^'« iJior.viAY 1 ]92i
w
ZEITSCHRIFT
DER
Gesellschaft für Erdkunde
zu BERLIN
HEKAI'SGEGEBKX IM AUFTRAG OES VORSTANDES \'"\
DR. Walter Behrmann
1919
MIT S TAFELN. 27 AHHILUrNi ;I:N UND i KARTE
BERLIN
ERNST SIEGFRIED MITTLER UND SOHN
KOCHSTRASSE 68—71
Inhaltsverzeichnis.
1. Vorträge und Abhandlungen.
Begrüßung der heimgekehrten Ost-
afrikaner
W. Bebrmann: Uetzners Forschungen
in Neuguinea
: Die Landschaften Rumäniens
- : Der Vorgang der Selbstverstärkung 153
B. Brandt: Beobachtungen und Stu-
dien über die Siedlungen in Weiß-
rußland (Schluß)
(1. Braun: Das Kheingebiet oberhalb
Basel. Eine morphogenetische
Studie
J. Fischer: Pappus und die Ptole-
mäuskarten
K. Fischer: Betrachtungen über Ab-
fluß. Stau und Walzenbildung bei
fließenden Gewässern
R. Gradmann: Das Schichtstufenland 113
J. V. Haun: Zum Klima von Caracas 158
N. Krebs: Morphologisciie Probleme
in Unterfranken
F. Kühn: Geographischer Bericht aus
Argentinien während der Kriegs-
jahre 191 4 bis 1919
K. Leuchs: Die v.'issenschaftlichen Er-
iS
371
29
46
336
169
307
442
gebnisse von .Merzbachers Reisen im
östlichen 'I'ian-Schan 269
F. AI achatsche k: Neue Lehr- und
Handbücher zur allgemeinen FLrd-
kunde 1 7A
H. Maurer: Zenitale und azimutale
Abbildungen 164
H. Meyer: Die französischen Kolonion
Mittelafrikas 247
W. Penck: Zur Landeskunde von
Thrazien 3.SS
A. Philippson: (Glaziale und pscudo-
glaziale Formen im westlichen Klein-
asien 229
R. Pohle: Beiträge zur Kenntnis der
westsibirischen Tiefebene 395
Protest der Gesellschaft für FZrdkunde
gegen die Ausstoßung Deutschlands
aus der Reihe der kolonisierenden
Mächte 24
Schnee: Deutsch- Ostafrika während
des Weltkrieges " 1
E. Wunderlich: Die Bedeutung der
diluvialen Ablagerungen für die Ent-
wicklung des polnischen Flachlandes 140
2. Tafeln.
,1. Versuch einer schematischen Über- ;>
sichtskarte der Mächtigkeit des ;', '
■. Diluviums im pohlischen Flachland 210
; 2. Versuch einer schematischen Über- ^
sichtskarte des >ubdiluvia]en Re- 1'/'
liefs des polnischen Flachlandes a*-©
/ 3. Der Mysische Olymp von NO, von
Kyrkbunar aus 2 1 1
4. Hochtal von Günalan, auf dem
Rücken zwischen den Tälern von
Bosdagköi und Tschavdal. Ge-
sehen vom Bos-Dag
Hochtal von Göldjük (etwa 1000 ml
mit dem See, gesehen von der
Wasserscheide im S.
Hochtal von Kodja-Jaila, gesehen
vom Gipfel der Schahankaja
Rechtes Obufer bei Sosnoffskija
Jurty
Kap Nachodka am Tasbusen
2>l
395\
3^5 \
>^<»
I
3. Abbildungen.
Deutsch-Üstafrika 5
Morphologische Gliederung Ru-
mäniens 38 8.
Flurplan des Gutes Konjuschewsch- 9.
tisna 53 10.
Weißrussische Dorftypen 66
Weißrussische Rodungssicdlungen 69
Schematisches Protil 116 11.
Profi! durch die Rumpffl;ichc der 12.
Baar bei Schwenningen von W\W
nach OSO
Zwei Profile
Vier schematische Profile
Vier schematische Profile zur Dar-
stellung der Abtragung im Schicht-
stufenland
Zwei schematische Profile
Zwei schematische Profile
I iS
1 K)
1-4
129
'3'i
Inhultsverzeiciliii?;.
13-
'4-
15-
i6.
i8.
'9-
Profil zur Darstellung der Ab-
tragung im Schichtstufenland
Encrgielinie und Abflußmenge
Lage der von Punkt P in gleichen
Zeitabständen ausgegangenen
VVellenimpulse
Morphogenetische Skizze des
Rheintalgebietes oberhalb Basel
Die Kare am Mysischen Olymp
Die Täler am Bosdag
Tal an der Nordseite der Schahan-
kaja bei Sindirgi
20.
132
21.
172
22.
175
23-
24.
219
231
25-
235
26.
23S
27.
Skizze von Tibesti, Borku, Ennedi
Morphplogische Profile durch die
unterfränkische Muschelkalkplatte
Die Höhenlage der unzertalten
Hochfläche in Unterfranken
Die Antiklinale von Thüngersheim
Das vermutete alte Talnetz im
Maingebiet
Skizze des östlichen Teiles von
Kaiser-Wilhelmsland
Unteres Ob-Gebiet
Der Mündungssack des Jenisei
Soiie
281
324
325
333
373
413
425
4. Karten.
I. Verteilung der Deutschen und Polen in Westpreußen und Posen
5. Namen- und Sachregister.
bezeichnet: Vorträge und AbhandUmgen.
bezeichnet: Besprechungen und Anzeigen.
Abfluß, in fließenden Gewässern
(Rehbock) *i69
Ägypten, Geographische Gesellschaft 89
Afrika, Baltzer, F.: Die Kolonial-
bahnen mit besonderer Berücksich-
tigung — s (Hennig) (-95
— , Brinckmami, .A. E. : Eine Unter-
redung mit Pater van der Bürgt
über die Schmähschrift von Evans
Lewin „Deutsche Kolonisatoren in -" t202
— , Koert, W. : Der Krusteneisenstein
in den deutsch-afrikanischen Schutz-
gebieten, besonders in Togo und im
~ Hinterlande von Tanga fioi
— , Lewin, E.: Deutsche Kolonisatoren
,in — 7202
— , Siehe Mittel , Nord-—, Ost-—.
Süd , West--.
Ahar Dag, Gebirge westl. Afiun-
Karahissar (Kleinasienj •■■242
Ak-Dag, Gebirge im so. Mysien *233
Albanien, Haberlandt, A. : Kultur-
wissenschaftliche Beiträge zur Volks-
kunde von Montenegro. — und Ser-
bien (Krebs) • fgo
Alpen, Behrmann, W. : Die Gipfel-
flur in den — 186
Alpenländer, Krebs, N.: Das öster-
reichisch-italienische Grenzgebiet ti99
— , Siehe Niederösterreich, Steiermark,
Schweiz, Tirol.
Amazonien, Behrmann, W.: N.W. — 466
Amerika, Siehe Mittel — . Nord- -,
Süd-—.
Anden, Behrmann, W.: Eine For-
schungsreise in die — von Peru 283
— , Penck, W. : Reisen in der Puna von
Argentinien 1 1 1
Andersson, G.: Australien Natur och
Kultur (Penck, A.) ti97
Marquardsen, H.: Studien
Der Süd-
W.
Angola
über -
Antarktis, Behrmann
polar-Kontinent —
A n t h r o p o g e o g r a p h i e . Prey, G . :
Eine neue Einteilung Schwedens in
kulturgeographische Landschaften
auf Grund der Stadtanlagen
— , Heyde, H.: Die Nationalitäten in
den deutschen Ostprovinzen. Eine
Fälschung schlimmster Art
— , Krebs, N.: Die anthropogeographi-
schen Räume der Balkanhalbinsel
— , Penck, A. : Deutsche, Polen und
Kassuben in Westpreußen und Posen
— , Penck, A. : Die deutsch-polnische
Sprachgrenze
-^, Präsent, H.: Die Bevölkerungsgeo-
graphie des Cholmer Landes
— , Siehe Ethnographie, Landeskunde.
Politische — , Siedlungs . Ver-
kehrs , Wirtschaftsgeographie.
Arabien, Moritz, B.: Bilder aus Pa-
lästina, Nord — und dem Sinai
(Blanckenhorn) ^ -j-
Argentinien, Penck, W. : Reisen in
der Puna von —
— , Kühn. F.: Geographischer Bericht
aus — während der Kriegsjahre 1914
bis 1919 *
Arktis, Siehe Grönland.
Armenien, Rohrbach, P.: — j-
Arnheim, F.: Schweden (Braun)
Asien, Siehe Central — , Nord — .
Ost — , Süd-—, X^order-- .
Astronomie, Jahrbuch der Urania und
Astronomischer Kalender für das
Jahr 191S T
— , Schmidt, J.: Die Entstehung des
Erdsystems . f
192
187
T99
79
108
t99
197
442
297
t89
105
300
IV
Inlialtsverzeichiiir
Astronomie, Schmidt. J,: Astrono-
mische Irrlehren tßoo
Atlantischer, Verkehr auf dem — 86
Atlas. Hoher — (Marokko) 382
— , Mittlerer - (Marokko) 380
Australien, Andersson, C: — Natur
och Kultur (Penck, A.) tigs
, Siehe Melanesien. Polynesien. Tas-
manien.
Habinger, F.: Josef VVolff, Abenteurer.
Reisender und Judenapostel 1795
bis 1862 i297
P>adland-Landschafton. in Ru-
mänien (Behrmann) *37
Balta, Strombett der unteren Donau 32
Baltzer, F.: Die Kolonialbahnen mit
besonderer Berücksichtigung Afrikas
(Hennig) t95
Base hin, O.: Die erdmagnetischc
Deklination in Deutschland 79
: Neue Geographische Gesellschaften
und Zeitschriften 89
— : Über die Verkehrswege zur See am
F2nde des Weltkrieges 85
Bayern, Siehe Rheinpfalz, Süd — .
Unterfranken.
Balkanhalbinsel, Krebs, N.: Die
anthropogeographischen Räume der
— t99
— , Siehe Albanien. Bosnien, Herze-
gowina, Mazedonien. Montenegro,
Serbien, Thrazien.
Begrüßung der heimgekehrten Ost-
afrikaner ''iS
Behandlung, die der einheimi-
schen Bevölkerung in den kolonia-
len Besitzungen Deutschlands und
Englands "i'202
Behrmann, W.: Neuere Anschau-
ungen über die Gebirgsbildung 469
— : Der tektonische Aufbau von Mittel-
mazcdonien 279
: Die glaziale Entwicklungsge-
schichte Nordwest-Skandinaviens 377
— : Detzners Forschungen in Neu-
Guinea *37i
— : Eine Fprschungsrcise in die Anden
von Peru 283
— : Die jüngere tektonische Geschichte
Hessens 377
- : Die GipfeWur in den Alpen 186
- : Die norddeutschen Inlandsdünen
durch westliche Winde aufgeweht 278
: Die Landschaften Rumäniens *29
-: Der Nordostrand des 'J'hüringer
Waldes 277
— : N.W. Amazonien 466
— : Eine neue Projektion mit gerad-
linigen größten Kugelkreisen • 86
— : Reise an der Grenze von China
und Tibet 1S9
— : Der Südpolarkontinent .Antarktis 192
79
;• 1 99
380
379
;• I o(j
•19:
•'"99
193
Behrmann, W. : Die Wrbreitujig
weltwirtschaftlicher Kenntnisse 285
— : Der Vorgang der Selbstverstärkung *i53
Belcher-1 nsel n, Frey, G.: Die Ex-
pedition Robert J. Flahertys nach den
und der Ungava-Halbinsel
Belgrad, Krebs, N.: —
Beni mgild-Plateau (Marokko;
Beni Mtir Plateau (Marokko)
Bergen, Slanar, H.: —
Bergsträßer: Studienreisen in Syrien 303
Bericht über die Tätigkeit der König-
lich Preußischen Hauptstelle für den
naturwissenschaftlichen Unterricht
(Lampe)
Berlin. Graf, G. E.: Die Entwicklung
des Stadtgrundrisses von -
B e r m u d a - 1 n s e 1 n
Bethe. E., Weule, K., Schmeidler.
B., Doren, A., Herre, P. : Kultur-
geschichte des Krieges (Vogel)
Bibliographien, Argentinische Lite-
ratur während des Krieges
. Kartographische, Wolkenhauer, W.:
Aus der Geschichte der Kartographie
— . Machatschek, ¥. : Neue Lehr- und
Handbücher zur allgemeinen Erd-
kunde
Bilderatlas, Geographischer,
Brandt, B.: des polnisch-weiß-
russischen Grenzgebietes
, Moritz, B.: Bilder aus Palästina,
Nordarabien und demSinai(Blanckcn-
horn)
— , Schultz. A. : Ethnographischer —
von Polen fioo
— , Wunderlich, E. : — - von Polenfioo
Binnenschiffahrt. Umfang und Be-
deutung der österreichischen Wasser-
straßen T296
Biographien, Babinger, F.: Josef
Wolfif, Abenteurer, Reisender und
Judenapostel 1795 — 1862 V297
, Hassert. K.: Johann Joachim Becher,
ein Vorkämpfer deutscher Kolonial-
politik im 17. Jahrhundert T204
— , W'olkenhauer, W. : Robert von
.Schlagintweit "1"207
Blanckenhorn. M.: Moritz. B.: Bilder
aus Palästina. Nord-Arabien und dem
Sinai
Borku. Landschaft in Nordafrika
Bogdo-(Ma-Gruppe. Ti an-Schan
Bos-Dag, Gipfel im Tmolos-Gebirge
Boden fließen, in Westsibirien
Bodenkunde, Ramann, E.: Boden
bildung und Bodeneinteilung
(Stremme) T472
— , Koert, W.: Der Krusteneisenstein
in den deutsch-afrikanischen Schutz-
gebieten, besonders in Togo und im
Hinterlande von Tanga rioi
287
'444
^176
98
•19/
II 97
2S2
*269
^234
'433
Inhaltsverzeichnis.
V
Srile
Böhmen, Wilde. E.: Deutsch tßgo
Bö Ische, W.: Eiszeit und Klima-
wechsel ''202,
Bosnien, Moscheies, J.: Das Klima
von — und der Herzegowina T99
B o u t e r w e k , K. : Das Land der meridio-
nalen Stromfurchen im indo-chine-
sisch — tibetanischen Grenzgebiet T297
Brandenburg, Mark — . Graf. G. E.:
Die Entwicklung des Stadtgrund-
risses von Berlin " T99
Brandt, B.: Geographischer Bilder-
atlas des polnisch -weißrussischen
Grenzgebietes tgS
— : Beobachtungen und Studien über
die Siedlungen in Weißrußland
(Schluß) ■■46
— : Geographische Feldzugserlebnisse 302
Brasilien, Frey. G.: Die Forschungs-
reise von Hamilton Rice nach dem
Rio Negro, Januar bis März 191 7 84
— , Koch-Grünberg, Th.: \'om Roroima
zum Orinoko (Ule) -1-93
Braun, G.: Arnheim. F.: Schweden +89
— : Das Rheingebiet oberhalb Basel ■'211
Brinckmann. A. E : Eine Unter-
redung mit Pater van der Bürgt
über die Schmähschrift von Evans
Lewin „Deutsche Kolonisatoren in
Afrika" T202
Britisch-Guayana. Koch-Grünberg,
Th. : Vom Roroima zum Orinoko (Ule l V93
Bukarest, Hauptstadt Rumäniens "'34
("anada, Frey, G.: Die Southampton-
Insel 3S3
— , — : Die Expedition Robert J. Fla-
herty's nacli den Belcher-Inseln und
der Ungava-Halbinsel 79
Caracas, Hann. J. v.: Zum Klima
von — *i58
Celebration, Centennial - of the
United States' Coast and Geodetic
Survey April 5 and 6 191 6 (Wede-
meyer) t293
C e n t r a 1 a s i e n ,SieheTian-Schan,Tibet.
Chile. Guerra, J. G.: La soberania
chilena en las islas al Sul del Canal
Beagle (Steffen) 1-385
China, Behrmann, W. : Reise an der
Grenze von — und Tibet 189
— . Bouterwek. K.: Das Land der me-
ridionalen Stromfurchen im indo-chi-
nesisch-tibetanischen Grenzgebiet T297
— . Siehe ATandschurei
C ho Im er Land, Präsent. H.: Die Be-
völkerungsgeographie des — — es T99
Claes-Pietercz-Bucht, Schlagin-
haufen, O.: Le Maire's — an
der Ostküste Xeu- Irlands rioi
Columbia, Siehe Kolumbia.
Dahoniey, Sprigade. P.: Die franzö-
sische Kolonie — T102
Seite
Damaskus, Kiesling, H. v. : — T390
Denudation. Wirkungen der — in
Kleinasicn '^'244
Deutschland. Baschin, O. : Die erd-
magnetische Deklination in — 79
— . Die Behandlung der einheimischen
Bevölkerung in den kolonialen Be-
sitzungen — s und Englands 7202
— . Halbfaß, W. : - , nutze deine
Wasserkräfte T295
— . Hellmann, G.: Regenkarte von — +392
— , — : Neue Untersuchungen über die
Regenverhältnisse von — • "i'295
— , Protest der Gesellschaft für Erd-
kunde gegen die Ausstoßung — s aus
der Reihe der kolonisierenden Mächte *24
— . Vogel, W. : — s bundesstaatliche
Neugestaltung J200
— , Siehe Deutsches Reich, Mittel .
Nord-—, Ost — . Süd — , West .
Deutsch-Ostafrika, Begrüßung der
heimgekehrten Ostafrikaner *i8
— , Frey, G.: Ein Ausbruch des Oldonyo
Lengai 382
— , — : Eine geologische Forschungs-
reise in 190
— , Koert, W. : Der Krusteneisenstein
in den deutsch-afrikanischen Schutz-
gebieten, besonders in Togo und im
Hinterlande von Tanga rioi
— . Schnee: während des W'elt-
krieges *r
Deutsches Reich. Penck, A. : Die
Gradzählung der Karte des — n — es 1S4
— . Schoenichen. W.: Die Verteilung
des Waldes im — -^ +296
— . Siehe auch Deutschland.
Deutsch-Südwestafrika. Jäger. F.:
Fünf Kriegs- und Forschungsjahre
in Deutsch-Südwestafrika 304
Dietrich, B.: Wirtschaftsgeographie
der 'Rhön . T9S
Dietsch, M. : Untersuchungen über
die Änderung des Windes mit der
Höhe in Zyklonen 1204
Donau, in Rumänien ''31
Doren. A.. Weule. K., Bethe. E..
Schmeidler, B.. Harre. P. : Kultur-
geschichte des Krieges (\'ogeli -r287
Dorftypen. Weißrußlands *66
Dünen. Behrmann, W^: Die nord- •
deutschen Inlands — durch westliche
Winde aufgeweht 278
Egrigös-Dag. Gebirge Kleinasiens ^233
Ei fei, Quaas, A. : Das Rurtal t20o
Eiszeit, Behrmann, W^: Die glaziale
Entwicklungsgeschichte Nordwest-
Skandinaviens 377
-. Bölsche W.: — und Klimawechsel T203
— . Philippson, A.: Glaziale und pseudo-
glaziale Formen im westlichen Klein-
asien ■ ^229
VI
Inhaltsverzeichnis
Eiszeit, Solch, J.: Beitrage zur eiszeit-
lichen Talgeschichte des steirischen
Randgebirges und seiner Nachbar-
schaft (Machatschck) T387
— , Werth, E.: Das Eiszeitalter (Machat-
schck) 198
— , in der Bogdo-Ola-Gruppe *275
— , in den Karpathen *43
— , in Neu-Guinea ' *375
— , in Westsibirien "410, "412 *430
England, Rein, K. : Wie — die deut-
schen Kolonien bewertet iioi
— , Die Behandlung der einheimischen
Bevölkerung in den kolonialen Besit-
zungen Deutschlands und s t203
Ennedi, Landschaft in Nordafrika 282
Enni Kussi. \'ulkan in Tibesti 281
Erdbeben, Gießberger, H.: Das Rei-
chenhaller Einsturzbeben vom 19. No-
vember 1910 T99
Erdi, Landschaft in Nordafrika 282
Erdmagnetismus, Baschin. O.: Die
erdmagnetischc Deklination in
Deutschland 79
. Schmidt, A.: Besitzt die tägliche
erdmagnetische Schwankung in der
Erdoberfläche ein Potential? t2o6
Ethnographie, Bergsträßer; Stutlien-
reisen in Syrien '"303
— . Haberia ndt, A.: Kulturwissenschaft-
liche Beiträge zur Volkskunde von
Montenegro, Albanien und Serbien
( Krebs) t9o
, Koch-Grünberg. Th.: \'om Ro-
roima zum Orinoko lUlej +93
, Krämer-Bannow, E.: Bei kunst-
sinnigen Kannibalen der Südsee
(Sapperj t95
— , Schultz, A.: Ethnographischer Bil-
deratlas von Polen fioo
Europa, Graf, G. E.: Die Landkarte
--S gestern und morgen '•295
— , Siehe Mittel- . Nord-—, Ost-—.
Süd — . West — .
Fichtelberg (Erzgebirge), Schreiber.
P.: Einrichtung und Aufgaben der
im Weltkriegsjahr 1915 erbauten
Wetterwarten auf der Wahnsdorfer
Kuppe bei Dresden und auf dem
— e T2o6
Fischer. J.. Pappus und die Ptole-
mäuskarten t336
F"ischer, K : Betrachtungen über Ab-
fluß, Stau und Walzenbildung bei
fließenden Gewässern 1169
I'lußkunde. F'ischer, K.: Betrach-
tungen über Abfluß, Stau -^Jnd Wal-
zenbildung bei fließenden Gewässern *i69
—, des Ob (Pohle) *395
— , des Rio Negro 84
F'Vey, G.: Ein Ausbruch des Oldonyo
Lengai ' 3S2
Frey, G.: Neue Beiträge zur Geogra-
phie und GeologieTibestis und seiner
südöstlichen Nachbargebiete 280
: Neue Beiträge zur Frage nach der
Flntstehung von Koralleninseln 193
— : Bilder aus dem Gesundheitswesen
in Polen T389
— : Eine neue Einteilung Schwedens
in kulturgeographische Landschaften
auf Grund der Stadtanlagen 1X7
--: Die wissenschaftlichen Ergebnisse
der 11. Thule-Expedition Knud Ras-
mussens nach Nordgrönland 1916
bis 1918 4f>7
— : Die Expediton Robert J. Hahertjs
nach den Belcher- Inseln und der
üngava-Halbinsel
— : FZine geologische Forschungsreise
in Deutsch-Ostafrika
— : Die Judia-Untiefe
— : Tote Landschaften und der Gang
der Erdgeschichte
— : Die Sierra de Perijä
— : Die Southampton-Insel
— : Südwest-Tasmania
— : Die Tuomatu-Inseln
Frohninayer. O.: Kreuz und quer
durch Nordgraubünden
Gabun, französische Kolonie in Afrika
Gebirgsbildung, Behrmann, W. :
Neuere Anschauungen über die
— , Stille, H.: Hebung und Faltung im
sogenannten Schollengebirge v
Geiser. W. : Die Islandfischerei und
ihre wirtschaftsgeographischc Bedeu-
tung T
Geodäsie. Centennial Celebration of
the United States' Coast and Geodetic
Survcy April 5 and 6 191 6 i Wede-
meyer)
Geologie, Behrmann, W.: Der tekto-
nische Aufbau von Mittelmazedonien
— , — : Die glaziale Entwicklungs-
geschichte Nordwest-Skandinaviens
— , — : Die jüiigere tektonische Ge-
schichte Hessens
, Frey, G.: Neue Beiträge zur Frage
nach der Entstehung von Korallen-
i inseln
! — , — : Neue Beiträge zur Geographie
und Tibestis und seiner Nachbar-
gebiete
— , — : F^ine geologische Forschungs-
I reise in Deutsch-Ostafrika
I — , Koert. W.: Der Krusteneisenstein
in den deutsch-afrikanischen Schutz-
! gebieten, besonders in Togo und im
j Hinterlande von Tanga v
— , Mordziol, C. : Einführung in den
geologischen Unterricht +
- . Solch, J.: Beiträge zur eiszeitlichen
Talgeschichte des steirischen Rand-
79
190
382
284
83
383
467
383
t295
••'249
469
103
.98
-'94
279
377
193
280
190
99
Inhaltsverzeichnis.
VII
gebirges und seiner Nachbarschaft
(Machatschek) ts^y
Geologie, Sonntag, P.: Neue geolo-
gische Bilder und Skizzen aus West-
preußen t200
— , Werth, E.: Das Eiszeitalter (Machat-
schek) -fgS
— , Wolff, W. : Erdgeschichte und Boden-
aufbau Schleswig-Holsteins 1-296
Siehe Bodenkunde. Erdbeben, Landes-
kunde, Tektonik, Paläoklimatologie,
Petrographie, Vulkanismus.
Geomorphologie, Quaas, A. : Das
Rurtal 200
Geophysik. Siehe Erdmagnetismus.
Gesellschaften, neue geographische
— (Baschin) 89
Gesellschaft für Erdkunde, Auf-
nahme neuer Mitglieder 106, 109, iii,
210, 301, 303, 305, 393, 394, 474
— , Geschäftsbericht des Generalsekre-
tärs für das Jahr 1918 107
— , Mitteilungen des Vorsitzenden 106,
108, iio, 208, 304
— , Rechnungsabschluß für das Jahr 1918 305
— . Sitzungen, Allgemeine 105, 107, 110,
112, 20S, 301, 302, 304, 393. 473
— , — , P'ach — 106, HO, 208, 302, 394
— , Statutenänderung 474
— , Stiftungen, Bekanntmachung be-
treffend die Henry Lange — 384
— , — , Ferdinand von Richthofen — 208
— , — , Ferdinand und Irmgard von
Richthofen — 108
— , — , Karl Ritter 108
— , — , Rudolf ^'ircho^v 108
— , Tod von Mitgliedern 106, 107,
301, 302, 304. 393. 473
— , Wahl des Beirates für das Jahr 1919 105
— , Wahl des Beirates für das Jahr 1920 474
— . Wahl des Vorstandes, für das Jahr
.1920 393
Gießberge r, H.: Das Reichenhaller
Einsturzbeben vom 19. November 19 10 799
G i e s e n h a g e n , Warburg, O. : Die
Pflanzenwelt II 1-292
Göldjük, See in Kleinasien ^236
Götzinger, G.: Die Eisverhältnisse
der Lunzer Seen (Ule) t9o
Grabmayr, K. v.: Süd-Tirol "''295
Gradmann: Pflanzen und Tiere im
Lehrgebäude der Geographie t-298
-: Das Schichtstufenland *ii3
Gradzählung, Penck. A.: Die —
der Karte des Deutschen Reiches
I : 100 000 184
Graf, G. E.: Die Entwicklung des
Stadtgrundrisses von Berlin 1-99
— : Die geographische Lage des ober-
schlesischen Industriereviers 'fi^9
— : Die Landkarte Europas gestern
und morgen t295
Graui)ünden, trohnmeyer, O.: Kreuz
und quer durch Nord 7295
Grisebach. M.: Die deutsche Aus-
wanderungsfrage und ihre Lösung +390
Grönland, Frey, G.: Die wissen-
-schaftlichen Ergebnisse der II.Thule-
Expedition Knud Rasmussens nach
Nord — 1916 bis 1918 467
Großgrundbesitz in Weißrußland '51
Gucrra, J. G.: La soberania chilena
en las islas al Sul del Canal Beagle
(Steffen) 1385
Haberlandt. A. : Kulturwissenschaft-
liche Beiträge zur Volkskunde von
Montenegro, Albanien und Serbien
(Krebs) +90
Häberle. D.: Die Höhlen der Rhein-
pfalz T199
Halb faß, W. : Deutschland, nutze
deine Wasserkräfte t295.
Hann, J. v. : Zum Klima von Caracas *i58
— : Untersuchungen über die tägliche
Oszillation des Barometers. IlI 1-204
Hassert, K,: Johann Joachim Becher,
ein Vorkämpfer deutscher Kolonial-
politik im 17. Jahrhundert t2ü4
— : Wesen und Bildungswert der Wirt-
schaftsgeographie V29S
Hassinger, H.: Beiträge zur Physio-
geographie des inneralpinen Wiener
Beckens und seiner Umrandung 1-99
— : Über einige Aufgaben geographi-
scher Forschung und Lehre 7391
Haustypen, in Rumänien ^39
Hedin, S.: Jerusalem rioo
Hell mann, G.: Über die nächtliche
Abkühlung der bodennahen Luft-
schicht "i"204
— : Über die Bewegung der Luft in den
untersten Schichten der Atmosphäre ^298
— : Regenkarte von Deutschland ''"392
— : Über warme und kalte Sommer T204
— : Neue Untersuchungen über die
Regenverhältnisse von Deutschland t-95
— : Über milde Winter "f"io2
— : Über strenge Winter +102
Hennig, R., Baltzer. F..: Die Kolonial-
bahnen mit besonderer Berücksichti-
gung Afrikas t95
Herre, P., Weule, K.. ßethe, E.,
Schmeidler, B., Doren, ^. : Kul-
turgeschichte des Krieges (Vogel) "1-287
Herzegowina, Moscheies, J.: Das
Klima von Bosnien und der — ■r99
Hessen, Behrmann. W.: Die jüngere
tektonische Geschichte — s 377
— , Maull, O.: Die Landschaft um
Marburg a. d. L. in ihren morpho-
logischen Beziehungen zur weiteren
Umgebung +389
Hettner. A.: Die Einheit der Geogra-
phie in Wissenschaft und Unterricht 7205
\'fn
Inhaltsvcrzoichnis.
185
195
T-'97
TI04
r 1 99
2(>5
llcydc, H.: Die liöhennuUpunkte der
amtlichen deutschen Kartenwerke 1205
: Die Nationalitäten in den deut-
schen Oritprovinzcn
: Die Zonenzeit auf See 88,
H i ntcrindi en, Bouterwek, K.: Das
Land der meridionalen Stromfurchen
im indo - chinesisch - tibetanischen
Grenzgebiet
llildebrand, G.. Mansfeld, A. u.
Englische Urteile über die deutsche
Kolonisationsarbeit T202
Historische Geographie,
Kischer, J.: I^appus und die Ftole-
mäuskarten t336
— , Miller,K.: ItinerariaRomanalVVeiß) •J-2S6
— , Partsch, T. : I^ie Stromgabelungen
der Argonautensage ^391
— , Schlaginhaufen, O. : Le Maire 's
. Claes-Pietercz-Bucht an der (^stküste
Neu-lrlands aoi
- . Wagner, H.: Die Legende der
Längenbestimmung Amerigo Ves-
puccis nach Mondabständen
Höhlenkunde, Häberle. D.: Die
Höhlen der Rheinpfalz
Höhennullpunkt, Heyde, H.. Die
— e der amtlichen deutschen Karten-
werke "1
lloltsmark, J. u. Sverdrup, H. U.:
i'ber die Beziehung zwischen Be-
schleunigungen und Gradienten-
änderungen und ihre prognostische
Verwendung ti04
- — : Über die Reibung an der Erd-
oberfläche und die direkte Voraus-
berechnung des Windes mit Hilfe
der hydrodynamischen Hewegungs-
gleicliungen ■I104
Hydrobiologie, Geiser, W.: Die Is-
landfischerei und ihre wirtschafts-
geographische Bedeutung tigS
' des Ob (Pohle) "•■■408
Hydrographie, Halbfaß,W. : Deutsch-
land, nutze deine Wasserkräfte
Veränderungen' der L^nter-
frankens (Krebs) v3-'N
Siehe Binnenschiffahrt . Flußkunde.
Hydrobiologie. Meereskunde, Seen-
kunde.
Inlandeis, in Antarktis 122
Indien, Siehe Hinterindien. 90
Indischer, Verkehr auf dem - 86
Island, Geiser, W.: Die — fischerei
imd ihre wirtschaftsgeographischc
Bedeutung ri98
, — : An account of the physical
geography of Iceland (Spethmann) "I^i
— , Thoroddsen, Th.: Arferdi ä i
i Thüsund Ar (Spethmann 1 Y91
- , ' : Ferdabük (Spethmann) jgi
, -: Lysing — s (Spethmann) 791
295 ^
Isopachyten, Linien gleicher Mäch-
tigkeit des Diluviums, in Polen ■'■140
Italien, Krebs, N.: Das österreichisch-
italienische Grenzgebiet ti99
Jäger, F.: Fünf Kriegs- und For-
schungsjahre in Deutsch-.Südwcsl-
afrika 304
Jahrbuch der Urania und Astrono-
mischer Kalender für das Jahr 1918 |io5
J a h r h u n d e r t f e i e r , Zur der Bonner
L^niversität t39i
Ja mal- Halbinsel. Westsibirien ^416
Jamanlar-Dag, Gebirge nordöstlich
Smyrna '•'242
Jentzsch. A.: Heiträge zur Seenkunde
( Ulc) _ 1-384
Jerusalem. Hedin, Sven: tioo
Judia-Unti efe, Frey. G.: Die - — 382
Kanada. Siehe Canada.
Kara-göl. See am West hang des
Kara-Dag, Kleinasien i-240
Karpathcn *40
Karpathen Vorland , südliches — *34
Karschak-Dag, Gebirge in Klein-
asien w(?stlich Afiun-Kara-Hissar Y242
Karstformen, in Rumänien *4i
Kartenprojektionen, Maurer. H.:
Zenitale und azimutale Abbildungen T164
— . Behrmann. W.: Eine neue Projek-
tion mit gradlinigen größten Kugel-
krcisen 86
Kartographie. Hehrmann, W.: Eine
neue Projektion mit geradlinigen
größten Kugelkreisen 86
. Fischer, J.: Papjjus uml die I'tole-
mäuskarten "''336
— . Heyde, H.: Die Höhennullpunkte
der amtlichen ileutschen Karten-
werke "''205
— , Krebs. N. : Die Bedeutung iler geo-
graphischen Karte V298
— , Maurer, H. : Kann die Winkeltreue
in FLinzelpunkten winkeltreuer Karten
fehlen? t39'
, - : Zenitale und azimutale .Ab-
bildungen *'iö4
, Penck, A.: Die Gradzähluiig der
Karte des Deutschen Reiches
I : 1 00 000 1 84
, - : Ausstellung von Kriegsk.uten 110
. Präsent, H : Aus der Geschichte
der — Kongreß-Polens t2oo
, Thorade. H.: Die .Ausmessung der
Loxodrome 87
, Wagner. H.: Die Legende der
Längenbestimmung .Amerigo \'es-
puccis nach Mondabständen tiü4
, Wedemeyer. .A.: Das Messen .uif
geographischen Karten 283
, — : Die .Ausmessung der Loxodrome 194
, Wolkenhauer, W.: Aus der Ge-
schichte der — tio5
Inhaltsverzciclini-
IX
Riesling, H. v.: Damaskus
Kleinasien, Philippson, A.: Glaziale
und pseudoglaziale Formen im west-
lichen —
, Kiesling, H. v. ;
Damaskus
Seite
•"3 90
229
'"390
V. : Zum
379
429
275
'"39-'
95
Klimaänderungen, postglazialc in
Skandinavien
— , in Westsibirien (Pohlei
— . in Zentralasien (Leuchs
Klimakunde, Hann. J.
Klima von Caracas
— , Hellmann. G. : Regenkarte von
Deutschland
— , — : Neue Untersuchungen über die
Regenverhältnisse von Deutschland
— , Moscheies. J.: Das Klima von l^os-
nien und der Herzegowina (-99
— , Nordenskjöld. O.: Studien über
das Klima am Rande jetziger und
ehemaliger Inlandeisgebiete T102
Siehe Paläoklimatologie.
Klotz, F.: Mit Stift und Stab 1-298
Koch-Grünberg, Th. : Vom Roroima
zum Orinoko (Üie) T93
Kodja-Jaila, Tal in Kleinasien *238
Kölzer, ]., Wunderlich, E., Fax, S.
sen.. Fax, P\ jun., Praesent, H.: Die
Grenzen Kongreß-Polens T201
Koert, W.: Der Krusteneisenstein in
den deutsch-afrikanischen Schutz-
gebieten, besonders in Togo und im
Hinterlande von Tanga 1
K o lu m b i a , Frey.G. : DieSierra dePerijä
Konda, Fluß in Westsibirien iPohle) ^
Kongreß-Polen. Siehe Polen.
Koralleninseln. Frey, G.: Neue Bei-
träge zur Frage nach der Entstehung
von —
Kr ämer-Bannow, E. : Bei kunst-
sinnigen Kannibalen der Südsee
(Sapper)
Krebs, N.: Die ]5edeutung der geo-
graphischen Karte •!
— : Belgrad -1
— : Das österreichisch-italienische Grenz-
gebiet "^'99
— : Haberlandt. A. : Kulturwissenschaft-
liche Beiträge zur \'olkskunde von
Montenegro. Albanien und Serbien -1-90
— : Morphologische Probleme in Unter-
franken *307
— : Die anthropogeographischen Räume
der Balkanhalbinsel 799
Krtistenbe wegungen , orogenetische 470
— , epeirogenetische - 470
— , in Westsibirien (Fohle) '45^
Krusteneisenstein. Koert. W.: Der
— in den deutsch - afrikanischen
Schutzgebieten, besonders in Togo
luid im Hinterlande von Tanga rioi
Krzymowski. R.: Philosophie der
Landwirtschaftsichre ''"299
101
83
419
193 —
"'■95
■298
-199
Kühn, F.: Geographischer Bericht aus
Argentinien während der Kriegs-
jahre 1914 bis 1919 *442
Kulturlandschaft, in Weißrußlancl *64
L ä n g e n b e s t i ni m u n g , geographi-
sche, Wagner, H.: Die Legende der
— Amerigo V'espuccis nach Mond-
abständen VI 04
Laida, Niederungstundra (Fohle) *-i33
Lampe, F.: Bericht über die Tätig-
keit der Königlich preußischen Haupt-
stelle für den naturwissenschaftlichen
Unterricht TJ97
— : Der bildende Wert des erdkund-
lichen Schulunterrichts ''"299
Landeskunde, Andersson, G.: Austra-
lien Natur och Kultur iPenck, A.i ti95
— . Arnheim, F.: Schweden (Braun i rSg
— , Behrmann, W. : N. W. Amazonien 466
— , — : Detzners Forschungen in Neu-
guinea *37i
— . — : Die Landschaften Rumäniens *29
— , — : Reise an der Grenze von China
und Tibet 190
— . Frey, G.: Die wissenschaftlichen
Ergebnisse der IL Thule-Expedition
KnudRasmussens nach Nordgrönland
1916 bis 1918 467
- , — : Die Expedition Robert ]. Fla-
hertys nach den Belcher-Inseln und
der Ungava-Halbinsel 79
— . — : Neue Forschungen im Innern
Marokkos 379
— , — : Die Forschungsreise von Ha-
milton Rice nach dem Rio Negro,
Januar bis März 191 7 84
— , — : Die Sierra de Perijä 83
Die Southampton-Insel 383
— , ---: Südwest-Tasmania 467
— , — : Die Tuomatu-Inseln 383
— , Grabmayr, K. v.: Süd-Tirol "'"295
— , Hedin. Sven: Jerusalem rioo
— , Klotz, F.: Mit Stift und Stab V389
— . Koch-Grünberg, Th.: Vom'Roroima
zum Orinoko (Ulei 793
— . Krämer-Bannow. E.: Bei kunst-
sinnigen Kannibalen der Südsee
(Sappen .. V95
— . Kühn. F.: Geographischer Bericht
aus Argentinien während der Kriegs-
jahre 191 4 his 191 9 *442
— , Leuchs, K.: Die wissenschaftlichen
Ergebnisse von Merzbachers Reisen
im östlichen Tian-Schan *269
— , Luther. A. : Rußland. II fi99
— , Lutz: Über Reisen in .Mittel-
amerika T 209
— , Meyer, H.: Die französischen Ko-
lonien Mittclafrikas ■■247
— . Moritz. B.: Bilder aus Palästina,
Nord-Arabien und dem Sinai iBlan-
kenhorn) ^197
X
Inhaltsverzeichiiis.
Seile
Landcskiiiidc. I'ciuk. \V.: Zur
von Thrazien ^35^
, Pohlc, R.: Beiträge zur Kenntnis
der westsibirischen Tiefebene *395 i
, l\ohrbach, P. : Armenien t297
, Sarasin, F.: Neu-Caledonien und
die Loyalty-Inseln iSapper) T289
, Sprigade, F.: Die französische Ko-
lonie Dahomey tio2
. Thoroddsen, Th.: An account of
the physical gcography of Iceiand
(Spethmann) _ ''Vi
, — : Arferdi ä Islandi iThusund Ar
(Spethmann) "i'9i
— , — : Ferdabok (Spethmann) 791
: Lysing Islands (Si)ethmann) tgi
, Trautz: Reiseeindrücke aus der
südlichen Mandschurei 474
, Wegener, C: Der Zaubermantcl 1392
, Wilde. E.: Deutschböhmen t390
, Wunderlich, F., Kölzer, J., Fax, E.
sen., Fax, F. jun., Fraesent, H.: Die
Grenzen Kongreß-Polens t2oi
Siehe Anthropogeographie, Geologie.
Geomorphologie, Klimakunde, Mor-
phologie, Orographie, Fflanzengeo-
graphie, Fhysiogeographie, Tiergeo-
graphie.
I.cuchs. K.: Die wissenschaftlichen
Ergebnisse von Merzbachers Reisen
im östlichen Tian-Schan "269
Lewin, E.: Deutsche Kolonisatoren in
Afrika t202
Ligocky, J.: Sechs Millionen verloren 7205
Loxodrome; Thorade, H. : Die Aus-
messung der — 87
-,\Vedemeyer,A.: Die Ausmessung der — 194
Loyalty-Inseln, Sarasin, F.: Neu-
Caledonien und die (Sapper) 7289
Lunzer Seen, Götzinger, G.: Die Eis-
verhältnisse der (Ule) 790
Luther. A.: Rußland. II i-199
Lutz: (Jbcr Reisen in Mittelamerika 209
Machatschek. F.:. Neue Lehr- und
Handbücher zur allgemeinen Erd-
kunde *176
— . Solch, J.: Beiträge zur eiszeitlichen
Talgeschichte des steirischen Rand-
gebirges und seiner Nachbarschaft 7387
, Werth, E.: Das Eiszeitalter 796
Main, Entstehung des — tales (Krebs) *33o
Mandschurei, Trautz: Reiseein-
drücke aus der südlichen 474
.Mansfeld, A. u. Hildebrand. G.: Eng-
lische Urteile über die deutsche Ko-
lonisationsarbeit ■r202
Marokko, Frey, G.: Neue Forschun-
gen im Innern s 379
Marquardsen. H.: Studien über
.Angola Tioi
Maull. O : Die Landschaft um Mar-
burg a. d. L. in ihren morpholo-
gischen Beziehungen zur weiteren
Umgebung '''389
Maurer. H.: Zenitale und azimutale
Abbildungen '164
: Kann die Winkeltreue in Einzel-
punkten winkeltreuer Karten fehlen? t39i
Mazedonien. Behnrann, W.: Der
tektonische Aufbau von Mittel — 279
Meere, Siehe Ozeane.
Meereskunde, Centennial Celebra-
tion of the United States' Coast and
(ieodetic Survey April 5 and 6 1916.
, Frey,. G.: Die Judia-Untiefe 382
— , -Meinardus, W. : Luftkreis und Welt-
meer im Lehrbereich der Geographie t299
Melanesien. .Siehe Loyalty-Inseln.
Neu-Caledonien, Neuguinea, Neu-
Irland, Neu-Fommern.
Meteorologie, Dietsch, M.: Unter-
suchungen über die Änderung des
Windes mit der Höhe in Zyklonen f204
— . Hann, J. v.: Untersuchung.en über
die tägliche Oszillation des Baro-
meters III. Die dritteltägige Luft-
druckschwankung T204
— . Hellmann, G.: Über die nächtliche
Abkühlung der bodennahen Luft-
schicht T204
— , — : Über die Bewegung der Luft in
den untersten Schichten der Atmo-
sphäre • t298
— , — : Über warrne und kalte Sommer T204
— , — : Über milde Winter T102
— , — : Über strenge Winter -»-102
— , Meinardus. W.: Luftkreis und Welt-
meer im Lehrbercich der Geographie T299
— , Schreiber, F. : Einrichtung und Auf-
gaben der im Weltkriegsjahr 1915
erbauten Wetterwarten auf der
Wahnsdorfer Kuppe bei Dresden
und auf dem Fichtelbeigc t2o6
— , Sverdrup, H. U. u. Holtsmark, j.:
i'ber die Beziehung zwischen Be-
schleunigungen und Gradientenän-
derungen und ihre prognostische
Verwendung •(•104
— , Sverdrup, H. U.: Über den Energie-
verbrauch der Atmosphäre T103
Meyer, H.: Die französischen Kolonien
Mittelafrikas ^247
M i 11 er . K.: Itineraria Romana (Weiß) t286
Mittelafrika, Marquardsen, H.: Stu-
dien über .Angola hoi
— , Meyer. H.: Die französischen Kolo-
nien — s *247
Mitielamerika. Lutz: Über Reisen
in — 209
Mitteldeutschland, Siehe Hessen.
Sachsen, Thüringen.
Mitteleuropa. Siehe Alpen. .Alpen-
' länder. Böhmen, Deutsches Reich.
Österreich, Polen, Rumänien.
Inhaltsverzeichnis
XI
Mittclkongo, französisclic Kolonie ^250
Montenegro, Haberlandt, A.: Knltur-
wissenschaftliche Beiträge zur Volks-
kunde \on , Albanien und Serbien
(Krebs) "i^o
Mordziol, C: Einführung in den geo-
logischen Unterricht t-99
Moisel, iM.: Das Generalgouvernement
von Französisch- Aquatorialafrika
(Meyer) V248
Moritz, B.: Bilder aus Palästina,
Nord-Arabien und deni Sinai
(Blanckenhorn) • iigy
Morphologie, Behrmann, W.: Die
Gipfeltlur in den Alpen 186
— , — : Die norddeutschen Inlands-
dünen durch westliche Winde auf-
geweht 278
— . — : Der Nordostrand des Thüringer
Waldes 277
— , — : Der Vorgang der Selbstver-
stärkung *i53
— , Bouterwek, K. : Das Land der
meridionalen Stromfurchen im indo-
chinesisch-tibetanischen Grenzgebiet "["297
— , Braun. G.: Das Rheingebiet ober-
halb Basel "^ii
— , Frey, G.: Tote Landschaften und
der Gang der Erdgeschichte 285
— . Gradmann, R.: Das Schichtstufen--
land *ii3
— , Häberle. D.: Die Höhlen der Rhein-
pfalz - ti99
— , Krebs, N.: Morphologische Pro-
bleme in Unterfranken *307
— , MauU. O.: Die Landschaft um
Marburg a. d. L. in ihren morpho-
logischen Beziehungen zur weiteren
Umgebung '<'3^9
— , Penck, W. : Reisen in der Puna von
Argentinien 1 1 1
— , Philippson, A. : Glaziale und pseudo-
glaziale Formen im westlichen Klein-
asien ""'229
— . — : Die Lehre vom Formenschatz
der Erdoberfläche 1300
— , Sapper, K. : Geologischer Bau und
Landschaftsbild (Solch) 7386
— , Solch, J.: Beiträge zur eiszeitlichen
Talgeschichte des steirischen Rand-
gebirges und seiner Nachbarschaft
(Machatschek) t3S7
— , Wunderlich, E.: Die Bedeutung
der diluvialen Ablagerungen für die
Entwicklung des polnischen Flach-
landes "■■ 1 40
— , Zahn, G. v.: Die Moräne im Schnee-
tiegel im Thüringerwald 7201
— , Siehe Landeskunde.
Moscheies,].: DasKlimavon Bosnien
und der Herzegowina 199
- : Die Postglazialzcit in Skandinavien ti99
Seite
Muluya, Fluß in Marokko 381
Mysi scher Olymp, Kleinasien *23o
Mzik, H. V.: Was ist Orient.' Iioo
Neu-Caledonien. Sarasin, F.:
und die Loyalty- Inseln (Sapper) '(28^
Neuguinea. Behrmann, W. : Detzners
Forschungen in — '371
Neu-Irland, Schlaginhaufen, O.: Le
Maire's Claes Pietercz-Bucht an der
Ostküste — — 's tioi
N e u - M e c k 1 e n b u r g , Krämer-Bannow,
E. : Bei kunstsinnigen Kannibalen der
Südsee (Sapper) T95
Neupommern, (Jffermann. J.: Bei-
träge zur Petrographie der Insel — fioi
Neu-Süd -Wales, Handbuch von
— (Penck-, A.) 'cigb
Niederösterreich, Götzinger, G.:
Die Eisverhältnisse der Lunzer Seen
(Ule) T90
— , Hassinger. H. : Beiträge zur Physio-
geographie des inneralpinen Wiener
Beckens und seiner Umrandung . 799
N o r d a f r i k a , Siehe Ägypten. Marokko,
Sahara, Tibesti.
Nordamerika, Siehe Canada, U. S.
Amerika.
Nordasien, Siehe Sibirien.
Norddeutschland, Behrmann, W.:
Die norddeutschen Inlandsdünen
durch westliche Winde aufgeweht 2 78
Siehe Brandenburg, Posen, Schlesien.
Schleswig-Holstein, Westpreußen.
Nordeuropa, Siehe Island, Skandi-
navien.
Nordenskjöld. ü.: Studien über das
Klima am Rande jetziger und ehe-
maliger Inlandeisgebiete tio2
Norwegen. Slanar, H.: Bergen tioo
Osterreich, Österreichische Wasser-
straßen 7296
Siehe Alpenländer. Böhmen, Bosnien,
Herzegowina.
Paläoklimatologie, — , Bölsche,W. :
Eiszeit und Klimawechsel T203
— , Moscheies, J.: Die Postglazialzeit
in Skandinavien "^199
— , Nordenskjöld, O.: Studien über das
Klima am Rande jetziger und ehe-
maliger Inlandeisgebiete fioj
Ob. Fluß in Westsibirien (Pohlc) ""395
Obbusen, Westsibirien (Pohle) ■417
Obersenegal und Niger, franzö-
sische Kolonie ^253
Offermann, J.: Beiträge zur Petro-
graphie der Insel Neupommern jioi
Oldonyo Lengai, Frey G.: Ein Aus-
bruch des — — 382
Orinoko, Koch-Grünberg. Th. : Vom
Roroima zum — (Ule) ■'r93
Orographic, Marquardsen, H.:
Studien über Angola fioi
XII
Inhaltsverzeichnis.
Posen.
H.: Die
i
. Kölzer,
H.: Die
O r t s n a m c n k u n d e, Weilirulilands
Ostafiika, P'rey, G.: Diejudia-Untiefe
— , Siehe Dcutsch-Ostafrika.
Ostasien, Siehe China.
Ostdeutschland, Siehe
Schlesien, VVestpreußen.
Osteuropa, Siehe Rußland.
Ozeane, Baschin, O. : Über die Ver-
kehrswege zur See am Ende des
Weltkrieges
Ozeanographie, Siehe Meereskunde.
Palästina, Hedin, Sven: Jerusalem.
— , Moritz. B. : "Bilder aus — . Nord-
arabien und dem Sinai (Blancken-
■ Jiorn)
— , Range. Die neuen Eisenbahnlinien
in -
Papp US, alexandrinischer Kartograph
(um 290.'' n. Chr.) (Fischen
Bartsch, J.: Die Stromgabelungen
der Argonautensage
i'ax, E. sen.. Wunderlich E., Kölzer,
J., Pax, F. jun., Praesent,
Grenzen Kongreß-Polens
Pax, F. jun., Wunderlich. E
J., Pax, E. sen., Praesent.
Grenzen Kongreß-Polens
Pazifischer. Verkehr auf dem
Penck, A.: Andersson, G. : Australien
Natur och Kultur
— : Ausstellung von Kriegskarten
— : Deutsche, Polen und Kassuben in
Westpreußen und Posen
— : Die Gradzählung der Karte des
Deutschen Keiciies
— : Über politische Grenzen
— : Die deutsch- polnische Sprach-
grenze
Penck, W.: Zur Landeskunde von
Thrazien
— : Reisen in der l'inia von Argen-
tinien
Peru, Behrniann. \\.: Eine For-
schungsreise in die Anden von —
Petrographie: Offermann, J.: Bei-
träge zur - der Insel Neupommern
P f 1 a n z e n g e o g r a p h i e , Gradmann :
Pflanzen und Tiere im Lehrgebäude
der Geographie
— , Schönichen, W.: Die Verteilung des
Waldes im Deutschen Reiche
". Warburg, ().: Die Pflanzenwelt
iGiesenhagenj
— , Siehe Landeskunde.
l'hilippson, A.: Glaziale und pseuilu-
glaziale Formen im westlichen Klein-
asien
— : Inhalt, l'^inheitlichkcit und L^mgren-
zung der Erdkunde und des erd-
kundlichen l'ntcrrichts
— : Die Lehre vom Formensrhatz der
Erdoberiläche
Seite
*70
3H2
'^5
T 1 00
VI 97
463
f39^
1-201
r2oi
«5
;-i97
1 10
184
iio3
loS
^35«
1 1 1
-VS3
T 1 O I
1-298
r296
t292
"^229
V299
1-300
Philipj)Son, .-X.: Johann Justus Rein t2o6
Physiogeographie, Hassinger, H. :
Beiträge zur — des inneralpincn
Wiener Beckens -rgg
Pohle. R.: Beiträge zur Kenntnis der
westsibirischen Tiefebene *39.S
- : Die Probleme des Nordens t2o6
Polargebiete, Nordenskjöld. ().:
Studien über das Klima am Rande
jetziger und ehemaliger Inlandeis-
gebiete -ri02
— , Siehe Antarktis, Arktis.
Politische Geographie, Graf, G.E.:
Die Landkarte FLuropas gestefn und
n-iorgen T295
— . Guerra, J. G.: La soberania chilena
en las islas al Sul del Canal Beagle
(Steffen) T385
--, Krebs, N.: Das österreichisch-ita-
lienische Grenzgebiet ■I-i99
— ■, Penck, A. : Über politische Grenzen tio3
— , Rein, K.: Wie England die deut-
schen Kolonien bewertet iioi
— . Reinhard, R. : Weltwirtschaftliche
und politische Erdkunde ■1'30ü
— , Die Südgrenzc. der deutschen
Steiermark -r2oi
— , Thurnwald, R.: Politische Gebilde
bei Naturvölkern t392
, \'ogel, W.: Deutschlands bundes-
staatliche Neugestaltung 7200
— , Siehe Landeskunde.
Polen, Brandt. B.: Geographischer
Bildcratlas des polnisch -weißrussi-
schen Grenzgebietes tgS
— , Frey. G.: Bilder aus dem Gesund-
heitswesen in — aus der Zeit der
deutschen \''erwaltung t389
— . Praesent. H.: Die Bevölkerungsgeo-
graphie des Cholmer Landes •i"99
— , — : Aus der Geschichte der Karto-
graphie Kongreß s t2oo
— . Schultz. A. : Ethnographischer Bil-
deratlas von - tioo
, Wunderlich, E. : Geographischer
Bilderatlas von — yioo
, — : Die Bedeutung der diluvialen
Ablagerungen für die Entwicklung
des polnischen Flachlandes *i4o
— . — , Kölzer, J., Pax, E. sen., Pax, F.
jun.. Praesent, H.: Die Grenzen Kon-
greß— s ■(•20 1
Polynesien. Frey. G.: Die Tuomatu-
Inseln 3'*^3
Posen, Heydc, H.: Die Nationalitäten
in den deutschen Ostprovinzen 185
— , Penck, A.: Deutsche, Polen und
Kassuben in Westpreußen und — 79
Praehistoric, Schlaginhaufen, O.:
Über die menschlichen Skelettreste
aus dem Pfahlbau am Alpen(|uai in
Zürich l-ioo
liiliahs\frzoiclini:>
XII
Praesent, H.: Die Bevölkerungsgeo-
geographie des Cholmer Landes 1-99
— : Aus der Geschichte der Karto-
graphie Kongreß-Polens f^oo
— : Wunderlich, E, Kölzer. J., Pax, E.
seil., Pax, F. jun. : Die Grenzen Kon-
greß-Polens t20I
Protest der Gesellschaft für Erdkunde
gegen die Ausstoßung Deutschlands
aus der Reihe der kolonisierenden
Mächte "24
Ptolemäuskarten, Fischer, J.:
Pappus und die - *336
Quaas, A.: Das Rurtal "hoc
Quellenkunde, Zur — von Süd-
westdeutschland (Krebs) *3io .
Ramann, E. : Bodenbildung und Bo-
deneinteilung (Stremme) t472
Range: Die neuen Eisenbahnlinien in
Palästina 463
Reichen hall, Gießberger, H. : Das j
— er Einsturzbeben vom 19. Novem-
ber 1910 J99
Rein, K.: Wie England die deutschen
Kolonien bewertet jioi
— : Kolonien! Eine deutsche Muß-
forderung t202
Reinhard, R.: Weltwirtschaftliche
und politische Erdkunde t3oo
Rhein, Braun, G.: Das — gebiet
oberhalb Basel *2ii
Rheinpfalz, Häberle, D. : Die Höhlen
der — ti99
Rhön, Dietrich, B.: Wirtschaftsgeo-
graphie der — ■i"98
Rio Negro, Frey, G,: Die Forschungs-
reise von Hamilton Rice nach dem
— — , Januar bis März 191 7 84
Rohrbach, P. : Armenien 7297
Roroima, Koch-Grünberg, Th.: Vom
— zum Orinoko (Ule) t93
Rossein, In Unterfranken (Krebsl *3io
Rumänien, Behrmann, W.: Die Land-
schaften — s *29
— , Spies, G.: Die rumänische Petro-
leumindustrie in der Weltwirtschaft t2oo
Rumpf flächen. In Südwestdeutsch-
land (Gradmann, Braun) *ii6, *2ii
— , in Unter franken (Krebs) *3i9
Rur, Quaas, A. : Das -tal f200
Rußland, Brandt, B.: Geographischer
Bilderatlas des polnisch-weißrussi-
schen Grenzgebietes 1-98
— , — : Beobachtungen und Studien
über die Siedlungen in Weiß —
(Schluß) "46
— , Luther, A.: . II 7199
Sachsen. Schreiber, P.: Einrichtung
und Aufgaben der im Weltkriegsjahr
191 5 erbauten Wetterwarten auf der
Wahnsdorfer Kuppe bei Dresden und
dem Fichtelberge ^206
Sahara, Frey, G.: Neue Beiträge zur
Geographie und Geologie Tibestis
und seiner südöstlichen Nachbar-
gebiete 280
Sandras-Dag, Gebirge inKleinasien "233
Sapper. K.: Geologischer Bau und
Landschaftsbild (Solch) T386
— , Krämer-Bannow, E.: Bei kunst-
sinnigen Kannibalen der Südsee V95
-, Sarasin, F. : Neu-Caledonien und
die Loyalty-Inseln "1"289
Sarasin, F.: Neu-Caledonien und die
Loyalty-Inseln (Sapper) i289
Schahankaja, Berg in Kleinasien *238
Schichtstufenland, Gradmann. R.:
Das — ■ 1 1 3
S chlaginhaufen, O.: Le Maire's
Claes Pietercz-Bucht an der Ostküste
Neu-Irlands iioi
- : ( 'ber die menschlichen Skelett-
reste aus dem Pfahlbau am Alpen-
quai in Zürich tioo
Schlesien. Graf, G. E.: Die geogra-
phische Lage des oberschlesischen
Industriereviers t3S9
-, Heyde, H.: Die Nationalitäten in
den deutschen Ostproviuzen 185
Schleswig-Holstein, Wolff, W. :
Erdgeschichte und Bodenaufbau
s 1296
Schmeidler, B.. Weule. K., Bethe,
E., Doren. A,, Herre. P. : Kultur-
geschichte des Krieges (Vogel) J2S-
Schmidt, Ad.: Besitzt die tägliche
erdmagnetische Schwankung in der
Erdoberfläche ein Potential.'^ f2o6
Schmidt, J.: Die Entstehung des Erd-
systems t3oo
— : Astronomische Irrlehren t30o
Schnee: Deutsch-Ostafrika während
des Weltkrieges *i
Schneegrenze in Antarktika 192
— , Diluviale — im westlichen Klein-
asien (Philippson) ^229
Schneider. A. : Allgemeine Heimat-
kunde +300
Schoenichen: W.: Die N'erteilung
des Waldes im Deutschen Reiche 1-296
Schreiber, P.: Einrichtung und Auf-
gaben der im Weltkriegsjahr 1915
erbauten Wetterwarten auf der
Wahnsdorfer Kuppe bei Dresden
und auf dem Fichtelbergc t2o6
Schul geographie, Behrmann. W.r
Die \'erbreitung weltwirtschaftlicher
Kenntnisse 285
— , Bericht über die Tätigkeit der
Königl. Preußischen Hauptstelle für
den naturwissenschaftlichen L^nter-
richt (Lampe) ti97
— , Hassert, K.: Wesen und Bildungs-
wert der Wirtschaftsgeographie +298
XIV
liihall^verzcichnis.
S.'itf
Schulgcographie. Hassinger, H.:
Über einige Aufgaben geograpiii-
scher Forschung und Lehre 1-391
— . Hettner, A.: Die Einheit der Geo-
graphie in Wissenschaft und Unter-
richt T205.
, Lampe, F.: Der bildende W'ert des
erdkundlichen Schulunterrichts t-299
— , Meinardus. W.: Luftkreis und Welt-
meer im Lehrbereich der Geo-
graphie T299
^, Mordziol, C.: Einführun.L; in den
geologischen Unterricht 7299
— , Philippson, A.: Inhalt, Einheitlich-
keit und Umorenzung der Erdkunde
und des erdkundlichen Unterrichts +299
— , Stucki, G.: vSchülerbüchlein für
den Unterricht in der Schweizer
Cieographie t-96
— . Wagner, F.: Die Stellung der Erd-
kunde im Rahmen der Allgemein-
bildung -f207-
Schulte im Hofe, A.: Auswande-
rung und Auswanderungspolitik t2o6
Schultz, A.: Ethnographischer Bilder-
atlas von Polen iioo
Schweden, Arnheim, F.: (lirauni fSg
— . Frey, (j.: Eine neue Einteilung — s
in kulturgeographische Landschaften
auf Grund der Stadtanlagen 187
Schweiz, Braun. G.: Das Rheingebiet
oberhalb Basel ''"211
, Frohnmeyer, O.: Kreuz und quer
durch Nordgraubünden t295
. Schlaginhaufen, O.: Über die
menschlichen Skelettreste aus dem
Pfahlbau am Alpenquai in Zürich fioo
, Stucki, G.: Schülerbüchlein für den
Unterricht in der Schweizer Geo-
graphie t^96
Seen künde, (jötzinger, G.-: Die Eis-
verhältnisse der Lunzer Seen (Ulej 190
— , Jentzsch, A.: Beiträge zur — (Ule)t385
Scismologic, Siehe FZrdbeben.
Serbien, Haberlandt. A. : Kultur-
wissenschaftliche Beiträge zur Volks-
kunde von Montenegro, Albanien
und — (Krebs) t9o
— , Krebs, N.: Belgrad ti99
Sibirien, Pohle, R: Beiträge zur
Kenntnis der westsibirischen Tief-
ebene *395
Siedlungsgeographie, Brandt, B.:
Beobachtungen und Studien über
die Siedlungen in W^eißrußland
(Schluß) -46
— , Graf, G. ¥..; Die Entwicklung des
, Stadtgrundrisses von Berlin t99
— , — : Die geographische Lage des
oberschlesischen Industriereviers r?,^9
— , Jahrbuch der Urania imd Astro-
nomischer Kalender tio5
Seite
t39o
T199
•i" 1 00
'03
Siedlungsgeogra|)hie , Kiesling,
H. V. : Damaskus
, Krebs, N.: Belgrad
— , Slanar, H.: Bergen
— , Siehe Landeskunde.
Sieger, R.: -Die Nation als Wirt-
schaftskörper 1
Sierra de Per i ja, Frey, G.: Die
Sinai, Moritz, B.: Bilder aus Palästina.
Nord-Arabien und dem iBIam ken-
horn) (197
Sindirgi, Stadt in Kleinasien *238
Skandinavien, Behrmann, W.: Die
glaziale Entwicklungsgeschichte
Nordwest — s 377
— . Moscheies. J.: Die Postglazialzcit
in — ti99
— , Siehe Norwegen, Schweden.
Slanar, H.: Bergen tioo
Solch, J.: Beiträge zur eiszeitlichen
Talgeschichte des steirischen Rand-
gebirges und seiner Nachbarschaft
(Machatschek) 1387
— , Sapper, K.: Geologischer Bau und
und Landschaftsbild t386
Soli fluktion, im Obgebiet 1 Fohle) *433
Sonntag. F.: Neue geologische Bilder
und Skizzen aus Westpreußen -1-200
Sor, Hochflutsee des Ob (Fohle j *4o3
Southamj)! on-1 nsel, Frev, G.: Die
' . 383
Spethmann, H.: Thoroddsen, Th.: An
account of the physical geography
of Iceland fgi
— , — : Arferdi ä Island! i Thüsuiul Ar J9r
— , — ; Ferdabük t9'
— , — : Lysing Islands i-91
Spies, G. : Die rumänische Petroleum-
industrie und ihre Bedeutung in der
Weltwirtschaft -(-200
Sprigade. F.: Die französische Ko-
lonie Dahomey tio2
Stadttypen, Weißrußlands (Brandt) *72
Steffen. H., Guerra, J. G.: La so-
berania chilena en las islas al Sul
del Canal Beaglc -i^S^s
Steiermark, Die Südgrenze der
deutschen - -1-201
, Solch, L : Beiträge zur eiszeitlichen
Talgeschichte des steirischen Rand-
gebirges und seiner Nachbarschaft
(Machatschek) -t-3.S7
Stille. H.: Hebung und Faltung im
sogenannten Schollengebirge "'"103
Stremme, H., Ramann. ¥..: Boden-
bildung und Bodeneinteilung ("472
Stucki, G.; Schülerbüchlein für den
Unterricht in der Schweizer Geo-
graphie t296
Straßendorf, in Weißrußland *46
Südafri ka. Eine südafrikanische geo-
graphische Gesellschai't 8y
Inhaltsverzeichnis.
XV
Südafrika. Siehe Deutsch-Südwest-
afrika.
Südamerika, siehe Argentinien, Bra-
silien, liritisch-Guayana, Chile, Ko-
lumbia, Peru, Venezuela,
Südasien, Siehe Indien.
Südbayern, Gießberger, H.: Das
Keichenhaller Einsturzbeben vom
19. November 19 10 T99
Süddeutschland, Siehe Bayern.
Südeuropa, Siehe Balkanhalbinsel.
Italien.
Südgrenze, Die — der deutschen
Steiermark j2oi
Sverdrup, H. U.: und Holtsmark, J. :
Über die Beziehung zwischen Be-
schleunigungen und Gradientenän-
derungen und ihre prognostische
Verwendung tio4
Sverdrup, H. U.: Über den Energie-
verbrauch der Atmosphäre tio3
Syrien, Riesling, H. v. : Damaskus t390
— , Siehe Palästina.
Talassymetrie, in Unterfranken
(Krebs) '"313
Faldichte, in Unterfranken (Krebs) *3i4
Tanga, Koert. W.: Der Krusteneisen-
stein in den deutsch-afrikanischen
Schutzgebieten, besonders in Togo
und im Hinterlande von — fioi
Tasmania, Frey, G.: Südwest — 467
Tektonik. Behrmann, W.: Der tekto-
nische Aufbau Mittelmazedoniens 279
Thorade, H.: Die Ausmessung der
Loxodrome 87
Thoroddsen, Th.: An account of ihe
physical geography of Iceland (Speth-
mann) ^ t9i
— : Arferdi a Islandi i Thüsund Ar
(Spethmann) 1-91
— : Ferdabök (Spethmann) t9i
— : Lysing Islands (Spethmann) 79 1
Thrazien, Penck, W. : Zur Landes-
kunde von — *358
Thüringen, Behrmann, W. : Der Nord-
ostrand des Thüringer Waldes 277
— , Zahn, G. v. : Die Moräne im Schnee-
tiegel im Thüringerwald t2oi
Thüringer Wald. Behrmann, W. :
Der Nordostrand des es 277
— , Zahn. G. v. : Die Moräne im Schnee-
tiegel im -
Thurnwald, R. : Politische Gebilde
bei Naturvölkern t39^
Tian-Schan, Leuchs, K. : Die wissen-
schaftlichen Ergebnisse von Merz-
bachers Reisen im östlichen — *269
Tibesti, Frey, G.: Neue Beiträge zur
Geographie und Geologie — s und
seiner südöstlichen Nachbargebiete 280
Tibet, Behrmann, W. : Reise an der
Grenze von China und — 1S9
Tibet, Bouterwek, K.: Das Land
der meridionalen Stromfurchen im
indo-chinesisch-tibetanischen Grenz-
gebiet Y297
Tiefsee rinnen, ozeanische. Ihre
Entstehung 470
Tiergeographie, Gradmann: Pflan-
zen und Tiere im Lehrgebäude der
Geographie T29S
--, Siehe Landeskunde.
Tigrigra-Tal, Marokko 380
Tirol, Grabmayr, K. v.: Süd '''^g.s
— . Krebs, N. : Das österreichisch-
italienische Grenzgebiet ■ii99
— , Klotz, P.: Mit Stift und Stab t389
Tmolos-Gebirge, Kleinasien "233
Togo, Koert, W. : Der Krusteneisen-
stein in den deutsch-afrikanischen
Schutzgebieten, besonders in — und
im Hinterlande von Tanga fioi
Transgression, boreale — im Ob-
gebiet (Pohle) '412
Trautz: Reiseeindrücke aus der süd-
lichen Mandschurei 474
Treatment, The — of Native and
other Populations in the Colonial
Possessions of Germany and Englandt203
T s a d t e r r i t o r r i u m , französische Ko-
lonie *2-,2
Tuomatu-InseIn,Frey. G. : Die 3S3
Tundra des Oblandes (Pohle) *437
Ubangi-Schari-Tsad, französi sehe
Kolonie in Afrika *2,si
Ule, Götzinger. G. : Die Eisverhältnisse
der Lunzer .Seen -'\<)o
— , Jentzsch.A. : Beiträge zur Seenkunde 1384
— , Koch-Grünberg, Th.: \'^om Roroima
zum Orinoko t93
Ulus-Dag, Gebirge in Kleinasien *239
Umfang und Bedeutung der öster-
reichischen Wasserstraßen T296
U ngava- Halbin sei. Frey, G.: Die
Expedition Robert J. Flahertys nach
den Belcher-Inseln und der 79
Unter franken, Krebs. N.: Morpho-
logische Probleme in — '307
Uralgletscher, diluvialer — im Ob-
gebiet (Pohlej 'Uio
Urumtschi, Stadt in Kleinasien *269
U.S.Amerika, Centennial Celebration
of the United States' Coast and Geo-
detic Survey April 5 an 1 6 1916
(Wedemeyer) t294
— , Siehe Bermuda-Inseln.
Venezuela, Frey, G : Die Sierra de
Perijä 83
— . Hann. J. v.: Zum KUma von Caracas *i58
— , Koch-Grünberg, Th.: Vom Roroima
zum Orinoko (Ule) t93
Verkehrsgeographie, Baltzer, F.:
Die Kolonialbahnen mit besonderer
Berücksichtigung Afrikas (Hennig 1 +95
XVI
liilialtsvcrzcic Imi?
\'crkehrsgeogiaphie, Baschin. O. :
Über 'die Verkehrswege zur See am
Ende des Weltkrieges 85
— , Miller. R.: ItinerariaKomana( Weiß) '1-286
— . Range, P.: Die neuen Eisenbahn-
linien in Palästina 463
— , Siehe Landeskunde.
Viktoria, Handbuch ü^enck, A.i figö
\'ogel, W. : Deutschlands bundes-
staatliche Neufjestaltung 1-200
— , Weulc. K.. Bcthe, E., Schmeidkr,
B., Doren. A. Herre. P.: Kulturge-
schichte des Krieges -i-287
N'orderasicn, Siehe Arabien. Arme-
nien. Kleinasien. Palästina, Syrien.
\'ulkanismus. Frey. C: Ein Au.s-
bruch des Oldonyo Lengai. 382
Wagner, H.: Die Legende der Län-
genbestimmung Amerigo V'espuccis
nach Mondabständen -'ri04
Wagner. P. : Die Stellung der Erd-
kunde im Rahmen der Allgemein-
bildung -(-207
— : Geographischer Unterricht und
Auslandskunde "r3oo
Wahn sdorfer Kuppe, Schreiber, P. :
Einrichtung und Aufgaben der im
Weltkriegsjahr 1915 erbauten Wetter-
warten auf der — — bei Dresden
und auf dem Fichtelberge -1-206
Walzen bi 1(1 ung. in fließenden Ge-
wässern 1 7 5
Warburg, O.: Die Pflanzenwelt 11
(Giesenhagen) -1-292
Weber. G. : Kulturschulung fjo?
Wedemeyer, A.: Die Ausmessung
der Loxodrome 194
— : Das Messen auf geographischen
Karten 284
— : Centennial Celebration ofthe Uni-
ted States' Coast and Geodetic Sur-
vey April 5 and 6 191 6 293
Wegen er, G.: Der Zaubermantel "1392
Weiß, J., Miller, K.: Itineraria Romanat286
Weißrußland. Brandt, B.: Beob-
achtungen und .Studien über die
Siedlungen in — (Schluß) ■•46
Wert*!!, E.: Das Eiszeitalter (Machat-
schek) -1-96
Westafrika, Siehe Angola, Dahomey,
Gabun, Obersenegal und Niger, Togo.
Tsadterritorium,Ubangi-Schari-Tsad.
Westdeutschland, Siehe Eifel,
Rheinpfalz.
Seite
Westeuropa, Siehe England.
West])reußen, Heyde, H.: Die Natio-
nalitäten in den deutschen Ostpro-
vinzen 1S5
— , Penck. A.: Deutsche, Polen und
Kassuben in und Posen 79
—, Sonntag. P. : Neue geologische
I^ilder und Skizzen aus — r2<)0
Weule, K.. Bethe, E., Schmeidler, B.,
Doren, A.. Herre, P. : Kulturge-
schichte des Krieges (Vogel) 7287
W i e n e I Becken, Hassinger, H. : Bei-
träge zur Physiogeographie des inner-
alpinen s luid seiner Umrandung -i-99
Wilde, E. : Deutschböhmen T39o
Wi r tschaftsgeog raphie, Behr-
mann, W,: Die Verbreitung welt-
wirtschaftlicher Kenntnisse , ' 285 .
— , Dietrich. B.: — der Rhön -f98
^. Geiser. W. : Die Islandfischerei und
ihre wirtschaftsgeographische Bedeu-
tung -h98
— . Hassert, K. : Wesen und ßildungs-
wert der — 1298
, Pohle,R.: Die Probleme des Nordens -i-206
— . Reinhard. R.: Weltwirtschaftliche
und i)olitische Erdkunde -r3oo
— . Sieger, R. : Die Nation als Wirt-
scliaftskörper ti03
— . Siehe Landeskunde.
Wolff. W. : Erdgeschichte und Boden-
aufbau Schleswig-HoLsteins -1-296
Wolkenhauer, W. : Aus der Ge-
schichte der Kartographie 1105
— : Robert von Schlagintweit t207
Wunderlich, E.: Die Bedeutung der
diluvialen Ablagerungen für die Ent-
wicklung des polnischen Flachlandes '140
— : Geographischer Bilderatlas von
Polen -rioo
: Kölzer. J., Pax, E. sen., I^ax, F. jun.,
Praesent, H.: Die Grenzen Kongreß-
Polei-s -1201
Zahn. G. v. : Die Moräne im Schnee-
tiegel im Thüringerwald -1-201
Zeitschri ften, neue geographische — 89
Zoncnzc i t, Heyde, H.: Die auf See 88
•9.S
Zürich, Schla,ü;inhaufen, O.: Über die
menschlichen Skelcttreste aus dem
Pfahlbau am Alpenquai in — -l-ioo
Zyklustheorie, Davis' — (Machat-
schek) *i79
I iriick von K. .•^. Mittlei \: Sohn, Ik
SW68, Kochslralie t>8 71
Deutsch -Ostafrika während des W^eltkrieges.
Vortrag gehalten in der allgemeinen Sitzung am 15. März 1919.
Von Gouverneur Dr. Schnee.
Für die überaus freundlichen Begrüßungsworte, die der Herr Vor-
sitzende der Gesellschaft für Erdkunde sowie seine Magnificenz der
Herr Rektor der Universität und der Herr Sekretär der Akademie der
Wissenschaften an uns heimgekehrte Ostafrikaner gerichtet haben, sage
ich in unser aller Namen unseren herzlichsten Dank. Es ist eine hohe
Ehre für mich, hier in der Gesellschaft für Erdkunde zu reden, welche
stets rein wissenschaftliche Ziele objektiv verfolgt hat und deren wissen-
schaftliche Stellung in der ganzen Welt anerkannt ist, sowie im Beisein
der Herren Vertreter der beiden bedeutendsten wissenschaftlichen Körper-
schaften Deutschlands. ,
Ich will versuchen, einen kurzen Überblick über die Ereignisse
und Zustände in Deutsch-Ostafrika während des Krieges zu geben.
Die Fülle des Materials ist so groß, daß es schwer ist, zu konden-
sieren. Ich hoffe Ihre Zeit nicht zu lange in Anspruch zu nehmen.
Der Krieg hat uns in Deutsch-Ostafrika völlig überrascht und
unvorbereitet gefunden. Wir hatten nur ein Kabel über das englische
Sansibar nach Europa. An der ostafrikanischen Küste befand sich
von der Marine ein kleiner Kreuzer und ein Vermessungsschiff. Unsere
Truppen beliefen sich nur auf 2400 Askari, farbige Soldaten, zur Ver-
hütung von Eingeborenen-Aufständen, und ungefähr 2000 Mann Polizei.
Wir hatten an Waffen fast ausschließlich alte 71er Jägerbüchsen, die
noch mit Schwarzpulver schössen; unsere Küstenplätze lagen offen und
ohne Verteidigungsanlagen da. An Geschützen hatten wir nur ein paar
alte Kanonen, die Salut feuerten. Und dabei behaupten unsere Feinde,
wir seien auf den Krieg vorbereitet gewesen und hätten den Krieg
begonnen! Ich nagele diese erste feindliche Unwahrheit hiermit fest.
Nicht wir haben den Krieg in Ostafrika begonnen und gewollt, sondern
der Feind.
Wir haben ferner keinerlei militärische Pläne oder Eroberungs-
absichten in Ostafrika gehabt. Die einfachen Tatsachen, w^elche ich
angeführt habe, widerlegen diese feindliche Behauptung, Ich füge
hinzu, daß ich nicht nur die Zivilverwaltung, sondern auch die oberste
militärische Gewalt in der Kolonie hatte; ohne meine Kenntnis hätten
derartige Pläne nicht gehegt und bearbeitet werden können. Ich ver-
sichere hiermit feierlich, daß zu keiner Zeit solche Pläne gehegt
worden sind.
Zeitschr. d. Gesellsch. f. Erdkunde zu Berlin. 1919. Nr. 1/2. 1
2 Schnee:
Der Feind hat aber seinerseits Eroberungspläne gehegt. Das ist
bewiesen durch die Berichte des engHschen pohtischen Agenten King,
welcher vor dem Kriege unter dem Namen eines Konsuls in Daressalam
weilte. Dieser hat alles in Ostafrika ausgekundschaftet und in seinen
Berichten niedergelegt, was eine englische Eroberung vorbereiten
konnte. Das englische Kapgeschwader erschien eine Woche vor Kriegs-
beginn vor den ostafrikanischen Häfen. Zwei Tage vor Beginn des
Krieges wurden unsere Kabelnachrichten aus Europa von Sansibar nicht
mehr an uns herübergegeben. Am 5. August früh nahm unsere kleine
Funkenstation den Funkspruch auf, daß wir im Kriege mit England seien.
Ich erwartete von Stunde zu Stunde die Nachricht, daß Deutsch-Ost-
afrika in Gemäßheit des Kongo-Abkommens neutralisiert werden würde.
Die Kongo-Akte sieht vor, daß Zentral-Afrika im Falle eines euro-
päischen Krieges neutralisiert wird. An Stelle dessen erschienen am
8. August zwei englische Kriegsschiffe und bombardierten unsere
Funkenstation in Daressalem. Wir waren sprachlos vor Erstaunen und
Entrüstung. Wir waren entrüstet darüber, daß vor den Augen der
Schwarzen Weiße gegen Weiße kämpfen sollten. Wir waren über-
rascht, daß der Feind von dem Kongo-Abkommen, das er selbst mit-
unterzeichnet hatte, gar keine Notiz nelimen würde. Mit Rücksicht
auf die vielen Frauen und Kinder, welche sich in Daressalam und
anderen ostafrikanischen Küstenplätzen befanden, hatte ich bereits bei
Kriegsbeginn angeordnet, daß von einer Verteidigung dieser offenen
Küstenplätze, die ja keinerlei Verteidigungsanlagen hatten, abzusehen
sei. Wir rissen selbst den Funkenturm nieder. Die Stadtverwaltung
von Daressalam schloß mit dem englischen Kriegsschiff unter der Ver-
sicherung, daß sie selbst keine feindlichen Akte vornehmen würde,
ein Abkommen, wodurch das Leben und Eigentum unserer Zivil-
bevölkerung, besonders der Frauen und Kinder, vorläufig geschützt
wurde.
Auch im Innern der Kolonie begannen die Engländer den
Krieg. Wenige Tage nach dem geschilderten Vorfall erschienen die
Engländer an dem Ufer des Njassa-Sees, wo unser kleiner Dampfer
Hermann von Wissmann in Reparatur war, beschlagnahmten den
Dampfer und nahmen den ahnungslosen Kapitän und seme Besatzung,
die von dem Ausbruch des Krieges noch keine Ahnung hatten, ge-
fangen. Mit diesen beiden Kriegshandlungen begann der Krieg
zwischen Deutschen und Engländern in Ostafrika.
Auch die Belgier haben, entgegen ihrer Behauptung, zuerst
feindliche Handlungen gegen uns vorgenommen. Wir wußten noch
nicht bei Kriegsbeginn, daß wir auch mit Belgien im Kriege waren.
Ich schickte deshalb, da wir ja sonst von aller Welt abgeschnitten
Deutsch-Ostafrika während des Weltkrieges. 3
waren, einen Beamten, den Assessor Dr. Dieterich, von Kigoma nach
dem belgischen Ufer des Tanganjika-Sees hinüber, um zu versuchen,
eine Postverbindung durch das belgische Gebiet mit der Heimat auf-
zunehmen. Die Belgier nahmen den Beamten und die Schiffsbesatzung
gefangen und beschlagnahmten die Dhau. Dr. Dieterich entkam in der
Nacht und wagte in einem Eingeborenen-Kanoe die Fahrt über den
breiten stürmischen Tanganjika-See. Er kam glücklich hinüber und
brachte uns die Nachricht von dem Kriegsausbruch auch mit Belgien.
Die Ereignisse des Krieges, in welchem die Schutztruppe unter
der glänzenden Führung des Generals v. Lettow -Vorbeck und seiner
Unterführer sich unvergängliche Lorbeeren erworben hat, vermag ich
im Rahmen meines heutigen Vortrages nur in ganz flüchtigen Umrissen
zu skizzieren. Der Krieg läßt sich in vier Abschnitte teilen.
Der erste Abschnitt umfaßt die Zeit bis zum Beginn der großen
englischen Offensive im März 191 6. Während dieser Zeit hielt die
Schutztruppe das ganze Schutzgebiet. Der zweite Abschnitt umfaßt
die Zeit bis zum Verlust der Zentralbahn und dem Abzug unserer
Truppen nach dem Süden der Kolonie. Das ist bis zum August —
September 191 6. In dem dritten Zeitabschnitte wurde der Süden der
Kolonie noch gegen feindliche Angriffe über ein Jahr verteidigt, bis
Ende November 191 7 das Schutzgebiet von der Truppe geräumt werden
mußte und die Reste der Truppe über den Rowuma auf portugiesisches
Gebiet übertraten. Der letzte Abschnitt endlich betrifft die Züge der
Truppe in Portugiesisch-Ostafrika, zurück durch deutsches Gebiet und
nach Rhodesien hinein.
Während der ersten Zeit — bis März 191 6 — konnte unsere
Schutztruppe nicht nur unser Schutzgebiet behaupten, sondern machte
auch erfolgreiche Vorstöße in feindliches Gebiet. Im November 1914
versuchte der Feind mit starken Truppen, besonders aus Indien,
eine Landung bei Tanga, wurde aber von der Schutztruppe unter
Führung des Generals v. Lettow in der ruhmreichen dreitägigen
Schlacht bei Tanga zurückgeworfen und an der Landung verhindert.
Ein zweiter Versuch der Engländer über Land längs der Küste in die
Kolonie einzudringen, wurde im Januar 1915 durch das Gefecht bei
Jassin, gleichfalls unter Führung des Generals v. Lettow, verhindert.
Von unserer Truppe drangen nun im Laufe des Jahres 191 5 be-
ständig kleine Abteilungen und Patrouillen über die Grenze in das
britische Gebiet bis Uganda vor und zerstörten an vielen Stellen die
englische Ugandabahn. Was diese Abteilungen dabei geleistet haben,
ist bewunderungswürdig. Sie mußten durch lange Durststrecken
marschieren unter 3en größten Gefahren und Entbehrungen, oft auch
ganz ohne Nahrungsmittel, Sie haben dabei bedeutende Erfolge gehabt.
