren  Congo  (Mayumbe)  und  im  Kameruner  Küstenland  im  Auf- 
blühen sind.    Etwas  mehr  wird  mitgeteilt  von  der  alle  andern  Produkte 


250  .  Hans   Meyer: 

überragenden  Ausbeutung  der  wildwachsenden  Edelhölzer  (Export  191 2: 
51/2  -^liJl-  Eres.),  der  gegenüber  Kautschuk,  Palmkerne  und  Palmöl  trotz 
der  massenhaften  Bestände  von  Ölpalmen  eine  ganz  untergeordnete  Rolle 
spielen.  Bemerkenswert  ist  die  Mitteilung,  daß  neuerdings  der  Eang 
der  vor  der  Gabunküste  in  großer  Zahl  vorkommenden  Wale  einen 
Tranexport  von  i^/^  Mill.  Eres,  gezeitigt  hat.  Von  den  ehemaligen 
1 1  großen  Landkonzessionsgesellschaften  Gabuns  sind  nur  2  übrig  ge- 
blieben, die  aber  kaum  ihr  Leben  fristen.  Beim  gänzlichen  Mangel  an 
durchgehenden  Schiffahrtswegen,  an  Eisenbahnen  und  Straßen  vermag 
sich  die  Kolonie  nicht  zu  entwickeln.  Der  Bau  einer  Nord-  und  einer 
Südbahn  und  die  Verbesserung  der  Haupthäfen  ist  deshalb  unumgäng- 
liche Voraussetzung  alles  weiteren  Fortschrittes. 

Noch  viel  weiter  im  Rückstand  ist  die  Kolonie  Mittelkongo, 
die  ja  zum  allergrößten  Teil  dem  waldigen,  sumpfigen  Niederungsgebiet 
des  unteren  Kongo  und  unteren  Ubangi  angehört.  Über  die  ernsthafteste 
Bedrohung  ihrer  wirtschaftlichen  Zukunft,  über  die  immer  weiter  um  sich 
greifende  Schlafkrankheit,  macht  Verfasser  sehr  beachtenswerte  Mit- 
teilungen. Die  Maßnahmen  der  Verwaltung  sind  völlig  unzureichend, 
die  Berichte  der  Beamten  selbst  höchst  pessimistisch.  Auch  hier  sind 
die  von  den  Konzessionsgesellschaften  schlecht  behandelten  Eingebornen 
permanent  im  Aufstand,  wodurch  kostspielige  Strafexpeditionen  und  viele 
militärische  Stationen  nötig  werden.  Daher  hohe  Zuschüsse  des  Mutter- 
landes. Wenn  trotzdem  in  den  Zollstatistiken  der  Handel  bis  1913 
langsam  gestiegen  ist,  so  liegt  es  daran,  daß  seit  1 908/09  in  diese 
Summen  auch  der  Handel  der  Nachbarkolonie  Ubangi-Schari-Tsad  mit 
aufgenommen  ist,  weil  auch  für  diesen  die  Zollkontrolle  in  Brazzaville, 
dem  Hauptort  Mittel-Kongos,  stattfindet.  An  der  Spitze  aller  Ausluhr- 
produkte  steht  nach  wie  vor  der  von  den  Konzessionsgesellschaften 
ausgebeutete  Wildkautschuk,  dessen  Preissteigerung  auf  dem  Weltmarkt 
während  des  Krieges  die  Gewinnung  wieder  rentabel  gemacht  hat.  Alle 
anderen  Produkte,  wie  Palmkerne,  Kopal,  Edelhölzer,  Wildkaffee  u.  a., 
haben  für  die  Ausfuhr  wegen  der  ganz  unzulänglichen  und  teueren  Ver- 
kehrsmittel keine  Bedeutung.  Aussichtsvoll  scheint  der  Abbau  von  Kupfer- 
erzen bei  Minduli  und  Reneville  zu  sein,  die  durch  kurze  Kleinbahnen 
nach  der  benachbarten  belgischen  Kongobahn  bei  Leopoldville  gebracht 
werden. 

Da  die  einzige  gute  Zugangsstraße  zu  den  beiden  Kolonien  ]\littel- 
Kongo  und  Ubangi-Schari-Tsad  die  belgische  Kongobahn  ist,  muß 
Frankreich  sich  von  dieser  Abhängigkeit  durch  den  Bau  einer  eigenen 
Bahn  von  Pointe  Noire  nach  Brazzaville  freimachen.  Das  Projekt  ist 
bereits  ausgearbeitet,  aber  der  Bau  noch  nicht  begonnen.  Mit  Aus- 
nahme des  Kongo  sind  die  größeren  Flüsse  der  Kolonie  nur  zur  Hoch- 
wasserzeit bis  Bangi  am  Ubangi  und  bis  Nola  am  Sanga  schiftbar. 
Den  öff"entlichen  Schiffahrtsdienst  besorgt  die  ,,Societe  des  Messageries 
fluviales  du  Congo"  mit  6  Dampfern  und  zahlreichen  Frachtbooten  mit 
einem  gesamten  Rauminhalt  von  nur  1138  Tonnen,  wovon  auf  den 
größten  Dampfer  bloß  250  Tonnen  entfallen.  Alle  Landwege  sind  ein- 
lache Eingebornenpfade.  Was  schließlich  in  diesem  wie  in  den  an- 
deren Kapiteln  über  die  Organisation  des  öffentlichen  Unterrichts,  über 
die  beträchtliche  Zahl  von  Elementarschulen,  höheren  Schulen,  Gewerbe- 


Die  französischen  Kolonien  Mittelafrikas.  25l[ 

schulen,  Missionsschulen  und  über  den  guten  Schulbesuch  der  Ein- 
gebornen  gesagt  ist,  trägt  zu  deutlich  den  Stempel  der  üblichen 
Schönfärberei  französischer  amtlicher  Kulturberichte  an  sich.  Die 
nüchterne  Wirklichkeit  sieht  in  den  mittelafrikanischen  französischen 
Kolonien  ganz  anders  aus. 

In  dem  letzten  Hauptabschnitt  Ubangi-Schari-Tsad  be- 
trachtet Moisel  diese  Kolonie  in  dem  administrativen  Zusammenhang, 
den  sie  bis  1915  hatte.  Seit  i.  Januar  19 15  ist  aber  das  vormalige 
Militärterritorium  des  Tsad  vom  vormaligen  Zivilterritorium  Übangi- 
Schari  getrennt,  in  seiner  südlichen  Ausdehnung  stark  eingeschränkt 
und  ,,Territoire  du  Centre  africain"  benannt  worden;  und  am  2.  April 
1916  wurde  aus  ihm  eine  besondere,  von  einem  Administrator  ver- 
waltete Kolonie  gemacht  (Statesmans  Yearbook   191 8,  S.  855). 

Moisel  hebt  hervor,  daß  das  schwach  bevölkerte  Ubangi-Schari, 
das  größtenteils  von  Savanne  bedeckt  ist,  nur  geringen  wirtschaftlichen 
Wert  hat.  Auch  hier  sind  die  von  der  Schlafkrankheit  angerichteten 
Verwüstungen  unter  den  Eingeborenen  grauenerregend.  Zahllose  Dörfer 
sind  im  Aussterben,  und  überall  mangelt  es  an  Lebensmitteln.  Die 
einzigen  wirksamen  Älittel  gegen  die  Seuche,  Absonderung  der  Kranken 
in  Schlafkrankheitslager  und  strenge  Überwachung  der  Gesunden,  ist 
,,aus  wirtschaftlichen  Gründen  nicht  durchführbar".  Die  Re^ierunp; 
begnügt  sich  mit  Verbesserung  der  hygienischen  Verhältnisse,  mit  Ein- 
führung von  Gesundheitspässen  und  anderen  erfolglosen  Maßnahmen. 
Infolgedessen  ist  die  Bevölkerung  seit  1906  von  2,13  Millionen  auf  etwa 
1/2  Million  Köpfe  herabgesunken,  und  der  Verelendungsprozeß  geht 
rapide  weiter. 

In  der  Schilderung  der  Bevölkerung  zeigt  Verfasser  am  Beispiel 
der  Mandja  die  traurige  Wirkung  des  großen  Durchgangsverkehrs  vom 
Kongo  nach  dem  Tsad:  Beitreibung  aller  Männer  zum  Trägerdienst, 
Verwahrlosung  der  Familien,  Verfall  der  Dörfer  und  Felder,  enorme 
Kindersterblichkeit,  Hungersnöte,  ja  sogar  Kannibalismus  aus  bloßem 
Nahrungsmangel.  Eine  weitere  Illustration  zum  Kapitel  von  der  humanen 
Eingebornenbehandlung  und  zivilisatorischen  Hebungsarbeit  der  Fran- 
zosen! Zu  ausführlich  behandelt  Verfasser  die  zahllosen  Stämme  der 
Baja  und  der  Banda,  gibt  dann  aber  eine  gute  kurze,  vornehmlich  auf 
Schweinfurth  und  Juncker  beruhende  Schilderung  der  Njamnjam  und 
ihrer  Mischlinge.  Von  der  Schlafkrankheit  sind  diese  noch  nicht  heim- 
gesucht. Nur  seltsam,  daß  Verfasser  des  Kannibalismus  bloß  bei  den 
Nsakara  und  nicht  bei  den  echten  Njamnjam  oder  Asandeh  Erwähnung 
tut.  Abgesehen  hiervon  ist  es  mir  aufgefallen,  wie  so  manche  der  von 
den  Asandeh  mitgeteilten  Charakterzüge  sich  bei  den  hamitischen 
Bahima  des  ostafrikanischen   Seengebietes  wiederfinden. 

Politisch  ist  Frankreich  trotz  der  Siege  des  letzten  Jahrzehnts  noch 
längst  nicht  Herr  dieser  weiten  Länder.  Insbesondere  hat  es  in  den 
Sultanaten  des  Ostens  mit  ihren  sozial  gefestigten  Gemeinwesen  und 
ihren  starken  Fürsten  noch  wenig  Autorität,  was  natürlich  auch  in  der 
Finanzlage,  in  der  Produktion,  im  Handel  zum  Ausdruck  kommt.  Die 
Kolonie  mußte  hohe  Jahreszuschüsse  vom  Mutterland  erhalten,  die  Ein- 
gebornen  erzeugen  nichts  für  den  Export  außer  etwas  Reis,  dessen 
Anbau   sehr  in  Zunahme  ist,    europäische  Plantagen  gibt  es  nicht,    und 


252  M  a  n  s   Meyer: 

die  wenigen  Konzessionsgesellschaften  der  Kolonie  betreiben  bloß  den 
Ankauf  und  Export  von  Wildkautschuk  und  Elfenbein.  Diese  beiden 
aus  Raubbau  gewonnenen  Produkte  sind  die  einzigen  überseeischen 
Ausfuhrartikel  der  Kolonie,  beide  in  dem  geringen  Betrag  von  8oo 
bzw.  70  Tonnen  191 2.  Viel  umfänglicher  ist  der  von  den  Tsadsee- 
händlern  (Bornu,  Haussa,  Bagirmi)  betriebene  Eingebornenhandel,  der 
sein  Zentrum  in  Fort  Crampcl  hat  und  große  Mengen  von  Yich,  Kola- 
nüssen, Eingebornengeweben,  Schibutter,  Erdnüssen,  Salz,  europäischen 
Manufakturwaren  M.  a.  in  Umlauf  setzt.  Von  Bangi  am  Ubangi  nach 
Fort  Crampel  am  Schari  will  man  eine  Schmalspurbahn  bauen,  zu  welcher 
bereits  eine  Anleihe  vorn  Pariser  Parlament  bewilligt  ist.  Damit  wäre 
dann  das  letzte  Glied  des  großen  Verkehrsweges  Ozean — ^Brazzaville — 
Bangi — Tsadsee  vollendet. 

Das  T  s  a  d  t  e  r  r  i  t  o  r  i  u  m  ,  dem  sich  Moisel  zuletzt  zuwendet, 
liegt  zu  2^3  in  der  nur  400  m  hohen  abflußlosen  Tsadseesenke,  zu  1/3 
auf  den  umrandenden  Hochplateaus.  Die  Tagesglut  und  Nachtkühle  der 
Trockenzeit,  die  Temperaturstürze  und  Überschwemmungen  der  Regen- 
zeit machen  das  Klima  höchst  ungesund;  vor  allem  natürlich  für  Euro- 
päer, was  jeder  Reisende  und  Beamte,  der  längere  Zeit  im  Tsadbecken 
sich  aufgehalten  hat,  mehr  als  genug  erfahren  hat.  Es  ist  deshalb  nicht 
richtig,  wenn  Moisel  die  schön  gefärbten  Regierungsberichte  ohne  wei- 
teres hinnimmt  und  sagt,  daß  ,,der  Gesundheitszustand  der  Europäer 
ein  verhältnismäßig  guter  zu  nennen  sei"  und  ,,in  nicht  zu  ferner  Zeit 
das  Tsadseegebiet  den  guten  Ruf  eines  gesunden  Landes,  den  es  schon 
heute  genießt,  rechtfertigen  wird".  Solchem  Optimismus  widerspricht 
nicht  bloß  die  geographische  Beschaffenheit  des  Tsadbeckens,  sondern 
auch  der  Umstand,  daß  sich  in  3  Jahren  eine  Erweiterung  des  Sanitäts- 
dienstes von  9000  Frcs.  auf  60000  Frcs.  Kosten  nötig  gemacht  hat. 

Die  sehr  umfängliche  Schilderung  der  Bevölkerung  des  Tsadterri- 
toriums  hat  Moisel  größtenteils  dem  klassischen  Werk  Nachtigals  ,, Sa- 
hara und  Sudan"  entnommen  und  sie  nur  wenig  durch  die  Mitteilungen 
der  neuern,  namentlich  der  französischen  Forscher  ergänzt.  Mir  scheint, 
die  letzteren,  namentlich  Foureau,  Chevalier,  Mangin,  Cornet,  Tilho  und 
von  den  Engländern  Boyd  Alexander,  von  den  Deutschen  der  Herzog 
Adolf  Friedrich  zu  Mecklenburg,  hätten  mit  Nutzen  mehr  herangezogen 
werden  können.  Die  Gesamtbevölkerung  des  Tsadterritoriums  berechnet 
Moisel  für  1913  auf  1533  000  Menschen,  wovon  der  Hauptanteil  auf 
Wadai  mit  870000  entfällt.  Wadai  und  Kanem  sind  einigermaßen  be- 
friedet, aber  in  den  übrigen  Ländern  des  Territoriums  ist  die  politische 
Lage  keineswegs  endgültig  gesichert.  Namentlich  haben  die  islamitischen 
Agitationen  im  Weltkrieg  zu  immer  wiederholten  schweren  .'Vufständen 
der  mohammedanischen  Bevölkerung  geführt,  die  der  französischen  Herr- 
schaft stark  Abbruch  getan  haben.  Über  diese  Vorgänge  fehlen  aber 
noch  nähere  Nachrichten. 