4. Schnee:
In das Jahr 191 5 fällt auch der letzte Kampf unseres kleinen Kreuzers
„Königsberg", der unter dem Kommando des Kapitäns zur See Looff'
am Anfang des Krieges eine erfolgreiciic Kreuzerfahrt in den Indischen
Ozean gemacht hatte und dann im Rufiji-Delta blockiert war. Weit
überlegene feindliche Seestreitkräfte vernichteten trotz der tapfersten
Gegenwehr des Kreuzers unser Kriegsschiff. Die Besatzung trat dann,
soweit sie noch imstande zum Dienst war, zu unserer Truppe über
und hat sich unter Führung des Kapitäns zur See Looff weiterhin in
ausgezeichneter Weise an den Kämpfen in Ostafrika beteiligt. Auch
unter den letzten 144 Deutschen, die im ganzen von der Schutztruppe
wieder in die Heimat zurückgekehrt sind, befinden sich zwei Marine-
offiziere und eine Anzahl von Marinemannschaften. Aber nicht nur
diese Offiziere und Mannschaften von der ,, Königsberg" haben dem
Schutzgebiete geholfen, sondern auch die Geschütze von dem versenkten
Schiffe wurden noch abgelöst und in der Kolonie zur Verteidigung der
bis dahin unbeschützten Küstenplätze und im Innern verwandt.
In dem zweiten Zeitabschnitt des Krieges begann die große Offensive
der Engländer. Sie hatten dazu gewaltige Truppenmassen zusammen-
gebracht, vor allem große Mengen von Weißen in Südafrika angeworben.
Aber etwas anderes gab ihnen noch eine große Überlegenheit gegen-
über unserer Truppe, die ja, wie erwähnt, fast nur mit alten Waffen
versehen war. Die Engländer brachten alle die modernen Kriegsmittel
herbei, die man hier in Europa zum Teil erst während des Krieges
erfunden hatte, sie arbeiteten mit Fliegern, mit Autos, mit Panzer-
Automobilen, mit Geschützen aller Art, mit Minenwerfern usw. Dem
hatten unsere Truppen nichts entgegenzusetzen. Unter Führung des
Burengenerals Smuts drangen im März 1916 vier südafrikanische
Brigaden in der Gegend des Kilimandscharo, wo General v. Lettow
mit dem Gros unserer Truppen stand, vor. Eine große Menge farbiger
Truppen war gleichfalls bei dem Vorgehen beteiligt. General v. Lettow
hatte eine sehr günstige Stellung eingenommen und brachte dem Feinde
bei seinem Vorgehen starke Verluste bei. Aber gegenüber dem weit
ausgreifenden, umfassenden Vorgehen des Gegners, der ja über so
unendlich viel größere Massen verfügte, war es doch nicht möglich,
diese Stellung auf die Dauer zu halten. General v. Lettow zog sich
mit dem Gros der Truppe in Richtung auf die Usambara Bahn zurück
und brachte dort das weitere feindliche Vorgehen zum Stehen.
Nun aber ging der Burengeneral Van Deventer mit einer berittenen
und einer Fußbrigade weiter westlich vom Kilimandscharo in Richtung
auf Kondoa vor. Dort standen nur sehr schwache Truppen auf unserer
Seite, die diesem Anprall naturgemäß nicht standhalten konnten.
Gener.d v. Lettow sah sich deshalb, da das Vorgehen über Kondoa in
Deutsch-Ostafrika während des Weltkrieges.
Lrl^cfr 0 Or^tk • C'etnct kt.n.er i trr.sl Voh^enl Beriin SW4S.W;;helnsir ;5.
Abbild. I. Deutsch-Ostafrika.
Der Marsch der deutschen Schutztruppe durch Port. Mogambique und Brit. Rhodesien.
Richtung auf Dodoma den Lebensnerv der Kolonie, die Zentralbahn,
bedrohte, gezwungen, mit einem großen Teile der Truppen über die
Zentralbahn nach Dodoma und von dort gegen den Feind bei Kondoa
vorzugehen. Es gelang ihm in einigen Gefechten den vordringenden
Gegner hier zum Stehen zu bringen, aber es war nicht möglich, die
g Schnee:
*
sich stetig verstärkenden feindlichen Truppen wieder ganz aus jener
Gegend hinauszuwerfen. Im Mai 1916 drängte der General Smuts mit
dem Hauptteil der feindlichen Truppen weiter längs der Usambarabahn
vor, wo ihm nur ein kleiner Teil der deutschen Truppen unter Führung
des Majors Kraut gegenüber stand. Diese Abteilung vermochte dem
zehnfach überlegenen Gegner auf die Dauer nicht standzuhalten und
zog sich unter ständigen Gefechten, jeden Fußbreit verteidigend,
allmählich längs der Usambarabahn nach Osten und dann von dort
nach Süden in Richtung auf die Zentralbahn zurück. Der Feind
drängte nach, und es entstand nun die Gefahr, das die feindlichen
Haupttruppen bei Morogoro die Zentralbahn unterbrechen und diesen
Platz, wo unsere Hauptmagazine sich befanden, nehmen würden.
Darauf rückte General v. Lettow wieder mit dem größeren Teile seiner
Truppen von der Kondoa-Gegend nach Morogoro und trat nun dem
General Smuts zwischen der Zentralbahn und Usambara energisch
nördlich von Morogoro entgegen. Es gelang ihm auch hier wieder
durch seine geschickte Kriegführung, die überlegene feindliche Truppen-
masse zum Stehen zu bringen. Nun begann aber im Westen der
General Van Deventer, dem ja nur wenige Kompagnien gegenüber-
standen, wieder vorzugehen. Diese Kompagnien mußten sich zurückziehen,
und Ende Juli 1916 erreichten die feindlichen Kolonnen Dodoma an
der Zentralbahn und schnitten damit die Verbindung zwischen dem
Osten und Westen der Kolonie ab. Im Osten stand die Hauptmacht
der Truppe unter General v. Lettow, im Westen standen andere Truppen-
teile unter Führung des sächsischen Generals Wähle, welcher zum
Besuch der Ausstellung nach Daressalam gekommen war und sich gleich
bei Kriegsanfang zur Verfügung gestellt hatte. Nach Tabora war der
Sitz des Gouvernements verlegt worden. Als die Gefahr der Unter-
brechung drohte, begab ich mich persönlich in die Osthälfte, um weiterhin
bei dem Hauptteil der Truppe zu bleiben.
Der Feind drückte nun von Dodoma aus nach Osten in Richtung
auf Morogoro vor. Gleichzeitig begann der nördlich stehende Gegner
unter General Smuts umfassende Bewegungen. General v, Lettow zog sich
unter ständigen Kämpfen, bei denen dem Gegner trotz seiner Über-
legenheit große Verluste beigebracht wurden, auf die Zentralbahn zurück.
Der Feind versuchte aber jetzt ein Manöver, um die Sache mit einem
Schlage zu Ende zu bringen. Er warf zwei berittene Brigaden süd-
afrikanischer Truppen nach Westen über die Bahn hinüber und ließ
sie westlich um das Uluguru-Gebirgc auf Kissaki marschieren, wohin
unsere Vorräte aus Morogoro abtransportiert waren, einen Platz, der
zunächst als Rückzugspunkt für die Truppen in Aussicht genommen
war. General v. Lettow kam aber dem Feinde zuvor, er erreichte in
Deutsch-Ostafrika während des Weltkrieges. 7
Gewaltmärschen vor ihm Kissaki und schlug die beiden südafrikanischen
Brigaden, die in dem unwegsamen Gelände etwas auseinandergekommen
waren, die eine an dem einen Tage und die andere an demfolgenden
Tage aufs Haupt. Dann aber mußte er sich wieder nach Osten wenden,
wo mittlerweile die feindlichen Haupttruppen nach Besetzung von
Morogoro östlich vom Gebirge vordrangen. Unsere dem Gegner weit
unterlegene Truppe, unter Führung des Hauptmanns Stemm.ermann,
zog sich auf der Ostuluguru- Straße gleichfalls in Richtung auf Kissaki
zurück. Der Kommandeur eilte diesen Truppen von Kissaki aus zu
Hilfe und wies auch hier die Angriffe des Gegners zurück. Indessen
war den umfassenden Angriffen der ja stets weit überlegenen feind-
lichen Kräfte gegenüber ein Halten von Kissaki auf die Dauer nicht
möglich, es wurde eine Stellung etwas östlich von dieser Station, dicht
bei Kissaki, eingenommen. Damit endete in diesem Teile der Kolonie
der zweite Zeitabschnitt.
Ich muß nun einen Blick auf den Westen der Kolonie werfen,
in welchem bis dahin sowohl am Viktoria-See, wie am Kiwu-See, wie
am Tanganjika-See und endlich am Njassa-See beständig kleinere
Kämpfe stattgefunden hatten. Im Mai 1916 gleichzeitig mit dem
zweiten offensiven Vorgehen des Generals Smuts an der Usambara-
Bahn drangen von allen Seiten gewaltige feindliche Massen auf das
Schutzgebiet ein. An der« Nordwestfront landeten stärkere englische
Truppen am Viktoria-See; im Westen drangen zwei belgische Brigaden
unter Führung des Generals Tombeur in die Kolonie ein. Endlich
kamen von Südwesten her, aus den englischen Kolonien Rhodesien
und Britisch-Njassaland, gleichfalls sehr starke Kolonnen unter Führung
des englischen Generals Northey.
Hier im Südwesten — um das vorwegzunehmen — befanden
sich nur kleine Abteilungen deutscher Truppen, die dem feindlichen
Vorstoß nicht standhalten konnten und in Richtung auf Mahenge zu-
rückgingen. Im Norden am Viktoria-See mußten unsere Truppen
gleichfalls in Richtung auf Tabora sich zurückziehen. Endlich war
auch der tapfere Verteidiger von Kissenji, Hauptmann Wintgens,
der bis dahin gegen überlegene feindliche Kräfte das Gebiet am Kiwu-
See mit Erfolg geschützt hatte, genötigt, nach Südosten sich zurück-
zuziehen. Auch Kigoma, unser Hafenplatz am Tanganjika-See, mußte
geräumt werden, die dortige schwache Abteilung ging längs der Bahn
nach Tabora zurück. Die Feinde rückten nun im Norden, Nordwesten
und Westen der Kolonie konzentrisch auf Tabora vor. General Wähle
trat mit Erfolg zunächst westlich von Tabora den belgischen Brigaden
an der Bahn entgegen und führte dann noch einen Schlag am
Itaga-Berg dicht bei Tabora gegen die nördlichen Gegner, wobei
8 Schnee:
Hauptmann Wintgens eine besonders hervorragende Rolle spielte.
Tabora, der dichtbevölkerte Platz, an dem sich auch viele Europäer
befanden, konnte aber auf die Dauer nicht gehalten werden. Es kam
nicht nur vom Norden eine belgische Brigade, sondern es rückten auch
starke englische Streitkräfte vom Viktoria-See heran. General Wähle
entschloß sich deswegen zur Räumung von Tabora und rückte mit
seinen Kolonnen auf sehr schwierigen Wegen durch verpflegungs- und
wasserarmes Gebiet in Richtung auf Mahenge, wo er sich nach glück-
lichem Durchbruch durch die feindlichen Linien mit unseren vorher
dorthin gelangten Truppen der Ostabteilung unter Major Kraut vereinigte.
Die Lage war bei Beginn des dritten Zeitabschnittes, auf den ich
jetzt komme, im September 1916 so, daß wir ungefähr ^/^ der Kolonie
verloren und noch ^/- in unserem Besitze hatten. Diese Gebiete eignen
sich aber besonders gut zur Verteidigung, weil es sich um ein
größtenteils schwer wegsames Buschgelände handelte, weil ferner
das starke Vorkommen von Tsetsefliegen die Verwendung von
Reit- und Zugtieren für längere Dauer unmöglich macht. Die
Kriegführung war damit besonders für die weißen Truppen er-
schwert. Die Südafrikaner hatten bis dahin schon sehr stark unter den
tropischen Krankheiten gelitten, wie wir aus späteren Zeitungs-
berichten ersahen. Der General Smuts machte nun keinen Versuch
mehr, mit seinen weißen Truppen weiter in die Gebiete im Innern ein-
zudringen, wo auch die Verpflegung sehr schwierig gewesen wäre,
sondern der größte Teil der südafrikanischen Truppen wurde nach
Südafrika zurückbefördert. An ihre Stelle traten farbige Truppen, die
die Engländer aus allen Teilen der Welt zusammenbrachten. Wir
hatten jetzt nicht nur mit Truppen aus den Nachbarkolonien, aus
Britisch-Ostafrika, aus Uganda, aus Rhodesien, aus Britisch-Njassaland
zu tun, nicht bloß mit Indern, die die Engländer schon früher ver-
wendet hatten, sondern auch mit starken Truppen aus Westafrika,
besonders von der Goldküste, ferner sogar mit Truppen aus West-
indien. Auf unserer Seite war die Lage insofern ungünstig, als die
Verpflegung bisweilen Schwierigkeiten bereitete. In den Tsetsegebieten
hält sich natürlich auch kein Vieh, deswegen war es mit der Fleisch-
nahrung schlecht bestellt, soweit die Truppenteile nicht gerade in
sehr wildreichen Gebieten standen und durch W^ildabschuß sich Fleisch
verschaffen konnten.
An der Front bei Kissaki entstand zunächst eine längere Pause.
Dagegen trat nun ein neuer Gegner auf den Plan, der bisher noch
nicht zu unseren Feinden gezählt hatte: das waren die Portugiesen,
welche im März 19 16 gleichfalls in den Krieg eingetreten waren, aber
im Anfang vergeblich versucht hatten, auch nur den Rowuma zu
Deutsch-Ostafrika während des Weltkrieges. 9
überschreiten. Diese Versuche wurden von unseren schwachen Truppen
stets mit Erfolg abgewiesen. EndHch aber hatten die Portugiesen eine
große Expedition gegen uns ausgerüstet und überschritten den Rowuma,
unsere schwachen Abteilungen zurückdrängend. Der Kapitän zur See
LoofF führte damals den Befehl im Süden der Kolonie. Er hatte nur
500 Mann, während der Feind mit 1 500 Mann, darunter viele Portugiesen,
Newala im Süden der Kolonie besetzt hatte. Unsere tapfere Truppe
stürmte, trotzdem sie die dreifache Übermacht sich gegenüber hatte,
die feindhche Stellung und warf die Portugiesen heraus und dann über
den Rowuma zurück.
Im Januar 19 17 begann eine neue Offensive der Engländer mit sehr
starken Kräften an der Kissaki-Front. Unsere Truppen unter Führung
des Hauptmanns Otto vermochten diesem Angriffe, der wieder die
bekannten weiten Umgehungen durch überlegene Kräfte mit sich
brachte, nicht zu widerstehen, sie mußten über den Rufiji zurückgehen,
hielten aber diese Linie dann noch lange Zeit mit Erfolg. Außerdem
begann der Feind eine starke Offensive von der Küste aus in der
Gegend von Kilwa und Lindi, wo für ihn die Verpflegungsbeschaffung
ja weit leichter war. In der Kilwa-Gegend brachten unsere Truppen
unter Führung des Hauptmanns v. Liebermann dem Feinde bei Narun-
gombe im Juli 191 7 eine schwere Schlappe bei, die sein Vorgehen bis
auf weiteres aufhielt. Der Gegner drang aber von Lindi und von
Kilwa aus mit verstärkten Kräften später weiter vor. Im Oktober 191 7
glückte es ihm, die Verbindung der Truppen im Süden, im Lindi-Bezirk,
mit den Truppen, die in Mahenge standen, zu durchbrechen. Die Eng-
länder versuchten dann wieder ein weit umfassendes Vorgehen, eine
Einkreisung. General v. Lettow aber ' kam ihnen wiederum zuvor,
machte seinerseits eine Umgehung und schlug den Gegner in der drei-
tägigen Schlacht bei Mahiwa Mitte Oktober zurück. Diese Schlacht
war neben der Schlacht bei Tanga das größte Gefecht des ganzen Krieges.
In ihr bewiesen nicht nur die Deutschen einen hervorragenden Helden-
mut, sondern auch unsere Askaris schlugen sich ebenfalls glänzend. Es
kam vor, daß eine Stellung sechsmal verloren und wieder genommen
wurde, schließHch behaupteten unsere Truppen trotz der zahlenmäßigen
Überlegenheit des Gegners das Feld.
Doch dieser glorreiche Kampf vermochte die Kolonie nicht vor
dem Schicksal zu bewahren, von dem Feinde schließlich besetzt zu
werden. Der Kreis wurde allmählich auf allen Seiten enger. Wenn
der Feind bei Mahiwa geschlagen war, so drang er wieder vom Westen
her an. Und da sich auch im Süden feindliche Streitkräfte zeigten,
wurde es schließlich notwendig, <ias Schutzgebiet zu räumen. Dabei
spielte eine besondere Rolle auch der allmählich eingetretene Munitions-
10
Schnee:
mangel unserer Truppen. Wir haben im Laufe des Krieges zweimal
Munitionsersatz durch Hilfsschiffe bekommen. Einmal glückte es im
April 1915, das zweite Mal im März 191 6 einem Dampfer, die Blockade
zu durchbrechen. Aber die aus der Heimat gekommenen Munitions-
mengen waren nicht unerschöpflich, und es mußte in den letzten
Kämpfen schon mit Munition gespart werden. Die Ergänzung wurde
eine dringende Frage. Auch sonst erwiesen sich die Stellungen in
unserem Gebiete, das immer mehr eingeengt wurde, nicht mehr halt-
bar. Die Truppen traten deswegen am 18. November 191 7 den Marsch
nach Süden und nach dem portugiesischen Gebiete an. Es wurden
vorher all diejenigen, die nicht transportfähig oder nicht mehr marsch-
fähig waren, zurückgelassen. Der Marsch führte über Newala nach
Süden bis zum Rowuma, dann nach Westen längs des Rowuma, als-
dann wurde in der Höhe von Ngomano der Rowuma überschritten. Es
waren im ganzen noch 278 Deutsche und 1600 bis 1700 Askaris mit
etwa 4000 Trägern, welche den Rowuma überschritten.
Ich muß nun noch einen Blick nach Westen, nach Mahenge werfen,
wo an Stelle des Generals Wähle, der den Befehl an der Lindi -Front
übernommen hatte, der Hauptmann Tafel die Führung erhielt. Die
Truppen unter Hauptmann Tafel hatten sehr tapfer ihre Stellung
gehalten und rückten schließlich, als der Feind die Verbindung zwischen
uns und jenen Truppen unterbrochen hatte, in Richtung nach Südosten
auf Newala vor, um sich mit der Hauptabteilung unter General v. Lettow
zu vereinigen. Die Truppen des Hauptmanns Tafel hatten mehrere
Gefechte zu bestehen und kamen in die Newala -Gegend zu einer Zeit,
als die Haupttruppen unter General v. Lettow bereits in Richtung auf
den Rowuma abmarschiert waren. Ein tragisches Geschick wollte es, daß
diese beiden Kolonnen in einer Entfernung von nur einigen Tage-
märschen aneinander vorbeigezogen sind, nämlich die Hauptkolonne
unter General v. Letto\\; nach Westen und die Kolonne unter Haupt-
mann Tafel nach Osten. Die Truppen des Hauptmanns Tafel konnten
nun infolge Mangels an Nahrungsmitteln den Anschluß an die Haupt-
truppen nicht mehr erreichen. Die Verpflegung war vollkommen auf-
gezehrt, es herrschte Hunger, und der Truppe blieb, nachdem sie den
Versuch gemacht hatte, durch Überschreitung des Rowuma von Newala
aus noch an die Haupttruppen heranzukommen, nichts anderes übrig, als
sich den Engländern zu ergeben.
In dem vierten und letzten Zeitabschnitt operierte die Truppe in
der Stärke, die ich vorhin angegeben habe, auf portugiesischem Gebiete.
Sofort am Tage des Überschreitens wurde die nahegelegene portu-
giesische Boma Ngomano, die von lOOO Mann Portugiesen und farbigen
Truppen mit 6 Maschinengewehren besetzt war, von unseren Truppen
Deutsch-Ostafrika während des Weltkrieges. H
gestürmt, wobei sehr viele Beute, bqgonders auch die dringlich er-
wünschte Munition und portugiesische Waffen in unsere Hände fielen.
Dann ist die Truppe in portugiesisches Gebiet bis hinab nach Quelimane
gezogen. Der Zweck war dabei immer, möglichst viele feindliche Streit-
kräfte noch festzuhalten und den Feind zu schädigen.* Und das ist dem
General v. Lettow mit seinen Truppen in ausgiebiger Weise auch ge-
lungen. Es sind eine ganze Anzahl von portugiesischen Bomas — so
nennt man die kleinen befestigten Forts — genommen worden, und es
ist besonders bei Nhamacurra dem Feinde sehr großer Schaden zu-
gefügt worden. Hierbei hat sich besonders Hauptmann Müller hervor-
getan, der als Führer der Vorhut überraschend auftrat und schöne
Erfolge erkämpfte. Im Anfange nach unserem Übertritte auf portu-
giesisches Gebiet drohte einmal Nahrungsmittelmangel, weil die mit-
gebrachten Vorräte sich erschöpften und sich in der portugiesischen Boma
Ngomano gar keine Eingeborenenverpflegung befand. Da half ein kühner
Handstreich des mit einer Kompagnie voranmarschierenden Leutnants
der Reserve Kempner uns aus der Verlegenheit, indem es ihm gelang,
überraschend eine kleine feindliche Boma zu stürmen und dort Nahrungs-
mittel zu erbeuten. Im späteren Verlaufe führte die Truppe immer
beträchtliche Bestände — ein jeder Mann bis zu i 5 Tage Verpflegung
— bei sich. Nur dadurch ist es möglich geworden, daß in dem zum
Teile unbewohnten Gebiete die Truppe diese enormen Märsche
hat machen können. Wir sind im portugiesischen Gebiete 2600 km
marschiert, dabei standen fast nie Reittiere, auch nicht für die Offiziere,
zur Verfügung. Es sind dort die Tsetse-Gebiete. Auch wenn Pferde
oder Maultiere erbeutet wurden, wie das öfters vorkam, so gingen sie
bald wieder ein. Die Feinde versuchten wiederholt, unsere Truppe
einzukreisen. Es wurden große Mengen feindlicher Truppen zu Schiff
an die Küste und von Britisch-Njassa-Land aus über Land herbei-
gebracht, aber unsere Truppen wurden jedesmal von General v. Lettow
unter schwerer Schädigung des Feindes in einer Reihe von Gefechten
glücklich wieder herausgeführt.
Nach zehnmonatigem Aufenthalt im portugiesischen Gebiete wurde
Ende September 191 7 der Rowuma und damit wieder die deutsche
Grenze überschritten. Wir kamen nun endlich wieder in Viehgebiete,
und damit konnte die Truppe wieder ausgiebig Fleischnahrung erhalten.
Das deutsche Gebiet wurde aber nur durchzogen, um dann in das
rhodesische überzuschwenken. Diese Maßnahme erwies sich als sehr
richtig; viel später, erst bei der Bahnfahrt durch unser Schutzgebiet,
erfuhren wir sicher, daß die Engländer enorme Massen von Truppen
an der Zentralbahn zusammengebracht hatten in der Annahme, die
Truppen würden dort über die Zentralbahn in den Norden der deutschen
22 Schnee:
Kolonie ziehen. Mit dieser Aryiahme des Gegners hatte aber General
V. Lettow von Anfang an gerechnet. In dem rhodesischen Gebiete
waren dagegen feindliche Truppen in erheblicher Zahl auf Hunderte
von Kilometern nicht vorhanden. Die Truppen, die uns von Portu-
giesisch-Ostafrika aus auf deutsches Gebiet folgten, waren schwächer
als unsere eigenen. Der Krieg hätte also unserer Truppen wegen noch
ruhig weitergehen können. Es ist kein Gedanke daran, daß
dieEngländer etwa in absehbarer Zeit irgendwie
die deutschen Truppen hätten vernichten oder ge-
fangennehmen können.
Der Waffenstillstand wurde in der Heimat am i I.November 191 8
abgeschlossen, am 12. November fand bei uns das letzte Gefecht statt.
Wir wußten noch nichts von der Waffenruhe. Am 15. November kam die
Nachricht davon durch einen feindlichen Radfahrer, der eine Depesche
überbrachte. Die Truppen legten dann in Gemäßheit der Waffen-
stillstandsbedingungen in Abercorn, nahe der deutschen Grenze, die
Waffen nieder und wurden in einem Dampfer über den Tanganjika-See
geschafft; die Deutschen fuhren mit der Bahn nach Daressalam, die
Farbigen nach Tabora. Leider war der belgische Dampfer, der uns
über den Tanganjika-See brachte, mit der spanischen Grippe verseucht.
Der größte Teil der Deutschen und ein sehr großer Teil der Farbigen
legte sich sofort nach Eintreffen in Daressalam bzw. in Tabora nieder.
Leider starben von den 155 Deutschen, die alle Anstrengungen und
Strapazen ausgehalten und den ganzen Krieg mitgemacht hatten, in
Daressalam noch 1 1 Mann an dieser Krankheit, so daß die Zahl auf
144 herabsank.
In Daressalam blieben wir sechs Wochen, wurden dann mit einem
Dampfer nach Deutschland gebracht und trafen am i. März in Rotterdam
zum ersten Male wieder auf eine freundliche Begrüßung durch Deutsche,
nachdem wir solange in der Wildnis ümhergewandert waren und nichts
als Feinde uns gegenüber gehabt haben.
Die bloßen nackten Tatsachen, die ich angeführt habe, zeigen,
was für ungeheure Leistungen unsere Truppe draußen vollbracht
hat. Man weiß nicht, was man mehr bewundern soll, die
rücksichtslose Energie und die hervorragenden militärischen Fähig-
keiten des Kommandeurs oder die ausgezeichneten Leistungen seiner
Unterführer oder schließlich den Heldenmut und die zähe Aus-
dauer der deutschen Offiziere und Mannschaften. Dabei wurden diese
Leistungen unter den denkbar schwierigsten Umständen vollbracht.
Daß unsere Truppen beständig gegen eine gewaltige Übermacht zu
kämpfen hatten, habe ich wiederholt hervorgehoben. Aber da waren
noch die Unbilden des Klimas, da hatten die Truppen in den glühenden
Deutsch-Ostafrika während des Weltkrieges. 13
Steppengebieten zu kämpfen, in unwegsamen Waldgebieten, in Sümpfen
und Morästen, die in der Regenzeit mitunter furchtbar waren, mit
Überschwemmungen von großen Flüssen zu tun, bei denen Menschen
auf weite Strecken durch tiefes Wasser waten mußten usw. Erschwert
wurde noch die Sache dadurch, daß die Unterkunftsverhältnisse immer
mangelhafter wurden. Im Anfange des Krieges' hatten noch die
Europäer fast alle Zelte, allmählich aber gingen diese verloren, und
an die Stelle der Zelte, die auch infolge Trägermangels bisweilen nicht
mitgebracht werden konnten, traten dann einfache Winkel aus Zelt-
bahnen, die man scherzhaft Hundehütten nannte. In solchen kleinen
Zeltchen haben wir alle, sowohl der General v. Lettow wie ich selbst
auch, gewohnt. Dazu traten noch die Verpflegungsmängel. An
Quantität war für die Europäer allerdings wohl immer genug da; aber
sich nur von Negerhirse zu ernähren, ist dem Europäer unmöglich, er
bekpmmt nicht die nötige Kraft aus dieser Kost. Und an anderer
Nahrung fehlt es doch sehr oft. Ferner waren die Anstrengungen ganz
ungeheuer, wir sind im portugiesischen Gebiete z. B. Wochen hinter-
einander Tag für Tag 8 bis lO Stunden gelaufen, wobei natürlich in
die Zeit die Unterbrechungen bei den langen Trägerkarawanen und
Rastpausen mit hineinzurechnen sind. Endlich aber und nicht an
letzter Stelle zu nennen sind die Tropenkrankheiten. Es gab Malaria,
Schwarzwasserfieber, Dysenterie in beiden Formen, es gab in manchen
Gegenden im Süden die Schlafkrankheit, es gab Rückfallfieber. Ferner
traten Typhusepidemien auf und am Ende des Krieges schleppten wir
sogar Pocken und Genickstarre mit uns herum, von -welchen beiden
letzteren Krankheiten allerdings nur Farbige befallen wurden. Im
übrigen aber ist wohl keiner unter uns Europäern gewesen, der nicht
mindestens von einer oder mehreren dieser schweren Tropenkrankheiten
im Laufe des Krieges befallen ist. Es war ein Glück, daß wir über
ein so ausgezeichnetes Sanitätspersonal verfügten. Diese tüchtigen
Ärzte, die mit uns gezogen sind, haben auch unter den schwierigsten
und mangelhaftesten Verhältnissen es immer noch fertiggebracht, ihre
Verwundeten und Kranken zu operieren und gut zu versorgen.
Es waren aber nicht nur die Deutschen, die so Großes geleistet
haben, auch die Askaris haben sich über alle Erwartungen hin gut
gehalten. Die Askaris hatten niemals gegen europäische Truppen
gekämpft, sie hatten nie Maschinengewehre gegen sich gehabt, nie
moderne Geschütze, sie hatten niemals Flieger, Panzerautos, Minen-
werfer u. dgl. kennengelernt, und nun mußten sie, großenteils mit
ihren rauchstarken alten Gewehren, diesen feindlichen Waffen gegen-
übertreten. Es ist zu bewundern, daß sie sich so gut gehalten haben.
Und dann gegen Ende des Krieges, als wir die Kolonie räumen
24 Schnee;
mußten, da ist die Treue dieser Leute wohl den schwersten Prüfungen
unterworfen worden, die für einen Eingeborenen überhaupt denkbar
sind. Wir verließen seine Heimat, in der seine Felder, in der seine
Angehörigen, seine Hütten waren, wir verließen unsere Kolonie und
gingen in Gebiete, in denen die Nahrung manchmal recht knapp für
ihn war, und schließlich kam es auch vor, obwohl wir die Askariweiber
nach Möglichkeit mitnahmen, daß die Leute auch von ihren Weibern
getrennt wurden. Da ist es im höchsten Maße anzuerkennen, daß die
Leute so treu bis zum Schluß zu uns gehalten haben.
Diese unerschütterliche Anhänglichkeit unserer Askaris wird
auch von den PZngländern anerkannt, aber sie haben sich dafür
eine besondere Erklärung zurechtgemacht. Sie sagen: Ja, die Deutschen
haben in den Askaris sich eine besondere Kriegskaste gezüchtet,
diese Farbigen sind den andern Negern entfremdet und müssen
nun zu den Deutschen halten. Wenn das der Fall wäre, was sagen
dann die Feinde aber zu unseren Trägern, die auch stets zu uns
gehalten haben? Das ist doch sicher keine hochgezüchtete Kaste!
Was sagen die Engländer zu den Boys und anderen Farbigen, die mit
uns gezogen sind.^ Was sagen sie zu den Nahrungsmittel-Lieferungen
der Eingeborenen, die überall an uns erfolgten? Sind das Handlungen
von Leuten, die nichts mit uns zu tun haben wollen? Was sagt der
Feind weiter zu den wirtschaftlichen Leistungen in der Kolonie, die
wir ohne die Mithilfe unserer Eingeborenen niemals hätten fertigbringen
können? Ich will und kann auf die wirtschaftlichen Leistungen heute
nicht eingehen, -dazu ist ein besonderer Abend erforderlich, ich möchte
nur ganz kurz darauf hinweisen. Wir haben als Ersatz für die sonst
vom Auslande eingeführten Nahrungsmittel, Verpflegung aus dem
ganzen Lande für die europäische Bevölkerung und für die Truppen
herbeigeschafft. Wir haben die Anbauflächen erweitert, wir haben
solche Früchte, die bis dahin in geringerem Umfange angebaut waren,
wie Weizen und Kartoffeln, in solchem Maße angebaut, daß der Bedarf
gedeckt werden konnte. Wir haben Leder gegerbt und Schuhe gemacht,
wir haben unsere Baumwolle versponnen und verwebt, wir haben Ersatz
für Benzin und Petroleum hergestellt und wir haben sehr viele andere
Dinge noch geschaffen, auf die ich nicht weiter eingehen will. Nur
auf eins — denn das ist das wichtigste von allem — möchte ich noch
hinweisen, wir haben in der Kolonie auch Chinin hergestellt, das tür die
Existenz der Europäer in Malaria-Gebieten unbedingt notwendig ist.
Und zwar haben wir, da wir nicht genug Zufuhr von außen erhalten
konnten, die Hälfte der ganzen bedeutenden Chininmengen, die im Laufe
des Krieges geschluckt worden sind, selbst in der Kolonie angefertigt.
Die Engländer behaupten, daß wir unsere lungeborenen schlecht
Deutsch-Ostafrika während des Weltkrieges. 15
behandeln und nicht imstande wären, eine humane Eingeborenen-Politik
zu treiben. Meine Damen und Herren! Wir waren 6000 Europäer
einschließlich Frauen und Kinder unter einer Eingeborenen-Bevölkerung
von 8 Millionen Köpfen. Würden diese Leute, w^enn wir sie wirklich
schlecht behandelt hätten, nicht unser Joch von sich abgeschüttelt haben,
als wir von allen Seiten von weit überlegenen feindlichen Streitkräften
bedrängt wurden? Tatsächlich ist es nicht zum Aufstande gekommen.
Den letzten Eingeborenen-Aufstand hatten wir im Jahre 1905/6 gehabt.
Die Engländer haben, wie aus den vorher schon erwähnten Berichten
des englischen Agenten King hervorgeht, mit Sicherheit daraufgerechnet,
daß in unserer Kolonie umfangreiche Eingeborenen-Aufstände ausbrechen
würden. Dies ist, wie Sie wissen, nicht geschehen. Wir haben die Früchte
einer humanen Eingeborenen-Politik geerntet, welche unter der Leitung
meines V^orgängers , des Freiherrn von Rechenberg, in sechsjähriger
Amtstätigkeit durchgeführt wurde und welche auch durch- den hier
anwesenden Herrn Staatssekretär Dernburg eine wesentliche Förderung
erfahren hat. Ich habe mich bemüht, diese Politik fortzusetzen, ge-
stützt auf eine Reihe vorzüglicher Bezirksamtmänner und Residenten,
von denen ich hier nur einige wenige Namen — und auch diese nur
als Beispiele für viele andere — nennen will, so den Regierungsrat
Gunzert in Muansa, den Bezirksamtmann Lange in Udjidji und den
Residenten von Urundi, Hauptmann Wintgens, der, was selten ist, Ver-
waltungsbegabung mit militärischen Fähigkeiten vereinigt. Ich habe
die Zivilverwaltung auch während des Krieges im Schutzgebiete aufrecht-
erhalten, nur so war es möglich, daß .diese bewährten Beamten, die die
Eingeborenen- Verhältnisse genau kennen und die ihrerseits das Ver-
trauen der Eingeborenen genießen, auf ihren Posten weiter wirken und
im Besitze der Verfügungsgewalt bleiben konnten. Nur so war es
möglich, daß die Eingeborenen in unserer Hand geblieben sind.
Während aber bei uns die Eingeborenen ruhig blieben, erhoben
sie sich in den Gebieten unserer Gegner mit angeblich besserer Ein-
geborenenverwaltung. Nicht nur in den portugiesischen Kolonien,
bei deren üblicher Mißwirtschaft und Gewaltherrschaft es ganz natürlich
ist, konnten wir in den verschiedenen Landesteilen große Eingeborenen-
Aufstände beobachten, sondern auch in den angrenzenden englischen
Kolonien sowohl in Uganda wie in Britisch-Njassaland. Aus der letz-
teren Kolonie schickte ein Eingeborenenhäuptling, ein Führer des
Aufstandes, zu mir um Hilfe gegen seine Unterdrücker, die Engländer.
Die Eingeborenen erhoben sich dort und schlugen die englischen Ver-
waltungsbeamten tot. Derartiges ist bei uns mit unserer angeblich
schlechteren Eingeborenenbehandlung nicht vorgekommen.
Aber auch abgesehen von den Aufständen, glaubt irgend jemand,
2g Schnee:
daß wir in der Lage gewesen wären, den Krieg überhaupt zu führen,
wenn die Eingeborenen nicht auf unserer Seite gestanden hätten?
Wir waren für den Ersatz an Askaris, für den Ersatz an Trägern, von
denen beständig eine große Zahl unterwegs sein mußte, für die Be-
schaffung von Lebensmitteln, vollständig auf die Eingeborenen ange-
wiesen. Schließlich, würden die Leute am Schlüsse noch so durch
dick und dünn unter den größten Gefahren und Beschwerden mit uns ge-
gangen sein, wenn sie uns innerlich feindlich gegenüber gestanden hätten?
Der englische Premierminister Lloyd George hat früher in
einer Rede gesagt, die deutschen Kolonien müßten zarteren Händen
anvertraut werden als den unserigen. Nun, was die zarten Hände
der Engländer ausführen können, das habe ich bei meiner Rückkehr
nach Deutsch -Ostafrika leider Gelegenheit gehabt zu sehen. Unter
einem solchen Drucke wie jetzt unter der englischen Herrschaft hat
Deutsch -Ostafrika zu keiner Zeit gestanden. Die Engländer haben
Massen von Trägern gepreßt, wobei sie sich zum Teil recht übler Mittel
bedient haben. Sie haben Tanzfeste veranstaltet und haben dann von
den Leuten, die ahnungslos dazu herbeigekommen waren, die kräftig-
sten ergriffen und zwangsweise als Träger abgeführt. Sie haben aber
mehr getan, sie haben, was gleich gegen Völkerrecht wie gegen Moral
war, unsere eigenen Eingeborenen zum Dienste mit den Waffen gegen
uns gepreßt. Bei unseren eigenen Askaris, die sie auch gern heran-
ziehen wollten, sind sie allerdings zum ganz überwiegenden Teil an die
Verkehrten gekommen. Diese haben allen Verlockungen standgehalten,
und eine Zvvangseinstellung haben die Engländer zwar beabsichtigt,
aber fallen gelassen. Es erschien ihnen nach den Erfahrungen, die sie
damit gemacht haben, doch wohl bedenklich. Es war rührend für uns,
zu sehen, als wir in Daressalam ankamen, daß da noch hinter den
Drahtzäunen Hunderte von Askaris saßen, die alle die englischen An-
gebote zurückgewiesen hatten und die als Gefangene treu auf der
deutschen Seite stehen wollten. Dasselbe haben die gefangenen As-
karis gemacht, die nach dem britischen Gebiet hinübergebracht worden
waren; der größte Teil war noch bei unserer Rückkehr in Gefangenschaft.
Mittlerweile sind sie aber, wie ich hoffen möchte, freigelassen worden.
Auch die wirtschaftlichen Verhältnisse haben sich unter britischer Ver-
waltung ungünstig für die Eingeborenen gestaltet. Die Engländer zahlen
wesentlich geringere Löhne als wir, die Lage der Schwarzen ist dadurch be-
deutend schlechter geworden. Dann aber haben die Engländer eine ganze
Zahl unserer angeschenen Eingeborenen deportiert, und zwar nicht nur
nach dem nahe gelegenen Britisch-Ostafrika, sondern sogar weiter weg. Als
ich in Daressalam war, kam es zu meiner Kenntnis, daß ein früherer
tüchtiger farbiger Beamter des Gouvernements mit seinem Bruder nach
Deutsch-Ostafrika während des Weltkrieges. 17
St. Helena deportiert werden sollte. Ich habe sofort ein Protest-Tele-
gramm nach Nairobi gerichtet und erhielt dann die Antwort, daß die
Angelegenheit sowohl von den Zivilbehörden wie den militärischen
Stellen geprüft sei, und daß es bei der Deportation seine Bewenden
behalten müsse. Auch der frühere Sultan von Zanzibar Seyid Chalid
bin Bargasch, der seit langen Jahren als unserer Schutzbefohlener in
Daressalam wohnte, ist nach St. Helena deportiert worden.
Weit schlimmer aber haben es die Belgier getrieben. Sie haben
nach dem bekannten Kongorezept, welches die Engländer früher ja so
schön geschildert haben, gehandelt, indem sie die Eingeborenen auf
das äußerste mißhandelten und vergewaltigten. Leider hat dies Los in-
folge des belgischen Einrückens gerade das Tüchtigste unserer Völker,
die braven Wanjamwesi, getroffen. Später haben die Belgier dieses
Gebiet wieder räumen und den Engländern überlassen müssen; aber
es sind ganze Landstriche von den Belgiern verwüstet worden.
Es ist kein Wunder, wenn die Eingeborenen unter diesen
Verhältnissen mit Sehnsucht an die guten Zeiten der deutschen Herr-
Schaft zurückdenken. Bei meiner Rückkehr nach Deutsch-Ostafrika
bin ich nach allem, was ich gehört und erfahren habe, zu der festen
Überzeugung gekommen, daß unsere Eingeborenen den dringlichen
Wurisch haben, wieder unter deutsche Herrschaft zurückzukehren. Die
Eingeborenen haben selber ein sehr gutes Urteil über die Europäer, die
die Herrschaft über sie ausüben. Es hat sich da bei den Leuten ein
Wort zur Charakterisierung der beiden Nationen, die sie aus der Praxis
kennen gelernt haben, gebildet, das ich hier im Original wiederholen
will: ,,Wengereza maneno mazuri, roho kali, wadatschi maneno makali,
roho nzuri". Das heißt auf Deutsch: die Engländer machen schöne
Worte, haben aber harte Herzen; die Deutschen gebrauchen scharfe
Worte, haben aber ein gutes Herz.
Nein, unsere Feinde können politische Lügen in die Welt setzen,
soviel sie wollen: die Tatsache können sie nicht aus der Welt schaffen, daß
die ostafrikanischen Eingeborenen gern unter deutscher Herrschaft waren
und gern unterderdeutschenHerrschaftbleiben wollen. EineEingeborenen-
Bevölkerung, die, beispiellos in der Geschichte, unter den schwierigsten
Verhältnissen so treu zu uns gestanden hat, ein Land, dessen sonnengebackene
Erde von dem Blut unserer Helden getränkt ist, muß deutsch bleiben.
Ich wiederhole, der Feind mag die Macht haben, uns unsere
Kolonien zu rauben nach altem Muster, wie die Engländer früher
wiederholt anderen Völkern, welche die Pionierarbeit geleistet hatten,
ihre Kolonien weggenommen haben, aber das moralische wie das
juristische Recht bleibt auf unserer Seite.
Zeitschr. d. Gesellsch. f. Erdkunde zu Berlin. 1919. Nr. 1/2. 2
jQ Begrüßung der heimgekehrten Ostafrikaner.
Begrüßung der heimgekehrten Ostafrikaner.
Der Vorsitzende der Gesellschaft, Herr Geheimrat Prof. Dr. A 1 -
brecht Penck, richtete an die Anwesenden folgende Worte:
Das Willkommen, das ich den heimkehrenden Ostafrikanern namens
der Gesellschaft für Erdkunde biete, gilt in erster Linie den deutschen
Männern, die nach langer Abwesenheit in die Heimat zurückkehren
nach Verrichtung von Taten, die die Erinnerung für alle kommenden
Zeiten festhalten wird; denn das ist unerhört im Laufe der Geschichte,
daß ein kleines Häuflein Menschen in fremdem Klima sich gegen eine
große Übermacht der Feinde durch mehr als vier lange Jahre halten
konnte. Glänzendes hat jeder einzelne vollbracht, der in Ostafrika
kämpfte; Glänzendes hat der militärische Führer der tapferen Schar
geleistet, indem er der Umzingelung durch die Feinde immer aufs neue
fu entgehen wußte. Glänzend hat sich bewährt, daß in unseren Kolonien
die höchste militärische und Zivilgewalt in einer Hand liegen. Der
Name v. Lett o w-Vo rb ec k gehört zu den unvergleichlichen Militär-
führern der großen Zeit, die wir erlebten, und in einem Zuge damit
muß der Name von Gouverneur Schnee genannt werden, als eines
staatsmännisch handelnden Beamten, der der Höhe seiner Aufgaben voll
bewußt, auf der ihm anvertrauten Stelle bis zuletzt aushielt. Es ist oft
ausgesprochen worden: Das Schicksal unserer Kolonien wird auf euro-
päischem Kriegsschauplatze entschieden. Aber wahr geworden ist, daß
sich in hohem Maße das deutsche Schicksal in den Kolonien entschieden
hat. Dort hielt Verteidigung eisern stand. Dort wußte man immer
aufs neue wieder dem Feind zu trotzen und ihm zu entgehen ; erst der
daheim geschlossene Waffenstillstand hob den Widerstand der Deutsch-
Afrikaner auf, und sie konnten in ehrenvoller Weise heimkehren, mit
den Waffen in der Hand, als deutsche Sieger.
. Oft hat die Gesellschaft für Erdkunde heimkehrende Afrikareisende
begrüßt — nie aber eine über Hundert zählende Schar, nie Männer, die
solche Kreuz- und Querzüge, schließlich bis in die unbekanntesten Winkel
des von Forschern gemiedenen Portugiesisch-Ostafrika, ausgeführt haben.
Ein jeder ist ein Afrikareisender geworden und kann als solcher erzählen.
Der Geograph kann lernen von jedem einzelnen. Voll Spannung
erwartet er den ersten Bericht über die großartigste und eigenartigste
Afrika-Expedition, die je gemacht worden ist. Mit stolzer Genugtuung
empfindet die Gesellschaft für Erdkunde, daß er bei ihr erstattet
werden soll.
Begrüßung der heimgekehrten Ostafrikaner. 19
Darauf erhielt Seine Magnifizenz der Rektor der Friedrich-Wilhelms-
Universität, Herr Geheimrat Professor D. Dr. Seeberg das Wort zu
folgender Ansprache:
Hochverehrte Versammlung! Es ist mir eine Ehre und Freude,
im Namen der Universität hier in den Räumen der Universität Sie alle
willkommen zu heißen. Mein Willkommengruß gilt zunächst der Ge-
sellschaft für Erdkunde. Unter ihrem verdienten Vorsitzenden hat sie
uns schon so manchen gehaltreichen und anregungsreichen Abend
geboten.
Mein Gruß gilt dann zum andern und vor allen Dingen unseren
Ostafrikanern. Wir haben so oft an sie gedacht, und nun stehen sie
unter uns und wollen sie von ihrem Leben uns selber erzählen. Sie
sind uns herzlich willkommen. Wir haben uns freilich diese Stunde
einst so ganz anders gedacht, wir dachten, daß wir mit hoher Sieges-
stimmung, mit stolzer Zukunftshoffnung hier unsere Helden von Ostafrika
begrüßen würden. Es ist anders gekommen. Aber um so wärmer ist
unser Gruß, um so lebendiger unser Dank für das, was sie angesichts
des deutschen Volkes und angesichts der ganzen Welt geleistet haben.
Wir bedürfen heutigen Tages allesamt dessen, daß solche Männer der
Tat zu uns sprechen, daß^sie das Evangelium ,,Am Anfang war die Tat",
das uns wieder zu entschwinden droht, unserem Geschlechte verkünden.
Die Welt um uns scheint uns zu eng zu werden. Sie legt sich uns auf die
Brust, fast wie ein Alpdruck. Ich denke an die Welt um uns zunächst im
räumlichen Sinne. Wasi war das einst für eine Empfindung, w^enn
wir an einen unserer großen Hafenplätze kamen und dort die stolzen
deutschen Schiffe sahen, und über ihnen flatterte die Fahne mit den
ehrwürdigen Farben; und unsere Phantasie führte uns aus, wie die
Schiffe über das weite blaue Meer hinausfahren, überall Zeugnis ab-
legend von deutscher Herrlichkeit und deutscher Macht, und wie wieder
an verschiedenen Stellen der weiten Welt sie begrüßt werden von der
deutschen Fahne! Das ist nicht mehr. Die deutsche Fahne ist in den
Staub getreten, fortgeworfen, wie man einen alten Lappen fortwirft.
Diese Farben sprechen keine stolze Sprache mehr, sie werden in der
weiten Welt nicht mehr mit Ehrfurcht begrüßt werden. Die Welt
droht eng um uns zu werden. Und nicht anders steht es, wenn wir
an die Zeit denken. Einst blickten wir zurück auf die stolze Reihe
von Helden des Geistes und der Tat in unserer Geschichte, und bei
jedem war Anlaß gegeben, den Sinn zu erheben, und bei allen schlugen
die Herzen unserer Jugend lebhafter. Die Vergangenheit ist uns
geblieben, und wir lassen sie uns nicht beflecken und beschmutzen, als
wäre von gestern auf heute häßlich und gering geworden, was wir ver-
ehrt haben. Aber einst blickten wir auch hinaus in eine Zukunft,
20 Begrüßung der heimgekehrten Ostafrikaner.
sonnenbeglänzt, auf die weite Welt als auf ein Gebiet, das dem deut-
schen Geist unterworfen und von ihm durchdrungen werden sollte.
Es erhob sich vor dem Geistesauge wohl höher und hoher dieser Auf-
stieg, dem Adler gleich ,,nec soli cedit"! Und heute.' Der Blick in
die deutsche Zukunft ist wie die Fahrt aus einer sonnigen Landschaft
in einen dunklen Tunnel. Die Welt droht eng um uns zu werden.
Aber je mehr das der Fall ist, desto mehr müssen wir unsere
Herzen erheben, desto lauter müssen wir uns das alte und immer
neue Evangelium von der Tat. verkünden lassen.
Und «darum begrüßen wir die Männer, die dieses Evangelium von
der Tat dort auf afrikanischem Boden umgesetzt haben in die W^irklich-
keit, die deutsche Ehre hochgehalten haben bis zum letzten Augenblick.
Sie kommen zu uns; wir können ihnen wenig Freudiges berichten und
wenig Freundliches erweisen. Aber sie kommen zu uns und finden
doch noch viele empfängliche Herzen für das, was sie uns zu sagen
haben. Es muß einst doch besser werden. Von dieser Zuversicht
lassen wir nicht. Wenn Sie ansehen das Bild hinter mir und den
schönen Zufall überlegen, daß unter den großen Verkündiger der
nationalen Tat, der dort spricht, hingehängt ist die Karte von Deutsch-
Afrika, so wirkt das wie eine gewaltige Predigt, der sich kein Herz
entziehen kann. Am Anfang war die Tat. Auch im Hinblick auf
unsere Kolonien gilt das, von ihrer Vergangenheit wie von ihrer Zukunft.
Daruin wollen wir nicht in Trübsal versinken, sondern zur Tat bereit
uns halten. Trotz allem bleiben wir eins in dem Bekenntnis nationalen
Glaubens: Wir glauben an das ewige Deutschland!
Der Vorsitzende Sekretär der Akademie der Wissenschaften, Herr
Geheimrat Prof. Dr. Roethe, begrüßte die Ostafrikaner mit folgenden
Worten :
Ich habe die Ehre, die heimgekehrten Ostafrikaner im Namen der
Akademie der Wissenschaften zu begrüßen. Auch bei uns ist es zuerst
das starke menschliche Empfinden, das Ihnen entgegenschlägt. Wenn
wir hörten von dem, was Sie draußen zu leisten und zu leiden ver-
mochten — , in das Dunkel der Heimat leuchtete ein belebender Strahl.
Über Ihren Taten lag der Glanz jugendlicher Frische. Bei den Namen
Lettow-Vorbeck und Schnee leuchten die Augen unserer Knaben auf,
wie bei einer begeisternden Indianergeschichte, bei der sie zum ersten
Male ahnen, was freudig jugendlicher Mut vollbringen kann. Wie
mancher Junge hat sich an solchen Abenteuern Mut und Lust zu künf-
tigem Schaffen geholt!
Und doch wie ganz anders stand es um Ihr ostafrikanisches Helden-
tum! Nicht deiYi Abenteuer galt es, nicht der Betätigung persönlichen
Begrüßung der heimgekehrten Ostafrikaner. 21
Mutes und Übermuts, sondern dem heiligen Kampf für das Vaterland,
der sich dort abspielte unter den erschwerendsten und wundersamsten
Umständen. Und uns Alten ward es auch zu Mute wie der Jugend.
Wir fühlten uns jugendlich und von neuem hoffnungsfroh, wenn wir
der Männer gedachten, die es vermochten, eine winzige Schar, im
Widerstand gegen das Britische Weltreich, von der Heimat abgeschnitten,
fest zu stehen, nicht bezwungen, nicht gefangen, durchzuhalten bis zu
dem letzten AugenbHck, da ihnen der Waffenstillstand die ehrenvolle
Heimatreise gewährleistete, die sie frei und unbesiegt antreten durften.
Die preußische Akademie der Wissenschaften hat mit den Fernen
der Welt seit ihrem Anfange zu tun gehabt. Ihre Blicke richteten
sich unmittelbar nach der Gründung schon auf China, freilich nicht
mit dem Auge des Naturforschers und Geographen, sondern mehr
unter dem Gesichtspunkt des Sprachkenners und auch des Missionars.
Später war es, durch Alexander v. Humboldt, wesentlich Südamerika,
das die Interessen und die Forschungsbemühungen der Akademie aus-
löste. Seit die Kolonialpolitik, namentlich unter Kaiser Wilhelm II.,
im deutschen Volke tiefere Wurzeln schlug und unsere Herzen und
Gedanken immer lebhafter beschäftigte, hat sich auch die Arbeit der
deutschen Wissenschaft mehr und mehr auf dies afrikanische Gebiet
gerichtet. Ostafrika, das Tendagurugebiet mit seinen wertvollen fossilen
Resten, wurde ein Lieblingsboden auch für die Forschung der Aka-
demie. Und die führende Rolle, die ihr lange Zeit bei den großen wissen-
schaftlichen Unternehmungen der Welt zuteil geworden ist, wurde unter-
stützt durch die Taten unserer Afrikaner, die uns dort drüben eine
zweite Heimat zu schaffen und die diese Heimat gegen jede Übermacht
zu verteidigen wußten.
In dieser Stunde hausen dort unsere Gegner. Aber mit unseren
Gedanken halten wir jenes Gebiet fest; wissenschafthch, geistig werden
wir es uns nicht entreißen lassen. Und wenn wir auf die Männer
blicken, die jetzt ungebeugt, aufrechten Hauptes zurückgekehrt sind,
so klammert sich an diese Heldengestalten auch unser Herz. Wir
vertrauen auf die Macht des Geistes und des Herzens; wir vertrauen,
daß Tage kommen werden, da wir die Glieder doch wieder mutiger,
zuversichtlicher, freier regen dürfen.
Sie sind heimgekehrt in der dunkelsten Stunde der deutschen Ge-
schichte. Aber von Ihnen geht es aus wie ein Schimmer besserer
Zeiten. Da wir so unsäglich Trauriges erlebt haben und täglich neu
erleben, da ist Ihr erquickender Anblick ein Quell neuer Hoffnung.
Sie verkörpern uns wieder die alte deutsche Tugend der Tapferkei't,
die Sie dort draußen durch lange Jahre unbeirrt und erfolgreich
bewährt haben. Und auch den alten griechischen Weisheitsspruch
22 Begrüßung der heimgekehrten Ostafrikaner.
haben Sie neu bewährt, daß der Kampf der Vater der Dinge sei. Die
Kämpfe, die Sie in Ostafrika durchzumachen hatten, haben zugleich
wissenschaftlichen Gewinn erbracht. Sie haben kämpfend, ausweichend,
neue Pfade suchend, auch der Wissenschaft unbekannte Gebiete sieghaft
erobert.
Im Leben wie in der Wissenschaft ist der Kampf eine fruchtbare
Macht, die nie aus der Welt schwinden wird. Die tapferen unbe-
zwungenen Kämpfer von Ostafrika geben uns auch m dieser Stunde,
da wir kampflos dem Siegesübermut unserer Feinde zusehen müssen,
die innere Gewißheit, daß es dereinst mit uns wieder aufwärts gehen,
daß nicht nur die deutsche Wissenschaft ihren Platz behaupten wird,
sondern auch das deutsche Volk, das deutsche Reich, der deutsche
Geist im weitesten Sinne, an den wir immer geglaubt haben und an
den zu glauben wir niemals aufhören werden. In diesem Geiste und
Sinne grüßt die Akademie der Wissenschaften die heimgekehrten
Ostafrikaner.
Herr Professor Georg Schweinfurth wollte die Ostafrikaner mit der
folgenden Ansprache begrüßen, er war leider wegen eines Katarrhs
am Erscheinen gehindert!
Ich betrachte ihn als einen der glücklichsten Tage meines Lebens,
an dem mir heute, als sogenanntem ältesten Afrikaner die Ehre zukommt,
unsere Helden aus Ostafrika auch im Namen der deutschen Afrika-
forschung zu begrüßen und ihnen den schuldigen Tribut der Dankbar-
keit darzubringen für so viel Treue und für eine so beispiellos opfer-
reiche Hingabe, die sie im Dienste des Vaterlandes bewährt haben,
uns Zeitgenossen zum Stolz und zum Vorbild, den fernsten Geschlechtern
zu ewigem Gedächtnis 1
Dem Genius eines künftigen Dichters bleibt es vorbehalten, ,,die
Waffen und die stolzen Heldenscharen" mit dauerndem Nachhall zu
besingen. Der unerschrockene und unbeugsam zuversichtliche Feldherr,
mit allen seinen Unterführern und anderen Getreuen, dazu der heroisch
standhafte Gouverneur, der nach zweieinhalbjähriger, segensreicher
Friedensarbeit Zeuge werden mußte von dem an unserem Besitz so
treulos geübten Verrat, ich hoffe, sie müssen Vorwürfe für ein Epos
liefern, durch das bei uns erblassende patriotische Gefühle wieder neu-
belebt werden können.
Mögen diese Männer sich der wohlverdienten Ruhe erfreuen und
nun sparsamer mit dem so wunderbar erhaltenen Bestand ihrer Lebens-
kräfte hausen. Ihre in den Jahren der Not und der Mühe opferreich
erkaufte Erfahrung wird für uns vielleicht wertvoller sein als ihr tat-
1
Begrüßung der heimgekehrten Ostafrikaner. 23
kräftiges Handeln, jetzt, in dieser Zeit der allgemeinen Hungersnot, —
auch an Männern! Mögen sie ferner darüber sich nicht grämen, was
unsere Feinde des Willkürlichen von ihrer angeblichen Willkür bei
Behandlung der Eingeborenen zu berichten wissen.
Die Leichtfertigkeit, mit der die Schmäher Deutschlands, da sie
auf die in den englischen Blaubüchern niedergelegte Weisheit wie aufs
Evangelium schwören — , ein Verdammungsurteil gefällt haben über
unsere Eingeborenenpolitik in den Kolonien, sie entsprach wenig der
obersten Regel, nämlich der, Kritik zu üben an den Quellen. In einer
Zeit, da die Feinde sich der Lüge als Kampfmittel bedienen und mit
ihren Verleumdungsmethoden wie mit giftigen Gasbomben hantieren,
kann nichts in Erstaunen setzen, was menschliche Bosheit und Tücke
an Beschuldigung zu ersinnen vermag!
Aber die göttliche Weltenmacht, die das Universum regelt, kund
tut sie sich nirgends klarer vv'ie als Gerechtigkeit in der Geschichte,
und die KHo wird sich, des sind wir sicher!, den unbestechlichen
Griffel nicht aus der Hand nehmen lassen. Unser verehrter Vorsitzender
wird dazu im Namen der Gesellschaft feierHch Verwahrung einlegen
gegen die schändlichen Beschuldigungen, die von unseren Feinden
bei den Haaren herbeigezogen worden sind,* nur um den Raub zu
bemänteln, den sie an unseren Kolonien zu begehen vorhaben.
Noch möchte ich einen allgemein empfundenen Wunsch zum Aus-
druck bringen, um die Geschichte dieser unerhört denkwürdigen Feld-
züge baldigst in einem für Deutschlands Ruhm monumentalen Werk
niedergelegt und dieses dann auch mit dem Ergebnis der dazu gehörigen
geographischen und naturhistorischen Wahrnehmungen ausgestattet zu
sehen, die sich vielen der Teilnehmer in den unermeßlichen Gebieten
auf Tausenden von Kilometern Wegestrecke aufgedrängt haben werden.
Neben dem Gang des KriegsgeschichtHchen muß eine Fülle von merk-
würdigen und bedeutsamen Tatsachen festgestellt worden sein, deren
Bekanntgebung wir alle mit größter Spannung entgegensehen.
Der höchste Ruhm aber, den sie errungen, soll für alle Zeiten in
dem Satze gipfeln: Unsere tapferen Ostafrikaner befestigten aufs neue
in uns den unerschütterlichen Glauben an ein unvergängliches Deutsch-
land!
24 Protest der Gesellschaft für Erdkunde gegen die Ausstoßung Deutschlands usw.
Protest der Gesellschaft für Erdkunde gegen die Ausstoßung
Deutschlands aus der Reihe der kolonisierenden Mächte.
In den Ausführungen, die Gouverneur Schnee über Deutsch-
Ostafrika während des Krieges gemacht hat, tritt eine Tatsache be-
sonders hervor, nämlich die treue Anhänglichkeit der Eingeborenen
DeutschAfrikas an die deutsche Herrschaft. Die Schwarzen folgten
unserer Schutztruppe auf allen ihren Zügen und hielten sich wacker
mit den Unseren gegen den überlegenen Feind. Kennern der Kolo-
nien ist dies keine Überraschung; wohl aber für denjenigen, welcher
die Beschuldigung in Erinnerung hat, die Präsident Wilson am 14. Fe-
bruar auf der Pariser Friedenskonferenz ausgesprochen hat. Nach dem
Bericht im Temps vom 16. Februar sagte er folgendes:
,,Die Geschichte lehrt, daß die schwachen Völker immer aufs
neue die Beute gewissenloser Nationen werden. Eines der letzten
und betrübendsten Beispiele, die wir davon kennen gelernt haben,
wird durch die Taten einer heute glücklicherweise besiegten Macht
in den Gebieten offenbart, die sie außerhalb Europas besaß. Wir
haben gesehen, daß sie in einigen Fällen ihr Interesse nicht im Fort-
schritte, sondern in der Ausrottung von deren Bevölkerung erblickte.
Ihr Wunsch war nicht, jenen Völkern zu helfen und sie zu ent-
wickeln, sondern sich ihres Landes zu bemächtigen, um darin euro-
päische Kolonien einzurichten. Kein Wunsch, ihnen zu helfen, sie
emporzuziehen und aufrechtzuerhalten, leitete ihr Wirken."'
Man kann nach diesen Worten nicht zweifeln, aus welcher Quelle
Präsident Wilson sein Urteil schöpfte. Es ist das englische Blaubuch
vom August 191 8 über die Eingeborenen von Südwestafrika und ihre
Behandlung durch Deutschland i). Ein stattliches Buch zu billigem
') Report on the natives of South-West Africa and their treatment by Germany.
Parliamentaiy Report London August 1918. 218 S. fol. Preis 2 sh 6d. Einige Wendungen
Wilsons könnten mutmaßen lassen, daß er sich auch auf eine andere Quelle stützt,
nämlich: Evans Lewin, Deutsche Kolonisatoren in Afrika. Die Kolonisierung mit der
Peitsche. Mit einem offenen Brief des Bischofs von Zanzibar. Zürich 1918. Über
diese hat sich ein Neutraler, der Pater van der Bürgt von der Mission der Weißen
Väter, der in Afrika lange Zeit als Missionar gewirkt hat und Deutsch -Ostafrika
genau kennt, in nicht mißzuverstehender Deutlichkeit geäußert; er bezeichnet das
Buch als ein ungeheuerlich scheinheiliges Pamphlet und sagt: „So dumm ist besonders
die neutrale Welt auch in diesem Krieg noch nicht geworden, um solchen Schwindel
zu glauben. Es ist zu dick aufgetragen." Vgl. A. E. B r i n c k m a n n, Eine Unter-
redung mit Pater van der Bürgt. Koloniale Rundschau 1918. S. 347.
Protest der Gesellschaft für Erdkunde gegen die Ausstoßung Deutschlands usw. 25
Preise, ausgestattet mit Bildern, die ihren Zweck, Grauen zu erregen,
recht deutlich verraten; vier Lichtdrucktafeln zeigen gehängte Ein-
geborene, sieben Tafeln Ketten und Fesseln für verurteilte Eingeborene.
Daß die Vorwürfe für solche Bilder nicht übermäßig reichlich waren,
geht daraus hervor, daß von ein und derselben Hinrichtung zAvei Bilder
gegeben werden. Die Schrift ist in Windhuk im Regierungsgebäude
entstanden unter Leitung des Administrators F. M. G o r g e s , unter
Mitwirkung des Majors O ' R e i 1 1 y und des Kronanwaltes W a t e r s.
Ihre Grundlage sind teilweise Akten der deutschen Regierung,
welche die Engländer erbeutet haben, vor allem aber Vernehmungen
von Eingeborenen, die, w^ährend des Krieges durch England
aufgestachelt, schließlich als Aufrührer gegen Deutschland gekämpft
haben.
Es handelt sich um einen Bericht an das Parlament. Er ist sorg-
fältig ausgearbeitet, mit der unverkennbaren Absicht, im Parlamente
Stimmung zu machen und eine solche Stimmung auch außerhalb des
Hauses zu verbreiten. ,,Man wird genug im Berichte finden, um den
Skeptischsten zu überzeugen von der Ungeeignetheit der Deutschen,
über Eingeborene zu herrschen, und auch um zu erkennen, was den
unglücklichen Eingeborenen von Südwestafrika drohen würde, wenn sie
unter die frühere Herrschaft zurückkehren sollten", spricht der Admini-
strator Gorges am Schlüsse des Vorwortes aus.
Dies Blaubuch hat eine Erwiderung seitens des Reichs-Kolonial-
amtes gefunden, welche, in den letzten unruhigen Monaten erschienen,
leider nicht die Beachtung in der Öffentlichkeit gefunden hat, die sie
verdiente; denn sie ist eine ganz vorzügliche Abwehrschrift i). Von
wissenschaftlichem Geiste getragen, hellt sie vieles auf und widerlegt
anderes. Sie hält sich fern von jedem Bestreben, Dinge zu vertuschen
oder zu beschönigen. Wenn aber das englische Blaubuch die Dinge
in oft wenig loyaler Weise darstellt und in tendenziöser Weise An-
klagen gegen die deutsche Kolonialverwaltung erhebt, dann kommt
sie mit Anklagen viel schwererer Art und zeigt, wie das deutsche
Vorgehen stets viel humaner als das Englands in ähnlichen Fällen
gewesen ist.
Nach dieser ausgezeichneten Verteidigung geht die Denkschrift
zum Angriffe über, und hatte sie zuvor Beispiele für die Behandlung
der Einheimischen in den englischen Kolonien gleichsam in systema-
tischer Anordnung gebracht, so gibt sie nun einen Überblick über die
1) Reichs-Kolonialamt. Behandlung der einheimischen Bevölkerung in den
kolonialen Besitzungen Deutschlands und Englands. Eine Erwiderung auf das
englische Blaubuch vom August 1918: Report on the natives of South-West Africa
and their treatment by Germany. Berlin 1919. Auch in englischer Ausgabe.
26 Protest der Gesellschaft für Erdkunde gegen die Ausstoßung Deutschlands usw.
Handlungsweise von England in Ägypten, Mittelafrika, Südafrika,
Australien und Britisch -Indien. Dem Fachmann bietet sie dabei im
einzelnen nichts Neues; denn sie stützt sich nur auf allgemein zu-
gängliche, meist englische Quellen. Solche sind nicht gerade spärlich;
denn das muß zur Ehre des englischen Volkes gesagt werden, daß es
immer Männer und Frauen gegeben hat, welche die Brutalität englischen
Vorgehens in seinen Kolonien offen dargelegt und bekämpft haben.
In der Zusammenfassung dieses bekannten Materials liegt die Stärke
der deutschen Denkschrift. Sie zeigt uns, wie vernachlässigt das
ägyptische Volk unter englischer Herrschaft geblieben ist. Unschwer
wird es der Denkschrift hier, die Abbildung einer engHschen Hin-
richtung zu geben, nämlich von der bekannten von Denshawai, wo
vier Ägypter ihr Leben lassen mußten, weil sie englische Offiziere
geprügelt hatten, die ihnen ihre Tauben wegschössen. Sie gibt einen
Einblick in die Grausamkeiten, welche sich die englische Herrschaft bis
in die allerjüngste Zeit an der Guineaküste zuschulden kommen ließ, und
zeigt uns die Abbildung der Katze, der berüchtigten Drahtpeitsche, die
dort alltäglich in Anwendung kommt, ebenso wie das In-die-Kette-legen.
Die Denkschrift legt dar, wie die Bevölkerung von Nigerien und Sierra
Leone durch den Schnaps zugrunde gerichtet wird, der in den Jahren
1901/02 Nigerien beinahe zwei Drittel seiner Einnahmen gewährte. Sie
berichtet weiter von den Negerjagden in Unyoro, von denen Major
Th urston sagt, daß er, von den Raubeinfällen und Mördereien an-
geekelt, aufatmete, als er damit fertig war. Darauf wird Englands Unrecht
am Burenvolk nach J, C. S m u t s geschildert, der im Burenkriege so
erfolgreich gegen die Engländer kämpfte und eine Zeitlang in
Ostafrika das englische Kommando führte. In Erinnerung werden
uns gerufen die schrecklichen Zustände in den Konzentrationslagern
der Buren, das Elend der Frauen und Kinder daselbst, deren 26 .379
verstorben sind — mehr als ein Viertel der Internierten. Diese Zahl
verliert nichts an erschütternder Bedeutung dadurch, daß sie heute
bei weitem durch eine andere übertroffen wird: beläuft sich doch die
Zahl der Opfer der Hungerblockade, die England über uns verhängt
hat, auf rund 8 00 000 Männer, Frauen und Kinder. Der 80. Teil
unseres Volkes ist während der letzten vier Jahre an Erschöpfung oder
Hunger gestorben. Es kommt die Denkschrift weiter auf die Be-
handlung der Eingeborenen von Westaustralien, wozu der Erzbischof
von Canterbury äußerte, daß die einschlägigen Feststellungen in den
Annalen der britischen Verwaltung in der ganzen Weltgeschichte
einzig daständen. Etwas dürftig wird der Untergang der Tasmanier
behandelt, die im Laufe von 50 Jahren durch wahre Menschentreibjagden
und Abschießen der einzelnen so gründhch ausgerottet wurden, daß
Protest der Gesellschaft für Erdkunde gegen die Ausstoßung Deutschlands usw. 27
wir heute nur dürftige Nachrichten über ihre Sprache und ihren an
die ältere Steinzeit gemahnenden Kulturzustand besitzen. Zum Schlüsse
wird der Zustände in Indien gedacht. Bilder, zum Teil englischen
Zeitungen entnommen, rufen uns in Erinnerung zurück, wie vor 6ü Jahren
die Aufständischen vor Kanonen gebunden und in die Luft geblasen
wurden. Es ist eine erschütternde Liste von Grausamkeiten und Ge-
walttaten, von erbarmungslosem Hinmetzeln von Menschen und jeder
Nichtachtung von Menschenrechten, die uns gegeben wird. Wir möchten
sicher sein, daß Präsident Wilson nach Durchlesung der deutschen
Denkschrift nicht an England denken kann, wenn er sagte: ,,Die
Mächte, an die wir denken, um ihnen das Mandat des Völkerbundes
in der Verwaltung der bisherigen deutschen Kolonien anzuvertrauen,
sind solche, die bereits erwiesen haben, daß sie solches im Sinne
hoher Humanität ausüben."
Auch an Belgien kann Präsident Wilson schwerlich als zukünftigen
Verwalter der deutschen Kolonien gedacht haben: zu lebhaft sind noch
die Kongogreuel in aller Erinnerung. Aber auch die Vereinigten Staaten
von Amerika kann der frühere Professor der Geschichte zu Princeton
nicht ins Auge gefaßt haben; denn die Besetzung der heutigen Ver-
einigten Staaten durch die weiße Bevölkerung geschah in stetem Kampfe
mit den Indianern, wobei diese stetig zurückgedrängt, ihr Land ge-
nommen und sie selbst vielfach ganz ausgerottet wurden. Bancrofts
bändereiche Geschichte der Vereinigten und Pazifischen Staaten kommt
immer wieder auf grausame Indianerkriege zurück. ,,Es kann kein
Zweifel bestehen, daß die Spanier die Eingeborenen gerechter be-
handelten als Engländer und Amerikaner", ruft er einmal aus. ,,Ein
Jahrhundert der Unehre" ist der Titel des Buches, in dem Helen
Hunt Jackson zunächst anonym die Aufmerksamkeit auf die fort-
gesetzten Greuel, ausgeübt an Indianern, lenkte. Jahre vor dem Kriege
hat ein deutscher Ethnologe, Georg Friederici, in einem lesens-
werten Büchlein diesen Gegenstand in streng wissenschaftlicher Weise
behandelt^).
Bis zum Schlüsse des 19. Jahrhunderts haben im fernen Westen
die Indianerkriege gedauert. Erst als die letzten Stämme in Reserva-
tionen seßhaft gemacht worden waren und die ursprüngliche Bevölkerung
auf geringe Reste zusammengeschmolzen war, begann Ruhe und wurden
Zustände hergestellt, welche die amerikanische Intelligenz seit langem
verlangt hatte. Mehr als ein Jahrhundert hat es gedauert, bis sich diese
humaneren Gesichtspunkte zur Geltung brachten. Aber schon nach
dreißig Jahren deutscher Herrschaft wurden sie in Südwestafrika vom
') Indianer und Angloamerikaner, Braunschweig 1900.
28 Protest der Gesellschaft für Erdkunde gegen die Ausstoßung Deutschlands usw.
Gouverneur Seitz in einem vertraulichen Schreiben den Bezirks-
amtmännern und Distriktchefs auf das eindringlichste nahegelegt, wie
wir aus dem englischen Blaubuche erfahren. Die Sache ist hier wie
da dieselbe. An der Grenze der höheren Zivilisation spielen sich un-
erfreuliche Dinge ab, welche mehrfach untersuchte Kontakterscheinungen
höherer und niederer Kultur sind '). Sie werden von der InteUigenz
des Volkes höherer Kultur auf das schärfste verurteilt. Der Unterschied
ist lediglich der, daß sich dieser Standpunkt bei den Regierungen der
beiden großen angelsächsischen Völker viel langsamer zur Geltung ge-
bracht hat als beim deutschen. Die Geschichte angelsächsischer Kolo-
nisation hat daher viele Bände voll von dunklen Seiten, wie jeder
Historiker und Geograph weiß. Kein sittlich empfindender Mensch
wird jene unerfreulichen Erscheinungen billigen; aber Völker, die un-
gesühnte Schuld tragen an der fast gänzlichen Ausrottung der ein-
geborenen Bevölkerung in Australien und Nordamerika, am Untergänge
tüchtiger zentralafrikanischer VörkerS) und an der überaus blutigen
Niederwerfung der Bantuvölker Südafrikas, welche Schuld tragen an
dem Opiumkriege in China, an den Qualen von Indien, an dem Ge-
metzel von Omdurman, an den Greueln im Kongostaat und an dein
Hinsterben Zehntausender hilfloser Burenfrauen und -kinder, haben
nicht das Recht, Richter zu sein über uns.
Jeder Geograph weiß, daß die deutschen Kolonien in den dreißig
Jahren ihres Bestehens zu rascher Blüte emporgehoben worden sind.
Sie sind erforscht worden nach Oberflächengestalt, Aufbau, Klima,
Pflanzenwelt und Bevölkerung. Unter deutschem Schutze waren die
Verhältnisse der Eingeborenen vor Ausbruch des Krieges wohlgeordnet,
ihre wirtschaftliche und kulturelle Entwickelung schritt rasch voran.
Das haben hervorragende Sachkenner aus den Reihen unserer Feinde
in den Zeiten ruhiger Überlegung wiederholt anerkannt. Die Denk-
schrift des Kolonialamtes bringt dafür eine Menge Belege. ,,Von allen
Schutzherren in Afrika hat der Deutsche die reinsten Hände und die
besten Aussichten", schrieb 191 1 der Amerikaner Forbes. Daß sich
diese Urteile unserer Feinde im Laufe des Krieges über unsere kolo-
nisatorischen Fähigkeiten vielfach geändert haben, ist uns wohlbekannt.
Aber eine Sache wird dadurch nicht schlechter, daß sie bei einem
1) Die letzte Untersuchung rührt von K. S a p p e r her. Die Bedrohung des
Bestandes der Naturvölker und die Vernichtung ihrer Eigenart. Archiv für Rassen-
und GescUr-chaftsbiologie. 1916 17. Heft 3/4.
2) Nach Pater van der Bürgt ist die Bevölkerung Ugandas seit dem Kriege
bis 1917 um etwa 200000 zurückgegangen und sind im Nyassagebiet an Seuchen.
Hunger und dem Trägerwesen gleichfalls 200 000 Neger zugrunde gegangen. Brinck-
mann a. a. O. S. 350.
W. Behrmann: Die Landschaften Rumäniens. 29
Stimmungswechsel schlecht beurteilt wird. Es ist Aufgabe der Wissen-
schaft, hier an der Wiederherstellung der Wahrheit zu arbeiten. Aus
dieser Erwägung heraus schlage ich Ihnen die Annahme der folgenden
Erklärung vor:
Die Gesellschaft für Erdkunde zu Berlin legt feierlich Verwahrung
dagegen ein, daß dem deutschen Volke von seinen Feinden die
Fähigkeit und Gewissenhaftigkeit abgesprochen wird, auch ferner
Anteil zu haben an der Kolonisation und der Hebung rückständiger
Völker. Deutschlands Fähigkeit, zum Wohle der Menschheit zu
kolonisieren, ist durch die Blüte bewiesen, zu der es seine Kolonien
vor Ausbruch des Krieges gebracht hatte und durch die Ergebnisse
seiner humanen Eingeborenenpolitik, wie sie besonders in der Treue
der Eingeborenen Deutsch-Ostafrikas während des Krieges in schlagen-
der Weise hervorgetreten sind. Deutschland aus der Reihe der
kolonisierenden Mächte zu stoßen, wäre Vergewaltigung, niemals Recht.
Diese Protesterklärung wurde von der aus über lOOO Teilnehmern
bestehenden Versammlung einstimmig angenommen.
Die Landschaften Rumäniens^).
Vortrag geiialten in der allgemeinen Sitzung am 12. Oktober 1918.
Von Dr. W. Behrmann.
Nach der Eroberung Rumäniens durch das deutsche Heer betrachtete
die Militärverwaltung und nach ihrer Auflösung das Oberkommando
des Besatzungsheeres als eine ihrer wesentlichen Aufgaben, deutsches
geistiges Leben im eroberten Gebiete zu pflegen. Diese umfassende,
vielseitige Arbeit wurde der Druck- und Büchereistelle übertragen,
welche in ihren verschiedenen Abteilungen, wie Buchhandelsabteilung,
Bildungswesen, Archiv und Bibliothek, Hochschulkurse usw. die Auf-
gabe zu erfüllen hatte. Als nun der Plan hervortrat, eine Landeskunde
von Rumänien zu schaffen, fand die Anregung gut vorbereiteten Boden.
Der Plan wurde aufgenommen, ja sogar erweitert, indem der Druck-
und Büchereistelle ganz allgemein „die Förderung deutscher wissen-
schaftlicher Forschungsarbeit" übertragen und ihre ,, einheitliche Zu-
sammenfassung" von der Militärbehörde gebilligt wurde. So wurde
Anfang April 1918 eine Abteilung Landeskunde gegründet, die die
') Die Ausführungen stützen sich auf ausgedehnte Reisen, die in den besetzten
Teilen Rumäniens unternommen wurden. Es sollen im folgenden nur die Land-
schaften behandelt werden, die selbst gesehen worden sind, da nur durch Beobachtung
eine geeignete Grundlage geograpbischer Betrachtung gewonnen wird. Aus leicht
verständlichen Gründen wird die Moldau darum nicht in den Kreis der Betrachtungen
gezogen.
30 W- Behrmann:
Erforschung des Landes zur Aufgabe hatte. Die erste Anregung zur
Gründung der Abteilung Landeskunde hat Geheimrat Prof. Dr. A. Penck
gegeben, die sofort von seiner Exzellenz dem Herrn Militärgouverneur
Tuelff V. Tschepe und Weidenbach in ihrer Bedeutung erkannt wurde.
Die Aufgabe, die sich die Abteilung Landeskunde gestellt hatte,
konnte durch die Ereignisse der letzten Monate nicht voll erfüllt werden.
Doch ist zu hoffen, daß die einzelnen Mitarbeiter ihre gemachten
Beobachtungen und Forschungen an geeigneten Orten veröffentlichen
werden. Der nachfolgende Vortrag soll nur einen ersten Überblick
über die rumänischen Landschaften bieten.
Das besetzte Rumänien wird im Norden von dem S-förmigen
Doppelbogen der Karpathen begrenzt, im Süden von der Donau um-
spült, die zuerst nach Süden schwingt, um dann den Bogen der Kar-
pathen noch einmal getreu zu wiederholen. Karpathen und Donau be-
herrschen das Land in solcher Weise, daß man es kurz als Zwischen-
land zwischen diesem Gebirge und dem Strome kennzeichnen kann.
Das Gebirge ist die Wiege des Landes, aus dem es entstand. Von
ihm brachten die Flüsse das Gesteinsmaterial, das den Boden des
Landes bildet, im Mittelalter der Erde ebenso wie heute, wenn auch
im Laufe der Zeiten sowohl das Gebirge wie der Hauptfluß nach Süden
gerückt sind und stets neue Gebiete in die Gesetze ihrer Wechsel-
beziehungen hineingezogen haben. Wie in geologischer Vergangenheit,
so schiebt sich noch heute das Gebirge nach Süden vor, indem die
angrenzenden Teile der Ebene gehoben werden und so zum Gebirge
werden. Erdbeben am Rande des Gebirges bezeugen, daß noch keine
Ruhe eingetreten ist. Im Gebirge ruhen die reichen Schätze des Landes.
Die Römer lockte das Gold des Altflusses an. Petroleum und Salz
sind heute die wertvollen Produkte der rumänischen Wirtschaft. Im
Gebirge wurzelt das kräftige Volkstum der Rumänen, in der Wildnis
der Bergwälder fanden sie Schutz vor den Stürmen der Völkerwanderung
und Türkenkriege. Auf den Hochweiden der Karpathen hat sich bis
auf den heutigen Tag in mittelalterlicher, ja fast vorzeitlicher P'orm ein
Hirtentum bewahrt von einer gesunden Kernwüchsigkeit, die der neu-
zeitlichen Halbkultur der Ebenenstädte und der erhasteten Überkultur
der Hauptstadt sympathisch widerspricht. Das Pflanzenreich und die
Tierwelt ist noch heute im Gebirge in ursprünglicher Form erhalten.
Hier finden sich z. B. die großen Raubtiere in noch weit größerer
Zahl als man in Europa erwarten sollte. Für Verkehr, Handel und
für die anderen Kulturerrungenschaften trennt der Kamm der Kar-
pathen als scharfe Scheidewand Rumänien von dem übrigen Mittel-
europa. Er wäre eine noch schärfere Grenzlinie, wenn nicht Flüsse
Die Landschaften Rumäniens. 31
in einzelnen leicht gangbaren Pforten das Gebirge mitten durch-
querten.
Die Donau, die den südlichen Grenzsaum des Landes bildet, ist
die Hauptverbindung der rumänischen Ebene mit Ungarn und Mittel-
europa.. Ihrem Durchbruchstal folgt die wichtigste Eisenbahnlinie. Ihr
Bett ist der tiefste Punkt des Landes, zu dem die Flüsse strömen, und
in dem sie ihre Transportkraft erschöpfen. Ihre geologische Geschichte
ist daher die Geschichte der ganzen unteren Ebene. Als deutlicher
Grenzsaum trennt sie Rumänien von dem Balkan und wäre geeignet,
dem Lande eine ruhige Abgeschlossenheit zu sichern, Sie verbindet
aber Rumänien mit Mitteleuropa und dem Meere und kann so die
Quelle des Wohlstandes werden, auf der die Früchte der Ebene und
die nicht minder reichen Produkte des Gebirges den Weltmarkt er-
reichen. Der Fischreichtum der Donau ist dank des hohen wissen-
schaftlichen Standes seiner Ausbeutung zu einem wichtigen Faktor der
Volksernährung des Landes geworden.
Nur, wo weder Donau noch Karpathen das Land im Nordosten
umsäumen, liegt es offen zur südrussischen Ebene, deren Einfluß sich
daher bis weit ins Land hinein bemerkbar macht. Wenn wir ganz ab-
sehen von Kultur, Religion und Politik und nur bei der Natur des
Landes bleiben, so ist für das Klima gerade dieser offene Winkel von
ausschlaggebender Bedeutung. Von hier kommt der vorherrschende
Wind. Der kontinentale Charakter der heißen Sommer und kalten
Winter wurzelt hier. Daher nehmen mit Annäherung an diesen Punkt
die Steppen immer größeren Raum ein. Ihr fruchtbarer Lößboden
bringt dem Lande Überfluß oder Hunger, je nach Gunst oder Ungunst
des Klimas, während im geschützten Winkel zwischen W^estkarpathen
und Donau, in Oltenien, gleimäßigeres Klima bei schlechterem Boden
nicht so reiche, aber dafür um so gesichertere Ernten verspricht.
Bei dem kurzen Überblick,- der im Rahmen eines Vortrages die
wechselvollen Landschaften Rumäniens an uns vorüberführen soll,
beginnen wir mit der Donau und der von ihr unmittelbar geborenen
Landschaft.
Die Donau hat oberhalb und unterhalb des Eisernen Tores ein
wesentlich verschiedenes Aussehen. In der ungarischen Tiefebene
fließt sie im gleichen Niveau der Oberfläche und spaltet sich oftmals,
zahlreiche Inseln umfließend. LTnterhalb ihres Durchbruchs im Eisernen
Tor dagegen liegt sie beträchtlich unterhalb des allgemeinen Niveaus,
sie strömt in eingesenkten Mäandern, eine Laufform, die sie bis etwas
unterhalb Calafat innehält. Zwar sind auch hier die Inseln innerhalb
des Stromes noch nicht verschwunden. Dem hohen rumänischen Ufer
steht an bulgarischer Seite ein ebenso hohes Ufer in weiter Entfernung
32 W. Behrmann:
gegenüber. Weiter stromab ändert sich das Bild. Die Donau folgt im
allgemeinen einem Bruch, an dem die bulgarische Platte gegenüber
der rumänischen Ebene gehoben ist. Nur an einzelnen Stellen verläßt
sie die Bruchlinie. Da die Donau aber ein breiter und breiter werdendes
Tal ausbildet, das durch eine Senkung des ganzen Landes langsam mit
Alluvionen aufgefüllt worden ist, so ist die alte Bruchlinie unter den
Anschwemmungen verhüllt und nur beim Bau des Hafens von Giurgiu
und bei der großen Cernavoda-Brücke, die den Seehafen Constan^a mit
Rumäniens Hauptstadt verbindet, durch Bohrungen zutage getreten.
Das aufgeschüttete weite Strombett der Donau, Balta genannt,
umsäumt als eine charakteristische Landschaft ganz Rumänien. Es ist
ein amphibisches Land, welches in der Hauptzeit des Jahres trocken
liegt, bei den Frühjahrshochwassern aber weit überschwemmt ist. Nur
einzelne Weidenbäume ragen dann aus der weiten Wasserfläche heraus,
die Zufluchtstätte der ganzen Kleintierwelt der Balta. In ganz trockenen
Jahren nur, wie in diesem Frühjahr, ist die Balta völlig wasserlos. Im
Allgemeinen befinden sich seitliche Überschwemmungsseen in ihrem
Gebiete, der Tummelplatz vieler Wasservögel, die durch den Fisch-
reichtum dieser Gewässer angezogen sind. Die Überschwemmungs-
seen sind durch einzelne Wasserläufe, Girla genannt, mit der Donau
verbunden. Je nach dem Wasserstande des Hauptflusses wechselt die
Richtung des strömenden Wassers in ihnen. Zur Trockenzeit zeigt
nur eine Reihe von Wasserlachen, in die sich die Flußtiere, wie Schild-
kröten, zurückgezogen haben, den Lauf an, den die Entwässerungsader
nahm. Die alten Weiden an ihren Ufern sind bis zu i m Höhe ent-
laubt, da bis zu dieser Höhe die Überschwemmungen zu steigen pflegen,
nur Luftwurzeln ragen tiefer hinab. Die Donau und sämtliche
Seitenbäche haben ihre Alluvionen in unmittelbarer Nähe des Flußlaufs
am meisten angehäuft, so daß alle durch einen niedrigen, flachen,
natürlichen Damm von dem tieferliegenden Lande getrennt sind. Um
Gärten des umliegenden Landes zur Trockenzeit zu bewässern, müssen
Schöpfräder gebaut werden, in deren Bau die Bulgaren, die Gärtner
Rumäniens, sich besonders auszeichnen. Im Allgemeinen dient die
Zone der Balta als Weide, sie ist siedelungslos, nur ganz wenige
Fischerhütten finden sich auf den Flußdämmen. Wanderzigeuner, die
zur Bestellung einzelner Acker herangezogen werden, haben zur
Trockenzeit ihre Zelte auch in der Balta aufgeschlagen. Die Be-
völkerung sitzt vielmehr am Rande der Balta.
Die ganze weite Tallandschaft der Donau liegt eingebettet unter-
halb der rumänischen Ebene. An dem Abfall der Ebene zur Balta
und auf den einzelnen Terrassen an diesem Abfall befinden sich die
Dörfer. Hier an der Grenzzone zwischen der höheren Fruchtebene
Die Landschaften Rumäniens. 33
und dem tiefer liegenden Weidelande reihen sich die Dörfer auf,
angelockt durch die günstigen Bedingungen beider Gebiete, durch den
Fischreichtum der Donau und durch das gute Quellwasser, welches am
Rande zur Balta überall heraustritt. Im Allgemeinen ist der Abfall
zur Donau terrassenförmig aufgebaut oder sanft geböscht. Nur weiter
unterhalb am Rande der Baragansteppe, wo der Seitenarm der
Donau, Borcea, das Lößplateau bespült, steht dieses durchlässige fein-
körnige Gesteinsmaterial in steilen Wänden an. Tiefe Schluchten haben
den Rand ausgefranst. Sie können die Wassermassen der seltenen,
aber mächtigen Platzregen nicht bergen. Diese sickern ein, fließen,
unterirdisch und reißen an dem Ausgang fast aller Schluchten Höhlen
in den Löß.
Die Donau ist die Erosionsbasis für sämtliche ihr zuströmenden
Nebenflüsse. In dem Maße, wie die Donau tiefer liegt als die ru-
mänische Ebene, sind alle Seitenflüsse und Bäche gezwungen, ihre
Betten zu vertiefen. Die rumänische Ebene besteht also nicht aus
einer tischgleichen Fläche — diese finden wir nur in einzelnen
Partien Olteniens und in der flußarmen Baragansteppe — sondern ist
eine von den Flüssen zerschnittene Ebene. Da die Erosion rückwärts
sich einfrißt, sind die Täler, je weiter wir uns von der Donau ent-
fernen, desto weniger eingeschnitten. Die Grenze, bis zu der diese
Verjüngung der Ebene rückwärts geschritten ist, verläuft etwa 20 km
nördlich Bukarest parallel zur Donau. Nördlich dieser Linie fließen
sämtliche Gewässer im Niveau der Ebene. Der Grundwasserspiegel
rückt hier nahe an die Oberfläche. Dieses Land gehört zu den frucht-
barsten Partien Rumäniens. Die Bevölkerung sitzt auf der ganzen
Fläche verteilt. Die Nähe des Gebirges bringt aber häufige Hoch-
wasser, die Flüsse, die nicht eingeschnitten sind, können leicht ihren
Lauf verändern, so daß in dieser Zone Flußverlegungen in der Vorzeit,
aber auch noch heute häufig eingetreten sind. Südlich der Linie, bis
zu der die Erosion rückwärts sich fraß, spiegeln sämtliche Flüsse das
Bild der Donau im Kleinen wieder. Wie der Hauptfluß haben auch
sie sich in mehreren Perioden eingeschnitten, bis in der Jetztzeit,
genau wie bei der Donau, die Einschneidungsperiode von einer Auf-
schüttungszeit abgelöst ist. Unterhalb und oberhalb Bukarests fließt
z. B. die Dämbovita durch saftige Wiesen 20 bis 30 m unter der rumä-
nischen Ebene. Die Aue des Flusses, die Lunca, dient dem Weide-
betrieb, die Hochfläche dem Ackerbau. Da aber der Grundwasserspieo-el
in dem Niveau der Flüsse tief unter der Ebene liegt, kann mit einer
guten Ernte nur gerechnet werden, wenn im Frühling zur Zeit des
Keimens genügender Regen fällt. Die Witterung kurzer Wochen
entscheidet über Mißernte und Hungersnot oder reiche Ernte und
Zeitschr. d. Gesellsch. f. Erdkunde zu Berlin. 1919. Nr. 1/2. 3
34 W. Behrmann
Überfluß an allen Dingen. Die Bevölkerung zieht sich in lang-
gestreckten Dörfern am Rande der Flußiäler an der Grenze dieser
Fruchtebene zum Wasser zusammen. Bukarest baut sich von den
Höhen der Ebene hinunter zur Aue der Dämbovi^a und am andern
Ufer wieder hinauf. Ein alter Umlaufberg trägt das Hauptheiligtum
der Stadt, die Metropolitankirche. Zu den Vorstädten, bis zu denen
die Wasserversorgung nicht vorgedrungen ist, muß bei dem tiefen
Grundwasserspiegel in primitivster Weise das Trinkwasser in einzelnen
Karren herangeführt werden. Das gleiche Bild wie die Umgebung von
.Bukarest bietet die Ebene bis zum Alt nach Westen und bis zur ein-
förmigen Baragansteppe im Osten. Westlich des Alt haben die großen
Hauptflüsse Alt und Jiu abseits der Donau die Gewässer bereits
gesammelt. Nur diese beiden Flüsse haben breite Tallandschaften
ausgebildet, die aber im wesentlichen nur ein Zwischenglied zwischen
der breiten Balta der Donau und der schmalen Lunca eines der Seiten-
flüsse in Muntenien sind.
Die Ebene ist entstanden durch die Anschwemmungsprodukte, die
seit undenklichen Zeiten Flüsse von einem Gebirge weit im Norden
hinabführten. Die Geschichte der rumänischen Ebene ist durch lange
Zeitalter hindurch ähnlich gewesen. Ein hohes Gebirge im Norden
wurde abgetragen, die Produkte der Abtragung wurden in einer weiten
Depression im Süden abgelagert. Nicht immer ist bei der Aufschüttung
eine gleichförmige Ebene entstanden. Zeitweilig ist das Meer tiefer
nach Rumänien hinein vorgedrungen, zeitweilig haben einzelne Brack-
wasserlagunen, auch Süßwasserseen, sich innerhalb der Ebene erhalten.
Durch die ganze Geschichte aber zieht sich der Gegensatz der großen
Tiefenlinie im Süden und des hohen Gebirges im Norden. Da die
Ebene aus den Ablagerungsprodukten aufgebaut ist, besteht sie also in
ihrem Untergrunde aus Lehmen, Sanden, Kiesen und Schottern in
steter Abwechslung. Dazu tritt, von den Winden abgelagert, eine
dichte Lößdecke, die sich von Osten her über die Ebene gebreitet hat
und heute die mehr und mehr unter die Kultur genommene Baragan-
steppe zusammensetzt.
Donau sowohl wie Gebirge sind im Laufe der Zeiten nach Süden
gerückt. Was also früher Ebene w^ar, ist in späteren Zeiten erneut
zum Gebirge geworden. Die Aufschüttungskegel, die flach und lang-
gestreckt vom Gebirge herunterführten, sind neuerdings gehoben worden.
Selten kann man an einem Gebirge den Übergang von der Ebene zu
den ersten Anfängen der Gebirgserhebung so gut studieren, wie am
Vorland der Karpatiien. An der Jalomi^a zum Beispiel erhebt sich bei
T4rgovi§te sanft die Ebene, sie steigt ganz gleichförmig an, ist erst
nur wenige Meter über dem Fluß erhaben, um, je höher man den Fluß
Die Landschaften Rumäniens. 35
aufwärts geht, desto höher zu steigen. Ebenso kann man am Buzau
das ganz allmähliche Aufwärtssteigen der Ebene prächtig erkennen.
Diese Heraushebung der Ebene ist in Oltenien am wenigsten stark
erfolgt. Je weiter man aber nach Osten fortschreitet, um so schneller
steigt die Ebene empor, bis man in der Umgebung von Buzau von
einer Aufrichtung der ganzen Ebene reden kann. Die Flüsse haben
sich erneut einschneiden müssen. Sie haben bei dem weichen Material
der alten Aufschüttungskegel leichte Arbeit gehabt. Bis zur Ermüdung
wiederholt sich in Rumänien das gleiche Bild: In weiter Tallandschaft
fließen sowohl die großen wie die kleinen Flüsse der gehobenen Ebene.
Unten im Tale finden sich langgestreckt die Ortschaften, am Flusse
einzelne Erlen, weiter abseits ausgedehnte Maisfelder, Den Abhang zu der
gehobenen Ebene nehmen Pflaumengärten ein. Der Horizont wird an
beiden Seiten begrenzt durch die ganz geradlinige Fläche der gehobenen
Ebene, die auf ihrer weniger fruchtbaren Hochfläche mäßigen Ackerbau,
meist aber einen schlechten, nicht gepflegten Wald trägt. Steigt man
hinauf, so könnte man vergessen, daß man sich schon im Gebirge
befindet, so eben und gleichförmig liegt das gehobene Land vor einem.
Dieser Charakterzug wnrd selbst bis zu den Höhen des Gebirges bei-
behalten. Hier haben Hochweiden den Wald verdrängt. Am Rande
der Weideflächen allerdings blickt man in tiefe Täler hinunter, da
durch die Flebung des ganzen Landes die Flüsse gezwungen wurden,
sich tief einzuschneiden.
Die Hebung der Ebene und somit das Einschneiden der Flüsse
erfolgte in mehreren deutlich zu trennenden Perioden, Die Ruhe-
stadien haben sich durch Terrassen an den Seiten der Flüsse aus-
geprägt. Zwei Terrassensysteme sind überall deutlich zu unterscheiden,
ein drittes kann oberhalb an manchen Stellen nachgewiesen werden.
An der Doftana können die Terrassensysteme in hervorragender Weise
studiert werden. Diese Stufen zwischen dem Berglande und dem Tale
eignen sich vorzüglich zur Anlage von Ortschaften, weil sie vor Hoch-
wasser sicher einen ebenen Boden in der Nähe des Flusses und in der
Nähe des Gebirges bieten. Am ganzen Alt und Jiu entlang reihen
sich die Dörfer auf diesen Terrassen aneinander. Der Ort Campina
ist ebenfalls auf einer Terrasse der Prahova angelegt, die die Falten
des tertiären Untergrundes abschneidet. Bei der stärkeren Aufrichtung
der Ebene im Osten sind nämlich östlich der Dämbovi^a selbst die
jüngsten Tertiärschichten gestaucht worden und in Falten gelegt, Salz
kam dadurch an die Oberfläche, vor allem drang Petroleum in Spalten
und Falten nach oben. Die Bohrtürme für das Petroleum, das parallel
zum Gebirgsverlauf weithin ausgebeutet wird, liegen sowohl auf der
Terrasse wie unten im Tale, • •
3*
36 ^V. Behrmann:
Das Zwischenglied zwischen Gebirge und Ebene ist also l^ein
Hügelland im eigentlichen Sinne, vielmehr sind alte Aufschüttungs-
kegel erneut gehoben und diese ebenen Plächen von den Flüssen mehr
oder weniger zerschnitten worden.
Durch die Zusammensetzung der alten Aufschüttungskegel und
durch die besonderen klimatischen Bedingungen ist es in diesen weiten
Gebieten Rumäniens zu ganz charakteristischen Formen der Gebirgs-
abtragung gekommen, wodurch besonders die Flanken der Täler an-
gegriffen sind. Lehme, Sande und Schotter, bei ihrer jugendlichen
Entstehung meist lose übereinander gelagert, setzen die gehobenen
Flächen zusammen. Wenn ein Fluß sich erneut einschneiden muß, so
findet er im Gestein nur wenig Widerstand. Da aber die Platzregen
für das rumänische Gebirge die charakteristischen Formen des Nieder-
schlags sind, so ist es verständlich, wenn selbst die kleinen Bäche sich
schnell einschneiden können. Sie treffen dabei auf Schotter, die die
alten Flüsse abgelagert hatten und führen sie jetzt erneut zu Tal.
Daher kommt es, daß die rumänischen Bäche in ihren Schottern er-
sticken und in trockenen Zeiten unterhalb gewaltiger Schottermassen
fließen. Aber auch die größeren Flüsse, wie zum Beispiel die Prahova
oder der Jiu, führen Schottermassen mit sich, die in keinem Verhältnis
zur Größe des Flusses stehen. Während des ganzen Laufes innerhalb
der gehobenen Ebenen verwildern sie zwischerv den Schottermassen.
Wo das Erdreich an den Talhängen lehmhaltiger ist, bilden sich
ErdschHpfe und Rutschungen aus, wie sie in Mitteleuropa in dieser
Großartigkeit selten zu sehen sind. Die Grasnarbe bricht los. Das
Erdreich rutscht bei starker Durchfeuchtung zu Tal und schiebt sich
unten am Flusse wulstartig mit allen daraufstehenden Bäumen, mit der
ganzen Grasvegetation zusammen. Die sinnlose Verwüstung des Waldes
bei der besonderen Zusammensetzung des Bodens ist die Hauptursache
dieser abwärtsrutschenden Berge. Ganze Ortschaften sind dadurch ge-
fährdet, weil mit den Schlipfen und Rutschungen der Erde ganze Häuser
zu Tale gehen. Die Bergrücken können durch die Rutschungsnischen
beiderseits angefressen und in einen Grat verwandelt werden. Die
Wege müssen sich an diese Grate halten, weil sie an den Bergflanken
im Rutschungsgelände keinen dauernden Bestand hätten. Diese Er-
scheinung steigert sich in einzelnen Partien zu einer seltenen Groß-
artigkeit. Wenn Sande und Schotter- in größerer Mächtigkeit über
Lehmen und Tonen lagern, so wird das Wasser durch die oberen
Schichten hindurch gelassen und schafft erst auf den darunter liegenden
Schichten eine schmierende Gleitfläche. Große Abrißnischen am Hange
des Berges zeigen die' Stellen an, wo das Erdreich abgerutscht ist.
Wie bei einem Gletscher kann man eine karähnliche Zerslörungsform,
. Die Landschaften Rumäniens. 37
die Abrißnische, erkennen, die mit der Aufschüttungsform unten im
Tale durch eine Laufbahn verbunden ist. Fächerartig breitet der
Schuttstrom im Tale seinen Kegel aus. Hier, wo auf dem Schmier-
material das Wasser austritt, werden mit Vorliebe die Pflaumenhaine
zur Gewinnung des Nationalgetränkes, des I'uica-Schnapses, angelegt.
Besonders im mittleren Buzau-Tal, wo die Schichten der Salzformation
emporgepreßt sind, kann man die Schuttströme gut studieren. Bei
Paltineni sowohl wne gegenüber bei Valea Lupului sind sie zu groß-
artiger Ausbildung gekommen. Besteht aber das Gestein nur aus
Granden und Sauden oder, wie im nördlichen Mehedin^i häufig, aus
einer tiefen Verwitterungsrinde des Urgesteins, so haben die Platzregen des
kontinentaleren Klimas nach Zerstörung der Vegetationsschicht Runsen
in die Flanken der Berge gerissen und badland -La.ndscha.hen er-
zeugt, die zwar nicht die Ausdehnung nordamerikanischer Gebiete
haben, in ihrer Kleinheit aber ebenso unwegsam sind. Sie beschränken
sich auf die Flanken der Berge. Auch hier sieht man die Folgen der
schlechten Waldwirtschaft, denn diese Gebiete sind weder zur Weide,
noch zu irgend etwas anderem zu gebrauchen. Sie fressen weiter und
weiter und vernichten durch ihre leicht hinabgespülten Produkte die
unterhalb liegenden Kulturen.
Auf Grund dieser Betrachtungen können wir eine Einteilung der
rumänischen Ebene nach morphologischen Gesichtspunkten versuchen,
die gleichzeitig der Bevölkerungsverteilung, den Anbauverhältnissen und
Verkehrsbedingungen Rechnung trägt (vgl. Karte i). Die Verjüngungen
der Donau und ihre nachträgliche Auffüllung schufen die Balta und
indirekt die verjüngten Täler Munteniens und die Tallandschaften
Olteniens, welch letztere ohne Grenzen in die Verjüngungen der sanft-
gehobenen Aufschüttungsflächen an ihren Seiten übergehen. Die Donau-
terrassen sind nur dort als besondere Landschaften ausgeschieden, wo
sie durch ihre Ausdehnung weite Landstriche einnehmen, sie ver-
schmelzen am unteren Alt mit der Terrasse dieses Flusses zu einer
Einheit. Nur drei unzerschnittene Ebenen weist das behandelte Gebiet
auf, die Ebene Olteniens mit tiefem Grundwasserstande und lang-
gestreckten, sich kaum abhebenden Dünenzügen, die Baragan- und
Buzausteppe mit durchlässigem Lößboden, kaum merklichen Auswehungen
und Salzlachen im Norden und endlich die unzerschnittene Ebene
Munteniens mit hohem Grundwasserstande und Flußläufen im Niveau
der Fläche, die darum oftmals ihren Lauf änderten. Alle anderen
Flächen des Landes sind zerschnitten, die weite Ebene Muntenien durch
die Verjüngungen zur Donau, die Aufschüttungskegel durch ihre neuer-
liche Heraushebung. Die Aufschüttungskegel wurden nach dem Gebirge
genannt, von dem sie ihren Ursprung nehmen, ohne daß damit gesagt
38
W. B e h r m a n n
^
Die Landschaften Rumäniens. 39
sein soll, daß im Laufe der langdauernden Aufschüttung nicht auch
Material von den Nachbarbergziigen gekommen wäre. Sie sind je
weiter nach Osten, desto steiler gestellt, bis man sie wohl besser als
Aufrichtungszone bezeichnet. Wo sie im Osten hoch herausgehoben
sind, hat zwischen ihnen und dem Gebirge die Durchtalung besonders
stark eingesetzt, die Bevölkerung drang hier tief ins Bergland, es ist eine
Ausräumungslandschaft, da von der ursprünglichen Fläche wenig nur
erhalten ist. Im Westen hat eine leichte Einbiegung des Erdbodens,
die subkarpathische Depression, die alten Schuttkegel vom Gebirge
getrennt, sie wird neuerdings von Schuttkegeln erfüllt. Endlich ist
auf der Karte versucht, die Hauptketten der Karpathen darzustellen, sie
sind in der Flyschregion des Ostens quer zum Gebirge angeordnet. Im
kristallinen Gebiet aber bilden sie eine doppelte hohe Scheidewand, die
nur von Alt und Jiu durchbrochen wird.
Man würde ein falsches Bild der Landschaft Rumäniens bekornmen,
wollte man nur bei der unbelebten Natur bleiben. In keinem Lande
gehört die Bevölkerung so sehr zum Landschaftsbilde, wie gerade
in Rumänien. Der Grund liegt in der malerischen Tracht der Bewohner,
die sich noch fast überall in der Randzone zum Gebirge in der
ursprünglichen Form erhalten hat. Im östlichen Rumänien ist sie ein-
facher und schlicht. Ein Hemd und ein schwarzes Tuch um die Hüften,
dazu eine Pelzjacke, das ist die Kleidung der Frauen im Buzaugebiete.
Die Männer sind ebenso wie die Frauen weiß gekleidet, wie überhaupt
die rumänische Bevölkerung großen Wert auf weiße, saubere Kleidung
legt. Ein Hemd steckt in einer Flanellhose, beides gehalten durch
einen breiten, oft farbigen Gürtel. An den Füßen tragen sie die Opanken.
Im Westen Rumäniens, so in der Umgegend von Craiova, zeichnen
sich die Kostüme der Frauen und Mädchen durch besondere Farben-
pracht aus. Sowohl das Hemd wie die Doppelschürze, die sie hier
tragen, ist reich bestickt. Der ganze Kunstsinn des Volkes scheint
sich auf die Erfindung neuer farbenprächtiger, geschmackvoller Muster
eingestellt zu haben. Die Häuser des Gebirges bestehen aus einem
Blockbau, welcher oberflächlich mit Lehm beworfen und angekalkt ist.
Vor dem Hause haben wir zum Schutze gegen die heiße Sonne einen
Vorbau, über den das säulengetragene Hausdach hinüberreicht und aut dem
man sogar in w^armen Nächten schläft. DasHaus der Ebene ist ausP'aschinen
geflochten und ebenfalls mit Lehm beworfen und einem Vorbau versehen.
Jährhch werden die Häuser mindestens einmal geweißt und sehen daher
ebenso reinhch aus wie ihre Bewohner. Im krassen Gegensatz dazu stehen
die zerlumpten Zigeuner, die in jedem Dorf als Handwerker ansässig sind,
die als Landarbeiter ein nomadenhaftes Dasein führen oder als Holz-
arbeiter am Rande des Gebirges in denkbar primitivsten Hütten leben.
^Q W. Behrmann:
Betreten wir bei unserni kurzen Rundgang jetzt das Karpathen-
gebirge, so spielt hier die Zusammensetzung der Gesteine für die
Formen der Berge und Täler eine ausschlaggebende Rolle. Von der
Prahova nach Osten bestehen die Haupthöhen des Gebirges aus Flysch-
gestein, einem weichen aus wechselnden Lagen zusammengesetzten
Schichtenkomplex, der im Grunde auch nichts anderes ist, als das Zer-
störungsprodukt älterer Gebirge. Tone und Sandsteine, bisweilen mit
dünnen Kalkzwischenlagen wechseln miteinander ab. Das Ganze ist
ein w'eiches Gestein, das darum den abtragenden Kräften wenig Wider-
stand entgegensetzen konnte. Ein runder und sanfter Gebirgsrücken
folgt dem andern. Nur die obersten Partien dieses Gebirges ragen
über die Waldgrenze hinaus. Die Kämme sind lange, sanft geformte,
kahle Rücken ohne irgendeine Zuschärfung, weder in den Talnischen
noch an den Gipfeln, die 2000 m nicht erreichen. Die ganzen Berg-
hänge und Täler sind bis 1800 m Höhe mit Wald bedeckt. Die Aus-
beutung des Waldes hat die einzigen Wege geschaffen, die ins Innere dieser
Waldkarpathen hineinführen. Da die untereHälfte des Gebirges mitweniger
wertvollen Buchen bestanden ist und nur die oberen 200 bis 300 m die
gesuchten Tannen tragen, mußten -weit durch die einzelnen Täler und
Schluchten Holzbahnen in das Innere des Gebirges angelegt werden.
Ganz nach amerikanischem Muster haben wir keine Straßen in diesem
Gebirgsteile, sondern nur Holzbahnen. Die wenigen vorgeschobenen
Siedelungen sind Holzplätze. Die Gebirgsrücken verlaufen im all-
gemeinen senkrecht zur Gesamtrichtung des Gebirges. Die Flüsse
entspringen nicht auf einem Hauptkamm, sondern fließen zwischen den
einzelnen Rücken und haben ihre Quellen jenseits des Gebirges im
Norden. Der Buzau sowohl wie seine Nebenflüsse Basca Mare und
Mica durchfließen das ganze Gebirge in malerischen Schluchten. Ihr
Flußlauf zeigt an, daß die jüngste Hebung des Gebirges schon ein
zerschnittenes Bergland betroffen hat, daß sie bei der letzten Hebung
des Gebirges mitgehoben sind und sich zwischen den Rücken eintieften,
Durchbruchstäler vortäuschend.
Ein ganz anderes Aussehen hat das Gebirge, sobald wir die
Flyschzone verlassen und zum Grenzgebiet zwischen Flyschgebirge und
dem Urgebirge kommen, also in die Zone der oberen Jalomi^a. Hier
ist es schwer, die Grenze zwischen Gebirge und Vorland scharf zu
ziehen. Was von der langsamen Hebung der Ebene gesagt worden ist,
gilt uneingeschränkt von dieser Partie der Karpathen. Blickt man auf das
Gebiet der oberen Jalomi^a z. B. von dem Bergrücken oberhalb Muscel,
so sieht man durch den Buchenurwald hindurch auf die ebene, oft
beschriebene gleichförmige Fläche. Erst, wo sie in scharfem Abbruch
zum Tale der Prahova hinunterfällt, erkennt man, w^ie hoch die Ebene
Die Landschaften Rumäniens. 41
gestiegen ist. Der großartige Gebirgsabfall und die prächtigen Wälder
am Fuße der steilen Wand haben das rumänische Königshaus bestimmt,
hier in Sinaia ihre Sommerresidenz anzulegen. Im Innern aber ist das
Gebirge trotz der Einförmigkeit seiner Hochfläche von überraschender
Vielseitigkeit und Schönheit der Täler. Kalkklippen, die ja überhaupt
beim Aufbau der Karpathen eine große Rolle spielen, wechseln mit
tonig-mergeligen Gesteinen und kalkreichen Konglomeraten. Der
Wechsel zwischen durchlässigen und undurchlässigen Gesteinen bestimmt
die Formen der tiefen Täler und ist die Ursache der einzigartigen
Schönheit und Wildheit dieser Gebirgspartien. Mächtige Kalkklötze
legen sich dem Flußlauf der Jalomi^a in den Weg. Unbekümmert um
Berg und Tal fließt sie in die Kalkklippen hinein und durchbricht sie
in wilden Schluchten. Teilweise sind die Kalkschluchten so eng, daß
kein Weg durch sie hindurchführt und die geschlagenen Stämme der
reichen Waldgegend mit einer Drahtseilbahn hoch über das Gebirge
geführt werden müssen. Da sich zwischen die einzelnen Kalkschluchten
liebliche Talweitungeji einschieben, wo eben weiches, toniges Gestein
den abtragenden Kräften Vorschub leistete, so ist der Gegensatz zwischen
den düsteren engen Kalkschluchten und den liebhchen Talauen besonders
reizvoll. Er wiederholt sich auf 12 km Entfernung nicht weniger als
sechsmal.
Dieselben Formen steilwandiger kahler Täler, die schluchtartig
durch das weiße Kalkgestein hindurchführen, treten überall dort auf, wo
sich in den Karpathen das gleiche Gestein befindet. In den West-
karpathen bildet der Kalk einen Randzug am Fuße des Gebirges. Alle
Flüsse, die vom Gebirge herunterkommen, durchbrechen ihn inSchluchten.
Viele Tropfsteinhöhlen finden sich im Kalkgestein, die im Volksaber-
glauben eine große Rolle spielen. Das Kloster Polovraci befindet sich
am Ausgang einer derartigen Schlucht in der Nähe einer großen Höhle.
Die ganze Serie der Karsterscheinungen wiederholt sich typisch in
diesem Randkalkzug, findet sich aber auch in einem parallelen Kalk-
zuge im Innern des Gebirges, der dem Cernafluß seine Laufrichtung
vorschrieb. Wo der Wald gelichtet ist, ist die Oberfläche des Kalkes
wild verkarstet und bei über 1 m hohen Karren unwegsam. Im Walde
finden sich viele Schlundlöcher. Die Flüsse versickern und fließen
unterirdisch, bis sie in großen Karstquellen, wie am Ausgang der Runcu-
schlucht, zutage treten. Die Decke über unterirdischen Flüssen stürzt
ein, es bleiben nur Reste der alten Decke als malerische Naturbrücke,
wie bei Ponarile südlich Baia d'Arama, erhalten. Aber auch die
Großformen des Karstes sind in den Karpathen vertreten, wenn das
Kalkgebiet größere Ausdehnung angenommen hat. So ist in der Um-
gebung von Rucar ein großes Polje vorhanden, zu dem die Dambovi^a
42 W. B e h r m a n n :
und die Dambovi^iora in engen, weitberühmten Schluchten fließen, um
sich im Innern zu vereinigen und in ebenso enger Schlucht auf der
anderen Seite das Einbruchsbecken zu verlassen. Diese Partie gehört
zu den schönsten der Karpathen. Man steigt durch die enge Schlucht
der Dambovi^iora hinauf zu der mächtigen Kalkrippe des Königsteins,
welche bei über 2000 m Erhebung als langer schmaler Berggrat quer
die Karpathen durchzieht, die alte Faltungsrichtung angebend und die
Scheidelinie bildend zwischen dem Sedimentgürtel und dem kristallinen
Kerne.
Die kristalline Zone der Karpathen kann nicht solchen Gegensatz
der Formen aufweisen wie die Kalkgebiete. Hier herrschen die breiten
Hochflächen und flachen Rücken vor, auf denen die Hochweiden sich
ausdehnen. Es ist eins der charakteristischsten Bilder des Berglandes,
über bewaldeten Tälern kahle gelbe Hochweiden zu sehen, auf denen
die Hirten, die Ciobane, in primitivster Weise ihren Sennbetrieb ein-
gerichtet haben.
Nur dort, wo wider alle Regel die Flüsse quer durch die Karpathen
hindurchfließen, finden sich reizvolle Talbilder. Ebenso wie die Donau
den Karpathenbogen durchströmt und wie im Süden der Timok das
Balkangebirge quer durchfließt, bekümmern sich im Norden Alt und
Jiu nicht um hoch und niedrig, sondern fließen quer durch das Gebirge
hindurch. Besonders dort, wo sie auf harte kristalline Gesteine stoßen,,
haben sie sich scharf eingesägt und bilden malerische Talpartien. So
ist der Alt am Durchbruch durch beide Urgebirgszonen, am Fuße der
Cozia und weiter im Norden an der ungarischen Grenze, besonders eng.
Sucht man aber nach den Gründen, wie es kommt, daß diese Flüsse
in Durchbruchstälern die Gebirge durchqueren, anstatt an ihnen entlang
zu fließen, so darf man natürlich nicht diese engsten Gebiete aufsuchen,
sondern muß sein Augenmerk auf Partien weicherer Gesteine mit
sanfteren Formen richten. Nach Austritt des Alt aus dem Gebirge bei
Calimanesti ist hoch über dem Fluß eine prächtige Pliozänterrasse er-
halten, welche mit ihren Schottern die sarmatischen Sande abschneidet.
Zu dieser Zeit also strömte der Alt schon aus dem Gebirge heraus.
Wenn man auf der Terrasse steht und zurückblickt, so ist oberhalb
der Terrasse nur ein sanft gerundetes Bergland vorhanden. Gehen wir
jetzt zum Eintritt des Alt in das Gebirge, also nach Norden zum Roten-
Turm-Paß, so beweist wieder eine Pliozänterrasse, daß zu dieser Zeit
der Fluß ebenfalls schon in das Gebirge hineinströmte. In der Mitte
des Altdurchbruchs mündet der Lotru in den Alt. Er hat an seinem
ganzen Lauf ein doppeltes Terrassensyslem am Talgehänge, das im
Dorfs Malaia z. B. gut zu erkennen ist. Dadurch wird bewiesen, daß
seit den Zeiten der Terrassen der Lotru ebenfalls schon zum Alt floß
Die Landschaften Rumäniens. 43
und mit ihm durch das Gebirge strömte. Ebenso finden sich beim
Austritt des Jui-Flusses bei Bumbesti die herrUchsten Terrassensysteme.
Im Innern des Durchbruchstals kann man dagegen nur an der Höhe
einzelner Bergrücken die Spuren der alten Terrassen erkennen. Die
Donauterrassen bei Sip am Eisernen Tor sind berühmt, vom Cvijic
näher untersucht und ihr Alter einwandfrei bestimmt. Bei ihnen zeigt
sich, daß sowohl die Diluvial- als auch die Pliozänterrassen sich fluß-
aufwärts heben, d. h. das Gebirge ist seit diesen Zeiten aufgewölbt und
die Flüsse sind älter als das Bergland. Es gibt uns dies die Erklärung
für das scheinbare Fehlen der Terrassensysteme im Süden und im
Norden des Altdurchbruchs. Ebenso wie am Eisernen Tore hat sich
hier das Gebirge gehoben, und zwar scheinbar eine Südscholle, durch
den Monte Cozia charakterisiert, und eine Nordscholle, die im weiteren
Verlauf die Fogarascher Alpen bildet. Die Terrassen rückten in größere
Höhe und fielen den abtragenden Kräften mehr oder weniger . zum
Opfer. Wir erkennen aus allem die Jugend des ganzen Gebirges. Alt
sowohl wie Jiu sind eines der besten Beispiele antecedenter Talbildung.
Daß wir es mit dem Heben einzelner Längsschollen zu tun haben, beweist
unter anderem der Argesdurchbruch. Der Fluß ist ein einfacher Ab-
dachungsfluß der Fogarascher Alpen, welcher plötzlich vor dem Austritt
aus dem Gebirge einen sich entgegenstellenden harten Gneiszug quer
durchschneidet. Auch hier beweisen Terrassensysteme, daß er den
andern Flüssen gleichartig ist.
Wo die Karpathen in ihren Gipfelpartien die 2000 m- Linie über-
schreiten, setzt ein neues Formenelement ein. Während der Eiszeit
haben sich hier Gletscher gebildet, die die voreiszeitlichen Tälchen
nachgearbeitet haben und aus den milden Formen eines Mittelgebirges
schroffe Felspartien des Hochgebirges schufen. Je nach der Größe
des über 2000 m erhabenen Gebietes und auch nach der Himmels-
richtung, nach der die einzelnen Täler sich öffneten, haben sich bald
größere, bald kleinere Firngebiete der Eiszeit gebildet. Wie tief die
von ihnen gespeisten Gletscher ins Tal hinabreichten, hängt von der
Größe dieser Firnfelder ab. So betritt man an der oberen Jalomi^a
schon in etwas über i6oo m Höhe die Endmoräne. Hinter ihr dehnt
sich ein flaches Trogtal aus, zu dem westlich aus hängendem Seitental
ein vorzeitlicher Nachbargletscher sein Eis schickte, während im Osten
ein Seitengletscher das Eis des Haupttales nicht erreichte. Über einen
Trogschluß gelangt man in ein höheres Trogtal, das rings von Karen
gespeist wurde. Nach Westen öffnet sich das Valea Ca^enului, ein
tief eingeschnittenes Tal mit flachem Talboden und steilen Wänden
bei stufenförmiger Anlage, wodurch bewiesen wird, daß wir es mit
einem echten Glazialtal zu tun haben. Die Gipfel aber, die 2500 m
44 ^V. Behrmann:
überschreiten und in die sich die Sessel der Kare tief hineingefressen
haben, zeigen, daß die Vergletscherung nicht so bedeutend gewesen
ist, um auch die Gipfelformen in Karlinge zu verwandeln. Vielmehr
haben sich hier noch die alten präglazialen Formen erhalten. Besonders
die Oberfläche des Caraiman ist nur ein Rest der alten Ebene, die
gehoben wurde und selbst noch in der Höhe von 2500 m erhalten
geblieben ist und die ganze Eiszeit überdauert hat. Klopft man aber
das Gestein, das, wie der ganze Berg, aus Bucegikonglomerat zusammen-
gesetzt ist, so erkennt man, daß die ganzen Schichten des Berges, die
durch die Oberfläche schräg abgeschnitten werden, nichts weiter sind
als die Zerstörungsprodukte eines älteren Gebirges im Hintergrunde,
und im Cenoman schon eine analoge Gebirgsgeschichte besteht wie
in der Neuzeit am Fuße der Karpathen.
Die Bedeutung, die die glazialen Talgletscher für die Ausgestaltung
der Formen der Hochgipfel haben, zeigt in hervorragender Weise ein
Rundgang um den Gipfel der Mandra. Das oberste Sadu-Tal, das
gerade in 2000 m Höhe beginnt, hat rein erosive Formen. Der Fluß
führt in ungestörtem V-förmigen Profil von den Hoch weidegebieten
hinunter in die finsteren Waldpartien. Das obere Gilort-Tal aber, das
in 2100 m Höhe seinen Anfang hat, zeigt in der Zurundung seines
unteren Talprofils, daß ein winziger Gletscher zur Glazialzeit sich hier
befand. Der von Hochweiden eingenommene Rücken Coasta lui Rus
im Süden des Gilort-Tales ist im allgemeinen schön gerundet. Nur
die Quelltrichter der Flüsse haben kleine Kargletscher getragen und
sind ausgehobelt. Nach Norden aber, wo sich das Jie^ul-Tal mitten
zwischen den Hochgipfel der Mandra und des Paringu einschnitt, ist
es zu einer großartigen Glazialentwicklung gekommen. Ein westliches
Seitental mit übersteiler Trogform, deren Wände durch Bergstürze aus-
geglichen sind, hängt mehrere 100 m über dem Haupttale. Dieses ist
unverkennbar in seiner ganzen Anlage ein Glazialtal. Es ist stufen-
förmig angelegt, hat am Talboden Rundhöcker und trägt an seinem
oberen Ende zwei kleine Becken, die das Eis ausgeschliffen hat und
die jetzt wassererfüllt sind und als kleine blaue Meeraugen die Schönheit
der wilden Alpennatur erhöhen.
Bei der Massenerhebung der Fogarascher Alpen ist es natürlich
während der Eiszeit hier zu der großartigsten Glazialentwicklung in den
Karpathen gekommen. Es ist eine wilde Hochgebirgswelt, so daß die
Bezeichnung ,, Alpen" dem Formenschatz nach wirklich zu Recht besteht.
Sämtliche nach Norden gerichteten Täler, die von 2500 m Höhe
auf einer Längenentfernung von 5 km bis auf 500 m hinabführen, also
einen Höhenunterschied von über 2000 m durchmessen, haben ihre
Gletscher getragen. Trotz der steilen Gefällskurve der Flüsse sind die
Die Landschaften Rumäniens. 45
Täler in den oberen Partien stufenförmig gebaut, weil jedes kleine
Seitentälchen mit seiner Eismasse die Kraft des Hauptgletschers ver-
stärkte, und so die periodisch anschwellende Kraft ein periodisches,
stufenförmiges Tal schuf. Auch dort, wo n\ehrere Quelltrichter sich
zu einem Gesamttrichter in voreiszeitlicher Zeit vereinigten, haben die
eiszeitlichen Kare stufenförmigen Aufbau geschaffen, wofür das Süd-Kar
am Muscovul ein schönes Beispiel ist. Nur selten haben aber auch
hier die Kare sich so weit in das Innere des Gebirges zurückfressen
können, daß sie die Gebirgsrücken angriffen. Nur selten werden die
runden Formen von den scharfen, sägeförmigen Karlingsgraten ab-
gelöst. Der höchste Gipfel, der Negoi, hat noch die alte voreiszeitliche
Form behalten, wenn seine Flanken auch tiefe eiszeitliche Wunden
zeigen. Der Blick von seinem Gipfel schweift über eine wilde Gebirgs-
welt hinweg. Die sanften Rücken der südlichen Gebirgsabdachung
haben tief eingeschnittene Täler zwischen sich, die an ihrem oberen
Ende Gletscher trugen. Je weiter man sich dem Hauptkamme nähert,
um so größer war die Vergletscherung, um so stärker die Zuschärfung
aller Formen. Nacheiszeitlich haben Bergstürze die Wände ausgeglichen
und beginnen die Flüsse in Klammen die Talstufen zu überwinden.
Kleine Kare aber in den Quellnischen in der Nähe des Hauptkammes
sind viel besser erhalten als die Haupttäler. Bei ihnen sind die Formen
so jugendfrisch und unausgeghchen erhalten, als wäre das Eis erst
kürzlich weggeschmolzen.
Wenn also auch bis jetzt in den Südkarpathen noch kein einziges
gekritztes Geschiebe gefunden ist, und somit, ich möchte sagen der
geologische Beweis einer Karpatheneiszeit fehlt, so sprechen die Formen
des Gebirges doch eine zu deutliche Sprache, als daß noch jemand
an der Tatsache der Vergletscherung zweifeln könnte. ■ Die Gletscher
der Karpathen aber waren nicht so bedeutend, als daß durch ihre Ab-
schmelzwässer die Ebene am Fuße des Gebirges beeinflußt worden
wäre. Die walachische Ebene ist eben etwas ganz anderes als die
analoge Ebene am Fuße der Alpen, die Poebene. Ihre Formen erklären
sich aus der langsamen Zerstörung eines Gebirges seit dem Mittelalter
der Erdgeschichte und aus der Wiederaufrichtung dieser Zerstörungs-
produkte zu einem neuen Gebirge.
46 B. B r a n d t
Beobachtungen und Studien über die Siedlungen
in Weißrußland.
Von Dr. B. Brandt.
(Schluß.)
IV. Das Dorf. — V. Das Gut. — VI. Der Bauer. — VII. Die städtische Bevölke-
rung. — VIII. Kulturlandschaften. -^ IX. Die Ortsbezeichnungen. — X. Städtetypen.
IV. Das Dorf.
Das Dorf ist in seiner am meisten verbreiteten Form das auch im
östlichen Deutschland verbreitete Straßendorf. Die Dorfstraße, an der
auf einer oder beiden Seiten die Gehöfte in langer Reihe liegen, kann
gerade oder leicht geschlängelt sein. Bei den nachweislich jüngeren
Gründungen ist sie oft schnurgerade; die Häuser und Ziehbrunnen
stehen ganz regelmäßig wie ausgerichtet, ein überaus eintöniges
Straßenbild. Der inselartige Anger mit dem Teiche und einem Baum-
bestand oder der Kirche, wie er in Norddeutschland die Regel ist, fehlt
hier. Die Häuser sind ziemlich gleichmäßig gebaut, der Grad des
Wohlstandes ist von der Straße her nicht ohne weiteres zu ersehen.
Selten nur bringt bunte Bemalung der Fensterläden und einiger Bau-
glieder oder etwas Schnitzwerk an den Giebeln ein wenig Abwechslung
in das Bild des Dorfes. Das Haus des Starosten oder Schulzen unter-
scheidet sich von den übrigen Höfen meist nur durch den aufgemalten
russischen Wappenadler. In größeren Dörfern trifft man gelegentlich
das meist etwas abseitsstehende Haus der Wolostbehörde, des
untersten Verwaltungsorganes, an. Es ist ein größerer Holzbau stets
gleicher Bauart, der Amtsräume, ein Gefängnis, die Kasse und ein
Archiv enthält, in dem unter anderem Grundbuch, etwaige Flurkarten
und alle sonstigen Unterlagen für den ländlichen Grundbesitz liegen.
Vor dem Hause steht gewöhnlich eine fabrikmäßig hergestellte Blech-
büste Alexanders H., des „Zar-Befreiere", auf einem schlecht gemauer-
ten Sockel, dessen Inschrift an die Aufhebung der Leibeigenschaft im
Jahre 1861 erinnert. Ein ähnliches Gepräge haben die wenigen, meist
neuen, ganz zweckmäßig eingerichteten Scl^len in den größeren
Dörfern. Außer der Lehrerwohnurig enthalten sie einen großen Saal,
an dessen Wänden neben den Bildern des Zarenpaares geschickt aus-
gewählte Darstellungen russischer Landschaft, russischer Bodenkultur
und russischen Städtewesens hängen. Die in einem Schranke unter-
gebrachte Lehrbücherei zeigt, daß der junge Weißrusse hier einen
elementaren Unterricht empfängt und daß er im übrigen zu einem
guten, gläubigen russischen Staatsbürger erzogen werden soll. Das
Beobachtungen und Studien über die Siedlungen in Weißrußland. 47
bemerkenswerteste Gebäude im Dorfe ist die Kirche, die aber nicht in
jedem vorhanden ist (derewnja das Kirchdorf, selo das Dorf ohne
Kirche). Die älteren Kirchen sind kleine schlichte, meist von Bäumen
umgebene Holzbauten. In ihrem niedrigen, mystisch düsteren Innern
fesselt eine Reihe starrer, reich versilberter byzantinischer Heiligen-
bilder den Blick, der Ikonostas oder die Bilderwand, welche den Nar-
thex vom Räume der Gemeinde trennt. Diese Bauten scheinen dem
Boden entwachsen zu sein und den Bedürfnissen der weltfremden
weißrussischen Bevölkerung zu entsprechen. Vielfach trifft man in-
dessen auf neue, blendend getünchte, massige Bauwerke mit hochragen-
den silbernen oder grellbunten Kuppeln nach Moskauer Art an. In
ihrem weiträumigen, lichten und stimmungslosen Innern empfindet
man sofort, daß nicht das Bedürfnis der kleinen Gemeinden, sondern
das Streben nach Ausbreitung russischen Wesens für den fremdartigen
Bau maßgebend gewesen ist. Wie man die Kirchen gern an hörvor-
ragenden Punkten aufbaut, so legt man auch die Friedhöfe mit Vor-
liebe auf weithin sichtbaren Hügeln oder unter einsamen Baumgruppen
an. Als Grabmäler dienen nur wenig zugehauene Findlinge oder hoch-
ragende Riesenkreuze aus Holz, einfache bei den Katholiken und
Unierten, Doppelkreuze bei den Orthodoxen. Die älteren Grabsteine
entbehren der Inschrift und tragen nur runen- oder hausmarken-
ähnliche Zeichen, ein Gatter, ein Sporenpaar, ein Kreuz oder unver-
ständliche Zeichnungen. Die neueren weisen mit ungeübter Hand ein-
gemeißelte russische Inschriften auf. Der Weißrusse pflegt die Gräber
nicht. Sie werden überwuchert, die Steine überziehen sich halb mit
Rasen, die vermorschenden Kreuze sinken, und der Gräberhügel täuscht
bald eine malerische, uralte Begräbnisstätte vor, an die sich die Sage
heftet.
Die Flur ist niemals in Gewanne gleichen Reliefs und gleicher
Bodengüte, sondern stets in schmale, überaus lange Landstreifen ein-
geteilt, die ohne Rücksicht auf das Gelände bergauf, bergab laufend,
bald sandige Rücken, bald sumpfige Gründe queren. Im ebenen Gelände
erinnert sie an die Flur unserer Marschendörfer. Die Bodenkultur
drängt sich bei dieser Einteilung viel weniger auf als bei den meisten
unserer Dorfgemarkungen, die verändernde Hand des Menschen tritt
im Landschaftsbilde viel weniger hervor.
Fassen wir nun an einigeij Beispielen die Flur in ihrem Zusammen-
hange mit dem Dorfe etwas näher ins Auge. Die Gemarkung des
Dorfes Wielka Sworotwa (östlich vom Molczadztale) bildet ein an
einen Bachlauf angelehntes Rechteck, welches mit einer breiten An-
wand an die Flur eines Nachbardorfes stößt und in eine große' Anzahl
den Schmalseiten paralleler Streifen zugeschnitten ist. Diese sind durch
48 B. B r a n d t :
Raine oder Feldwege getrennt und alle einzeln, unabhängig vonein-
ander zugänglich. In die Flur teilen sich heute 50 Bauern. Die An-
teile schwanken in ihren Größen beträchtlich und gehören ihren Eigen-
tümern als festes Eigentum, welches nach Belieben geteilt, veräußert
und vererbt werden kann. AUmendland besitzt die Gemeinde nicht,
doch ist ihr eine Fläche Land des zum Dorfe gehörigen Gutes zur ge-
meinsamen Weide überlassen.
Die Entwicklung dieser noch nicht sehr alten Verhältnisse läßt
sich hier deutlich verfolgen : Vor einer Anzahl von Generationen,
schätzungsweise vor mehr als 100 Jahren ist das Dorf von dem Gute
aus auf Grund und Boden des Gutes angelegt worden. Es wurden
damals 20 Höfe gegründet, hinter denen sich das zugehörige Land in
schmalen Streifen ausdehnte. Jeder Hofanteil wurde zu 10 Dcßjatinen^)
bemessen, eine Fläche, welche für die Ernährung einer Familie für
ausreichend gehalten wurde. Auf den Höfen wurden 20 aus Dörfern
der Umgebung stammende Familien angesetzt, welche gegen die Ver-
pflichtung zur Arbeitsleistung auf dem Gute das ihnen zugewiesene
Land bebauen durften. Die Aufhebung der Leibeigenschaft machte
die_Bauern gegen eine 50 Jahre lang an den russischen Staat als Steuer
zu zahlende Ablösung zu Eigentümern des Landes. Das allmähliche
Anwachsen des Ortes auf 50 Haushalte, Erbteilungen (vgl. die Doppel-
häuser) und Verkäufe führten in der Folgezeit die heutige Ungleichheit
des Besitzes herbei ; die Dorfbevölkerung schied sich in wohlhabende
Großbauern mit einem über den eigenen Bedarf hinausgehenden Land-
besitz und in landarme oder gar landlose, auf Arbeit auf fremden Boden
angewiesene Büdner (vgl. den Haustypus C).
Ein anderes Beispiel, das Dorf Konjuschewschtschisna bei Goro-
dischtsche. Die Flur lehnt sich wie bei dem ersten Beispiele mit
ihrem Hauptteile an das Straßendorf an, darüber hinaus aber gehören
zu dem Dorfe kleinere Parzellen, welche entfernt und zusammenhang-
los wie Exklaven in fremden Gemarkungen liegen. Der in Abb. 3 mit-
geteilte Flurplan zeigt einige solqher Exklaven bäuerlichen Besitzes
inmitten einer Gutsflur, deren Zusammenhang sie in lästiger Weise
stören.
Die Anteile an der genannten Flur sind ungleich. Von den zwanzig
Hofbesitzern haben einige 18, andere nur 6 Deßjatincn als Eigentum
inne. Ein kleinerer Teil der Flur ist ungeteilt und dient als Gemeinde-
weide und als gemeinschaftliches Wiescnland. Infolge der verstreuten
Lage haben einige Bauern nicht einen zusammenhängenden, mit dem
Hofe verbundenen Besitz, sondern eine auf vier bis fünf Stellen ver-
streute Landfläche.
V I Deßjatine = 1,0925 ha =— rund 4 preußische Morgen.
Beobachtungen und Studien über die Siedlungen in Weißrußland. 49
Über ältere Zustände ließ sich nur in Erfahrung bringen, daß auch
hier die Ablösungssumme bezahlt worden ist, daß also das Dorf früher
grundherrliche Lasten zu tragen hatte.
Fluren von der Form des Beispieles Wielka Sworotvva sind in
Weißrußland überall verbreitet ; besonders gut ausgeprägt sind sie in
den sehr regelmäßig angelegten Dörfern im Westen des Landes und in
Podlachien (vgl. Abb. 3). Dörfer mit verstreut liegender Gemarkung
sind in der Gegend von Gorodischtsche in Mehrzahl vorhanden und in
Großrußland häufig zu finden. Die von Meitzen^) aus verschiedenen
Teilen des nördlichen und mittleren Rußland mitgeteilten Flurkarten
zeigen sämtlich diese Erscheinung. Die beiden angeführten Beispiele
veranschaulichen daher Gruppen typischer Siedlungen.
Nach Meitzen^) sind die Exklaven der Gemarkung gewissermaßen
Kolonien des Dorfes, welche durch einzelne Dorfangehörige in den
urwüchsigen Wäldern der Umgebung nach Gutdünken an einer geeignet
erscheinenden Stelle durch Rodung angelegt worden sind. Dörfer dieser
Art setzen somit das Bestehen großer herrenloser, zum Ackerbau ge-
eigneter ödländereien in der Umgebung voraus, sie sind also vorzugs-
weise eine Siedlungsform großer Waldgebiete. Die Möglichkeit, nach
Belieben auf eigene Faust zu roden, hört auf, wenn die Wälder in
festen Besitz übergehen, sei es in den der Krone, sei es in grundherr-
lichen. Der willkürlichen Rodung wird dann ein Riegel vorgeschoben,
die Besiedlung der Wälder erfolgt unter Aufsicht und Leitung des
Besitzers planmäßig. Die Zeiten, in denen die Wälder des europäi-
schen Rußlands herrenlos waren, liegen weit zurück. Für Großrußland
dürfte die Einführung der planmäßig über das ganze Land ausgedehn-
ten Mirverfassung im 17. Jahrhundert die alleräußerste Grenze sein.
Für die weniger ausgedehnten Wälder des schon früher in die
Geschichte eingetretenen Weißrußland liegt sie wahrscheinlich weiter
zurück. Die Dörfer mit verstreuter Gemarkung sind dah'er als alte
Siedlungen aufzufassen. Da sie den deutschen Dörfern als etwas voll-
kommen Fremdes gegenüberstehen, in Rußland aber weitverbreitet sind,
bilden sie einen osteuropäischen Typ, wir können sie also als die ur-
sprüngliche Siedlungsform des osteuropäischen Waldgürtels bezeichnen.
Das junge Dorf Wielka Sworotwa in seiner urspünglichen Ge-
stalt ist eine Siedlungsform, die uns in Deutschland wohlbekannt ist.
Die planmäßige Einteilung des Ackers in lange, zusammenhängende,
gleichgroße Parzellen im Anschluß an die Höfe .sind Merkmale, die
das Wesen der deutschen Wald- und Marschhufendörfer ausmachen,
jener jüngeren Siedlungsform, die mit der Urbarmachung und Koloni-
^) Z. B. in Anlage 102.
2) A. a. O., Bd. II, S. 191.
Zeitschr. d. Gesellsch. f. Erdkunde zu Berlin. 1919. Nr. 1/2. 4
50 B. B r a n d t :
sation der Waldungen und sonstigen Ödländercien im alten und im
ehemals slawischen Deutschland aufkam.
Da dieser Typus auch in Polen verbreitet ist, da das polnische
Agrarwesen infolge zahlreicher Entlehnungen aus Deutschland und
durch deutsche Einwandererströme in seinen Grundlagen ein durchaus
deutsches Gepräge hat, da Weißrußland die einschneidendsten Ver-
änderungen seiner Agrarverhältnisse wälircnd der polnischen Periode
empfangen hat, da endlich die großrussische Flurverfassung völlig
anders geartet ist, so dürfen wir die hier zu findenden Waldhufendörfer
als eine von* Westen her übernommene Errungenschaft, als eine Folge
deutschen Einflusses ansehen.
Weißrußland wird 1569 endgültig polnisch. Die Kolonisation
Podlachiens erfüllt, wie wir später sehen werden, im wesentlichen die
Jahrzehnte um 1700. Wielka Sworotwa ist gegen 1800 gegründet. Die
deutsche Art der Besiedlung herrscht also in den letzten Jahrhunderten.
Dem älteren, einheimischen folgt ein jüngerer deutscher Siedlungs-
typus.
Die Einteilung der Flur im einzelnen haben die jüngeren Wald-
hufendörfer gemeinsam mit den älteren mit verstreuter Gemarkung.
Hieraus müssen wir folgern, daß der deutsche Einfluß sich auch auf
die älteren Ansiedlungen erstreckt und die ursprüngliche einheimische
Flureinteilung vernichtet hat (genau so, wie der großrussische Mir die
verstreuten Flurteile beibehalten mußte, sie aber mit einem völlig neu-
artigen Einteilungsnetze überzog). Bei dem allgemeinen Dunkel, wel-
ches über den älteren Agrarzuständen der Slawen schwebt, können Avir
uns kein Bild über die Verfassung der älteren Siedlungen in Weiß-
rußland machen.
Eine Eigentümlichkeit der weißrussischen Flur bleibt das gänz-
liche Außerachtlassen der Bodenunterschiede. Die beträchtlichen
Höhendifterenzen des tiefzerscnnittenen westrussischen Landrückens
und die Tallage zahlreicher Dörfer, aus welcher die Lage der Flur
auf ansteigendem Böschungsgelände folgt, begründen sie zum Teil.
Da aber weder terrassenförmige Abstufungen der Acker noch sonst
irgendwelche künstliche Verbesserungen zu bemerken sind, müssen wir
in der Nichtachtung des Geländeverlaufes ein Zeichen wenig fortge-
schrittener Bodenkultur erblicken.
Die beobachteten ganz modernen Besitzverhältnisse gelten für ganz
Weißrußland. Das Geschenk Alexanders IL war für den weißrussi-
schen Bauern besonders wertvoll. Er sitzt auf eigener Scholle und
kann sein Land nach Gutdünken bewirtschaften. Sein großrussischer
Nachbar dagegen lebt noch immer unter dem Zwange des erst seit
Stolypin langsam schwindenden Mir. Der mit wachsender Seelenzahl
Beobachtungen und Studien über die Siedlungen in Weißrußland. 51
sinkende Seelenanteil an Land erzeugt seinen sprichwörtlichen Land-
hunger, die periodische Neuverteilung- des Mirlandes schreckt ihn ab
vor Verbesserungen und intensiver Wirtschaft, deren Früchte ein an-
derer genießen würde.
Die beiden angeführten Beispiele ließen uns einen kleinen Blick
in die Zeit vor 1861 werfen, in die lange Periode der Leibeigenschaft,
die von nachhaltigster Wirkung sein mußte. Bevor wir das Leben
und die Wirtschaft des weißrussischen Bauern, wie sie sich heute ab-
spielen, untersuchen, müssen wir daher erst dem weißrussischen Guts-
hofe ein kurze Betrachtung widmen.
V. Das Gut.
Die zahllosen polnischen Güter in Weißrußland sind eine Folge der
Einverleibung des Landes in das polnische Reich. Unter russischer
Herrschaft bestanden anfangs anscheinend die alten Verhältnisse ziem-
lich ungestört weiter. Erst nach der Auflehnung der Polen (1830 und
besonders 1861) ist der Druck allmählich gewachsen, so daß der Guts-
besitzer heute in manchen Dingen weniger Rechte besitzt als der ortho-
doxe, analphabetische Bauer, der ihm einst Untertan war. Insbeson-
dere wird die weitere Ausbreitung des polnischen Grundbesitzes durch
Verbote oder mindestens durch starke Erschwerungen des Land-
erwerbes gehindert. Unter diesen Umständen haben manche Polen
ihre Scholle verlassen müssen, andere gingen ihres Besitzes durch Kon-
fiskation zugunsten von Russen verlustig. Andere wieder haben dem
Druck nachgegeben, den orthodoxen Glauben und äußerlich das Russen-
tum angenommen. So befinden sich einige der größten Güter im Be-
sitz russischer Magnaten polnischer und deutscher Abstammung.
Doch immer noch ist der Pole als Gutsbesitzer in der Überzahl und mit
alten, berühmten Namen auch im Latifundienbesitz vertreten.
Im Siedlungsbilde sind wegen ihrer Menge besonders charakte-
ristisch die Güter und Vorwerke der Schlachta, des alten kleinen pol-
nischen Adels, auf den sich die Macht der Magnaten aufbaute. Ein
Beispiel kleineren Umfanges bietet das zu dem besprochenen Dorfe
Konjuschewschtschisna gehörige Gut (Abb. 3). Die Fläche umfaßt
rund 54 Deßjatinen, also reichlich das Fünffache eines durchschnitt-
lichen Bauerngutes. Der Besitz liegt nicht im Zusammenhang, sondern
ist durch Exklaven dörflicher Gemarkungen in sehr unbequemer Weise
zerschnitten. Die nach Abzug eines kleinen Waldstückes und des auf
Hof, Garten, Wasserflächen, Raine und Wege entfallenden Landes ver-
bleibende Kulturfläche ist zu drei Vierteln Acker-, zu einem Heuland.
Der Acker wird mit Roggen, Hafer, Gerste und Kartoffeln bestellt.
Der Viehbestand beträgt 10 Pferde und 25 Rinder. Der nach Deckung
4*
52 B. Brandt:
des eigenen Bedarfs verbleibende Rest des Ertrages wird folgender-
maßen angegeben :
Roggen . . . 250 Pudi) Gerste . . . 100 Pud
Hafer .... lüO ,, Kartoffeln . 200 „
Das an den Juden verkaufte Getreide wird mit dem benachbarter
Güter nach ßaranowitschi überführt, wohin die Bahnen auch die Über-
schüsse anderer Bezirke heranführen. In großen Sammeltransporten
geht es dann weiter nach Deutschland. Die Kartoffeln werden zum
großen Teile in den zahlreichen Brennereien der größeren Güter ver-
arbeitet und fließen als Wodka wieder zurück.
Als ständiges Gesinde dienen auf dem Gutshofe vier Männer und
zwei Frauen. Zur Bestellung und zur Ernte werden Arbeiter gegen
einen Tagelohn von 75 Kopeken bis i Rubel für den Mann und von
30 bis 50 Kopeken für die Frau herangezogen. Die Arbeiten werden
mit ziemlicher Selbstverständlichkeit von den Bewohnern des Dorfes
geleistet. Sind sie etwa durch eigene Arbeit verhindert, so findet sich
leicht Ersatz aus den Nachbardörfern. Jedenfalls ist dem Gutsbesitzer
die Sorge der Leutenot noch vollkommen fremd. In dieser Gunst,
der natürlich eine Minderung der Leistung für den bäuerlichen Acker
gegenübersteht, wirkt die Leibeigenschaft nach. Bisweilen besteht
zwischen der Gutsherrschaft und den Bauern ein patriarchalisches Ver-
hältnis, Ehrerbietung auf der einen, tätige Fürsorge für das Dorf und
den einzelnen auf der anderen Seite. Wo dieser beide Teile befriedi.-
gende Zustand herrscht, darf er auch für die Zeit der Leibeigenschaft
vorausgesetzt werden. Es ist anzunehmen, daß die Leibeigenschaft, so
entwicklungshemmend sie als Einrichtung auch war, den einzelnen
doch nicht so niederdrückte, wie man es sich gewöhnlich vorstellt.
Jedenfalls scheint die Lage des großrussischen Bauern noch heute eine
wesentlich ungünstigere zu sein als die des leibeigenen polnisch-weiß-
russischen gewesen ist.
Die größeren Güter werden in ähnlicher Weise, nur in vergrößertem
Maßstabe bewirtschaftet. Entsprechend dem größeren Waldbesitze
tritt hier die Waldwirtschaft hinzu, die allgemein im Raubbau be-
trieben wird oder nur dürftige Anfänge einer geregelten Forstwirt-
schaft aufweist.
Die Besitzer nennen sich durchweg Schiachtschitzen, ohne Rück-
sicht darauf, ob sie dem alten polnischen" Adel angehören, die reicheren
werden wohl auch als , .Grafen" bezeichnet. "Gleiche Überlieferungen
und Interessen und die gemeinsame Abwehr des russischen Zwanges
haben sie zu enger Gemeinschaft geführt. Sic sitzen zum Teil wie von
») I Pud = 16,38 kg.
Beobachtungen und Studien über die Siedlungen in Weißrußland. 53
Abbild. 3.
54 B. B r a n d t
alters her dauernd auf ihren Gütern und bewirtschaften sie selbst;
häufig aber sind sie auch in andere Berufe übergegangen und wohnen
als Rechtsanwälte, Ärzte usw. in den großen Städten, w^ährend ein
Familienmitglied, oft eine Frau, die Wirtschaft leitet. Andere wie-
derum kümmern sich überhaupt wenig um das Gut, leben nach Magna-
tenart auf Reisen, in Bädern und in großen Städten und benutzen ihren
Besitz nur als Sommerfiufenthalt. Dem entsprechen die Unterschiede
des Wirtschaftszustandes. Es ist unmöglich, ihn allgemein zu charak-
terisieren, und es würde ungerecht sein, wollte man aus den in der
Literatur beschriebenen meist krassen Einzelfällen übler Art auf das
Ganze schließen. Die Mehrzahl der Betriebe macht äußerlich den Ein-
druck ordentlicher, wenn auch nicht immer ganz zeitgemäßer Wirt-
schaft; die Gutshöfe sehen wohnlich und wohlhabend aus. Einen
Niedergang muß man den häufigen Mitteilungen über eine Areal-
abnahme des Gutes, über den Verkauf von Wäldern und Vorwerken
entnehmen. Umgekehrt sind a'ufsteigende Wirtschaften an Neubauten
und industriellen Betrieben zu erkennen, wenn auch nicht so häufig wie
in Polen westlich der Weichsel.
Der berüchtigten ,, polnischen Wirtschaft" der Literatur^) begegnet
man nur selten; sie übertrifft dann allerdings leicht jede Vorstellung.
Der Acker liegt zum Teil dauernd brach, die Mauern des Gutshofes
zeigen Breschen und stürzen ein, der Park verwildert, die Wirtschafts-
gebäude verfallen, Zinnen und Putz des schloßartigen Gutshauses
bröckeln ab. Nur wenige Zimmer sind bewohnt und mit verblichenen
und zerschlissenen Resten ehemaligen Glanzes notdürftig ausgestattet,
der Rest ist verwahrlost und mit Gerumpel erfüllt. Hier haust, um-
geben von einem schmutzigen Gesinde und seinen trotz französischer
Erzieherin und polnischem Hauslehrer halbbäuerisch aufwachsenden
Kindern, in ausgesucht städtischer oder altpolnischer Kleidung, mit
vornehmer Gespreiztheit der Schlachtschitz, zehrt von den Erinnerungen
einer glänzenden Vergangenheit und träumt in überschwenglicher Hoü-
nung ihre Wiederkehr, ohne zur Verwirklichung eine Hand zu
rühren.
Die Magnatenbesitze umfassen in der Regel eine ganze Anzahl von
Gütern und Vorwerken. Zu ihnen gehören auch die großen, noch
ziemlich ursprünglichen Waldungen, soweit sie nicht im Besitze der
russischen Krone sind. Die großen hier zur Verfügung stehenden
Mittel gestatten eine geordnete, bisweilen eine musterhafte Wirtschaft.
Infolge der von ihnen aus unternommenen Dorfgründungen (vgl. Wielka
Sworotwa) sind sie für die Besiedlung des Landes von großer Bedeu-
*) Gustav Freytag, K. E. Franzos, Korzeniowski, auch Rzewuski.
Beobachtungen und Studien über die vSiedlungen in Weißrußland. 55
tung gewesen. Zu ihrem großen Umfange sind die Magnatengüter
zum Teil durch rücksichtsloses Auskaufen kleinerer Gutsbesitzer
gelangt ').
VI. Der Bauer.
Bei längerem Aufenthalte im Lande gewinnt man die Überzeugung,
daß das weißrussische Volk in körperlicher Hinsicht gewisse Typen
aufweist, die dem polnischen fremd sind. Der Unterschied beruht
freilich nicht auf besonders auffälligen Kennzeichen, sondern auf einer
Summe feinerer Merkmale, und er ist nicht immer leicht zu beschreiben.
Die bei vielen Völkern anzutreffende Zweiteilung in einen gröberen und
in einen feineren Typus scheint trotz der kaum verschiedenen Lebens-
weise auch hier vorzuliegen. Für den erstgenannten sind etwa folgende
Merkmale charakteristisch: Ein rundes, volles, bartloses Gesicht mit
vorspringenden Jochbeingegenden, lang herabfallendem, schlicht an-
liegendem dunklen Haar, mit gutmütigen, phlegmatischen Gesichts-
zügen und wenig ausdrucksvollem Blick. In ihrer Wintertracht, einem
dicken, den Körperbau verhüllenden Pelz, Opanken .und mit Lappen
verschnürten Beinen sind Leute dieser Art von den mongolischen
Völkern Sibiriens oft kaum zu unterscheiden. Ziemlich verschieden von
diesem ist der zweite Typus: Der Körper ist schmächtig gebaut; das
Gesicht zeigt vorspringende Joche, doch ein schmales Kinn mit spär-
lichem Bartwuchs. Das in der Mitte gescheitelte gleichfalls dunkle
Haar fällt in leichter Wellung herab. Das Auge und der ganze Ge-
sichtsausdruck sind lebhafter, edler und nicht ohne Temperament.
Dieser etwas an Christusdarstellungen erinnernde Habitus ist durchaus
unpolnisch, dagegen in Rußland häufig vertreten; er wird besonders von
jungen Geistlichen mit Bewußtsein gepflegt. Einen eigenen, offenbar
auf Mischung beruhenden Typ enthält auch das an Litauen grenzende
Land.
Das volle, gesundgefärbte Gesicht der Kinder und der jungen
Leute macht bald fettlosen, oft scharf geschnittenen Zügen und einer
gelbbräunlichen Hautfarbe Platz. Das Altern tritt besonders bei den
Frauen früh ein. Man täuscht sich daher leicht über das Lebensalter
und vermeint mehr alte Leute zu sehen, als in Wirklichkeit vorhanden
sind. Einen kraftvollen, imponierenden Eindruck macht das Volk im
ganzen nicht.
Heiraten finden von Dorf zu Dorf statt, ob in rassehygienisch hin-
reichender Weise, ist eine offene Frage. Die Kinderzahl ist überall hoch
und wird mit Sechs bis acht angegeben. Durch mangelhafte Geburts-
hilfe und Pflege gehen leicht Alutter und Kind verloren, ebenso stirbt
1) Vgl. Korzeniowski, Unsere Szlachta.
56 ß- Brandt:
ein verhältnismäßig großer Teil der Säuglinge und der Kinder in
jugendlichem Aller, vor allem an den Pocken, zu deren Bekämpfung
so gut wie gar nichts geschieht. Der endemische Typhus, Cholera- und
Fleckficberepidcmien, in sumpfigen Gegenden das Wcchselfiebcr, häu-
fige rheumatische Erkrankungen, mangelnde Hygiene, unzureichende
Versorgung mit Ärzten, Alkoholismus und Hungersnöte drücken den
allgemeinen Gesundheitszustand und das durchschnittliche Lebensalter
herunter und schränken das Bevölkerungswachstum ein. Eine Familie
einschließlich der alten Leute beträgt durchschnittlich neun Seelen.
über die Volkszunahme des platten Landes läßt sich nur ein
lückenhaftes Bild gewinnen. Das Dorf Wielka Sworotwa hatte sifh in
rund loo Jahren von 20 auf 50 Haushalte vermehrt. Neue Höfe sieht
man in den Dörfern im allgemeinen selten, auch über eine Vergröße-
rung der Ackerbaufläche ist nichts zu erfahren. Die Städte ländlichen
Gepräges haben keine neueren Stadtteile; ihre Einwohnerzahl wächst
nur langsam (z. B. Mosyr 1886: 9000 Einwohner, 1912; 10600 Ein-
wohner). Dagegen wachsen die Städte mit einigem Verkehr, Handel
oder Industrie rasch an (Minsk 1886: 53000 Einwohner, 1912: 100 000
Einwohner). An der Zunahme dieser Städte beteiligt sich auch die
weißrussische Landbevölkerung (in Minsk mit 9,3 v. H., in Wilna mit
4,2 V. H.). Von der Abwanderung in die großrussische Industrie war
.'^chon die Rede. Endlich weist die Werbetätigkeit der Schiffahrtsgesell-
fcchaften in den kleinen Landstädten darauf hin, daß auch eine Aus-
wanderung in überseeische Länder stattfindet, und man trifft unter den
beständig aus Rußland abströmenden Auswanderern tatsächlich auch
Weißrussen an. Es kommt also der Bevölkerungsüberschuß der Heimat
wenig zugute.
Nun einige Bemerkungen über das Seelenleben und den Volks-
charakter. Die Empfindung der Weißrussen gegenüber Eindrücken
von außen ist auffallend stumpf. Die großen Nöte des Krieges, Ver-
nichtung des Gehöftes, der Jammer des Flüchtlingslebens, Tod der
Angehörigen an der Landstraße trug das Volk mit staunenswerter
Gelassenheit. Der mangelnden Reizbarkeit entspricht eine geringe
Reaktion ; Wille und Entschlossenheit zu handeln sind schwach ent-
wickelt. Aus guten Beispielen zieht der Weißrusse keinen Nutzen,
mühelose kleine Verbesserungen in der Wirtschaft, die er sieht und
anerkennt, ahmt er nicht nach. Wo es darauf ankommt, rasch zuzu-
greifen, ist er hilflos. Seine Ernte läßt er schon bei geringen Stö-
rungen des Krieges im Stiche. Schlimme Erfahrungen vermögen ihn
nicht zu Gegenmaßregeln zu bewegen. Trotz häufiger Hungersnöte
speichert er nicht für die Zukunft auf; einen hinreichenden Kartoffclvor-
rat anzulegen konnte er im Kriege nur mit Zwang veranlaßt werden. Er
Beobachtungen und Studien über die Siedlungen in Weißrußland. 57
sieht nicht voraus, spart nicht und ist träg-e. Alle seine Arbeit, Feld-
wie Hausarbeit, oft auch der Hausbau und jede Ausbesserung ist
mangelhaft und ungenau. P'leißig und sorgsam hergestellte Klein-
erzeugnisse sucht man im allgemeinen vergebens.
Das Gefühlsleben scheint mehr nach der negativen Seite hin ent-
wickelt. Äußerungen von Lebensfreude, bunte Trachten, lebendiges
Marktgetriebe, Sonntagsstimmung, die in Polen trotz des Krieges zu
beobachten waren, vermißte man hier. Im ganzen erscheint das Tem-
perament phlegmatisch-melancholisch, die Resignation ein Charakter-
zug zu sein. Einigermaßen lebhaft ist der Bauer nur im Verkehr mit
seinesgleichen; Zank, Streitigkeiten, Beharren auf einem vermeint-
lichen Recht auch dem Starosten gegenüber, cholerische Zornausbrüche
bei kleinen Anlässen sind häufig. Überhaupt ist eine leichte Erregbar-
keit über nichtige Dinge gegenüber der Gelassenheit bei großem Un-
glück auffällig. Dahin gehört auch eine überwertige Einschätzung
geringer Dinge. Einem beigetriebenen Pferde folgte beispielsweise ein
Bauer bis ins Gefecht;
Dem Gutsherrn gegenüber ist der Bauer noch wie in alter Zeit
unterwürfig und ehrerbietig. Er spricht mit ihm entblößten Hauptes,
grüßt mit tiefster Verneigung, fällt, wenn er bittet, auf die Knie und
küßt, wenn er dankt, Hand oder Gewand. Ähnlich unterwürfig, dazu
ängstlich und etwas mißtrauisch zeigte er sich gegenüber dem besetzen-
den Heere. Er ist gutmütig, dankbar für Entgegenkommen, sehr lenk-
bar und gehorsam, bedarf aber unausgesetzter Leitung.
Selbstverständlich ist der hier ganz allgemein geschilderte Cha-
rakter in jeder einzelnen Eigenschaft individuell abgestuft. Das gilt
auch für die Intelligenz des einzelnen. Doch ist allen ein enger Ge-
sichtskreis eigen, weil der Bauer von derAußenwelt fast nichts sieht
und wenig hört. Ein kluger podlachischer Bauer, der über die näheren
Verhältnisse klare Auskunft geben konnte, war über die benachbarten
Dörfer kaum herausgekommen, hatte von den nächsten Städten Brest-
Litowsk und Siedice eben eine Vorstellung, kannte Warschau dem
Namen nach und verband mit Deutschland nur den Begrift eiserner
Grenzpfähle.
Der Charakter des Weißrussen hat Züge, die Kindern oder Natur-
völkern eigen sind. Die geringe Aktivität scheint zum Teil natürlich
bedingt zu sein und das Volk in der Geschichte zum Amboß gemacht
zu haben. Umgekehrt hat die Geschichte sicher diese Charakteranlage
vertieft. Dies ist für die Zukunft des Volkes bedeutsam und für die
Träger der weißrussischen politischen Bestrebungen von Wichtigkeit.
Die ursprüngliche Männertracht besteht aus gewebten, weiten,
faltig fallenden Hosen, einem groben, bunten Hemd und einer langen.
53 B. B r a n d t :
durch einen bunten gewebten Gurt zusammengehaltenen Bluse. Außer
hohen Stiefeln werden sehr primitive, durch einen Riemen zu
schließende Schuhe aus Leder getragen ; die Unterschenkel sind im
Winter mit Lappen oder Fellen umwickelt und dicht verschnürt. Als
Kopfbedeckung dient eine dunkle Schirm- oder eine mächtige Pelz-
mütze. Die Frauentracht besteht aus selbstgefertigten Woll- und
Leinengespinsten, deren Schnitt durch die Maße des Webstuhls bedingt
und daher dem so vieler Volkstrachten ähnlich ist, insbesondere
durch die kurzen, weiten, faltenreichen Röcke. Die Farben sind hier
im Gegensatze zu manchen Gegenden Polens (Kujawien, Lowitsch)
dunkler und ernster abgestimmt, die Weberei zeigt oft schöne, alther-
gebrachte Muster, z. B. Mäander. Bunte Stickereien, in Polen, Ukraina
und Großrußland so beliebt, treten hier zurück. Das auffälligste Be-
kleidungsstück sind die weiten, aus Ziegen- oder Schaffellen zusammen-
genähten Pelze, die mit der Fellseite nach innen getragen werden. Die
Außenseite ist mit einem schönen stumpfen Rot oder in braunen Tönen
gefärbt. Auch hier dient ein gewebter Gürtel als Abschluß. Die ur-
sprüngliche, der großrussischen ähnliche Tracht wird durch diese und
durch billige Allerweltskleidung langsam verdrängt, mindestens die des
weiblichen Geschlechts.
Hinsichtlich der Nahrung ist der Weißrusse äußerst genügsam.
Brot, Kohl, Kartofifeln, Rüben und Breie bilden die Hauptnahrungs-
mittel. Die erstgenannten Früchte werden kleingeschnitten und auf
dem wenig zweckmäßigen Herde zu faden, halbgaren Suppen gekocht.
Fleisch wird wenig verzehrt, das etwa im Winter geschlachtete Schwein
soll geräuchert das ganze Jahr vorhalten. Von Genußmitteln wäre
Tabak und Schnaps zu nennen.
Wie schon angeführt wurde, lebt die ganze Familie vorwiegend in
einem einzigen Räume, der Isba. Diese wimmelt im Sommer von
Fliegen, nimmt im Winter auch die Hühner auf, ist überhitzt und
wird — die Fenster sind oft verklebt — nie gelüftet. Der Herd lockt
Küchenschaben in Menge an. Das Reinlichkeitsbedürfnis ist gering,
die allereinfachsten hygienischen Einrichtungen fehlen. Die Winter-
kälte und die umständliche dicke Kleidung erschweren die Körperpflege;
das Ungeziefer ist infolge langer Gewöhnung wenig störend. Durch
die Läuse wird das bei uns nahezu unbekannte, hier endemische Fleck-
fieber übertragen, das aber, weil durch Generationen hindurch schon
eine gewisse Immunität erlangt ist, nicht mehr so verderblich wirkt.
In vielen Häusern liegen tuberkulöse alte Leute in engster Nachbar-
schaft mit den Hausgenossen. Eine Folge der allgemeinen Unreinlich-
keit sind einige widerwärtige, bei uns kaum auftretende Erkrankungen
der Kopfhaut, der Favus und der Weichselzopf, der offenbar durch
Beobachtungen und Studien über die Siedlungen in Weißrußland. 59
weißrussische, die Weichsel befahrende Flößer bei uns bekannt ge-
worden ist. In manchen Dörfern befinden sich Badestuben, Räume,
in denen durch Beg-ießen heißgemachter Feldsteine mit Wasser Dampf
erzeugt wird.
Die Bewirtschaftung" des Bodens unterscheidet sich in ihren
Grundlagen nicht von der unsrigen. Es werden dieselben Feld-
früchte in der gleichen Folge angebaut, nur mit dem Unter-
schiede, daß Frühjahrsbestellung, Ernte und Herbstbestellung des
langen Winters wegen näher aneinanderrücken. Die Dreifelder-
wirtschaft ist in Gebrauch. Besondere Erwähnung verdient der Anbau
des Buchweizens, des Tatark oder tatarischen Kornes, der im Haushalt
als Brei den Kaffee ersetzt. Der Viehstand eines mittleren Bauern (mit
IG Deßjatinen Land) beträgt etwa vier Rinder, zwei bis drei der kleinen,
langhaarigen russischen Pferde, zwei bis vier Schweine, einige Schafe,
eine Anzahl Hühner und eine wechselnde, oft große Zahl von Gänsen.
Sie werden als ,, russische Gänse" nach Deutschland ausgeführt und
erscheinen nach ihrer Mästung als ,,pommersche Gänse" auf dem
Markte. Zum Hofe gehören endlich auch einige Bienenstöcke, die wie
bei uns in älteren Zeiten den Süßstoff liefern.
Die unrationelle Einteilung der Flur mit ihrer mangelnden Rück-
sicht auf die Bodenbeschafi'enheit wurde schon erwähnt. Die einzelnen
langgestreckten Parzellen werden in etwa 2 m breite, ziemlich gewölbte
Beete eingeteilt, auf denen die Saat ganz verschieden wächst und je
nach der Niederschlagshöhe während des Wachstums auf der höheren
Mitte oder auf den tieferliegenden Seiten besser gedeiht. Die Beete
werden häufig noch weiter der Länge nach zerlegt, so daß man bis-
weilen sehr lange, kaum meterbreite Streifen verschiedener Feldfrucht
nebeneinander sieht. Die Geschiebe werden mangelhaft abgelesen, auch
wird der Ausbreitung von Unkraut nicht genügend Einhalt getan. Wo
etwa Wald gerodet und in Ackerland verwandelt worden ist, bleiben
die Baumstümpfe stehen, sie bereiten ja auch der meist gebrauchten
Sichel kein so großes Hindernis wie der Sense. Mit den altertümlichen
Ackergeräten vermag der Bauer den Boden weder genügend tief auf-
zulockern, noch ihn gleichmäßig zu zerkleinern. In den groben Boden-
schollen verteilt sich die Feuchtigkeit ganz ungleich und zieht weitere
Wächstumsunterschiede nach sich. Der Gegensatz der schmalen, grob-
scholligen Eingeborenenäcker und der großen, gleichmäßig und fein
gelockerten Ackerflächen der deutschen Soldaten war ebenso auffällig
wie der der Erträge. Alle diese Rückständigkeiten der Bodenbewirt-
schaftung verschwinden aber hinter der größten, der mangelhaften Aus-
nutzung der verfügbaren Ackerfläche.
Wenn man aus Polen nach Weißrußland kommt, ist man erstaunt
60 B. Brandt:
über die ausgedehnten Flächen, die, wie die halbverwischte Flurein-
teilung beweist, einmal bestellt waren, dann aber aufgegeben und sich
selbst überlassen worden sind. Manche dieser Acker sind erst mit
steppenartigem Gewächs, mit Heidevegetation und mit Wacholder-
gestrüpp bedeckt. Dies wächst mit der Zeit zu Gesträuch aus, dem
sich Kiefern beigesellen, der Acker ,,verbuscht'". Die Flureinteilung
macht sich noch in Wachstumsunterschieden geltend, das Buschwerk
erscheint oft baumschulenartig in Reihen angeordnet und weist par-
zellenweise verschiedene Wachstumsstadien auf. In diesem Zustande
befinden sich erschreckend große Flächen Weißrußlands, selbst in den
fruchtbaren Gebieten. Das sekundäre Ödland bildet geradezu neben
Wald und Kulturland eine charakteristische Pflanzenformation des
Landes. In selteneren Fällen sieht man deutlich, daß selbst Hochwald
aus ehemaligem Acker herausgewachsen ist. Hier ist also ein Vor-
gang zu beobachten, der in Deutschland weit zurückliegt, die Ent-
stehung ,, wüster Marken", die durchaus nicht immer mit kriegerischen
Ereignissen in Zusammenhang zu stehen brauchen. Und wie man in
Deutschland inmitten alter, wiederbebauter oder aufgeforsteter
Wüstungen ,, Dorfstätten" findet, so triflft man hier überwucherte
Kirchhöfe mitten in der Heide, fernab von den Dörfern an. Eine Haupt-
ursache der mangelhaften Bodenausnutzung ist die unzureichende
Düngermenge. Der Viehstand befindet sich nicht im Gleichgewicht
mit der Ackerfläche. Sicher sind aber auch der Tiefstand der Wirt-
schaft, die Trägheit des Bauern und der durch die Lage des Landes be-
dingte geringe Antrieb zu intensiver Bodenausnutzung von großerBedeutung.