Ist  die  Finanzlage  des  Territoriums  wegen  seiner  geringen  staat- 
lichen Aufwendungen  sehr  günstig,  so  ist  die  wirtschaftliche  Entwicklung 
noch  weit  im  Rückstand  und  der  Handel  recht  unbedeutend;  nur  3  Mill. 
Frcs.  insgesamt.  Der  Handelsverkehr  zwischen  dem  Territorium  und 
dem  Atlantik  geht  noch  größtenteils  über  den  Niger — Benue  oder  über 
die  Nigereisenbahn  trotz  aller  Bemühungen  der  Franzosen,  ihn  auf  den 


Die  französischen  Kolonien  Mittclafrikas.  253 

rein  französischen,  aber  viel  weiteren  und  kostspieligeren  Verkehrsweg 
des  Schari — Ubangi — Congo  zu  ziehen.  Den  größten  Ausfuhrposten 
stellt  Vieh  mit  600  000  Frcs.  dar,  den  größten  Einfuhrposten  Textilstoffe 
mit  192  000  Frcs.  Der  Europäerhandel  ist  noch  ganz  unbedeutend. 
Einziger  Reichtum  des  Territoriums  ist  sein  Viehbestand,  in  dem  etwa 
400  000  Rinder,  i  Million  Kleinvieh,  20  000  Pferde  und  etwa  ebensoviel 
Kamele  und  Strauße  gezählt  werden;  im  Ganzen  im  Wert  von  36  Mill. 
Frcs.  Im  iäbrigen  ist  das  Territorium  äußerst  arm  an  Produkten,  die 
für  den  Außenhandel  in  Betracht  kommen  können.  Es  müßten  schon 
recht  wertvolle  Erzeugnisse  sein,  die  den  langen.  Transport  zur  Küste 
zahlen  können.  Auch  Baumwolle,  dessen  von  der  Regierung  unter- 
nommene große  Anbauversuche  übrigens  an  der  Abneigung  der  Ein- 
gebornen  zu  intensiver  Arbeit  gescheitert  sind,  und  Reis,  von  dessen 
Anbaumöglichkeit  sich  Aloisel  viel  verspricht,  sind  nicht  wertvoll  genug, 
um  den  Export  aus  dem  Tsadseegebiet  rentabel  zu  machen.  Aus  diesen 
und  aus  manchen  andern  Gründen  vermag  ich  dem  freilich  an  allerlei 
\'oraussetzungen  geknüpften  optimistischen  Schlußurteil  Moisels  über 
die  Zukunft  des  Tsadterritoriums  nicht  recht  beizupflichten. 

Das  am  Ende  der  Monographie  angefügte  Literaturver- 
zeichnis reicht  von  Heinrich  Barth  1857  bis  Hugo  JMarquardsen 
1916.  Es  ist  eine  kritische  Zusammenstellung  aller  wissenschaftlich 
wertvollen  Veröffentlichungen.  Sehr  reichlich  sind  herangezogen 
,,L'afrique  Frangaise,  Renseignements  coloniaux",  aber  gar  nicht  die 
,,Ouestions  diplomatiques  coloniales"  und  die  ,, Annales  de  Geographie"; 
und  warum  ist  Boyd  Alexanders  inhaltreiches  Werk  weggelassen? 
Rühmende  Erwähnung  verdient  die  farbige  Völker  karte  von 
Französ.  Westafrika,  die  Moisel  nach  der  Völkergruppierung  von 
Poutrin  mit  gewohnter  Meisterschaft  bearbeitet  hat.  Klar  tritt  der 
Gegensatz  zwischen  den  großen  Gruppen  der  Bakota,  der  Banda,  der 
Sara,  u.  a.  einerseits  und  des  Gewimmels  von  Völkersplittern  in  Gabun 
und  im  Tsadbecken  anderseits  hervor. 

2.  Paul  Sprigade  konnte  sich  in  seiner  Monographie  über 
Die  französische  Kolonie  Obersenegal  und  Niger 
auf  ein  beträchtlich  kleineres  Gebiet  konzentrieren,  über  das  bereits 
zusammenfassende  Werke  von  M.  Delafosse  und  I.  Meniaud  vorliegen. 
Auch  war  ihm  seine  Arbeit,  wie  er  im  Vorwort  sagt,  dadurch  erleichtert, 
daß  ihm  K.  Niehoff  seine  in  demselben  Band  der  Mitt.  a.  d.  Deutsch. 
Schutzgeb.  veröffentlichte,  mit  vorzüglichen  Karten  —  die  Sprigade 
redigiert  hat  —  ausgestattete  Arbeit  über  die  ,, Oberflächengestalt,  Nieder- 
schlag und  Abfluß  des  Niger  und  seiner  Nachbargebiete"  schon  im 
Manuskript  zur  V^erfügung  gestellt  hatte.  Und  da  Sprigade  überdies 
mit  kritischem  Bedacht  und  Fleiß  aus  den  hauptsächlichen  französischen, 
deutschen  und  englischen  Quellen  geschöpft  hat,  vermochte  er  eine 
alles  Wesentliche  zusammenfassende  abgerundete  Landeskunde  dieser 
Kolonie  zu  geben,  die  dauernden  Wert  behalten  wird. 

Die  durch  die  Sache  gegebene  Gliederung  ist:  Geschichtlicher  Über- 
blick, Physische  Geographie,  Bevölkerung,  \'erwaltungsorganisation, 
Verkehrsmittel,  Handel,  Produktion.  Der  erste  Abschnitt  wird  ein- 
geleitet durch  eine  kurze  Aufzählung  und  Charakteristik  der  mächtigen 


254  Hans   Meyer; 

Eingebornenrciche,  die  ja  teils  bis  ins  4.  Jahrhundert  zurückreichen 
(Gana),  teits  im  19.  Jahrhundert  von  starken  PersönHchkeiten  gegründet 
wurden  (Hadji  Omar,  Samory,  Sikasso)  und  den  Franzosen  große 
Schwierigkeiten  bereitet  haben,  bis  sie  befriedet  werden  konnten.  In 
der  Erforschungs-  und  Eroberungsgeschichte  wird  auch  der  Arbeit  der 
Deutschen:  G.  A.  Krause,  Grüner,  v.  Carnap,  Thierry,  Frobenius,  Niehoff, 
gebührend  Rechnung  getragen. 

In  der  geographischen  Übersicht  schheßt  sich  Sprigade 
eng  an  Niehoff  an,  führt  dann  aber  die  von  Süd  nach  Nord  abgestufte 
Gliederung  in  Sudanzone,  Sahelzone  und  Wüstenzone  strenger  durch 
und  gewinnt  so  ein  kurzes,  aber  anschauliches  landeskundliches  Gesamt- 
bild seines  Betrachtungsgebietes.  Auch  in  den  Abschnitten  Geologie 
und  Klima  ist  der  Einfluß  Niehoffs  stark  zu  fühlen,  wozu  im  geologischen 
Kapitel  noch  wertvolle  Hinweise  A.  Koerts  kommen.  Im  Klima- 
k  a  p  i  t  e  1  aber  hat  Verfasser  mit  erstaunlichem  Fleiß  und  Geschick  die 
meteorologischen  Elemente  aus  den  französischen,  englischen  und 
deutschen  Stationen  des  Westsudan  ausgezogen  und  zu  inhaltreichen 
übersichtlichen  Tabellen  zusammengestellt.  Warum  aber  bleibt  er  in 
den  Tabellen  der  W^indrichtungen  an  dem  alten  Zopf  hängen,  die  Ost-, 
Nordost-  und  Südostwinde  mit  E,  NE,  SE  zu  bezeichnen,  während  er 
sie  im  Text  O,  NO  und  SO  nennt?  Wenn  in  dieser  Zeit  nicht  mit 
dem  Gerumpel  aufgeräumt  wird,  wann  denn  sonst.?  In  der  Beurteilung 
des  Klimas  für  den  Aufenthalt  der  Europäer  folgt  Verfasser  zu  gut- 
gläubig den  französischen  Angaben.  Unmöglich  kann  das  Klima  ,, eines 
der  gesündesten  von  Westafrika"  genannt  werden,  wenn  man  hinzufügen 
muß,  daß  es  ,,für  den  Europäer  nicht  allzu  gefährlich"  sei,  der  ,,ein 
geregeltes,  enthaltsames  Leben"  führe  und  einen  ,, regelmäßigen  Er- 
holungsurlaub nach  je  2  Jahren  in  gemäßigten  Zonen"  genieße.  Inter- 
essant ist  dabei  der  Hinweis  auf  die  großen  Verheerungen,  die  der  immer 
mehr  überhand  nehmende  Alkoholismus  anrichtet. 