Da zu diesen dauernden üdländereien noch das infolge der Drei-
felderwirtschaft jeweils in Brache liegende Land hinzukommt, ist die
Anbaufläche im Verhältnis zum Gesamtbesitz klein und der Gesamt-
ertrag des mangelhaft bestellten Bodens gering. Ein Bauer mit zehn
Deßjatinen Land baut hauptsächlich Kartoft'eln und Roggen an, da-
neben Hafer, etwas Gerste und Buchweizen. Schon hieraus ist zu ent-
nehmen, daß er in erster Linie für seinen eigenen Bedarf erzeugt. Viele
begnügen sich hiermit, andere verkaufen ihren Überschuß an den Juden
der nahen Landstadt und erzielen bei den niedrigen Ortspreisen einen
geringen Gewinn. Das jährliche Durchschnittseinkommen eines
Bauern in der Gegend von (iorodischtsche wird mit loo Rubel ange-
nommen. Dazu kommt noch die Löhnung für die auf dem Gute ge-
leistete Arbeit und der Erlös etwa verkauften Viehs. Die laufenden
Ausgaben für vSteuer. Feuerkasse, einige notwendige Nahrungsmittel,
wie Salz, Genußmittcl, Tabak, Schnaps, Neuanschaflfung an Kleidung
u. dgl., erreichen insgesamt die Höhe der Einkünfte. Es tritt kein
Aufstieg zum Wohlstande ein.
Beobachtungen und Studien über die Siedlungen in Weißrußland. Q\
VII. Die städtische Bevölkerung.
In den Landstädten Weißrußlands machen die Russen und die
Polen nur einen ganz geringen Teil der Bevölkerung aus. Die einen
sind nur vorübergehende Gäste, die andern wurzeln als letzte Vertreter
einer einst herrschenden Oberschicht nicht mehr recht im Boden der
Stadt. Von altersher eingesessen sind nur zwei Volksteile, die kleine
Tatarengemeinde und die Juden, die Hauptmasse der Einwohner.
Unter den Tataren sind zwei Typen auseinander zu halten. Der
eine hat deutlich mongolische Rassenmerkmale und ist am besten bei
Frauen ausgeprägt. Der andere gleicht gewissen in der Türkei ver-
breiteten Volkstypen. Insbesondere erinnern manche der voUbfirt-
umrahmten Tatarengesichter geradezu an türkische Sultane. Die
Kleidung ähnelt mit hohen Stiefeln, langem Mantel und Pelzmütze der
russischen ; charakteristisch allein ist der Schleier der Frauen, der das
Gesicht unterhalb der Augen verdeckt, aber nicht allgemein und haupt-
sächlich wohl nur als Schutzmittel gegen Sonne und Staub getragen
wird. Die Tataren lesen den Koran und bedienen sich einer in
arabischen Buchstaben geschriebenen Sprache. Durch den Verkehr
mit den Juden haben sie sich von der deutschen Sprache so viel an-
geeignet, daß bei ihrer Intelligenz und ihrem guten Willen eine elemen-
tare Verständigung möglich ist. Sie haben ihren Schrecken von einst
längst verloren und wohnen friedlich neben den anderen Städtern in
der Tatarskaja Ulica, die sich gewöhnlich der Talniederung entlang-
zieht. Ihre Häuser gleichen denen der weißrussischen Bauern ; dem
Innern geben die an den Wänden und in den Türen aufgehängten
Teppiche eine Spur orientalischen Gepräges.
Ihr mohammedanischer Glaube scheidet sie streng von den andern
EinAvohnern. Die Moschee hat, wie bei den Türken, die griechische
Kirche zum Vorbild genommen und ahmt ihren Bau. ihre Türme
und ihre bunten Kuppeln mit einiger Mäßigung nach. Das Patri-
archenkreuz wird durch Halbmond und Stern ersetzt. Der Haupt-
raum ist mit Mirab, Minibar, Teppichen, Bildern der heiligen
Stätten des Islam, kalligraphischen Zierdrucken und dem übrigen
Zubehör des mohammedanischen Kultus ausgestattet. Ein Gitter
scheidet einen kleineren hinteren Raum für die Frauen ab, die hier die
Moschee betreten dürfen. Die Toten werden außerhalb der Stadt
beigesetzt. Nach Sitte nomadischer Völker häuft man Steine zu einem
Hügel auf und setzt hohe, sauber mit Inschriften und \''erzierungen
bemalte Grabsteine nach Art der türkischen.
Wie in den Dörfern treiben die städtischen Tataren Landwirt-
schaft, betätigen sich aber auch im Gewerbe, ohne einen nennenswerten
Einfluß auf die städtische Wirtschaft zu haben.
62 B. B r an d t: .
In um so höherem Maße gilt das von den Juden.
Der alte Ostjude mit seinen unverkennbaren Gesichtszügen, der
alttestamentarischen Barttracht, den Schläfenlocken, dem langen
Kaftan und dem kleinen schwarzen Mützchen ist ein bekannter Typ;
infolge des Eindringens europäischer Kleidung und Barttracht unter
die Jüngeren weicht er langsam einem weit weniger markanten Ge-
schlechte. Auch die Frauen haben charakteristische Züge genug. Die
jüngeren Jüdinnen sind zum Teil von eigenartiger Anmut. Die über-
große Eleganz, die viele in ihrer Kleidung entwickeln, fällt auf dem
Hintergrunde der armseligen, schmutzigen russischen Kleinstadt
doppelt auf. Als Frauen bedecken sie das kurzgeschnittene Haar mit
Perücken, vernachlässigen ihre Kleidung und legen keinerlei ' Wert
mehr auf das Äußere. Niemand wird ohne Schaudern im Jargon des
,, Jiddisch" die mit hebräischen, polnischen und russischen Bruch-
stücken gespickte, im Laufe von sieben Jahrhunderten gründlich ver-
derbte eigene Sprache erkennen.
Von den Juden der Kulturländer unterscheidet sich der russisch-
polnische durch seine noch weit größere Vielseitigkeit und Anpassung
im Wirtschaftsleben. Er ist nicht allein Händler, sondern auch Hand-
werker, Gewerbetreibender, Gastwirt, Unternehmer, Arbeiter; er hat
alle städtischen Berufe inne ; selbst zu einer Art Landwirtschaft sahen
wir ihn unter dem Zwange des Krieges sich bequemen. Der Jude
sammelt die Erzeugnisse von Dorf und Gut und leitet sie nach* Ver-
sorgung der Stadt weiter, er vermittelt den Holzhandel und sammelt
das Pelzwerk des Waldlandes, um es den größeren Märkten zuzuführen.
Er versorgt Stadt und Land mit Salz, Kolonialwaren, Lebens-, Ge-
nuß- und Beleuchtungsmitteln und mit Fabrikaten aller Art. Güter-
austausch und Geldgeschäft gehen fast ausschließlich durch seine Hand.
Die Stätten des Kleinhandels sind zahlreiche Läden und die "Stände des
Gostiny-Dwor oder Kaufhofes oder, wo diese nicht ausreichen, hölzerne
Buden auf dem Markte. Hier sieht man, nach Handwerken getrennt,
die heimischen Erzeugnisse aufgestapelt, die plumpen Lederschuhe, die
Webereien der Bäuerinnen, rohe Stellmacherarbeiten, darunter die
charakteristischen Bügel des Pferdegeschirrs, daneben auch Massen
der berühmten Gummischuhe, die nur auf dem Boden des unwegsamen
Rußlands erfunden werden konnten. In den Auslagen der Läden aber
sind abgelagerte, unansehnliche, unappetitlicl^ Lebensmittel, billige
Ausschußartikel, ferner Fabrik- und allerhand Talmiwaren aufgebaut.
Alle paar Häuser sieht man einen Uhrmacher, der aber auch mit den
verschiedensten anderen Dingen handelt,* hinter seinem Schaufenster
bei der Arbeit sitzen. Daneben kündigt ein Photograph durch Aus-
hang bis zur Unkenntlichkeit verblichener Bilder seine Leistungen an.
Beobachtungen und Studien über die Siedlungen in Weißrußland. 63
Von besonderer Wichtigkeit ist der zahlreich vertretene Haarkünstler
und Barbier, dessen Hauptbeschäftigung- das Anfertigen der Perücken
für die Frauen ist. Er hat wohl die Kenntnis anspruchsvollerer Haar-
pflege zuerst in die Länder des slawischen Ostens gebracht, denn in
Rußland wie in Polen heißt der Barbier allgemein „Parikmacher". Mit
der „Parikmacherskaja" ist oft die Werkstätte des begehrten und
häufigen Zahnarztes verbunden, dem gelegentlich das Diplom einer
deutschen Hochschule als Reklameschild dient. In der Ladentür steht
beständig ein jüngeres Familienglied und nötigt jeden Vorübergehen-
den mehr oder weniger eindringlich z«m Eintritt, während die Kinder
auf der Straße einen fliegenden Handel mit Kleinigkeiten treiben. Selbst
im strengsten Winter vollzieht sich der Handel halb im Freien, in den
offenen Ständen wärmen sich die Verkäufer dann die Hände an den
beständig mitgeführten Töpfen voll glimmender Holzkohle. Der Nation
und den Bedürfnissen seiner Käufer paßt sich der Jude mit feiner
L^nterscheidung an. Den des Lesens unkundigen Bauern klären kühn
und naiv auf Blech gemalte Heringe, Zuckerhüte u. dgl. auf. Dem
die Zivilisation des Westens schätzenden Russen preist er deren Er-
zeugnisse in russischen, aus dem Französischen transskribierten Wort-
monstren an (Schik de Pari; Odekolon). Die deutschen, österreichi-
schen und ungarischen Truppen konnten sich in kurzer Zeit nach
heimatlichen, wenn auch ein wenig verstümmelten Ladenbezeichnun-
gen zurechtfinden. Zwischen den Läden lockt hier und dort eine ,,Tai-
stube" zum Genüsse des trefiflichen Tees und der russischen Süßig-
keiten, wenn nicht gar der Messingsamowar im Freien unter einem
riesigen Schirme aufgebaut ist. Der Gasthof, früher meist Hotel
Polski oder Warschauer Hof genannt, verbirgt neuerdings seine
Dürftigkeit unter Namen wie Grand Hotel, Metropol usw.
Überall wird nach orientalischer Weise übervorteilt und gefeilscht ;
auch seltener begehrte Gegenstände werden bei den weitverzweigten
Geschäftsverbindungen rasch herbeigeschafft. Eifrige Agenten er-
leichtern dem Fremden seine Aufgaben in unschätzbarer Weise. 'J^
nach äußeren Umständen und Verdienstaussichten ändert der Jude
rasch seine Tätigkeit; heute noch hat er einen Kaufladen, morgen
richtet er ein Kaffeehaus, einige Wochen später ein Kinotheater ein.
Wie der Bauer, so wohnt auch der Jude eng und zusammenge-
drängt. Auch er hält die Fenster ängstlich verschlossen. Wohn- und
Geschäftsräume sind kaum getrennt und dienen oft beiden Zwecken
gleichzeitig. An den Türen sind unauffällig in Kapseln verschlossene,
auf Pergament geschriebene Sprüche angebracht. Die W^ände
schmücken Bilder berühmter Hebräer der neuesten Zeit und Dar-
stellungen der jüdischen Religionsgeschichte. Die einzigen Gegen-
64
B. Brandt
Stände von Wert in der sehr dürftigen Ausstattung sind die alten
silbernen Leuchter, die bei der Feier des strenge innegehaltenen
Sabbat gebraucht werden. Dann ist die ganze Stadt festlich beleuchtet
wie die unsrigen zur Weihnachtszeit. Ein besonderes Gepräge erhält
sie auch während des Laubhüttenfestes, wenn die mittels Klappen und
Stangen zum Teil geöffneten Dächer der Hauseingänge luftige Hütten
andeuten. Die Synagoge ist ein großer Holzbau derselben Art wie die
orthodoxe Kirche und die Moschee oder ein Backsteinrohbau. Ihr
Kennzeichen ist das Hexagramm, welches in Stein über dem Eingange
oder in Eisen an den Verankerungen des Mauerwerks angebracht ist.
Das Innere ist leer und frei von Schmuck, abgesehen vielleicht von
einem geschnitzten und buntbemalten, tabcmakelartigen Schrein. Die
Mitte ist zu einem geländerumgebenen Podium erhoben, welches gleich-
zeitig als Ofen dient. Gewöhnlich enthält die Synagoge eine Bibliothek
hebräischer- Werke, darunter prachtvolle alte Drucke und Hand-
schriften.
Ein patriarchalisches Familienleben, enger Zusammenhalt der Ge-
meinde und des Volkes, Sittenstrenge und genaues Einhalten der Vor-
schriften ihres Kultes sind die Hauptzüge des religiösen Lebens der
Juden, das einen ebenso ausgesprochenen Charakter hat wie ihre Er-
werbstätigkeit.
Der Jude ist im westlichen Rußland heute nicht zu entbehren ;
seine Entfernung würde das ganze Wirtschaftsleben aufs schvv-erste
erschüttern. Auf dieser Abhängigkeit vom Juden beruht wohl zürn
großen Teile der Haß, der ihm von allen Seiten entgegengebracht wird.
Die Ansicht, daß der Jude in Rußland unter dem Drucke der Regierung
in physischem Elend lebt, ist nur zum Teil richtig. Man erinnere sich der
jungen Juden, die die Hörsäle unserer Hochschulen füllen und jener, die
in allen blühenden Ländern Europas und der neuen Welt zu Reichtum
und Ansehen gelangt sind. Nicht wenige stammen aus den kleinen
Landstädten Westrußlands, wo unter dem Scheine der Armseligkeit in
emsiger Geschäftigkeit die Grundlage zu ihrem Aufstiege erworben
wurde.
VIII. Kulturlandschaften.
Die mannigfaltig gestaltete Natur bietet den Einwanderern ver-
schiedenartige und vcrschiedenwertige Lagen für die Gründung ihrer
Siedlungen. In erster Linie steht die Auswahl zwischen der Dorflage
im Tale und der auf der Hochfläche. Die größeren Talauen gewähren
reichlich Raum für die Niederlassung einer größeren Anzahl von
Menschen. Sie enthalten guten Schwemmlandboden, dessen trockener
Randstrich neben dem Gehänge beackert werden kann, während der
zeitweilig überschwemmte, tiefer gelegene Streifen als Weide nutz-
Beobachtungen und Studien über die Siedlungen in Weißrußland. 65
bar ist. Bäche, Gehängequellen und das nahe Grundwasser gewähr-
leisten eine ausgiebige Wasserversorgung. Rodung ist entweder gar
nicht oder doch nur in beschränktem Maße erforderlich, Entwässe-
rungsarbeiten sind bei dem tiefen Einschneiden der Wasserläufe —
wenigstens im Memelgebiete — kaum nötig. Der diluviale Boden der
Hochflächen dagegen wechselt hinsichtlich seiner Güte und ist leichter
zu erschöpfen als der der Talauen. Das Grundwasser liegt tief, die
Gefahr der Dürre ist größer. Vor allem aber muß der dichte Wald
durch mühevolle Rodung beseitigt werden. Ohne Zw^eifel bevorzugten
die Ansiedler, wie überall unter ähnlichen Umständen, wo sie noch die
Wahl hatten, die Tallage.
Der Raum für das im Tale liegende Dorf ist ein verhältnismäßig
schmaler Streifen zwischen dem Saume des Hochflächenwaldes und
dem Überschwemmungsgürtel des Wasserlaufes. Die Tallage läßt
daher nur eine einachsige Ausdehnung des Dorfes zu, sie führt zu der
bereits beschriebenen Form des Straßendorfes, das je nach dem Tal-
verlaufe gerade oder gekrümmt, je nach der Einwohnerzahl kurz oder
lang, meist ein wenig unregelmäßig angeordnet ist (Abb. 4 a).
Kleine Talauen gewähren Raum für nur wenige Menschen. Die
Schmalheit des siedlungsfähigen Bodens dehnt hier das Anwesen des
einzelnen in die Länge und zieht das Dorf zu einer lose zusammen-
hängenden Reihe weilerartiger Hofgruppen auseinander. In der eigen-
tümlichen Natur Litauens ist diese Form zu einem Siedlungstypus ge-
worden, der gelegentlich auch in den weißrussischen Grenzsaum über-
greift (Abb. 4 b). Ganz ähnliche Bedingungen herrschen aber auch
in den nördlichen Pripetsümpfen, wo sich sehr kleine Inseln siedlungs-
fähigen Bodens aus Sumpf und Moor erheben. Sie tragen gleichfalls
kleine, oft nur im Winter über den gefrorenen Sumpf zugängliche
weilerartige Dörfchen (Abb. 4 c). Beide Lagen und Formen des
Dorfes sind für das gesamte Siedlungsbild Weißrußlands von nur
geringer Bedeutung. Wo die Sumpfinseln einige Größe erreichen,
ziehen ihren Rändern Straßendörfer entlang.
In der wasserscheidenden Ebene zwischen den Memelzuflüssen
Serwetsch und Molczadz und der oberen Schtschara werden die Tal-
auen durch eingesenkte Sumpfbecken, Ausläufer der Pripetsümpfe, er-
setzt. Die Ränder der nicht allzu sumpfigen, wiesenbewachsenen
Becken haben eine ähnliche Beschaffenheit wie die großen Talauen.
Zwischen dem Hochflächensaume und dem Stande des höchsten
Wassers dehnen sich daher auch hier oft Straßendörfer aus.
Im kuppenreichen Osten unseres Gebietes entfällt ein sehr großer
Teil des Gesamtareals auf Täler und Niederungen, die Möglichkeit der
Ortsgründung in Tallage ist sehr groß. Daher liegen die meisten
Zeitschr. d. Gesellsch. f. Erdkunde zu Berlin. 1919. Nr. 1/2. 5
66
B. Brandt
Dörfer hier in den Tälern, während die Hochflächen verhältnismäßig
arm an Ortschaften sind und stellenweise sogar öde erscheinen. Trifft
die Annahme zu, daß die Urheimat der Slawen um den oberen Dnjepr,
also im talreichen östlichen Weißrußland zu suchen sei^), so ist es be-
greiflich, warum das Straßendorf die vorzugsweise benutzte Form der
slawischen Siedlungen geworden ist.
er
c^
aw^Va^a
0 rri e t c t
Abbild. 4. Weitirussische Dorftypen.
a. Straßendorf im Tale, b. Weiierartige Siedlung (litauischer Typus),
c. Weilerartige Siedlung in den Pripetsürapfen.
Die Anordnung der Ortschaften und das Wegenetz lehnen sich an
die Täler an. Von den Tälern aus greift die Rodung auf die benachbar-
ten Hochflächen über. Zunächst stört sie den Zusammenhang der
Walddecke noch nicht erheblich, wie uns der erst im Beginne seiner
Besiedlung stehende Peredielwald zeigt. Meist aber ist dieses Stadium
überschritten. Rodungen verschiedener Größe bilden bald rundliche,
bald mehr rechteckige Lichtungen; oft sind sie ganz unregelmäßig ge-
1) Kaindl. Polen, S. 3.
Beobachtungen und Studien über die Siedlungen in Weißrußland. G7
staltet, weil man auf Talspornen, Hügeln oder sonst weniger brauch-
barem Gelände den Wald stehen ließ. Zwischen benachbarten Tälern
ist er gänzlich verschwunden, während auf breiteren Hochflächen-
strecken beträchtliche Bestände erhalten sind. Diese sind oft unregel-
mäßig gelichtet, zerlappt und in Inseln aufgelöst ; auch enthalten sie
Kahlschläge von Form und Größe der Flurparzcllen (vgl. die Ent-
stehung der Flurexklaven durch Rodung fern vom Dorfe). Zahlreiclie
Rodungen verbuschen wieder. Der Urbarmachung fehlt jedes System;
in augenscheinlich örtlicher und zeitlicher Abstufung, meist von kleinen
Gesichtspunkten aus, hat sie allmählich die ursprüngliche, einförmige
Walddecke in eine vielgestaltige Kulturlandschaft verwandelt, in der
aber noch immer die Natur die Eingriffe des Menschen überwiegt.
Im Westen Weißrußlands und in Podlachien, wo die Hochflächen
flachwelliger und weniger zerschnitten sind, ist das Talareal verhältnis-
mäßig kleiner als im kuppigen Osten. Hier ist der Raum für Sied-
lungen in der Tallage eher erschöpfbar, hier ist die. Notwendigkeit ein-
getreten, auf der Hochfläche talferne Siedlungen zu gründen. Taldörfer
und Hochflächendörfer halten sich in diesem Gebiete das Gleichgewicht.
Wo die Ansiedler in den Tälern keinen Platz mehr fanden, stand
ihnen frei, den Saum des Waldes durch Rodung zurückzuschieben oder
eine Lichtung inmitten des Waldes zu schlagen. Im ersten Falle
schreibt der langgestreckte Waldsaum die Anordnung der Höfe längs
einer parallel laufenden Achse als die zweckmäßigste vor. Es entsteht
wiederum ein Straßendorf, dessen Flur rechtwinklig zu Waldrand und
Dorfstraße verläuft, dessen Gestalt also der unserer Waldhufendörfer
entspricht (Troscianka in Abb. 5a; das Dorfgebiet liegt südwestlich
Grodno). Meist liegen mehrere solcher Dörfer an einer Straße längs
des Waldrandes (Troscianka bis Goliki). Durch Längenwachstum
können die Dörfer verschmelzen. So besteht in der Abbildung Lisji
aus zwei auch äußerlich etwas verschiedenen Gemeinden. In aller-
größtem Maßstabe zeigt eine vielfache Verschmelzung die 25 km lange,
nur wenig unterbrochene Zeile von 18 Dörfern, von der die Abbildung
nur einen Ausschnitt wiedergibt. Nach der Verschmelzung ist eine
weitere Ausdehnung der Dörfer nicht mehr möglich. Reicht infolge
Erschöpfung des Ackers oder stärkerer Vermehrung der Einwohner
Flur und Dorf nicht mehr aus, so wird eine Tochtersiedlung an den
Saum des Waldes vorgeschoben und von ihm aus eine neue Rodung ge-
schlagen. Der Gang der Siedlung in unserem Beispiele ist etwa folgen-
der: Der Waldsaum verläuft ursprünglich in der Linie Nowawola —
Lisji; vor ihm liegt die älteste Dorfreihe Makowljany — Jacowlany.
Dann wird der Saum durch die Tochtersiedlungen Lisji und Nowawola
,, Neufreidorf" erst eingebuchtet und hierauf bis in die Linie Trosci-
5*
QQ B.Brandt:
anka — ^Goliki zurückgeschoben. Die neue Grenze wird von Lisji aus
durch die Gründung von Nowinka, d. h. „Kleine Neurodung", wieder-
um eingebuchtet und dann nach Anlage der Dorfreihe Troscianka —
GoUki in die heute bestehende Linie zurückverlegt. Die Entstehung
einer so langen, fast geschlossenen Dorfreihe wie der äußersten im Bei-
spiele ist indessen ein Sonderfall. Gewöhnlich werden Tochtersied-
lungen schon frühzeitig vorgeschoben, ohne daß es zu einer Verschmel-
zung der Dörfer kommt. Der Waldsaum wird dann von parallelen
(jürteln annähernd gleich großer und gleiche Abstände haltender, regel-
mäßig angelegter Dörfer eingefaßt. Dies ist z. B. am w^estlichen und
südwestlichen Rande des Bjelowiescher Waldes der Fall. Durch
systematische Saumrodung sind dieser Wald und die großen Bestände
zwischen Grodno und Bjelostok schon stark verkleinert worden. Vor
den unaufhaltsam vorrückenden Reihen der Rodungsdörfer zieht sich
die wilde Puszcza zurück wie das Watt vor den mehr und mehr vor-
geschobenen Deichlinien der Marschendörfer; ihm gleich, gibt sie sied-
lungsfeindliches Ödland schrittweise fruchtbringender Kultur preis.
Und wie dort, erhält auch hier das Land den Stempel großartigen, ziel-
bewußten menschlichen Eingreifens, der die Entwaldung überdauert
und nie wieder ausgelöscht werden kann. Durch ihn unterscheidet sich
das östliche Podlachien im Bereiche der genannten Wälder von der
immer noch überwiegend natürlichen Landschaft des Ostens, aber auch
von der des westlichen Podlachiens.
Denn hier ist vorwiegend der andere Weg beschritten worden, der
zur inselförmigen Binnenrodung führt. Die geschlagenen Lichtungen
sind alle mehr oder weniger rundlich. Im Mittelpunkte liegt das Dorf;
strahlig angeordnete Wege ziehen durch die Flur und zerschneiden sie
in keilfönnige Stücke. Die Siedlung selbst ist ursprünglich nur klein;
die wenigen Höfe liegen an beiden Seiten einer kurzen Straße (Abb. 5 b
und folgende). Wächst die Gemeinde, so wird unter erneuter Rodung
die Flurgrenze konzentrisch hinausgeschoben, bis sie die einer benach-
barten Gemarkung berührt. Beide Fluren verschmelzen dann zu einer
achtförmigen Doppellichtung (Abb. 5 e). Wachsen mehrere Dörfer auf
diese Weise aneinander, so schrumpft der zwischen ihnen liegende
Wald auf Restinseln ein (Abb. 5 f).
Ursprünglich ist der Typus des Straßendorfes noch schwach aus-
geprägt, langgestreckte Straßendörfer können sich aber nicht ent-
wickeln. Das konzentrische Wachstum der Lichtung schreibt vielmehr
die Erweiterung der Siedlung nach mehreren Achsen hin vor. Der
nächstliegende Weg führt zur Anlage einer zweiten, erforderlichen-
falls einer dritten parallelen Dorfstraße und zum Ausbau von Quer-
straßen in Anlehnung an das Wegenetz. Wird hierbei regelmäßig mit
rechtwinkliger Anordnung verfahren, so entsteht ein schachbrettartiger
Beobachtungen und Studien über die Siedlungen in Weißrußland.
69
Grundriß (Abb. 5 g). Sonst ergibt sich eine mehr unregelmäßige An-
lage, die bisweilen an die deutschen Haufendörfer erinnert (Abb. 5 h).
Die Binnenrodungen, die wir auch in Deutschland, z. B. aus der
bayerischen Hochebene kennen, haben die Waldungen des westlichen
Podlachiens durchlöchert und zu einem Waldnetze gestaltet. In ein-
Ciinlniii 1
-J 1 1 1 L__L
Abbild. 5. Weißrussische Rodungssiedelungen.
a. Kulturlandschaft der Saumrodung. b bis f. Versdiedene Stadien der Binnenrodung;, g. regelmäßige,
h. unregelmäßige Dorfanlage bei Binnenrodung, i. Kulturlandschaft der Binnenrodung.
70 B. Br a ndt :
zclnen Teilen ist das Land schon bis auf Rcslinseln entwaldet. Im
ganzen aber befindet sich die Rodung- auch hier erst auf halbem Wege.
Die Siedlungen stehen anscheinend in loserer Verbindung miteinander
und erscheinen selbständiger als die des östlichen Podlachiens ; iiir
radiäres Wegenetz dient vorwiegend örtlichen Bedürfnissen. Verfolgt
man indessen die Verbindungsstraßen, so sieht man, daß die Dörfer mit
ziemlich gleichmäßigen Abständen voneinander in einem konzentrisch-
strahligen, von städtischen Mittelpunkten ausgehenden Straßennetze
liegen (z. B. um Drohiczin, Abb. 5 i und um Bjelsk).
Die Binnenrodung erscheint deshalb, wenn sie auch das Land-
schaftsbild nicht so stark anthropomorph beeinflußt wie die Saum-
rodung, nicht minder planvoll als jene. Indem sie sich auf Zentren
stützt und nicht linienförmig, sondern flächcnhaft an vielen Punkten
gleichzeitig beginnt, mithin die Urbarmachung eines größeren Gebietes
sich zum Ziele setzt, ist sie sogar als eine noch mehr fortgeschrittene
Form der Besiedlung anzusehen.
IX. Die Ortsbezeichnungen.
Eine große Anzahl von Ortsbezeichnungen knüpft an das Gelände
an. Es werden die Berge (gora), die Hügel, Kuppen, Ebenen, die
Täler fehl-), ihre breiten Auen (pol, polje) und die tiefen Schluchten des
westrussischen Landrückens in Dorfnamen genannt. Die Flüsse (rzcka)
werden als kiesführend, sandig weiß, strömend, moorig schwarz, träge
und grün bewachsen gekennzeichnet. Fast sämtliche Bäume der west-
russischen Wälder (Ijcs, bor) werden aufgezählt, die Sümpfe (bagito,
boloto) als tief, naß, schlammig und torfmoosbewachsen geschildert.
Beziehungen auf die verschiedenen Bodenarten, die diluvialen
Lehme, Tone, Sande und Kiese enthalten gelegentlich ein Urteil über
ihren wirtschaftlichen Wert (Dobri-pol gutes, Sucho-pol trocken, sandiges
Feld). Häufig sind auch Beziehungen auf Bodenerzeugnisse, Vieh-
zucht, Müllerei, Fischerei, Köhlerei, Pechgewinnung und andere Wirt-
schaftszweige. An den Verkehr knüpfen die zahlreichen Zusammen-
setzungen mit brod Furt und mit most Brücke an. Auch der Woloke
sei hier noch einmal gedacht.
Die Lage des Dorfes wird sehr oft angeführt: Po-rjcschtschc am,
Sa-rjcschtschc hinterm Flusse, Pod-bolotnjc am, Sa-blotjc hinterm Sumpfe;
po-dol- am, na-dol- im Tale; Sa-polc, Sa-poljc hinter einer Ebene, meist
einer Talaue. Gerade die Tallage spiegelt sich häufig im Namen
wieder. Gorki, -Gorni, Pod-gorzc am Berge kennzeichnen die Hoch-
flächenlage, Pod-ljcsje am Walde, die Lage am Waldsaum, Sa-ljcsjc,
Sa-borozv eher die Binnenlage inmitten der Waldung. Sa-mvst und
Sa-brodja sind Flußübergangsorte.
Beobachtungen und Studien über die Siedlungen in Weißrußland. 71
Die vielen mit bor zusammengesetzten Namen finden sich oft im
entwaldeten Gebiete und beweisen so die Rodung-, über die unmittel-
bar in Kartschewa Rodung, Nowina Neuland und im erwähnten Nowinka '
berichtet wird. Die Erschließung sumpfi|;-er Flächen lehren die mit
rozv Graben gebildeten Namen: Rozvki, Sa-rowjc hinterm Graben.
Die gleichzeitig mit der Erschließung der ödländereien einher-
gehende Ausbreitung von Tochtersiedlungen spricht sich in einer Un-
menge paariger Zusätze zum Namen aus : stare und nowe, alt und neu ;
wiclki und vicly, groß und klein. In den parallelen Linien der Saum-
rodungsdörfer zeigen sie oft den Gang der Besiedlung an.
Alle bisher angeführten Namen sind dem Inhalte und der Form
nach einfach. Sie ergeben sich gewissermaßen ganz von selbst. Der
Umstand, daß sie sehr häufig in gleicher Form wiederkehren, beweist,
daß die Gründer und ältesten Bewohner in kleinen Gesichts- und Inter-
essenkreisen ohne w^eitreichende Beziehungen nebeneinander lebten.
Da nun derartige Namen nicht nur für Weißrußland charakteristisch,
sondern in nahezu gleicher Form und Häufigkeit über alle slawischen
und ehemals slawischen Gebiete verstreut sind, so führt uns diese
Methode der Benennung in jene alten Zeiten zurück, in denen die
Slawen noch keinen staatlichen Zusammenhang hatten, sondern als
zahllose kleine, einander noch sehr ähnliche Stämme und Völker-
schaften den Osten Europas erfüllten. Bezeichnenderweise erstreckt
sich die Benennung sehr häufig auf die Tallage.
Den altertümlichen Namen steht eine Gruppe von Ortsbezeich-
nungen gegenüber, die durch immer wiederkehrende stereotype Endun-
gen gekennzeichnet ist {-witschi, -schtschisna, -ischtschc, any und viele
andere). Diese Namen sind nicht von selbst entstanden, sondern künst-
lich geprägt. Sie sind außerdem nicht gemeinslawisch ; die Endungen
sind vielmehr gruppenweise Nationalgut je eines der westrussischen
Völker: -ischki ist litauisch, -icsc, -scycc, -zvicc sind polnisch, -witschi,
-schtschisna russisch. Die so benannten Ortschaften werden in der
Hauptsache erst gegründet worden sein, nachdem die Slawen sich in
die heute vorhandenen Völker differenziert hatten. Ein Teil der
Namen knüpft zwar noch an Erscheinungen der Landschaft an (Gorc-
witschi, Bor-atin), viele aber sind mit Personennamen verbunden
(Michalozvschtschisna). Das weist auf Gründung unter Führung
einzelner und auf Kolonisation hin. Kaum ein Name dieser Art kehrt
zum zweiten Male wieder; der vergrößerte Gesichtskreis der Siedler
und die staatliche Zusammenfassung haben die Anwendung des
gleichen Namens auf mehrere Ortschaften verhindert.
Gewähren uns also die einfachen Namen einen Blick in die älteren
Zeiten, wo Ljachen und Kriwitschen die Täler besiedelten, so leiten
72 B. B r a n d t :
die geprägten in die neueren über, in denen der Staat die planvolle
Kolonisation der weiten üdländereien in die Hand genommen oder
unterstützt hat. Den deutschen Anteil hieran halten einige deutsche
und ein paar hinweisende (^heimische Ortsnamen fest : Güntherswald,
Rothenau, Neudorf; Gcrmanozvitschi, Gjermanischki, Kwiaewitschi.
Auch die geschichtlichen Einwirkungen, die die Entwicklung des
Landes vielfach beeinflußten, haben Spuren im Namensschatze hinter-
lassen. An die Einfälle mongolischer Völker erinnern turktatarische
Namen : Kara-Kule Schwarzturm, Maidan Platz, und solche, die auf
den fremden Volkssplitter hinweisen : Tatar owschtischisna. Die litauische
Herrschaft hat die schwindenden mit -Litowsk zusammengesetzten Be-
zeichnungen hinterlassen, während die polnische Invasion mit zahl-
reichen Namen von polnischer Form und Inhalt überschwemmt hat.
Der russische Einfluß beschränkt sich im wesentlichen auf die Russi-
fizierung polnischer (IVilna für IVilno) und die Rcrussifikation der von
den Polen und Litauern veränderten alten weißrussischen Namens-
formen : Nowogrudok, N owogrudok-Litozvsk , Nowogrodck, Nozvogrudok.
X. Städtetypen.
Die weißrussische Stadt. Eine der einfachsten und
kleinsten städtischen Siedlungen, Mieleczyce in Podlachien, zieht sich
einem Dorfe gleich, einer Talaue entlang. An der Hauptstraße liegen
Bauernhöfe, um den Ort herum eine Feldflur. Doch weisen ein paar
Steinhäuser, mehrere Kirchen und einige Läden auf städtisches Leben
hin. Mieleczyce ist nicht mehr Dorf und noch nicht Stadt. In einem
etwas größeren Orte, wie in Korelitschi nahe Nowogrodek, ist der
Marktplatz zu einem gepflasterten Rechteck herangewachsen. Zur
Hauptstraße ist eine zweite, parallele getreten; in der Nähe des Marktes
ist alles ländliche Wesen vollständig verschwunden, und nur am Saume
des Städtchens bemerkt man noch Bauernhöfe. Sah man in Mieleczyce
vorwiegend Landvolk, so beherrscht hier der Jude das Bild. Die
Synagoge tritt zu den Kirchen, fällt aber gleich ihnen unter größeren
öffentlichen und privaten Bauten weniger auf als im ländlichen
Mieleczyce. Dieses abgestufte Nebeneinander ländlicher und städti-
scher Bevölkerung, das Schwanken des Siedlungsbildes zwischen den
Extremen Dorf und rein städtischer Niederlassung ist das Hauptmerk-
mal der meisten kleinen Städte Weißrußlands. Und nicht nur Weiß-
rußlands allein, denn ähnliche Städtebilder finden sich auch in Polen,
Litauen und in der Ukraina. Sie veranschaulichen den einfachsten
Städtetypus des slawischen Ostens überhaupt, die nicht planmäßig ge-
gründete, sondern aus dem Dorfc herausgewachsene Stadt.
Wie im Deutschen die Worte Berg, bergen und Burg sprachlich und
Beobachtungen und Studien über die Siedlungen in Weißrußland. 73
inhaltlich verwandt sind, so in den slawischen Sprachen Gora (Berg),
Ogrod (Garten, d. h. ein durch Umfriedigung geborgener Ort) und Gorod
(Burg). Gorod heißen die ältesten städtischen Siedlungen in den
Slawenländern; die Geschichte lehrt sie uns kennen als Plätze,
die durch Erdwälle oder Verhaue umfriedigt, anfangs nicht dauernd be-
wohnt wurden, sondern nur gelegentlich als Zufluchtsstätten dienten.
Wie im alten Slawengebiete Norddeutschlands, finden sich auch in
Weißrußland aus Erde aufgeworfene Ringwällc, meist unmittelbar
neben einer Stadt oder doch in ihre Nähe gelegen. Einer der schönsten
ist der Ringwall bei Olschany am Südrande der litauischen Seenplatte,
ein weithin sichtbarer, einem isolierten Hochflächenvorsprunge auf-
gesetzter, nur durch die trennende Schlucht zugänglicher Wall von der
Größe des bekannten wendischen Ringwalles im Spreewalde. Er
konnte einer kleineren Zahl von Menschen mit ihrem Vieh hinreichen-
den Schlitz gewähren, wenn der Angreifer über nur wenig entwickelte
Kriegsmittel verfügte. Da im späteren Mittelalter in Weißrußland wie
in Polen feste Burgen in Gebrauch waren, so darf der Wall als eine
sehr alte Befestigung, als einer der Gorod der ältesten Bewohner an-
gesehen werden^).
Ringwälle verschiedener Erhaltung finden sich in Nowogrodek am
Rande eines Plateaus, bei Gorodischtsche auf einer Insel inmitten der
Talaue, bei Traby und Sjelwa auf hohem Ufer, überall also an einer
schon von der Natur geschützten Stelle.
Die im Schutze der Ringwälle gelegenen Dörfer, die sicher schon
in den ältesten Zeiten eine bevorzugte Stellung eingenommen haben,
entwickelten sich zu Städten. Sie tragen heute das Gepräge späterer
Zeiten; stellen wir uns aber einen dorfähnlichen Flecken wie Mieleczyce
im Schutze eines Erdwalles vor, so dürfte sich dieses Bild von dem
der älteren weißrussischen Stadt wenig entfernen.
Die litauische Stadt. Die bedeutenderen Städte besitzen
zum Teil mehr oder weniger umfangreiche Reste mittelalterlicher
Burgen oder, wie Lokalnamen — Burgstraße, Burg^ald — beweisen,
doch die Erinnerung daran. In Grodno liegt die heute noch benutzte
Burg über der steil zur Memel abstürzenden Uferwand. In Nowo-
grodek krönen die Trümmer zweier mächtiger Backsteintürme den
Rand eines umwallten Plateaus. Lida und Mir besitzen gut'erhaltene
Burgen, die an bzw. in einer Talauc liegen und einst Wasserburgen
1) Den überlieferten Zahlen der Gorod im westlichen Rußland (vgl. Meitzen.
a. a. O., 11, S. 233, und die dort angeführten Quellen) entspricht die kleine Zahl der
Ringwälle bei weitem nicht. Es muß daher angenommen werden, daß solche
mühevollen Erdwerke der seltenere Modus der Befestigung war und daß man sich
gewöhnlich mit vergänglichen Schutzbauten wie Verhauen begnügte.
74 B. B r a n d t :
waren. Die durch einen litauischen Fürsten g-egründete Lidaer Burg
ist ein unten aus Findlingen, oben aus Backsteinen aufgeführtes
Mauerviereck mit Resten eines Wehrganges, im ganzen von nord-
deutschem Gepräge. Mir, die besterhaltene und merkwürdigste Burg
Weißrußlands, gleichfalls ein Viereck von mehr als loo m Seitenlänge,
unterbrochen von fünf hohen Türmen, zeigt noch deutlicher die Formen
des norddeutschen Backsteinbaustiles und weist auf Einflüsse des
Deutschen Ordens hin. Die Städte liegen, wie es auch bei den Ring-
wällen der Fall war, neben, im' Schutze der Befestigung; sie waren
selbst nicht ummauert, vermutlich weil sie im Mittelalter viel zu un-
bedeutend waren, um sich einen so kostspieligen Schutz zu leisten.
Nur das stets bedeutende Grodno macht eine Ausnahme; es verrät
seinen ehemaligen Mauerschutz noch deutlich in seinem, dem mancher
norddeutschen Stadt ähnlichen Grundrisse. Die übrigen Städte
konnten, frei vom Zwange des Mauerringes, individuelle Grundrisse
entwickeln, die sich deutlich von den planmäßig angelegten Kolonial-
städten und von den modernen Neugründungen unterscheiden.
Der Burgenbau fällt in die litauische Geschichtsperiode Weiß-
rußlands. In der alten weißrussischen Stadt Nowogrodek steht die
litauische Burg innerhalb eines älteren Ringwalles, und ähnlich ist es
bei anderen Städten. Das zeigt, daß die Litauer, als sie Weißrußland
besetzten, an das Vorhandene anknüpften, daß sie sich der im Schutze
der Erdwälle erblühten weißrussischen Städte als Stützpunkte ihrer
Herrschaft bedienten und daß sie die slawischen Gorod in zeitgemäße
Befestigungen nach norddeutschem Muster verwandelten. Die Burg,
allenfalls noch eine Backsteinkirche, bildeten einen deutschen Zug in
dem im übrigen wegen des vorherrschenden Holzbaues durchaus
slawischen Städtebilde i).
Im Straßennetze Weißrußlands lassen sich die alten Straßenzüge
deutlich von den neueren unterscheiden. Es sind sehr breite, jeder
Verbesserung bare, bald staubige, bald tiefmorastige Wege, die auf
den Geländefall keine Rücksicht nehmen und nur Sümpfen aus dem
Wege gehen. Ein solcher Straßenzug führt vor Minsk südlich an den
Beresinasümpfen vorbei über Mir nach Nowogrodek, überschreitet an
einer günstigen, sumpffreien Fährenstelle die Memel und endet bei
Grodno. Ein zweiter vor Minsk ausgehender Trakt umgeht die
Beresinasümpfe nördlich, berührt Lida und vereinigt sich mit dem
erstgenannten. Eine dritte Straße zieiit von Sluzk am Nordrande der
') Der grundbesitzende Adel erlangte in Weißrußland erst während der polnischen
Periode seine große Macht, also zu einer Zeit, in der Burgen wertlos geworden waren.
Daher findet man in Weißrußland im Gegensatze zu den polnischen Ländern keine
oder nur wenige Adelsburgen.
Beobachtungen und Studien über die Siedlungen in Weißrußland. 75
Pripetsümpfc über Slonim nach Wolkowyschk und Bjelostok. Diese
Straßen, durch ähnlich beschaffene nordsüdliche verbunden, knüpfen
alte weißrussische Städte aneinander und dienen vorwiegend westöst-
lichen, also weißrussischen Verkehrsbedürfnissen. Sie werden ge-
kreuzt durch lange nordsüdliche Straßenzüge, die tief in Litauen be-
ginnen und bis nach Podlachien verfolgbar sind (Wilna — Lida —
Wolkowyschk — Litauisch-Brest und Kowno — Grodno — Wolkowyschk
— Litauisch-Kamieniec — Litauisch- Wysoko — Litauisch-Brcst). Diese
vorwiegend litauischen Verkehrsbedürfnissen dienenden Straßen sind
jüngere, dem weißrussischen Straßennetze hinzugefügte Maschen.
Die polnische Stadt. An der Stelle, wo unterhalb Brest-
Litowsk der Bug eine mehr nördliche Richtung einschlägt, ermöglichen
angehäufte Talsande einen bequemen Übergang, einen Zugang von
Polen nach dem sonst so scharf abgegrenzten Weißrußland. Oberhalb
der Brückenstelle liegt Drohiczin. Vom Flusse aus gesehen krönt es
den Rand eines 40 m hohen Steilufers, welches mit dem Bug und seiner
sehr breiten sumpfigen Niederung einen natürlichen Schutz gewährt.
Oben, auf der ebenen Hochfläche, verschwindet die Eigenart der Lage
völlig; dafür aber fesseln ungewöhnlich umfangreiche und hohe Ge-
bäude den Blick, bedeutende Kirchen- und Klosterbauten im barocken
Stile des 17. Jahrhunderts. Sie liegen um einen sehr großen, vier-
eckigen Marktplatz verstreut, der den Mittelpunkt des regelmäßigen
Stadtplanes und den Ausgangspunkt des radiär-konzentrischen Straßen-
netzes bildet, welches die podlachischen Rodungdörfer verbindet.
Nahe Drohiczin liegt ein verkehrsreicherer Ort, Siemiatycze,
gleichfalls ein Ausgangspunkt ausstrahlender Straßen. Die Stadt ist
aus rechteckigen Häuserblöcken zusammengesetzt und wird von recht-
winklig angeordneten Straßen zerschnitten. Fast ein Drittel der An-
lage nimmt der riesige Marktplatz ein, in dessen Mitte ein steinerner,
zweistöckiger Kaufhof von beträchtlichen Maßen steht. Unfern davon
erhebt sich eine sehr große, barocke Kirche, verbunden mit einem
prächtigen Palaste, der mit vielfacher Pfeilergliederung, verkropftcn
Gesimsen und zierlich geschweiften Fronten sich aus Warschau oder
Krakau in die podlachischen Wälder verirrt zu haben scheint. Den
genannten Städten ähnelt das benachbarte Bjelsk, wenn es auch nicht
so großartige Bauwerke besitzt. Der an eine lange Hauptstraße ge-
lehnte Marktplatz mit dem freistehenden Rathause und seinem von einer
leichten Haube gekrönten Uhrturme erinnert an kleine deutsche Städte.
Alle drei Orte weisen die wesentlichen Eigenschaften der polni-
schen Stadt auf: Der Stadtplan ist im Gegensatze zu dem individuellen
der aus Dörfern frei entwickelten weißrussischen Städte planvoll, das
in Nordostdeutschland übliche Kolonialschema. Mit ihm drangen auch
76 B. Brand t:
zahlreiche andere Züge deutschen Städtewesens in den slawischen
Orten ein, darunter das Rathaus. Überall haben die Polen die Städte
Weißrußlands mit Kirchen und Klöstern geschmückt, Kennzeichen
einer machtvollen Propagandatätigkeit der römischen Kirche im
orthodoxen Lande. Insbesondere ist Drohiczin mit seinem Reichtum
kirchlicher Bauwerke auch in dieser Hinsicht als Stützpunkt anzusehen.
Die Polen machten sich den Steinbau in den Städten unter
deutschem Einflüsse früher und in größerem Umfange zu eigen, als die
anderen slawischen Völker und verbreiteten ihn auch in Weißrußland.
Wären die weißrussischen Städte länger litauisch geblieben, so sähen
wir in ihnen wahrscheinlich Fluchten schmaler, ungeputzter Giebel-
fronten, wie in den norddeutschen Städten. Da das Polentum aber
kulturell mehr im Südwesten wurzelt, lösten Einflüsse von dort die
älteren norddeutschen ab. Es breiteten sich jene langgestreckten
Fassaden in ausgesprochenen oder angedeuteten Renaissance- und
Barockformen mit heller Tünchung aus, die heute den Städten ihr
Gepräge verleihen. Selbst wo Holz benutzt wird, wird die Schauseite
steinmäßig bearbeitet und getüncht.
Durch Ausdehnung ihres Städtebauwesens auf Weißrußland haben
die Polen die dortigen bedeutenderen Städte den altpolnischen ange-
glichen, sie dadurch aber auch in einen bemerkenswerten Gegensatz
zu den kleineren Landstädten gebracht.
Die Entwicklung des Straßennetzes, welche der Kolonisation Pod-
lachiens parallel ging, ist früher -besprochen worden. Polnische
Straßen haben das weißrussisch-litauische Netz vor allem in seinem
westlichen Abschnitte verdichtet.
Die russische Stadt. Die Bedeutung Drohiczins, die wir
aus seinen Bauwerken folgern, der Verkehr, den der weite Markt an-
zeigt, gehören vergangenen Zeiten an. Heute ist der Ort menschen-
arm und unbedeutend. Kirchen und Klöster sind leer und fensterlos,
manches Gewölbe ist eingestürzt; aus den Fenstern des Klosters hoch
über dem Bug wächst Buschwerk heraus, das entblößte, faulende
Dachgespärr wird vom Winde zerrissen. Von der einst zahlreichen
Geistlichkeit ist nur ein einziger Pfarrer übrig geblieben ; eine zwischen
den Ruinen stehende, bescheidene Kaj)clle allein dient zum Gottes-
dienst der kleinen Gemeinde. Ein für Mitteleuropa ungew^öhnliches
Bild von Blüte und Verfall, "das an den Orient erinnert. Neben den
Ruinen aber erhebt sich ein fremdartiger, sauber getünchter Monumental-
bau mit bunter Bedachung und leuchtenden Kui)peln, der orthodoxe
Sobbor, den wir auf Wege nach Osten überall wiederfinden. Drohiczin
ist ein großartiges Denkmal des jahrhundertealten Kampfes zwischen
der römischen und der griechischen Kirche, zwischen Polen und Ruß-
land, zwischen westlicher und östlicher Gesittung überhaupt. In
Beobachtungen und Studien über die Siedlungen ift Weißrußland. 77
weniger drastischer Weise ist der letzte Triumph des Sobbor über die
Kirche ein sinnfäUiges Merkmal aller weißrussischen Städte geworden.
Überall sehen wir polnische Klöster in Verfall oder in russische
Kasernen und Magazine verwandelt, überall auf enteignete römisch-
barocke Kirchen — ein seltsam barbarischer Anblick — bunte Kuppeln
und das byzantinische Doppelkreuz gepflanzt. Durch Jahrzehnte hin-
durch ist mit Fleiß daran gearbeitet worden, den Städten einen Hauch
Moskaus zu verleihen.
Positives leistete die russische Herrschaft durch die Neugestaltung
des Straßen-, durch die Schöpfung des Eisenbahnnetzes. Durch die
Angliederung des Landes änderten sich die Verkehrsbedingungen.
Mehr denn je wurde Weißrußland peripherisches Glied eines großen
Länderraumes. Früher das Ziel westöstlichen Verkehrs, wurde es
jetzt ein Durchgangsland, welches Rußland mit seiner Westgrenze und
mit Mitteleuropa verbindet. Diese Tatsache und militärische Gesichts-
punkte, nicht die Bedürfnisse des Landes, leiteten die planvollen und
energisch durchgeführten neuen Anlagen. Nur ein Teil des alten
Straßennetzes wurde zeitgemäß ausgebaut, während der andere ver-
ödete. Eine neue, großzügig angelegte Straße, die Moskauer Heer-
straße, zieht ganz im Süden, schon im Saume der Pripetsümpfe, weitab
von den alten Städten vorbei. Auch die Bahnen ließen alte Städte ab-
seits liegen (Drohiczin, Nowogrodek, Pinsk) ; andere wurden mehr
durch Zufall als durch Absicht Bahnstation (Wolkowyschk) ; einige
wurden auch Hauptknotenpunkte (Lida, Grodno, Bjelostok). Der neue
Verkehr griflf also in die bis dahin gleichmäßige Entwicklung der
größeren Städte ein. Hier förderte er, dort wirkte er lähmend auf das
Wachstum, konservierend auf das alte Stadtbild (so auf das etw^a
30 km abseits der Bahn liegende Nowogrodek). In wichtigen Knoten-
punkten aber entstanden vollkommen neue Städte rein russischen Ge-
präges. Eine neue russische Stadt Brest erstand, die den Beinamen
des litauischen nicht mehr verdient.
In einer sandig-sumpfigen Ebene erwuchs Baranowitschi, der
Knotenpvinkt von fünf Schienensträngen. Nähert man sich der Stadt,
so fallen in dem öden, siedlungsarmen Gelände zuerst Reihen von
Güterschuppen, eiserne Brücken, Wassertürme u. dgl. auf. In großem
Bogen nähert sich der Zug einem sich immer mehr verdichtenden Netz
von Gleisen mit Kreuzungen und Überführungen. Zwischen mächtigen,
zum Teil kahlen, noch nicht in Benutzung genommenen Bahndämmen
und frischen Ausschachtungen geht es weiter zur riesigen Steinrampe,
einer umfangreichen, doch noch unfertigen Bahnanlage. An schwinden-
den Kiefernwäldern, Maschinenschuppen und Rangiergleisen vorbei,
führt eine schattenlose, staubige Straße zu der 2 km entfernten Stadt.
Hart an der Bahn sieht man die Reste des Dorfes und Gutes Barano-
78 B. B r a n d t : Beobachtungen und Studien über die Siedlungen in Weißrußland.
wilschi, das der seit einem halben Jahrhundert aus dem Nichts aufge-
schossenen Neugründung den Namen gegeben hat. Der Teil, in den
man zuerst eintritt, ist streng rechtwinklig, schematisch wie eine
amerikanische Stadt angelegt; ein Viereck ist als Markt ausgespart.
Die breiten Straßen sind meist ungcpflastert, aber zur Vermeidung des
tiefen Staubes oder Morastes mit hölzernen Bürgersteigen versehen.
Die Häuser sind aus Holz, weitläufig und niedrig gebaut. Zwischen
ihnen erheben sich einige Fabrikgebäude. Die Hauptstraße .ist ge-
pflastert; neben elenden Hütten stehen hohe, in Hast gemauerte Back-
steinhäuser, die lediglich nach dem Gesichtspunkte der Nützlichkeit
und Billigkeit aufgeführt erscheinen. Schmutzige Verkaufsstände
wechseln mit anspruchsvollen Kaufhäusern von dürftiger Scheinaus-
stattung. In ihnen liegen minderwertiger Ausschuß fremder In-
dustrien, Modewaren, unechte Juwelen und andere billige, doch nicht
wohlfeile Luxusgegenstände zum Kaufe aus. Dieser vorwiegend von
Juden bewohnte, sichtlich rasch aufgeschossene, unfertige Stadtteil ist
gleichwohl schon zur ,, Altstadt" geworden (Stary-Baranowitschi). Von
ihr aus schieben sich jüngere, ähnliche Stadtteile in das wüstliegende,
steppenartige Gelände vor: das ,, Lager Baranowitschi", eine besondere,
gleichfalls rechteckig angelegte Stadt, in der Baracken und Kasernen
die Häuser, ein Exerzierplatz den Markt vertritt. Mit den nördlich der
Bahn gelegenen, weitläufigen Magazinen und dem nahen, durch die
einzige Kunststraße verbundenen Skobjeljew-Lager veranschaulicht
dieser Stadtteil die militärische Bedeutung Baranowitschis, welche der
der Lage im Eisenbahnnetze folgte. Die nur von Russen bewohnte
,, Neustadt" endlich (Nowy-Baranowitschi), besteht aus einigen fächer-
förmig angeordneten, baumbestandenen Straßen, deren gartenumgebene
Blockhäuser sich durch farbigen Anstrich, Wohnlichkeit und freund-
lichen Anblick vorteilhaft von den meisten Wohnhäusern der Juden
und Polen unterscheiden.
Der russischen Stadt könnte man als letzten Typus die früher ge-
schilderte kleine Landstadt als die jüdische bzw. tatarische anreihen.
Hierbei zeigt sich noch einmal ganz besonders, daß alle hier be-
schriebenen Typen nicht in reiner Form vorkommen, sondern daß je
nach Geschichte, herrschender Bevölkerung und überwiegendem
Kultureinflusse bald der eine, bald der andere Typ in den Vordergrund
tritt. Dieses abgestufte Zusammenwirken gestaltet die Städtebilder
Weißrußlands mannigfaltig und eingehender Beachtung wert.
Anmerkung. Der vorliegende Aufsatz wurde von der Schriftleitung der
Zeitschrift zur Veröffentlichung angenommen und auf Ersuchen des Autors der Landes-
kundlichen Kommission beim Generalgouvernement Warschau zur Aufnahme in Reihe C
der „Beiträge zur Polnischen Landeskunde" zur Verfügung gestellt.
Kleine Mitteilungen. * 79
KLEINE MITTEILUNGEN.
Europa.
Deutsche, Polen und Kassuben in Westpreußen und Posen. Wir
legen unserm Hefte ein Kärtchen über die Verteilung der Deutschen,
Polen und Kassuben in Westpreußen und Posen bei, welches nach
ähnHcher Methode wie die S. io8 erwähnte große Spraclienkarte die
Verbreitung der in genannten Provinzen gesprochenen Sprachen wieder-
gibt. Es werden hier je 5000 Bewohner durch einen kleinen Kreis
wiedergegeben, dessen Farbe ihre Nationalität anzeigt. Die kleinen
Kreise sind so gruppiert, daß eine der Einwohnerzahl entsprechende
Zahl auf jeden politischen Kreis kommt. Hier sind sie so gestellt, wie
es ungefähr den Nationalitäten entspricht. So kommt einerseits zum
Ausdruck, wne verschieden dicht die Bevölkerung in einzelnen Teilen
der Provinz ist, wie dünn namentlich das überwiegend polnische Gebiet
links der Weichsel besiedelt ist, während die von Deutschen ein-
genommenen Gebiete Westpreußens sehr dicht bewohnt sind. Deutlich
heben sich die überwiegend. und rein deutschen von den überwiegend
polnischen Gebietsteilen ab, und es zeigt sich, daß es ein zusammen-
hängendes, rein polnisches Sprachgebiet nirgends gibt. Ferner hebt
sich der Streifen mit überwiegend deutscher Bevölkerung an der Warthe,
Netze und Weichsel als deutsche Brücke scharf hervor. Während die
kleinen Kreise der Karte lediglich geographisch gruppierte Einwohner-
zahlen sind und sich nicht an bestimmte Orte knüpfen, entsprechen
die größeren Kreise nach Lage und Größe den Städten mit mehr als
25 000 Einwohnern, und es ist der Anteil der Deutschen und Polen
an ihrer Bevölkerung durch farbige Sektoren veranschaulicht. Man
sieht, daß in den mittleren und größeren Städten das deutsche Element
entweder vorwiegt oder wenigstens sehr ansehnlich ist. Kassuben
spielen in ihnen keine nennenswerte Rolle. .4. Penck.
Die erdmagnetische Deklination in Deutschland. In den geo-
graphischen Lehrbüchern finden sich leider keine Angaben über die
Werte der magnetischen Deklination in den verschiedenen Gegenden
Deutschlands. Es dürften deshalb einige Angaben darüber willkommen
sein. Zu Beginn des Jahres 1919 hatte die mittlere westliche Dekli-
nation folgende Werte:
Aachen 11° 16' Braunschweig ... 9° 2' Posen 5° 37'
Köln 10° 49' München 8° 15' Gleiwitz 4° 52'
Straßburg 10° 14' Berlin 7° 32' Danzig 4° 45'
Frankfurt a. M. . . 9° 51' Dresden 7° 32' Königsberg .... 3° 20'
Hamburg 9° 14' Breslau 5° 40' Goldap 1° 34'
O. Baschiti.
Amerika.
0 Die Expedition Robert J. Flahertys nach den Belcher-Inseln und
der Ungava- Halbinsel hat Teile Kanadas, die bisher noch gänzlich
gQ Kleine Mitteilungen.
unbekannt gewesen waren, aufgesucht und von ihnen eine höchst an-
schauHche Schilderung entworfen. Die Kenntnis von der Existenz der
Belcher-Inseln, einer Inselgruppe, die der Ostküste der Hudson-Bucht
vorgelagert ist, geht schon um 300 Jahre zurück. Sie beruht aber
nicht auf Reiseberichten, sondern auf Aussagen von Eskimos, die auch,
wie Flaherty feststellt, eine überraschend gute Karte der Inselgruppe
hatten. R. J. Flaherty ist der erste Forscher, der die Inseln betreten
hat. Nach mehreren vergeblichen Versuchen 191 1 und 1912, von der
Ostküste der Hudson-Bucht aus die Inseln zu erreichen, gelang ein
kurzer erster Besuch im Jahre 191 3, dem ein längerer einjähriger Auf-
enthalt 1914/ 15 folgte.
Die Belcher-Inseln bestehen aus vier großen und mehreren kleinen
Inseln. Sie bedecken bei einer größten Längenerstreckung von 170 km
und einer maximalen Breite von 100 km ein Areal von rund 13 ooo qkm.
Auf den Seekarten erschienen sie bisher als kleine Inseln, von denen
die größte nicht mehr als 13 km Länge hat. Sie bauen sich aus typi-
schem Animikian-Gestein auf, d. h. aus Eruptivgesteinen, roten Schiefern
und Mergeln, gelben Quarziten und weiß-grauen Kalken, die sämtlich
wie die Inseln NNE streichen. Die Sedimente sind gefaltet. Ihr Fallen
schwankt zwischen 5° und 50°. Fast der dritte Teil der Belcher-Inseln
besteht aus dem Eruptivgestein, einem Diabas, der die Hügelgruppen
autbaut, während die gefalteten Sedimente keine steilen Hügelketten
bilden. Ihr Gepräge haben die Inseln durch die Eiszeit erhalten. Rund-
höcker, zahllose Seen von wenigen Metern Durchmesser bis zu dem
großen, schönen Kasegaleek-See, der eine Länge von etwa 70 km und
eine mittlere Breite von 13 km besitzt, kennzeichnen die Inseln als
einen Teil des laurentischen Landes. Eine Bodenkrume ist nur in den
Tälern vorhanden, während die Erhebungen gänzlich frei davon sind.
Die kleinen Seen sind im allgemeinen seicht und frieren teilweise bis
zum Boden hin durch. Der Kasegaleek-See soll dagegen nach den
Aussagen Eingeborener größere Tiefen besitzen. Er liegt etwa 15 m
über dem Meeresspiegel. Er zerfällt in mehrere breitere, offene Flächen,
die durch schmale, flußartige Strecken miteinander verbunden sind.
Namentlich der südliche Teil des Sees ist inselreich. Inseln sind aber
auch der Westküste vorgelagert, die sich nicht besonders steil empor-
hebt. Bei weitem steiler steigt die Ostküste des Kasegaleek an. Schroffe,
im Mittel 50 m hohe Diabashügel, die in Kliffen zum Seespiegel hin
abbrechen, begleiten sie in ihrer ganzen Länge. Der Abfluß, der den
See im SW verläßt, ist kurz (18 km), besitzt aber seenartige Erweite-
rungen,, die durch schnellenreiche, engere Laufstrecken verbunden
werden. An der Mündung erreicht er eine Breite von 70 m und eine
mittlere Tiefe von iV2"^- Die Belcher-Inseln sind reich und tief gebuchtet
und werden durch schmale Sunde voneinander getrennt. Sie besitzen
mehrere gute Häfen, die gewöhnlich in der ersten Juliwoche eisfrei
werden. Das Klima der Inseln weicht, wie gleichzeitige Beobachtungen
auf den Inseln und an der Mündung des Großen Walfisch-Flusses an
der Westküste Labradors zeigen, beträchtlich von dem des Festlandes
ab. Die Temperaturen sind höher und gleichmäßiger. Während die
Temperaturen auf den Belcher-Inseln 1914 erst nach dem 2. Januar
unter 0° sanken, hatte die Festlandsstation in der gleichen Zeit
Kleine Mitteilungen. 81
eine mittlere Temperatur, die unter dem Nullpunkt lag. Es wurden
hier sogar — 30*^ gemessen. Im Februar betrug das Minimum der
mittleren Monatstemperatur auf den Inseln — ^19°; etwas wärmer war
der Januar, — 16°, beträchtlich wärmer der März, — 9°. Ende Mai
begann sich warmes Sommerwetter einzustellen. Weit stärker ist aber
die Bewölkung und Nebelbildung auf den Inseln als wie auf dem Fest-
land, und ebenso sind dort stärkere, aber auch konstanter wehende Winde
die Regel, die im allgemeinen aus SSE kommen. Die Pflanzenwelt ist typisch
subarktisch: Weiße und graue Flechten, Moose, die niedrige nordische Weide,
Zwergbirken usw. sind ihre charakteristischen Vertreter. Im Frühsommer
bedecken blühende, farbenprächtige Anemonen große Teile der Täler
mit einem leuchtenden Blütenteppich. Mehr arktisches Gepräge besitzt
die Tierwelt der Inseln. Die größeren Tiere, wie schwarze Bären, Biber,
Wölfe, Ottern, Marder, Hermeline usw., die das Festland aufweist, sind
den Inseln fremd. Dafür sind Füchse, namentlich Eisfüchse, und See-
hunde häufig. Caribus, die früher die Inseln aufgesucht haben, kommen
auf ihren Wanderungen nicht mehr so weit nach Norden hinauf und
fehlen heute ganz. Zuweilen finden Eisbären im Winter den Weg über
das Eis der Hudson-Bucht zu den Inseln. Walrosse sind während der
warmen Jahreszeit in den Buchten der nördlichen Inseln häufig und auch
der Weißwal ist nicht selten. Reich vertreten ist die Vogelwelt; vor allem
sind es die Seevögel: Enten verschiedener Art, vor allem Eiderenten,
ferner Taucher, Kanadische Gans usw. haben auf den Inseln ihre Brut-
plätze und bilden eine willkommene Beute der Eskimos. Diese Eskimos
gehören zwei verschiedenen Stämmen an, die aber im wesentlichen ein-
ander sehr ähnlich sind. Gering an Zahl sind die ,, Insulaner", die
Kittoktangmiuts, die aus fünf Familien bestehen. Eiwas größer ist die
Zahl der eingewanderten festländischen Eskimos, der Ifimimiut (20 Fa-
milien). Sie leben von der Jagd und dem Fischfang und stehen im
Handelsverkehr mit den Handelsniederlassungen der Hudson-Bai-Gesell-
schaft, der sie namentlich Pelze bringen.
Die ungünstigen Eisverhältnisse, die die ersten Versuche Flahertys,
nach den Belcher-Inseln zu gelangen, vereitelten, veranlaBten den Forscher,
die Zwischenzeit zu einer Durchquerung der Ungava-Halbinsel zu be-
nutzen, die die Nordspitze Labradors zwischen der Hudson- und der
Ungava-Bucht darstellt und bisher auch nur in der Hauptsache längs
der Küsten namentlich durch Low bekannt geworden war. Die Reise
ging von der Mündung des Weißen Walfisch-Flusses an der Hudson-
Bucht zum Leaf-Golf an der Ungava-Bucht. Bis zum Minto-See folgte
Flaherty der Route Lows, der i8y8 den See entdeckt, aber nicht völlig
gequert hatte, und von da aus dem Leaf-Fluß bis zu der Küste der
Ungava-Bucht. In Ft. Chimo, das etwas weiter im Süden an der
Mündung des Koksoak-Flusses liegt, wurde eine kurze Rast gehalten.
Von da aus fuhr Flaherty längs der Küste nach Norden zur Mündung
des Payne Flusses, dem er zunächst aufwärts folgt, um dann seinen von
Nordwesten kommenden Nebenfluß bis zu der Wasserscheide zwischen
der Hudson- und der Ungava-Bucht aufwärts zu gehen. Der Povungnituk-
Fluß führte ihn alsdann abwärts zu der gleichnamigen Bucht an der
Westküste Labradors.
Im allgemeinen ist die Ungava-Halbinsel ein unwirtliches Land,
Zeitschr. d. Gesell.-ch. f. Erdkunde 7.\x Berlin. 1019. Xr. 1/2. 6
32 Kleine Mitteilungen.
das selbst im Sommer nicht völlig schneefrei wird. Sein typisches
Gepräge hat es durch die Eiszeit erhalten: Zahlreiche Seen, Rundhöcker,
erratische Blöcke verdanken ihr Dasein zumeist der bodcngestaltenden
Tätigkeit der diluvialen Inlandeismassen. Zwischen dem Großen und
dem Weißen Walfisch-Flusse Hegt die Wasserscheide zwischen der
Hudson- und der Ungava-Bucht dicht an der Küste der ersteren Bai,
eine schroff aufragende, im Maximum 350 m Höhe erreichende, baum-
lose Granitkette, in deren Täler zahlreiche Seen eingebettet sind. Nach
Osten hin dacht sich die Wasserscheide allmählich ab und geht in eine
weite, sanftwellige, baumlose, von einzelnen niedrigen Büschen bedeckte
Ebene über, die von zahllosen erratischen Blöcken bestreut ist. An
dem Seehund- und fischreichen Minto-See, der die beträchtliche Länge von
fast 200 km besitzt, hat das aus Granit und Gneis bestehende Gelände
noch eine mittlere Höhe von 35 bis 60 m, eine maximale von 140 m.
Die Baumgrenze verläuft an der Nordseite des Sees. Die Bäume sind
im Süden derselben nur ganz vereinzelt, oft nur alle 5 bis lO km in
den Tälern zu finden. In breitem, sich allmählich verengendem Auslaß
entströmt dem Minto-See der Leaf-Fluß, der sich in den ersten 40 km
seines Laufes noch mehrmals seenartig erweitert. Später verschwinden
die Flußseen, und vereiste Granit-Hügelketten, die sich im Mittel bis zu
180 m Höhe erheben, treten nun an den Fluß heran. Schnellen sind
selten, und nur eine von ihnen hat eine Länge von etwa 16 km. An
der Mündung des- Leaf stellen sich am Fuß der Granithügel Terrassen
ein, die bis zu 90 m über dem Fluß ansteigen. Sie stimmen in ihrer
Höhe gut zu den von Low an den Rändern der Ungava-Bucht beob-
achteten Terrassenniveaus. Die Breite des Leaf ist an seiner Mündung
ziemlich bedeutend (600 m). Über eine Reihe von Stufen stürzt der
Fluß zu einem schmalen Fjord ab, der in den etwa 55 km langen,
45 km breiten, inselreichen Leaf-Golf übergeht. Hier treten auch wieder
die von Low weiter im Süden beobachteten kambrischen Gesteine auf,
die, horizontal gelagert, an der Süd- und Ostküste des Golfes Tafelberge
von höchstens 90 m Höhe bilden. Der Leaf-Golf ist mit der Ungava-
Bucht in ähnlicher Weise wie der Richmond-Golf mit der Hudson-Bucht
durch eine schluchtartige, enge Wasserstraße verbunden, in welcher die
Flutwelle, eine der höchsten der Welt überhaupt, wohl 20 m hoch steigt
und das Eis im Golf zu bedeutender Höhe aufstaut. Die Payne-Bucht
weiter im Norden ist der tiefste Einschnitt der LTngava-Bucht. Sie ist
ziemlich geräumig, 70: 25 km, und wird von über 200 m hohen, kahlen
Granithügeln umgeben; Gneis steht ebenfalls an, und an der Öffnung
der Bucht zum Ungava-Golf findet sich auch noch ein kleiner Fetzen
kambrischer Gesteine. Terrassen fehlen in der Nachbarschaft des
Payne-Ästuars. Sie stellen sich aber am Flusse selbst wieder ein, wo
sie an den Uferhügeln bis zu über lOO m Höhe ansteigen. Große
Gänge schwarzen Eruptivgesteines durchsetzen den Granit, der nackt,
ohne jede Vegetation, sogar ohne Moosvegetation, zutage liegt. Der
Payne-Fluß entströmt dem Payne-See. Kurz nach seinem Austritt aus
dem See empfängt er von NW her einen Nebenfluß, der eine große
Seenkette durch zahllose Schnellen verbindet. Das Land längs seiner
Ufer wird von vielen erratischen Blöcken überlagert. Eine außer-
gewöhnliche Fülle von Lommen besiedeln die Ufer der Seen. Auch
Kleine Mitteilungen. 33
die Wasserscheide zwischen der Hudson-Bucht und dem L'n<^ava-Golf
trä^4 kleine, seichte Seen. Von ihr aus fließt der Povunj^jnituk, ein
Fluß, der den Payne an Größe übertrifft, zunächst in steilem, von
Stufen unterbrochenem Lauf, dann ruhiger, seenartig verbreitert durch
weite, sanftwellige, im Frühsommer blumengeschmückte Ebenen zur
Hudson-Bucht, deren größter labradorischer Zufluß er ist. (Geogr.
Review 1918, V, S. 433, VI, S. 116.)
oDie Sierra de Perijä, ein Ausläufer der Nord- Anden, der das
Ostufer des Magdalenen- Flusses begleitet, ist bisher noch so gut wie
unbekannt geblieben. Nur der Westabfall war von W. Siewers besucht
worden, während der östliche Teil dieses wilden und unwegsamen
Gebirges, das die Grenze zwischen Columbia und Venezuela bildet,
bisher noch nie erforscht worden ist. Die Ursache dafür bildete das
äußerst feindliche Verhalten der kriegerischen indianischen Bewohner.
Im Jahre 1918 gelang es Theodor de Booy, der im Auftrage der
amerikanischen geo'graphischen Gesellschaft in New York die Sierra de
Perijd erforschen sollte, durch die Vermittlung einiger Tucuku-Indianer
des Gebirges, die mit Bewohnern der Maracaiboebene am Ostfuße der
Sierra in friedlichem Verkehre stehen, von den Macoas, unter denen
sie leben, eine Reiseerlaubnis zu erhalten. Die Sierra de Perijä besteht
aus mehreren parallelen Ketten, deren östlichste äußerst steil zur
Maracaiboebene abbricht. Sie werden von tiefen, engen Talschluchten
zerschnitten, in denen die das ganze Jahr über fließenden Flüsse in
Wasserfällen abwärts eilen. Ein dichter Urwald deckt alle Gehänge;
nur die höheren Gipfel, die sich zu 2000 m und mehr erheben, tragen
einen dichten Farnenwald, besonders exponierte Bergspitzen, aber auch
Grasvegetation. De Booy glückte es, die Quellen des Macoita zu er-
forschen. Dieser Fluß entspringt aus zwei Quellflüssen, die beide
Wasserfälle von beträchtlicher Höhe besitzen. Einer dieser Wasser-
fälle zerfällt in drei Abschnitte, von denen der größte 70 m Höhe hat.
Das Tal des Macoita wird von den Macoas bewohnt. Auf je einem
Bergsporn liegt eine einzige Hütte inmitten einer kleinen Lichtung,
jedoch so dicht der Nachbarhütte, daß eine Verständigung leicht, ein
Verkehr aber infolge des trennenden, steilwandigen, tiefen Tales un-
bequem und schwierig ist. Es handelt sich bei einer derartigen Anlage
des Dorfes um eine Schutzmaßnahme gegen feindliche Angriffe. Die
Felder der Eingeborenen liegen auch nicht bei den Hütten, sondern
oft eine Stunde und mehr von diesen entfernt auf Lichtungen des
Urwa'des. Im übrigen ist das Gebirge zwischen den Quellen des
Macoita und dem Rio Lajas unbewohnt. Der Plan de Booys, auch die
Quellen des Apon zu besuchen und eine Durchquerung des Gebirges
bis zu seinem Westfuße durchzuführen, scheiterte an dem Mangel an
Nahrung kurz vor der vollen Verwirklichung. Das Tal des Apon
wurde in 800 m Meereshöhe erreicht, wo der Fluß bereits etwa 12 m
breit ist. Er fließt mit einer Geschwindigkeit von 18 km die Stunde,
und seine Tiefe ist hier nirgends weniger als i m, oft sogar etwa 2 m.
In den Ketten, die zwischen dem Macoita und dem Aponfluß liegen,
sichtete de Booy Gipfel von nahezu 4000 m Höhe (Siewers hatte 2800
bis 3000 m Höhe geschätzt). De Booy beobachtete wie Siewers in
34 Kleine Mitteilungen.
den westlichen Teilen der Sierra auch im Innern vulkanische Gesteine,
die Einsprengunge von Granit umschlossen. Eine mächtige Verwitte-
rungskrume bedeckt alle Abhänge namentlich im Walde. Nur dort,
wo die Vegetation wie an einigen Gipfeln weniger dicht ist, ist auch
die Bodenschicht weniger stark, nimmt aber hangabwärts wieder be-
deutend an Stcirke zu. Das Klima des Gebirges ist ziemlich kühl.
Dem tragen die Indianer auch darin Rechnung, daß sie mit einem
langen, weißen Gewand bekleidet sind. (Geogr. Review 191 8, Bd. VI,
s. 385.)
o Die Forschungsreise von Hamilton Rice nach dem Rio Negro,
Januar bis März 1917, hat, obgleich infolge des äußerst niedrigen
Wasserstandes ; — ein Teil des Flußbettes lag sogar trocken — die
Befahrung des Flusses viel früher abgebrochen werden mußte, als ur-
sprünglich geplant worden war, doch, wie ein Bericht des Leiters der
Expedition im Geographical Journal (191 8, Bd. 52 S. 205) zeigt, wichtige
Ergebnisse gezeitigt. Wenn auch das Flußgebiet des Rio Negro durch
die Arbeiten von Wallace, Spruce und Rojas bereits recht gut bekannt
geworden war, so fehlte es bisher doch an einer genauen Karte dieses
Stromes. Sie zu schaffen, war die Hauptaufgabe Hamilton Rice's, die nun
nur zum Teil gelöst worden ist. Nur für die Strecke Manaos — Säo Gabriel
liegt nunmehr eine genaue Karte im Maßstabe i : 750000 vor, die der
genannten Nummer des Geographical Journal beigefügt ist.
Der Rio Negro, ein Schwarzwasserfluß, dessen W asser durch die
gelösten Humusstoffe dunkel gefärbt ist, entspringt in der Nachbar-
schaft des Papuana und des Icana, die beide dem Orinocosystem an-
gehören, in 69° 30' W und 2° N. Er kommt aus einem sumpfigen,
seenreichen Gelände. Bis zur Abzweigung des Casequiare trägt er den
Namen Rio Guainia. In ziemlich geradem, von Treibholz freiem Laufe
fließt er durch terra firme, d. h. durch Land, das über dem Hoch-
wasserniveau des Flusses gelegen ist. Die Ufer werden bis .\yrao
aufwärts aus Sandstein gebildet; von da aus tritt an den Uferabbrüchen
grauer Ton zutage, der nach oben in einen roten oder gefleckten Ton
übergeht. Die Breite des Flusses ist auf der Strecke zwischen Manaos
und Santa Isabel fast immer sehr bedeutend, bei JManäos beispielsweise
etwa 6,5 km. Dicht oberhalb Manaos vergrößert sich die Strombreite, und
nach einer kurzen, etwas schmäleren Laufstrecke unterhalb von Paricatuba
erweitert sich der Rio Negro seenartig zum Boiagu, der wegen seiner
starken östlichen Winde von den Schiffern sehr gefürchtet wird. Bald
darauf stellen sich im Flußbett zahlreiche Inseln ein. Auf der etwa
650 km langen Strecke Man/tos - Santa Isabel ist es beispielsweise nur
selten möglich, das gegenüberliegende Ufer zu erblicken. Der Fluß
teilt sich dabei in mehrere Anne. Einer derselben, der Parana-Anaviihana,
ist durch große, lang gedehnte Inseln auf eine Entfernung von 180 km
so scharf von dem Hauptstrom getrennt, daß dieser nur zwei bis dreimal
sichtbar wird. Lotungen in diesem Seitenarm ergaben ganz beträchtliche
Tiefen. Es wurden nicht unter 5,5 m Tiefe gemessen und an der
Mündung einzelner Nebenflüsse wurde sogar in 9 bis i i m Tiefe der
Grund noch nicht erreicht. Die meisten Nebenflüsse gehen dem
Rio Negro von Norden ^er vom Hochland von Guayana zu. *" Einer der
Kleine Mitteilungen. 85
bedeutendsten ist der Rio Branco, ein Weißwasserstrom, der im Gegen-
satz zu den Schwarzwasserflüssen stark mäandriert, sich verzweigt, von
Untiefen, Sandbänken und Inseln durchsetzt ist und nennenswerte Tiefen-
erosion nicht besitzt. In drei Mündungsarmen ergießt er seine Wasser
in den Rio Negro. Seiner Mündung sind zahlreiche Inseln vorgelagert,
die sich durch ihren amphibischen Charakter von den übrigen Inseln
des Rio Negro unterscheiden. Sie bilden einen Archipel, den chavascal,
der von zahlreichen Kanälen, parana-miri genannt^ durchzogen wird.
Erst kurz unterhalb Santa Isabel ändert sich die Natur des Flusses.
Das Bett wird schmäler, und Felsblöcke und Felsinseln treten nun
zahlreich im Strome auf. Während der untere Rio Negro bis zur
Mündung des Rio Branco ein Sandsteingebiet durchfließt, tritt auf seiner
oberen Laufstrecke der Granit zutage. Das Waldland, das die Ufer
des Stromes bedeckt, wird oberhalb von Santa Isabel von steil auf-
ragenden Inselbergen und -gebirgen unterbrochen. Granitriffe queren
den Strom und lassen Stromschnellen entstehen, die oft eine beträcht-
liche Länge haben. Die Katarakte von Säo Gabriel z. B. erstrecken
sich von Camanäos bis zur Mündung des Caiari-Uaupes, d. h. über eine
Entfernung von mehr als 50 km.
Während im allgemeinen die Vegetation, je nachdem sie einen
Schwarzwasser- oder Weißwasserstrom begleitet, ihr eigentümliches
Gepräge trägt, ist der Wald am unteren Rio Negro nicht besonders
typisch. Das hängt wohl damit zusammen, daß die Bodenkrume ein
grauer Sand ist, der nur einen niedrigen Wald entstehen läßt. Das
Tierleben des Rio Negro ist nicht besonders reich. Nur die Fischfauna
ist durch eine außerordentlich große Zahl von Arten vertreten. Spärlich
ist die Besiedlung an den Ufern des Flusses. Das hängt wohl damit
zusammen, daß ihn die Portugiesen für sich besonders beanspruchen.
In dem Gebiete links vom Strome wohnen die seßhaften Aruaken,
Kariben und Betoyas, während das Land rechts des Rio Negro von
indio do matto, den Makü, bewohnt wird, Fischern, Jägern und Sammlern,
die ein Nomadenleben führen.
Ozeane.
Über die Verkehrswege zur See am Ende des Weltkrieges hielt
am 26. November 1918 Professor Dr. G. Schott von der Deutschen
Seewarte zu Hamburg einen Vortrag im Institut für Meereskunde der
Universität Berlin. Im Stillen Ozean ist die britische Schiffahrt
während des Krieges stark zurückgegangen, während die japanische,
wenigstens im Nordwest-Quadranten einen gewaltigen Aufschwung
genommen hat. Japanische Dampferlinien gehen über Hongkong nach
Batavia, Kapstadt und New York, nach Bombay, über Vancouver nach
Seattle, über Panama nach Galveston und New York über Südafrika
nach Südamerika usw. Dazvi kommt noch ein dichtes Netz von SchiflF-
fahrtslinien, mit dem die Japaner Holländisch-Indien cingesponnen
haben. Fast die ganze, früher von dem Norddeutschen Lloyd be-
herrschte Küstenschiffahrt ist jetzt in japanischen Händen. Diese un-
heimliche Rührigkeit der Japaner könnte beunruhigend sein, wenn nicht
der Schiffsraum der japanischen Handelsflotte im Vergleich zu euro-
päischen Verhältnissen wegen des Eiscnmangels noch verhältnismäßig
36 Kleine Mitteilungen.
klein wäre. Man darf daher die augenblickliche machtpolitische und
handelspolitische Vormachtstellung- Japans nicht überschätzen. Eng-
land und die Vereinigten Staaten werden nach dem Kriege hier wieder
aufkommen, insbesondere haben die letzteren ihre Schiffahrt im Stillen
Ozean gewaltig ausgedehnt, während England die scinige ganz erheb-
lich einschränken mußte zugunsten der Holländer, die jetzt ihre indo-
nesischen Produkte anstatt nach lüiropa nach der amerikanischen
Westküste ausführen.
Im Indischen Ozean herrscht England fast allein. Es ist ihm ge-
lungen, durch die Ausschaltung Deutsch-Ostafrikas und Arabiens diesen
Ozean zu «inem britischen Binnenmeer zu machen.
Im Atlantisclien Ozean ist besonders auffällig die Ausdelmung
amerikanischer Schiffahrtslinien auf die westindischen Gewässer. Die
Vereinigten Staaten haben es hier verstanden, alle mittelamerikanischen
Staaten in eine mehr oder weniger starke Abhängigkeit zu bringen und
sich, von anderen Plätzen abgesehen, in. Guantanamo auf Kuba einen
stark befestigten Flottenstützpunkt zu schaffen, der gerade auf dem
Wege von New York nach Panama liegt. Militärisch und politisch ist
hier jeder andere Staat, auch England, nur geduldet. Die englischen
Schiffahrtsfachblätter konstatieren mit Bedauern die zunehmende Ver-
drängung des britischen Handels. Der amerikanische Anteil am Welt-
schiflbau betrug 1914 nur 7%., er stieg bis 1918 auf 48 9^., 1916 waren
50000 Werftarbeiter vorhanden, 19 18 aber 380000. Die Zahl der
Werften, die sich mit Stahl-, Holz- und Beton-Schift'bau beschäftigen,
beträgt augenblicklich in der Union :
* Stahl
Atlantische Küste . 32
Golfküste 5
Große Seen .... 15
Pazifische Küste ... 21
Zusammen y^t 82 4 159
In England ist man sich völlig klar darüber, daß im westlichen
Atlantischen Ozean für die britische Schiffahrt nur noch das zu holen
ist, was die Union gestattet. Aber auch im östlichen Atlantischen
Ozean haben sich die Amerikaner auf den Azoren, in Marokko und in
Liberia festgesetzt. o. Bascinu.
Allgemeines.
"■'■* Eine neue Projektion mit geradlinigen größten Kugelkreisen
gibt W. Im m 1er unter dem Namen ,,ein doppelazimutaler gnomoni-
scher Kartenentwurf" an, dessen Beziehung zum bekannten gnomoni-
schen Entwurf H. Thorade auseigandersetzt. (Ann. d. Hydr. usw.
1919 p. 22ff.) Der Entwurf, der durch mathematische Berechnung der
Koordinaten gefunden wird, ist eine Verallgemeinerung des bekannten.
Er erfüllt die weitere Bedingung, daß für zwei beliebige Punkte die
Azimute winkeltreu abf>ebildet werden und nicht nur für den einen
Kartenmittelpunkt, wie bei der gnomonischen Projektion. Der Entwurf
hat, so verzerrt auch *)ei ihm das Kartenbild aussieht, doch nicht die
großen Winkelverzerrungen wie die alte Projektion. Da sie ebenfalls
Hob.
Beton
Summe
31
3
66
17
—
22
I
—
16
zz
I
55
Kleine Mitteilungen.
87
alle größten Kugelkreise als gerade Linien darstellt, eignet sie sich
also besser zur Darstellung von Karten zum Segeln im größten Kugel-
kreise. Sie verbindet aber damit den großen Vorteil, daß auf ihr sofort
die Richtungen zu den beiden Festpunkten geradlinig aufgezeichnet und
abgelesen werden können. Für die Nautik wird diese Projektion große
Zukunft besitzen, da die Richtungen von zwei Festpunkten aus sofort
als Schnittpunkt den Schiffsort ergeben. Da diese Richtungen, die
funkentelegraphisch erfragt und beantwortet werden, natürlich kürzeste
Entfernungen, also größte Kugelkreise darstellen, so kann die Aufgabe
nur bequem erfüllt werden, wenn die angegebene Projektion für die
beiden Festpunkte der Funkenstationen entworfen ist. Es wären also
für alle Kombinationen von zwei funkentelegraphischen Richtungs-
anlagen Karten in dieser Projektion mit den beiden Orten als Fest-
punkte zu entwerfen. Auf ihnen könnte dann sofort durch geradlinige
Striche der Schififsort ermittelt werden. Die Projektion, die nur die
Halbkugel auf der unendlichen Ebene darstellt und bei der die Parallel-
kreise Kegelschnitte sind, sollte aber auch für geotektonische Fragen
öfter zu Rate gezogen werden, zumal wenn es gilt, Streichrichtungen
von Gebirgen oder Verwerfungen über große Erdräume zu vergleichen.
Denn die Kräfte der Erdkruste, die sich in Spannungen, Verschiebungen
oder Verwerfungen äußern, werden sich nie nach den Loxodromen
richten, sondern stets nach den Orthodromen. Diese geradlinig und
leicht in ihrer Richtung meßbar und vergleichbar vor sich zu sehen,
kann nur von Vorteil sein und wird oft vor weitgesteckten Kombi-
nationen und Theorien warnen. w. Behnvann.
Die Ausmessung der Loxodrome. Die Ermittlung des Kurses,
den ein Schiff steuern muß, um von einem Ausgangspunkte A (s. d. Fig.)
nach einem Ziele Z zu gelangen, i.st eine Aufgabe, die durch die sog.
Merkatorprojektion gelöst wird, da diese, außer der Winkeltreue die
Eigenschaft besitzt, den Schiffsweg —
auf der Erdkugel eine spiralig ge-
krümmte Kurve, die Loxodrome, — p-<
als gerade Linie abzubilden. Der N.Br
Winkel Z A B gibt daher unmittelbar
den zu steuernden Kurs. Dagegen
haben die , .wachsenden Breiten" der
Karte die Folge, daß die Länge des ^^°
Weges A Z sich nicht unmittelbar aus
ihr entnehmen läßt. Man pflegt sich
zu helfen, indem man ihn in kleine ^q«
Stücke einteilt, deren jedes man an-
nähernd mit dem ihm entsprechenden
Breitenmaßstabe am Kartenrande aus- 30'
mißt. Die Richtigkeit dieses Verfahrens
beruht darauf, daß jedes Stück der
Loxodrome in demselben Maße verzerrt ist wie der zugehörige Breiten-
unterschied. (Vgl. die Lehrbücher, z. B. Bolte, Neues Lehrbuch der
Schiffahrtskunde, Hamburg 1914, S. 20).
Indessen läßt sich durch eine einfache Konstruktion auch die
50Vl. «tO' 30° 20° 10'
A
30°
c k/
/'■W
20°
/30°
/20°
[10°
: /10*
1
/
1 1 1 i
gg Kleine Mitteilungen.
wahre Länge von AZ genau (nicht angenähert) finden: Man bestimmt
den Breitenunterschied von A und Z (s. d. Fig.), hier 30°, greift eben-
soviele Grade auf der Teilung des Äquators ab und trägt diese Strecke
von Z aus auf dem Meridian ab,- bis C. Zieht man durch C die
Parallele zu den Breitenkreisen und bezeichnet den Punkt, in dem sie
A Z schneidet, mit A', so ist A' Z, wiederum auf der Aquatorteilung
gemessen, die wirkliche Länge von A Z (hier etwa = 40,5° oder 2430 Sm.
Die Berechnung ergibt 40,55^).
Da nämlich jedes Stückchen der Loxodrome ebenso stark verzerrt
ist wie der zugehörige Breitenunterschied, so muß auch die mittlere
Verzerrung der ganzen Loxodrome AZ gleich der mittleren Verzerrung
des ganzen Breitenunterschiedes A B sein, und es muß sich die ver-
zerrte Länge der Loxodrome A Z zum verzerrten Breitenunterschied A B
verhalten wie ihre wahre Länge A'Z zum w^ahren Breitenunterschied Z C,
woraus die Berechtigung des Verfahrens einleuchtet. — Das Ergebnis
läßt sich übrigens auch leicht durch Integration finden. h. Thorade.
Die Zonenzeit auf See. Während das seit der ersten Hälfte des
vorigen Jahrhunderts kontinuierliche Anwachsen des Land Verkehrs,
insbesondere die Ausbreitung des Eisenbahnnetzes, verhältnismäßig früh
das Rechnen nach den ,, Ortszeiten" aufhören ließ und zur Bestimmung
zunächst von ,, Landes-" bzw. ,, Nationalzeiten", dann — nach Fest-
setzung eines einheitlichen Nullmeridians — zur ,, Weltzeit" bzw. , .Zonen-
zeit" geführt hat, arbeitet die Nautik zum großen Teil heute noch
mit drei verschiedenen Systemen zur Zeitbestimmung, deren rechnerische
Verarbeitung umständlich und zeitraubend ist, nämlich den , .Ortszeiten",
den , .Landeszeiten" und der ,, Weltzeit" (Greenwicher Zeit). Im Hafen
wird gewöhnlich die betreffende Landeszeit benutzt, auf offener See
dagegen benötigen die Schiffe die , .Weltzeit" und die ,, Ortszeit".
Erstere führen sie durch Chronometer mit sich oder erfahren sie durch
funkentelegraphische Zeitsignale. Die ,, Ortszeit" hingegen wird täglich
aus dem Laufe der Gestirne abgeleitet. Da sie sich aber von Meridian
zu Meridian ändert, stimmt die Zeit des weiterfahrenden Schiffes schon
kurz nach der Bestimmung wieder nicht mehr mit der gefundenen
Ortszeit überein! Mit anderen Worten: es ist so unmöglich, auf See
genau die wahre Zeit anzugeben, wann irgendein Ereignis eintritt, und
gerade darauf kommt es heutzutage, wo die Funkentelegraphie eine
sofortige Weitergabe wichtiger Beobachtungen an andere Schiffe oder
an Festlandsstationen ermöglicht, an.
Um die genannten Mißstände zu beseitigen, haben nun im Fe-
bruar 1917 zwei Mitglieder des ..Bureau des Longitudes" in Paris,
Ch. Lallemand und J. Renaud, den Vorschlag gemacht, die auf dem
Lande seit mehr als 25 Jahren bestbewährte Zonenzeit auch auf das
Weltmeer, damit also über die ganze Erde auszudehnen'). Die Zonen
sollen von Greenwich nach Osten mit Nr. o bis 23 bezeichnet werden.
Innerhalb jeder — 15 Längengrade umfassenden — Zone ist dann die
gleiche Zeit, und der Übergang von einer Zone zu einer anderen voll-
zieht sich in einfachster Weise, da in allen Zonen die Uhren die
') L'heure en mcr. La Geographie XXXII. Paris 1918. Nr. 2.
Literarische Besprechungen. 89
gleichen Minuten und Sekunden angeben und lediglich die Stunden-
ziffer um eine ganze Zahl abweicht. Ist also z. B. in Greenwich o^,
so ist die Stunde jeder Zone durch ihre Nummer gegeben.
In der französischen Marine ist diese Zonenzeit bereits seit dem
22. März 1917 obligatorisch eingeführt, in der italienischen seit Juni 1917,
und auch die britische Admiralität hat sich zur Einführung des Systems
der Zonenzeit auf dem Meere entschlossen, lediglich mit der kleinen
Modifikation, daß sie die Zonen nicht von o bis 23 zählt, sondern
dieselben von Greenwich aus nach Westen mit + i bis + >2, nach
Osten mit — i bis — 12 bezeichnet. In der deutschen Marine wird
die Zonenzeit auf See noch nicht benutzt. h. Heyde.
Neue geographische Gesellschaften und Zeitschriften. Seit
Beginn des Jahres 19 17 gibt Professor Sebastiano Crinö in Florenz
eine Halbmonatschrift ,,Rivista di Geografia didattica" heraus, die als
Ergänzung der ,,Rivista Geografia Italiana" die verschiedenen Zweige
des geographischen Unterrichts sowie die Kulturgeographie pflegen soll.
In London erscheint seit 19 17 unter dem Titel ,, New Europe" eine
Zeitschrift, in der namentlich politisch-geographische Probleme des
Weltkrieges behandelt werden.
Eine südafrikanische geographische Gesellschaft ist kürzlich in
Johannesburg gegründet worden. Als Herausgeber ihres Organes, des
,, South African Geographica! Journal", zeichnet J. Hutcheon von der
School of Mines and Technology. Die erste Nummer dieser neuen
Zeitschrift ist gegen Ende des Jahres 19 18 nach Europa gelangt. Sie
enthält Berichte über die in den Sitzungen der Gesellschaft gehaltenen
Vorträge sowie einen Aufsatz von J. W. Bews über die Pflanzengeographie
Südafrikas, in dem der Verfasser fünfzehn Vegetationstypen als Grund-
lage einer pflanzengeographischen Karte von Südafrika aufstellt.
Die ,,Societe Khediviale de Geographie" in Cairo hat ihren Namen
geändert und nennt sich jetzt, den veränderten politischen Verhältnissen
entsprechend, ,,Sultanieh Geographical Society". Sie beabsichtigt ihr
Arbeitsgebiet zu erweitern und namentlich auf die Ethnographie aus
zudehnen, sowie zwei Zeitschriften ,, Bulletin" und ,,Memoirs" heraus-
zugeben, o. B.
LITERARISCHE BESPRECHUNGEN.
Arnheim, F.: Schweden. Perthes Kleine Völker- und Länder- "*'^
künde zum Gebrauch im praktischen Leben 3. Gotha, F. A. Perthes.
1917. 8°. 208 S.
Das vorliegende Bändchen ist weder eine Völker- noch gar eine
Länderkunde, sondern ganz einfach eine Geschichte Schwedens bis zur
Gegenwart, die keine besondere Rücksicht auf die naturgegebenen
Grundlagen nimmt. Als Geschichte ist es hübsch und lesbar geschrieben,
bis auf die neueste Zeit durchgeführt, in welchem Abschnitt die Nennung
noch heute tätieer Gelehrter ansenehm ist.
gO Literarische Besprechungen,
Der statistische Anhang ist äußerst dürftig; von Wert dagegen das
folgende Literaturverzeichnis, das aber wieder an den natürHchen Grund-
lagen vorbei geht. Die sog. ,, politisch-physikalische" Karte in i :90000C0
enthält außer Umrissen des Landes nur Eisenbahnen, Flüsse, Grenzen (!),
die Wirtschaftskarte Waldareal, Anbauflächen, Erze, Kohlen in gleichem
Maßstab.
Wenn der Verlag glaubt, daß sich dieses Werk ,,zum Gebrauch im
praktischen Leben" bewährt, so freuen wir uns dieses Optimismus.
Das Urteil des Geographen wird anders lauten, auch wenn er von der
klaren geschichtlichen Zusammenstellung hier und da gern und mit
Nutzen seinerseits Gebrauch machen wird. g. Braun.
Götzinger, Gustav : Die Eis Verhältnisse der Lunzer
Seen. (Internat. Rev. der gesamten Hydrobiologie und Hydro-
graphie.) Leipzig, W. Klinkhardt, 1917, 8^ IV und 159 S. 46 Text-
figuren und 18 Tafeln.
Mit außerordentlichem Fleiß hat der Verfasser ein umfangreiches
Material über die Eisverhältnisse der in Nieder -Österreich gelegenen
Lunzer Seen zusammengebracht. Es umfaßt eine Beobachtungsreihe
von neun Jahren (1905/06 bis 191 3/14). Die eigenartigen Veränderungen
von Eis und Wasser der Seen sind sorgfältig und gründlich untersucht
und das Ergebnis zu vielen auf Vergleichung beruhenden Schlußfol-
gerungen verwertet. Die Mehrzahl der Beobachtungen wurde im Bereich
des Untersees angestellt, während der tief verschneite Obersee der
winterlichen Erforschung weniger zugänglich war. Für jeden der Seen
wird das Aneisen, die Eisperiode und die Öffnung des Eises eingehend
erörtert, und außerdem ist auch die Eisbeschaffenheit näher untersucht
und dargestellt. Auch die thermischen Verhältnisse des Wassers,
namentlich während der Eisperiode, sowie die Einwirkung der Zuflüsse
sind berücksichtigt. Zahlreiche wohlgelungene photographische Auf-
nahmen veranschaulichen in interessanter Weise die verschiedenen
Zustände des Eises. Dem Text sind überdies viele Kartenskizzen und
Diagramme zur Erläuterung beigegeben. Auf Einzelheiten können wir
in dieser kurzen Anzeige nicht eingehen. uie.
Haberlandt,A. : Kultur wissenschaftliche Beiträge
zur Volkskunde von Montenegro, Albanien und
Serbien. Mit 12 Tafeln und 63 Textabbildungen. Ergänz.
Bd. XII d. Zeitschr. f. österr. Volkskunde, Wien 1917. 8°. 187 S.
Das vorliegcn.de Werk bietet das reiche Beobachtungsmaterial
einer dreimonatigen Forschungsreise in den abgelegensten Strichen der
vvestlichen Balkanhalbinsel. Im Gegensatz zu J. C v i j i e , der diese
ganze Region der „patriarchalen" Kulturzonc zugewiesen hat. zeigt
der Verfasser, daß auch hier — früher mehr als in den letzten Jahr-
hunderten — westliche und östliche Einflüsse unverkennbar sind, von
denen namentlich die byzantinisch-aromanischen schon in den Zeiten
Großbulgariens bis ins mittlere Albanien vordrangen und mit der
Literarische Besprechungen. 91
Türkenherrschaft in zwar sozial etwas abgeänderter Form überall,
selbst in den Städten des südlichen- Montenegro Verbreitung fanden.
Man muß also stärker als es J. C v i j i c tut, darauf hinweisen, daß es
kein reines Nebeneinander der Kulturzonen gibt, sondern eine Uber-
einanderschichtung der einzelnen Kulturfaktorcn, deren Wellen zu
verschiedenen Zeiten ungleich weit greifen und sich durchkreuzen. Der
•Hinweis auf die Tatsache, in w'ie viele Komponenten (altindo-
germanisch, altillyrisch, altslavisch. serbisch, römisch, venetianisch-
süditalienisch, byzantinisch, türkisch, mitteleuropäisch, westfränkisch)
sich, das sogenannte Bodenständige auflösen läßt, wird dem Anthropo-
geographen eine wertvolle Warnung sein, nicht ohne gute historische
Kenntnis und reiches Vergleichsmaterial an derartige Arbeiten zu
schreiten. Trotz aller Einwirkungen der Umrahmung gibt es aber
doch in der Einzelgestaltung sehr viel Bodenständiges. Scharf scheidet
sich in Montenegro das Steinhaus des Karstgebietes von den Holz-
häusern der bewaldeten Brda und den Strohhütten der Hochweiden.
Auch die Drinebene hat ihre eigene Bauweise, die sich unterscheidet
von der im Gebirgsland der Mirditen und der Südalbaniens. Bei
Elbassan gibt es burgartige Gehöfte ganz anderer Art als die düsteren
Kulas an der Südseite der x-Mbanischen Alpen und der Metochia. Von
Interesse ist, daß das Altslavische von Prisren kulturell viel mehr Be-
ziehungen zum bulgarischen Mazedonien als zum serbischen Norden
hat, doch darf man daraus w^ohl keine ethnographischen Schlüsse
ziehen. .\'. Krebs.
Thoroddsen, Th. : F e r d a b 6 k. Skyrslur um Rannsöknir ä Islandi
1882 bis 1898. Kopenhagen 1913 bis 1915. 4 Bände. 8\ 1389 S.
Thoroddsen, Th.: Arferdi ä Islandi i Thüsund Ar.
Kopenhagen 1916 bis 1917. 8"^. 432 S.
Thoroddsen, Th. :Lysing Islands. Kopenhagen 1907 bis 191 i .
2 Bände. 1040 S.
Thoroddsen, Th .: An account of the physical geo-
graphy oficeland. In ,,K. Rosenvinge and E. Warming, The
botany oficeland". Kopenhagen und London 1914. 8". 151 S.
Thorvaldur Thoroddsen hat der wissenschaftlichen Welt in den
letzten Jahren eine Reihe zusammenfassender Werke beschert, die es
dem Fernstehenden gestatten, sich schnell und richtig in die Geographie
Islands einzuarbeiten oder über Teile von ihr gute Überblicke zu
gewinnen. Freilich ist die Voraussetzung zum \'erständnis der verdienst-
vollen Arbeiten die gründliche Kenntnis der isländischen Sprache, denn
nur in dieser sind sie, wenigstens vorläufig, erschienen. Freuen wir
uns zunächst, daß sie überhaupt in Gänze veröffentlicht werden konnten,
da ihnen durch Erschöpfung der Mittel zur Drucklegung mehr als ein-
mal die Gefahr drohte, ein Torso werden zu müssen.
Thoroddsen hat in den Jahren 1882 bis 1898 allsommerlich seine
Heimatinsel diTrchforscht, soweit es die Kürze der wärmeren Zeit des
Juli und August zuließ. Seither hat er sich fast ausschließlich lite-
rarischen Quellenstudien hingegeben, nachdem er seinen dauernden
Wohnsitz nach Kopenhagen verlegt hatte. Insgesamt hat er 870 Tage
92 Literarische Besprechungen.
der Forscherarbeit im Felde gewidmet, von ilinen wurden i88 in völlig
unbewohnten Gebieten verbracht. Die Ergebnisse der Reisen waren
bislang auf zahlreiche Zeitschriften verteilt, in isländischen, dänischen,
deutschen und englischen waren die wichtigeren zu finden. Diese ver-
streuten Berichte hat der Verfasser jetzt in vier stattlichen Bänden des
Ferdabok, dem ,, Reisebuch", vereint, jedoch nicht nur in einfach ge-
sammelter Form mit einer leichten redaktionellen Überarbeitung, sondern-
bei Wahrung der chronologischen Reihenfolge um zahlreiche wertvolle
Ergänzungen bereichert, namentlich in literarischer und geschichtlicher
Hinsicht aus Quellen, die nur sehr schwer zugänglich sind. Ferner
sind die seit den Reisen hinzugekommenen Ergebnisse anderer Forscher
hineingearbeitet. Thoroddsen hat sich auch bei dieser Gelegenheit nicht
auf das rein Geographische beschränkt, sondern läßt auch die übrigen
Naturwissenschaften, namentlich die Botanik und die Zoologie, ausführ-
lich zu Worte kommen; ganz besonders stark aber wird von ihm die
historische Seite gepflegt.
Als -willkommene Bereicherung gesellt sich zu dem Ferdabok das
Arferdi von Island (,Jahr um Jahr auf Island"). In ihm wird Jahr um
Jahr von der Landnahmezeit her bis zur Gegenwart, .von 865 bis 1900,
eine Zusammenstellung aller irgendwie allgemein wichtiger Daten
geboten. In diesem Katalog steckt ein einzigartiges Material über
geographische Vorgänge während der letzten tausend Jahre auf einem
in sich geschlossenen Landgebiet; ich nenne nur Klimaveränderungen,
Gletscherschwankungen und Verschiebungen der Vegetationsdecke, oder
Periodizität des Vulkanismus in Form der Eruptionen, Thermen und
Geysire. Island ist das einzige Land der Erde, über
dessen geographische Veränderungen wir über
einen längeren Zeitraum hinaus in lückenloser Folge
dank einer Bevölkerung, die ihre seltsame Naturumgebung jederzeit
scharf beobachtete, hinreichend und vor allen Dingen
zuverlässig unterrichtet sind! Noch harrt der größte
Teil der überlieferten Nachrichten einer vergleichenden x'Vus-
wertung, die namentlich zur Kunde der Klimaschwankungen und der
Tätigkeit des Vulkanismus erwünscht ist. Thoroddsen selbst bringt einen
ausführlichen Abriß über das alljährliche Auftreten des Aleereises an
den isländischen Küsten, dessen Hauptergebnisse für die letzten Jahr-
zehnte in einer graphischen Tafel (S. 357) leicht eingesehen werden
können. Auch für dieses Werk schuldet die geographische Fachwelt
dem unermüdlichen Verfasser wärmsten Dank.
Schließlich hat Thoroddsen in einem dritten W^erke, dem Lysing
Islands, eine allgemeine Naturgeschichte des Landes geliefert. Sie
wendet sich an weitere Kreise, bietet aber auch dem Islandforscher
willkommene Hinweise und Bemerkungen. Die beiden Bände orientieren
rasch über die Insel, klare Gliederung in zahlreiche Kapitel im Verein
mit photographischen und kartographischen Beigaben im Text erleichtern
das Verständnis ungemein. Die Hauptabschnitte sind nach einer Dar-
legung über die Größe der Insel: Das umgebende Mctr, die Küsten,
die Landschaftsgliederung, Flüsse, Seen und die Gletscher; Lava, Vul-
kane und Thermen; Bodenaufbau; Klima, Vegetation und Tierwelt.
Ein gedrängter Auszug aus dem Buche in deutscher Übersetzung würde
Literarische Besprecliungen." 93
sicherlich von vielen Seiten begrüßt werden. In eni;lischer Sprache
liegt er von Thoroddsen bereits vor, als Einführung in das botanische
Werk^ das Kolderup Rosenvinge und Eugen Warming über Island
herausgaben. Thoroddsen hat in ihm in knappen Strichen jene geogra-
phischen Faktoren gezeichnet, die zum Verständnis der vegetativen
Bedingungen die Grundlage abgeben, also in erster Linie Ver-
gletscherung mit besonderer Berücksichtigung der Schneelinie, das
fließende und stehende Wasser, Bodenverwitterung, Klima, Landschafts-
gliederung. Die klimatologischen Elemente sind nach den Aufzeich-
nungen von 1872 bis 1906 berechnet und tabellarisch und graphisch
übermittelt. Über Polygonboden und Solifluktion, auf die die Augen
der Wissenschaft sich erst seit einem Jahrzehnt stärker gerichtet haben,
wird viel gutes Beobachtungsmaterial, namentlich auch im Zusammen-
hange mit der Vegetationsdecke, erstmalig mitgeteilt, h. Spetbinann.
Koch-Grünberg, Theodor :Vom, Roroima zum Orinoko.
Ergebnisse einer Reise in Nordbrasilien und Venezuela in den
Jahren 1911 bis 1913. Unternommen und herausgegeben im Auftrage
und mit Mitteln des Baeßler-Instituts in Berlin. I, Bd.: Schilderung
und Reise. X und 406 S. mit 6 Taf. und 109 Abbild. 1917. II. Bd.:
Mythen und Legenden der Taulipang- und Arekuna-Indianer. XI und
313 S. Berlin 1916, Dietrich Reimer (Ernst Vohsen). S''.
Der Ethnograph Koch-Grünberg hat in den Jahren 191 1 bis 191 3
eine erfolgreiche Forschungsreise in das Grenzgebiet von Brasilien,
Venezuela und Britisch Guayana unternommen, die ihn durch zum Teil
noch ganz unbekannte »Gegenden führte. Die Ergebnisse seiner For-
schungen gedenkt er in einem fünfbändigem Werke zu veröffentlichen,
von denen bereits die beiden ersten Bände erschienen sind.
Der erste Band bringt die Schilderung, meist auf Grund der Tage-
buchblätter. Wir erfahren aus ihm zunächst den Weg der Reise, der
auch in einer beigefügten Karte näher angegeben ist. Der Ausgangs-
punkt war Manaos. Von dort aus ist Koch-Grünberg zum Rio Branco
aufgebrochen und dann diesen Fluß aufwärts bis Säo Marcos gefahren.
Nach längerem Aufenthalt daselbst ist er auf dem Rio Tacutu nach
Norden weiter vorgedrungen, zunächst bis Koimelemong am Rio Surumu.
Hier hat er vor allem die Makuschi studiert. Das weitere Ziel war
der Roroima, an dessen Fuße er lange Zeit unter den Taulipang zu-
gebracht hat. Darauf ist er nach Säo Marcos zurückgekehrt und hat
von hier aus eine kühne Reise nach dem Orinoko unternommen.
Gerade auf diesem Wege hat er völlig unbekannte Gebiete durchquert.
Nur Schomburgk war auf einzelnen Strecken hier sein \'orgänger, der
unter dem Namen Samburuku in dem Gedächtnis der Bewohner noch
immer fortlebt. Die Reise folgte zuerst dem Rio Uraricuera, dann dem
Rio Merewari und schließlich dem Rio Ventuari, auf dem er zum Orinoko
gelangte. Durch den Cassiquiari kehrte er wieder zum Rio Negro und
auf diesem nach Manaos zurück.
Die Reise war mit großen Schwierigkeiten verbunden und es ist
bewundernswert, was Koch-Grünberg mit den wenigen Hilfsmitteln, die
ihm zu Gebote standen, geleistet hat, ja es ist geradezu erstaunlich,
94 Literarische Besprechungen,
daß er überhaupt lebendig zurückgekehrt ist. Sein Leben war oft
äußerst gefährdet. Die Schwierigkeiten bestanden nicht nur in der
Überwindung der mangelhaften Verkehrsmöglichkeiten, sondern auch in
den ungünstigen Verpflegungsverhältnissen sowie in den ungesunden
Zuständen des Landes und der Unterkünfte. Alle Hindernisse hat er
aber mit einer anerkennungswerten Umsicht und nie versagenden Tat-
kraft überwunden. In lebendiger Anschaulichkeit werden uns die Er-
lebnisse auf der Reise geschildert. Koch-Grünberg stützt sich dabei
im wesentlichen auf sein Tagebuch, doch werden die Ereignisse nicht
in trockener Aufzählung wiedergegeben, vielmehr in überaus anziehender
Form mitgeteilt. Es sind Schilderungen, denen man anmerkt, daß sie
aus dem unmittelbaren Empfinden heraus an Ort und Stelle auf-
geschrieben sind.
Der Reisende ist Ethnograph, und das Ethnographische überwiegt
daher auch in seinen Ausführungen. Allein er beschränkt sich keines-
wegs auf Ethnographica, sondern versteht es auch, die durchreisten
Landschaften anschaulich zu schildern, und gibt viele Aufschlüsse über
die Natur der erforschten Länder. Man folgt seinen Ausführungen
mit regster Aufmerksamkeit, und in dem letzten Teil seiner Reise, wo
er unter wilden und verkommenen Indianern lebt, wird die Spannung
aufs äußerste gesteigert, da man jeden Augenblick eine Katastrophe
erwartet. Tatsächlich hatte sich während seiner Reise auch schon das
Gerücht verbreitet, daß er verschollen sei. Wie er selbst angibt, ver-
dankt er die Erhaltung seines Lebens vielleicht nur dem Umstand,
daß die Indianer aus Furcht vor seiner Zauberkraft es nicht wagten,
ihn zu ermorden, was sie wirklich beabsichtigt hatten. Besonders
fesselnd sind seine Mitteilungen über die Indianer, unter denen er fast
wie ein Indianer gelebt hat. Er hat viele schlechte Erfahrungen mit
ihnen gemacht, besonders mit den Majonggong, aber anderseits weiß
er auch viel Gutes von ihnen zu berichten. So gedenkt er im Vor-
wort auch dankbar ihrer. ,, Trübe Erinnerungen", so sagt er, ,,an ein-
zelne Undankbare und Übelwollende werden reichlich aufgewogen durch
die zahlreichen Beweise der Freundschaft und Treue, die mir diese
braunen Leute entgegengebracht haben. An meiner Zuneigung zu
ihnen hat auch diese Reise nichts geändert." Ihr verdankt er seine
großen Erfolge auf ethnographischem Gebiete. Er hat es vorzüglich
verstanden, sich in den Geist der Indianer einzuleben und ihr Zu-
trauen und ihre Freundschaft zu gewinnen. Mit den Kindern spielt er
wie der gute Onkel, der zu Besuch gekommen ist, und mit den Er-
wachsenen geht er geschickt, nachsichtig und im entscheidenden
Augenblick auch sehr entschlossen um. Die Schilderung dieses Ver
kehrs mit den Indianern gehört zu dem reizvollsten seiner Ausführungen
und durch sie gewinnt er nicht nur das Interesse, sondern auch die
Liebe der Leser.
Die wissenschaftlichen Ergebnisse der Reise sollen in den folgenden
Bänden niedergelegt werden. Der bereits erschienene zweite Band
bringt Mythen und Legenden der TauUpang-. und Arekuna-Indianer,
Stämme in der Gegend des Roroima, die zur großen Karaibengruppe
gehören. Der Reisende hat sie sich von zwei Indianern, die monate-
lang seine Genossen auf der Fahrt gewesen waren, erzählen lassen.
Literarische Besprechungen. or
Neben Naturmythen und Heroensagen enthält die Sammlung auch
Märchen, Tierfabehi und humoristische Erzähhmgen. Den Legenden
und Mythen folgen einige Texte und des weiteren werden dann die
Erzählungen auch auf Verwandtschaften und Entsprechungen untersucht
Auch dieser Band bietet viel Interessantes und selbst der Laie wird gern
die ongmellen Erzeugnisse indianischer Phantasie lesen. uie.
Baltzer, F.: Die I^olonialbahnen mit besonderer
Berücksichtigung Afrikas. Mit einem Geleitwort des
Staatssekretärs des Reichs-Kolonialamts. Mit 189 Abbild, und i Karte.
Leipzig, G.J.Göschen, 1916. 8°. 462 S.
In einem Zeitpunkt, wo Deutschland fast seinen gesamten Kolonial-
besitz an einen Feind verloren hat, def nicht zum wenigsten Krieg
gegen uns führt, um unsere schwach verteidigten Schutzgebiete mit
„gutem" Grunde wegnehmen zu können, mag das Erscheinen des vor-
liegenden Buches vielen etwas deplaziert scheinen. Ist doch naturgemäß
mit der Einbuße unsres überseeischen Besitzes die zumal seit 1907 so
erfreulich aufgeblühte Kolonialfreudigkeit des deutschen Volkes stark
zurückgegangen, und in weiten Krei.sen berührt man heut eine
schmerzende Wunde, wenn man von Kolonien spricht. Aber dieser
Zustand ist in jedem Fall eine vorübergehende Erscheinung. Die
Studie war schon vor dem Kriege beendet. Der Kriegsausbruch
hat das Erscheinen des Buches verzögert. Man muß aber dem.
Verfasser recht geben, daß er die durch den Krieg bedingten, noch
nicht abgeschlossenen Veränderungen im Kolonialbahnwesen grund-
sätzlich unberücksichtigt gelassen und die Darstellung mit dem Juni 1914
abgeschlossen hat. Man erhält so ein sehr dankenswertes Bild vom
Zustand der kolonialen Eisenbahnbetätigung aller Nationen vor dem
Ausbruch des großen Weltkrieg-Gewitters, von dem an eine neue
koloniale Zeitrechnung datieren wird. Daß dem ausgezeichneten statisti-
schen, historischen, termischen und wirtschaftlichen Material eine große
Zahl von vortrefflichen Bildern beigegeben ist, ist eine angenehme Be-
lebung der sonst etwas trockenen Lektüre. iMan wird dereinst in
Deutschland dankbar sein, daß dieses Buch noch vor dem Beginn der
neuen Ära geschrieben wurde. f> Henm<r
K r ä m e r - B a n n o w , Elisabeth : Bei kunstsinnigen Kanni-
balen der Südsee. Wanderungen auf Neu-Mecklenburg 1908
bis 1909, nebst wissenschaftlichen Anmerkungen von Professor Dr.
Augustin Krämer. Berlin 1916. 8°. 284 S. ^ 42 Federzeichnungen
7 Karten, 8 Lichtbildern. '
Wenn eine Frau und Künstlerin forschend durch sehr wenig
bekannte Gebiete wandert und bei wenig berühnen Xaturkindern ihre
Studien und Beobachtungen macht, so darf man füglich ein eigenartiges
literarisches Erzeugnis von ihr erwarten. Diese Erwartung wird von
Frau Krämer-Bannow auch tatsächlich erfüllt, wie schon ein Blick in
das reichillustrierte vorliegende Buch zeigt: die charakteristischen flotten,
nach Originalen und Photographien gemachten Federzeichnungen der
gß Literarische Besprechungen.
Verfasserin und A. Bannows, sowie der Damen H: Pfizenmayer und
Ina Krämer bilden einen reizvollen und zugleich sehr lehrreichen
Schmuck des Werkes und unterscheiden es vorteilhaft von vielen
andern modernen Keisebeschreibungen mit ihren minder persönlichen
Klisciiees. Freilich ist der künstlerische Wert der einzelnen Zeichnungen
sehr verschieden; vielfach ist ein solcher auch gar nicht beabsichtigt,
sondern nur deutliche Wiedergabe von bestimmten Gegenständen geplant
gewesen; da und dort ist auch das Figürliche etwas verzeichnet oder
nur flüchtig angedeutet; aber die Stimmung und in manchen Fällen
auch der Humor einzelner Zeichnungen sind doch bedeutsam und ver-
flechten die Phantasie des Lesers weit mehr mit den dargestellten Land-
schaften und Volkstypen, als es bei anderer Illustrierung der Fall zu
sein pflegt. Wer nur die Bilder aufmerksam betrachtet, wird schon
dadurch allein eine gewisse Vorstellung der Landschaft und Menschen,
ihrer Häuser und Gebrauchsgegenstände, ihrer Tänze und Schmuck-
bestrebungen bekommen. Aber das Wort unterstützt das Hineinleben
in die fremde Welt doch sehr wesentlich und wer der Verfasserin an
der Hand desselben auf ihren Reisen im südlichen oder mittleren Neu-
Mecklenburg in die gebirgigen Binnenlandschaften oder an die brandung-
umtosten Gestade der Küste folgt, wird dank der Anschaulichkeit der
Darstellungen eine gute Vorstellung von dem Land und seinen Leuten,
von den Eigenschaften und dem Leben der Eingeborenen gewinnen.
Als besonders reich an wertvollen Beobachtungen und Erkundigungen
(u. a. auch über intime Gebräuche des Frauendaseins) hat sich der Auf-
enthalt im schönen Lamusong in Mittel-Neu-Mecklenburg erwiesen;
auch die Beschreibung der Reise ins Hochland von Lelet, das so selten
von Europäern besucht worden ist, ist von hohem Interesse für den
Leser. Auf Einzelheiten einzugehen, würde zu weit führen. Doch sei
noch erwähnt, daß die vom Gatten der Verfasserin beigesteuerten Karten-
skizzen und wissenschaftlichen Anmerkungen den Wert des empfehlens-
werten Buchs noch erheblich steigern. Sehr beherzigenswert sind die
Ausführungen der Verfasserin über die Anwerbung (S. 47) und über
Schutz und Erziehung der Eingeborenen (S. 260 bis 263). K. Sapper.
W e r t h , Emil : Das Eiszeitalter. Sammlung Göschen Nr. 43 1 ,
2. Aufl. Leipzig, J. J. Göschen. 1917. 8". 171 S., 18 Abbild, u.
I Karte.
Die zweite Auflage des wertvollen und inhaltsreichen Bändchens
bringt gegenüber der erst vor acht Jahren herausgegebenen ersten nur
unbedeutende Veränderungen. Geblieben ist vor allem die Gliederung
des Stoffes, wobei stets die Behandlung der zur Eiszeit vergletschert
gewesenen (iebirge von den ehemaligen Inlandeisgebieten getrennt
erfolgt, ein Übelsland, der u. a. dazu lührt, daß im allgemeinen Teile
die meisten Glazialformen nur bei der Gebirgsvergletscherung, Rund-
höcker nur in Inlandeisgcbicten, das Seenphänomen in beiden Be-
sprechung findet. Natürlicher wäre es wohl gewesen, zwischen Gebieten
glazialer Erosion und solchen glazialer Akkumulation zu unterscheiden
und auch im speziellen Teile die einzelnen Glazialgebiete nicht nach
Gebirgs- und Vorlandvergletscherung ■ zu zerreißen. In der Frage der
Literarische Besprechungen. 97
Glazialformen geht der Verf. bekanntlich seine eigenen Wege. So
werden als Ausgangsfornien der Kare (deren durchschnittliche Um-
rahmung zu bloß 200 m angegeben wird) unerhebliche X^ertiefungen
oder Einkerbungen des Gehänges genannt, obwohl doch in zahlreichen
Fällen unzweifelhafte Übergänge von normalen Erosionstrichtern zu
echten Karen bekannt sind. Die P2rklärung des Trogschlusses geschieht
noch in der ursprünglich von P e n c k gegebenen Form, obwohl auch
dieser sich den Argumenten von Distel und Lauten sach an-^
geschlossen hat. Daß ,,in der Regel jedes Talbecken im Trogtal einer
bestimmten Rückzugsphase entspricht", ist nicht Regel, sondern eine
seltene Ausnahme. Der Trog wird als in ein ehemaliges Firnbecken
eingelassen bezeichnet, obwohl doch sein Eis bereits dem Gletscher-
Strom angehört. Auch die Behandlung des Lößes ist etwas einseitig.
Die Angabe, daß es keinen postglazialen Löß gebe und daß er Mächtig-
keiten bis 30 m erreiche, trifft doch nicht allgemein zu; die Behauptung,
der Löß sei durch intensive Gesteinszerstörung entstanden und durch
Wind oder Wasser abgelagert worden; kann leicht mißverstanden werden.
Die Behandlung der eiszeitlichen Vergletscherung der Alpen
geschieht in engem Anschluß an P e n c k und Brückner, aber irrig
ist es, das Zurückbleiben der Gletscherenden im Gebirge in den öst-
lichen Ostalpen einfach auf das trocknere Klima zurückzuführen, da
doch sowohl in den niederösterreichischen Alpen als im Isonzogebiet
die diluviale Schneegrenze tiefer lag als weiter westlich. Die Schiefer-
kohlen von Uznach werden nun als vollgültig interglazial bezeichnet.
Größere Änderungen gegenüber der ersten Auflage erfuhr die Behand-
lung des norddeutschen Diluviums. Verf. unterscheidet nun auch hier
vier Eiszeiten, verm.ag aber die älteste Eiszeit nur durch ,,die ältesten
Schotter im Gebirge" (wq?) zu belegen, was natürlich nichts beweist.
Daß die vier Schotterterrassen des Rheintales mit Eiszeiten nichts zu
tun haben, hätte ausdrücklich gesagt werden sollen. Eine austührliche
Beschreibung und Chronologisierung erfahren die neueren Interglazial-
funde, die diluvialen Säugetiere und die prähistorischen Reste. Die
Jungmoränen werden in eine äußerste, zwei baltische und eine Anzahl
bottnischer Zonen gegliedert, also von der Ausscheidung eines Bühl-
Stadiums und dem Versuch einer Einordnung der skandinavischen End-
moränen in gewisse, den alpinen analoge Rückzugsstadien abgesehen.
Dabei ist es auffallend, daß die äußersten Jungmoränen in Deutschland
von der äußern baltischen Moräne bloß lOO km, in Rußland aber 400 km
entfernt sind, obwohl doch der bei den Altmoränen wirksame Stau
durch die mitteldeutsche Gebirgsschwelle jetzt wegfällt. Überhaupt ist
es sonderbar, daß so weit auseinanderliegende Moränensysteme noch
einer und derselben Eiszeit angehören sollen. Auch die Verbindung
von Salpausselkä über Gotland und Öland nach Südschweden und die
Verknüpfung der Raer mit den mittelschwedischen Seemoränen ist-
wenig wahrscheinlich. Doch soll auf diese noch schwebenden Fragen
hier nicht näher eingegangen und nur bemerkt werden, daß die Ent-
stehung der großen schwedischen Seen, ebenso wie des Ostseebeckens
und der großen kanadischen Seen nicht einfach aus der glazialen
Erosion erklärt werden kann, da doch zw'eifellos Krustenbewegungen
der verschiedensten Art direkt und indirekt mit im Spiele sind.
Zeitschr. d. Gesellsch. f. Erdkunde zu Berlin. 1919. Xr. i,'2. 7
gg Eingänge für die Bibliothek und Anzeigen.
Die Behandlung der übrigen Glazialgebiete geschieht auf Grund
reicher Literaturkenntnis und auch vieler eigener Beobachtungen meist
treffend; doch hätten einige Flüchtigkeiten vermieden werden können;
z. B.: Eiszeitspuren in Korsika auf dem Monte Rotondo (sonst nirgends?),
im „Bosnischen Gebirge mit der Vranica Plannia" (warum nicht in den
dalmatinischen, herzegowinischen u. a. Gebirgen?), eiszeitliche Schnee-
grenze in den Pyrenäen in ungefähr i6oo m (sollte heißen 1300 bis
2000 m), Endmoränen im Tianschan bei 750 m (wo?), was sich mit der
Mitteilung einer Depression der Schneegrenze um 600 m schlecht ver-
trägt. Unrichtig ist die Erklärung der Driftless area dadurch, daß beider-
seits davon die tiefen Rinnen des Oberen- und Michigan-Sees sich
befinden, da sie doch westlich von beiden Seen liegt. — Bei der Behand-
lung des eiszeitlichen Klimas hätte doch wohl auch von den bedeut-
samen Untersuchungen von P e n c k über die Verschiebung der Klima-
gürtel Notiz genommen werden können. Endlich sei konstatiert, daß
der Verf zur Entstehung einer Eiszeit nicht wie früher ,,vicl weniger
tiefere Temperaturen als reichere Niederschläge", sondern ,, neben tieferen
Temperaturen" ein reichlicheres Maß von Niederschlägen für notwendig
erachtet. Machaischek.
EINGÄNGE FÜR DIE BIBLIOTHEK UND ANZEIGEN.
f Besprechung in Aussicht genommen.
Bücher und Sonderabzüge:
Europa.
Brandt, B.: Geographischer Bilderatlas des polnisch-weißrussischen Grenzgebietes.
(Beitr. z. poln. Landesk.) Berlin 1918. IX. 128 S. 100 phot. Aufn., i Krt. 8°.
(Landeskundl. Kommiss. Warschau.)
° Eine sehr gute Zusaintiienstellung charakteristischer, auch technisch ge-
kmgener Bilder aus eineni in Deutschland nur zvenig bekannten Gebiet, die
durch treffliche Erläjitcrungen belebt und ergänzt wird.
Dietrich, Bruno: Das Klima der Rhön. (S.-A. : 96. Jahresber. d. Schles. Ges. f. vaterl. '
Kultur.) Breslau 191 8. 16 S. 8°. (Verf.)
Dietrich, Bruno: Wirtschaftsgeographie der Rhön. (S.-A.: 96. Jahresber. d. Schles.
Ges. f. vaterl. Kultur.) Breslau 1918. 36 S., 2 Tf. 8°. (Verf.)
** Der Verf., dem wir bereits morphologische Studien im Gebiete der Rhön
verdanken, erweitert in den Abhandlungen seine Forschungen auf das Gebiet
der Klimatologie und der Wirtschaftsgeographie, Arbeiten, die um so datikens-
werter sind, als wegen der politischen Zerrissenheit des Gebietes das Material
sehr verstreut liegt. . Er behandelt nacheinander Temperatur, Wind und
Niederschlag, bei letsterem sei auf das Niederschlagsprofil von Fulda bis Mei-
ningen auf S. 10 hingewiesen. In der wirtschaftsgeographischen Abhandlung
züird besonderer Nachdrtcck auf die Abhängigkeit der Wirtschaft vom Boden ge-
legt. Die Rhön ist vornehmlich ein Ackerbau- und Vieh::uchtgebiet. Die Be-
handlung dieser Wirtschaftsarien nimmt neben der Waldwirtschaft den brei-
testen Raunt ein, die Heimindustrie, deren Verbreitung eine Karte veranschau-
licht, konnte kürzer behandelt werden.
Eingänge für die Bibliotliek und Anzeigen. 99
Gießberger, H.: Das Reichenhaller Einsturzbeben vom 19. November 1910. (Sitzb.
d. Kgl Bayr. Akad. d. Wissenscliaften 1918.) München 1918. 38 S. 8°. (Verf.)
** Das Beben, das stärkste, das von 77 überlieferten Erdbeben bekannt
geworden ist, ist trotzdem nur ■mäfsig bis ziemlich stark gewesen (Grad 4 bis ^).
Es ist ein Einsturzbeben, hervorgerufen durch Ausivasclncng des Salzes, wie
CS bei den geologischen Verhältnissen der Stadt nicht zu verwundern ist.
Graf, G. E.: Die Entwicklung des Stadtgrundrisses von Berlin. (S.-A. : Mitteil. d.
Vereins d. Stud. d. Geogr. a. d. Univers. Berlin.) Berlin 1918. 34 S. 8°. (Verf.)
° Siehe J. Bartsch, Die Festgaben zti Albrecht Pencks sechzigste»! Gebuftstag.
Diese Zeitschr. igi8, S. jj2.
Gran, H. H. und Torbjörn Gaarder: Über den Einfluß der atmosphärischen Ver-
änderungen Nordeuropas auf die hydrographischen Verhältnisse des Kristiania-
fjordes bei Dröbak im März 1916. (Publ. de Circonstance.) Kopenhagen 1918.
29 S. (Conseil Permanent International.)
Hassinger, H.: Beiträge zur Physiogeographie des inneralpinen Wiener Beckens und
seiner Umrandung. (S.-A. : Festband Albrecht Penck.) Stuttgart 1918. 38 S. 8°.
(H. Hassinger.)
° Siehe J. Partsch, Die Festgaben zu Albrecht Pencks sechzigstem Geburtstag.
Diese Zeitschr. 1^18, S. j2p.
Janovsky, Carl: Die Wollindustrie Österreich-Ungarns. (Wirtschaftsgeogr. Karten
u. Abhandig. z. Wirtschaftskde. v. Österreich-Ungarn.) H. 15, Wien 1918. 78 S.,
I Krt. 8°. (Ed. Hölzel.)
Krebs, Norbert; Die anthropogeographischen Räume der Balkanhalbinsel. (S.-A.: Fest-
band A. Penck.) Stuttgart 1918. 28 S., i Krt. 8°, (Verf.)
° Siehe f. Partsch, Die Festgaben zu Albrecht Pencks sechzigstem Geburtstag.
Diese Zeitschr. 1Q18, S. jjx.
Kunzer, G.: Bulgarien. (Perthes Kl. Völker- und Länderkunde.) Gotha 1919. XI.
169 S. 8°. (F. A. Perthes.) f
Moscheies, I.: Das Klima von Bosnien und der Herzegowina. I., H. 20. (^Zur Kunde
der Balkanhalbinsel.) Sarajevo 1918. 62 S., 12 Tf. 8°. (Bosn.-Herz. Institut
für Balkanforschung.)
** Das mit reichen Tabellen ausgestattete, fleifsige Werk stützt sich auf
lojährige Beobachtungsreihen (igot — igio) von 60 Stationen. Nach kurzer
j Schilderung des Gesamtkliiiias, in zvelcher der teilweise wüstenhafte Charakter
des Landes hervorgehoben wird, werden die Einzellandschaften behandelt:
1. das nordbosnische Tief- und Hügelland, 3. das bosnische Miftelgebirge, j. das
ostbosnische Kalkgebirge, 4. das subherzegowinische Stufenland, . j. das west-
bosnische Karstgebirge. DreiKarten der fanuarisothermen, der Sommerisothermen
und der Niederschlagsverhältnisse im Mafsstab 1:2 Mill. sind leider so klein,
dafs die Zahlen und Kurven kaum zu lesen sind, ztunal sie durch keine Farben
hervorgehoben sind.
Fax, F.: Der gegenwärtige Stand der zoologischen Erforschung Polens. (Zeitschr.
d. Naturwiss. Ver.) Posen 1918. 19 S. 8°. (Landeskundl. Kommiss. Warschau.)
Fax, F.: Pflanzengeographie von Polen (Kongreß-Polen). (Beiträge zur poln. Landes-
kunde.) Berlin 1918. 153 S., 8 Tf. 8°. (Landeskundl. Kommiss. Warschau.) f
Praesent, H.: Die Bevölkerungsgeographie des Cholmer Landes. (S.-A.: Pet. Mitteil.)
Gotha 1918. 9 S., 2 Krt. 4°. (Landeskundl. Kommiss. Warschau.)
° Verf. untersucht im Anschlufs an die durch den Frieden von Brest-Litowsk
entstandene Streitfrage, ob das Cholmer Land den Polen oder, wie es geschehen
ist, den Ukrainern zugesprochen werden müsse, die Verteilung der Nationalitäten,
■j^QQ Eingänge für die Bibliothek und Anzeigen.
/>/ diesevi stritligen Gebiet, die ja für die Grenzziehung tnafsgebend gewesen ist.
Bevölkerungsgeographisch läfst sich im Cholmer Land, in dem sich Polen tmd
Ukrainer innig dtirchdringen, eine scharfe Grenze nicht ziehen. Die Natio-
nalitäloigrenzc ist eben auch hier keine Linie, sondern ein breiter Grenzsaum.
Reichert, I.: Aus Deutschlands Waffenschmiede. Berlin 1918. 112 S. 8°. (Reichs-
verlag.)
Schaffer, F. H.: Landeskunde von Thrakien. I., H. 19. (Zur Kunde der Balkanhalb-
insel.) Sarajevo 1918. 98 S., 17 Tf. 8°. (Bosn.-Herz. Institut für Balksnforschung.) f
Schlaginhaufen, Otto: Über die menschlichen Skclettrcste aus dem Pfahlbau 'am
Alpcnquai in Zürich. (S.-A.: Jahrg. 62 1917 d. Vicrteljahrsschrift d. Naturforsch.
Ges. i. Zürich.) Zürich 1917. 12 S., 3 Tf. 8°. (Verf.)
° Unfersuchuftg der bei den Baggerarbeiten entdeckten Pfahlbauten, die wahr-
scheinlich der Bronzezeit, also der letzten der drei bisher am Züricher See festge-
stellten Perioden, angehören.
Schultz, Arved: Ethnographischer Bilderatlas von Polen. Berlin 1918. 211 S. 8°.
(Landeskundl. Kommiss. Warschau.)
° Eine Ergänzung zum Handbuche von Poien, die in ähnlicher li^eise wie
Wunderlichs Geographischer Bilderatlas in trefflichen Abbildungen und Te.xt-
erlduterun^en den Leser in die Volkskunde Ko)igrefs- Polens einführt.
Sieger, Robert: Der österreichische Staatsgedanke und seine geographischen Grund-
lagen. Wien 1918. 96 S. 8*^. (C. Fromme.)
Slanar, Hans: Bergen. Eine städtekundliche Studie. (S.-A.: Mitteilung, d. k. k. Geogr.
Ges. Wien.) Wien 1918. 25 S., i Tf. 8°. (Verf.)
** Eine ktirze Studie städtekundlicher Natur, wie man mehrere sich
wünschen möchte, die, von der Natur des Landes ausgehend, die Geschichte der
Stadt, ihre Entwicklung, ihre wirtschaftsgeographische Lage und Bedeutung
schildert. Auf letzteren Gesichtspunkt wird mit Recht grofser Wert gelegt, die
Bedeutung der Stadt verläuft in Form einer Wellenlinie.
Wähle, Ernst: Ostdeutschland in jungneolithischer Zeit, ein prähistorisch-geographischer
Versuch. Würzburg 1918. IX. 216 S., 4 Tf., 2 Krt. 8°. (Gurt Kabitzsch.) f
Wirth, Walter: Zur Anthropogeographie der Stadt und Landschaft Schaffhausen.
(Inaugüral-Dissertation.) Zürich 1918. 169 S., 6 Tf. 8°. (Geogr. Seminar der
Universität Zürich.) f
Wunderlich, E.: Geographischer Bilderatlas von Polen. 3. neu durchgesehene
Auflage. Berlin 1918. X. 145 S. 8^. (Landeskundl. Kommiss. War^chau.)
° Siehe A. Penck, Polen. Diese Zeitschr. ipi8, S. too.
Wunderlich, £. : Handbuch von Polen. (Kongreß-Polen.) Beitrag zu einer allgemeinen
Landeskunde. 2. verb. Aufl. (Veröffentl. der Landeskundl. Kommiss. Warschau.)
Berlin 1918. XXXIL 519 S., 55 Tf , 19 Krt., 50 Textfig. 8°. (Landeskundl. Kommiss.)
Zwiedeneck, O. v.: Die Litwaki. Berlin-München 1918. (S.-A.: Neue jüdische Monats-
hefte.) 21 S. 8^^. (Landeskundl. Kommiss. Warschau.)
Asien.
Hedin, Sven: Jerusalem. Leipzig 1918. 157 S., i Tf. 8°. (F. A. Brockhaus.)
° Ein Auszug aus dem gleichnamigen grofsen Werk des gleichen Verfassers.
Hedin, Sven: Jerusalem. Leipzig 1918. 342 S., 2 Krt. 8°. (F. A. Brockhaus.) f
Mzik, Hans v.: Was ist Orient? Eine Untersuchung auf dem Gebiete der politischen
Geographie. Wien 1918. 25 S. 8°. (Gerold & Co.)
** Die Frage wird dahin beantwortet, dafs der Orient vornehmlich ein po-
litischer Begriff ist, dessen geographische Lageverhältnisse nicht getiau zu um-
Eingänge für die Bibliothek und Anzeigen. 101
schreiben sind, wie die Wandlung des Begriffs im Laufe der Zeiten deutlich
dokumentiert.
Oberhummer, Eugen: Der Name Turan. (S.-A: Turan 1918.) Budapest 1918. 16 S. 8°.
(Verf.) ■
Olufsen, Ole: Russisk Turkestan. Kopenhagen 1918. 34 S. 8^. (Verf.)
Penck, Walther: Die tektonischen Grundzüge Westkleinasiens. Beitr. z. anatolischen
Gebirgsgeschichte. Stuttgart 1918. VII. 120 S. 8°. (J. Engelhorns Nachf.j f
Philippson, A.: Kleinasien. Handbuch der Regionalen Geologie. V. 2. Heidelberg
1918. 183 S., 3 Tf. 8°. (Carl Wihter.) f
Afrika.
Dinklage, M. : Liberia in seiner Bedeutung für Deutschlands Handel und zukünftige
Versorgung. Hamburg 1918. 43 S. 8°. (C. Boysen.)
Kuhnert, Wilhelm: Im Lande meiner Modelle. Leipzig 1918. 281 S., 32 Tf. 8^.
(Verf.) t
Marquardsen, Hugo: Studien über Angola. Zur Urographie Angolas. (S.-A.: Mitteilg.
aus d. dtsch. Schutzgebieten.) Berlin 1918. 5 S. 4°. (Verf.)
° Eine sorgfältige Zusammenstelhing und Verarbeitung aller bisher über
Angola bekannt gewordenen topographischen Daten, die um so dankenswerter
ist, als ein grofser Teil der benutzten Literatur in portugiesischer Sprache ge-
schrieben und einem weiteren Leserkreis daher nicht zugänglich ist. Die Dis-
kussion der in Frage kommenden Angaben zeitigte manches von den portugie-
sischen Arbeiten abweichendes Ergebttis. Alles in allem läfst diese Zusammenstelhing
wiederum erke'nneit, wie unvollkommen gerade die Kenntnis portugiesischer
Kolonien bisher noch ist.
Rein, G. K.: Abessinien. i. Band. Berlin 191S. XIL 495 S.. 12 T. 8°. (Dietrich
Reimer.) f
Kolonien,
Koert, W. : Der Krusteneisenstein in den deutsch-afrikanischen Schutzgebieten, beson-
ders in Togo und im Hinterlande von Tanga. (Beiträge z. geolog. Erforsch, d.
Dtsch. Schutzgebiete.) Berlin 1916. 69 S. 8°. (Geolog. Landesanstalt.)
° Siehe H. Stremme, Die Entstehung des Laterites. Diese Zeitschr. igi7, S. 114.
Offermann, Johanna: Beiträge zur Petrographie der Insel Neupommern. (Beiträge
z. geolog. Erforsch, d. dtsch. Schutzgebiete.) Berlin 1916. 48 S. 8°. (Geolog.
Landesanstalt.)
° Hingewiesen sei auf die geographisch-geologische Übersicht, die den petro-
graphischen Untersuchungen vorangeschickt ist.
Rein, K. : Wie England die deutschen Kolonien bewertet. Berhn 191S. 80 S. 8°.
(Dietrich Reimer.)
° Eine englische Zusammenstellung britischer Kons i(latsberichte und amtlicher
und privater deutscher Quellen über die wirtschaftliche Lage der deutschen Schutz-
gebiete zu dem Zwecke, das englische Volk für unsere Kolonien zu interessieren,
scheint in der vorliegenden Schrift übersetzt. Der Stil ist nicht immer einwand-
frei, und eine Fülle von Verschen und Schreibfehlern (z. B. S. 34 Wahele statt
Wahehe) mindern den Wert dieser Kriegsschrift.
Schlaginhaufen, Otto: Le Maire's Claes Pietercz- Bucht an der Ostküste Neu-
Irlands. (S.-A.: XVI. Jahresbericht d. Geogr.-Ethnogr.. Ges. i. Zürich.) Zürich
1917. 36 S. 8^. (Verf.)
° Ein Beitrag zic der Lösung der Frage, att welcher Stelle der Entdecker
Neu-Irlands, Le Maire, das von ihm noch für Neu-Guinea gehaltene Land zum
102 Eingänge für die Bibliothek und Anzeigen.
ersten Male berührt hat. Nach sorgfältiger Untersuchung aller in Betracht
kommender Angaben in Le Maire's Reisebericht, kommt Verf. su dem Ergebnis,
dafs es zwei Buchten an der Ostküsle Neii-Irlands sind, die beide gleichen An-
spruch erheben dürfen, den alt ehrwürdigen Namen der Claes Pietercz-Bucht zu
tragen: die Muliama- Bucht und die Bucht des Hiruan. Eine eindeutige Lösung
ist heute noch nicht möglich.
Sprigade, Paul: Die französische Kolonie Dahomey. (S.-A. : Mitt. aus d. dtsch. Schutz-
gebieten.) Berlin 1918. 52 S. (Verf.)
° Eine Zusammenstellung tcnd Verarbeitung der Literatur über Dahomey
zu einem Werkchen über diese Kolonie, die auch eine Fülle nicht geographischer
Daten bringt, keine geographische Landeskunde.
Allgemeine Erdkunde.
Arldt, Theodor: Handbuch der Paläographie. Bd. i: Paläaktologie, T. i. Bog.
I — 20. Leipzig 1917. 320 S. 8°. (Gebr. Borntraeger.) f
Hellmann, G.: Beiträge zur Geschichte der Meteorologie. 2. Band. (Veröff. d. Kgl.
Pr. Meteorol. Inst., Nr. 296.) Berlin 191 7. \'I, 340 .S., 3 Tf., i Tb. 8°. (Met.
Inst.) t
Hellmann, G.: Über strenge Winter. (Sitz.-Ber. der Kgl. Pr. Akad. d. Wiss., 1917,
52.) Berlin. 22 S. 8°. (Verf.)
° Eine methodisch wertvolle Arbeit, die auf neuem Wege, nämlich durch
Zerlegung der Temperatursummen in ihre negativen und positiven Bestandteile,
den Versuch unternimmt , genauer als es mit den bisherigen Methoden möglich
gewesen war, den Charakter eines Winters festzustellen. Die Bestimnumg der
täglichen negativen Temperaturmittel von Berlin von iy66l6y bis tpiöji'/ für
die Zeit vom 1. XI. bis ßi. HL liefs eine Mindesttemperatursumme von — 320°,
wobei wenigstens 7 Tagesmittel < — /ö° sind, als Charakteristikum sehr strenger
Winter erscheinen. In diesen 1^0 Jahren hat Berlin danach j.f sehr strenge
Winter gehabt. Der als sehr streng empfundene Winter ipiöjiy gehörte nur
zti den mittelstrengen Wintern. Unter den sehr strengen Wintern bezeichnete
der des Jahres iSspIßO, der sehr früh begann und bei 28 Tagen mit mehr als
-- /ö° Tagesmittel eine Tagesmiticlsummc von — 68^° erreichte, den Höhepunkt.
Hellmann, G.: Über milde Winter. (Sitz.-Ber. der Kgl. Pr. Akad. d. Wiss., 1918,
XI.) 8 S. 8°. (Verf.)
° Verf. bestimmt den Charakter der sehr milden Winter nach der gleichen
Methode auf Grund der positiven Temperaturntittel in der Zeit vom 1. XII. bis
28. (2p.) IL Die Grenzsumme ist 240°, zvobei die zugehörige Stimme der nega-
tiven Temperatur mittel höchstens — 100'^ betragen darf In dem Zeitraum von
lyööjöy bis ipiöj /y hat es in Berlin 2y sehr milde Winter gegeben, von denen
der des Jahres lyp^lpö mit einer positiven Temperatursumme von .^12'^ und
einer negativen von — 2^^ der bei weitem mildeste geivesen ist.
Lange, F.: Landwirtschaftlich-statistischer Atlas. Berlin 1917. XII S.. 105 Krt. Fol.
(Dietrich Reimer.) f
Lipschütz, Alexander: Probleme der Volkseruährung. Bern 191 7. 74 S. 8°. (Max
Drechsel.)
Nordenskjöld, Otto: Studien über das Klima am Rande jetziger und ehemaliger
Inlandeisgebiete. (S.-A.: Bull. Geol. Inst. Upsala, Bd. 15.) Upsala 1916. 10. S.
8°. (Verf.)
° Verf. erkennt in den Randgebieten der polaren Landeismassen der Gegen-
wart drei grundverschiedene Klimatypen, den maritimen, kontinentalen und gla-
Eingänge für die Bibliothek und Anzeigen. 103
zialen Typus, deren Wesen tind geographische Verbreitung er schildert. Er sieht
daraus Rückschlüsse auf die klimatischen Verhälttiisse der Eiszeit. Während
des Vorrückens der Gletscher in Norddetitschlaud scheint der glaziale, während
des Abschmelzens der kontinentale Typus vorgeherrscht zu haben.
Penck, Albreciit: Über politische Grenzen. (Rede zum Antritt des Rektorates.)
Berlin 1917. 32 S. 8°. (Verf.)
° Siehe Sieger, R.: Ztir politisch-geographischen Terminologie, diese Zeitschr.
igi8, S. 64.
Ramann, E. : Bodeiibildung und Bodeneinteilung (System der Böden). Berlin 1918.
VIII, 118 S. 8°. (Julius Springer.) f
Rolf, Bruno: Probalite et Pronostics des Pluies d'ete. Upsala 1917. VII, 25 S.,
26 Tab. 8^. (Meteorol. Centralanst. Stockholm.)
Quervain, A. de: Herdtiefe von Erdbeben aus Epizentralzeitbeobachtung. (S.-A.:
Zeitschr. f. Vulkanologie 1917, Bd. III.) Berlin. 8 S. 8°. (Verf)
Quervain, A. de: Über die Arbeit d. schweizerischen Erdbebenwarte Zürich. iS.-A. :
Vierteljahrsschrift d. Naturf Ges. in Zürich, Jahrg. 62 1917.) Zürich 1917.
9 S., I Tf. 8°. (Verf)
Sapper, Karl: Beiträge zur Geographie der tätigen \'ulkane. (S.-A.: Zeitschr. f.
Vulkanologie 1917, Bd. 3.) Berlin 1917. 138 S., i Tf. 8°. (Verf.) j
Schneider, O. : Ergebnisse von Bohrungen. Heft VII, Gradabt. 38 — 87. Berlin 1915.
310 S. 8^. (Behörde.)
Schulze-Gaevernitz, G. von: Neubau der Weltwirtschaft. (Dtsche Weltwirtsch. Ges.
Vereinsschriften, H. 7, 1918.) Berlin 1918. 36 S. 8°. (C. Heymann. |
Sieger, Robert: Die Nation als Wirtschaftskörper. (S.-A.: Festschrift Eduard Hahn.)
19 S. 8°. (Verf.)
° Verf., der in der letzten Zeit in mehreren Zeitschriften und auch in
dieser Zeitschrift Untersuchungen über das Wesen der Nation veröffentlicht hat,
behandelt sie hier nur vom wirtschaftlichen Standpunkt aus. Er kommt dabei zu
dem Ergebnis, daß eine Nation, wie z. B. die tschechische, in einem geschlossenen
Wohngebiet auch eine wirtschaftlich geschlossene Autarkie darstellen kann, die,
sowie sie zugleich Staatsnation ist, auch über die Machtmittel des Staates atif wirt-
schaftlichem Gebiete verfügt. Ist die Nation über mehrere Wohngebiete verteilt,
so können in der Landesnatur begründete Unterschiede in der Wirtschaft liehe 71
Entwickhing Teile der Nation absondern und zu selbständigen Staaten ausgestalten,
eine Entwickhing, wie sie manche überseeischen Kolonistenvölker genommen
haben. Innerhalb eines Völkersiaates, wie es z. B. Österreich-Ungarn ist, können
sich schließlich nationale Wirtschaftskörper absondern und sich sogar bekämpfen.
Stille, Hans: Hebung und Faltung im sogenannten Schollengebirge. Berlin 1916.
25 S. 8°. (Verf)
°Eine Kritik und Erwiderung der Lachmannschen Angriffe auf die Arbei:
des Verf. „Die saxonische Faltung" und ztigleich eine Ablehnung der von zahl-
reichen Geologen noch auf einer Versammlung in Greifswald 1912 vertretenen
Süßschen Senkimgstheorie.
Stille, Hans: Injektivfaltung und damit zusammenhängende Erscheinungen. Leipzig
191 7. 53 S. 8=. (Verf)
Sverdrup, H. U.: Über den Energiev^erbrauch der Atmosphäre. (Veröff. Geophysikal.
Inst. Univ. Leipzig. 2. Serie, Bd. II, H. 4.) Leipzig J918. 23 S. 8°. (Inst.)
* Verf. berechnet die Dissipation der kinetischen Energie der Atmosphäre
auf Grund der beobachteten Leistung der Reibungskraft in den Luftschichten
in unmittelbarer Nähe der Erdoberflache, von 10 bis 1000 m über dem Erdboden
iQA Eingänge für die Bibliothek und Anzeigen.
///id in der freien Atmosphäre im Mittel für die gesamte Erde zu 4 • /0— 3 Kilo-
watt (Margnles bisher 5- ro-^3 Kilowatt), ti^as etwa ;?'Vo der' gesamten Energie-
menge der Sonne, die an der Grenze der Atmosphäre die Erde erreicht, ent-
spricht.
Sverdrup, H. U. u. J. Holtsmark: Über die Beziehung zwischen Beschleunigungen
und (Jradientenändcrungen und ihre prognostische Verwendung. (Veröff.
Geophysikal. Inst, l^niv. Leipzig, 2. Serie, Bd. II, H. ,^.) Leipzig 191 7. 28 S.
8°. (Institut.)
*Dic Verf. untersuchen die ßeciehungen szvischen den Gradienten- und
den gleichnamigen Windrichtungen tmd stellen ein neues Verfahrett auf, das
es gestattet, mit Hilfe der Druckänderungen im Laufe der letzten drei Stunden
die lokale Beschleunigung und damit die Änderung des Windfeldes zunächst
genau jtur für die Gebiete stark ändernder Winde ztt berechnen. Damit ist
der praktischen Wettervorhersage ein neues.^ xvichliges Arbeitsfeld eröffnet, weil
diese Methode dirckicn Aufschlufs über den Sinn der Windänderungen zu
geben iiijstandc ist.
Sverdrup, H. U. u. J. Holtsmark: Über die Reibung an der Erdoberfläche und die
direkte Vorausberechnung des Windes mit Hilfe der hydrodynamischen Be-
wegungsgleichungen. (Veröff. Geophys. Inst. Univ. Leipzig, 2. Ser., Bd. II, H. 2.)
Leipzig 1917. 45 S, 8°. (Institut.)
"^ Die Verf., die in eingehender, sorgfältiger Weise die Methoden zur Be-
stimmung der Reibungskraft an der Erdoberfläche nachprüfen, kommen zu dem
Ergebnis, dafs die direkte Voratisberechnung des Windes aus den hydrodyna-
mischen Bezuegungsgleichuttgen mir dann gelingt, wenn die wirkliche Reibungs-
kraft, die von der berechneten gewöhnlich um 2£ bis ßo % ihres Skalawertes
abweicht, mit Sicherheit bestimmt werden kann. Bei der Einführung der aus
den mittleren Reibungskoeffizienten berechneten Reibungskraft in die Gleichungen
gelingt die Vorausbcrechujing des Windes nicht.
Sverdrup, H. U.: Zur Bedeutung der Isallobarenkarten. iS.-Aj 5 S. 8°. (Geophys.
Inst. Univ. Leipzig.)
Wagner, Hermann: Die Legende der Längenbestimmung Amerigo Vespuccis nach
Mondabständen (23. August 1499). (S.-A.: Nachr. K. Ges. d. Wiss. Göttingen,
Math-phys. Kl. 1917.) Göttingen 1917. 35 S. 8°. (Verf.)
° A^ach einem kurzen geschichtlichen Überblick über die Schicksale der Legende
und über die wechselnden Urteile über Amerigo Vespuccis Bedeutung geht der
Verf. dazu über, die Länge nbestimnuingen des Kolumbus vom Jahre X4P4 und
1^04, der als erster die Methode der Längenbestimmung durch Vergleich der
Ortszeiten angezvendet haben soll, einer Kritik zu unterziehen, und diese An-
nahme abzulehnen. Auch Amerigo Vespucci ist nicht der Urheber dieser Methode.
Der Brief, auf dett sich diese letztere Annahme stützt, die neuerdings von dem
portugiesischen Astronom Joaquim Bensaude aus deutschfeindlichen Motiven
eifrig vertreten zvird, ist unecht. Erst der deutsche Astronom Joh. Werner hat
im Jahre jS'4 (tl^ erster eine Methode der L^ängenbestimm ung nach Mond-
abständen veröffentlicht; das /j. Jahrhundert kennt in Wahrheil noch keine
Methode der Längenbestimm nng nach Mondabständen.
Wallen, Axel: Till FrAgan om Sammanförande av Statens Meteorologiska Central-
anstalt och Hydrografiska Byrftn. (Medd. fr. Hydr. Byr. S.) Stockholm 191 7.
59 S. 8°. (Hydrogr. Byrün.)
Werth, Emil: Das Eiszeitalter. 2. verb. Aufl. (Sammlung Göschen 431.) Leipzig
1917. 171 S. I Tf. 8^. iVerf) t
Verhandlungen der Gesellschaft. 105
Werth, E.: Über die Beziehungen des jungdiluvialen Bison priscus zu den lebenden
Bison-Arten. (S.-A.: Sitz. Ber. d. Ges. Naturforsch. Freunde, Berlin. Jahrg. 1917,
Nr. 3.) 10 S. 8°. (Verf.)
Werth, E. : Zur Natur- und Kulturgeschichte der Banane. (S.-A.: Festschrift
Eduard Hahn.) Stuttgart 1917. 36 S., i Tf. 8°. (Verf.)
Wolkenhauer, W. : Aus der Geschichte der Kartographie. (Kartogr. Bibliographie
1840 — 1917.) (S.-A.: Dtsche Geogr. Bl., 38. Bd., H. 2.) Bremen 1917. 44 S.
8°. (Verf.)
* Eine* sorgfältige, zuverlässige Zusammenstellung der kartographischen Lite-
ratur von 1840 bis igij. Fast Jedes einzelne angeführte Werk ist liebevoll
gewürdigt und zugleich sind Hinweise gegeben, wo einschlägige Besprechungen
und verzvandtc Werke zu finden sind.
Jahrbuch der Urania und Astronomischer Kalender für das Jahr 1918. Braun-
schweig 1918. IV, 162. 8 S., 6 Tf. 8°. (Vieweg u. Sohn.)
° Von dem reichen Inhalt wird namentlich R. Alielkes Abhandlung ^Deutsche
Siedlungskunde" den Geographen besonders interessieren.
Jahresbericht des Schweizerischen Erdbebendienstes 1916. (S.-A.: Ann. d. Schweiz.
Met. Zentralanst. 1916.) Zürich 1917. 14 S., i Tf. 4°. (de Quervain.)
VERHANDLUNGEN DER GESELLSCHAFT.
Allgemeine Sitzung vom 7. Dezember 1918.
Vorsitzender: Herr H e 1 1 m a n n.
Die Wahl des Beirates für das Jahr 1919 wird nach
§ 19 der Satzungen vollzogen. Durch Stimmenmehrheit werden die
nachbenannten Herren gewählt:
Dr. Beyschlag, Geheimer Oberbergrat, Professor, Direktor der
Geologischen Landes-Anstalt.
W. Bornhardt, Geheimer Oberbergrat, Vortragender Rat im
Ministerium für Handel und Gewerbe.
Dr. Conwentz, Geheimer Regierungsrat, Professor, Staatlicher Kom-
missar für Naturdenkmalpflege in Preußen.
Dr. E n g 1 e r , Geheimer Ober-Regierungsrat, Professor, Direktor des
Botanischen Gartens und Museums.
Dr. P. D. Fiecher, Exzellenz, Wirklicher Geheimer Rat, Unter-
Staatssekretär a. D.
Dr. O. G 1 e i m , Exzellenz, Unter-Staatssekretär im Reichs-Kolonialamt.
A. von Gwinner, Direktor der Deutschen Bank.
Dr. Heck, Geheimer Hofrat, Professor, Direktor des Zoologischen
Gartens.
Dr. R. Jannasch, Professor, Vorsitzender des Zentralvereins für
Handelsgeographie.
Dr. Kronfeld, Justizrat, Rechtsanwalt und Notar, Rechtsbeistand
der Gesellschaft für Erdkunde.
1 nn Verhandlungen der Gesellschaft.
Dr. von Luschan, Geheimer Regierungsrat, Professor.
Dr. Schäfer, Geheimer Rat, Professor.
Dr. Karl von den Steinen, Professor.
Dr. H. S t r u V e , Geheimer Regierungsrat, Professor, Direktor der
Sternwarte.
Dr. Georg Wegener, Professor an der Handelshochschule.
Die' Gesellschaft verlor durch den -Tod die Mitglieder Herren
Professor Dr. Martin Hartmann, Lehrer am Seminar für orien-
talische Sprachen (Mitglied seit 1887), und Standesbeamter a. D.
E. Stolze (1878).
Der Vorsitzende teilt mit, daß durch den Konkurs der Druckerei
bisher nur die* Hefte 1/2 und 3/4 der Zeitschrift 191 8 zur Ausgabe
gelangen konnten. Es steht jedoch der Abschluß des Vertrages mit
einer anderen Druckerei bevor, so daß alsdann die rückständigen Hefte
des Jahrgangs in schneller Folge erscheinen werden.
Vortrag des Herrn Dr. R. P o h 1 e : ,,Siedelungs- und wirtschafts-
geographische Probleme des Nordens". (Mit Lichtbildern.)
In die Gesellschaft werden aufgenommen:
als ansässiges ordentliches IMitglied
Herr Dr. Siegfried Goldschmidt, Rechtsanwalt;
als auswärtige ordentliche Mitglieder
Herr H. Arimond, Leutnant im Dragoner-Regiment 11,
,, Dr. E. Littmann, Professor, z. Zt. BerUn,
„ Dr. Stanislaw Pawlow'ski, Privatdozent, Lemberg,
Fräulein Gertrud Stelzner, stud. phiL, z. Zt. Haiensee,
Geographisches Institut der Universität, Frank-
furt a. M.
Fachsitzung vom 16. Dezember 1918.
Vorsitzender: Herr P e n c k.
Vortrag des Herrn Dr. med. A. H i n t z e : „Reiseerfahrungen über
das Klima von Mesopotamien in seiner Einwirkung auf den Menschen".
(Mit Lichtbildern.)
An der Aussprache beteiligten sich Herr Hell m a n n und
der Vorsitzende, ""
Verhandlungen der Gesellschaft. jq^
Allgemeine Sitzung vom 18. Januar 1919.
Vorsitzender: Herr P e n c k.
Die Gesellschaft verlor durch den Tod die Mitglieder Herren
Major a. D. Albert Münch (Mitglied seit 1901), Dr. Arthur
Salomonsohn, Geschäftsinhaber der Diskonto-Gesellschaft (1890)
und Major a. D. R. Ziethen (1889).
Geschäftsbericht des Generalsekretärs
für das Jahr 191 8.
„Die trüben Zeitverhältnisse haben auch auf den M itgliederstand einen
sehr wenig erfreulichen Einfluß geübt. Wenn immerhin die Zahl der neueingetretenen
Mitglieder 51 (davon 27 auswärtige) beträgt, so steht ihr jedoch diejenige der aus-
geschiedenen Mitglieder von 79 (darunter 27 auswärtige) gegenüber Von den aus-
geschiedenen Mitgliedern verloren wir 28 durch den Tod; davon starben im Kampfe
für das \ aterland Oberlehrer Dr. H a r d e g e n - Berlin und Major Kübel- München
Die Zahl der ordenthchen Mitglieder beträgt demnach z. Z. 564 ansässige und 49s
auswärtige Mitglieder, zusammen 1059 gegen 1087 im Vorjahr.
Die Sitzungen fanden in gewohnter Weise statt, und zwar 8 allgemeine
und 7 Fachsitzungen, in denen 15 Vorträge gehalten wurden. In der allgemeinen
bitzung des Monat Mai wurde das 9ojährigeBestehen derGesellschaft
gefeiert.
• F^\ Eingang für die B ü c h e r s a m m 1 u n g betrug, abgesehen von den
periodischen Schriften, 219 Werke in 236 Bänden, für die K a r t e n s a m m 1 u n e
22 Karten bzw. Kartenwerke in 102 Blatt.
Wissenschaftliche Unternehmungen.
1. Was zunächst die „Zeitschrift" der Gesellschaft angeht, so konnten
abgesehen von der beschränkten Papierbelieferung, infolge Konkurses der bisherigen
Druckerei vom Jahrgang 191S nur die Hefte 1/2 und 3/4 zur Ausgabe gelangen
Nach dem nunmehr erfolgten Abschluß des Vertrages mit einer anderen Druckerei
werden die rückständigen Hefte von 1918 und die Hefte des laufenden Jahrganges
in moghckst schneller Folge erscheinen. j 0 &
2. Aus der H e n r y L a n g e - S t i f t u n g wurde der Zinsbetrag der Jahre 1918
und 1919 dem Professor Dr. H a n s S t e f f e n als Unterstützung für die Herausgabe
seines Werkes über „West-Patagonien" bewilligt. ■
Die Feier des 90jährigen Bestehens der Gesellschaft gab Veranlassung zu den
folgenden Auszeichnungen:
Seiner Exzellenz dem Herrn Generaloberst Dr. v. ß e s e 1 e r wurde für seine
großen Verdienste um die Förderung der Landeskunde Polens ein Ehren-
tafel c h e n gewidmet.
An Medaillen wurden verliehen :
die K arlRitter- Medaille in Gold (als vorläufiger Ersatz in Eisen)
Herrn Dr. S v e n v. H e d i n ;
die silberne Karl Ritter- Medaille
den Herren Privatdozent Dr. Walter Behrmann, Professor
Dr. Koch-Grün berg und Dr. Fritz Baedeker-
die silberneNachtigal- Medaille
den Herren Professor Dr. Fritz J a e g e r und Professor Dr. L e o n -
hard Schulze-Jena.
Schließlich ist noch zu berichten, daß der Gesellschaft durch die verstorbene
i-rau Generalkonsul Gerhard Rohlfs ein Vermächtnis in Höhe
von 30 000 M. als G erhardRohlfs-Stiftung zugefallen ist, deren Zinsen für
wissenscfiattliche Unternehmungen in Afrika verwendet werden sollen."
jQg Verhandlungen der Gesellschaft.
Zu Mitgliedern des Verwaltungs-Ausschüsses der
Karl Ritter-Stiffung werden als Vertreter der Gesellschaft für
die nächsten drei Jahre (iQ 19— 1921) nach § 3 der Satzungen der
Stiftung auf Vorschlag des Vorstandes die Herren Geh. Ober Regierungs-
rat Professor Dr. E n g 1 e r , Geh. Regierungsrat Professor Dr. G ü ß -
feldt, Professor Dr. Schweinfurth und Professor Dr.
K. von den Steinen wiedergewählt. Außerdem gehören satzungs-
gemäß dem Verwaltungsausschuß der Vorsitzende und der Schatzmeister
der Gesellschaft an, also für 1919 Herr Geh. Regicrungsrat Professor
Dr. P e n c k und Herr Professor ß e h r e , ferner durch Wahl des
Vorstandes das Mitglied desselben Herr Admiralitätsrat Professor
Dr. K o h 1 s c h ü 1 1 e r.
In den Ausschuß der Ferdinand und Irmgard von Richt-
hofe n-Stiftung, der über die Verwendung der zur Erreichung
des Stiftungszweckes verfügbaren Zinsen zu bestimmen hat (§ 7 der
Verfassung), haben für das Jahr 1919 der Vorstand und Beirat der
Gesellschaft für Erdkunde die Herren Geh. Regierungsrat Professor
Dr. Penck, Admiralitätsrat Professor Dr. Kohlschütter, Geh.
Ober-Regierungsrat Professor Dr. E n g 1 e r und Professor Otto
B as c h i n als Vertreter der Gesellschaft gewählt.
Der Vorstand der Gesellschaft hat ihren bisherigen Vertreter in
der Rudolf Virchow -Stiftung, Herrn Professor K. von
den Steinen, nach Ablauf der Wahlperiode (§ 5 der Stiftungs-
urkunde) für die nächsten drei Jahre (1919 — 1921) wiedergewählt.
Der Vorsitzende bringt zur Kenntnis, daß das Zentral- In-
stitut für Erziehung und Unterricht eine Reihe von geo-
graphischen Abenden namentlich für Lehrer der Erdkunde im Laufe
des Winters veranstaltet und hierzu auch Freunde der Geographie einladet.
Vortrag des Herrn Geh. Regierungsrat Professor Dr. A. Penck:
,,Die deutsch-polnische Sprachgrenze". (Mit Lichtbildern.)
Deutsche und Polen setzen sich im Osten des Reichs nicht in ähnlich scharfer
Weise voneinander ab, wie Deutsche und Franzosen im Westen, sondern sie durch-
dringen einander. Es ziehen sich Zungen von Deutschen bewohnten Landes in das
überwiegend von Polen besiedelte. Es mengen sich vielfach deutsche und polnische
Dörfer durcheinander, und es leben in demselben Dorfe gewöhnlich Deutsche und
Polen nebeneinander. Um zu einer klaren Erfassung des beiderseitigen Sprachgebiets
zu gelangen, sind statistische Aufnahmen nötig, wie solche bei den Volkszählungen
ausgeführt werden. Die Ergebnisse der letzten von 1910 wurden im Geograj^hischen
Institut der Universität unter Leitung des Vortragenden auf etwa 100 Blätter der
Karte des Deutschen Reiches übertragen, dermaßen, daß gemeindeweise je 10 Ein-
wohner je nach ihrer sprachlichen Zugehörigkeit durch einen farbigen Punkt dar-
gestellt wurden. Diese Hunderttausende von Punkten gewähren einen klaren Überblick
über die Verteilung von Deutschen und Polen. Es hebt sich zunächst das rein
deutsche Sprachgebiet henor, in dem man. höchstens 5 v. H. Anderssprachige findet.
Verhandlungen der Gesellschaft. 109
Seine Ostgrenze verläuft quer durch Oberschlesien und greift in Westpreußen sowie in
den westlichen Partien Posens in beide Provinzen über, während umgekehrt das gemischt-
sprachige Gebiet nur wenig aus den letzt genannten Provinzen herausreicht. Neben dem
großen geschlossenen rein deutschen Sprachgebiete gibt es eine rein deutscheSprachinsel
in Ostpreußen, die nach Westpreußen zwei Ausläufer in der Richtung aufDanzig undGrau-
denz erstreckt. Das ganze Mündungsgebiet der Weichsel^ ist rein deutsch im streng-
sten Sinne des Wortes, und entschieden muß betont werden, daß die Weichsel aut
deutschem Boden das Meer erreicht. Eine zweite, wesentlich kleinere, rein deutsche
Sprachinsel erstreckt sich zwischen Thorn und Bromberg. Diesem rein deutschen
Sprachgebiete können auf dem Boden des Deutschen Reiches nur einzelne kleine
Inseln rein polnischen Gebietes mit mehr als 95 v. H. polnischer Bevölkerung gegen-
übergestellt werden. Es fehlt hier ein geschlossenes, rein polnisches Sprachgebiet.
Ein solches besteht überhaupt nicht in dem Sinne, wie ein geschlossenes deutsches, fran-
zösisches, englisches oder italienisches Sprachgebiet existiert. Nie kann es ein Polen als
einen reinen Nationalstaat geben — wie man auch seine Grenzen ziehen möchte, stets
würde es Hunderttausende oder Millionen Anderssprachiger umfassen.