Aufs  beste  wird  die  Nichoffsche  Arbeit  ergänzt  durch  Sprigades 
Schilderung  der  Eingebornenbevölkerung,  der  er  28  .Seiten 
widmet.  Hier  hat  Verfasser  sich  auf  die  guten  Vorarbeiten  von  Marc, 
Aymard,  Frobenius,  namentlich  Delafosse,  u.  a.  stützen  können,  aber 
ein  selbständiges  klares  Bild  von  dem  Völkergemisch  und  Völker- 
getrümmer  dieser  breit  nach  Nord,  West  und  Ost  geöffneten  und  im 
Nigerbogen  weit  in  die  Sahara  hineingreifenden  Westsudanländer  ent- 
worfen. Eine  Völker  karte,  die  von  einem  Flächenkolorit  der  ver- 
schiedenen Völkergruppen  wegen  ihrer  enormen  Zersplitterung  absieht 
und  sich  mit  der  Eintragung  der  verschiedenfarbigen  Völkernamen 
begnügt,  läßt  doch  die  großen  Zonen  der  Alande  im  Westen,  der  Volta- 
völker  im  Osten  und  der  Mauren,  Tuareg  und  Fulbe  im  breiten  Norden 
ganz  deutlich  heraustreten.  In  zwei  Kapiteln  werden  dann  von  den 
40  Völkern  der  Kolonie  nacheinander  die  vier  hamitisch-semitischen 
Völker  des  Nordens  und  die  36  Negervölker  des  Südens  betrachtet  und 
eine  Menge  interessanter  Zusammenhänge  aufgedeckt.  Nicht  recht  be- 
leuchtet ist  die  Abhängigkeit  der  Verbreitung  dieser  \'ölker  von  der 
Natur  ihrer  Wohngebiete,  namentlich  der  viehzüchtenden  Hamiten  von 
den  Grasländern  des  Nordens,  und  in  manchen  Einzelheiten  wird  man 
andrer  Meinung  als  der  Verfasser  sein,  so  z.  B.  wenn  er  die  Fulbe  nach 


Die  französischen  Kolonien  Mittclafrikas.  255 

Delafosse  der  „jüdisch -syrischen  Gruppe  der  Semiten"  zuweist,  oder 
wenn  er  den  Namen  des  Tukuhir- Volkes  auf  eine  mangelhafte  Ayssprache 
des  Wortes  Tekrur,  das  die  Woloff  in  Tokolor  versti^immeln,  zurück- 
führt; viel  näher  liegt  die  Erklärung  des  von  den  Franzosen  gebrauchten 
Namens  Tukulör  aus  ,,tous  couleurs"  für  dieses  in  mannigfaltigen  Haut- 
farben auftretende  Mischvolk.  Der  älteren  von  Delafosse  gegebenen  Be- 
rechnung der  Gesamtbevölkerung,  die  rund  4,8  Mill.  Köpfe  ergeben 
hatte,  stellt  Sprigade  die  im  letzten  Annuaire  von  19 13/14  berechnete 
Summe  von  5,6  Mill.  Personen  gegenüber,  worin  als  die  drei  stärksten 
Völker  die  Bambara  (Mandefamilie)  mit  672  oco,  die  Fulbe  mit  689  000 
und  die  Mossi  mit  i  797  000  Köpfen  erscheinen.  Mit  einigen  ethno- 
graphischen Unterkapiteln  über  die  körperlichen  Merkmale,  die  Haus- 
formen, Kleidung,  Schmuck,  Waffen,  über  den  geistigen  Zustand, 
Lebensweise,  Sprachen,  Gesellschaftsordnung  (mit  interessanten,  aber 
nicht  einwandfreien  Angaben  über  Clans  und  Kasten),  Religionen,  Grund- 
besitzrechte, schließt  der  in  Inhalt  und  Form  gleicherweise  ansprechende 
Abschnitt  ,, Bevölkerung"  ab. 

In  die  nun  folgende  Schilderung  der  V  e  r  w  a  1  t  u  n  g  s  o  r  g  a  n  i  - 
s  a  t  i  o  n  ist  eine  sehr  willkommene  Neuberechnung  der  Bevölkerungs- 
dichtigkeit eingeflochten,  die  die  sich  widersprechenden  Angaben  der 
Franzosen  berichtigt.  Gegenüber  der  niedrigen  Durchschnittsdichte  von 
3,2  Menschen  pro  qkm  steht  das  Maximum  von  24,7  im  Bezirk  Mossi, 
eine  für  afrikanische  Verhältnisse  außerordentlich  hohe  Volkszahl.  Die 
nächstgroße  Zahl  weisen  die  Bezirke  Jatenga  und  San  mit  13,7  und 
12,7  auf,  also  nur  die  Hälfte  des  Mossibezirks,  und  die  meisten  andern 
Bezirke  erreichen  sogar  nicht  einmal  6  pro  qkm.  Der  Bezirk  Mossi 
beherbergt  fast  ein  Drittel  aller  Einwohner  der  Kolonie,  wie  überhaupt 
die  Ackerbaugebiete  der  Voltaländer  die  dichtest  bevölkerten  der  Ko- 
lonie sind,  von  wo  aus  die  Dichtigkeit  nach  Norden  schnell  in  der 
Sahelzone  abnimmt,  bis  sie  jenseits  des  Niger  nur  noch  0,1  bis  0,2 
beträgt.  Unter  den  Eingeborenen  sind  mehr  als  4  Mill.  Ackerbauer, 
600  000  Hirten,  400  000  Handwerker  und  Händler  und  der  Rest  andere 
Berufsarten.  Die  größte  Stadt  ist  (1913)  Wagadugu  im  Mossibezirk 
mit  19  330  Einwohnern,  während  die  Hauptstadt  Bamako  am  Niger  nur 
7050  (1916:  8730)  und  Timbuktu  sogar  nur  6700  (1916:  4270)  hat. 

In  dem  Kapitel  Konzessionswesen  findet  sich  die  beachtens- 
werte Angabe,  daß  bis  19 12  nur  20  Konzessionen  unter  2000  ha  und 
keine  einzige  größere  erteilt  worden  sind ;  im  Kapitel  Eingebornen- 
p  o  1  i  t  i  k  die  Mitteilung,  daß  das  starke  Fortschreiten  der  panislamitischen 
Bewegung  die  Regierung  in  ernsteste  Sorge  versetzt  und  daß  man  die 
Gefahr  nur  durch  Unterdrückung  mohammedanischer  Geistesrichtung 
und  durch  Ausbreitung  französischer  Kultur  und  Sprache  bekämpfen  zu 
können  glaubt.  Also  die  in  der  französischen  Kolonialgeschichte  so 
beliebte  ,,assimilation",  die  das  Gegenteil  ist  von  dem  angeblich  in  der 
Kolonie  Ober-Senegal-Niger  herrschenden  Verwaltungsprinzip  ,, Schonung 
der  Lebensweise  der  Eingeborenen,  ihrer  Familie,  ihres  Besitzes,  ihrer 
Gewohnheiten,  ihrer  Überlieferungen"  usw. 