Der überwiegende Teil der Ostmark hat sprachlich gemischte Bevölkerung. Es
unterscheiden sich aber Gebiete mit überwiegend deutscher von solchen mit überwiegend
polnischer Bevölkerung. Zwischen beiden verläuft die Sprachgrenze. Im Süden, in Ober-
schlesien und in dem südlichen Teile Posens zieht sie sich nicht weit von der Grenze
des rein deutschen Sprachgebiets entlang; aber im Nordwesten entfernt sie sich weit
von ihr: sie zieht sich südlich der Netze in der Richtung auf Thorn; östlich der
Weichsel verläuft sie etwa auf der Südabdachung der Seenplatte. Man kann, im
überwiegend deutschen Sprachgebiete bleibend, von Berlin nach Königsberg wandern,
ohne auch nur ein Dorf mit überwiegend polnischer Bevölkerung zu berühren. Die
Polen nördlich der Netze und westlich der Weichsel bilden mit den Kassuben eine
Sprachinsel. Diese aber wird durchsetzt von zahlreichen deutschen Siedelungen,
so daß es hier schwer fällt, die Grenzen überwiegend polnischer Bevölkerung festzu-
stellen: diese bildet hier kaum die Mehrheit im sprachlich gemischten Gebiete.
Ist auch die Entwicklung der europäischen Großstaaten in dem letzten Jahrhundert
auf die Herausbildung von Nationalstaaten gerichtet gewesen, so fallen doch die
Grenzen der vier großen Nationalstaaten Europas nur ausnahmsweise mit Sprach-
grenzen zusammen. Alle, auch die reinsten Nationalstaaten, schließen fremde Volks-
elemente in sich ein und lassen Teile ihrer eigenen Nation außerhalb ihrer Grenzen.
Die Sprache allein vermag eben nicht zu entscheiden über staatliche Zugehörigkeit.
Das Selbstbestimmungsrecht der V'ölker geschieht auch unter dem Einflüsse wirt-
schaftlicher oder geschichtlicher Momente. Weder die deutschen noch die fran-
zösischen Schweizer wünschen den Anschluß an ihre Konnationalen im Deutschen
Reiche oder in Frankreich. Die polnisch redenden Masuren Ostpreußens sind durch
ihr evangelisches Bekenntnis verknüpft mit den Deutschen Ostpreußens; wirtschaft-
liche Bande stärkster Art ketten die Polen Oberschlesiens an das Deutsche Reich.
Die Polen Westpreußens links der Weichsel fallen überhaupt nicht in das zusammen-
hängende überwiegend polnische Sprachgebiet hinein. Gleiches gilt von den meisten
im Regierungsbezirk Bromberg. Wenn endlich bei den Polen des Regierungsbezirks
Posen augenblicklich der Wunsch nach Anschluß an eine Republik Polen sehr leb-
haft ist. so darf nicht vergessen werden, daß genau ein Drittel der Bevölkerung
jenes Regierungsbezirks deutsch ist. Wenn endlich polnische Geographen und
Politiker schon während des Krieges von einem großen Polen gesprochen haben,
das auch die sechs preußischen Regierungsbezirke mit ansehnlicher polnischer Be-
völkerung einschließen soll, so bedeutet dies den Wunsch des Anschlusses von
etwas über 3 Millionen Polen und einer fast gleich großen Zahl von Deutschen, also
eine gröbliche Verletzung von deren Selbstbestimmung.
In die Gesellschaft wird aufgenommen:
als ansässiges ordentliches Mitglied
Herr Dr. Heinrich Liepe, Oberlehrer, Berlin-Britz.
22Q \'erhandlungen der Gesellschaft.
Fachsitzung vom 27. Januar 1919.
Vorsitzender: Herr K o h 1 s c h ii 1 1 e r.
Vortrag des Herrn Professor Dr. Walter Vogel: Eine bundes-
staatiiche Gliederung Deutschlands auf natürlicher Grundlage. (Mit
Lichtbildern.)
An der Aussprache beteiligten sich die Herren B a s c h i n ,
K.Fischer, Graf, Hoffmeister, A. Penck, Stahlberg,
S t a u d i n g e r und der Vortragende.
Allgemeine Sitzung vom 15. Februar 1919.
Vorsitzender: Herr P e n c k.
Der Gesellschaft ist das Hinscheiden der Mitglieder Herrn Geh.
Ober -Justizrat A. Fr lest (Mitglied seit 1882) und Herrn Senator
O. E, W e s t p h a 1 in Hamburg (1918) gemeldet worden.
Unter Hinweis auf eine Ausstellung von Kriegskarten führte der
Vorsitzende aus, daß die großartigen Leistungen des Heeres auf dem Gebiete
des Kartenwesens während des Krieges nur wenig bekannt geworden seien. Zwei Be-
hörden teilten sich in die Arbeit: daheim war wie in Friedenszeiten die Kartographische
Abteilung der Landesaufnahme tätig, draußen im Felde wirkten die einzelnen F"eld-
vermessungs-Abteilungen. Die Kartographische Abteilung schuf namentlich Karten,
die auf bereits vorliegenden deutschen Arbeiten beruhen, sowie solche für entlegene
Kriegsschauplätze durch Bearbeitung der besten vorliegenden Quellen. Ihr danken
wir sowohl die großen Übersichtskarten "einzelner Kriegsschauplätze, die in den
Handel gekommen sind, als auch eine nur für den Dienst bestimmte Operationskarte.
Sie schuf ferner Karten von Mesopotamien, Persien, Syrien und Palästina bis zum
Sinai herab, von Finnland bis zur Murmanküste. Manche dieser Karten sind direkt
nach fremden Vorlagen hergestellt worden, vielfach nach russischen Quellen, andere
erheischten eine mühsame Neukonstruktion. Die Feldvermessungs-Abteilungen waren
an den einzelnen Fronten tätig und unterstanden dabei der Leitung des Chefs des
Feldvermcssungswesens. Sie lieferten Frontkarten teils auf dem Wege der üblichen
topographischen Aufnahme in dem von uns besetzten Gebiete, teils auf photo-
grammeirischem Wege außerhalb desselben, sowie namentlich auf Grund von Flieger-
aufnahmen. Selbstverständlich wurden auch die Karten der Feinde ausgiebig be-
nutzt. Auf diesem Wege haben wir für den Norden und Osten Frankreichs vom
Meere bis zur Schweizer Grenze, von Livland bis zur Ukraine herab, sowie für das
südliche Mazedonien Frontkarten im Maßstabe i : 25 000 erhalten, auf Grund deren
für besonders wichtige Gebiete Vergrößerungen auf i : 10 000, selbst auf i : 5000
hergestellt worden sind. Die meisten dieser P'rontkarten stellen das Gelände durch
Höhenlinien dar, andere heben das Relief durch Höhenschichtenkolorit und Schum-
merung besonders hervor, und es sind für einzelne Frontteile in Frankreich und im
Elsaß sehr plastisch wirkende Karten geschaffen worden. Die Arbeit der Feld-
vermcssungs-Abteilung ist um so höher zu schätzen, als vor dem Kriege das Feld-
vermessungswesen nur in geringem Umfange vorgesehen war und erst während des
Krieges sich ausgestaltete, wobei sich wegen der Ungleichheit der Vorbildung von
Landmessern und Ingenieuren namentlich in Preußen erhebliche Schwierigkeiten er-
gaben. Über tausend verschiedene Frontkarten i : 25 000 sind hergestellt worden,
und nicht schätzen läßt sich die Zahl der im Felde gedruckten Exemplare, die ge-
Verhandlungen der Gesellschaft. iii
wohnlich für die Kampfhandlungen mit dem Aufdruck der beiderseitigen Stellungen
versehen wurden. Von der Landesaufnahme ist bekannt, daß sie den Druck von
273 Milhonen Blatt veranlaßte, wovon sie 150 bis 160 Millionen selbst druckte
Vortrag des Herrn Professor Dr. W a 1 1 h e r P e n c k aus Leipzig:
„Reisen in der Puna von Argentinien." (Mit Lichtbildern.)
Zuden auffallendsten Zügen in der Gebirgsgestaltung der Anden Nordwest-
argentmiens gehört ihre Auflösung in einzelne Parallelketten, die nacheinander in
den Ebenen Zentralargentmiens versinken und hier den Namen pampineSierren
tragen Nach Norden schließen sich die Ketten mit der HauptkeUe des Gebirges
am Westrand des Kontmentes zu einem Hochland, der Puna de Atacam a
zusammen. In diesem besitzen die Ketten dieselbe Höhe zwischen 4000 und ^000 m'
vvie die pampinen Sierren, aber die Senken dazwischen gewinnen in der Puna mit
einemmal große absolute Höhe. Sie ;ciehen als Reihen von abflußlosen Becken mit
durchschnittlicher Hohe von 3000 bis 4000 m durch das Hochland und verleihen
Ihm dieselbe merid.onale Gliederung, die die pampinen Sierren auszeichnet. Die
Untersuchungen des Südrandes der Puna begannen im Oktober 1912 und kamen im
April 1914 zum Abschluß Ein Gebiet von 14 000 qkm wurde geologisch aufgenommen,
für welche Aufgabe die Schaffung einer topographischen Karte nötig wurde Eine
solche ist im Maßstab i : 200000 unter besonderer Betonung des Formenschatzes
des Gebirges vom Verfasser aufgenommen worden. Die geologischen Untersuchungen
wurden weit über den Rahmen dieser Karte ausgedehnt und führten unter anderem
zur Besteigung einiger die Puna auszeichnender Vulkanriesen (Nevado Bonete mit
Jf.°° "^- 0J° de los Losas mit 6600 m und Nevado San Francisco mit 6000 m Meeres-
hohe). Die Ergebnisse lassen sich wie folgt zusammenfassen: Die Gliederung in
Ketten und Senken ist das Ergebnis einer großangelegten Faltung, der „Großfaltung",
bei der Mulden und Sattel von großer Schwingungsweite, eben die Gebirgsketten
und die Senken (die im Lande der pampinen Sierren ,.Bolsone" genannt werden)
entstanden sind. Der Faltungsprozeß dauert in mehreren Phasen seit dem unteren
Tertiär bis heute an. Er betraf die pampinen Sierren und die Puna in gleicher
Weise; diese aber verhielt sich wie eine schwer faltbare Scholle, darum erlangten
die Höhenunterschiede in ihr nicht dieselben Ausmaße wie in den pampinen Sierren
Dafür erfuhr die Puna als Ganzes Hebung, der sie ihre absolute Höhe und die Ge-
schlossenheit verdankt. Die Entwicklung des Flußnetzes und des Formenschatzes
des Gebirges hangt aufs innigste zusammen mit der Art der Krustenbewegungen
Diese führten stets zu einer Emporwölbung der Ketten über die Senken Auf jenen
erzeugte die Abtragung der Reihe nach verschiedene Lahdschaftsformen. die jedoch
wegen der extremen Trockenheit des Gebietes trotz ihres zum Teil hohen Alters
noch nicht wieder zerstört werden konnten. Der Hauptgegensatz zwischen Puna und
pampinen Sierren beruht darauf, daß jene ein altes Relief trägt, das heute die
b c h e 1 1 e 1 der pampinen Sierren auszeichnet, daß ihr das schroöe. felsige Hoch-
gebirgsrelief f e h 1 1 , das die Abhänge der Sierren auszeichnet. Verschärft wird der
Gegensatz durch die außerordentliche Entwicklung des Schuttes in der Puna der
Berg und lal überzieht alle Formen rundet und glättet. Seine Bildung hängt mit
der sehr viel größeren Trockenheit der Puna im Vergleich zum semiartden Gebiet
der pampinen Sierren zusammen.
In die Gesellschaft werden aufgenommen:
als ansässige ordentliche Mitglieder
Herr Dr. Gerhard G u m 1 i c h , Studienrat, Charlottenburg,
Herr Dr. Gerhard Kammrad, Oberlehrer,
Herr R. Sydow, Exzellenz, Staatsminister a.D.;
als auswärtige ordentliche Mitglieder
Herr JosefFrühling, Oberlehrer, z. Zt. Weißensee,
Herr Karl Stabenow, Oberlehrer, z. Zt. Berlin.
122 Verhandlungen der Gesellschaft.
Allgemeine Sitzung vom 15. März 1919.
Vorsitzender: Herr P e n c k.
Die Sitzung fand um 7 Uhr abends in der neuen Aula der Uni-
versität statt, welche Rektor und Senat der Universität freundlichst zur
Verfiiguntj gestellt hatten. Die Beteiligung war auf die Mitglieder der
Gesellschaft und die von ihnen eingeführten Gäste beschränkt. Auüer-
dem hatten der Vorstand sowie das Reichs-Kolonialamt an Vertreter
der Reichs- und Staatsbehörden, insbesondere an das Kommando der
Schutztruppen und an die aus Deutsch-Ostafrika heimgekehrten Offiziere,
Beamte und Mannschaften Einladungen ergehen lassen. Auch der
Lehrkörper der Universität und die Mitglieder der Akademie der
Wissenschaften waren zahlreich vertreten. Die Beteiligung betrug über
1200 Personen.
Die Tagesordnung für die Sitzung lautete:
1. Begrüßung der aus Ostafrika heimgekehrten Schutztruppen;
2. Herr Gouverneur Dr. Schnee: ,,Die Zustände in Deutsch-
Ostafrika während des Krieges."
3. Protest der Gesellschaft für Erdkunde gegen die Bestreitung
der kolonisatorischen Fähigkeiten des deutschen Volkes.
Ausführlichen Bericht über den Verlauf der Sitzung siehe S. r.
Schluß der Redaktion am 21. April 1919.
Druck von E. S. Mittler & Sohn, Berlin SW 68, Kochstr. 68—71.
Zeitschrift der Gesellschaft für Erdkunde zu Berlin. 1919. Heft 1-2.
Karte 1
Verteilung der Deutschen und Polen
in Westpreußen und Posen.
Dargestellt von Prof Dr Albrecht Penck.
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Heyde,
in
Das Schichtstufenland.
Von Professor Dr. Robert Gradmann.
Der Hauptzweck der folgenden Alitteilungen ist der Nachweis
von Rumpfflächen, die weder Abrasionsflächen noch Peneplains
sind und in beliebiger Höhe über dem Gleichgewichtsprofil der Flüsse
entstehen können. Sie gehören ausschließlich dem Bereich der Flach-
schichtung an und lassen sich wohl am besten im Schichtstufenland
nachweisen. Als Beispiel wähle ich die süddeutsche Stufenlandschaft,
nicht bloß, weil sie mir besonders genau in allen ihren Teilen bekannt
ist; sie eignet sich auch aus allgemeinen Gründen gut als Musterbei-
spiel und ist als solches schon bisher mit Vorliebe benutzt worden.
Die süddeutsche «der schwäbisch-fränkische Stufenlandschaft ist
gleich ihrem Gegenbilde, dem lothringischen Stufenland, aus dem
Schichtengebäude der Trias und des Jura herausgeschnitten. Die La-
gerung ist wenig gestört und zeigt nur im allgemeinen ein leichtes
Einfallen vorwiegend gegen Südosten. Die Schichten sind dort, wo sie
am höchsten liegen, im Norden und Westen, auch am stärksten der Zer-
störung anheimgefallen. So entsteht, wie aus jeder geologischen Über-
sichtskarte zu ersehen, eine gürtelförmige Anordnung der Gesteinsfor-
mationen. Von den Jurahöhen der Schwäbischen und Fränkischen Alb
schreitet man nach Norden und Westen über den Lias, Keuper und
Muschelkalk des Neckar- und Maingebiets hinweg zu immer älteren
Schichten, bis schließlich im Schwarzwald, Odenwald und Spessart der
Buntsandstein und dessen Unterlage aus paläozoischen und archaischen
Gesteinen zutage kommt. Ansehnliche Stufenbildungen, deren Stirn
ebenfalls nach Nordwesten und Westen schaut, stehen, wenigstens nach
der früher allgemeinen Auffassung, in engem Zusammenhang mit dem
Wechsel des Gesteins. Sie scheinen an Schichtenmassen von beson-
derer Widerstandskraft geknüpft, wie die Kalke des Weißen Jura
(Schwäbisch-Fränkische Alb), die blauen Kalke und Eisensandsteine
des Doggers (Vorstufen der Alb), die Kalk- und Sandsteine des unteren
Lias (Albvorland, Filder, Höhen des Schurwaldes und Welzheimer
Waldes usf.), die Keupersandsteine (Keuperhöhen vom Schönbuch bis
zum Steigerwald und zu den Haßbergen) und den Hauptmuschelkalk
(Gäu-Ebenen des württembergischen Unterlands, des badischen Bau-
lands und Unterfrankens). Auf diesen inneren Zusammenhang will das
Wort ,,S c h i c h t Stufenland" hinweisen.
Trotz dieses überaus einfachen Aufbaues ist der Entstehungs-
mechanismus keineswegs geklärt; manche Probleme, die uns jetzt be-
Zeitschr. <1 Ge>eUscb. f. Erdkurnie zu Berlin. 1919. Xr. 3/4. 8
J^ ] 4 R o b e r t Ci r a d m a u n :
sonders wichtig scheinen, hat man bis vor kurzem überliaupt nicht
gesehen, und, was noch mißHcher ist, verfehlte Theorien haben mehr
als einmal zu irrtümlicher Darstellung der tatsächlichen Geländever-
hältnisse verführt.
1. Das Neumayrsche Prinzip. Melchior Neumayr^), dem sich aus-
drücklich Alfred Hettner-) und stillschweigend unter anderen Wilhelm
Branca^) angeschlossen hat, erklärt die Formen des Schichtstufenlands
aus der Beschleunigung der Abtragung mit der Höhe über dem Meere.
In den Hochgebirgen sind, wie Neumayr ausführt, die Täler noch un-
fertig, ihre Sohle ist stark geneigt, das Wasser greift daher mit außer-
ordentlicher Energie an, und dadurch wird auch für alle anderen Ab-
tragungsvorgänge eine steile Böschung geschaffen. Außerdem nehmen
die Niederschlagsmengen mit der Höhe zu, die Verwitterung und
namentlich die Frostwirkung ist eine viel kräftigere. Die Folge ist
eine Steigerung der Abtragung mit zunehmender Erhebung, ,, welche
alles auf ein normales, mit der Entfernung vom Meere gleichmäßig
ansteigendes Niveau zu erniedrigen sucht".
Damit allein schon soll sich die nach Norden und Westen hin
zunehmende Zerstörung und Abfuhr der Gesteinsmassen erklären. Aus
dem wechselnden Gesteinswiderstand gegenüber den Kräften der Ab-
tragung ergibt sich dann die Stufenbildung von selbst.
Gegen diese Theorie besteht das grundsätzliche Bedenken, daß
damit der Abtragungsbeschleunigung mit der Höhe doch wohl zu viel
zugemutet wird. Wir verstehen, daß und warum im Hochgebirge
oberhalb der Schneegrenze die Wirkung der abtragenden Kräfte gegen-
über dem Mittelgebirge oder dem Tiefland um em Mehrfaches ge-
steigert sein muß; wir verstehen auch, daß an gewissen kritischen
Punkten, wie z. B. an der Waldgrenze infolge des fehlenden Vege-
tationsschutzes, eine plötzliche Steigerung der Abtragungsvorgänge
eintreten wird. Allein unverständlich bleibt, wie es dadurch zu einer
vollständigen Nivellierung des Landes kommen soll. Mit der allmäh-
lichen Abtragung des Hochgebirges zu Mittelgebirgshöhe nimmt ja
auch die Energie der zerstörenden Kräfte ab, und es ist nicht zu
glauben, daß durch die ganz unbedeutende Zunahme der Niederschläge,
sagen wir von 50 zu 50 Meter, die Abtragung in einer Weise gesteigert
werden soll, daß dadurch eine auch nur annähernde Einebnung erzielt
würde. Ein gewisser Höhenunterschied im vSinne des Schichten-
gefälles müßte jedenfalls immer bestehen bleiben.
^) Erdgeschichte i. 1887. S. 446 ff.
-) Rumpfflächen und Pseudorumpfflächen (Geogr. Zeitschr. 19. 1913- S. 193).
ä) Schwabens 125 V'ulkanembrjonen (Jahresh. des V. f. vaterl. Naturk. in
Württ. 50. 1894. S. 537 ff.).
Das Schichtstufenland. 115
In unserem Falle liegt aber sogar eine Umkehrung des ursprüng-
lichen Gefälles vor. Während die Schichten nach Nordwesten an-
steigen, werden die Stufen in der gleichen Richtung bis an den Rand
des Odenwaldes immer niedriger; der Rand der VVeiß-Jura-Stufe er-
reicht in Schwaben eine mittlere Höhe von etwa 700 m, die Keuperstufe
etwa 500 m, die Muschelkalkstufe 200 bis 300 m. Die verschiedene
Widerstandskraft der Gesteine erklärt diese Höhenunterschiede keines-
wegs ; die Schichtenmassen des Braunen Jura sind durchschnittlich nicht
härter als die Keupersandsteine, und diese gewiß nicht widerstands-
fähiger als der Hauptmuschelkalk.
Dagegen spürt man deutlich den Einfluß des Stromgefälles. In
dessen Richtung nehmen die Höhen im allgemeinen ab, wie sie auch
von jedem größeren Fluß seitlich zurückweichen. Das Zurücktreten
der Keuperhöhen zu beiden Seiten des Neckars von Cannstatt ab-
wärts, die Buchtenbildung der Rems und Murr, ebenso von Kocher,
Bühler und Jagst je beim Austritt aus der Keuperstufe geben davon
ein lebhaftes Bild^). Es ist nicht unmöglich, diese Beziehung in die
Neumayrsche Erklärung hineinzudeuten; doch müßte das Verhältnis
zu den sonstigen abtragenden Kräften jedenfalls deutlicher zum Aus-
druck kommen.
2. Die Davissche Theorie des Schichtstufenlandes. Eine jetzt sehr
verbreitete Theorie, die in ihrem Grundgedanken auf Ramsay zurück-
geht, wurde durch W. M. Davis entwickelt, und speziell auf das süd-
deutsche Stufenland durch Erwin Scheu^), durch Penck^) und auch
durch Davis und Braun*) angewandt. Sie überträgt die Abhoblung des
schiefgestellten Schichtengebäudes einem besonderen Vorgang, der Ab-
tragung der ganzen Landschaft bis auf das untere Denudationsniveau,
mit anderen Worten, der Bildung einer Peneplain oder Verebnungs-
fläche^). Damit entsteht der gürtelförmige Wechsel des Gesteins, und
es ist zugleich der Entwässerungsrichtung der gebührende Einfluß ein-
geräumt. Erst infolge nachträglicher Neubelebung des Flußgefälles
kommt es dann zur Ausräumung der weichen Gesteinsstreifen durch
subsequente Flüsse ; dadurch werden die harten Schichten herausgear-
beitet oder „herausgeschält", ,, herauspräpariert". An den so entstan-
denen Schichtstufen entsprechen die Stufenflächen den Schichtflächen,
^) Vgl. z. B. Regelmanns Geolog. Übersichtskarte von Württemberg und Baden.
'') Zur Morphologie der Schwäbisch-Fränkischen Stufenlandschaft (Forsch, z.
d. Landes- u. Volksk. 18. 1909. S. 370 ff.).
^] In Scobels Handbuch. 5. Aufl. 1909. i. S. 149.
*) Grundzüge der Physiogeographie. 2. Aufl. 2. S. 46.
^) Diesen Ausdruck verwende ich im folgenden ausschließlich im strengen
Sinn des Wortes peneplain, d. h. für Abtragungsflächen, die durch Einebnung bis
auf das untere Denudationsniveau entstanden sind.
11«
Robert Grad mann:
die Stufenabfälle den Schichtköpfen, und eine durch die Stufenkanten
gelegte ideale Fläche entspricht der alten Verebnungsfläche. Vgl. das
Schema Abb. 6.
Gegen diese Theorie läßt sich ein sehr gewichtiger Einwand er-
heben : die Formen, die sie erklären will, entsprechen wohl einer viel-
\ erbreiteten und in zahlreichen Profilen niedergelegten Auffassung*),
aber nicht der Wirklichkeit. Die Stufenflächen des schwäbisch-frän-
kischen Stufenlandes sind zum überwiegenden Teil gar keine Schicht-
flachen, sundem Rumpfflächen vom Charakter der Tafelrümpfe^). Statt
konkordant mit dem Schichtenbau zu verlaufen, wie die schematischen
Profile es darstellen, schneidet die Oberfläche die Schichten meist schief,
wenn auch in sehr flachem Winkel ab, so daß die zu oberst liegenden
Schichten allmählich auskeilen und eine nach der andern zum Ver-
schwinden kommt.
Abbild. 6.
Die Sache ist an und für sich von keiner großen Bedeutung und
wurde denn auch früher nicht weiter beachtet. Allein neuerdings wird
großer Wert darauf gelegt, und weitgehende Schlüsse haben sich an
diese Beobachtung geknüpft, so daß wir keinesfalls daran vorbeigehen
dürfen.
Der Sachverhalt wurde zuerst auf der Alb erkannt. Dort sind
gegen die Donau, im Nordzug der Fränkischen Alb auch gegen den
ßöhmerwald hin, die jüngsten Jura- bzw. Kreideschichten in bedeuten-
der Mächtigkeit erhalten; nach Norden und Westen nehmen sie immer
mehr ab, bis sie schließlich, und zwar ohne erkennbare Stufenbildung,
ganz verschwinden und die Felsen- und Quaderkalke des mittleren
Weißen Jura die Oberfläche bilden. Nach Erwin Scheu') und Erich
Seefeldner*) ist diese Tatsache gleichzeitig auf zwei Pfingstexkursionen
') Z. B. Regelmann a. a. O. (Profil); Hranca a. a. O. S. 513; Fritz Jäger, Über
Oberflächengestaltung im Odenwald (Forsch, z. d. Landes- u. Volksk. 15. 1904. S. 275).
-) Über Falten-, Schollen- und Tafelrümpfe vgl. Hettner a. a. O. S. 107.
3) A. a. O. S. 371.
*) Morphogenetische Studien aus dem Gebiete des Fränkischen Jura (Forsch, z.
d. Landes- n. Volksk. 21. 1914. .S. 343).
Das Schichtstufenland. 117
des Jahres 1907 vom Berliner Geographischen Seminar auf der Schwä-
bischen Alb, vom Wiener Seminar auf der Fränkischen Alb festgestellt
worden. Neuerdings hat auch Hermann Reich^) auf die „bisher an-
scheinend übersehene, höchst bemerkenswerte Tatsache" der „über-
raschenden Ebenheit" der Albhochfläche im Vergleich mit dem tekto-
nischen Bau hingewiesen und dieselbe als alte Abtragungsflächc erklärt.
Sehr bemerkenswert ist auch der Nachweis eines tektonischen Grabens
auf der HohenzoUernalb^) ; die Oberfläche geht darüber hinweg, wie
wenn er gar nicht da wäre. Im Grunde kannte man diesen Rumpf-
charakter schon längst; er ist aus der geologischen Karte ohne weiteres
abzulesen, und z. B. Gümbel hat bereits deutlich genug darauf hin-
gewiesen. Es handelte sich nur noch darum, dem Kinde den rechten
Namen zu geben.
Fast noch deutlicher kommt das Wesen der Rumpffläche in den
Gäu-Ebenen des württembergischen Unterlandes und Unterfrankens
zum Vorschein (Herrenberger Gäu und Strohgäu, Kraichgau, Hohen-
lohesche Ebene, Bauland. Unterfranken). Darauf hat Scheu^) zuerst
hingewiesen. Wie schon aus Regelmanns Übersichtskarte und noch
eindrucksvoller aus den geologischen Karten größeren Maßstabs her-
vorgeht, besteht die sogenannte Muschelkalkstufe oder Muschelkalk-
platte nur zum Teil aus Muschelkalk, hauptsächlich in den höher ge-
legenen Strecken entlang dem Rande des Schwarzwaldes, Odenwaldes
und Spessarts. Sonst ist der Untergrund überwiegend Lettenkohle,
meist noch überdeckt von Löß und Lößlehm ; teilweise tritt sogar Gips-
keuper an deren Stelle, so im östlichen Kraichgau und im Zabergäu.
Über alle diese Schichten hinweg läuft, sie in flachem Winkel schnei-
dend und ohne Stufenbildung, eine einheitliche, nur von jungen Tälern
zerschnittene Ebene in einer Höhenlage von 250 bis 350 m, nur an
den Rändern gegen den Schwarzwald und Odenwald hin bis über 500 m
ansteigend.
Ähnlich verhält es sich auf den Keuperhöhen des Schönbuchs.
Schurwaldes, Welzheimer und Mainhardter Waldes, der Löwensteiner
und Waldenburger, Limpurger und EUwanger Berge, der Frankenhöhe
und des Steigerwaldes. Nur auf den älteren geologischen Karten, die
ganze Schichtenstöße unter der einheitlichen Farbe des „Stubensand-
steins" zusammenfassen, erscheinen diese Hochflächen als Schicht-
flächen; in Wirklichkeit schneidet die Oberfläche in der auf weite
^) Stratigraphische und tektonische Studien im Uracher Vulkangebiet. Diss.
Freiburg 1915. S. 27.
2) Edwin Grünvogel. Geologische Untersuchungen auf der HohenzoUernalb.
Diss. 19 14.
3) A. a. O. S. 387.
118
Robert G r a d m a n ii :
Strecken auffallend gleichbleibenden Höhe von etwa 500 m diskordant
eine ganze Reihe von Formationsgliedern durch. Erst der untere Lias
erzeugt darüber wieder eine deutliche Stufe.
Auf den neueren Karten großen Maßstabs mit weit durchgeführter
stratigraphischer Gliederung und sorgfältig konstruierten Profilen
kommen die Rumpfflächen gut zum Ausdruck. Ich empfehle zum Stu-
dium besonders die Geologische Karte des Großherzogtums Baden.
I : 25 000, Bl. 34, 41, 47, 52, 101/102, HO, 120, 121, 144, und die
Wei liribich
Vogsltftld
fiitjtnburg
Bftten^erj
MuicheLKalh:
n
LettenhohU.
mm E5S] [zz
6ip5Keupcr Sandsteine u Mergel LidS.
dmiltUr u. ober. K«upi?n
Braun prJura.
Abbild. 7. Profil durch die Rumpffläche der Baar bei Schwenningen
von WNW nach OSO.
(Nach der geologischen Spezialkartc von Württemberg.)
württembergischen Blätter gleichen Maßstabs, Bl. 66, 80, 92, 93, 94.
105, 106, 117, 118, 141, 151 (wiedergegeben in Abb. 7). Aus diesen
Profilen ist auch zu ersehen, wie die Oberfläche sich über die meisten
Verwerfungen als Schollenrumpffläche spurlos hinwegsetzt.
Durchaus treffend ist der Tatbestand auch in den zahlreichen
Profilen von Erich Seefeldner a. a. O. dargestellt. In älterer Zeit finde
ich besonders von Gümbel (Geognostische Karte des Königreichs
Bayern, Bl. 17, Ansbach) die Verhältnisse richtig wiedergegeben.
3. Sonstige Peneplaintheorien. Die heutige Geomorphologie^)
kennt außer gewissen, noch nicht völlig geklärten Formen des glazialen
und des ariden Klimas, die hier nicht in Frage kommen, nur zwei Arten
1) Vgl. bes. Alfred HeUner a. a. O. S. 185 ff.
Das Schichtstufenland.
119
!^ 3
ii5
.äS
von Rumpfflächen: Abrasionsflächen und Ver-
ebnungsflächen. Im Bereich des schwäbisch-
fränkischen Stufenlandes ist auch die Abrasion
durch Meeresbrandung höchstens für die öst-
Hchsten und südlichsten Teile des Juragebiets
(Transgression des Kreide- und wieder des
MoUassemeörs) denkbar, sonst vollkommen aus-
geschlossen. Nach dem bisherigen Stande der
Wissenschaft sind daher weder die Beobachtungs-
grundlagen, noch ist die Schlußweise zu bean-
standen, wenn von verschiedenen Seiten die
Folgerung gezogen wurde: die Stufenflächen sind
Rumpfflächen, also Verebnungsflächen ^). Sie
wären somit nicht bloß aus einer Verebnungs-
fläche herausgearbeitet, wie die Davissche Theorie
es will, vielmehr unmittelbar Stücke von Ver-
ebnungsflächen.
Die einfachste, aber auch gewaltsamste
Lösung dieser Art ist die von Erich Seefeldner^)
und Gustav Braun 3): Die einzelnen Rumpfflächen
werden als Stücke einer ursprüngUch einheitlichen
präoligozänen Verebnungsfläche aufgefaßt. Da
sie heute ja nicht in einer Ebene, sondern als
Stufenflächen übereinander liegen, so müßten in-
zwischen tektonische Verschiebungen eingetreten
sein. Eine Verbiegung oder richtiger eine Flexur
der Verebnungsfläche wird von Seefeldner denn
auch in der Tat angenommen. Wie jedoch aus
seinen eigenen Profilen (besonders Tafel III
Prof. 23, hier in Abbild. 8 wiedergegeben) hervor-
geht, ist in den Lagerungsverhältnissen von einer
solchen Flexur durchaus nichts wahrzunehmen;
die Schichten zeigen ein, wenn auch nicht
schlechthin regelmäßiges, so doch stetiges Ein-
fallen nach Osten. Zur Zeit der Verebnung
müßte demnach der westliche Flügel aufgebogen
gewesen sein, um bis auf den Keuper herab
^) Z. B. Seefeldner a. a. O. S. 242: „Dies lehrt, daß
die Hochfläche des Fränkischen Jura keine Schichtfläche
ist, sondern die Schichtflächen schneidet. Es liegt also
hier eine Rumpffläche, eine Peneplain vor".
2) A. a. O. S. 242 flf.
3) Deutschland. 191 6. S. igff.
220 Robert G r a il in a n n
abgetragen zu werden und dann wieder in seine ursprüngliciie Lage
zurückzusinken. Wir hätten damit den ganz kniffligen Fall einermorpho-
logischen Flexurstufe bei tektonisch ungestörter Lagerung, und von
einer Schichtstufe dürften wir überhaupt nicht mehr reden. Seefeldner
zieht dabei neben der Fränkischen Alb nur die Hochflächen des Steiger-
waldes und der Frankenhöhe in Betracht. Sollen, wie Gustav Braun
es für wahrscheinlich hält, auch die Gäu-Ebenen und die Höhen des
Schwarzwaldes derselben präoligozänen Verebnungsfläche angehören,
so müßte der gleiche verzwickte Verbiegungs- und Rückbiegungsvor-
gang wiederholt an verschiedenen Stellen angenommen werden ; eine
Vorstellung, zu der man sich schwer entschließen wird. Sie steht über-
dies mit dem sicher beobachteten Zurückweichen der Stufen im Wider-
spruch.
Es ist kein Zweifel : wenn die einzelnen Stufenflächen Vereb-
nungsflächen sind, dann können sie nicht gleichzeitig, sondern nur
nacheinander entstanden sein, und in der Zwischenzeit muß jedesmal
eine Verjüngung der ganzen Landschaft durch Hebung der gesamten
Scholle oder durch Tieferlegung der Erosionsbasis stattgefunden haben.
In richtiger Erkenntnis dieser Sachlage hat bereits Erwin Scheu^)
wenigstens zwei Verebnungsflächen angenommen, eine ältere, tertiäre,
der die Hochflächen der Alb angehören, und eine jüngere, die der
großen, von Kocher, Jagst und Tauber durchflossenen „Muschelkalk-
ebene" entspricht. Allein auch die Keuperhöhen werden von Rumpf-
flächen abgeschnitten ; was dem einen recht, ist dem andern billig.
Norbert Krebs und Otto Lehmann^) sind deshalb ganz folgerichtig
bereits bei einer Dreizahl angelangt : ,,Vor dieser einen Landoberfläche
(der Fränkischen Alb) liegt nun eine zweite niedrigere im Bereich der
oberen Altmühl und der Rezat, die mit 500 bis 470 m Höhe quer über
Keuper, Lias, Dogger hinweggreift und sich bis hart an die Stirn der
Malmstufe verfolgen läßt. Es besteht also vor der Alb eine ausge-
dehnte Einebnungsfläche von der Art, wie sie Scheu aus dem Gebiet
der Muschelkalklandschaft der Hohenloher Ebene und des Tauber-
grunds beschreibt, die sich ihrerseits an den Fuß der Frankenhöhe
anschließt."
Drei Verebnungsflächen übereinander, wobei es jedesmal auf weite
Strecken zu einer vollkommenen Abtragung des Landes bis zum
unteren Denudationsniveau kommt, während an anderer vStelle wieder
ansehnliche Reste vom nächstvorhergegangenen und darüber wieder
solche von einem noch älteren Zyklus stehengeblieben sind, das ist
immer eine schwierige Vorstellung. Sie zwingt, Dinge zusammen-
») A. a. O. S. 378.
^) Zur Urgeschichte der Rezat-Altmühl (Zeitschr. d. (ies. f. Erdk. Berlin 1914).
Das Schichtstufenlaiid. 121
zudenken, die sich im Grunde widersprechen. Schließlich könnte man
sich jedoch mit allerhand Hilfshypothesen über diese allgemeine
Schwierigkeit hinwegtrösten, wenn sich nur wenigstens einzelne An-
haltspunkte ergeben wollten,, die uns die Anwendung der Theorie
gerade in diesem Fall erleichtern. Aber das Gegenteil ist der Fall.
Bedenklich ist es schon, daß sich der vollständige Ablauf der drei
Zyklen im wesentlichen in die Tertiärperiode zusammendrängt. Noch
mehr muß uns befremden, daß die tektonische Ruhe, die den voll-
ständigen Ablauf eines Zyklus bis zum Endstadium ermöglicht, jedes-
mal genau mit dem Zeitpunkt zusammentrifft, in dem sich die Gleich-
gewichtskurve der Flüsse gerade im Bereich der widerstandsfähigsten
Schichten (Jurakalk, Keupersandstein, Hauptmuschelkalk) befand^).
Das Wesen der Schicht stufe wird ja auch von dieser Theorie
preisgegeben ; das Zusammentreffen mit dem Wechsel harter und
weicher Schichten erscheint wesentlich als Zufall und läßt sich nur
sehr schwer deuten. Macht man gar vollen Ernst mit dem Grundsatz,
daß jede Rumpffläche eine Verebnungsfläche sein muß, dann bekämen
wir in Wirklichkeit nicht bloß drei, sondern mindestens ein halbes
Dutzend Verebnungsflächen übereinander, jede zufällig im Bereich
harter Schichten. Denn auch im Schilfsandstein, im unteren Lias, im
unteren und mittleren Dogger, im unteren Weißen Jura stellen sich
scharf abgesetzte Stufenflächen ein, die sich nur ausnahmsweise mit
den Schichtflächen decken.
In neue Verlegenheiten bringt uns die Aufgabe, anzugeben, wel-
chem Umstand die als Stufen über der nächstunteren Verebnungsfläche
sich erhebenden Gebirgsmassen jedesmal ihre Erhaltung verdanken.
Die Annahme, daß es „Härtlinge" seien, daß die abgetragenen Teile
der einzelnen Schichtenmassen in einer leichter verwitternden Fazies
entwickelt gewesen seien als die stehengebliebenen, wäre ja doch voll-
ständig aus der Luft gegriffen. Es könnten nur ,,Mosore"') sein,
Gebirgsmassen, die entlang den Wasserscheiden wegen des dort w'e-
niger tiefen Einschneidens der Flüsse stehengeblieben sind ; dann aber
müßte man doch wohl einen sehr allmählichen Übergang in die tiefer
liegende Verebnungsfläche annehmen. Statt dessen sehen wir
überall die Stufen scharf abgesetzt, schroff und steil sich erheben.
Die einzelnen Verebnungsflächen müßten sich auch rückwärts ins
Bergland hinein mindestens in Form von Terrassen verfolgen lassen ;
auch das will nirgends recht gelingen. Versuchen wir es mit Sehens
*) Beide Einwände hat in allgemeiner Form schon Hettner (a. a. O. S. 194)
erhoben.
') Vgl. Penck, Geomorphologische Studien aus Bosnien und der Herzegowina
(Z. d. D. u. Ost. Alpenv. 31. 1900).
222 Robert G r a d m a n ii :
,, Muschelkalkebene", die am Talausgang des Neckars aus den Keuper-
höhen bei Cannstatt 80 bis 100 m über dem Neckarspiegel liegt, so
finden wir im Keupertal bei Eßlingen an den Talwänden in entsprechen-
der Höhenlage Terrassen, die sich allenfalls als Flußterrassen deuten
lassen, aber auch Schichtterrassen (Stubensandstein) sein können.
Erst bei Plochingen stellt sich wieder eine breitere Fläche ein ; es ist
die Liasebene der ,,Filder". Allein sie behält die zu erwartende
Höhenlage keineswegs bei; sie steigt nach Westen allmählich an, bis
sie bei Stuttgart die im Norden unmittelbar vorliegende ,, Muschel-
kalkebene" um mehr als 200 m überragt! Hier geht also eine Ver-
ebnungsfläche in die nächstältere, ja sogar in die vornächste über, und
was das Schlimmste ist, diese Regelwidrigkeit steht im schönsten Ein-
klang mit dem Schichtenbau : die Filderebene hebt sich einfach mit
dem unteren Lias, dem sie angehört. Das ist nur eins der vielen Bei-
spiele von unerträglichen Widersprüchen, die man nur mit den kunst-
vollsten Verbiegungs-, Härtlings- und sonstigen Hilfshypothesen hin-
wegdeuten könnte, während ein viel einfacherer Zusammenhang mit
Händen zu greifen ist.
Als mageres Ergebnis der kritischen Übersicht über die bisherigen
Versuche zur Morphogenese des süddeutschen Stufenlandes bleibt nur
die Feststellung: Die Stufenflächen sind ihrer Hauptmasse nach aller-
dings keine Schichtflächen, sondern Rumpfflächen. Es sind aber auch
keine Verebnungsflächen, wenigstens nicht alle. Die Schlußfolgerung :
,, Rumpffläche, also Verebnungsfläche" kann nicht richtig sein; es muß
noch irgendeine andere, bisher nicht beachtete Möglichkeit der Rumpf-
flächenbildung geben.
4. Das Prinzip der abgeflachten Firste. In der Tat ist es möglich,
auch ohne Peneplain in einzyklischer Entwicklung zu den Charakter-
formen des Schichtstufenlandes zu gelangen, sobald man sich nur von
gewissen inkorrekten Vorstellungen über die Abtragungsvorgänge befreit^).
Ehe ich an diesen Nachweis gehe, ist noch eine Vorfrage zu er-
ledigen, nämlich wie es kommt, daß die beiden Hauptflüsse des
schwäbisch-fränkischen Stufenlandes, Main und Neckar, dem
Schichtengefäll entgegenfließen. Diese auffällige Erscheinung
erklärt man sich wohl am einfachsten mit Fritz Jäger-) durch Ante-
^) Die Deduktion, in die ein Teil der folgenden Mitteilungen gekleidet ist.
will nicht als Untersuchungsmethode, nur als Darstellungsform aufgefaßt sein. Der
wirkliche Weg, auf dem ich zum Ziele gelangt bin, ist sehr viel umständlicher: er
hat von ungezählten Einzelbeobachtungen über ebenso viele, oft später als irrtümlich
erkannte Erwägungen und Versuche geführt und kann dem Leser unmöglich zu-
gemutet werden.
2) A. a. O. S. 278.
Das Schiclitstufenland. 123
zedenz. Die ursprüngliche Abdachung des Landes bei der ersten
Hebung aus dem Jurameer mag den heutigen Entwässerungsverhält-
nissen ungefähr entsprochen haben, abgesehen von einer nachträglichen
kleinen Verschiebung der Wasserscheide zuungunsten des Donau-
gebiets, ein vielbesprochener und oft übertriebener Vorgang, der uns
hier nicht weiter berührt. Erst in der Folge hob sich dann das Land
gegen den Schwarzwald und Odenwald hin stärker als im Südosten
und Osten. Diese nachträgliche Hebung ging jedoch so langsam
vonstatten, daß es zu keiner Gefällsumkehrung der Flüsse kam ; diese
konnten in der seit Powell oft geschilderten Weise ihre ursprüngliche
Laufrichtung beibehalten, indem sie im gleichen Zeitmaß wie das Land
sich hob, ihr Bett entsprechend tiefer einsägten^).
Wie man sich das nun auch zurechtlegen mag, jedenfalls sind im
Bereich des Unterlaufs von Main und Neckar Schichten, die zur
Jurazeit noch tief unter dem Meeresspiegel lagen, heute 200 m
über das Meer emporgehoben; die Flüsse haben inzwischen sämtliche
Gesteinsformationen vom Weißen Jura bis herab zum Buntsandstein
durchsägt und ihre Täler Hunderte von Metern vertieft. Riedel
von solcher Höhe konnten zwischen den Tälern nicht stehenbleiben.
Dies folgt aus dem Prinzip des oberen Denudationsniveaus, wie es
Penck in seiner Morphologie^) entwickelt und in Scobels Handbuch^)
durch Profile veranschaulicht hat (s. Abb. 9). Mit dem Tieferein-
sehneiden der Paralleltäler müssen die dazwischenstehenden Riedel
immer schmäler werden (Abb. 9, I. H.), bis schließlich die Hänge be-
nachbarter Täler oben zusammenstoßen, sich gegenseitig schneiden
(Abb. 9, HL) ; damit ist die ursprüngliche Oberfläche ganz verschwun-
den, aus dem Riedel ist ein Grat oder First*) geworden. Bei gegebener
Maschenweite des Talnetzes und mittlerem Böschungswinkel müssen
fortan mit jeder weiteren Talvertiefung auch die Firste an Höhe ent-
sprechend abnehmen (Abb. 9, HL IV.), und es kommt so zu einer
mittelbaren Abtragung des gesamten Flußgebiets. Um sich
^) Nehmen wir mit Deecke (Geologie von Baden 1918) eine Regression des
Jurameers an, so daß in der Gegend um den mittleren Neckar nur Brauner, kein
Weißer Jura zur Ablagerung kam, so müßte die Urabdachung allerdings doch eine
nordsüdliche gewesen sein. In diesem Fall kämen wir um eine Schaukelbewegung
kaum herum.
2) I. 1894. S. 365. Bei der ersten Einführung des Begriffs im Vortrage von
1887 (Über Denudation der Erdoberfläche. Sehr, des V. zur Verbr. naturw. Kenntn.
in Wien. 27. 1886/87 S. 443) fehlt noch die Begründung auf die Flußarbeit.
^) 5. Aufl. 1909. I. S. 144.
*) Die beiden Ausdrücke sind von Penck übernommen; wir brauchen den
ersten in morphographischem, den zweiten in morphologischem Sinne; Grate können
auf beliebige Weise entstehen, ein First nur durch Unterschneidung.
124
Robert G r ;i d m a n n
die ,,Abhoblung" eines schiefgestellten Schichtengebäudes auf ein im
großen einheitliches, in der Richtung des Fiußgefälles sich allmählich
senkendes Niveau verständlich zu machen, bedarf es daher weder einer
gewaltigen Steigerung der Abtragung mit der Meereshöhe im Sinne
Neumayrs, noch einer besonderen Peneplainbildung. Es genügt dazu
die gewöhnliche Flußarbeit^.
Außer der Flußarbeit wirken ja aber noch zahlreiche andere Vor-
gänge auf das Gelände ein, die Verwitterung der Oberfläche und Ab-
fuhr der gelockerten Bestandteile durch die Schwerkraft, durch ober-
flächlich abspülendes Regen- und Schneewasser, durch den Wind und
durch chemisch auflösendes oder auslaugendes Sickerwasser. Ihre
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Abbild. 9.
vereinten Wirkungen fassen wir im Gegensatz zur Flußarbeit als un-
mittelbare Abtragung oder Abtragung schlechtweg zu-
sammen.
Aus den heutigen Formen geht ohne weiteres hervor, daß die
Flußarbeit längere Zeit der Abtragung vorausgeeilt sein muß; denn
der umgekehrte Fall ist nicht denkbar, und solange die Abtragung
mit der Ausschürfungstätigkeit des Flusses auch nur gleichen Schritt
hält, kommt überhaupt keine Talbildung zustande, vielmehr hätten
wir dann eine von ihrer Geburt an „greisenhafte" Landschaft. Solange
die Flußarbeit im Vorsprung ist, beherrscht sie durch die Unterschnei-
dung der Talwände die ganze Formenwelt; die Wirkung der Ab-
1) Auch hierin schließe ich mich Fritz Jäger (a. a. O. S. 273 f.) an.
Das Schichtstufenland. 125
tragung bleibt vollkommen verdeckt. Die ganze Landschaft besteht,
hobald die ursprüngliche Oberfläche durch Unterschneidung beseitigt
ist, lediglich aus Kerbtälem und dazwischenstehenden Firsten, das
Bild eines frisch zerschnittenen Berglandes.
Schließlich aber muß die Talvertiefung aufgehört oder sich so
stark verlangsamt haben, daß die unmittelbare Abtragung den Vor-
sprung zum Teil wieder einholen konnte. Denn nur so ist die Ab-
flachung der Firste zu Rücken und Abtragungsflächen denkbar, wie
wir sie heute vor uns sehen.
Wir haben bestimmte Anhaltspunkte dafür, daß ein solcher
Wechsel sich im Laufe der Vorzeit öfters wiederholt hat. Allein für
das Verständnis der Grundformen genügt vorläufig die einfachere An-
nahme.
Denken wir uns die Flußarbeit anfangs allein tätig, die Parallel-
flüsse in stets gleichbleibender Entfernung voneinander und die
Schichten alle von gleicher, sehr bedeutender Widerstandskraft, so
könnte der Längsschnitt durch einen zwischen zwei Tälern stehen-
gebliebenen First entlang der Wasserscheide etwa so aussehen, wie
Abb. 9, L es zeigt.
In Wirklichkeit ist ja die Widerstandskraft der einzelnen Schich-
ten außerordentlich verschieden. In der Morphologie pflegt man nur
zwischen harten und weichen Schichten schlechtweg zu unterscheiden.
Durch die vereinten Kräfte des Luftkreises sollen die weichen Schich-
ten bis zum Flußniveau hinab zerstört und „ausgeräumt" und eben
dadurch die harten Schichten herausgearbeitet, ,, herauspräpariert"
werden. Als Ergebnis würde ein Profil entstehen ähnlich dem ifi
Abb. 6 wiedergegebenen. Das setzt offenbar unweigerlich voraus,
daß die Abtragung der harten Schichten gleich Null ist, daß diese
überhaupt nur mittelbar durch Untergrabung und Abbruch der
Schichtenköpfe eine Einbuße erleiden.
Daß diese Voraussetzung unhaltbar ist, bedarf eigentlich kaum
des Beweises; jedenfalls genügt die Erinnerung an ein paar allgemein
bekannte Tatsachen, um sich davon zu überzeugen. Schon die potro-
graphische Beschaiifenheit (Ouarzite, feste Kalke, härtere und weichere
Sandsteine und Konglomerate, Gips, Stein- und Tonmergel, Tone und
lockere Aufschüttungen) weist keineswegs auf einen einfachen Gegen-
satz von Hart und Weich, vielmehr auf eine reichgegliedcrte Stufen-
leiter hin. Überall wo Felsgestein in weitem Umfang bloßliegt, wie
etwa im Hochgebirge, in Polar- und Wüstengebieten, da lehrt der
Augenschein durch Steinschläge, Kernsprünge u. dgl., daß auch die
härtesten Gesteine schließlich der Verwitterung und Abtragung er-
liegen. Auf ebenen Flächen vollzieht sich die Abtragung allerdings
1 26 Robert Gradmann
viel weniger augenfällig als an den Hängen. Allein zu einem völligen
Stillstand kommt es auch hier in der Regel doch nicht, auch nicht
unter Vegetationsschutz, wenigstens nicht auf freien Hochflächen.
Selbst unter völlig ebenem VValdboden lassen sich bei gelegentlichen
Aufschlüssen im felsigen Untergrund, etwa aus hartem Kalkgestein,
frische Verwitterungsspuren wahrnehmen ; es läßt sich namentlich
beobachten, wie die Baumwurzeln in die Spalten eindringen und das
Gestein mit großer Gewalt zersprengen. Hätten diese Vorgänge seit
ungezählten Baumgenerationen in derselben Gesteinszone sich ab-
gespielt, so müßte diese längst zu feinem Grus und Schutt zertrüm-
mert sein. Die Verwitterungsrinde müßte bald eine solche Mächtigkeit
erlangt haben, daß auch die tiefgehendsten Wurzeln sie nicht mehr zu
durchdringen vermögen. Statt dessen lehrt der Augenschein, daß die
Verwitterung unter dem Vegetationsboden immer weitergeht und
immer wieder frisches Gestein angreift. Wenn dabei die Verwitte-
rungsrinde nicht unbeschränkt an Mächtigkeit zunimmt, so kann dies
nur daher rühren, daß im gleichen Zeitmaß, wie ihr durch subku-
tane- Verwitterung Bestandteile des Untergrundes einverleibt
werden, eine Abtragung und Entführung von Bodenbestandteilen nach
irgendwelcher anderen Richtung stattfindet. Es wird dabei im trocke-
nen Klima besonders an Entführung der Feinerde durch den Wind,
im feuchten an chemische Auflösung und Auslaugung zu denken sein,
die ja gerade in der Verwitterungsrinde besonders lebhaft vor sich
geht. Einer der stärksten Beweise dafür, welch gewaltige Massen auch
des härtesten Gesteins mit der Zeit durch subkutane Verwitterung zer-
^ört und durch chemische Auflösung beseitigt werden, ist wohl die
Lehmüberdeckung von Kalkhochflächen wie etwa auf der Schwäbi-
schen Alb. Diese Lchmdecken müssen, wiewohl heute oft aus-
gesprochen kalkarm, als Verwitterungsrückstände aus verhältnis-
mäßig sehr reinen Kalksteinen hervorgegangen sein; sie setzen daher
für ihre Bildung eine ganz gewaltige Masse der Auflösung verfallenen
Kalkgesteins voraus.
In besonders feuchtem Klima kommt es allerdings vor, daß durch
Rohhumus- und Ortsteinbildung die Abtragung unterbunden wird, daß
statt dessen sogar eine Anhäufung von Humusstoft'en Platz greift.
Allein das sind nach Raum und Zeit Ausnahmen, die wir nicht weiter
zu berücksichtigen brauchen.
Um uns die Wirkung der abtragenden Kräfte zu vergegenwär-
tigen, nehmen wir an, in dem Längsschnitt Abb. lo sei die Mächtigkeits-
abnahme der härteren Schichten b, d, f, g, i infolge der Abtragung
innerhalb einer Zeiteinheit = n, im Bereich der weichen Schichten c,
e, h, k zehnmal größer, also = lo n.
Das Schichtstufenland.
127
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j28 KobcrtTi radmann:
Nun wird sich die verschiedene Widerstandskraft der einzelnen
Schichten ja schon unter der Herrschaft der reinen Flußarbeit g^eltend
inachen : je härter das Gestein, um so steiler die Böschung der Tal-
wände, um so hölier der Grat ; je weicher das Gestein, um so flacher
die Böschung-, um so tiefer die Einsattlung der Firstlinie. Da sich
jedoch die Widerstandskraft des Gesteins hier in gleichem Sinne wie
bei der Abtragung geltend macht, können wir diesen Umstand ver-
nachlässigen und annehmen, der Einfluß des Gesteinswiderstandes auf
die Firsthöhe sei in dem Verhältnis i : lo schon inbegriffen.
Nunmehr lassen wir die Talvertiefung stillstehen und die Kräfte
der unmittelbaren Abtragung auf den First einwirken. Nach Verlauf
einer Zeiteinheit, worunter man sich eine mindestens fünfstellige Zahl
von Jahren vorstellen mag, wird dann der Längsschnitt dem Profil II
in Abb. lo, nach einer weiteren Zeiteinheit dem Profil III, nach fünf
Zeiteinheiten dem Profil IV entsprechen. Die Konstruktion ist ein-
fach und bedarf kaum der Erläuterung. Es ist z. B. im Profil II von
den harten Schichten f und g zwischen Punkt E und Punkt F die
Größe n abgetragen. In Punkt D hat die Mächtigkeit der harten
Schicht überhaupt nur noch % n betragen ; zu ihrer Abtragung wurde
daher nur die Hälfte der Zeiteinheit beansprucht, und die andere
Hälfte genügte, um die weiche Schicht e an diesem Punkt ebenso voll-
kommen abzutragen; denn ihre Mächtigkeit ist genau = 5 n ange-
nommen. Umgekehrt wurde in Punkt C die erste Hälfte der Zeit-
einheit für die Abtragimg der weichen Schicht e in Anspruch ge-
nommen, und in der zweiten Hälfte konnte von der harten Schicht d
nur noch der kleine Betrag von I/2 n beseitigt werden. In ähnlicher
Weise sind die Profile II bis IV durchaus berechnet.
Der Querschnitt entzieht sich einer exakten Konstruktion. Auch
nach Abschluß der Talvertiefung arbeitet die Seitenerosion an der
Umformung der Talwändc noch weiter, und zwar ungleich und un-
berechenbar (Mäander, Prallhänge, Gleithänge). Außerdem wissen
wir nicht, wie sich die Abtragungsgeschwindigkeit mit dem Böschungs-
winkel ändert. Im allgemeinen nimmt sie mit der Steilheit der
Böschung wohl zu ; aber w'eiche Schichten werden an Steilhängen
durch die darüberlagernden harten Gesteinsmassen geschützt, und
diese ihrerseits werden untergraben und brechen an den Schichten-
köpfen in die Tiefe. Ihr Schutt wirkt wiederum als schützende Decke
über den tiefer gelegenen Böschungen und schützt namentlich deren
Fuß, soweit er nicht vom Fluß unmittelbar benagt wird. Diese außer-
ordentlich verwickelten Verhältnisse vermögen wir nicht rechnend zu
beherrschen ; für die Beurteilung der Gesamtwirkung sind wir auf
Analogieschlüsse aus der unmittelbaren Beobachtung angew^iesen. Sie
Das SchichtstufcMiland. |29
lehrt uns. daß durch die Abtragungsvorgäuge die Böschungen ab-
geflacht, die Kanten abgeschliffen, die scharfen Grate mit der Zeit
in sanfte Rücken verwandelt werden, und zwar um so rascher, je
weicher und undurchlässiger das Gestein ist.
Wo daher harte Schichten in der Firstlinie liegen, da werden sich
Gratformen, wenn auch in etwas gemilderter Schärfe, bis zur völligen
Abtragung der betreffenden Schicht erhalten, so im Profil 1 1 und III
auf den Strecken AB. EF, JK, bzw. A^B\ EVF\pK\ Im Bereich der
weichen Schichten wird dagegen die Umwandlung in die Rückenform
rasch vor sich gehen; es wird bald eine Form entstehen wie Abb. ii, I.
Geht nun die Abtragung weiter, so wird zwar nicht einfach die Schicht-
fläche der nächstfolgenden harten Schicht hcrauspräpariert; wohl aber
muß die Abtragung sich beträchtlich verlangsamen, sobald sie die
harte Schicht erreicht. Dies ist zuerst an den Rändern der Fall, wäh-
rend in der Mitte im Bereich der weichen Schicht die Abtragung
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Abbild. II.
zunächst noch im gleichen Zeitmaß weitergeht. Dadurch wird eine
sehr bedeutende Abflachung erzielt ; wir erhalten jetzt Hochflächen
mit ganz schwacher Neigung beiderseits gegen die Ränder hin. Die Quer-
schnitte durch die harten Schichten in Abb. lo, II. III. werden jetzt etwa
so aussehen wie Abb. ii, II. es darstellt. Die Hochflächen müssen sich
dabei in der Richtung des Schichtenfallens, da sie sich ja der Basis
des gleichschenklig-dreieckigen Querschnitts immer mehr nähern, be-
ständig verbreitern, Parallelverlauf der Täler vorausgesetzt.
Im Verlauf weiterer Zeiteinheiten nehmen die Gratformen, wie
ein Vergleich zwischen Profil II und III (Abb. lo) zeigt, an Ausdeh-
nung immer mehr ab, die y\btragungsflächen immer mehr zu, bis eine
reine Schichtstufenlandschaft (Abb. ro, IV.) daraus geworden ist.
Im Querschnitt entwickelt sich dabei ein höchst bezeichnender,
übrigens lange bekannter Übergangszustand überall dort, wo zwei
harte Schichten durch eine weiche Schicht getrennt sind. Es entsteht
eine Schulterbildung durch Herausarbeitung der älteren Hartschicht
(Abb. 12). Besonders breit wird die Schulter, wenn, wie in Abb. 12
angenommen, die jüngere Hartschicht von geringerer Widerstands-
kraft ist als die ältere. Die jüngere bleibt dann als Krönung eines
vschmalen Rückens, der auf der Hochfläche aufgesetzt ist und durch
Zeitschr. d. üesellsch. f. Erdkunde zu Berlin. 1919. \r. 3/4. 9
130
Robert G r a d m a n n :
Zerschneidung auch in Zeugenberge aufgelöst sein kann, noch eine
Zeitlang erhalten. Ist diese Deckschicht einmal zerstört, dann schmilzt
der Zeuge vollends rasch zusammen, und die beiden Schultern ver-
einigen sich zu einer einheitlichen Hochfläche, auf der höchstens noch
eine flache Bodenschwellung den früheren Zustand verrät.
Die vorgetragene Erklärungsweisc scheint mir zwei Vorteile zu
besitzen :
I. erklärt sie auf die einfachste Weise, d. h. durch die einfachsten
Vorgänge, die Entstehung der Schichtstufen, l^s mag überraschend
sein, folgt aber, wie wir gesehen haben, aus einer einfachen Rechnung
ganz unwiderleglich, daß schon ein verhältnismäßig geringer Unter-
schied im Zeitmaß der Abtragung genügt, um Stufen von großer
Schärfe herauszuarbeiten. Es bedarf dazu keiner vorausgegangenen
Peneplainbildung und keiner seitlichen Erosion durch abgleitende
subsequente Flüsse und was man sonst zu Hilfe genommen hat. Dies
Abbild. 12.
empfinden wir als besondere Wohltat dann, wenn wir, wie so oft, nach
den nötigen subsequenten Flüssen am Fuß der Stufe auf der Karte und
in der Natur vergebens suchen. Auch das Zurückweichen oder „Zu-
rücklegen" der Stufen, das manchen Forschern so viel zu schaffen
gemacht hat, erklärt sich dabei spielend (vgl. Profil H, III, IV).
2. Die Stufenflächen erscheinen bei dieser Theorie nicht mehr als
Schichtflächen, vielmehr so, wie sie in der Xatur und auf .'Sorgfältig
konstruierten Profilen (vgl. besonders Abb. 7) zu sehen sind: überall
da, wo Hart auf Hart zu liegen kommt, werden die Schichtflächen von
der Oberfläche diskordant geschnitten, und die Schichten keilen ganz
allmählich aus; nur wo harte und weiche Schichten wechsellagern,
entsteht eine Stufenbildung. Bezeichnend ist namentlich das Aus-
keilen der harten Deckschicht am .^tufenrande. Es ist zwar in der
Natur nicht leicht so messerscharf, wie es in unseren Profilen er-
scheint; das erklärt sich meist durch den Ausgleich der übersteilen
Böschungen, was ein kleines Zurückweichen der Stufenkante unter
Abbruch der harten Deckschicht zur Folge hat, seltener durch das
Einschneiden von Längsflüssen am Stufenrande, worauf wir noch
l)as Schiclitstufenland. 131
zurückkommen. Aber stetsr wird der eigentliche äußere Stufenabfall
vorzugsweise aus weichem Gestein aufgebaut; die hohen, mauerartigen
Felswände erscheinen z. R. im Albgebiet regelmäßig erst in den Tälern,
nicht am äußeren Albrand, besonders auffallend ist dies Verhältnis im
Gebiet der Fränkischen Alb.
Wir bezeichnen die hier dargcstelhe Form der Abtragungsf^äche
als abgeflachten First. Ihre Entstehungsweise ist außerordent-
lich einfach und naheliegend, und wahrscheinlich hat sich schon früher
mancher die Sache in ähnlicher Weise zurechtgelegt und nur deshalb
nicht ausdrücklich beschrieben, weil man der Sache weiter keinen
Wert beilegte; in der Tat ist sie erst durch die allzu weitgehenden
Folgerungen, die man neuerdings an die Rumpfflächen geknüpft hat,
von Bedeutung geworden. Übrigens dürfte sich das Prinzip im Be-
reich des Tafel- und auch des Bruchschollenlandes auch anderwärts
fruchtbar erweisen, und die angewandte Methode ist jedenfalls noch
einer weitgehenden Verfeinerung und Vervollkommnung zugänglich.
Unseren bisherigen Erwägungen lag die Voraussetzung zugrunde,
daß die Flüsse dem Schichtengefäll entgegenfließen. Um sich den um-
gekehrten Fall zu vergegenwärtigen, darf man sich die Längsschnitte
nur etwas nach einer Seite geneigt denken, dann bewegt sich der Fluß
in der Richtung des Schichtenfallens ; bei Rechtsneigung ist das
Schichtengefäll, bei Linksneigung das Flußgefäll das stärkere. Den
ersteren Fall haben wir z. B. auf der Donauseite der Alb. Auch dabei
entstehen Durchbruchstäler, wie z. B. dasjenige der oberen Donau
selbst, der Wörnitz und Altmühl; nur sind sie in diesem Fall nicht
mehr antezedent, sondern epigenetisch.
Bewegen sich die Hauptflüsse in der Streichrichtung, so daß wir
an Stelle der Querflüsse Längsflüsse^) bekommen, wie z. B. am Ost-
rande des Schwarzwaldes, so vollzieht sich die Abtragung ebenfalls
in ähnlicher Weise. Die Stufen verlaufen hier nicht quer zu den
Flußläufen, sondern parallel mit ihnen als fortlaufende Mauern, die
von den Nebenbächen verhältnismäßig nur wenig zerschnitten sind.
Abb. 13, in der übrigens die Talformen keinen Anspruch auf Korrekt-
heit machen, dürfte zur Erläuterung genügen. Besonders eindrucks-
voll sind hier die Stellen, wo ein Tal mit einem Stufenrand zusammen-
') Diese tektonisch-morphographischen Begriffe sind mit den konsequenten,
obsequenten und subsequenten Flüssen des Systems von W. M. Davis nicht zu ver-
wechseln Wir vergleichen hier die Flußrichiung lediglich mit dem bekannten
Schichtengefäll, ohne uns über die Entstehung dieses \'erhältni5ses auszu>prechen.
Die Davisschen Begriffe beziehen sich auf das \'^erhältnis zu der unbekannten Ur-
abdachung, die mit dem Schichtengefäll nicht übereinzustimmen braucht, und sind
echt morphologisch; sie enthalten ein ganz bestimmtes synthetisches Urteil über die
Entstehungsvorgänge.
182
Robert Ci r a d m a n n :
fällt (A. D. in Abbild. 13); die Steilwand wird hier be-
sonders ansehnlich und nininil unter IJmständen die
Charaktertbrmen einer Talwand an, indem zufolge der
Unterschneidung die abgebrochenen Schichtköpfe harter
Gesteine jähe Felswände bilden, während sie am Rand
einer reinen Verwitterungsstufe (Abbild. 13 B. C.) wie
immer nur eine dünne, scharf auskeilende Deckschicht
darstellen. Der ebenfalls nicht ganz seltene Fall eines
schief zur Streichrichtung verlaufenden Flusses bedarf
keiner besonderen Darstellung.
In jedem dieser Fälle sehen wir bei Wechsellagerung
harter und weicher Schichten aus einer Tafel ein Stufen-
land mit Rumpfflächen entstehen. Echte Schichtflächen
können dagegen in einem stark abgetragenen Lande nur
dann zum Vorschein kommen, wenn Flußgefäll und
Schichtengefäll genau übereinstimmen, und das ist wohl
immer nur auf kleineren Strecken der Fall.
Kehren wir nun zu unserem ersten Beispiel zurück
und verfolgen die Entwicklung noch etwas weiter, so ist
klar, daß bei fortdauernder tektonischer Ruhelage die
Abtragung nach Verlauf einiger weiteren Zeiteinheiten
eine Grenze finden muß. Unter das untere Denudations-
niveau, das durch das Gleichgewichtsprofil der Flüsse be-
stimmt wird, kann sie auch in den weichsten Schichten
nicht hinab, weil keine Abfuhrmöglichkeit mehr vorhanden
ist. Dadurch werden die Höhenunterschiede im Gelände
mit der Zeit ausgeglichen, und aus den abgeflachten Firsten
wird zuletzt wirklich eine Verebnungsfläche. Der Durch-
schnitt durch eine solche in der Flußrichtung wird zuletzt
dem Profil, von dem wir ausgegangen sind (Abbild. 11, 1.),
genau gleichen, nur daß wir natürlich in diesem F'all mit
einer starken Schuttbedeckung zu rechnen haben.
Erfolgt nun eine Neubelebung des Flußgefälles, so
wird die Verebnungsfläche durch die frisch eingeschnittenen
Täler zunächst wieder in Riedel zerschnitten. Sofort
treten aber auch die Abtragungsvorgänge wieder in
Tätigkeit. Sie äußern sich gegenüber den verschieden-
artigen Gesteinsniassen wesentlich in der gleichen Weise,
wie wir dies bei der Abtragung eines Grats verfolgt
haben; es muß sich daher im Längsprofil die Entwicklung,
wie in Abbild. 11, II bis IV dargestellt, wiederholen.
Dagegen wird das Querprofil und namentlich der Grund-
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Das SchiclilstufcnlaiKi. 133
riß natürlich wcsentlicli anders aussehen: Grat- und Kückenfornien
fehlen ganz; jede Stufe endigt in einem mauerartig geschlossenen,
quer zu den Tälern verlaufenden Steilabfall, der erst nach und
nach durch rückwärts einschneidende Schluchten und Täler zer-
schnitten wird.
Damit endigen wir nun doch in der zvveizyklischen Schichtstufen-
theorie nach W. AI. Davis, nur dal.} wir keine einfache ., Ausräumung"
der weichen Schichten und Herausarbeitung von Schichtflächen durch
abgleitende subsequente Flüsse, vielmehr auch in diesem Fall Rumpf-
flächen als Ergebnis der Abtragung annehmen. Wir geben also die
Möglichkeit einer zweizyklischen Entwicklung ausdrücklich zu.
Ist die Hebung der alten Verebnungsfläche bzw. die Senkung der
Erosionsbasis eine sehr bedeutende, so werden genau wie im gehobe-
nen Tafelland die Hochflächen durch Unterschneidung schließlich ganz
verschwinden und nur noch Firste übrigbleiben. Die vorausgegangene
Peneplainbildung ist damit für die weitere Entwicklung völlig bedeu-
tungslos geworden, und es können im weiteren Verlauf die Firste
wieder zu Rümpfen abgeflacht werden, ganz wie in der einzyklischen
Entwicklung.
Durch diese Betrachtungen hat sich uns der Kreis von Möglich-
keiten für die Entstehung von Rumpfflächen im Schichtstufenland in
liöchst Vvillkommener Weise erweitert. Eine solche Rumpffläche
kann sein :
1. ein abgeflachter First,
2. das Stück einer Verebnungsfläche,
3. eine aus einer Verebnungsfläche herausgearbeitete Stufen-
fläche.
5. Anwendung auf die Einzelformen des schwäbisch-fränkischen
Stufenlandes. Treten wir mit diesem erweiterten Kreis von Erklä-
rungsmöglichkeiten nochmals an unser Schichtstufenland heran, so
zeigt sich sofort, daß wir mit der einseitigen Anwendung eines
Prinzips nicht durchkommen. Die Natur tut uns den Gefallen nicht.
Gleich bei der obersten Stufe, dem Hochland der Schwäbisch-
Fränkischen Alb, versagt unsere neue Erklärung. Wir haben uns
zwar von ihrem Rumpfcharakter eingehend überzeugt, so daß von der
vielberufenen ..Juratafel" streng genommen nicht mehr die Rede sein
darf. Allein für die Ableitung aus abgeflachten Firsten fehlt es gerade
hier, im Bereich des mittleren urtii oberen W^eißen Jura, an der not-
Avendigen Voraussetzung, der regelmäßigen Überlagerung harter
Schichten durch weiche.
Vielmehr dürften die Höhen der Schwäbischen und der Fränki-
schen Alb wirklich als ein Stück jener alttertiären, stark eingeebneten
1 ß^ K () b r r t C, r a d m a n n :
Landschaft aufzufassen sein, die bei Philippi, Gustav Braun u. a. eine
so bedeutung-svolle Rolle spielt. An Stelle der bloßen Abtragungs-
formen finden wir nämlich hier oben in breitem Streifen entlang der
Hauptwasserscheide eine ausgeprägte 'j'allandschaft^) mit meist sanft,
aber immerhin bis zu loo m ansteigenden Rücken und Kuppen, nur
daß ihre Basis nicht das heutige Flußnetz ist, vielmehr ein bis zu
400 m höher liegendes Netz von Trockentälern, die alle Merkmale alter
Flußtäler, namentlich ein durchaus gleichsinniges Gefäll zur Schau
tragen. Bohncrztone mit Knochen von Säugetieren, die bis ins Oligo-
zän und Eozän zurückreichen, beweisen direkt das hohe Alter dieser
Landschaft, ihre geringe Umgestaltung seit dem frühen Tertiär. Zur
Zeit ihrer Ausbildung kann diese Landschaft nur wenig über das nahe
Tertiärmeer des heutigen Alpenvorlandes sich erhoben haben. Ab-
lagerungen des Mollassemeeres liegen auf der Alb selbst bei Winter-
lingen und Bitz bis zu 850 m ü. d. M. Die Alb war demnach schon
im mittleren Tertiär wieder teilweise unter den Meeresspiegel ge-
taucht, und es ist nicht wahrscheinlich, daß sie vorher zu bedeutenden
Höhen emporgestiegen wäre.
Man wird selten so viele triftige Gründe geltend machen können
für die Auffassung, daß wir eine zwar nicht bis zur Verebnungsfläche-),
wohl aber bis nahe zum unteren Denudationsniveau abgetragene und
dann gehobene alte Landschaft vor uns haben. Und auch deren Er-
haltung gerade an dieser Stelle läßt sich besonders leicht verständlich
machen. Durch die nachträgliche starke Hebung über die Erosions-
basis seit dem Miozän war den Gewässern Gelegenheit geboten, in
den bald erweiterten Klüften des Kalkgebirges zu verfallen. Nur die
kräftigsten Flüsse konnten ihre Täler rasch genug vertiefen ; die klei-
neren Gewässer mußten fortan unterirdische Wege einschlagen, um
erst am Fuß des Gebirges in kräftigen Quellen wieder zum Vorschein
zu kommen. Dadurch wurden die alten Landformen einer weiteren
Bearbeitung durch ständig fließendes Wasser entzogen und konnten
sich dank zugleich der verhältnismäßig starken Widerstandskraft der
Jurakalke in wesentlich unversehrtem Zustand bis in die Gegenwart
herüberretten. Naiürlich sind sie stark verwittert, und nur selten
schaut noch ein Fclskopf aus den abgeflachten Hängen hervor. Um
so eindrucksvoller ist der Gegensatz zu den frisch eingeschnittenen.
') Eine Schilderung habe ich in der', .Beschreibung des Oberamts Münsingen.
Hrsg. vom K. Württ. Statist. Landesamf, 2. Bearb. 1912, S. 154Ö'.. und in meiner
,,Siedlungsgeographic des Königreichs Württemberg". 1914. S. 21, gegeben.
^) Es müßte sich höchstens herausstellen, daß die Trockentallandschaft der
Hochalb selbst erst in eine noch ältere Verebnungsfläche eingesenkt ist, ein Eindruck,
den man stellenweise auf der Fränkischen Alb bekommen kann.
l)a,< Schichtstufenland. ]35
schroff und unvermittelt einbrechenden Engtälern. Mit ihren jäh auf-
schießenden, mannigfach gestalteten Felsformen, ihrer ganz anderen
Vegetation, ihrer reichen Bewässerung im Grunde zaubern sie eine
neue Welt hen^or.
Weiter nördlich und westlich sind die Jurakalke zufolge der stär-
keren Hebung und zugleich des tieferen Einschneidens der dem Rhein
zugewandten Flüsse durch Unterschneidung, wogegen auch die härx
teste Deckschicht wehrlos ist, schon frühzeitig zum A^erschwindcn
gebracht und die darunter liegenden, der oberflächlichen Abspülung
viel mehr ausgesetzten Mergel- und Sandsteinschichten durch die ver-
einten Kräfte der Flußarbeit und Abtragung vollständig umgearbeitet
worden.
Daß die Talvcrtiefung auch in jüngerer Zeit noch mehrfache
Unterbrechungen und wieder Neubelebungen erfahren haben muß.
zeigen die häufigen Gefällsknicke im Lauf der kleineren Gewässer
und namentlich die echten, durch Geröllablagerungen gesicherten
Flußterrassen, alte Talböden, wie man sie jetzt in allen Flußgebieten
des Stufenlandes festgestellt und vielfach mit den diluvialen Schotter-
terrassen des Alpenvorlandes parallelisiert hat. Aber nur einmal und
nur auf kleine Strecken ist es dabei noch einmal zu einer Abtragung
bis nahe zum unteren Denudationsniveau gekommen; das war um die
Wende der Tertiärzeit oder zu Beginn der Diluvialperiede. Alt-
diluviale l^lußgeröUe breiten sich nämlich wie im Alpenvorland so auch
im Stufenland über ganz auffallend weite Flächen aus. Sie liegen im
Neckargebiet meist etwa loo m über den heutigen Talsohlen. Die
geologische Karte verzeichnet sie auf den Hochflächen der Gäu-Ebenen
und des Albvorlandes als ,, Deckenschotter" oder ,, Höhenschotter" in
Entfernungen bis über 3 km von den heutigen Talrändern^). Dies
weist auf eine Landschaft mit außerordentlich weiten und flachen
Tälern hin-), wie sie nur in einer Zeit längerer tektonischer Ruhe ent-
stehen kann. Eine so weitgehende Abtragung ist jedoch nur dort
erfolgt, wo sich der Fluß in den außerordentlich leicht verwitternden
Schichten des Gipskeupers oder des mittleren und oberen Lias nebst
dem Opalinuston oder an deren unterer Grenze bewegte. Damit wird
das Verständnis für die immerhin auffallend starke Neigung zur
*) Vgl. bes. Geognost. Karte von Württemberg 1 : 50 000, Bl. 9. Besigheim.
2. Aufl. 1903.
^) Das ist auch die Auffassung von Martin Schmidt, Erl. zur Geolog. Spezialk.
des Königreichs Württemberg, Bl. 94. Nagold, S. 37: ,,Erst der Diluvialperiode ge-
hören die tiefen Taleinschnitte an, die das am Schlüsse der vorangegangenen Tertiär-
periode sehr einförmig wellenförmige Relief des Plateaus in charakteristischer Weise
nach einem neuen Typus gegliedert haben.''
jag Robert Grad in a n n :
Flächenbildung gerade im Bereich der Lettenkohlcngruppc und des
unteren Lias erleichtert. Mit dieser Auffassung näiiere ich mich
Erwin Scheu^), könnte aber allerhöchstenfalls eine „lokale Yereb-
nungsfläche" von untergeordneter Bedeutung gelten lassen. Im Be-
reich der Keupersandsteine und des Weilien Jura haben sich die Täler
gleichzeitig nicht wesentlich erweitert.
Alle übrigen Stufenflächen des schwäbisch-fränkischen Stufen-
landes, namentlich alle die l'lachböden im Bereich der Keupersand-
steine, des Lias, des Braunen und des unteren Weißen Jura iii Höhen-
lagen von 150 bis 350 ni oberhalb der heutigen Talsohlen, aber auch
die Gäuebenen ihrer primären l'lntstehung nach erklären sich am
ungezwungensten als durch Abtragung herausgearbeitete Kumpf-
flächen von der Art, wie sie in Abb. 11, IV. dargestellt sind. Welche
unüberwindlichen Schwierigkeiten einer allgemeinen Ausdehnung der
Verebnungshypothese auf alle diese Rumpfflächen entgegenstehen,
davon haben wir uns eingehend überzeugt, und ebenso, wie befriedi-
gend die tatsächlichen Formen mit den abgeleiteten IVohlcn überein-
stimmen. Besonders geltend zu machen ist noch die überall festzu-
stellende eckige Beschaffenheit des Gebirgsschuttes, der seine Abkunft-
aus bereits abgetragenen Schichten im Hangenden oft noch deutlich
verrät, das Fehlen von Flußablagerungen und alten Talstücken auf
den betreffenden Hochflächen.
Jetzt fragt sich nur noch, wie weit die einzelnen Stufenflächen
unmittelbar aus der einst weiter nach Nordwesten ausgedehnten
alten Landoberfläche herausgeschnitten sind (oben S. 133 Zifif. 3) oder
erst aus den durch Unterschneidung der alten Landoberfläche ent-
standenen Firsten (ebenda Zifif. i).
Streng genommen ist die erstere Entstehungsweise in unserem
Fall die einfachere. Allein deren charakteristisches Merkmal, der ge-
schlossene, quer zu den Tälern verlaufende Stufenabfall, findet sich
zwar sehr häufig in allgemein gehaltenen Beschreibungen, aber um
so seltener in der Wirklichkeit. Fast überall sind die Stufen völlig
zerfranst, in schmale, oft spitzwinklig zulaufende Bergzungen und
Berghalbinseln aufgelöst. Jede geologische oder topographische Karte
mittleren Maßstabs zeigt das gleiche, nicht mißzuverstehende Bild.
Von der Stirnseite gesehen, erscheint eine solche Stufe dem Fernblick
allerdings leicht als geschlossene Wand; allein das ist nur Gesichts-
täuschung. Was man hier sieht, sind in Wirklichkeit die Wände der
weitgeöfifneten Stirntäler, in die man von vorn hineinblickt ; seltener
Hegen randliche Längstäler vor mit den in Abb. it, angedeuteten Cha-
') Vgl. oben S. 120.
Das Schichtstufenland. 137
rakterformeii. Auch die nicht selten auftauchenden Felswände deuten
auf Talhängc, nicht auf echte Stufenränder hin.
Was ebenso stark gegen eine alte \ erebnungsflächc wie gegen die
immittelbare Herausarbeitung aus einer solchen spricht, das sind die
überaus häufigen „Zeugen", Reste von jijngeren, sonst bereits ab-
getragenen Schichten,- die in Form steiler Rücken und Kuppen über
die sonst völlig glatten Hochflächen emporragen. Fast als Muster^
bild einer gehobenen und frisch zerschnittenen X'erebnungsfläche
könnte man die Hochfläche tier Löwensteiner Berge und des Main-
hardter Waldes hinstellen^). Sie bewegt sich nur im Betrag von we-
nigen Metern um die weithin gleichbleibende Höhe von 500 m herum,
während die jungen Täler bis zu 250 m tief einschneiden. Allein, geht
man etwas südwärts, so erheben sich über diesen Sandsteinflächen
plötzlich wieder einzelne Berginselchen mit einer Decke von unterem
Lias bis zur Höhe von 55(3, 560, in einem F"all (bei Hohenbrach) bis
594 m.
Ganz ähnliche Liasinseln erheben sich über den ."^andsteinflächen
des Schurw-aldes, des Welzheimer Waldes, der Elhvanger Berge. Im
Stromberg und im Schönbuch tragen entsprechende Zeugen nur noch
eine Kappe aus Rätsandstein, so auch bei Tübingen der österberg und
der Bußberg. Über den Lettenkohlenebenen erheben sich Zeugen aus
Schilfsandstein, wie der Asperg oder der Lemberg bei Affaltrach. In
dieselbe Klasse gehören auch die zahlreichen Zeugenberge aus Eisen-
sandstein über den Liasflächen an der Westfront der Fränkischen Alb
und jedenfalls zum Teil die berühmten Vorberge der Alb aus unterem
Weißem Jura (Zollern, Achalm, Staufen, Rechberg, Ipf usw^) und
auch die ,,Gammabuckel" (Tenuilobatenmergel) über den Flächen
des unteren Weißen Jura.
Jede dieser Kuppen, die aus Rumpfflächen aufsteigen, bereitet der
Peneplaintheorie beliebiger Form hier wie anderswo endlose Verlegen-
heiten. Gegen ,,Härtlinge" wie gegen ,,}kIosore" sprechen die gleichen
Gründe wie schon oben S. 121 angeführt. Höchst ungezwungen erklären
sie sich dagegen aus der Firsttheorie : es liegen ganz einfach Schul-
terbild.ungen vor (vgl. oben S. 129 und Abb. 12). Dazu stimmt
ihr ganzer Aufbau ; immer bestehen sie ihrer Hauptmasse nach aus
weichem Gestein (Gipskeuper. Zanklodonmergel, Impressamergel,
Tenuilobatenmergel), das von einer dünnen härteren Deckschicht ge-
krönt wird, und stets erheben sie sich entlang der Wasserscheide,
genau in der Alitte einer Alasche des Flußnetzes, was für Härtlinge
ein "unbegreiflicher Zufall wäre. Sie stehen damit in trettlichem Ein-
') Geognost. Karte von Württemberg r : 50 000, Bl. 10. Löwenstein. — Karte
des D. R. I : 100 000 Bl. 575. Hall.
J sjg K (j I ) e r l ( ; r a d in a n ii
klang mit der einheitlichen Vorstellung' einer ehemaligen Firstland-
schaft, die bei stillstehender Talvertiefung langsam der Abtragung
anheimgefallen ist.
Nur eine Ausnahme muß ich gelten lassen. Die Stufe des unteren
Weißen Jura (Beta. Bimammatuskalke. ^\'erkkalk nach Gümbel) setzt
in sehr bedeutender Höhe, nur wenig unterhalb der Überfläche der
alten Tertiärlandschaft der Alb ein und steigt nach Nordwesten so
stark an, daß sie dort, wo sie breiter entwickelt ist, die bedeutendsten
Höhen der Alb überhaupt erreicht (Lemberg 1015 m, Oberhohcnberg
loii m, Deilingcr Berg 1006 m). Es ist wohl denkbar, daß ein Teil
dieser Hochflächen — denn sie sind morphologisch sicher nicht ein-
heitlich - wirklich unmittelbar aus der älteren Tcrtiärlandschaft
herausgeschnitten ist. Die Kalke des mittleren und oberen Weißen
Jura wären dann in der Zone der heutigen unteren Weiß-Jura-Stufe
schon im Alttertiär als abgetragen zu denken und die mittel- und
jungtertiäre Zerschneidung wäre in demselben Gürtel nicht mehr bis
zur Firstbildung fortgeschritten ; es genügte dann die nachträgliche
Ausräumung der Tenuilobatenmergel, um die Stufe herauszuarbeiten.
Und noch eine weitere Einschränkung ist bezüglich des
Zusammenklingens der einzelnen Landschaftselemente zu machen : die
jüngsten Taleinschnitte fallen ebenfalls aus dem Rahmen des Gesamt-
bildes heraus. Sie sind wie im iMbgebict (oben S. 134 f.), so auch im
übrigen Stufenland schroff und unvermittelt, oft mit scharfen Kanten
in die altdiluvialen Talböden und die gesamte, sonst so wohlabgerun-
dete Abtragungslandschaft eingesenkt. In ihren oberen und seitlichen
Verzweigungen zeigen diese Talnetze noch überall die jugendlichen
Formen des Kerbtales. Diese vertragen sich schlechterdings nicht mit
einer gleichzeitigen Abflachung der Firste, die vielmehr einen Still-
stand der Talvertiefung und daher lauter wohlausgereifte Sohlentäler
als gleichzeitige Bildungen voraussetzt. Auch aus diesem Grunde
müssen wir annehmen, daß auf die tektonische Ruheperiode, der unser
Schichtstufenland seine Charakterformen wesentlich verdankt, eine
Neubelebimg" der FTußarbeit, wahrscheinlich durch erneute Hebung
des ganzen Gebietes, gefolgt ist. Diese Firste, aus denen die heutige
Landschaft herausgearbeitet ist, müssen wir uns daher nicht aus dem
Grunde der heutigen Täler, vielmehr aus einer (relativ) weit höher
gelegenen Basis aufsteigend denken.
6. Die morphogenetische Entwicklungsfolge. Zur vollständigen
Klärung und zugleich als Probe auf die Durchführbarkeit der vor-
getragenen Anschauungen ist eine gedrängte Übersicht über die form-
bildenden Vorgänge wohl kaum zu entbehren. Auf genauere Zeit-
bestimmungen, die vom erdgescliichtlichen .Standpunkt aus vielleicht
Das SchicIUslufciiland 139
erwünscht, aber von der Murpholog-ic aus nicht erforderlich sind, muß
um so mehr verzichtet werden, als die Entwicklung in den einzelnen
Teilen des Gebietes keine gleich fcn-m ige war. Im Osten, im Regnitz-
und Altmühlgebict, waren die 1 lebungsvorgängc viel schwächer als im
Westen; hier ist sogar eine starke Senkung zvvischeneingeschaltet, wie
die mächtigen Sandablagerungen in den weiten Talgründen des Nürn-
berger Beckens beweisen. Die Hauptvorgänge sind folgende :
1. Auftauchen des Landes aus dem Jurameer zu mäßiger Höhe.
Die Abdachung entspricht wenigstens eine Zeitlang annähernd den
heutigen Entwässerungsverhältnissen. Ausbildung des Gewässer-
netzes; beginnende Abtragung des Landes.
2. Allmähliche .Hebung, besonders stark 'im Nordwesten und
Westen. Nur dort, wo die Schichten noch heute am tiefsten liegen
und wo infolge der eintretenden Verkarstung der Jurakalke nur eine
sehr geringe Taldichte herrschte (Schwäbische und Fränkische Alb),
bleibt die alte Landoberfläche im wesentlichen erhalten, sonst wird
sie bis in die Zone der heutigen unteren WeiLH-Jura-Stufe durch Unter-
schneidung seitens der sehr tief eingesägten Flüsse vollkommen zer-
stört und das Land in Firste aufgelöst. Es erfährt dadurch eine
mittelbare Abtragung auf ein Niveau, das mit dem Flußgefäll an-
nähernd parallel verläuft.
3. Die Hebung kommt zum Stillstand. Das Land unterliegt der
unmittelbaren Abtragung; die Firste werden abgestumpft und das
Ganze allmählich in eine Schichtstufenlandsjchaft verflacht; eine ganze
Anzahl von Schichtstufen entsteht gleichzeitig in verschiedenen
Höhen: Muschelkalk-, Keuper-, Lias-, untere Weiß-Jura-Stufe nebst
schmäleren Vorstufen. Die letzte große Stillstandsperiode reicht min-
destens bis zum Ende der Tertiärzeit und ist ausreichend, um an be-
schränkten Stellen im Bereich besonders weicher Schichten das Land
bis nahe zum unteren Denudationsniveau abzutragen (Gäu-Ebenen und
Albvorland je zum Teil).
4. Erneute und wiederholte IJelebung der Flußarbeit während
der Diluvialperiode durch Hebungen, die wiederum im Schwarzwald
und Odenwald besonders kräftig einsetzen, und vielleicht auch durch
Zunahme der Niederschläge. Ausbildung der heutigen scharfen Tal-
einschnitte mit Flußterrassen, während die Abtragung der Höhen, so-
weit sie nicht von der jüngsten Talbildung angeschnitten werden, sehr
langsam in den alten Bahnen weitergeht ; Herausbildung der heutigen
Geländeformen.
140 ^'' ^^ IUI d c r 1 i c li :
Die Bedeutung der diluvialen Ablagerungen
für die Entwicklung des polnischen Flachlandes.
\'()ii Dr. E. Wunderlich.
Über den Untergrund des polnischen Flachlandes Hegen bisher nur
ganz wenige spezielle Untersuchungen vor. Eine kurze Arbeit von
L e vv i 11 s k i beschäftigt sich weniger damit, die Entwicklung der
heutigen Oberflächengestaltung zu erklären, als vielmehr die Tektonik
des tieferen Untergrundes aufzuhellen. Auf Grund der Bohrungs-
ergebnisse längs der beiden Querprofile Ciechocinek — Deblin und
Kaiisch — Wlodawa wird ein muldenförmiger Bau des mittleren und
nördlichen Kongreß-Polen festgestellt und dessen hydrologische Kon-
sequenzen besprochen^). Von F 1 e s z a r ist sodann unter dem Titel
,,Zur Evolution der Oberflächengestaltung des polnisch-deutschen Flach-
landes" eine vorläufige Mitteilung erschienen-), deren Titel eigentlich
die Mitbehandlung des polnischen Flachlandes vermuten läßt. Das von
ihm auf seinen beiden Karten dargestellte und im Text behandelte
Gebiet umfaßt jedoch lediglich das norddeutsche Flachland bis zur
Prosna.
Die erste zusammenfassende Darstellung dessen, was bisher über
die Entwicklung der Oberflächengestalt des polnischei^ Flachlandes
bekannt war, ist unseres Wissens in großen Zügen im ,, Handbuch von
Polen" 3) gegeben. Meine damaligen Ausführungen stützten sich, so-
weit sie auf den tieferen Untergrund Bezug nahmen, auf die Ergebnisse
der Tiefbohrungen, die bis dahin in der polnischen geologischen
Literatur bekannt geworden waren. Es handelte sich für Kongreß-
Polen um ungefähr 400 Bohrungen. Schon damals wurde der Mangel
eines systematisch fortgesetzten Bohrungsverzeichnisses nach Art der
von der Preußischen Geologischen Landesanstalt herausgegebenen Re-
gister für Kongreß-Polen besonders betont. Inzwischen ist nun pol-
nischerseits vom Ingenieur R y c h 1 o w s k i der erste Versuch einer
solchen Zusammenstellung gemacht worden'*); die Herausgabe des um-
') Lewinski, J., Die unterirdischen Gewässer des nördlichen Teils des König-
reichs Polen (russisch). Waschau 191 1.
Ein kürzerer, inhaltlich ähnlicher .Aufsatz ist polnisch erschienen unter dem
Titel: „Wody artezyjskie w pöhiocnej czesci Kröl. Polskiego". Zieniia I. 1910.
') Anzeiger der Akad. der Wiss., Krakau 1913.
^) Handbuch von Polen. Beiträge zu einer allgemeinen Landeskunde, i. .Aufl.
Berlin 1917.
■•) R y c h t o w s k i . B.. Materjaly do hydrologii Krölcstwa Polskiego i ziem
przylcghch (Materialien zur Hydrologie des Königreichs Polen und der angrenzenden
Länder.) Warschau 191 7.
Die Hedputiini^ (1<m- diluvialon Abla^'iTiiiij^'eii usw. ] l\
fangreichen, über 700 Seiten starken Bandes ist durch die Gesellschaft
der Wissenschaften in Warscliau ermöglicht worden. R y c h i o w s k i s
Register bezieht sich indessen nicht nur auf Kongreß-Polen, sondern
vor allem auch auf die angrenzenden litauischen, weiß- vmd groß-
russischen sowie ukrainischen Gebiete; nur rund die Hälfte, also etwa
600 der tabellarisch wiedergegebenen Bohrungen, ist dem Gebiete
Kongreß-Polens entnommen. Als erster Versuch einer solchen syste-
matischen Sammlung verdient das Werk von R y c h 1 o w s k i sicherlich
alle Anerkennung, obgleich sowohl vom wissenschaftlichen wie vom
praktischen Gesichtspunkt aus vieles noch anders hätte angelegt werden
können').
Immerhin enthält die Zusammenstellung von R y c h 1 o w s k i einige
neue Bohrungsmaterialien, die mir bei der Abfassung der ersten Auf-
lage des Handbuches noch nicht bekannt waren. Ich habe daher bei
den nunmehr so erweiterten Grundlagen zum ersten Male den Versuch
machen können, das gesamte Bohrungsmaterial für Kongreß-Polen
kartographisch auszuwerten. An der Hand der beiden folgenden
Karten (Abbild, i und 2)^) soll die Entwicklung der Oberflächengestal-
tung des Landes etwas eingehender verfolgt werden.
Zunächst seien einige kurze methodische Bemerkungen voraus-
geschickt. Karte i gibt eine schematische Übersicht der durchschnitt-
lichen Mächtigkeit des Diluviums innerhalb Kongreß-Polens, und zwar
bezeichnen die gezogenen Linien sogenannte Isopachyten, d. h. Linien
gleicher Mächtigkeit, im Abstand von 50 zu 50 Meter. Sie sind in
eine moderne Höhenschichtenkarte eingezeichnet, um sofort die Be-
deutung der eiszeitlichen Aufschüttungen für das heutige Relief hervor-
traten zu lassen. Als Grundlage für die Konstruktion der Karte sind
zunächst die Bohrungen benutzt, in denen das Diluvium völlig durch-
^) Ungenügend sind vor allem die Quellenangaben; wo der Verfasser nicht
eigenes Material verwendet, hätte unbedingt eine genauere Quellenangabe stattfinden
müssen. Dadurch, daß das behandelte Gebiet bis über Petersburg. Moskau und die
Wolga hinaus bis an das Kaspische Meer ausgedehnt worden ist, ist ferner das Material
häufig lückenhaft geblieben. Im einzelnen lassen dann die Ortsbezeichnungen viel-
fach sehr zu wünschen übrig; besonders spezielle Angaben über die genauere Lage
der Bohrlöcher (Lokalität, Höhenlage usw.) vermißt man leider allzu häufig, so daß
die Auswertung der Bohrungen ohne Zuhilfenahme genauerer Spezialkarten vielfach
ganz unmöglich ist. Sehr unzweckmäßig ist es auch, daß die Angaben der Mächtig-
keit der Schichten in Fuß statt in Meter gegeben werden; selbst wo die Original-
angaben in Fuß gegeben sind, hätte die Umrechnung in Meter vorgenommen
werden sollen; die Originalangaben hätten ja zur Kontrolle in Klammern daneben
gesetzt werden können. Vgl. hierzu auch: Wunderlich, E., Der tiefere üntef'
grund Kongreß-Polens. Dtsch. Warsch. Zeitung vom 15. Mai 1918.
^) Vgl. Handbuch von Polen. 2. Aufl. 1918. S. 126 und 127.
142
K. W u n d c r I i c h :
sunken worden ist^). Ihre Zahl ist in Kongreß-Polen nicht sehr groß.
Die betreffenden Bohrungen wurden ursprünglich auf einer größeren
Übersichtskarte eingetragen und danach die Iso]:)achyten zunächst in
großen Zügen konstruiert. Bei der endgültigen i\us/eichnung sind
dann auch die übrigen Bohrungen, wo das Diluvium nicht durchsunken
ist, als Hilfspunkte mit verwertet worden; sie vermögen gelegentlich
wertvolle Hinweise zu geben. Wo mehrere Bohrungen für einen Ort
zur Verfügung standen, ist in der Regel der maximale Wert verwendet
worden. Besonders mag hier noch auf die Verwendung der so-
genannten Talbohrungen hingewiesen werden, d. h. der Punkte, wo die
Bohrlöcher in den großen Talungszügen des polnischen Flachlandes
niedergebracht sind. Hier mußte berücksichtigt werden, daß einzelne
dieser Talzüge bis zu 30 und 40 Meter in die diluviale Hochfläche
eingesenkt sind, und der entsprechende Betrag ist der Mächtigkeit des
erbohrten Diluviums hinzugefügt worden. Bei Warschau z. B. beträgt
der Summand rund 20 Meter, bei Kaiisch 30 Meter, bei Wioclawek
noch etwas mehr (30 bis 40 Meter). Eine eingehendere Nachprüfung
der Bohrungsangaben selbst konnte nicht vorgenommen werden, da sie
bei dem Fehlen einer amtlichen Zentralstelle, die vor allem die Bohr-
proben sammeln müßte, auf sehr große Schwierigkeiten stößt. Doch
ist in allen Fällen, wo die Angaben im Vergleich zu den anderen
Bohrungen zweifelhaft erschienen, von einer Verwendung der be-
treffenden Zahlen abgesehen worden.
Die zweite Karte (Abbild. 2) gibt eine schematische Übersicht der
subdiluvialen Oberfläche-) des polnischen Flachlandes, und zwar be-
zeichnen die angegebenen Linien Isohypsen dieser alten Fläche in
Abständen von 50 zu 50 Meter. .Ms Grundlage ist wiederum die
moderne Höhenscliichtenkarte gewählt, um die Bedeutung des alten
Reliefs für die heutige Oberflächengestaltung zu zeigen. Auch für
diese Karte sind die Bohrungen, wo das Diluvium nicht durchsunken
ist, als Hilfspunkte mit herangezogen worden. Wo mehrere Bohrungen
zur Verfügung standen, sind stets die tieferen zugrunde gelegt. Im Süden
des Landes, wo die älteren Gesteine in kleineren oder größeren Flächen
an die Oberfläche emporkommen, hat die topographische Karte die
Konstruktion der Isohypsen wesentlich erleichtert.
') Von einer Wiedergabe der Bohrungspunkte in der Karte mußte, um die
Darstellung nicht zu überlasten, abgesehen werden. Im allgemeinen können diese
Angaben auch im Rahmen einer solchen Skizze entbehrt werden.
') Fleszar spricht bei' seiner Karte von der „unterdiluvialen"' Fläche. Der
Ausdruck erscheint mir nicht günstig, weil er leicht Verwechslungen mit der in
geologischen Schriften noch immer gebräuchlichen Bezeichnung ,, unteres Diluvium"
hervorrufen kann.
Die Bedeutung der diluvialen Ablagerungen usw. 143
Erwähnt sei scliließlich noch, daß beide Karten unabhängig von-
einander konstruiert worden sind, um so zugleich die Probe auf die
Richtigkeit der Darstellung zu erhalten. Die Abweichungen der beiden
Karten sind indessen verhältnismäßig so gering, daß sie im allgemeinen,
unbeschadet vernachlässigt werden können, um so melir, als es sich
ja nur um schematische Übersichten handelt. Im einzehien lassen
die beiden Karten folgendes erkennen :
a) Karte der durchschnittlichen x\I ä c h t i g k e i t.
Das Material ist für das nördliche Kongreß-Polen zu lückenhaft, so daß
es noch nicht möglich ist, die Isopachyten für das Polnisch-Baltische
Hügelland festzulegen. Die Bohrungen im Gouvernement Suwatki
(in Kowno, Kalwarja usw.) zeigen ein rund KX) Meter mächtiges
Diluvium, das indessen, noch nicht durchsunken ist, so daß über die
Gesamtmächtigkeit bisher nichts Sicheres bekannt ist. Wahrscheinlich
ist sie stellenweise, namentlich in der Suwalkier Moränenlandschalt,
die die Fortsetzung des Baltischen Höhenrückens bildet, viel größer.
Allerdings ist anderseits das Diluvium in der Umgebung von Grodno
und an verschiedenen anderen Punkten längs des Niemen stellenweise
nicht sehr mächtig; Kreide und Tertär kommen hier mehrfach hoch
herauf. Aber es ist nicht ganz sicher, ob diese älteren Schichten in
diesen hohen Niveaus tatsächlich insgesamt anstehend sind, oder zum
Teil nur Schollen innerhalb eines mächtigeren Diluviums darstellen.
Glücklicherweise wird das vorliegende Bild' durch die Ergebnisse
der zahlreichen Bohrungen etw^as ergänzt, die in den angrenzenden
Teilen des norddeutschen Flachlandes (Provinz Ost- und Westpreußen)
niedergebracht und von F 1 e s z a r bereits verwertet worden sind. Seine
Karte ergänzt unsere Darstellung für das ganze nördliche Gebiet mit
Ausnahme von Suwalki, für das vorläufig die näheren Grundlagen
noch ausstehen. Auch über die nordöstlich angrenzenden Teile Litauens
und Weißrußlands fehlt es noch durchaus an den wünschenswerten
Unterlagen.
Nach F 1 e s z a r s Karte erreicht das Diluvium im Gebiet des
Baltischen Höhenrückens (Masuren) über 150 Meter Mächtigkeit. Da
indes das Diluvium nach den Angaben Gagels auf den größten
Höhen des Baltischen Höhenrückens noch nicht durchsunken worden
ist^), kann man wohl annehmen, daß der maximale Betrag rund
200 Meter erreicht. Nach Süden zu, gegen Kongreß-Polen, findet nach
F" 1 e s z a r eine rasche Abnahme statt. Der von ihm angegebene Ver-
lauf der lon Meter-lsopachyte, die Kongreß-Polen ganz auszuschließen
'1 Gagel, C, Die Be\vei:se für eine mehrfache X'ereisung Xorddeutschlands
in diluvialer Zeit. (leol. Rundschau 1913. spez. S. 39*1.
■J 44 E. W 11 II d (• r 1 i r li :
scheint, stimmt indessen nicht niit dem Ergebnis der bisherigen pol-
nischen Tiefbohrun^en überein. F 1 e s /, a r zeichnet nur an der unteren
Drewenz noch einmal eine kleine Insel von über lüO Meter Mächtigkeit,
•läßt aber im übrigen die lOO Meter-Isopachyte weit nördlich Kongreß-
Polens verlaufen. Wie jedoch aus der beifolgenden Karte hervorgeht,
erreicht das Diluvium noch am Südrand der Plonsker Platte und auch
im Bereich der Ostrower Hochfläche im Durchschnitt noch immer über
lOO Meteri). Selbst falls es sich später, wenn weitere Bohrungen hin-
zugekommen sind, herausstellen sollte, daß die angegebenen Punkte
nur sozusagen Inseln größerer Mächtigkeit darstellen, so ist doch ganz
klar, daß die Abnahme des Diluviums auf der polnischen Südabdachung
des Baltischen Höhenrückens nicht so rasch erfolgt, als man nach der
Karte von F l e s z a r annehmen sollte^).
Längs des unteren Weichseltales ist die Zahl der Bohrungen inner-
halb Kongreß-Polens relativ weitaus am größten. Das Auftreten von
Steinsalz und Braunkohle hat hier eine lebhaftere Bohrtätigkeit ver-
anlaßt, die eine genauere Darstellung dieses Gebietes ermöglicht.
Allgemein ist die verhältnismäßig sehr geringe Mächtigkeit des Diluviums
längs des ganzen unteren Weichseltales charakteristisch; sie tritt auf
der beifolgenden Karte durch den Verlauf der 50 m-Isopachyte deutlich
hervor. Zunächst ist in der Gegend zwischen Nieszawa, Wlociawek
und Radziejöw eine größere Anzahl von Bohrungen vorhanden, in
denen das Diluvium 50 m noch nicht erreicht. Diese Zone setzt sich
ostwärts, wenn auch etwas schmaler werdend, fort. Sowohl auf dem
Nordufer der Weichsel (Gegend von Piock-Dobrzyi'i), als auch auf dem
Südufer (Gombin, Sochaczew) ist das Diluvium durchschnittlich wenig
mächtig. Das gestattet, den Verlauf der 50 m-Isopachyte nach Osten
weiter zu verfolgen. Selbst in Lowicz sind in einer Bohrung nur 31 m
Diluvium festgestellt. In einer anderen Bohrung daselbst ist allerdings
das Diluvium mit 57 m noch nicht durchsunken; immerhin wird man
eine Ausbuchtung der 50 m-Isopachyte nach Süden bis in die Gegend
von Lowicz annehmen müssen. Äußerst geringmächtig erweist sich ferner
das Diluvium an dem gesamten Nordostrand der Warschau — Lodzer Platte,
in der Gegend von Btonie, Grodzisk und Mszczonöw bis nach Warschau
und Praga. Abgesehen von einer einzigen Bohrung in Jeziorna (südlich
') Bohrung Wnory nördlich Mazowieck iii Meter /n. d. ^ nicht durchsunken/,
Podgörze bei Lomza 100 Meter /n. d./, Grodzisk nördlich Oströw 108 Meter /n. d./,
Sokolowo bei Pultusk 106 Meter, Malawie.s bei Wyszogröd 116 Meter /n. d,/, Lipno
109 Meter /n. d./ — die letzte Bohrung ist allerdings nicht ganz sicher.
') Wegen dieser Unterschiede ist auch davon abgesehen worden, die Fortsetzung
der Isopachyten aus der Karte von F 1 e s z a r in die eigene Darstellung zu über-
nehmen.
Die Bedeutung der diluvialen Ablagerungen usw. ]45
m
Warschau), die angeblich 147 m Diluvium angetroffen haben solP), ist
das Diluvium im Bereich (;Jes südwestlichen Teiles des Warschauer
Staubeckens und seiner Umgebung augenscheinlich durchweg wenig
mächtig. In fast sämtlichen Vororten Warschaus bleibt das Diluvium
unter 50 m; nur in Czyste ist an einer Stelle etwas über 50 m Diluvium
festgestellt'^). Erst weiter nach Modlin zu wird das Diluvium augen-
scheinlich wieder mächtiger. In Jabtonna sind 53 m Diluvium erbohrt,
die sich unter Anrechnung der diluvialen Abtragung um etwa 20 m
erhöhen. Demnach ist die 50 m-Isopachyte hier gegen Nordosten ge-
schlossen. Auch sonst ist eine weitere Fortsetzung der Zone gering-
mächtigen Diluviums nach Osten nicht erkennbar, selbst wenn Hilfs-
isopachyten in Abständen von 25 zu 25 m eingefügt werden. So sind
bei Wegröw 87 m Diluvium festgestellt; in Kamionek, in der Nähe der
Bahn nach Biaiystok, ist das Diluvium mit 84 m noch nicht durchsunken,
und in der Nähe des mittleren Bugtales ist das Diluvium offenbar noch
mächtiger.
Südlich des unteren Weichseltales nimmt das Diluvium indessen
ebenfalls wieder an Mächtigkeit zu. Zwar liegt in der Gegend von
Kutno und Leczyca noch ein inselförmiges Gebiet, wo das Diluvium
unter 50 m bleibt^), weiter im Süden aber nimmt die Mächtigkeit dann
rasch noch einmal beträchtlich zu. Bei Warta (nördlich Sieradz an der
Warthe), in Lodz und westlich von Lowicz (Jackowice) sind Mächtig-
keiten des Diluviums von über lOO m festgestellt, und selbst südwestlich
von Kaiisch, in Szczypiorno, wurden noch 82 m Diluvium erbohrt.
Unsicher ist allerdings, ob das Gebiet tatsächlich ein geschlossenes,
einheitliches Areal der lOO m-Isopachyte bildet, oder ob sich das Ganze
•später, wenn weitere Bohrungen vorliegen werden, in einzelne Inseln
auflösen wird. Nicht ganz sicher ist ferner, ob die Zone mit über
100 m Mächtigkeit von Lodz her bis an die deutsche Grenze reicht,
oder, wie auf unserer Karte angenommen ist, nach Westen zu geschlossen
bleibt. In Kaiisch selbst sind an der Prosna nur 30 m Diluvium erbohrt,
die auch bei Hinzurechnung der diluvialen Abtragung nicht mehr als
60 m ergeben. Dem entspricht auch der Wert von Radliczyce (östlich
von Kaiisch) mit 64 m. Bei Konin und Kolo kommt außerdem der
tertiäre Untergrund ziemlich hoch herauf, freilich ist nicht sicher bekannt,
') Diese Angabe erschien mir nicht sicher; ich habe sie daher in der Karte
unberücksichtigt gelassen.
^) 57 m, auf der Karte als einzige unbedeutende Ausnahme daher nicht besonders
hervorgehoben.
^) Ein Zusammenhang dieser Insel mit dem Gebiet längs der unteren Weichsel
besteht ofifenbar nicht, da in Gostynin, Zychlin und deren Umgebung größere
Mächtigkeiten des Diluviums festgestellt sind.
Zeitschr. d. Gesellsch. f. F.rdkunde zu Berlin. 1919. Nr. 3/4. 10
146
K. W u 11 d c r 1 i c h
ob das Tertiär hier wirklich ansteht, oder nur Schollen bildet. Immerhin
scheint die gegebene Darstellung, die die lOO m-Isopachyte auf das
Gebiet zwischen Bzura und Warthe beschränkt, richtiger zu sein. Hierzu
paßt auch sehr gut die Darstellung bei F 1 e s z a r , dessen Karte auf
der ostposenschen Hochfläche und südlich der Warthe nur zwei einzelne
kleine Gebiete von über lOO m Mächtigkeit angibt. ' Anderseits dart
allerdings nicht übersehen werden, daß in dem ganzen Dreieck zwischen
KaTisch, Kolo und der deutschen Grenze viel zu wenig Bohrungen vor-
handen sind, um schon jetzt etwas Abschließendes sagen zu können.
Vereinzelt werden sich hier vielleicht doch noch größere Mächtigkeiten
feststellen lassen.
Ähnlich müssen die Verhältnisse im Osten der Weichsel liegen.
Bei Garwolin ist das Diluvium mit 125 m, unweit Zelechow mit 80 m
noch nicht durchbohrt, und wenig westlich von Lukow erreicht das
Diluvium noch 82 m. Man kann also um Garwolin vielleicht bis in
die Nähe von Lukow ein Gebiet mit über lOO m Mächtigkeit annehmen.
Auf die hohen Werte längs des mittleren Bugtales unterhalb von Brest-
Litowsk wurde oben bereits kurz hingewiesen. Hier ist das Diluvium
in mehreren Bohrungen, z. B. um Drohiczyn, mit 90 m noch nicht durch-
sunken. Wahrscheinlich tritt hier die 100 m-Isopachyte noch einmal auf.
Südlich der geschilderten Zone nimmt dann das Diluvium rasch end-
gültig ab. Zunächst folgt ein Streifen von wechselnder Breite, in dem
die Mächtigkeit des Diluviums vielfach noch über 50 m beträgt, im
einzelnen aber schon recht ungleich ist. So sind z. B. längs der Warthe,
ferner südwestlich von Lodz (Dobrön) zwei kleine Gebiete vorhanden,
wo die Mächtigkeit schon ganz geringfügig ist. Das Auftreten zahl-
reicher weiterer derartiger Inseln ist mit Sicherheit zu erwarten. Die-
Karte kann hier bei dem kleinen Maßstab nur den Typus dieser Auf-
ragungen des älteren Untergrundes geben. Jedenfalls dürfte die auf
unserer Karte eingetragene 50 m-Isopachyte in Wirklichkeit einen noch
viel ungleichmäßigeren Verlauf besitzen. Sie tritt vom deutschen Gebiet,
wo ihr F 1 e s z a r offenbar zuletzt eine zu stark nordwärts gerichtete
Tendenz gegeben hat, halbwegs zwischen Kaiisch und Czenstochau
nach Kongreß-Polen über". Für ihren weiteren Verlauf sind dann haupt-
sächlich die Bohrungen in Parzymiechy, in der Nähe des Wartheknies
(58 m Dil., /n. d./), Niechcice, südlich Petrikau (45 m Dil., /n. d./) ferner
Cielfidz und Rylsk Maly, beide nördlich Nowe Miasto a. d. Pilica gelegen
(56 m, /d./, bzw. 63 m, /n. d./), maßgebend. Danach dürfte also ungefähr
das Pilicatal die Südgrenze des über 50 m mächtigen Diluviums bilden.
Im Radomer Flachland sind jedenfalls bisher noch nirgends Mächtig-
keiten von über 50 m erbohrt; die höchsten festgestellten Werte liegen
hier zwischen 30 und 40 m.
Die Bedeutung der diluvialen Ablagerungen usw. 147
" Östlich der Weichsel stützt sich die weitere Führung der 50 m-
Isopachyte zunächst auf die Bohrungen von Deblin (Iwangorod) und
Maciejowice, nördlich Deblin. Erstere ergaben ein sehr geringmächtiges
Diluvium, das auch unter Anrechnung der diluvialen Abtragung im
Weichseltal 50 m nicht erreicht; in Maciejowice ist dagegen das Dilu-
vium mit 63 m noch nicht durchsunken. Maßgebend sind dann weiter
verschiedene Bohrungen zwischen Radzyn und Parczew, die rund 20 bis
30 m Diluvium ergeben haben. In Wiodawa a. Bug sind dagegen nach
den bisherigen Bohrungen noch rund 50 m Diluvium anzunehmen.
Offenbar hat das tiefergelegene Buggebiet wieder eine mächtigere Auf-
schüttung erfahren.
Südlich der genannten Linie nimmt das Diluvium aber sehr rasch ab.
Die Mittelgebirgsschwelle mit ihrem älteren Gesteinssockel hebt sich
sowohl westlich wie östlich der Weichsel nunmehr verhältnismäßig schnell
aus der diluvialen Bedeckung heraus. In der Gegend von Dublin und
Cholm ist das Diluvium nur noch in einzelnen Niederungen zwischen
den Kreidehöhen etwas mächtiger. Zweifelhaft scheint mir die Angabe,
daß in Leczna im mittleren Wieprzgebiet noch einmal 65 m Diluvium
erbohrt sein sollen. W^ürde es sich jedoch als zutreffend herausstellen,
so müßte für die Gegend von Leczna noch einmal die 50 m-Isopachyte
inselförmig eingetragen werden. Ausgeschlossen ist das immerhin
nicht. —
Zusammenfassend zeigt sich, daß die seinerzeit im Handbuch von
Polen gegebene Darstellung über die Mächtigkeitsverhältnisse im all-
gemeinen durchaus aufrecht erhalten werden kann. Am stärksten
erweist sich das Diluvium mit fast 200 m Mächtigkeit im Norden, im
Gebiet des Baltischen Höhenrückens. Weiter zeigt sich trotz des
dünnen Netzes der Tiefbohrungen, daß das Diluvium in Kongreß-Polen
nach Süden zu abnimmt. Die Abnahme erfolgt jedoch nicht gleich-
mäßig und vor allem nicht in dem Maße, wie bisher von einigen Seiten
angenommen worden ist'). Vielmehr muß man bis an die untere
Weichsel und fast bis an den unteren Bug heran im allgemeinen mit
einer Aufschüttung von über lOO m rechnen. Dann folgt die Zone der
großen Täler, die sog. Polnische Niederung. Das Diluvium ist hier
im Westen zunächst nicht sehr mächtig. Namentlich längs der unteren
Weichsel bis in "die Gegend von Warschau fallen durchweg — beson-
ders im Vergleich zu norddeutschen Tälern — die geringen Mächtigkeits-
zahlen des Diluviums auf. Eine Fortsetzung dieser Zone nach Osten
ist aber nicht erkennbar. Vielmehr folgt südlich und östlich dieses
Streifens wieder eine Zone stärkerer Aufschüttung, wo das Diluvium
^) Vgl. vor allem die Angaben bei B e h r und T i e t z e (Jahrb. der Kgl. Preuß.
Geol. Landesanst. 1912. S. 98 ff.).
10*
]^48 ^- Wunderlich:
z. T. noch einmal über lOO ni Mächtigkeit erreicht, um dann erst südRch
dieses Streifens gegen die Grenze des Flachlandes verhältnismäßig rasch
abzunehmen. Die Gesamtverteilung ist also ähnlich wie in Nord-
deutschland, besonders im Oder- Weichselgebiet. Ob in Kongreß-Polen
eine, wenn auch geringe, größere durchschnittliche Mächtigkeit vor-
handen ist, kann jetzt noch nicht entschieden werden.
b) Die Karte der subdiluvialen Oberfläche. Im
Norden, im Bereich des Polnisch -Baltischen Hügellandes, sind die
Grundlagen wiederum sehr lückenhaft. Die bisher aus Suwaiki bekannt
gewordenen Tiefbohrungen sind zu wenig zahlreich, um daraus sichere
Schlüsse ziehen zu können. Vor allem fehlen Tiefbohrungen in dem
Niemengebiet zwischen Kowno und Grodno, das in der Fortsetzung
des ostpreußischen Höhenrückens gelegen und deshalb besonders
wichtig ist. Sie würden erweisen, ob sich die von F 1 e s z a r für
Ost- und Westpreußen angegebene Aufragung der subdiluvialen Ober-
fläche nach Kongreß-Polen hinein fortsetzt. Seine Karte verzeichnet
längs des Baltischen Höhenrückens Aufragungen der älteren Unterlage
bis über lOO m. Ähnliches zeigten schon früher die Karten von
Tornquist und Bayreuther'); nach ersterem soll hier das Tertiär
bzw. wohl auch Kreideschichten hoch emporkommen; Tornquist
spricht geradezu von einem ,, polnischen (Kreide-)Sockel" an derSüdgrenze
Ost- und Westpreußens. Er nimmt weiter an, daß die ältere Unterlage
nach Norden zu absinkt, was die Karte von F 1 e s z a r dann auch
bestätigt hat. Die bisherigen Bohrungen innerhalb Kongreß-Polens
stehen dazu nicht im Widerspruch. In Kowno ist die prädiluviale
Unterlage in — 4 m z. B. noch nicht erreicht. Und anderseits wäre
nicht ausgeschlossen, daß sich die hohe Lage des prädiluvialen Unter-
grundes um Grodno als in der Fortsetzung des polnischen Sockels von
Tornquist gelegen erweist. Doch ist leider, wie gesagt, die Zahl
der bekannt gewordenen Bohrungen in Kongreß-Polen noch viel zu
klein, um darüber bereits etwas Sicheres aussagen zu können.
P>st weiter südHch, nach dem unteren Weichseltal zu, wird das
Netz dicht genug, um festere Anhaltspunkte zu liefern. Die Unterlage
des Diluviums liegt hier offenbar im Meeresniveau, bzw. etwas darunter^).
Wie sich die o m - Isohypse fortsetzt, muß noch offen bleiben. Ver-
mutlich umgibt sie ein geschlossenes, nicht sehr breites von O nach W
etwas ausgedehnteres Areal zwischen der unteren Weichsel, dem unteren
') Vgl. Tornquist, S., Geologie von Ostpreußen. Berlin 1907, und Bay-
reuth e r . W., Die Oberflächengestalt von Pomesanien usw. Diss. Königsberg 1913.
2| Bohrung Drogoszewo b. Ostroleka — 17m /n.d./, Grodzisk b. Ostroleka — 8 m
/n. d./, Sokolowo b. Puhusk — 21 m, PuUusk —7m /n.d./. Malawies b. Wyszogröd
— I m /n. d./ und Lipno -f 6 m /n. d./.
Die Bedeutung der diluvialen Ablagerungan usw. X49
Narevv und dem eigentlichen Baltischen Höhenrücken '). Möglicherweise
ist es auch kein ganz geschlossenes Areal, sondern löst sich später,
wenn weitere Bohrungen vorliegen werden, noch in einzelne kleinere
Einheiten auf.
Längs des unteren Weichseltales steigt die prädiluviale Unterlage
rasch an. Schon westlich von Piock kommt das Tertiär sehr hoch
(bis über 50 m); ebenso liegt die Unterkante des Diluviums westlich
von Nieszawa durchweg sehr hoch. Das Gebiet, wo die subdiluviale
Oberfläche geschlossen über 50 m aufragt, wird indessen erst etwas
südlicher erreicht. Nach den bisher vorhandenen Tiefbohrungen ver-
läuft die 50 m-Isohypse aus der Gegend zwischen Kaiisch und Peisern
an Turek vorbei über Gostynin, um sich dann, wie die Karte zeigt,
eng an das untere Weichsel- und Bugtal anzuschließen. Möglicherweise
muß aber die Linie im Warthegebiet nördlicher gezogen werden, da
in der Gegend von Kolo und Konin stellenweise das Tertiär recht hoch
kommt. Allgemein scheint jedoch der Anstieg der Unterlage nicht
ganz regelmäßig zu erfolgen. Nordwestlich von Lowicz z. B. ist das
Diluvium bei - 1 m noch nicht durchsunken, reicht also noch unter
den Meeresspiegel. Es ist nicht ausgeschlossen, daß es sich hierbei um
eine Ausbuchtung der o m- Isohypse nach Süden handelt.
Südlich dieser Linie steigt dann die subdiluviale Oberfläche im
allgemeinen rasch an. Sie erreicht bald 100 m. Die lOO m-Isohypse
tritt von Posen her, wo sie F 1 e s z a r zuletzt offenbar zu weit nach
Norden abbiegt, nach Kongreß-Polen über und verläuft hier aus der
Gegend von Sieradz längs der unteren Pilica nach Osten. Doch läßt
die Karte verschiedene größere Unregelmäßigkeiten erkennen. So
macht die Isohypse nördlich von Lodz eine größere Ausbuchtung nach
Norden, die eine höhere Aufragung des Untergrundes verrät. Ob eine
damit zusammenhängende Erhebung der älteren Unterlage in der Gegend
von Mszczonöw vorhanden ist, muß offen bleiben; vorläufig erschien
es sicherer, um Mszczonöw zunächst nur eine isolierte Aufragung an-
zunehmen. Andererseits aber zeigt sich in den Bohrungen nördlich
von Sieradz dicht bei Warta (Unterkante -\- ij m) und in Garwolin
(Unterkante o m /n. d./) eine auffällig tiefe Lage des Untergrundes.
Besonders in der Gegend von Garwolin muß der Untergrund offenbar
ziemliche Unebenheiten aufweisen 2), Ob es sich an den genannten
^) Ein Zusammenhang mit dem unter dem Meeresniveau gelegenen Teil der
subdiluvialen Oberfläche im nördlichen Ost- und Westpreußen, das nach v. L i n s t o w s
neuerer Darstellung (Zeitschrift f. Gletscherk. Bd. X) etwas größer ist, als nach der
Karte von F 1 e s z a r , scheint aber nicht zu bestehen.
^) Im Rahmen dieser Bohrungen betrachtet, erscheint auch die oben erwähnte
Bohrung von Jeziorna nicht so ganz unglaubwürdig.
J50 • K- Wunderlich:
beiden Stellen nur um sozusagen isolierte Locher in der Unterlage
oder aber um Spuren zusammenhängender Tiel'enrinnen handelt, läßt
sich vorläufig nicht entscheiden. Ausgeschlossen wäre das Letztere
indessen bei beiden Stellen keineswegs.
Der weitere Anstieg nach Süden erfolgt, soweit sich bisher erkennen
läßt, etwas regelmäßiger. Bald ist die 1 50 m- Isohypse erreicht, die im
allgemeinen einen ziemlich gleichmäßigen Verlauf zu nehmen scheint,
noch etwas weiter südlich dann die 200 m-Isohypse, deren Verlauf in
dessen bereits durch die Höhen längs des Pilicatales, das Mittelgebirge
und die Aufragung des Lubliner Hügellandes bei Puiawy offensichtlich
stark bestimmt wird^). —
Alles in allem ist das Kartenbild der subdiluvialen Oberfläche für
Kongreß-Polen verhältnismäßig klar und einfach. Das Wichtigste daran
ist, daß die Unterlage des Diluviums im Bereich des Baltischen Höhen-
rückens sehr hoch liegt (rd. lOO m), daß sie dann südlich davon stark
eingemuldet erscheint, so daß das Diluvium im nördlichen Kongreß-
Polen, ja selbst noch an einzelnen Stellen der Polnischen Niederung
bis unter den Meeresspiegel reicht. Erst weiter im Süden steigt dann
die Unterlage gegen die Mittelgebirgsschwelle hin an. Am bemerkens-
wertesten ist somit, wenn man das heutige Relief damit vergleicht,
eine gewisse Übereinstimmung, die in dem muldenförmigen Bau der
subdiluvialen und der heutigen Oberfläche hervortritt. Nur erscheint
die Mulde in der subdiluvialen Fläche etwas weiter nach Norden gelegen.
Vergleichen wir nun beide Karten untereinander und mit dem
heutigen Relief, so läßt sich zunächst die Frage, welche Bedeutung
dem Eise für die allgemeine Oberflächenentwicklung des polnischen
Flachlandes zukommt, einwandfrei in dem Sinne beantworten, daß im
nördlichen und mittleren Kongreß-Polen wie in Norddeutschland die
diluviale Vereisung für das heutige Relief zweifellos ausschlaggebend ge-
worden ist. Vor allem fällt auf, daß die Erhebung des Baltischen Höhen-
rückens in der Hauptsache doch nur aus diluvialen Aufschüttungen ge-
bildet ist. Ältere Kerne sind zwar vorhanden, scheinen aber doch
nicht so bedeutenden Anteil an der Erhebung des Ganzen zu haben,
als manchmal angenommen wurde. Im mittleren Kongreß-Polen ist
das Eis ebenfalls insofern ausschlaggebend gewesen, als es durch Auf-
füllung der zwischen den präexistierenden Höhen gelegenen Niede-
rungen das heutige, im allgemeinen ausgeglichenere Relief geschaffen hat.
Ob nun daneben auch tektonische Vorgänge zur Erklärung der
heutigen Oberflächengestalt des polnischen Flachlandes mit heran-
zuziehen sind, ist dagegen nicht ohne weiteres zu entscheiden.
1) Südlich von Puiawy hätte die 200 m- Isohypse etwas stärker nach Westen
ausgebuchtet werden können, als es auf der Karte geschehen ist.
Die Bedeutung der diluvialen Ablagerungen usw. 151
Die von F 1 e s z a r für Norddeutschland mit Recht als Regel an-
gesehene Verteilung der Hauptmassen des Diluviums in den Einsenkungen
der subdiluvialen Oberfläche ist in Kongreß-Polen nur im mittleren Teil
des Landes sofort erkennbar. Hier tragen die Höhen der prädiluvialen
Unterlage in der Tat nur ein geringmächtiges Diluvium, während die
dazwischen gelegenen Einsenkungen in erheblichem Maße zugeschüttet
worden sind. Ganz offensichtlich haben diese Erhebungen schon vor
dem Herannahen der Vereisung bestanden und dem Eis bei seinem
Vordringen Widerstand entgegengesetzt. Auch längs der unteren
Weichsel ist noch Ähnliches deutlich zu beobachten. Hier kommt die
Unterlage des Diluviums verhältnismäßig sehr hoch hinauf, und die
diluviale Aufschüttung ist wiederum entsprechend gering, während die
nördlich dieser Erhebung gelegene Einsenkung der subdiluvialen Ober-
fläche durch eine über lOO m mächtige Aufschüttung völlig aus-
geglichen ist. Alan muß danach wohl annehmen, daß auch das ganze
Gebiet längs der unteren Weichsel schon vor der Vereisung eine ge-
wisse Erhebung gebildet hat, deren Entstehung allerdings noch zu er-
klären wäre^).
Anders liegen die Verhältnisse dagegen in der Zone Lodz-Garwolin
und vor allem im Bereich des Baltischen Höhenrückens. Im erst-
genannten Gebiet weist der Untergrund, abgesehen von der Erhebung
der Kreideschichten bei Lodz, keine besonderen Unregelmäßigkeiten
auf. Trotzdem hat hier eine beträchtliche Zunahme der diluvialen Auf-
schüttungen stattgefunden. Tektonische Einflüsse scheinen mir indessen
dafür nicht maßgebend. Ich glaube vielmehr, diese besonders stark
ausgeprägte Akkumulationszone durch die gerade in diesem Streifen
nachweisbare längere Stillstandslage des Eises genugsam erklären zu
können. Von der Warthe her ziehen sich hier über Lodz und Rawa
Spuren einer größeren Randlage des Eises, die sich weiterhin nach
kurzer Unterbrechung durch das Weichseltal deuthch bis in die Gegend
südlich von Siedice verfolgen lassen.
Bekanntlich haben auch Stillstandslagen das Relief des Baltischen
Höhenrückens geschaffen und nach der Großartigkeit dieser Landschaft
zu urteilen, müssen die Stillstandslagen von noch viel größerer Dauer
gewesen sein. Trotzdem bleibt auffallend, daß gerade im Bereich des
Baltischen Höhenrückens, wo die prädiluviale Unterlage zum Teil bis
zu über lOO Meter heraufkommt, die diluviale Aufschüttung so mächtig
ist. Die Frage, ob hier die subdiluviale Oberfläche tatsächlich mit dem
vordiluvialen Relief identisch ist, oder ob letzteres nicht doch durch
nachträgliche tektonische Vorgänge verändert worden ist, bedarf zweifel-
') Auf den Gegensatz dieser Verhältnisse zu den norddeutschen Tälern (Oder,
Elbe und Weser) wurde bereits kurz hingewiesen.
2 52 E. W u n d e r 1 i c h :
los einer eingeliendcren Priil'ung. Die mächtige Ausbildung der dilu-
vialen Schichten kann nun meines Erachtens nicht ohne weiteres als Beweis
für eine spatere Hebung des Baltischen Höhenrückens angesehen werden.
Gewiß erscheint, wie Fleszar schon für Norddeutschland betont, die
Bedeckung gerade der größten prädiluvialen Höhen durch die mächtigste
Decke der diluvialen Ablagerungen nicht wohl erl<lärlich. Aber es muß
doch auch bei den besonders für dieses Gebiet sicher anzunehmenden
lang andauernden verschiedenen Stillstandslagen des Eises mit einer
ganz besonders mächtigen Aufschüttung gerechnet werden. lOO bis
150 Meter erscheinen hierfür durchaus nicht zu hoch ^). Es kommt
hinzu, worauf bereits Tornquist die Aufmerksamkeit gelenkt hat,
daß die höchsten Erhebungen der Diluvialablagerungen im Baltischen
Höhenrücken und damit die größten Mächtigkeiten des Diluviums nicht
etwa dort auftreten, wo sich die Unterlage des Diluviums in größerer
Höhenlage befindet, sondern umgekehrt in jenen Gebieten, in denen
die Unterkante des Diluviums am tieften reicht. Mit anderen Worten
gilt, entgegen der Anschauung von Fleszar, die Regel, daß sich
die Hauptmassen des Diluviums in den Einsenkungen des subdiluvialen
Reliefs finden, auch für den Baltischen Höhenrücken, wenigstens in
Ostpreußen. Das muß eigentlich davor warnen, vorschnell zu tekto-
nischen Erklärungen der heutigen Oberflächengestaltung zu greifen.
Anderseits sprechen gewisse morphologische Momente doch für
eine Hebung des nördlichen Teiles von Kongreß-Polen. S a w i c k i
hat vor allem auf die eigenartige Ausbildung des mittleren Niemen-
tales hingewiesen, die seiner Auffassung nach eine diluviale Hebung
dieses Gebietes voraussetzt^). Im Handbuch -von Polen ist ferner darauf
aufmerksam gemacht, daß auch bei der unteren Weichsel und Oder
ähnliche Schlingenbildungen auftreten, die allerdings noch nicht näher
untersucht worden sind. Immerhin scheinen mir die Hebungsbeträge,
die sich dabei aus der Entwicklung der Terrassen errechnen lassen,
verhiillnismäßig nicht sehr groß; sie dürften im Niemengebiet 100 Meter
kaum erreicht haben.
Die Möglichkeit einer solchen Hebung muß jedenfalls zugegeben
werden. Vielleicht ist gleichzeitig eine gewisse Absenkung des mittleren
Kongreß-Polen erfolgt. So scheint mir die tiefe Lage der diluvialen
Unterkante, die noch bei Lowicz und Garwolin unter dem Meeres-
spiegel gelegen ist, eine gewisse Senkung dieses Gebietes während
,bzw. nach der Eiszeit anzudeuten. Die subdiluviale Fläche scheint, nach
'j Vgl. dagegen Wahnschaffe, Zeitschr. f. Gletscherkunde V. 191 1, S. 337/8.
2) Sawicki, L. von. Niemen jako klucz do zrozumienia genezy nizu polnoc-
nego . . . (Der Niemen als Schlüssel zum Verständnis der Entstehung des nördlichen
Flachlandes.) Spraw. Tow. Nauk. Warschau 1909.
I<>'
Zcilsclir. d. Oescllsch. f. I'^dkunde zu Berlin, 191 8.
Abliandlune Iv Wuiuk'rlich.
too ■ soo •.
aao- 101 m.
Reprod. -Anstalt l). Rciiin;!- (E. \'()hsen), iJerlin.
Karte 1 . Versuch einer schematischen Übersichtskarte der Mächtigkeit des Diluviums
im polnischen Flachland.
Die Linien sind Linien gleiclier M:icliti.t;kcit (Isoiiacbyten) des Diluviums. Die als (Irundlage gewählte moderne
Hohenscliiclitenkarte snll die ütileutiing der eiszeitlichen Aiifscliiilliingen für das heutige Relief zeigen.
Zeilsclir. d. Oesellsch. f. Erdkunde zu Berlin, 1918.
Abhandlung E. Wunderlich.
an- Sit m SCO ioo .. tto -- »tt^
Reprod. -Anstalt D. Reimer (E. Vohsen), Berlin.
Karte 2. Versuch einer schematischen Übersichtskarte des subdiluvialen Reliefs
des polnischen Flachlandes.
Die Linien sind Isohypsen des subdiluvialcn Reliefs in Abständen von 50 m. Sie sind in die moderne Höhenschichten-
karte eingezeichnet, um die Bedeutung des alten Reliefs für die heutige Oberflächengestalt zu zeigen.
Die Bedeutung der diluvialen Ablagerungen usw. 153
der Ausbildung der tiefsten Schichten zu urteilen, tatsächlich erst nach-
träglich in diese tiefe Lage gekommen zu sein.
Wir haben also möglicherweise eine diluviale bzw. postglaziale
Hebung des Baltischen Höhenrückens und eine gleichzeitige Absenkung
des mittleren Kongreß-Polen anzunehmen. Daß wir uns im Gebiet
der Polnischen Niederung auf unruhigem tektonischem Boden befinden,
ist ja bekannt. Schon L e w i u s k i hat auf den muldenförmigen Bau
des mittleren Kongreß-Polen hingewiesen^), und es macht, wie im Hand-
buch von Polen ausgeführt wurde, ganz den Eindruck, als ob im Be-
reich der Polnischen Niederung schon während des Tertiärs eine flache
(jeosynklinale bestanden hat. Letzteres ist indessen noch nicht sicher;
zudem könnte die Einsenkung der tertiären Schichten ja auch die Folge
jüngerer tektonischer Bewegungen sein. Daher wird es weiterer Unter-
suchungen bedürfen, diese Frage, die für die Entwicklung der Ober-
flächengestaltung des polnischen .Flachlandes von grundlegender Be-
deutung ist, einer endgültigen Beantwortung zuzuführen.
Der Vorgang der Selbstverstärkung.
Von Dr. W. Behrmann.
Auf einer freien, ebenen Sandfläche, vielleicht einer Strandebene,
über die ein gleichmäßiger, ruhiger Wind streicht, wird durch irgend-
ein Ereignis eine Erhöhung gebildet. Es kann dies durch die Spur
eines Menschen oder Tieres geschehen, aus einer Riffelung des Sandes
kann ein Sandhäufchen übriggeblieben sein, es kann durch einen
fremden Gegenstand, eine Konservenbüchse oder eine größere Muschel
die erste Erhöhung gebildet werden. Der Wind findet einen Wider-
stand, er wird zum Emporsteigen gezwungen und läßt den Sand, den
er mit sich führt, hinter dem Gegenstande im Windschutze fallen.
Dadurch wächst die Erhöhung. Der Wind wird gezwungen, stärker
nach aufwärts zu biegen, er erzeugt hinter dem Sandhäufchen einen
Wirbel, einen Konvektionstrom. Wo Wind und Konvektionstrom sich
treffen, entsteht eine lokale Verminderung in der Geschwindigkeit des
Windes, wodurch wieder die Transportkraft herabgesetzt wird und der
mitgeführte Sand zu Boden fällt. Der Konvektionstrom führt von der
Rückseite Sand herbei, beide helfen somit am Aufbau des Sandhaufens.
Dieser wächst durch seine eigene Existens. Denn bei gleichbleibenden
äußeren Bedingungen wird der Wind immer höher abgelenkt, ent-
\) Vgl. die beiden eingangs zitierten .Arbeiten und die ihnen beigegebenen Protile.
254 ^- Behrmann:
sprechend ein stärkerer Könvektionstrom erzeugt und die Düne höher.
So trägt die erste Unregelmäßigkeit, die erste Störung des Gleichgewichts-
zustandes zwischen Sandebene und dem Winde alle Bedingungen zur
Entstehung der Düne in sich. Die erste Sandanhäufung verstärkt sich
selbst. Dieser Selbstverstärkung sind jedoch' Grenzen gezogen, der
Sandhaufen wächst nicht in den Himmel. Seine Höhe hängt von der
Stärke des Windes und der Höhe des Sandtreibens ab. Wächst die
Düne über die Höhe des Sandtreibens hinaus, so kann der Wind den
Sand nur noch aufwärts rollen, die Spitze der Düne wird jetzt leichter
der zerstörenden als der aufbauenden Kraft des Windes anheimfallen.
Durch das Emporsteigen an der Luvseite wird der Wind aus seiner
Bahn abgelenkt, er kann dadurch so schwach werden, daß er keinen
Sand mehr transportieren kann. Durch einen zu schwachen Wind wird
der Könvektionstrom nicht mehr bis zum Boden der Sandebene erzeugt,
vielmehr bringt er nur einen kleinen Wirbel hervor, der die Düne
wieder anfrißt. Am Ende des Anwachsens ist ein neuer Gleichgewichts-
zustand zwischen den verschiedenen Kräften erreicht, der den Entwick-
lungsprozeß beendet. Ist schon vorher der Wind schwächer oder stärker
geworden, hat er gedreht, so sind neue Momente aufgetreten, die den
Gang der Entwicklung stören und ihn nicht bis zum Maximalbetrag
ablaufen lassen.
In einem Flußbett hat sich ein Baumstamm verankert oder ein
Strauch festgesetzt, der den Sand fängt und den ersten Anlaß zur
Bildung einer Sandbank bildet. Das Wasser fließt bei dem etwas
seichteren Bett durch die verstärkte Reibung etwas langsamer. Dadurch
wird seine Transportkraft etwas geringer, es schlägt sich gerade hier
von neuem Sand nieder. Dadurch wird das Bett noch seichter, die
Reibung noch größer, die Transportkraft noch geringer, Sand schlägt
sich in verstärktem Maße nieder. Die Sandbank verstärkt sich selbst,
bis durch ein anderes, fremdes Ereignis diesem Gesetz des Anwachsens
durch sich selbst Einhalt geboten wird. Es kann durch die Sandbank
das ganze Flußbett z. B. so aufgestaut werden, oder die Wassermasse
so zusammengepreßt werden, daß das Wasser durch die Enge hindurch-
brausen muß und so die Sandbank, die sich an der Oberfläche ver-
stärkte und nach den Seiten hin langsam in der Stromrichtung aus-
dehnte, jetzt seitlich angenagt und wieder zerstört wird.
Eine ähnliche Erscheinung kann man am Flußbett verfolgen, wenn
sich seitlich am Ufer eine Sandbank ausbildet. Sie wächst aus den-
selben Gründen, die wir eben sahen. Durch ihr Wachsen wird der
Querschnitt des Flusses unregelmäßig, die größere Masse des Wassers
wird nach außen verschoben, das gegenüberliegende Ufer stärker an-
gegriffen und eine Strombiegung erzeugt. Sie vergrößert sich wieder
Der Vorgang der Selbstverstärknng. 156
selbst, indem das Gleitufer mehr und mehr aus dem' Stromstrich
gezogen wird, sich hier immer leichter die Sedimente niederschlagen
können, bis sogar Stromstillstand oder rückläufige Strombewegung^ am
Gleitufer eintritt. Das Prallufer aber erodiert in dem gleichen Maße
stärker und wandert durc*h sich selbst nach außen. Dem Seitwärts-
drängen wird erst Einhalt geboten, wenn die Strombiegung eine Größen-
ordnung hat, die der gesamten Wassermasse des Flusses entspricht.
Schon die erste Umbiegung des Stromes erzeugt ein Zurückpendeln
des Stromstriches unterhalb der ersten Biegung. Die erste Strombiegung
erzeugt eine zweite, diese eine dritte und so fort. Der erste Mäander
ist die Ursache des zweiten, dieser des dritten und so weiter. Die
Mäander erzeugen sich selbst, verstärken sich gegenseitig, bis ein neuer
dynamischer Gleichgewichtszustand erzeugt ist. Diese Selbsterzeugung
hat erst ihr Ende, wenn die Flußgeschwindigkeit zu gering wird, also
die Pendelbewegung des oberen Mäanders nicht mehr auf die abwärts-
liegende Stromstrecke übertragen werden kann.
Eine tonhaltige Verwitterungsrinde überzieht eine große Anzahl
von Bergen. Hat sich nun aber irgendwo eine kleine Bodenunebenheit
in Form einer Stufe gebildet, vielleicht durch Frost, durch Vegetation,
Wege oder andere Ursachen, so sickert das Regenwasser von dem
höheren Teil in den tieferliegenden hinab. Dadurch wird dieser
feuchter, er wird scfimierig und die Verwitterungsrinde kann hier
leichter zu Tale kriechen als in dem oberen Teile. Dadurch erweitert
sich die Kluft zwischen den beiden Partien, der untere Teil sinkt tiefer,
der stehengebliebene Teil wird trockener, das Wasser sickert noch
mehr zu dem rutschenden Teil, dieser greift auf Nachbargebiete über
und vergrößert sich selbst. Durch die Rutschung wird der^ feste Ver-
band mehr und mehr gelockert, das Wasser, das von oben zuströmt,
kann besser den Boden durchfeuchten und das Schmiermaterial bilden.
Der Vorgang, den das erste stufenförmige Absitzen einleitete, verstärkt
sich selbst, bis durch das völlige Abrutschen, das sich bei der dicken
Verwitterungsrinde der Tropen z. B. zum Bergsturz steigern kann, der
Prozeß sein Ende erreicht.
Hat sich an einer Küstenbiegung durch die Strömung der erste
Ansatz zu einem Küstenhaken gebildet, so verstärkt auch er sich selbst.
Denn durch ihn werden die Wellen gezwungen, parallel zur Küste zu
laufen, wo sie vorher der Biegung der Küste folgten. Sie können
also leichter das Strandmaterial versetzen. Je länger der Küstenhaken
ist, desto mehr beeinflußt er Wellen und Küstenströmung, desto leichter
kann er wachsen. Das Wachstum findet seine Grenze, wenn die
Materialzufuhr nicht mehr ausreicht, wenn die Meerestiefen zu groß
werden oder die durch den Küstenhaken abgelenkten Strömungen und
I5H W. n c h r m a n n :
die Ströme des Haffs die Nehrung angreifen. Der durch irgendeine
Ursache eingeleitete Prozeß steigert sich selbst, bis das Gleichgewicht
der Kräfte durch Hinzutreten neuer Kräfte wieder hergestellt ist und
ein weiteres Anwachsen unmöglich ist.
Dieser .Vorgang der Selbstverstärkung einer einmal eingeleiteten
Entwicklungsreihe hat eine weitgehende Bedeutung in dem Kampf der
Naturkräfte. Der Praktiker kennt es genau, er weiß, daß ein Gebäude,
ein Ufer, ein Deich vor allem davor bewahrt werden muß, daß die
erste Zerstörung Platz greift. Denn ist die Zerstörung erst im Gange,
so ist sie nicht mehr aufzuhalten, sie schafft durch sich selbst neue,
günstige Bedingungen zum Weiterumsichgreifen i).
Ähnlich verhält es sich auch z. B. mit der Zerstörung eines Ge-
birges. Der erste Wasserriß bei einer Bruchstufe, um ein einfaches
Beispiel zu nehmen, fängt die Niederschläge nicht bloß an der Tal-
sohle, sondern auch an den Gehängen auf, dadurch wird die Menge
des Wassers, die er abwärts führt, verstärkt. Er muß sich tiefer ein-
schneiden und dementsprechend die Böschungen seiner Wände ab-
schrägen. Sein Einzugsgebiet wird größer, die Wasserzufuhr dement-
sprechend bedeutender usw., bis sich ein Flußsystem ausgebildet hat,
bis durch Rückwärtserosion die Bruchstufe zum Reifestadium abgetragen
ist. Auch hierbei hat das Gesetz seine Grenzen. Ist erst das Gebirge
völlig in eine Gratlandschaft aufgelöst, so kann Bas Einzugsgebiet nicht
mehr vergrößert werden. Der Prozeß des Einschneidens, der sich bis
zu diesem Maximalbetrag selbst gesteigert hat, läuft jetzt langsamer
ab, da neue Momente hinzutreten, wie Umschüttung des Gebirges,
Verwitterung der Gesteine. Die völlige Einebnung, das restlose Durch-
laufen des Zyklus bis zum Stadium der Fastebene gehorcht nicht mehr
dem ersten Gesetz allein.
Allen diesen Beispielen scheint mir ein ganz allgemeines Prinzip
zugrunde zu liegen, das ich den Vorgang der Selbst-
verstärkung nennen möchte. Es sagt nichts über die Ursache
einer Kräfteverschiebung aus, sondern nur über den Ablauf der einmal
eingeleiteten Störung. Dieser Verlauf vollzieht sich nicht gleichbleibend,
sondern in Form einer Progression. Diese wird in vielen Fällen eine
einfache arithmetrische- Progression sein, wenn nämlich keine neuen
Kräfte fördernd oder hindernd hinzutreten. Die uns umgebende Natur
1) Es macht natürlich keinen Unterschied aus, ob man von einer sich selbst
vergrößernden Zerstörung oder Ablagerung spricht, wie bei den vorigen Beispielen.
Denn einer Abtragung entspricht in der Natur überall eine Ablagerung und um-
gekehrt. Wir richten unser Augenmerk nicht auf die Resultate der Abtragung oder
Ablagerung, sondern auf die Art des Vorgangs. Beispiele für die sich selbst ver-
größernde Zerstörung, wie z. B. bei der Kliffbildung, lassen sich leicht anführen.
Der Vorgang der Selbstverstärkung. 157
strebt im allgemeinen nach einem Zustande des Gleichgewichts aller
Naturkräfte. Wird durch irgendein Ereignis das Gleichgewicht an
einem Punkte gestört, so verläuft der Prozeß der Ausgleichung in
einem sich selbst steigernden Fortschritt, bis an diesem Punkte wieder
der Gleichgewichtszustand durch Hinzutreten anderer Kräfte erreicht ist.
Die Beispiele waren alle gewählt aus dem Gebiet der Morphologie.
Leicht ließe sich ihre Anzahl vermehren. Auch aus dem Gebiete der
anderen anorganischen Natur können unschwer Belege für diesen Vor-
gang gefunden werden. In der Meteorologie spielt er eine große Rolle.
Ein Schneefleck auf einem Berge z. B. kühlt die Luft ab, dadurch
kann die Temperatur so erniedrigt werden, daß der Niederschlag nur
in Form von Schnee fällt, . dadurch wächst der Schneefleck usw. Das
Anwachsen der Minima und Maxima wird mit dem gleichen Gesetz zu-
sammenhängen.
Auch in der organischen Welt beobachtet man oft einen sich
selbst steigernden Vorgang, der dem beschriebenen in der anorganischen
Natur an die Seite gestellt werden könnte. Die Moorpflanzen z. B.
schaffen sich selbst die günstigen Bedingungen zur Weiterausdehriung,
indem sie und ihre Verwesungsprodukte die Feuchtigkeit festhalten
und so dem Umsichgreifen des Moores vorarbeiten. Bäume schaffen
durch Laubabwurf sich selbst d'en Humusboden. Eine Stadt zieht die
Verwaltung an sich, diese den Kaufmann, der wieder den Verkehr,
besserer Verkehr wieder vermehrte Einwohnerzahl, mehr Kaufleute,
mehr Beamte usw. im Wege der Selbststeigerung i).
Diese Beispiele mögen genügen, um einen für die ganze Natur
gültigen Vorgang zu charakterisieren. Indem das Prinzip der Selbst-
verstärkung aufgestellt ist, glaube ich nicht viel Neues gesagt, aber
alte, oft beobachtete Tatsachen unter einem einheitlichen Gesichtspunkt
zusammengefaßt zu haben.
^) Die Selbststeigerung ist also etwas anderes als eine Addition, eine Ver-
mehrung. Bei ersterer werden durch die Anwesenheit dieses Faktors günstige Be-
dingungen bei der Umwelt zu seiner schnelleren Fortentwicklung selbst geschafien.
bei letzterer dagegen vermehrt sich etwas ohne Rücksicht auf die Schaffung günstiger
Bedingungen. Die Verbreitung von Gerüchten, die einfache Vermehrung der Pflanzeu
und Tiere fällt also nicht unter die Selbststeigerung.
158 J- V- Hann
Zum Klima von Caracas.
Von J. V. Hann.
Zufällig kam mir eine Publikation aus Venezuela zu Gesicht unter
dem Titel: Apendice a la Memoria del Ministerio de Relationes in-
tcrios: Trabajos del Cuerpo de Ingenieros. Caracas 191 1. Ein starker
Band, Großaktav, verschiedenen Inhalts, darunter zwei Tabellen in
Plakatformat (wie dies im spanischen Amerika üblich und möglichst
unbequem zur Benutzung ist) mit Ergebnissen meteorologischer Beob-
achtungen in den Jahren 1909 und 1910 unter der Aufschrift: Obser-
vatorio Caligal. Der Inhalt dieser Tabellen deckt sich ziemlich voll-
ständig mit jenen aus den Jahren 1906 und 1907, über welche ich in
der Meteorologischen Zeitschrift 1908, S. "521, berichtet habe. Bei
der Seltenheit meteorologischer Daten aus Venezuela kopierte ich mir
diese Tabellen vollständig. Sie gaben mir Veranlassung, selbe mit jenen
früheren zu einer Klimaskizze von Caracas zu verarbeiten, da sich nun
vierjährige Mittelwerte ableiten ließen. Dabei muß ich auch auf eine
ältere Mitteilung über das Klima von Caracas zurückkommen, welche
Dr.^ r n s t aus Caracas in der Zeitschrift für Erdkunde, Bd. VII, 1872,
veröffentlicht hat. Sie beruht auf dreijährigen Beobachtungen, 1868 bis
1870, von A. Avelado. Sie sollen mit vortrefflichen Instrumenten an-
gestellt worden sein. Der Beobachtungsort war ein zu ebener. Erde
gelegenes Zimmer des Colegio di Santa Maria. Die Beobachtungszeiten
waren 7'', 2^ 93 für die Temperatur; Barometer und Psychrometer wurden
um 10'' a. und 4h p. abgelesen. Als Seehöhe wird 927,3 m angegeben.
Über die I>age des neuen Observatoriums Caligal kann ich leider nichts
Näheres angeben. Die geographischen Koordinaten stimmen mit jenen
der Station von Avelado überein, aber die Seehöhe ist eine erheblich
größere, 1042,5 m, also 115 m höher. Über die Beobachtungszeiten
und die Ableitung der Tagesmittel am Observatorium Caligal wird
nichts gesagt (!) trotz der extremen Genauigkeit der Angaben. Es ist
auch alles richtig gerechnet, soweit ich mich davon überzeugen konnte.
Eine folgende Tabelle enthält (zumeist) vierjährige Mittelwerte
einiger meteorologischer Elemente für das Observatorium Caligal, und
am Schlüsse auch die Mittel für Temperatur und den Regenfall in der
Stadt Caracas, 115 m unterhalb des Observatoriums. Diese Tabelle
möchte ich mit einigen Bemerkungen begleiten.
Luftdruck. Hier wurden auch die älteren dreijährigen Beob-
achtungen einbezogen (wegen der verschiedenen Seehöhe in Form von
Abweichungen der Monatsmittel vom Jahresmittel).
Die jährliche Periode des Luftdrucks (aus sieben Jahrgängen) verläuft
sehr regelmäßig. Die Maxima fallen auf Februar und Juli (Hauptmaximum),
die Minima auf April und November (Hauptminimum). Die Jahres-
schwankung beträgt kaum 2 mm. Die mittleren Monatsschwankungen
(Differenz der Monatsextreme) sind gering, Minima Mai, Maxima Ok-
tober. Die mittlere Jahresschwankung (vier Jahre) beträgt auch nur
7,8 mm; absolute Extreme 680,3 und 671,3. Die Geringfügigkeit der
unperiodischen Luftdruckschwankungen erhellt zur Genüge aus diesen
Zahlen.
Zum Klima von Caracas. 1 59
Temperatur. Durch die neuen Beobachtungen am Obser-
vatorium zu Caracas hat sich eine Unsicherheit über die wahre mittlere
Temperatur von Caracas eingestellt, so sonderbar dies scheinen mag.
Die mittlere Temperatur am Observatorium läßt sich mit jener, die
Avelado für die Stadt gefunden, kaum in Einklang bringen. Gegen
letztere läßt sich aber formell kaum ein Einwand erheben. Wie die
Temperatur am Observatorium berechnet worden ist, wird nicht an-
gegeben, sie ist um 0,7° niedriger als das Mittel der täglichen Extreme,
die glücklicherweise auch mitgeteilt werden.
Avelado fand in der Stadt eine mittlere Temperatur von
21,8°, das Mittel der täghchen Extreme am Observatorium ist 20,3°,
das gibt einen Unterschied von 1,5° für eine Höhen -Differenz von
115 m, ein, man darf wohl sagen unmöglicher Temperaturgradient.
Die Sache verschlimmert sich noch dadurch, daß die Mittel der täg-
lichen Extreme meist zu hoch sind; nach der Beobachtung zu San Jose
Costarica beträgt dort die Korrektion — 1,1°, eine Korrektion, wie
sie in den Tropen öfter vorkommt. Dann würde man gar nur 19,2°
erhalten, ziemlich nahe kommend dem Mittel 19,6°, das vom Obser-
vatorium selbst angegeben wird. Der Gradient für 115 m würde
dadurch auf 2,6° steigen (oder 2,2° mit 19,6° gerechnet). Vielleicht
darf man annehmen, daß die Temperatur, die Avelado beobachtet hat,
eine sogenannte Stadttemperatur ist, wofür sein Beobachtungsort auch
sprechen möchte. Sie könnte dann leicht um i"^ und darüber zu hoch
sein, wie ich dies auch für Quito nachgewiesen habe').
In nahe gleicher Breite mit Caracas liegt San Jose Costarica
9° 56' N in 1150 m Seehöhe, also rund 1 10 m höher als das Obser-
vatorium von Caracas. Die mittlere Temperatur ist dort 19,7°, was
mit + 0,6° auf das Observatorium reduziert, 20,3° gibt, das ist in der
Tat das Mittel der täglichen Extreme daselbst. Da die Regenmenge
zu San Jose Costarica die doppelte von der am Observatorium beträgt,
ist die Temperatur von San Jose vielleicht relativ etwas niedriger und
die Korrektion der täghchen Extreme größer 2) als zu Caligal.
Wenn wir die Temperatur von 19,6° am Observatorium als richtig
annehmen wollten, erhielten wir im Meeresniveau mit 0,6° pro 100 m
26', was mit unseren Isothermenkarten für die westindischen Gewässer
ziemlich gut stimmen würde. Die Temperatur nach Avelado 21,8° in
930 m gäbe etwa 271/3°, was wohl für diese Gegend zu hoch ist.
Wir dürfen uns also wohl mit 19,6° zu Caracas in 1040 m Seehöhe
zufrieden geben, besonders wenn wir annehmen, daß die Lage des
Observatoriums 115m über der Stadt eine relativ kühle ist. Richtige
Temperaturmittel in den Tropen zu erhalten, bleibt immer eine sehr
schwierige Sache.
Die Temperatur erreicht zu Caracas ihr (Haupt-) Maximum im Mai,
ein zweites schwächeres im September, die niedrigste Temperatur hat
') Meteorologische Zeitschrift 191 5, S. 4S9.
2) In den regenreichen Tropenklimaten ist die Korrektion der täglichen Extreme
größer als in den trockenen, wo sie sehr gering werden kann. Darin besteht der
größte Nachteil bei der Benutzung des Mittels der täglichen Extreme in Tropen-
klimaten. Die Karten der Monats -Isothermen von A. Buchan in Challenger
Report, Physics and Chemistry, Vol. II, P. V, 1.S89, sind deshalb in den Tropen
recht unzuverlässig, und sie sind noch immer durch keine neueren ersetzt! Ein
Vorwurf gegen die Tätigkeit der internationalen Meteorologe*Kongresse.
160 'J- '•'■ Hann
der Januar. Die JahressQhwankung beträgt 3,4'' (trockene Tallage
zu San Jose nur 1,7°, freiere Lage viel regenreicher). Die Sonne steht
zu Caracas im Zenit Mitte April und Ende August, die höchsten
Temperaturen folgen also den beiden Zenitständen nach. Ich habe
in meine Tabelle auch die Monatsmittel der Temperatur in den
einzelnen vier Jiihrgängen aufgenommen, damit man die etwaigen
Schwankungen in den Eintrittszeiten der Temperaturextreme verfolgen
kann. Diese Schwankungen stellen sich als sehr gering heraus, auch
recht charakteristisch für das Klima.
Die tägliche Temperaturschwankung ist am größten im März und
im September, also beim höchsten Sonnenstand, am kleinsten im Juni
und Juli in der trübsten Zeit des Jahres. Die mittlere Monats-
schwankung der Temperatur ist am größten im April (17,1°), am
kleinsten im Juli. Die absolute (mittlere) Jahresschwankung beträgt
20,4° (zu San Jose nur 16,5°). Die Temperaturextreme waren in vier
Jahren 31,0° (April 1906) und 9,6" (Januar 1907). In unserem Klima
steigt auch in lOOO m Seehöhe die Temperatur gelegentlich über 31°,
also höher als beim Zenitstande der Sonne zu Caracas unter 10^2" NBr.
Hydro meteore. Die Mittelwerte der relativen Feuchtigkeit
am Observatorium scheinen mir sehr zweifelhaft, das ganze Jahr
hindurch 80 bis 84 ^/q. Es fehlen auch die Angaben, auf welche
Tageszeiten sich diese Mittel beziehen. In den Tabellen der letzten
zwei Jahre finden sich aber auch zwei Kolumnen mit der Überschrift:
Maxima media und Minima media diurna (1909 und 1910). Aus diesen
Daten habe ich Tagesmittel abgeleitet sowie die mittleren täglichen
Amplituden und in meine Tabelle aufgenommen. Diese Mittel haben
innere Wahrscheinlichkeit für sich. In der Stadt wurde 1869/70 die
Feuchtigkeit um lO*» am. und 4h pm. beobachtet. Die Jahresmittel
sind für iQi» 61 ^o- für 4h 60 °/g (April 53^/0, Dezember 66 o/^). Diese
Mittel sind natürlich zu niedrig.
Die Mittel für die Bewölkung sind an den beiden Stationen so
übereinstimmend, daß ich sie zu einem Gesamtmittel vereinigen konnte,
welches also auf siebenjährigen Beobachtungen beruht. Dezember/Fe-
bruar haben die kleinste Bewölkung, Mai, Juni, Juli die größte. In
den letzten zwei Jahrgängen, die mir vorliegen, wurde auch der
Sonnenschein registriert. Die Zahlen für die mittlere Dauer des
Sonnenscheins pro Tag zeigen auffallenderweise kaum einen bestimmten
jährlichen Gang. Mit den gleichzeitigen Mitteln der Bewölkung ver-
glichen (die ich hier weggelassen habe), ergibt sich keine Relation, wie
man sie in unseren Klimaten gefunden hat, aber ähnliches habe ich
an tropischen Stationen öfter bemerkt. An einen schädlichen Einfluß
des Bergschattens auf die Sonnenscheindauer zu Caracas ist kaum zu
denken, das Tal verläuft von West nach Ost. Die Silla de Caracas
erhebt sich allerdings zu 2578 m, aber im Norden der Stadt (der
Höhenwinkel beträgt nach Humboldt 11,2'', die Entfernung 8,8 km).
Die mittlere Sonnenscheindauer im Jahre beträgt etwa 2592 Stunden,
d. i. ungefähr 59 ^/q der möglichen Dauer, während die mittlere Be-
wölkung in den entsprechenden Jahren 53 ^!q betragen hat, aus der
Sonnenscheindauer hätte man sie nach der gewöhnlichen Regel auf
41 "/q schätzen müssen.
Zum Klima von Caracas. Ißl
Der Regen fall ist an der oberen Station erheblich größer als
an der unteren, 884 mm gegen 791, diese letztere Menge fiel an
74,3 Tagen (Januar/April nur 3,7, Juni/ September 42,3), in der neuen
Beobachtungsreihe fehlt die Angabe der Regentage. Die Regenmenge
ist sehr gering für 10^0° Breite und lOOO m Seehöhe und ziemlich
unregelmäßig auf die Monate verteilt, wie man aus den Monatssummen
der vier Jahrgänge in unserer Tabelle ersehen kann. Um die jährliche
Regenperiode aus beiden je vierjährigen Beobachtungsreihen, trotz der
doch recht verschiedenen Jahresmengen richtig ableiten zu können,
habe ich die Monatssummen zuerst in Prozenten ausgedrückt und dann
erst die Mittel genommen.
Monatsmengen des Kegenfalls in Prozenten (8 Jahre c
Dezember. . 5,6 März . . . .1,8 Juni .... 14,2 September . . 12,1
Januar .• . . 3,1 April .... 3,9 Juli . , . . 13.9 Oktober . . . 14,0
Februar . . 1.6* Mai .... 9,1 August . . .12,0 November . . 8,7
Die obere Station hat einen gleichmäßiger auf das Jahr verteilten
Regenfall, wie das ja gewöhnlich der Fall ist,
Regenverteilung in Prozenten:
Stadt 927 m.
Dezember; F'ebruar März/Mai Juni /August September/Oktober Max.-Min.
5 II 42 42 37
Observatorium 1042 m.
Dezember/Februar MärzMai Juni/August September/Oktober .Nlax.-Min.
15 19 38 28 23
Die Regenmessungen stammen aber nicht aus den gleichen Jahr-
gängen. Die meisten Regenfälle sind mit elektrischen Entladungen
verbunden. Gewitter stellen sich häufig gegen 4 bis 5^ nachmittags
ein, sie sind aber über der Stadt selten, da die meisten sich über den
großen waldbedeckten Gebirgen im Norden entladen.
Die Windstärke ist in der Trockenzeit am größten, am kleinsten
von Mai bis September, die Maxima zeigen die gleiche Periode. Sie
erreichten 20 m's im April und November 1909 und im März 1910,
in der Regenzeit nur 11 bis 12 m/s.
Infolge der Richtung des Tales kommen in Caracas nur östliche
und westliche Winde vor, erstere sind trocken und warm, das Baro-
meter steigt, und es stellt sich heiteres Wetter ein. Die Westwinde
sind rauh und feucht, und ihr Wasserdampf verdichtet sich an Bergen.
Es zeigt sich auch eine tägliche Periode der Windrichtung. Morgens
herrscht meist Ostwind, nachmittags treten westliche Winde ein. Stürme
sit|d sehr selten.
Eine eingehendere Beschreibung des Khmas von Caracas findet
man bei Alexander v. Humboldt: Reise in die Aquinoctial-Gegenden
des neuen Kontinents^). Einige Steljen daraus (auch diese gekürzt)
mögen hier Platz finden.
In der kühlen Jahreszeit im November und Dezember sind die
Morgen ausnehmend schön, bei reinem, klarem Himmel. Aber gegen
Abend trübt sich die Luft, die nahen Berge umziehen sich, und die
*) Deutsch von H. Hauö". Stuttgart 1859. II. B. S. 148 bis 158.
/eitschr. d. Gc^ellsch. f. Erdkunde zu Berlin. 1919. Nr- 3/4. 11
162 J ^- Hann:
Wolken senken sich tief herab. Beim Anblick dieses Wolkenhimmels
meinte ich nicht in einem gemäüigten Tale der heißen Zone zu sein,
sondern mitten in Deutschland, auf den fichten- und lärchenbewachsenen
Bergen des Harzes'). Im Sommer ist dieser Kontrast zwischen Morgen
und Abend verschwunden. Im Juni und Juli sind die Nächte hell und
ausnehmend schön. Die Luft behält fast beständig die den Hochebenen
eigentümliclie Reinheit und Durchsichtigkeit. Die Landschaft prangt
dann in ihrer vollen Pracht. Man hört das Klima von Caracas oft
einen ewigen Frühling nennen. Was läßt sich auch Köstlicheres denken
als eine Temperatur, die bei Tag sich zwischen 20 und 26^, bei Nacht
zwischen 16 und 18° hält, und in der die Banane, die Orange, Kaffee,
Apfelbäume, Pfirsich und Weizen nebeneinander gedeihen. Auch
Zuckerrohr wird noch gebaut, Ananas und daneben unsere Küchen-
kräuter, Erdbeeren, Weinreben und fast alle Obstbäume der gemäßigten
Zone. Leider ist aber dabei die W^itterung sehr unbeständig, und die
Einwohner klagen, daß sie oft am selben läge verschiedene Klimate
haben. Der menschliche Organismus ist in diesem Klima auch gegen
kleine Temperaturschwankungen sehr empfindlich. Das unbeständige
Wetter und die häufige L^nterdrückung der Hautausdünstung erzeugen
katarrhalische Beschwerden in den mannigfaltigsten Formen 2). liat
sich der Europäer einmal an die große Hitze der Niederungen unter
den Tropen gewöhnt, wenn die Hitze nicht zugleich sehr feucht ist,
so bleibt er gesünder als in Caracas und all den Gebirgsländern, wo
der gepriesene ewige Frühling herrscht.
Im Tale von Caracas herrschen zwei Winde vor. Der Westwind
heißt der Wind von Catia-*). Er kommt aber nur scheinbar aus West,
meist ist es der abgelenkte Seewind aus Ost und Nordost. Er ist sehr
feucht, der Gipfel der Silla umzieht sich bei seinem Eintritt mit Wolken.
Die Einwohner von Caracas fürchten sich sehr vor ihm, Personen mit
empfindlichem Nervensystem verursacht er Kopfschmerzen. Manche
Personen verlassen das Haus nicht, wie man es in Italien beim Wehen
des Scirocco tut. Dagegen führt der Ost- und Südostwind, der Wind
von Petare, die trockene Luft des Gebirges und des Binnenlandes herbei,
zerstreut die Wolken und läßt die Gipfel der .Silla in ihrer ganzen
Pracht erscheinen.
Trotz der hohen Lage ist der Himmel von Caracas gewöhnlich
weniger blau als unten in Cumana, es ist Weiß dem Blau beigemischt.
Die Intensität des Himmelblau war auf dem Sausureschen Cyanometer
von November bis Januar im Durchschnitt 18, nie über 20, in den
Küstengegenden 22 bis 25 Grad. Beim Wind von Petare war auch bei
ganz heiterem Himmel das Blau auffallend blaß. In den Monaten
April, Mai, Juni regnete es in Caracas sehr viel, die Gewitter kommen
immer aus Ost und Südost. 'J>otz der Häufigkeit derselben hagelt es
in Caracas nur selten, etwa alle 4 bis 5 Jahre einmal.
') Wochenlang, sagt Humboldt, konnte ich weder Sonnenhöhen noch Stern-
höhen messen. Der Übergang von herrlich durchsichtiger Luft zur völligen Dunkel-
heit erfolgt sehr rasch.
^) Die gleiche Klage lesen wir über den „ewigen Frühling" im Klima von
Bogota und Quito, bei A. v. T h i e 1 m a n n und H a n s M e y e r. S. Handbuch der
Klimatologie. II. B. 3. Aufl. S. 366/367.
') Weil er aus der Richtung von Catia. westwärts von Cabo Bianca, herkommt.
Zum Klima von Caracas.
163
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J(34 ^^ Maurer
Zenitale und azimutale Abbildungen.
Von H. Maurer.
I. In dieser Zeitschrift, lyi/, S. 461, hat Herr v. Hammer mir
die Schuld an dem W'irrwarr, der bezüghch der Bezeichnung ,,ze-
nital" besteht, zugeschoben, weil ich einer wohldefinierten
alten Bezeichnung eine neue Bedeutung hätte geben
wollen. Dieser Vorwurf ist in doppelter Weise ungerechtfertigt, da
ich einerseits keine neue Bedeutung für zenital aufgestellt habe und
anderseits die Bezeichnung ,, zenital" durchaus nicht wohldefi-
niert war, wie ich in Pet. Mitt. 1914, II., S. 61 ff. dargelegt habe.