Ein  besonderes  Kapitel  ist  der  ,,  B  e  w  a  f  f  n  e  t  e  n  Macht"  ge- 
widmet. Wir  erfahren  darin  viele  interessante  Einzelheiten  über  die 
Organisation    der    schwarzen    Armee    des    westafrikanischen    General- 


•>rj(j  Hans    Meyer: 

gouverncnients  und  über  die  g-utcn  Oualitälcn  des  schwarzen  west- 
afrikanischen Soldaten  (Tiraillcurs  senej^alais,  Garde  indigcne  du  Haut 
Senegal  et  Niger,  Spahis  Senegalais,  Goums  reguliers,  usw.),  über  die 
Neuordnungen  der  Rekrutierung  von  19 12  bis  19 16,  über  die  Zahl  der 
Ausgehobenen  und  Freiwilligen  u.  a.  m.  Der  Kolonialminister  Doumer- 
gue  hat  19 15  das  zu  erzielende  Ergebnis  der  gesamten  Rekrutierungen 
im  Generalgouvernement  Westafrika  auf  125  000  geschätzt,  und 
Sprigade  nimmt  dies  als  richtig  an.  Es  ist  aber  selbstverständlich,  daß 
die  französische  Zensur  alle  näheren  Angaben  über  die  Eiiigebornen- 
rekrutierung  in  den  französischen  Kolonien  unterdrückt.  Die  Zeit- 
schrift ,, Wirtschaftsdienst"  berechnet,  daß  schon  Mitte  1916  etwa 
200000  Eingeborne  aus  Französisch- W^estafrika  nach  Europa  ge- 
bracht worden  waren,  und  nach  einer  Mitteilung  des  Kolonialministers 
im  französischen  Senat  vom  9.  Juli  19 18  haben  alle  Kolonien  bis  Mitte 
•1918  zusammen  680000  Soldaten  und  238000  Arbeiter,  also  in  Summa 
918000  Mann  geliefert,  wovon  etwa  ein  Drittel  auf  Westafrika  ent- 
fallen dürfte.  Die  Ausführung  des  neuen  radikalen  Rekrutierungs- 
dekrets vom  14.  Januar  19 18,  das  alle  diensttauglichen  Eingebornen 
Westafrikas  von  18  bis  35  Jahren  zum  Heere  einzog,  wurde  einem 
Schwarzen,  dem  Negerabgeordneten  Senegals,  Diagnc,  übertragen,  der 
zu  diesem  Zweck  mit  dem  Rang  und  der  Vollmacht  eines  General- 
gouverneurs ausgestattet  wurde.  Die  Folge  war  eine  Aushebungs- 
methode, die  mit  dem  Sklavenfang  früherer  Zeiten  verzweifelte  Ähn- 
lichkeit hat,  und  darum  Aufstände  allerorten,  die  noch  längst  nicht 
unterdrückt  sind. 

Im  Kapitel  1'"  i  n  a  n  z  w  i  r  t  s  c  h  a  f  t  macht  Sprigade  auf  die  große 
Wichtigkeit  der  Einrichtung  des  Generalbudgets  für  ganz  Französisch- 
Westafrika,  woraus  die  Ausgaben  für  gemeinsame  Zwecke  aller  Einzcl- 
kolonien  bestritten  werden,  aufmerksam  gegenüber  den  Lokalbudgets 
der  Einzelkolonien,  und  auf  die  dem  Generalgouvernement  vom  Mutter- 
land bewilligten  Anleihen,  deren  letzte  (1913)  167  Mill.  Frcs.  betrug, 
wovon  140  Millionen  lediglich  für  Eisenbahnbauten  bestimmt  waren. 
Im  Krieg,  der  die  Finanzlage  Französisch-Westafrikas  ungemein  ver- 
schlechterte, hat  Frankreich  dem  Gcneralbudget  ein  kurzfristiges  Dar- 
lehen von  'iSV^  ^^ill-  Eres,  gegeben.  Ich  möchte  hinzufügen,  daß  auch 
damit  dem  Defizit  des  Haushaltes  nur  vorübergehend  abgeholfen  werden 
konnte.  Überschüsse  hat  man  erst  1916  erzielt,  nachdem  man  1915 
alle  Importzölle  bedeutend  erhöhte  und  auf  alle  Produkte  einen  Aus- 
fuhrzoll legte,  den  es  bisher  nicht  gegeben  hat.  Der  Abschnitt  ,. Trans- 
port- und  Verkehrsmittel"  beginnt  mit  dem  Satz  ,, Senegal  und  Niger 
bilden  das  Rückgrat  ihrer  Kolonie".  Natürlich,  aber  dieses  Rückgrat 
ist  doch  weniger  stark  und  tragkräftig,  als  die  Größe  der  beiden 
Ströme  erwarten  läßt.  Auf  dem  Senegal  können  zwar  im  Hochsommer 
sechs  Wochen  lang  Seedampfer  bis  KaA^es  fahren,  aber  im  Winter 
3!/^  Monate  lang  nicht  einmal  kleine  Dami)fer  bis  Kayes,  und  im 
Frühjahr  ist  die  Schiffahrt  zehn  Wochen  lang  ganz  gesperrt.  Der 
Niger  erlaubt  in  der  Hochwasserzeit  von  Juli  bis  Januar  Dampfbooten 
von  0,70  m  Tiefgang  die  Fahrt  vom  Eisenbahnendpunkt  Kulikoro  nach 
den  Landeplätzen  von  Timbuktu,  von  Januar  bis  März  nur  flachkieligcn 
^^edetten,  von  März  bis  Ende  Juni  nur  kleinen  Leichtern.    Möglich,  aber 


Die  französischen  Kolonien  Mittelafrikas.  257 

durch  Sandbänke  und  eiiiig-e  Felsen  gefährdet,  ist  die  Schiffahrt  bis 
Ansongo.  Der  Oberlauf  des  Niger  ist  zwischen  Kurussa  und  Bamako 
fast  das  ganze  Jahr  fahrbar,  aber  es  gibt  dort  noch  keine  öfifentlichen 
\'erkehrsmittel.  Bei  Hochwasser  können  auch  die  beiden  Nebenflüsse 
des  Senegal :  Colembine  und  Faleme,  und  die  des  Xiger :  Sankarani 
und  Bani  zeitweise  befahren  werden. 

Die  Bahnbauten,  welche  von  der  Senegalkolonie  und  von 
der  Guineakolonie  aus  den  schiffbaren  oberen  Niger  erreichen  und 
den  Waren-  und  Alenschentransport  von  der  wechselnden  Schififbarkeit 
des  Senegal  unabhängig-  machen  sollen,  sowie  die  weiteren  Eisenbahn- 
projekte, die  im  Plan  einer  großzügigen  Verkehrs-  und  Wirtschafts- 
politik alle  französischen  westafrikanischen  Kolonien  durch  ein  riesiges 
kombiniertes  System  von  Bahnen  und  Schififahrtsstrecken  miteinander 
verbinden  sollen,  und  deren  mittleres  Verbindungsstück  den  breiten 
Süden  der  Kolonie  Haut  Senegal  et  Niger  als  „Transsoudanais"  durch- 
ziehen soll,  werden  im  Kapitel  ,, Eisenbahnen"  dargelegt.  Nur  von  der 
seit  mehr  als  30  Jahren  geplanten  Transsaharabahn  und  gar  ihrer  Aus- 
gestaltung zu  einer  Transafrikabahn  denke  ich  viel  skeptischer  als  der 
Verfasser.  Am  Ende  dieses  Abschnittes  erführe  man  gern  mehr  über 
die  alten  und  neuen  Handelsstraßen,  über  ihre  Angliederung 
und  Anpassung  an  die  Bahnlinien  und  Schififahrtswege,  ihre  Orientie- 
rung nach  den  neuen  \"erkehrszentren  vnid  A'erkehrszielen,  über  die 
Art  des  auf  ihnen  sich  vollziehenden  Verkehrs,  über  den  Anteil,  den 
die  drei  großen  Handelsvölker  Mandingo,  Mossi  und  Haussa  an  ihnen 
haben  —  AVorüber  nur  sechs  Zeilen  gesagt  sind  — ,  über  die  Lage,  Ein- 
richtung und  Verkehr  der  wichtigsten  Märkte  usw.  Daß  einzelne 
Straßen  fahrbar  sind,  ist  praktisch  bedeutungslos,  weil  es  wegen  der 
Tsetse  im  großen  Süden  keine  Zugtiere  gibt  und  Automobilfahrt  für 
den  normalen  Verkehr,  namentlich  Güterverkehr,  in  diesen  Ländern  zu 
teuer  ist. 

Die  noch  geringe  Leistungsfähigkeit  der  \'erbindungswege  mit  dem 
Meer,  die  ferne  Binnenlage,  die  Großräumigkeit  der  Kolonie,  die 
schwache  Bevölkerung  der  steppenhaften  großen  Nordhälfte  u.  a.  m. 
sind  die  Gründe  für  die  bisherige  geringe  Produktionsentwicklung  und 
den  sehr  beschränkten  Außenhandel.  Beträchtlich  dagegen  ist 
der  Absatz  in  den  Nachbarländern  und  aus  ihnen,  über  den  Senegal- 
weg gehen  hauptsächlich  Erdnüsse  hinaus  und  kommen  europäische 
Manufakturwaren  herein,  über  den  Guineaweg  Kautschuk  (Ausfuhr) 
bzw.  W^ebwaren  (Einfuhr),  über  die  Saharagrenzen  Getreide  bzw.  Salz, 
über  die  Südgrenzen  Vieh  bzw.  Kolanüsse.  Die  Gesamteinfuhr  war 
1913  mit  20,3  Mill.  Eres,  fast  doppelt  so  groß  wie  die  Ausfuhr 
mit  11,8  Mill.  Eres.  Der  Binnenhandel,  für  den  es  keine  ge- 
nauen Zahlen  gibt,  überschreitet  kaum  3  Mill.  Eres.  Aber  durch 
die  umfängliche  Art  seiner  Bewältigung  durch  viele  Tausende  von 
Menschen  und  Karawanentieren  ist  er  doch  sehr  bedeutungsvoll  für 
das  Verkehrsleben  und  für  die  materielle  wie  geistige  Entwicklung  der 
Kolonie. 

Der  letzte  Abschnitt  „Produktion"  befaßt  sich  erst  mit  den 
einheimischen  Gewerben,  als  deren  wichtigste  die  Baumwollweberei 
und  die  in  Massina  ausgeübte  Herstellung  von  Schafwollstofifen  hervor- 


258  H  a  n  s   M  c  y  e  r  : 

gehoben  werden,  und  betont  die  gänzliche  Bedeutungslosigkeit  der  von 
Europäern  geleiteten  industriellen  Unternehmungen.  Ebenso  klein  und 
wenig  wertvoll  sind  die  europäischen  Plantagenunternehmungcn,  die 
sich  auf  Baumwollversuche  der  Association  Cotonniere  beschränken. 
Die  Produktion  des  Landes  beruht  ganz  auf  E  i  n  g  e  b  o  r  n  c  n  - 
k  u  1  t  u  r  e  n. 

Der  dicht  besiedelte  Süden  der  Kolonie  ist  reich  bebaut.  Im  Norden 
ist  das  Nigertal  unterhalb  Kulikoro  und  das  große  Überschwemmungs- 
gebiet im  Nigerbogen,  über  das  wir  eine  Reihe  ausgezeichneter  fran- 
zösischer und  deutscher  Arbeiten  besitzen,  eine  der  fruchtbarsten 
Gegenden  ganz  Afrikas.  Es  ist  das  alte  M  a  s  s  i  n  a  ,  das  sogenannte 
Binnendelta  des  Nigers,  wo  sich  in  der  Pluvialzeit  der  Strom  mit  einem 
Delta  in  einen  Binnensee  ergossen  hat  und  noch  heute  in  der  Hoch- 
wasserzeit und  Monate  danach  sich  riesige  Flächen  mit  Seen,  Sümpfen, 
Tümpeln  und  Kanälen  bedecken,  deren  Schwemmboden  nach  dem  Ab- 
lauf der  Gewässer  eifrig  mit  Reis,  Mais,  Baumwolle,  Tabak  usw.  be- 
baut wird.  Wenn  aber  Sprigade,  wie  mehrere  andere  Autoren,  sagt, 
daß  man  das  Nigertal  unterhalb  Kulikoro  und  das  Binnendelta  des 
Niger  ,,wohl  dem  Niltal  und  Nildelta  zur  Seite  stellen  kann",  so  darf 
doch  diese  Parallele  nur  im  Klim^,  in  der  Hydrographie,  Oberflächen- 
form, Bodenbeschafifenheit  und  Siedlungsart  gezogen  werden,  aber  es 
darf  nicht  vergessen  werden  die  verkehrsferne  Lage  des  Mittclniger 
gegenüber  der  Vorzugslage  des  unteren  Nil,  die  dünne  Bevölkerung  der 
mittleren  Nigerländer  gegenüber  dem  Menschenüberfluß  des  Untemil, 
die  rückständigen  pfluglosen  Ackermethoden  der  Nigerstämme  gegen- 
über der  in  jahrtausendelanger  Kultur  zu  hoher  Entwicklung  ge- 
diehenen Bodenbestellung  der  ägyptischen  Bauern  u.  a.  m.,  womit  sich 
der  Mittclniger  nicht  entfernt  vergleichen  kann.  Deshalb  ist  es  auch 
voreilig,  dem  Mittelniger  und  seinem  Überschwemmungsgebiet  bei 
fachmännischer  europäischer  Arbeitsleitung,  nach  Regulierung  der  Be- 
wässerung, Anlage  von  Staudämmen,  Unterweisung  der  Eingebornen. 
Einführung  von  Maschinen  und  dergleichen  eine  schnelle  Entwicklung 
zu  hohen  Erträgen  vorauszusagen.  Namentlich  die  Befürworter  einer 
dortigen  Baumwollenkultur  großen  Stiles,  wie  sie  England  in  LTnter- 
ägypten  durchgesetzt  hat,  sollten  mit  ihren  sehr  optimistischen  \'or- 
aussagen  zurückhaltender  sein.  Die  bestehende  Baumwollenkultur 
der  Eingebornen  ist  zweifellos  entwicklungs-  und  steigerungsfähig; 
ob  aber  ihre  Erzeugnisse  nach  Einführung  besserer  amerikanischer 
und  ägyptischer  Baumwollarten  so  gut  und  reichlich  ausfallen,  daß 
ihre  Ausfuhr  trotz  der  großen  Transportkosten  nach  der  Küste  noch 
rentabel  wird,  vermag  erst  eine  lange  Zeit  unverdrossener  Arbeit  zu 
lehren.  Das  gleiche  gilt  von  der  Entwicklungsfähigkeit  des  Baumwoll- 
baues in  den  Südgebieten.  Hier  wie  dort  wird  Baumwolle  von  den 
Eingebornen  in  der  Nähe  der  Dörfer  angebaut,  teils  in  selbständiger, 
teils  in  Zwischenkultur.  Der  Anbau  ist  primitiv,  die  Pflanze  wider- 
standsfähig, aber  von  kurzem  Stapel  und  ziemlich  harter  Faser.  Fast 
alles  wird  von  den  Eingebornen  für  eigene  Zwecke  versponnen,  aus- 
geführt  1913  nur  75   Tonnen. 

Einen  größeren  Aufschwung  hat  in  den  letzten  Jahren  vor  dem 
Krieg  der    Reisbau    der  Eingebornen  genommen,  der  hauptsächlich 


Die  französischen  Kolonien  Miltclafrikas.  259 

im  Überschwemmungsgebiet  des  Mittelniger  betrieben  wird  und  dort 
die  Grundlage  der  Ernährung  der  Eingebornen  bildet.  Auch  seine 
Methoden  sind  noch  sehr  primitiv.  Neben  dem  kultivierten  Reis  wird 
perennierender  (?)  wilder  Reis  geerntet,  der  in  Massen  in  den  Über- 
schwemmungsgebieten wächst.  Leider  erfahren  wir  nichts  Näheres  über 
die  Anbaumethoden  des  Reises  im  französischen  Sudan.  Wird  er  breit- 
würfig  gesäet,  wird  er  ausgepflanzt,  wird  er  künstlich  be-  und  ent- 
wässert, wird  er  halmweise  geschnitten?  Es  hätte  sich  sehr  gelohnt, 
einmal  die  in^der  Literatur  zerstreuten  Notizen  über  diese  wichtige, 
im  Sudan  immer  mehr  sich  ausbreitende  Kultur  zusammenzustellen 
und  die  Hauptergebnisse  mitzuteilen.  Im  Binnenhandel  hat  sich  der 
Umsatz  des  Reises  in  den  letzten  zehn  Jahren  verdoppelt,  aber  über 
die  Grenzen  der  Kolonie  wird  nur  wenig  nach  Französisch-Guinea  und 
Senegal  ausgeführt. 

Von  den  übrigen  Kulturpflanzen  gewinnt  nur  die  Erdnuß  seit 
19 lo  immer  größere  Bedeutung  für  den  Handel.  Dem  glänzenden  Bei- 
spiel der  Kolonie  Senegal  nacheifernd,  hat  auch  die  Kolonie  Ober- 
senegal und  Niger  die  Eingebornen  zu  möglichster  Ausbreitung  des 
Erdnußbaues  angehalten  und  namentlich  in  der  Nähe  der  Bahnlinien 
und  der  schift'baren  Flußstrecken  so  gute  Erfolge  erzielt,  daß  19 13  schon 
8677  Tonnen  Erdnüsse  im  Wert  von  2,1  Mill. -Eres,  exportiert  werden 
konnten.  Der  Ausbau  der  Bahnen  und  die  Verbilligung  der  jetzt  sehr 
hohen  Frachten  wird  -die  Erdnußkultur  stark  steigern.  Unter  den 
handelsläufigen  Wildprodukten  sind  Schinüsse,  Kapok,  Borassuskerne 
als  ,,vegetabiles  Elfenbein",  Gummi  arabicum,  Landolphiakautschuk 
und  Hölzer  zu  nennen,  aber  alle  haben  nur  geringen  Exportwert. 

Dagegen  ist  die  V  i  e  h  z  u  c  h  t  von  größter  Wichtigkeit  für  den 
Handel  und  für  alle  weitere  Entwicklung  der  Kolonie.  An  dem  rie- 
sigen Bestand  von  zwei  Millionen  Rindern  und  drei  Millionen  Schafen 
im  Wert  von  mehr  als  100  Mill.  Frcs.  haben  natürlich  die  Grasländer 
des  Nordens  und  ihre  Hirtenvölker  den  größten  Anteil,  während  die 
ackerbauenden  Stämme  des  Südens  nur  ein  Achtel  besitzen,  schon 
wegen  der  im  Süden  weit  verbreiteten  Tsetse.  Im  Norden  wird 
das  große  Buckelrind  der  Zeburasse  gezüchtet,  im  Süden  das  kleine 
buckellose  Rind;  dort  in  offener  Weide,  hier  meist  in  Stallwirt- 
schaft. Bei  den  Ackerbauvölkern  ist  die  Rinderhaltung  nur  ein  Luxus  ; 
sie  überlassen  die  Wartung  der  Tiere  gewöhnlich  einem  Fulbe  oder 
Tukulör.  Die  Angabe,  daß  ,,die  Eingebornen  nur  Fleisch,  Häute  und 
Milch  der  Tiere  verwerten",  ist  so  allgemein  nicht  richtig.  Butter  wird 
hergestellt  und  von  den  Hamiten  zum  Einsalben  des  Körpers,  zum 
Geschmeidigmachen  des  Leders  usw.  benutzt,  von  den  Ackerbauern  in 
manchen  Gegenden  zum  Schmoren.  Über  die  Bedeutung  des  Rindes 
als  Kapital,  «des  Viehs  überhaupt  als  Opfertiere,  als  Totemtiere,  als 
Handelsware  und  als  andere  Werte,  wodurch  der  Fleischgenuß  äußerst 
eingeschränkt  wird,  vermißt  man  jede   Angabe. 

Die  Pferdezucht  reicht  vom  Sahararand  bis  in  die  Sudanzone, 
geht  aber  im  allgemeinen  nicht  über  den  14.  Breitengrad  hinaus,  weil 
im  Buschland  des  Südens  die  Tsetsefliege,  gegen  deren  infektiösen 
Stich  das  Pferd  sehr  empfindlich  ist,  weit  verbreitet  ist.  \^on  den  rund 
80  000  Pferden   der   Kolonie   gehört   die    Mehrzahl    der   kleinen   mau- 

Zeltschr.  d.  Gesellsch.  f.  Erdkunde  zu  Berlin.     1919.    Xr.  5,6.  18 


2(jö  H  a  n  s   M  e  y  c  r  : 

risclicn  Rasse  des  Xordens  an,  die  anderen  der  mittelgroßen  Seguras^c 
und  der  großen,  aber  wenig  kräftigen  Massinarasse.  Alle  Pferde  werden 
ausschließlich  zum  Reiten  benutzt.  Gestütseinrichtungen  der  Regie- 
rung, Prämien  und  gute  Preise  haben  zur  Verbesserung  der  durch  In- 
zucht entartenden  Rassen  beigetragen.  Sehr  gelitten  hat  dagegen  die 
Kamelzucht  der  Kolonie  durch  den  starken  Bedarf  und  Verbrauch  , 
der  Kamelreitertruppe  in  ihren  unaufhörlichen  Streifzügen  gegen  die 
räuberischen  Saharastämme. 

Nach  Europa  werden  wohl  \'iehhäute  und  Schalwolle  im  Wert 
von  einigen  Hunderttausend  Franken  ausgeführt,  nicht  aber  lebendes 
\'ieh ;  dieses  hingegen  nach  den  vieharmen  Nachbarkolonien  im  Wert 
von  6,3   Mill.  Pres.    19 13. 

Die  wilde  Fauna  liefert  dem  Handel  nur  noch  wenig  Elfen- 
bein (etwa  10  Tonnen)  und  Straußenfedern  (etwa  800  kg)  und  noch 
weniger  Silberreiherfedern,  deren  Handel  jetzt  ganz  verboten  ist,  nach- 
dem Millionen  von  Reihern  dem  Vernichtungskrieg  der  europäischen 
Damenmode  zum  Opfer  gefallen  sind;  ein  scheußliches  Beispiel  der 
furchtbaren  Wirkung  weiblicher  Eitelkeiten. 

Unter  den  nutzbaren  Bodenschätzen  hat  von  alters 
her  das  Salz  der  Sahara  im  Handel  und  in  der  W' irtscliaft  der  mittle- 
ren Nigerländer  eine  große  Rolle  gespielt.  Neuerdings  macht  das  euro- 
päische Salz  und  das  an  den  Guineaküsten  gewonnene  Seesalz  dem 
Wüstensalz  scharfe  Konkurrenz.  Noch  besitzt  die  Kolonie  in  •  den 
Steinsalzlagern  bei  Taudeni  in  der  Sahara  einen  der  ergiebigsten  Salz- 
gewinnungsorte Afrikas,  aber  auch  hier  ist  die  Produktion,  die  vor 
allem  die  Märkte  von  Timbuktu,  Bamba  und  Gao  beschickt,  sehr 
zurückgegangen :  etwa  100  000  Barren  zu  30  kg  gegen  das  Doppelte 
vor  zwanzig  Jahren. 

Größere  Erträgnisse  bringt  der  G  o  1  d  a  b  b  a  u  in  den  westlichen 
Gebieten  der  Kolonie  (Faleme,  Manding,  Baulc  usw.)  und  im  Lobi- 
distrikt  am  Schwarzen  Volta.  Das  meiste  Gold  wird  von  den  Ein- 
gebornen  aus  den  Sedimentgesteinen  mittels  Schachtlöchern  (puits) 
gegraben  und  aus  den  Flußkiesen  ausgewaschen,  wenig  aus  anstehen- 
dem Quarz  gewonnen.  Der  Jahresertrag  übersteigt  nicht  700  000  Pres. 
Europäische  PInternehmungen  auf  Goldgewinn  gibt  es  in  Obersenegal 
und  Niger  gar  keine  und  in  den  westlichen  Nachbarkolonien  nur  noch 
eine  einzige,  die  das  Schwemmgold  aus  den  Flüssen  mit  Dampf  baggern 
gewinnt.  Auch  ihre  Produktion  erreicht  im  Jahr  nicht  i  Mill.  Pres. 
Das  ist  alles,  was  aus  dem  sagenumwobenen  Goldland  \\'angara  der 
alten  Reisenden  und  Geographen  noch  zu  holen  ist. 

Auch  Sprigade  schließt  seine  Alonographie  mit  einem  Litera- 
tur- und  Karten  Verzeichnis,  das  alles  Wichtige  über  die 
Kolonie  seit  Barths  Reisen  enthält,  und  auch  Sprigade  schöpft  mit 
Vorliebe  aus  dem  ,, Bulletin  du  Comite  de  l'Afrique  Franc^aise"  (seit 
1909  einfach  L'Afrique  Franc^aise  betitelt)  und  seinen  Beiheften  ,,Ren- 
scignements    Coloniaux    et    Documents". 

Von  den  beigehefteten  Karten  haben  wir  die  \'ölkcrkarte  schon 
rühmend  erwähnt.  Die  kleine  Karte  der  Verkehrswege  bringt 
zu  viel  Hypothetisches  in  allen  den  projektierten  Eisenbahnlinien  und 
in  der  regelmäßigen  Schififbarkeit  des  Niger  von  Kurussa  bis  Bamako 


Die  französischen  Kolonien  Mittelafrikas.  261 

und  von  Kulikoro  bis  Ansoiigo,  da  doch  in  den  Trockenmonaten  April 
bis  Juni  auch  kleine  Leichter  oft  nicht  fahren  können.  Erstaunlich 
dicht  ist  auf  der  Karte  das  Netz  der  Telegraphenlinien  in  der  Kolonie 
und  ihre  Verbindung  mit  den  französischen  Nachbarkolonien.  Timbuktu 
hat  eine  Telcfunkcnstation,  die  direkt  mit  Paris  sprechen  soll,  also 
eine  ähnliche  Einrichtung,  wie  wir  sie  in  unserer  Togokolonie  besessen 
haben.  Schwarze  Kartenskizzen,  wie  sie  die  Moiselsche  Arbeit  in 
großer  Zahl  illustrieren,  enthält  Sprigades  Monographie  gar  nicht. 

3.  Seitdem  hat  der  Herausgeber  der  ,, Mitteil .  a.  d.  Schutzg."  die 
Veröffentlichungen  über  fremde  Kolonien  Afrikas  auch  im  Jahrg.  191 8 
fortgesetzt,  und  wieder  hat  Paul  Sprigade  die  landeskundliche 
Darstellung  einer  französischen  Kolonie  beigetragen.  Diesmal  ist  es 
die  Kolonie  D  a  h  o  m  e  ,  der  im  2.  Heft  des  31.  Bandes  eine  50  Seiten 
starke,  mit  einer  Übersichtskarte  erläuterte  Arbeit  gewidmet  ist.  Die 
Anordnung  der  Materien  und  die  Art  der  Behandlung  sind  dieselben 
wie  in  der  Monographie  über  Haut  Senegal  et  Niger,  und  mit  der- 
selben dankbaren  Anerkennung  kann  die  Kritik  über  die  Leistung 
quittieren. 

Die  Aufgabe  war  in  diesem  Fall  leichter  als  in  der  Arbeit 
über  die  Kolonie  Haut  Senegal  et  Niger,  weil  Dahome  als  Kolonie  viel 
kleiner,  einheitlicher,  leichter  zu  übersehen  und  älter  ist  und  schon 
mehrfach  als  Ganzes  geschildert  worden  ist.  Aber  Sprigade  hat  doch 
ein  landeskundliches  Gesamtbild  von  breiterer  und  tieferer  geographi- 
scher  Auffassung   zu    entwerfen   vermocht   als    seine    Vorgänger. 

Einleitend  läßt  der  Verfasser  den  G  e  s  c  h  i  c  h  1 1  i  c  h  e  n  •  U  b  e  r  - 
blick  über  die  ganze  politische  Entwicklung  von  den  ersten,  freilich 
sehr  bezweifelten  Handelsstationen  der  Dieppe-Kaufleute  des  14.  Jahr- 
hunderts bis  zum  Weltkrieg  19 14  schweifen.  Mit  Recht  wird  die  ganz 
außerordentliche  Organisationskraft  der  Eingeborenen-Staatengründer 
und  die  Widerstandskraft  ihrer  Staaten  hervorgehoben,  die  zu  den  drei 
Dahomekriegen  der  Franzosen  1890,  1892,  1893  geführt  haben ;  anschau- 
lich wird  der  Wettlauf  geschildert,  den  nach  dem  Berliner  Kongreß  die 
französischen  Offiziere  und  Reisenden  mit  den  deutschen  und  eng- 
lischen um  die  Besitzergreifung  des  weiteren  Hinterlandes  ausführten 
und  der  mit  den  A^erträgen  von  1897  und  1898  endete,  wodurch  die 
Kolonie  Dahome  in  ihrer  heutigen  Ausdehnung  geschaffen  war.  Der 
wertvollen  Mitarbeit  des  deutschen  Hauptmanns  v.  Seefried  bei  der 
Vermessung  der  Dahome-Togo-Grcnze  wird  gebührende  Anerkennung 
gezollt.  Weiter  aber  ist  die  wissenschaftliche  Erforschung  Dahomes 
allzu  kurz  abgetan.  Die  neueren  Reisen  von  Foa,  Albeca,  Chautard, 
Brusseau,  Hubert,  Garde,  Chevalier  u.  a.  m.  werden  zwar  im  Text  und 
Literaturverzeichnis  erwähnt,  aber  ihre  wissenschaftlichen  Ergebnisse 
nicht  in  das  nötige  Licht  und  den  erwünschten  Zusammenhang  gestellt. 

Relativ  sehr  kurz  ist  die  Physisch -geographische 
Übersicht  (S.  8  bis  21,  wovon  sechs  Seiten  kliniatolog.  Tabellen) 
behandelt,  was  sich  aber  aus  der  Einfachheit  der  morphologischen  Ge- 
stalt und  der  klimatisch  -  floristisch  -  faunistischen  Gliederung  erklärt. 
Daß  Sprigade  den  geologischen  Bau  und  das  Klima  erst  nach  der 
Flora  und  Fauna  betrachtet,  erschwert  das   Verständnis  des   kausalen 

18* 


2Q2  Hans   M  e  >•  e  r  : 

Zusanimcnliangs.  Das  schmale  Kolonialgcbict  zieht  sich  mit  125  h\s 
300  km  Breite  und  670  km  Länge  von  der  Sklavcnküste  bis  zum 
Niger  hin  als  ein  „Korridor",  der  den  südöstlichen  Zu-  und  Ausgang 
des  großen  inneren  Französisch  -  Westafrika  vermittelt.  Mit  dieser 
politisch  und  wirtschaftlich  wichtigen  Eigenschaft  als  Schwellenland 
des  östlichen  französischen  Sudan  ist  aber  die  Bedeutung  Dahomcs 
nicht  erschöpft,  denn  es  hat  eigenen  Wert  durch  die  stellenweise  hohe 
Dichtigkeit  und  Arbeitsamkeit  seiner  Eingebornen  und  durch  die 
Produktivität  seines  Bodens. 

Gebirgig  ist  bloß  der  Nordwesten,  wo  die  bis  8uü  m  hohen  paläo- 
zoischen (silurischen?)  Atakoraberge  als  nördliche  Fortsetzung  des 
Cioldküste-  und  Togögcbirges  von  SSW  noch  NNO  streichen.  Das 
ganze  übrige  Land  ist  eine  alte  ausgeglichene  Rumpffläche  aus  ar- 
chäischen kristallinen  Schiefern  und  Graniten  mit  aufgesetzten  Insel- 
berggruppen und  Sandsteinplateaus  verschiedenen  Alters,  deren  kaum 
400  m  hohe  Wasserscheide  bei  10  Grad  nördlicher  Breite  das  lange 
schmale  Niederdahome  vom