Dagegen hat Herr v. H a m m e r zu dem bestehenden Wirrwarr, dessen
Bekämpfung dieser Aufsatz gewidmet war, sehr wesentlich beigetragen,
indem er 1889 in seinem Buch: ,,Über die geographisch wichtigsten
Kartenprojektionen, insbesondere die zenitalen^) Entwürfe" auf S. y
drei verschiedene, voneinander abweichende Definitionen
von ,, zenital" gegeben und dann in Pet. Mitt. 191 5, I., S. 96 alle früheren
Definitionen von zenital, einschließlich seiner eigenen, verworfen und
eine vierte, gänzlich andersartige aufgestellt hat. Besonders greift
er 191 5 die von mir empfohlene Definition an, die eine der von ihm
selbst 1889 aufgestellten ist. Ich hoffe, an anderer Stelle auf die Kritik,
die Herr v. Hammer meinem Aufsatz in Pet. Mitt. 1914, II., hat
angedeihen lassen, ausführlicher eingehen zu können, möchte aber, da
Klarheit und Einheitlichkeit über die wichtige Gruppe der zenitalen
Abbildungen geschaffen werden muß, diese Frage hier kurz darlegen.
Um klare Begriffe zu erhalten, seien folgende Eigenschaften von
solchen Abbildungen der Kugel auf die Ebene festgelegt, bei denen die
Bilder der Hauptkreise eines ausgezeichneten Kugelpunkts S durch einen
Punkt A laufende Linien sind, während A nicht immer Bild von S zu
sein braucht.
*) Hier ist zenital im Titel wohl noch in dem jetzt kaum mehr gebräuchlichen Sinn
verstanden, der sich nicht auf das Abbildungsgesetz, sondern auf die Lagebestimmung
des Entwurfs bezieht: zenital — schiefachsig, weder „normal" noch „transversal". Der
Ausdruck war schief, da ja auch der Pol und jeder Äquatorpunkt ein Zenit besitzt.
Der heute bei Azimutalprojektionen für schiefachsig vielfach gebräuchliche Ausdruck
„Horizontal" leidet an dem gleichen Mangel. „Schiefachsig" ist weit besser. Sehr
mit Recht weist aber Hammer darauf hin, daß für „normal" und „transversal" die
Zusammensetzungen mit ,,Pol" und „Äquator" — auch die Ausdrücke ..polständig"'
und „äquatorständig" — bei Kegel- und Zylinder-Projektionen schlecht, ja mißver-
ständlich werden. Bei einer äquatorständigen Zylinder- Projektion wird jedermann
annehmen, daß der Zylinder auf dem Äquator steht, aber nicht, wie es der Analogie
mit der äquatorständigen Azimutal -Projektion entspricht, die Zylinderachse in der
Äquatorebene liegt. Die Ausdrücke „normal" und ».transversal" leiden daran, daß
im Wort „normal" keinerlei Andeutung liegt, es handle sich um Lagebestimmung
nach Pol, und Erdachse. Am zweckmäßigsten wären vielleicht die Bezeich-
nungen : erdachsig, querachsig und schiefachsig. die wohl ohne
weiteres richtig verstanden werden und zu allen Fällen passen.
Zenitale und azimutale Abbildungen. Iß5
Forderung I: Die Bilder der Horizontalkreise von S sind konzentrische
Kreislinien*) um A als Zentrum — ohne weiteren
Zusatz — ;
,, II: Wie I mit dem Zusatz: ,,und zwar Vollkreise";
,, III: Wie I mit dem Zusatz: „und zugleich Linien kon-
stanter Verzerrung" 2j.
Die Forderung III ist erfüllt, wenn neben I die Forderungen IV
und V erfüllt sind:
Forderung IV: Die Bilder der Hauptkreise sind kongruente Kurven,
zu deren jeder der Punkt A gleich liegt. (Sonder-
fall IV a: Die Kurven sind Gerade);
,, V: Die Schnittwinkel der Hauptkreisbilder sind den
Schnittwinkeln der Hauptkreise proportional. (Sonder-
fall Va: ,, Gleich" statt ,, proportional".)
D.ie von mir vertretene Definition von ,,zenital" ist die For-
derung III. Sie findet sich bereits in der Kartenentwurfslehre von
Z ö p p r i t z , 1884, S. 27, in B 1 u d a u s Neubearbeitung dieses Buches,
191 2, S. 59 und besonders S. 190; hier wird eine Karte als zenital
erklärt, in der die Bilder der vollen Breitenkreise konzentrische Halb-
kreise und die der Meridiane deren Radien sind, die sich unter den
halben wahren Winkeln schneiden. Ich selbst hatte diese Definition von
,, zenital" 1905 in den Ann. d. Hydrographie, S. 355, meinem Aufsatz:
Über Lösung von Poldreiecksaufgaben durch Diagramme, die auf zeni-
talen Kartenprojektionen beruhen" zugrunde gelegt und darin die
Wichtigkeit dieser Abbildungsgruppe erläutert. Im Hammer sehen
Buch, 1889, erscheint diese Definition auf S. 9 in der Anmerkung:
,,Am schärfsten ließe sich dann der Unterschied zwischen echt
zenital und unecht zenital damit erläutern, daß in jenen, z. B.
bei Wiechel, die Linien gleicher Verzerrung noch Kreise um den
Kartenmittelpunkt (die Horizontalkreisbilder) sind" (Hammers Defi-
nition III). Also echtzenital =r Forderung III. Ich habe
also keine neue Definition für zenital vorgeschlagen.
Die beiden anderen Hammerschen Definitionen von 1889 sind
folgende: Nach Hammers Definition I unterscheiden sich die nicht
azimutalen, zenitalen Projektionen^) von den azimutalen
') Einschließlich aller Sonderfälle : Vollkreis, Kreisbogen, Punkt, gerade Strecke.
2) D. h.: In allen Punkten eines Horizontalkreisbildes bestehen in jeder Hinsicht
dieselben Verzerrungsverhältnisse.
^) Hier spricht auch Herr v. Hammer von nicht azimutalen, zenitalen Projektionen,
während er an anderen Stellen, weil diese von geringer Bedeutung seien, erklärt,
auch in der Definition brauchten die Begriffe „zenital'" und „azimutal" nicht
auseinandergehalten zu werden. Diese Auffassung, die schuld an dem
Wirrwarr im Bezeichnungswesen in der Kartographie ist, halt;e ich für durchaus
unberechtigt. Die theoretische Kartographie als Lehre von der Abbildung der Erd-
oberfläche auf die Ebene ist eine in ihren Grundlagen mathematische Wissenschaft
und kann klare Gnmdbegriffe nicht entbehren. Von mathematischen Spitzfindigkeiten
kann man sich dabei freihalten; aber die Ungenauigkeit darf nicht soweit gehen, daß
auch aus den besten Lehrbüchern nicht entnommen werden kann, was unter einzelnen
Abbildungsgruppen gemeint ist. So steht es aber für den Begriff „zenital" und wird
es, wenn den Auffassungen der Herren Schoy und Hammer Raum gegeben wird, für
den Begriff „azimutal" auch kommen.
Ißß H. Mau r e r :
ebenso wie die unecht konischen von den echt konischen, d. h.: Die
Horizontalkreisbilder bleiben bei den zenitalen Projektionen konzen-
trische Kreislinien, während die Hauptkreisbilder beliebige Kurven sein
können. Das entspricht also der obigen Forderung I; und als Beispiel
einer solchen zenitalen Projektion führt Hammer die Stabsche
Projektion an, mit konzentrischen Kreisbogenstücken als Breitenkreisen
und transzendenten Kurven als Meridianen.
Er fährt dann fort: ,,Der zuletzt genannte Spezialfall könnte
übrigens \^eranlassung geben zu einer weiteren Trennung dieser nicht-
azimutalen Zenitalprojektionen in unechte (Umfang eines beliebigen
Horizontalkreises nicht durch den ganzen Umfang eines Kreises
dargestellt), zu welchen der eben genannte Stabsche Entwurf gehören
würde, und in echtzenitale, welche z. B. durch die Wiechelsche Pro-
jektion oder durch irgendeine ähnliche repräsentiert wären." Danach
also wäre e c h t z e n i t a 1 (Hammers Definition H) = der
Forderung II. II und III sind aber nicht gleichbedeutend. Die
Kegelprojektionen fallen unter III, aber nicht unter II; und man kann
Abbildungen konstruieren, die II erfüllen, aber nicht III.
Bei dieser Sachlage läßt sich gar nicht angeben, was denn
Herr v. Hammer unter der ,, wohldefinierten" Bezeichnung: ,,zenital
alten Stils" verstanden wissen wilU). Wenn er nun 1915 seine 3 De-
linitionen von zenital verwirft, so geschieht dies mit der von mir ver-
teidigten Definition III wesentlich deshalb, weil sie auch die Kegel-
projektionen zenital nennt, bei denen er den für zenitale Abbildungen
erforderlichen Zusammenhang mit einer Zenitlinie vermißt. Offenbar sehr
zu Unrecht ! Spielt doch in allen Abbildungen nach Definition III die Zenit-
linie des Punktes Seine entscheidende Rolle. Alle Großkreise durch sie werden
als identische, in jeder geometrischen Eigenschaft vollkommen vertausch-
bare Kurven, alle Horizontalkreise um sie als Achse, als konzentrische
Kreislinien wiedergegeben; und alle Punkte gleichen Zenitabstands von
S haben im Bild von einem Punkt A gleichen Abstand und vcillig
gleiche Verzerrungsverhältnisse. Das ist wahrlich Beziehung genug zu
dieser Zenitlinie; und v. Hammers Satz: ,,]\Iit der Erdachse
hat der P] n t a\' u r f einer normalen konischen Pro-
jektion nicht das mindeste zu tun" wird kein Kartograph
als richtig anerkennen. Es steht durchaus nichts im Wege, auch die
konischen und zylindrischen Entwürfe zu den zenitalen zu rechnen.
Daß sie mit den übrigen, die der Forderung III genügen, eine wichtige
zusammengehörige Gruppe von Abbildungen bilden, hat die Literatur,
insbesondere die nautische, deutlich genug erwiesen.
Hammers 4. Definition (191 5) ist nicht so deutlich gefaßt,
daß man bei jeder beliebigen Abbildung bestimmen könnte, ob sie nach
ihr zenital ist oder nicht. Man erfährt nur, daß in zenitalen Abbil-
dungen das unendlich kleine Gebiet des Kartenmittelpunkts kongruent
') Außer den genannten drei Definitionen: zenital = Forderung I, zenital -^ For-
derung II, zenital = Forderung III findet man in der Literatur noch: zenital = azi-
mutal (H. Gretschel, Lehrb. der Kartenprojektionen, 1873), zenital — mittabstandstreu
(Steinhauser, Grundzüge der math. Gcogr., 3. Aufl., S. 1171, zenital = schiefachsig
(N. Herz, Lehrb. der Kartenprojektionen, 1885, S. 188), zenital = Gegenteil von schief-
achsig (Schoy. Ann. der Hydrographie, 1913, S. 33).
Zenitale und azimutale Abbildungen. 167
abgebildet werden soll; das wäre also Winkeltreue im Kartenmittel-
punkt (Forderung Va). Etwaige weitere Forderungen muß man aus
den Angaben zu kombinieren suchen, daß die Peircesche Quinkunxial-
Projektion als zenital gelten. soll, bei der die Hauptkreisbilder trans-
zendente Kurven mit Wendepunkten in der Kartenmitte (darunter
4 Gerade) und die Horizontalkreisbilder transzendente Kurven mit den
Grenzfällen Kreis und Quadrat sind, daß aber die Kegel- und Zylinder-
projektionen, auch die'winkeltreuen, nicht zenital sein sollen. Ich darf
1 lerrn v, Hammer anheimstellen, scharf zu definieren, welche Fügen-
schaften seine neue .Vbbildungsgruppe haben soll, das Bedürfnis nach
einer solchen Gruppe darzutun und, falls dies erwiesen ist, für sie
einen andern Namen als zenital vorzuschlagen. Denn es ist schlechter-
dings nicht einzusehen, warum man die Forderung I, die allen bis-
herigen Definitionen der zenitalen .Vbbildungen ^) gemein war, jetzt
plötzlich über Bord werfen soll. Unter diesen verschiedenen Defini-
tionen bleibt aber diejenige nach Forderung III, die Zöppritzsche, die
empfehlenswerteste, weil sie tatsächlich eine wichtige Gruppe mit gemein-
samen wertvollen Eigenschaften zusammenfaßt.
2. Auch bezüglich der azimutalen Abbildungen hat Herr
V. Hammer leider die über diesen Begriff bestehende Einmütigkeit
schwer geschädigt. Man verstand allgemein (auch Herr v. Hammer in
seinem Buch 1889) unter ,, azimutal" die Vereinigung der Forderungenil,
IVa und Va. Erst 1913 ließ Herr Schoy für azimutale Karten die
l'orderung II fallen, und als ich dies zurückwies, nahm ihn Herr
V. Hammer in Pet. Mitt. 191 5, I., S. 97 in der sonderbaren Art in Schutz,
daß er für. azimutale Abbildungen, falls sie Karten liefern, nach wie
vor II, IVa und Va verlangte, für den Fall aber, wo die Abbildung ein
Kartogramm oder ähnhches liefert, II für unnötig erklärte. Eine
solche Unterscheidung ist unhaltbar. Für eine azimutale Abbildung der
Kugel auf die Ebene kann es nur eine bestimmte Definition
geben, einerlei, ob man das entstandene Bild eine Karte oder ein Karto-
gramm nennt. Selbstverständlich wird man an eine geographische
Karte andere Anforderungen stellen als an ein Kartogramm-); aber
') Natürlich abgesehen von den Bedeutungen zenital = schiefachsig oder
= Gegenteil von schiefachsig.
-) Immerhin scheint mir Herr v. Hammer seine Definition, die geographische
Karte müsse ein bestimmtes Stück der Erdoberfläche in einer ebenen Zeichnung
„möglichst" originalgetreu mit „möglichst geringen Verzerrungen'- darstellen, wobei
diese Forderung nach verschiedenen Richtungen hin spezialisiert werden könne, viel
zu streng auszulegen. Er erklärt z. B. alle perspektivischen Abbildungen für keine
Karten, wenn der Augpunkt nicht zwischen zwei und vier Kugelhalbmessern unter
dem Berührungspunkt der Bildebene mit der Kugel liegt. Danach sind die gno-
mischen Seekarten und die orthographischen Mondkarten keine Karten, sondern
Kartogramme und darf überhaupt kein perspektivisches Bild eines Stücks Erdober-
fläche, wie es von irgendeinem Punkt aus wirklich aussieht, Karte genannt werden.
Auch wäre ja bei so strenger Scheidung jede Abbildung, die eine Wiedergabe mit
möglichst geringen Verzerrungen (in irgendeinem besonderen Sinn) anstrebt,
aber nicht auf das Vollkommenste erreicht, nur ein Kartogramm; und fast alle
älteren Karten wären, weil inzwischen bessere Abbildungsarten gefunden sind, dieser
Bezeichnung nicht mehr würdig. Mit der Frage nach der Befinition der einzelneu
Abbildungsarten hat aber die Unterscheidung zwischen Karte und Kartogramm nicht
das geringste zu schaflfen; hätte man doch bei derselben Abbildungsart häufig die
Darstellung eines kleineren Erdstücks Karte, diejenige eines größeren Kartogramm
zu nennen.
|(}g H. Maurer: Zenitale und azimutale Abbildungen.
(lies hat doch mit der Definition, was eine azimutale
Abbildung ist, überhaupt nichts zu tun. Verzichtet man aber
im Begriff „azimutal" auf die Forderung II, so hätte dies eine sehr
sonderbare Folge. Auch nach Herrn v. Hammer sind die azimutalen
Abbildungen jener Spezialfall der allgemein konischen i), wo der Kegel
in eine Ebene übergeht. Man muß also, wenn die Forderung II, oder
verallgemeinert I, für die azimutalen Abbildungen nicht erfordert wird,
auch für die konischen Abbildungen die Forderung I fallen lassen.
Nun hat aber bisher gerade die Forderung I für die wesentlichste der
konischen Abbildungen gegolten. Dies erhellt daraus, daß sie allein
auch bei den , .unecht konischen" Abbildungen aufrechterhalten bleibt,
während man für diese auf IV und V verzichtet. Für ,,unecht
konisch" bliebe also bei Wegfall der Forderung I für azimutal und
konisch überhaupt keine Forderung übrig. Nein, es besteht nicht der
geringste Anlaß, die vor Schoys Entgleisung von allen Kartographen
für ,, azimutal" geforderte Vereinigung der Forderungen II, IVa und \'a
künftig für diese Abbildungsart aufzugeben.
Hält man Abbildungen, die, wie Schoys Karte, die Forderungen IVa,
V erfüllen und I nicht, für so wichtig, daß sie eigene Bezeichnungen er-
halten sollen, so gebe man ihnen andere Namen als azimutal. Besser
als Ausdrücke wie ,, unecht konisch", die nicht erkennen lassen, welche
Eigenschaften der konischen Abbildungen erhalten bleiben, wären dann
Bezeichnungen, wie etwa:
,,Kegelstrahlig" mit den Grenzfällen ,,s ä u 1 e n s t r a h l i g"
und b ü s c h e l - oder vollbüschelstrahlig, wenn die Forde-
rungen IV und V (eventuell mit ihren Spezialfällen) für die Hauptkreise
erhalten bleiben sollen, über die Horizontalkreise aber keine Forderung-
gestellt wird, und anderseits:
•■ ,, K e g e l k r e i s i g " mit den Grenzfällen ,, s ä u 1 e n k r e i s i g •'
und ,, V o 1 l k r e i s i g ", wenn nur die Forderung I (mit ihren Sonder-
fällen) für die Horizontalkreise bestehen bleiben, über die Hauptkreise
aber keine Forderung gestellt werden soll.
*) Statt „konisch' könnte man wohl auch „kegelig' sagen und unter „allgemein
kegelig ikonisch)" (ich hatte dafür ..kegelartig" vorgeschlagen) die kegeligen (im
engeren Sinn) mit den azimutalen und „säuligen'" (zylindrischen) Abbildungen
zusammenfassen. Herr v. Hammer verficht für diese „allgemein kegeligen"' Abbildungen
die äußerst unglückliche Bezeichnung „geometrisch einfach definiert", die durchaus
nichts von dem besagt, was sie ausdrücken soll. Wer wird auf den Gedanken
kommen, die Globular-Projektion z. B. mit ihrer kindlich einfachen geometrischen
Definition sei nicht „geometrisch einfach definiert", während z. 15. eine Tissotsche
porigonale Kegelprojektion es sein soll?
Karl bischer: netrachtungeli übef Abfluß, Stau und Walzenbildung usu .
169
Betrachtungen über Abfluß, Stau und Walzenbildung bei
fließenden Gewässern.
Nach Th. Rehbocks Festschrift i).
Die unten näher bezeichnete Festschrift des bekannten Professors
des Wasserbaues an der Technischen Hochschule in Karlsruhe ist in
erster Linte zwar für Anwendungen im Wasserbau geschrieben. Die
in Ihr behandelten Fragen sind zum großen Teil aber auch echt ^geo-
graphisch-morphologische. Manche von ihnen werden deshalb schon
in r e n c k s Morphologie eingehend erörtert. Auch die meisterhafte Art
der Darstellung kommt dem Geographen sehr entgegen, da sie überall
Tm ^7 ♦'Anschauung geschöpft und von zahlreichen und reichhaltigen
Abbildungen begleitet ist, wie man sie so glänzend selbst in einem
nlr ^'."h ff \ o""'; ausnahmsweise vereinigt findet. Für das Studium
der Schrift ist außerdem sehr vorteilhaft, daß sie sich, wie der nach-
stehende Auszug zeigt, nicht auf die Darlegung neuer Forschungs-
ergebnisse beschränkt, sondern auch eine Reihe schon bekannrer
Erscheinungen und theoretischer Sätze nochmals zusammenfaßt, um
eine gewisse Abrundung und leichtere \'erständlichkeit der Darstellune
zu erzielen. ^
1.. Z^'^ifL^^^'^'i^ "^i^, ^^^"^"^ ^"'^^^ ^^^ Aufgabe, in dem zu ver-
legenden Flußbett der Sihl bei Zürich eine Absturzstufe von 4,625 m
zu schaffen, bei welcher die linksufrige Zürichseebahn unter den Fluß
unterfuhrt werden soll. Bei 340 qkm Niederschlaggebiet sind die
kleinsten Abflußmengen der Sihl bisher auf 1,5 cbm/sek gesunken;
durch den für das Etzelwerk zu erbauenden Stausee sollen sfe künftig
au 2.5 cbm/sek gehalten werden. Die Hochwassermenge ist wieder
holt auf 550 bis 560 cbm/sek gestiegen; zur Sicherheit hat Reh-
au°s4dehnf V'^'^'S""^ ^^u' -^"^ ^^^"^^" ^'' ""^^^ 7°^^ ^bm/sek
ausgedehnt. In der Hauptsache ist er dabei mit flußbaulichen Modell-
ZZTfüZ ^^°'-,^§^"^^"' ^'« ^"«ist im Karlsruher Flußbaulaboratorium
ausgeiunrt worden sind.
Die zu ermittelnde zweckmäßigste Form des Überfallbauwerks hängt
von den ßewegungszuständen des Wassers und damit auch der Sink-
q.h V l ;" seinem Bereiche eintreten sollen. Im ersten Teile der
Schrift entwickelt R e h b o c k deshalb die für das Weitere benötigten
Grundgesetze der verschiedenen Arten der Wasserbewegung, denen er
folgende Bezeichnungen gibt. Vom „ F 1 i e ß e n " , be? dem die
1-lussigkeit m ihrem ganzen Querschnittumfang von Wandungen be-
grenzt oder bei freier Ausbildung eines Flüssigkeitspiegels von einem
Bett getragen wird, unterscheidet er das „Stürzen '^ bei dem die
K.i fl'fl^J^^"^?"- ^^•' Betrachtungen über Abfluß. Stau und Walzenbildune
HocSukTn K?;r'^^ Untersuchungen aus dem Flußbaulaboratoriunrder Techn
rrnfih^r,. r ^ 'u^^• ^f^^^chr. z. Feier des 60. Geburtstages Sr. Kgl Höh d
Großherzogs Friedrich II. von Baden.i Berlin 1917. X'ü. 114 S mi ^Ireyr^hh
13 Planen u. 23 Taf. mit 66 Phot. in Autotvpie > I extabb..
]70 Karl Fischer:
I'lüssigkeit die Führung durch die Wandungen der Leitungen oder des
Bettes verliert und sich frei in einem leeren oder mit gasförmigen
iMedien erfüllten Raum bewegt, wobei sie den auf sie wirkenden äußeren
Kräften nach allen Richtungen hin zu folgen vermag. Das Fließen
kann sich auf zwei Arten vollziehen; die eine wurde bisher gewöhnlich
als Laminar- oder Parallelbewegung, auch bandftirmiges Strömen
bezeichnet, die andere als turbulentes oder wirbeliges Fließen, weil bei
ihr die einzelnen Wasserteilchen in scheinbar regellosen Bahnen, auch
(juer zur Hauptbewegungsrichtung, durcheinander gewirbelt werden.
Rehbock nennt das bandfcirmige Fließen kurz „Gleiten", das
'wirbelige ,, S t r ö m e n " iDder ,, S c h i c ß e n " , je nachdem die
Wassergeschwindigkeit unter oder über einem bestimmten Wert liegt,
auf den wir noch zurückkommen. Zwischen (/leiten und Strömen gibt
es eine gew^isse Geschwindigkeitsspanne, in der das Wasser sowohl
gleiten wie strömen kann. Welche Bewegungsart eintritt, hängt dann
wesentlich davon ab, ob die Zuleitung des Wassers gleichmäßig und
ruhig oder schon gestört erfolgt. ,, Reines Gleiten" ist jedoch nur bei
Geschwindigkeiten unter der unteren Grenze der Spanne möglich.
Beide Grenzen hängen wesentlich von der Zähigkeit (Viskosität) der
Flüssigkeit, also auch von ihrer Temperatur ab. Das Wasser hat so
geringe Zähigkeit, daß im Naturbett grcißerer Wasserläufe das Gleiten
schon bei Geschwindigkeiten aufhört, die nur kleine Bruchteile eines
Zentimeters in der Sekunde betragen. ,,Bei Flußbetten von größerer
l'iefe müßte das Wasser fast stillstehen, wenn der .Vbfluß gleitend er-
folgen soll. Im Unterlauf größerer Flüsse scheint beim Kentern der
Strömung infolge eindringenden Flutwassers bei ganz windstillem Wetter
aber doch gelegentlich die Gleitbewegung einzutreten", wie R e h b o c k
,,aus der im Tidegebiet größerer Ströme, namentlich am Rio de la
Plata, zuweilen beobachteten aufl'allenden Spiegelglätte (ier Oberfläche
schließt, nach welcher der genannte Strom wohl seinen Namen
erhalten hat".
Wie die Grenzgeschwindigkeiten zwischen Gleiten und Strömen,
so ist auch die Fließgeschwindigkeit beim Gleiten von der Wasser-
temperatur abhängig, und zwar nach dem Poiseuilleschen Gesetz.
Dagegen wirkt bei wirbeligem Fließen die Temperatur des Wassers
verschwindend wenig auf die Fließgeschwindigkeit. ,,Die Unter-
suchungen im Karlsruher Flußbaulaboratorium haben selbst bei einer
bis auf Bruchteile eines Hundertstel genauen Bestimmung von Überfall-
beiwerten für Wehre keinen wahrnehmbaren Einfluß einer Abkühlung
des Wassers von 18° auf 7°C ergeben, während nach dem Poiseuille-
schen Gesetz eine solche Abkühlung eine Verkleinerung der Fließ-
geschwindigkeiten über 25 '^/q ergeben würde." Da nun bei den
natürlichen Wasserläufen fast nur mit wirbeligem Fließen zu
rechnen ist, so ist es bei diesen also wohlbegründet, daß, wie P e n c k
schreibt, ,,die Hydrotechniker den Einfluß der Temperatur auf die
Wasserbewegung kaum würdigen", sondern für die IMüsse immer nur
zu Abflußformeln und Abflußmengenlinien gelangen, die von der
Wassertemperatur unabhängig sind.
Beim wirbeligen Fließen wird im Wasser weit mehr mechanische
Energie verbraucht, d. h. in Wärme umgesetzt, als beim (ileiten. (F'in
Betrachtungen über Abfluß, Stau u. Walzenbildung bei fließenden Gewässern. 171
Zahlenbeispiel für diese Umwandlung folgt unten bei Besprechung
der Walzen.) Die Versciiiedenheit des Energieverbrauchs gestaltet die
Gesetze des wirbeligen Fließens wesentlich anders als die des gleiten-
den. Bei diesem ist das Reibungsgefälle der ersten, bei wirbeligem
Fließen aber der zweiten Potenz der Fließgeschwindigkeit verhältnis-
gleich, die Fließgeschwindigkeit also bei wirbeligem Fließen nur der
Quadratwurzel aus dem Keibungsgefälle. Unter Reibungsgefälle ist das
Getälle zu verstehen, das gerade dazu genügt, die Reibungswiderstände
zu überwinden, also einen gleichförmigen, d. h. flußabwärts weder be-
schleunigten noch verzögerten Abfluß hervorzurufen. Wenn die Ge-
schwindigkeit auf dem Wege vom Querschnitt S, zum Querschnitt Sg
zu- oder abnimmt, so ist das wirkliche Gefälle der Strecke 5^82 im
ersten Falle größer, im andern kleiner als das Reibungsgefälle. Das
zum Reibungsgefälle noch hinzutretende positive oder negative Gefälle
heißt Geschwindigkeitsgefälle. Die Wirkung seines Hinzukommens ist
am besten durch Einführung der Geschwindigkeitshöhen und der .
Energielinie zu veranschaulichen. Ist im Querschnitt S die mittlere
Geschwindigkeit gleich u, so ist als zugehörige Geschwindigkeitshöhe
diejenige von R e h b o c k mit Ah bezeichnete Höhe zu verstehen, aus
der ein schwerer Punkt herabfallen muß, um die Geschwindigkeit u
u2
anzunehmen, also Ah = . Die Enerüielinie ist um die Geschwin-
digkeitshöhe A h über dem Wasserspiegel liegetid zu denken. Ein
Herabfallen von der Energielinie bis auf den Wasserspiegel erzeugt
also gerade die Geschwindigkeit, die in dem betreffenden Querschnitt
herrscht. Diese ist nun freilich nicht im ganzen Querschnitt gleich.
Deshalb ist, wenn u die mittlere Ouerschnittsgeschwindigkeit bezeichnet,
Ah nicht ,enau gleich "A soncTern gleich 1 . "i. wöbe, a von , etwa
.-> ir> 2g' *» 2g
bis r,2 schwankt und im Durchschnitt für mittlere natürliche Wasser-
läufe gleich 1,09 ist. Bestehen bleibt dabei, daß die Geschwindigkeits-
höhen sich annähernd verhältnisgleich dem Quadrat der Geschwindig-
keiten ändern. Dies gilt für gleitendes Wasser ebenso wie für wirbelig
fließendes. Ein entsprechender Unterschied wie in der Abhängigkeit
vom Reibungsgefälle besteht bei den Geschwindigkeitshöhen also nicht.
Hieraus folgt u. a., daß sich wohl die Erscheinungen des wirbeligen
Fließens an Modellen maßstäblich nachbilden lassen, nicht aber die des
Gleitens. Beim Modellmaßstab i : k müßten bei Gleiten die .Vbfluß-
mengen nämlich (als Produkte aus Querschnitt mal Geschwindigkeit)
nach dem Satze über das Reibungsgefälle wie i :k', nach dem über
die Geschwindigkeitshöhen aber wie i : k-'^ verkleinert werden, während
bei wirbeligem Fließen- die Verkleinerung i : k-5 für beide Beziehungen
zutrifft.
Die Energielinie ist also eine über dem Wasserspiegel zu denkende
Linie, die bei gleichförmigem Abfluß im allgemeinen gleiches Gefälle
hat wie der Wasserspiegel, dessen Gefälle dann auch mit dem der
Flußsohle übereinstimmt. Ein positives, d. h. Beschleunigung hervor-
rufendes Geschwindigkeitsgefälle" hebt dagegen die Energielinie imi
seinen Betrag, ebenso wie ein negatives sie um diesen senkt.
Es seien jetzt die Flußsohle und die Energielinie durch zwei fest-
172
Karl Fischer:
liegende Parallelen gegeben, die man der Einfachheit halber wagerecht an-
nehmen kann. (Abbild. 14.) In der Sohle liege Punkt A, senkrecht über ihm
in der Energielinie Punkt B. Der Wasserspiegel schneide die Senkrechte
AB in C, und man betrachte nun alle möglichen Höhenlagen des Wasser-
spiegels, indem man C nach und nach von A bis B rücken läßt. Bei
jeder Lage von C ist die Abflußmenge O in einem Längsstreifen des
Flusses von der Breite 1 biä auf einen Zahlenfaktor gleich AC-VCB,
da der Querschnitt des Streifens der Wassertiefe AC, die Geschwindig-
keit aber der Wurzel aus der Geschwindigkeitshöhe CB verhältnisgleich
ist. Sowohl wenn C mit A wie wenn es mit B zusammenfällt, ist die
Abflußmenge Null, da
im ersten Pralle kein
Wasser, im zweiten
aber keine Geschwin-
digkeit vorhanden ist.
Dazwischen gibt es eine
Grenzlagc, in der die
Abflußmenge am größ-
ten wird. Sie tritt bei
AC = I AB ein, d. h.
wenn die Wasser tiefe
zwei Drittel des Ab-
standes zwischen Sohle
und Energielinie be-
trägt. Trägt man die
Abflußmenge für jedes
C von C aus wagerecht
als Strecke CD auf, so
bilden die Punkte D eine krumme Linie, die durch A und B geht und
in der Höhe j AB ihre größte .Vusbauchung hat.
Bezeichnet man den Abstand zwischen Sohle und Energielinie,
also AB, mit h, so gehört zu jener größten Abflußmenge die Ge-
schwindigkeitshöhe l h, folglich die Geschwindigkeit 1^-| g • h bei der
Wassertiefe rj h. Für die zur größten Abflußmenge gehörende Ge-
schwindigkeit Up=}^|g'h und die zugehörige Wassertiefe t^ = | h
besteht also die Gleichung u^ = V'g t^,. Dieser Ausdruck stellt aber
zugleich die Wellengeschwindigkeit bei der Wassertiefe t^ dar. B e i
gegebener Lage der Sohle und der Energielinie
wird die Abfluß menge also am größten, wenn die
F I i e ß g e s c h A\' i n d i g k e i t gleich der W^ e 1 1 e n g e s c h w i n -
d i g k e i t ist.
Die bisher als veränderlich angenommene Wassertiefe behalte jetzt
den festen Wert t,,. Dann bildet die Wellengeschwindigkeit 1 g • t^
die bisher offen gelassene Grenzgeschwindigkeit, bei der das Strömen
zum Schießen wird. Die Trennung nach dieser Geschwindigkeit ist
deshalb so wichtig, weil die Übertragung von Einwirkungen auf den
Wasserabfluß stromaufwärts aufhört* wenn die Fließgeschwindigkeit
größer wird als die Wellengeschwindigkeit. Die Dynamik beider Be-
wegungsarten gestaltet sich grundverschieden. So bewirkt eine \'er-
B
£!nergie Linie
^
—- -^
^^^^
<:
^"^\.
Y
größhes (X
\
t
J
C
^D
^^
iL.
^^-"^^^
A
Abbild.
14. Knergielinie und
5ohle
.'Vbflußmcnge.
Betrachtungen über Ablluli, Stau u. Walzenbildung bei fiiefjeiidcn Gewässern. ] ,3
kleinerung des FliiLUiuersclinittes, z. B. durch Zusamnienziehun^ der
Ufer, Sohlenhebung oder Pfeilcreinbauten:
[ Senkung des Wasserspiegels
bei strümendeni Wasser j Abnahme der Wassertiefe
I Zunahme der Gesclnvindigkeiten
I Hebung des Wasserspiegels
bei schießendem Wasser | Zunahme der Wassertiefe
I .Abnahme der Geschwindigkeiten.
Daß ein& Ouerschnittverkleinerung den W^asserspiegel senken
kann, wird aus der Energielinie überraschend einfach verständlich. Bei
fester Lage der Energielinie wäre ja, wie oben gezeigt wurde, wenn
die Wassertiefe größer, die Geschwindigkeit mithin kleiner ist als in
der Grenzlage zwischen Strömen und Schießen, jede weitere Hebung
des Wasserspiegels schon bei unverändert gelassenem Bett mit einer
Abnahme der Abflußmenge verbunden. Wenn dazu noch ein Teil des
Querschnitts wegfällt, müßte die Abnahme def Abflußmenge noch größer
sein. Die Abflußmenge bleibt doch aber dieselbe. Der Verlust an
Querschnitt kann mithin nur durch eine Zunahme der Geschwindigkeit
ausgeglichen werden, und diese erfordert eine Zunahme der Geschwin-
digkeitshöhen, also, solange die Energielinie festliegt, eine Senkung des
Wasserspiegels. Befindet sich das Wasser dagegen im Schießen, so
kehren die Verhältnisse sich um, da eine Spiegelsenkung dann schon
bei unverändertem Bett die Abflußmenge verkleinern würde. Das Ent-
scheidende ist also das Verhalten der Energielinie. Es ist also nur zu
zeigen, daß deren Verschiebungen sich in solchen Grenzen halten, daß
jene Schlüsse bestehen bleiben.
Wir wollen diese Fragen aber nicht weiter verfolgen, sondern uns
Gebilden zuwenden, deren Bedeutung nicht erst theoretischer Er-
örterungen bedarf, nämlich den W a s s e r w a 1 z e n. Wenn das Bett
keine regelmäßigen schlanken Begrenzungen hat, sondern an einzelnen
Stellen schroffe Änderungen der Tiefe oder der Breite vorkommen, so
trennt sich der Wasserstrom von einzelnen Teilen der Bettwandung,
so -daß sich zwischen ihm und dem Bett Räume mit totem Wasser
bilden. Das Wasser steht in diesen aber nicht still, sondern wird
durch das über, unter und neben ihm hinfließende Wasser in eine
Drehbewegung versetzt. So können Walzen mit annähernd wagerechter
wie solche mit annähernd senkrechter oder mit schräger Achse ent-
stehen. Normal walzen mit wagerechter Achse sind die Grund-
walze n. Ihre Drehrichtung entspricht der eines Wagenrades oder
oberschlächtigen Wasserrades. Im oberen Teil der Walze bewegt sich
das Wasser also wie der Wasserstrom abwärts, im unteren dicht über
der Sohle aufwärts, so daß die Geschiebeführung unterbrochen wird.
G e g e n w a 1 z e n sind die an der Oberfläche aufwärts drehenden
Deck walzen. Sie entstehen nur dort, wo der Fließzustand vom
Schießen ins Strömen übergeht, und zwar erfolgt dieser Übergang am
stromabwärts gerichteten Ende der Deckwalzen. Diese wirken auf den
Wasserstrom also wie Bremsen, indem sich unter ihnen der Kampf
des schießenden Wassers mit dem strömenden voUzieiit, der große
Energiemengen verzehrt. Die Geschiebebewegung wird von den Deck-
walzen dagegen nur darin beeinflußt, daß sie die ganze Strömung
174 K a r 1 K i s c h c r :
verlangsanien. Stromaufwärts enden die Deckwalzen oft mit einem
,,\V a s s e r s p r u n g ". An ihrem oberen Ende bildet sich nämlich
ein Steilabsturz dadurch, daß das im oberen Teil der Walze strom-
aufwärts fließende Wasser durch den unter der Walze abwärts
schießenden Wasserstrom auf kurzer Lauflänge abgebremst und strom-
abwärts mitgeführt wird, wobei die Wasserteilchen der Oberfläche in
kurzem steilen Bogen auf den Wasserstrom herabgerissen werden.
Bei flüchtiger Betrachtung sieht dies so aus, als ob die Oberfläche
des Wasserstroms plötzlich emporspringt, während das Wasser tat-
sächlich abwärts fällt. Die Bezeichnung Wassersprung beruht also auf
einer Täuschung. Ebenso ist es falsch, den Wassersprung für eine
selbständige Erscheinung zu halten.
Die U f e r w a 1 z e n sind am rechten Ufer R e c h t s w a 1 z c n ,
die sich wie der Uhrzeiger drehen, am linken L i n k s w' a 1 z c n.
Zu den H a u p t w a 1 z e n gesellen sich öfter N e b e n w a 1 z e n ,
die nicht oder doch nur in geringer /Vusdehnung vom Wasserstrom
selbst berührt werden, sondern sich zwischen den Hauptwalzen und
dem Bett oder auch zwischen verschiedenen Hauptwalzen bilden. Den
Antrieb zur Bewegung erhalten die Nebenwalzen von den Hauptwalzen,
so daß sie sich im entgegengesetzten Sinne drehen wie diese. Neben-
deckwalzen sind also dem Drehungssinn nach Normalwalzen (oben
abwärts, unten aufwärts), Nebengrundwalzen aber Gegenwalzen. Zu-
weilen bilden sich auch Nebenwalzen zw'eiter und dritter Ordnung.
Von großer Bedeutung sind die Wasserwalzen für den Energie-
Haushalt des Wasserstroms. Die Energie, die für die Bewegung des
Wassers der Walzen und für die Überwindung der dabei zu leistenden Rei-
bungsarbeit, sowie zur Deckung der bei der Mischung verschieden schnell
fließender Wasserteile eintretenden Energieverluste erforderlich ist, kann
nämlich nur dem Wasserstrom entnommen werden, und bei einem schnell
fließenden Wasserstrom und entsprechend lebhaft bewegten Wasserwalzen
ist die Energieabgabe an die Walzen oft beträchtlich. In besonderem
Maße gilt dies für die Deckwalzen, die deshalb ein sehr wirksames Mittel
bilden, um schädliche E!nergiemengen in Wasserwärme umzusetzen.
So ist bei den Untersuchungen über die zweckmäßigste Gestalt des
Sihlüberfalles sorgfältig darauf geachtet worden, am Fuße des Über-
falles ein solches Sturzbecken zu schaffen, daß in ihm unbedingt eine
standsichere Deckwalze entsteht. Bei Hochwasser von 550 cbm/sek
wüiden von der Überfallkante bis zum Ende des Sturzbeckens voraus-
sichtlich 30 üOO Pferdekräfte vernichtet werden. Die Wassertemperatur
würde sich dadurch aber knapp um Vioo^ ^ erhrihen.
Welche Ausdehnung die Uferwalzen erreichen können, ist aus
einem Plan ersichtlich, in welchem der Abfluß größten Hochwassers
des Mains bei Würzburg (2585 cbm/sek) nach Modellversuchen dar-
gestellt ist. An einer rund i km langen Flußstrecke, deren Über-
schwemmungsgebiet allerdings so unregelmäßig ist, daß man die Er-
gebnisse nicht verallgemeinern darf, wird weit über die Hälfte der
ganzen vom Wasserspiegel bedeckten Fläche durch Uferwalzen aus-
gefüllt, die in wenig veränderter Form bis zur Flußsohle hinunterreichen,
und so der Wasserableitung entzogen. Der Energieverbrauch wird dabei
so groß, daß der Wasserspiegel am unteren Ende der Strecke höher
Betrachtungen über AbtiulJ. Stau u. Walzcnbildung bei fließenden (iewässern. 175
steht als am oberen. Das Geschwiiuli^keitsj^elälle wird also stärker
negativ, als das Reibungsgefälle positiv ist. Solche Fälle sind nach
R e h b o c k gar nicht so selten, und er wendet sich nachdrücklich
gegen die Meinung, daß auf negative überfiächengefälle nicht geachtet
zu werden brauche, weil negative Geschwindigkeitsgefälle durch das
immer positive Reibungsgefälle ausgeglichen würden.
Scharf zu scheiden von den Wasserwalzen sind die F 1 i e U -
Wirbel, die bei wirbelig flieüendem Wasser auch in geraden Fluß-
strecken auftreten und durch die verschiedene Größe der Abfluß-
Abbild. 15. Lage der von Punkt P in gleichen
Zeitabständen ausgegangenen Wellenimpulse.
a bei stehendem Wasser,
b bei gleichmäßig strömendem Wasser,
c beim Grenzzustande zwischen Strömen und Schießen,
d bei schießendem Wasser.
geschwindigkeiten
teilchen hervorgerufen werden.
benachbarter Wasser-
Auch sie
zeigen am rechten Ufer Rechts-, am linken
Linksdrehung. Dabei bewegen sich aber
alle Wasserteilchen flußabwärts, während das
Wasser der einen Seite der Walzen ström- ^
aufwärts -fließt.
Weitere Abschnitte der Schrift behandeln die Verschieden-
heit der Wellenformen in strömendem und in schießendem
Wasser. Werden von einem gegen das Bett festen Punkt P an der Ober-
fläche eines Gewässers stehende Wellen erzeugt, so bilden die Wellen-
berge, wenn das Wasser ruht, um P konzentrische Kreise. (Abbild. 15 a.)
Fließt das Wasser mit gleichmäßiger Geschwindigkeit, so bleibt die
Kreisform erhalten; jeder Kreis verschiebt sich aber als Ganzes strom-
abwärts. Ist die Geschwindigkeit des Fließcns kleiner als die der Wellen,
so umschließt jeder Kreis noch immer alle vorher entstandenen, also
auch jeder den Punkt P; nur liegen die Kreise nicht mehr konzen-
trisch, sondern die Bogenstücke oberhalb P einander näher als unter-
halb. (Abbild. 15b.) Sind Fließ- und Wellengeschwindigkeit gleich, so
berühren alle Kreise einander in P, so daß in P eine Welle quer
zur Flußrichtung entsteht. (Abbild. 15c.) Schießt das Wasser dagegen,
d. h. fließt es mit mehr als Wellengeschwindigkeit, so lösen sich die
276 F r i t z M a c h a t s c li e k :
Kreise von F los und überschneiden einander, wobei sie einen Winkel-
raum ausfüllen, dessen Scheitel in P liegt und dessen Öffnung 2 a an-
genähert durch u • sin a = ) g t^ gegeben ist, worin u die Geschwin-
digkeit und t„ die Tiefe des Wassers bedeutet. (Abbild. I5d.) Längs
der Schenkel des Winkels bilden sich also S c h r ä g w e 1 1 e n , die
mithin eine ^Eigentümlichkeit des schießenden Wassers sind und daher
S c h i e ß w e 1 1 e n heißen. Solche Schießwellen können von jedem
Widerlager und jedem Strompfeiler (von diesen paarweise) ausgehen.
Sie werden vom Ufer unter gleichem Winkel zurückgeworfen wie sie
auftreffen, und so können ganze Gruppen solcher Schrägwellen den
Spiegel eines schießenden Wasserstromes rautenförmig zerlegen.
In R e h b o c k s Pestschrift sind die Wellen in prächtigen Licht-
bildern dargestellt. Auch von den übrigen Abbildungen werden viele
den Geographen fesseln, so z. B, die Längenschnitte mit den in ihnen
auftretenden wellenförmigen Spiegelschwankungen, Walzen und Gegen-
gefällen und mehrere Pläne, in denen die Form des Wasserspiegels
durch Höhenlinien dargestellt ist, so daß Längs- und Ouergefälle ab-
gelesen werden können. Mögen die Abbildungen recht viele Betrachter
finden! Diese werden auch im Text der Schrift noch auf vielerlei
stoßen, was trotz seiner Wichtigkeit hier nicht erwähnt werden konnte.
Berlin-Friedenau. Karl Fischer.
Neue Lehr- und Handbücher zur allgemeinen Erdkunde.
\'on Fritz Machatschek.
In unseren Tagen wird die Geographie wieder einmal vor neue
Aufgaben gestellt. Mit einem gewissen Recht verlangt man größere
Berücksichtigung der Länderkunde, namentlich im Unterricht, und
stärkere Betonung ihrer anthropogeographischen Seite. Aber es ist kein
Zweifel, daß die Länderkunde nur auf Grund einer soliden Kenntnis der
allgemeingeographischen Talsachen betrieben w^erden kann, und mit
vollem Recht hat vor kurzem A. P e n c k an dieser Stelle betont, daß
jene erst durch die allgemeine Erdkunde ihr festes Gerippe erhalte
und daß nach einem Ebenmaß in der Pflege beider Seiten der Geogra-
phie gestrebt werden müsse. Es mag sich daher verlohnen, kurz
Umschau zu halten über die in jüngster Zeit erschienenen literarischen
Rehelfe, die in erster Linie den Anfänger in das Stadium der Geographie
einführen, aber auch dem Fachmann als Nachschlagewerke von Wert
sein wollen. Namentlich in ersterer Beziehung steht da die Darstellung
vor ganz außerordentlich schwierigen Aufgaben. Der von Tag zu Tag
wachsende Umfang der Forschungsergebnisse, die heikle Frage, inwie-
weit die Resultate der Nachbarwissenschaften geographisch bedeutsam
sind und in dem Rahmen geographischer Darstellung Aufnahme finden
sollen, die große Anzahl noch kontroverser Fragen: .die diese stoßliche
Überfülle im Gegensatz zu dem zur Verfügung stehenden, meist engen
Raum nötigt zur sorgfältigsten Auswahl und Abwägung aller Einzelheiten
Neue Lehr- und Handl^üchcr zur allgemeinen Erdkunde. ] 77
im Ausdruck, aber auch zur schärfsten Formulierung der als gesichert
anzusprechenden Ergebnisse. Allen diesen Klippen ist das auf reichster
Lehrerfahrung beruhende Lehrbuch der Geographie von H.Wagner
in bisher unübertroffener Weise ausgewichen, aber auch er hat es nicht
vermeiden können, daß sein Buch in letzter Auflage bereits auf etwa
1000 Seiten angewachsen ist und überdies ein großer Teil des Mit-
geteilten in Anmerkungen verwiesen werden mulJte.
Ahnliche Aufgaben setzt sich der vor kurzem in zweiter und ver-
besserter Auflage erschienene ,, Grundriß der allgemeinen Erdkunde"
von W. Ule^), der den kühnen Versuch macht, auf kaum der Hälfte
des genannten LTmfangs gleichfalls das Gesamtgebiet der allgemeinen
Erdkunde abzuhandeln. Leider kann der Referent nicht der Meinung
sein, daß dieser Versuch durchaus geglückt ist. Es verstößt gegen die
Gleichberechtigung aller Zweige der allgemeinen Erdkunde, wenn die
Ozeanographie auf kaum 30, die politische Geographie auf gar nur
4 Seiten abgetan wird, während beispielsweise der allgemeinen Geologie
(die übrigens m. E. in einem geographischen Lehrbuch namentlich mit
ihrem historischen Teil nichts zu tun hat), 20 Seiten eingeräumt sind,
leider auch diese nicht frei von Irrtümern, v.-ie: ,,Die alpine Trias ist
fast ausschließlich eine Tiefseebildung" oder ,,dem Kohlenkalk folgt die
Kulmformation'', aber auch von Wiederholungen; so wird die Beschrei-
bung von Falten und Überschiebungen und die Theorien der Gebirgs-
bildung zweimal gebracht. Anderseits hat aber offenbar das drückende
Gefühl des Raummangels den Verfasser gezwungen, wichtige rein
geographische Tatsachen nur flüchtig zu berühren, oft aber in so wenig
präziser Form, daß ]\Iißverständnis oder Unverstandenbleiben die Folge
sein muß. Welche Verwirrung muß es z. B. beim Anlänger hervor-
rufen, wenn bei der Klassifikation der Gebirge geologische und morpho-
logische Merkmale durcheindergeworfen werden („Rumpfgebirge sind
Massengebirge") oder wenn die Karren als Ergebnis chemischer \'er-
witterung des Kalks beschrieben, aber daneben gesagt wird, daß ähn-
liche Bildungen auch auf anderen Gesteinen sich finden, sobald sie
aus Gemengteilen verschiedener Härte zusammengesetzt sind, und daß
Karrenfelder dort entstehen, wo die widerstandsfähigsten Partikel lieraus-
präpariert sind. Die Kare werden unter ,, Verwitterung" behandelt
und dabei bemerkt, daß in die oberen Gehänge der Bergrücken tiefe
Nischen eingesenkt sind (durch Verwitterung.^), während an anderer
Stelle die Kare als glaziale Formen erscheinen. Was soll sich ferner
der Leser darunter denken, wenn einfach behauptet wird, daß die Arbeit
des Wassers in eine vertikale und horizontale Komponente zerfällt, und
dann die Talterrassen wie folgt erklärt werden: ,, Schließlich (bei der
Seiterosion) wird die Sohle der Furche breiter als die Wasserrinne, das
Wasser gräbt dann in den Talboden eine neue Furche ein". Unver-
ständlich ist es, den Canon ,, gewissermaßen" als übertieltes Tal zu
bezeichnen, dem Löß vertikale Poren zuzuschreiben u, dgl. Derartige
L'nklarheiten finden sich übrigens auch in dem dem \'erfasser näher-
stehenden klimatologischen und hydrographischen Teil. So wird bei
der Temperaturumkehrung mit der Höhe das \^orhandensein einer
Wolkendecke als begünstigend erklärt. Widerspruchsvoll ist die Be-
1) Leipzig 1915 14S7 S. mit 114 Tc.xtfiguren).
Zeitschr. d. desellsch. f. Kvdkiinile zu Berlin. 1919. Xr. 3 4. 12
2 '^g F r i t z M a c h a t s c h e k :
handlun^" der Blätterstruktur des Gletschereises, unverständlich die
Hehauptun^, daß theoretisch Eisberge zu \/,^^ ihrer Höhe über die
Mecresflriche aufragen müßten, und die Erklärung der Temperatur-
zunahme in den ozeanischen Gräben durch das Abiließen ,, wärmeren,
schwereren Wassers". Der Raummangel hat den Verfasser nicht
gehindert, das singulare Phänomen der Meermühlen von Argostoli zu
erwähnen, freilich mit der sonderbaren Erklärung, daß die Ursache in
iler starken Verdunstung des Wassers im zerklüfteten Boden zu suchen
sei. Geradezu gefährlich aber ist folgende Theorie: , .Jeder Staat ist
von einer sogenannten Interessensphäre umgeben; zwischen den Kultur-
staaten Europas wird diese durch neutrale Staaten, z. B. die Schweiz,
dargestellt."
Eine persönliche Note in der Erörterung strittiger Frageii der
Morphologie des Landes wird man nicht eben erwarten dürfen. Von
der Davisschen Zyklentheorie scheint der Verf. nicht viel zu halten,
aber wo er ihrer Erwähnung tut, geschieht es in einer Weise, die den
unbefangenen Leser von schärfstem Mißtrauen gegen diese Lehre erlüllen
muß. So heißt es z. B.: ,, Viele Rumpfflächen tragen nicht mehr den
Charakter der Reife, sondern ihre Gewässer besitzen Stromschnellen
und Wasserfälle, sind also noch im Stadium der Jugend"; oder: ,,Auf
abgetragenen Landflächen (Rumpfflächen) bedingt zuerst das allgemeine
Gefälle die Richtung der Täler, sodann beeinflußt aber auch die Struktur
des Gebirges die F^ntwicklung der Flüsse." Auch den Wirkungen der
Glazialerosion steht der Verf. noch immer skeptisch gegenüber, aber sein
Einwand, daß das Gletschereis am Boden durch den hohen Druck
])lastischer werde und daher an Erosionskraft verliere, kann doch wohl
nicht ernst genommen werden.
Es ist nach den genannten Beispielen kaum anzunehmen, daß der
Anfänger aus L' 1 e s Lehrbuch zu klaren Vorstellungen über die Haupt-
Ichren der allgemeinen (leographie gelangen, noch weniger, daß sich
der l'achmann seiner als eines Nachschlairewerkes bedienen werde.
In vollem Lmfang wird letzterer Zweck erreicht in A. Supans
bekannten ,, Grundzügen der physischen Erdkunde", die nun nach erst
dreijähriger Pause in abermals umgearbeiteter und verbesserter Auflage
erschienen sind^). In rastlosem Schaffenseifer ist ihr Verfasser allen
Neuerscheinungen gerecht geworden und hat wesentliche Abschnitte
einer durchgreifenden Neubearbeitung unterzogen. Im wesentlichen
unverändert geblieben sind sowohl die ersten drei als auch die beiden
letzten Hauptabschnitte und damit leider auch der Übelstand, daß
zusammengehörige Erscheinungsgruppen aus dem Gebiete der Hydro-
graphie des Süßwassers auf die einzelnen Abschnitte verteilt sind. So
findet man die Temperaturverhältnisse der Süßwasserseen im Abschnitt
,,Das Meer", ihren Wasserhaushalt unter ,, Dynamik des Landes" dar-
gestellt, wo auch die Abflußverhältnisse und die Wasserstandsschwan-
kungen der Flüsse und-^das Bodenwasser behandelt werden. Vielleicht
entschließt sich der Verfasser in einer gewiß bald wieder erforderlichen
Neuauflage zu einem neuen Hauptabschnitt über die Hydrographie des
') 6. Auflage. Leipzig 1915.
Neue Lehr- und Handbücher zur allgemeinen Erdkunde. I79
Süßwassers, das alle zusammengehörigen Erscheinungen umfassen könnte.
Daß man m einem W^erke von diesem Umfang und bei einem Autor
von der Bedeutung S u p a n s die einführenden Ka])itel aus dem Bereich
der Geophysik und der dynamischen Geologie nicht wird vermissen
wollen, ist begreiflich, und mit Interesse liest man hiar die kritischen
^Ausführungen über die verschiedenen Anschauungen von der BiMchaffen-
heit des Erdinnern, über die Theorien der Gebirgsbildung, üb^Xiveau-
schwankungen und Vulkanismus u. a. Die Hauptarbeit der Neugestaltung
aber hat S u p a n den morphologischen Abschnitten seines Werkes ge-
widmet, in denen er, wie er im Vorwort selbst betont, eingehender, als
es in früheren Auflagen geschehen war, sich mit der Arbeitsmethode
von W. M. Davis auseinandersetzt, da ,, einfache Ablehnung nicht
mehr möglich ist". S u p a n s durchaus maßvoll gehaltene Kritik richtet
-ich weniger gegen die Terminologie der Davisschen Lehre, was ja
auch eme Frage von untergeordneter Bedeutung ist, als gegen die
Methode ihrer Anwendung, aber ai»ch gegen einzelne Punkte der Theorie
des geographischen Zyklus selbst. S u p a n meint, daß dieser wohl zu
weitgehender Verflachung, aber nicht zu völliger Einebnung, d. h. zur
Beseitigung der Wasserscheiden führen kann, und definiert daher die
aus der Erosion „mariner" (d. h, ins Meer mündender) Flüsse hervor-
gegangene Peneplain als eine in sehr fortgeschrittenem Zustand der
l berreite in ihrer weiteren Entwicklung gehemmte Oberflächenform
Ich meine, daß dieser Definition auch überzeugte Anhänger der Zyklen-
lehre sich werden anschließen können, daß aber auch Davis selbst
nichts anderes gemeint und niemals eine völlige Einebnung für möglicli
gehalten hat, wie ja schon der Ausdruck P e n e piain und die stete
Erwähnung der Restberge zeigt, wenngleich anderseits die unglückliche
Wendung „Abtragung bis zu einem Tiefland" in diesem Sinne auf-
gefaßt werden könnte. Es wird sich gewiß das fließende Wasser immer
nur asymptotisch emem solchen Endstadium nähern können, wie es in
nahezu erreichter Vollendung etwa in der Kirgisensteppe oder vielleiclit
auch im südafrikanischen Hochland vorliegt.
Gewichtiger sind die Einwände Supans gegen die Methode der
Anwendung der Davisschen Lehre in einzelnen Fällen, indem er den
\ orwurf erhebt, daß ihre Anhänger dort, wo keine Rumpfflächen mehr
vorhanden sind, diese aus gleichen Gipfelhöhen, Mauerkämmen, lokalen
i lateaustucken und mit gewissen geologischen Argumenten k o n s t r u -
1 e r e n. Zweifellos ist in der Anwendung dieser Kriterien gesündigt
worden, und es ist mir möglich gewesen, einige Fälle derartiger un-
kritischer Rekonstruktionen aufzuzeigen und zu widerlegen: richti» ist
auch, daß sehr häufig mit dem Ausdruck Rumpffläche l'nfug getrieben
w^rd und er einem Entwicklungsstadium beigelegt wurde, das von einer
nahezu völligen Einebnung noch recht weit entfernt war; und gewiß
geht auch Davis zu weit, wenn er die meisten Gebirge durch die
allmähliche Zerschneidung von gehobenen Tiefländern entstanden
sein läßt. Aber dieser Vorwurf Supans trifft m. E. nicht das Wesen
der Lehre, sondern einzelne Fälle ungeeigneter Anwendung (wie P e n c k
richtig sagt: „Das beste Werkzeug^ ist^ in den Händen\les Stümpers
gefährlich"); ihr großer Gewinn ist es vielmehr, daß sie uns die Formen
der Landoberfläche in ihrer Entwicklung verstehen lehrt und uns das
]y,{) F r i t /. M a c h a t s c li e k :
Nebeneiiiaiidervorlxommen \^on Formeni^rui^pen /weifellos verschiedenen
morpholoiiisclien iVlters erklärt. Wenn wir in den Ostalpen oder im
l)inarischen Gebirge weite Hochflächen von in hohem Grade unreifen
und doch rein fluviatil entstandenen Tälern zerschnitten sehen oder
wenn im Apennin an eine heute hochgelegene und stark zertalte
(iebirgszone sich im Pliozän eine Zone sehr feinkörniger, toniger
Scdimeiite angelagert hat, die nur von Flüssen mit sehr geringem*
Gelälle abgelagert werden konnten (w^ozu hier noch andere Argumente
kommen), so bleibt auch bei sorgfältigster Prüfung aller andern Mög-
lichkeiten keine andere Erklärung übrig als die durch Unterbrechung
des alten und Wiedereinleitung eines neuen Zyklus, und darum
nennen wir solche Gebirge mit Recht zweizyklische Gebirge, womit ja
keineswegs gesagt ist, daß sie früher einmal ideale Tiefländer oder
auch nur Penej)lains im Supanschen Sinne gewesen sind. Es ist zu
bedauern, daß S u p a n sich in diesen Fällen mit der Kritik begnügt
und nicht auseinandergesetzt hat, wie derartige Formenvergesellschaf-
tungen anders zu erklären wären. Denn dem Versuch, solche Flächen
einfach für lokale Verebnungen zu halten, widerspricht sowohl ihre
gesetzmäßige und ausgedehnte Verbreitung als auch ihr Auftreten in
hoher Lage neben den jugendlichen Talformen, was sich mit all dem
nicht verträgt, was wir denn doch heute- über die Zusamniengehörig-
kcit von Formengruppen zu wissen glauben. Daß in diesen und ver-
wandten Fällen auch die von S u p a n befürwortete Erklärung durch
iMithüllung oder ,,Keve]ation" einer fossilen Rumpffläche nicht aus-
reicht, bedarf keiner weiteren Auseinandersetzung. Sie genügt aber
auch nicht für die zuerst von P 1; i 1 i p ]) i aufgefundene alttertiäre
Rumpffläche ?^Iittel- und Süddcutschlands. Denn diese wird nicht nur
aus dem Vorhandensein ausgedehnter welliger Flächen im Bereich der
]:)aläozoischen gefalteten Gesteine erschlossen, sondern namentlich dort,
wo die Einebnungsflächc auch über jüngere, zwar nicht gefaltete, aber
doch gest/irte Deckschichten hinwegzieht. Das, was S c h m i 1 1 h e n n e r
von der allmählichen Entblößung der alten Schwarzwaldrumj^ffläche
beschreibt, ist auch im mittleren Böhmen deutlich zu sehen, wo einer-
seits unter der Kreidedecke die präzenomane Rumpffläche zum Vor-
schein kommt, anderseits eine jüngere und höher gelegene Fläche über
Kreide- und altpaläozoische Schichten hinwegzieht. Wenn also S u p a n
zweifellos Recht hat, daß die schematische Anwendung deduktiver
Konstruktionen zu Irrtümern verleiten kann, so wnrd er doch zubilligen
müssen, daß in der Mehrzahl der Fälle ehrliche Arbeit auf dem
Boden der Induktion und der Beobachtung, aber gestützt auf die Lehre
vom Zyklus, zu den heutigen Anschauungen von der Entwicklungs-
geschichte der Formen geführt hat. Sie hat uns aber auch zu einer
schärferen Formulierung des Begriffes ,, Gebirge" und zu einer deut-
lichen Trennung vom Standpunkt des Geologen verholfen. Wie ich
schon einmal an dieser Stelle bemerkt habe, kann es vom geographi-
schen Gesichtspunkt alte Gebirge nicht geben, denn den alten oder
überreifen Formengesellschaften fehlt das bezeichnende Merkmal des
Gebirges, der anschauliche Wechsel von Hoch und Niedrig, und es ist
daher* nur vom geologischen Standpunkte" berechtigt, wenn S u p a n
(S. 39) die nördlich von Tibet gelegenen Gebirge als ältere den süd-
i
Neue Lehr- und Handbücher zur allgemeinen Erdkunde. i<j^i
asiatischen gegenüberstellt, wobei es dahingestellt bleibe, ob nicht <iuch
der Himalaya eine ältere tektonische Anlage hat. Die Unterschiede
liegen eben vor allem in der Art des Materials und daher der gebirgs-
bildenden Dislokationen. Ein ähnlicher Fall eines „alten" und doch
morphologisch jungen Gebirges liegt wahrscheinlich auch im Ural vor,
und es hat daher nichts mit dem Verhalten eines Faltengebirges gegen
sein Vorland zu tun, wenn der Steilabfall des Urals, wie S u p a n betont,
gegen sein östliches Vorland gerichtet ist.
Der knappe Raum verbietet es, auf andere Punkte der Supanschen
Darstellung strittiger Fragen einzugehen; nur ganz allgemein sei be-
merkt, daß in manchen Fällen anstatt der einlach referierenden Gegen-
überstellung verschiedener Ansichten eine noch schärfere Stellungnahme
des erfahrenen Fachmanns erwünscht wäre. Nicht um kleinliche Kritik
zu üben, sondern um auf gewisse, m. E. der Änderung bedürftige
Stellen hinzuweisen, seien endlich noch folgende Einzelheiten heraus-
gehoben: S. S28 wird auf die Bedeutung der Lotungen in der RhCme bei
Bellegarde aufmerksam gemacht, die erst den Beweis geliefert hätten,
daß das Wasser unter Umständen auch wannenfirmige \'ertiefungen
auszuhöhlen vermag. Offenbar handelt es sich um Kolke im Flußbett,
die zwischen den Übergängen auftreten. Daß (S. 534) die Talmäander
dort beginnen, wo der Fluß aus weicherem in härteres Gestein übertritt,
ist zum mindesten recht fraglich; aber unrichtig, daß (S. 577) ,,Kare
und ähnliche Formen auch in der Sächsischen Schweiz, im Colorado-
Gebiet und in der afrikanisch-arabischen Wüste vorkommen". Unver-
ständlich ist es ferner, warum (S. 581) die Lagerung der Deltaschichten
im Meere gewöhnlich flach bis nahezu horizontal sein soll und sie nur
in Binnenseen bis 35° Neigung erreichen kann. Daß sich (S. 533) im-
durchlässigen Gestein und im Tafelland keine Ouelltrichter (gemeint sind
offenbar die trichterförmig sich zusammenschließenden Hintergehänge
eines Tales) entwickeln können, stimmt nicht. S. 554 wird die Rekamulde
westlich von Zirknitz als ein durch Deckeneinbruch eines Hohlraumes
entstandenes Polje gedeutet; es handelt sich um ein Tal im Flysch.
Die höchste Temperatur der Gasteiner Thermen beträgt 40,6°. nicht
(s. 504) 71,5°. - ^> '
Auf ganz anderem Boden steht jenes Werk, durch das Davis'
geomorphologische Anschauungen zum erstenmal in zusammenfassender
Form in Deutschland verbreitet worden sind, die , .Grundzüge der
Physiogeographie-' von W. M. Davis und G. Braun, das aut^^Grund
von Davis' ,,Physical Geography" (1898) neu bearbeitet, zuerst 191 1
erschienen ist und nunmehr, in zwei getrennten Bändchen heraus-
gegeben, in zweiter Auflage vorliegt i). Die erste Auflage hatte, was
den morphologischen Teil anbelangt, natürlich sehr verschiedene Be-
urteilung gefunden: allgemein aber war die Meinung, daß darin die
andern Seiten der physischen Erdkunde viel zu kurz gekommen waren.
Um diesem Vorwurf zu begegnen, entschlossen sich Verfasser und
Verleger zu einer Zweiteilung derart, daß der (1915 erschienene) 2. Teil
die :\Iorphologie bringt, der erste (i9'7) die „Grundlagen" derselben.
1) II. Teil. Leipzig 1915, I.Teil, ebenda 1917.
I ,S2 F r i t z M a c h a t s c h p k :
tl. h.: die l->dkiii4cl, Lufthülle, Land und Wasser, Wasscrhülle nebst
einem Anhang über die Methoden der Physio[;eographie. Da ferner
die Zeitverhältnisse eine Alitarbeit von W. M. Davis an dieser Neu-
bearbeitung nicht gestatteten, rühren dieAnderungen des morphologischen
Teils und der ganze erste Teil von G. Braun her. Wie nun dieser
in der Einleitung betont, weicht das Buch in seiner ganzen Anlage von
den gangbaren Lehrbüchern der physischen Erdkunde ab, indem es vor
allem der Schulung zur Beobachtung und Darstellung dienen will. Es be-
handelt daher auch die Lehren der Geophysik, der allgemeinen Meteo-
rologie und Ozeanographie, aber nicht als Selbstzweck, sondern nur in
Auswahl und insoweit, als sie für den besonderen geographischen Zweck
als Grundlage von Forschung und Beobachtung dienen sollen, so da!»
dadurch die großen Lehrbücher nicht ersetzt, sondern nur in ihren spezi-
fisch physiographischen Teilen ergänzt werden sollen. Ebenso will
auch der morphologische Teil keine vollständige und systematische
Morphologie sein, sondern vor allem auch nur der Vorbereitung zur
eigenen Beobachtung dienen. Damit ist aber eigentlich der Sinn des
Wortes ,,Physiogeographie" verschoben; denn wenn der erste Teil nur
ihre Grundlagen bringen will, so ist eben der zweite Teil die eigent-
liche Physiogeographie und diese also doch nur die Morphologie der
Landoberfläche; die übrigen Zweige der physischen Erdkunde erfahren
entgegen dem Titel des Werkes keine ebenbürtige Behandlung und
dieses müßte eigentlich ,, Geomorphologie und ihre Grundlagen" heißen.
Ein später zu erscheinender dritter Teil soll allerdings eine übersicht-
liche Darstellung der physischen Geographie der Erdoberfläche enthalten.
Man wird also im ersten Teil weder Vollständigkeit noch aus-
führliche Begründungen, am wenigsten Angaben über die geographische
X'erbreitung der wichtigsten Erscheinungen aus dem Gebiet der
(icophysik, allgemeinen Geologie, Meteorologie und Hydrographie er-
warten dürfen (speziell der den Erdkörper behandelnde Abschnitt ist
so kurz, daß er ohne Schaden hätte fortbleiben können), aber die
Mitteilung des Tatsächlichen geschieht in so präziser und doch leicht
faßlicher Form, daß sie als erste Einführung ihren Zweck gewiß er-
reichen wird. Besonders sei auf die wesentlich umgearbeiteten Iso-
thermen- und Isobaren- und Niederschlagskarten in der auch sonst zur
.Anwendung gebracliten liomalographischcn Projektion verwiesen. Auch
die nunmehr neu eingefügten Anmerkungen aus dem Gebiet der
Petrographie und Geologie beschränken sich auf das morphologisch
Wichtige (wobei irrig Kontakt- oder Dynamometamorphose durch das
Eindringen von Schmelzfluß zwischen andere Gesteine erklärt, die
Kontraktionshypothese abgelehnt und die cpirogenetischen Bewegungen
durch isostatische Vorgänge zu erklären versucht wird, was wohl nicht
ganz ausreicht). Die umnittelbare Vorbereitung für den morphologi-
schen Hauptteil bilden die (nur 20 Seiten umfassenden) Ausführungen
über den Abtragungsvorgang, meinem Empfinden nath doch etwas zu
kurz ; denn wenn auch bei der Darstellung der Entwicklungsgeschichte
der Formen immer wieder aut das Wie? der Vorgänge zurückgekommen
wird, so reicht doch die vergleichende mor])hologische Betrachtung als
Ersatz für die Analyse der erodierenden Vorgänge nicht aus und es
kann leicht der Eindruck erweckt werden, als ob wir über diese selbst
Neue Lehr- und Handbücher zur allgemeinen Erdkunde. X33
schon i;anz im klaren wären; besonders gilt dies von der eben nur
gestreiften Art der Wirkung des Eises und des Windes auf die Aus-
gestaltung der Landoberllächc.
Der zweite (morphologische) Teil bringt gegenüber der ersten Auf-
lage des deutschen Werkes nicht unwesentliche Veränderungen; die in
dieser enthaltenen, meist recht primitiven Hinweise auf die Beziehungen
zwischen morphologischen und anthropogeographischen Verhältnissen
sind nunmehr gänzlich fortgelassen. In der theoretischen .\bleitung des
Zyklus wird der Unterschied zwischen morphologischem und geolo-
gischem vVlter betont, in die Erklärung des^Kartenbilds ist ein kurzer
Abschnitt über morphologische Karten, in die Betrachtung der Ebenen
und Plateaus eine Bemerkung über ,, Landterrassen" (lokale, an Flüsse
gebundene Verebnungsflächen) eingefügt. Neu, aber m. E. unbegründet
ist die Feststellung, daß die Herausbildung von Schichtstufenlandschaften
das Vorhandensein einer Rumpffläche voraussetzt. Größere Verände-
rungen zeigt die Behandlung der Ausgestaltung der Faltengebirge, wo-
bei auf die Unmöglichkeit, die Urform von kompliziert gebauten Decken-
und Schuppengebirgen zu rekonstruieren , hingewiesen, aber dies für
bedeutungslos angesehen v.drd, da sich herausgestellt habe, daß alle diese
Gebirge mehrzyklisch sind und daher die Formen des letztverfl-ossenen
Zyklus als Urform anzusehen sind. Demgegenüber sei bemerkt, daß
abgesehen davon, daß dieser Beweis für die Westalpen mir nicht er-
bracht erscheint, doch auch die ursprüngliche Struktur für die Aus-
gestaltung sehr wesentlich ist. Solche Gebirge entziehen sich eben der
deduktiven Behandlung. Ebenso geht es zweifellos nicht an, den Mont
Blanc (ebenso wie den Chan-Tengri im Tianschan, einfach als über-
l«benden Rest eines früheren Zyklus anzusehen, der noch nicht zum
oberen Denudationsniveau der Gegenwart abgetragen worden ist. Neu
eingeführt ist die Betrachtung des reif zerschnittenen Berglandes im
2. Zyklus. Die Begriffe Rumpffläche und Restberge werden unter den
,Xandschaften mit einfacher Struktur" zuerst erläutert, freilich mit Bei-
spielen aus Gebieten mit sehr stark gestörter Struktur. Es hätte sich
wohl empfohlen, diese Begriffsbestimmungen sofort in der ,, theoretischen
Grundlegung" zu bringen und die Gliederung in Landschaften mit ein-
facher und komplizierter Struktur noch schärfer durchzuführen.
Die Behandlung der Vulkane ebenso die der Täler ist nahezu unver-
ändert geblieben, doch ist das Kapitel ,, Schutt des Landes" in das über die
Täler aufgelöst, so daß nunmehr auch die Abschnitte über schutterfüllte
Becken und die großen Ebenen unter den Tälern behandelt werden,
was etwas störend wirkt; inkonsequent ist es, Aufschüttungsterrassen
bei der ursprünglichen Talentwicklung, Felsterrassen beim wieder-
belebten Fluß zu besprechen. Unverändert geblieben ist auch das
Kapitel über die ariden Formen in der bekannten Fassung des ariden
Zyklus von Davis, die aber doch rein deduktiv und nur auf halbaride
Gebiete (Salzsteppen) anwendbar ist, den extremen Wüsten gegenüber
aber versagt. Auch das Kapitel über die Landlormen des nivalen
Klimas hat nur insofern eine Ausgestaltung erfahren, als SchlifT-
kehle und Trogschluß kurz erwähnt, die Trogschulter aber nur als
Gehängeknick beschrieben wird. Das schwierige Problem der Ent-
stehung der Trogschulter und der hohen Lage der Schliffgrenze über
1W4; i'ritz Machatschek: Neue Lehr- u. Handbücher zur allgemeinen Erdkunde.
der Schulter wird also abermals iiberj^aiigen, wie auch die der Natur
nicht entsprechenden Abbildunf;en \^on D a v i s zur Erläuteruni^- der
'J"roj4form der Tiiler wieder übernommen sind. Neu eingefügt ist ferner
ein kurzer ^Abschnitt über die Landlbrmen im feuchtheißen Klima, nur
in der Anordnung des Stoffes etwas verändert das letzte Kapitel über
die Küstenformen. Die Illustrierung des Werkes ist durch mehrere
gute Landschaftsbilder nach Photograi)hien, meist mit erklärender Be
schriftung im Bilde selbst, verbessert worden.
So ist das Werk zwar im wesentlichen das alte geblieben, aber
doch in mancher Beziehung umgestaltet und verbessert, in anderer noch
der \'erbesserung und Erweiterung bedürftig. Mag vielleicht auch
manchem der eingeschlagene Weg zu einseitig, die Beweisführung nicht
immer ganz überzeugend erscheinen, so geht doch zweifellos aus ihm
der groüe Vorteil der genetischen Betrachtungsweise und der Loslösung
von der rein systematischen Darstellung hervor. Möchte uns nun bald
auch eine vollständige .Morj:)hologie der ErdoberOäche auf dieser Grund-
lage beschieden sein!
KLEINE MITTEILUNGEN.
Europa.
Die Gradzählung der Karte des Deutschen Reiches r : lOOOtX)
geschieht bekanntlich nach dem Meridian von Ferro, welcher ge-
wöhnlich als der Meridian 20° westlich Paris definiert wird und in
W'irklichkeit gar nicht durch die Insel Ferro, sondern 20' östlich derselben
durch das Meer verläuft. Die Verschärfung der Längenbestimmung
Potsdam bzw. Berlin nach Paris und Green wich hat ergeben, daß sie
früher um 13,4" zu groß angenommen worden ist. Demnach bezieht
sich die Gradzählung der deutschen Karten, streng genommen, nicht
auf den üblichen Ferro-Meridian 20- westlich Paris (Ferro — Paris),
sondern auf einen 13,4" w'eiter westlich gelegenen Ferro-Meridian
(Ferro — Potsdam). Wir haben daher in Deutschland faktisch zwei Ferro-
Meridiane in Gebrauch.
Die Gradzählung der Landesaufnahme ist von großer Bedeutung
für die Blatteinteilung. Die Grenzmeridiane der Blätter werden durch
die Meridiane von 1/2 zu 1/.,° gebildet, die nach Ferro — Potsdam ge-
zählt werden. Um die Blätter durch die Meridiane von ^/^ zu 7-2^ nach
Ferro — Paris zu begrenzen, müßte man von jeder Karte der Reichs-
karte im Westen einen 13,4" breiten Streifen abschneiden und im
Osten einen ebenso breiten, bei der mittleren geographischen Breite
des Reiches 260 m messenden Streifen anstückeln. Dies würde eine
riesige Aufgabe bedeuten, durch welche der Karteninhalt nicht die ge-
ringste Veränderung erfahren würde. Die Preußische Landesaufnahme
hat sich ganz richtig entschlossen, bei der alten Zählung zu bleiben
und nunmehr den Meridian Ferro (Potsdam) als denjenigen zu erklären,
nach welchem sie zählt, während für die Messungen selbst der Meridian
Kleine Mitteilungen. lo-
durch die Mitte der großen Kuppel des Observatoriums des Geodäfi-
schen Institus in Potsdam zugrunde gelegt wird. Ferro (Potsdam) lieot
last genau 17- 40' (genau 17° 39' 59,414") westlich Greenwichi). Dk-
Grenzmendiane der Reichskarte werden daher fast genau durch die
Meridiane von 20' und 50' östlicher Länge von Green wich begrenzt,
'no .J°- ,?''/'"' ^!''° (Potsdam) = 12° 20' r.stlich Greenwich;
00 30 östlich Potsdam = 12° 50' östHch Greenwich. Es ist also
die Minuteneinteilung am Rande der Reichskartenblätter fast oenau
nach den ganzen Minuten östlicher Länge von Greenwich durchgeftihrt
und der Lbergang vom Gradnetz der Landesaufnahme zu dem von
Greenwich ist praktisch viel leichter als nach dem .Meridian von Paris
durchzuführen.
Peiich.
Die Nationalitäten in den deutschen Ostprovinzen. Eine Fälschung
schlimmster Art stellt die „Xationalitätenkarte der östlichen Provinzen
des Deutschen Reiches'- von Jakob Spett dar^), die afs Grundlage
die „\ogelsche Karte des Deutschen Reiches und der Alpenländer
1 : 500 OOO" benutzt und im Titel behauptet, nach den Ergebnissen der
amtlichen \ olkszählung vom Jahre 1910 entworfen zu sein. Die Karte
ist gedruckt bei Justus Perthes in Gotha; der Name des Verleoers ist
aut der Karte selbst nicht angegeben, sondern auf einem nach?räolich
aut die Rückseite der Karte aufgeklebten Zettel.
Der Anteil deutscher und polnischer Bevölkerung wird prozentual
-no A ,^^'Sfstellt (über 85^0 deutsch, über 700/^ deufsch, über
^0"p deutsch, über 50 0/^ polnisch, über 70 7^ polnisch. ' über 85 0.
polnisch), und zwar nicht nach Kreisen, sondern nach kleineren Flächen
die gelegentlich Gemeinden entsprechen dürften, was den Eindruck
groUer Spezialisierung und Genauigkeit erweckt.
Auf der Karte befindU sich eine „Statistische Übersicht" über die
Bevölkerung der einzelnen Kreise und Regierungsbezirke. Sie gibt
einen Einblick in die Art der auf der Karte durchgeführten Unter-
sclieidung von Deutschen und Polen. Es werden unterschieden: deutsch
v.H. und polnisch usw. v. H., d. h. also: Spett weist den Polen alles
zu, u-as nicht deutsch ist, z. B. auch die ganze tschechische Bevölkerung
von Oberschlesien, die auf der Karte in der Tat als polnisch dar
gestellt wird, ferner alle Zweisprachigen. Tatsächlich ergibt eine Über-
prutung der mitgeteilten Zahlen, daß dies geschehen ist. Auf diese
\\ eise erzielt Spett eine relativ größere Zahl von Polen (denen er die
Kassuben sowohl als auch die Masuren zuweist, ein von polnischer
beite Ott geübtes \ erfahren) gegenüber den Deutschen. Aber nicht
nur dies.
Eine Betrachtung der Karte vergewissert, daß er überall die Zahl
der 1 ölen größer angibt, als nach dieser gewiß weitherzigen Fassung
des Begriffes Polen'' möglich. Von 66 Stichproben, die im Gebiete
der Warthe-Netze-Linie und unteren Weichsel sowie im Gebiete der
-uemarkationslinie vorgenommen wurden, weicht die Spettsche Dar-
J) Die Insel Ferro liegt 18° westlich Gr.
) Jakob Spett ing. Nationalitätenkarte der östlichen Provinzen des Deutschen
^n.-? • m'? ?'" Ergebnissen der amtlichen X'olkszählung vom Jahre 19 oen"
uoifen. Maßstab r : 500 000. Verlag von Moritz Perles. wfen 191S
jgg . Kleine Mitteilungen.
Stellung in allen Tällen von lien amtlichen Ergebnissen zugunsten
der Polen ab.
Spett stellt nicht nur Orte mit gleich großer deutscher und polnischer
Bevölkerung, wie z. B. Scinvekatowo, als überwiegend polnisch dar,
sondern auch Orte mit deutscher Mehrheit, und zwar nicht bloß, wenn
diese nur einige Prozent ausmacht, sondern auch, wo sie ganz aus-
gesprochen ist; z. B. Wolfshagen: 247 Einwohner, davon 238 Deutsche;
Scherlanke: 900 Einwohner, 885 Deutsche; Schwarzhauland: 382 Ein-
wohner, 376 Deutsche. Ein Ort wie Eigenheim mit 646 Einwohnern,
darunter 572 Deutschen, wird als zu 85 *^/q polnisch dargestellt! Das
sind aber nicht Einzelresultate, sondern das ist die Regel. Das Mittel
der Prozentsätze, um die Spett die Zahl der Polen zu groß angibt, ist
30 ^/q; infolgedessen erscheinen im Durchschnitt Gebiete, die wie West-
preußen fast -/g deutsche Mehrheit aufweisen, als überwiegend polnisch!
Rein deutsche Gemeinden fehlen, wenn die Orte auf der Karte nicht
genannt sind ; überwiegend deutsche Gebiete, die sich in polnische
eindrängen, wie z. B- dasjenige, welches die rechts der Weichsel sitzen-
den Polen des Kreises Stuhm von den links der Weichsel wohnenden
Polen trennt, werden weggelassen, rein deutsche, die im Osten an-
grenzen, werden als polnisch dargestellt. Forstgebiete mit überwiegend
])olnischer Bevölkerung bezeichnet Spett richtig als überwiegend polnisch.
Forstgebiete mit überwiegend bzw. rein deutscher Bevölkerung läßt er
einfach weiß.
In alledem ist kein anderes System zu erblicken, als die Absicht,
die Verbreitung der Deutschen zugunsten der Polen zu gering wieder-
zugeben und es muß daher die Spettschc Karte, wie eingangs ge-
schehen, als eine Fälschung schlimmster Art bezeichnet werden.
Jlcrberi Hcydc.
"* Die Gipfelflur in den Alpen. Die Konstanz des Gipfelniveaus
eines Gebirges, oder wie A. Penck in einem Aufsatz^) sie neuerdings be-
zeichnet ,,die Gipfelflur", ist oft beobachtet und beschrieben worden. Den
Gedankengängen W. M. Davis über den Geographischen Zyklus folgend
ist mehrfach versucht worden, allein schon aus der fast gleichen Höhe
der Gipfel eine erosive Entstehung der Gebirge aus einer Fastebene
zu folgern. Penck wendet sich gegen diese Auffassung, die bei den
Alpen allein schon darum hinfällig wird, weil sich in allen jüngeren
Schichten am Rande der Alpen grober Gesteinsschutt vorfindet, ein
Rumpf als das Endergebnis der Abtragung aber einen solchen der
Umgebung nicht liefern kann. Der Aufsatz, der für die spezielle
Geschichte der Alpen von größter Wichtigkeit ist, wird dadurch um
so bedeutungsvoller, als Penck in ihm eine großzügige Abwandlung der
Lehre vom geographischen Zyklus bietet, die viele Widersprüche des
alten Schemas zu lösen verspricht.
Er sagt, die Erosion beginnt nicht mit der fertig gehobenen Fast-
ebene, sondern mit der Hebung selbst. Dieser einfache Gedanke führt
ihn dazu zwischen drei verschiedenen Arten der Gebirgsbildung zu
unterscheiden, die nach dem jeweiligen Stärkeverhältnis zwischen
^) Sitzungsberichte der preuß. Alcad. d. Wiss. 1919. S. 256.
Kleine Mitteilungen. J-J^J
Hebung und Erosion entstehen. Ist die Hebung schnell und an-
dauernd, so entstehen zuerst Taleinschnitte und zwischen ihnen Riedel,
die Taleinschnitte vertiefen sich und bilden im Laufe der Zeit die
Riedel in Schneiden um. Die Höhe der Schneiden hängt nur ab von
der Taldichte. Bei ständiger Hebung kann trotzdem das Gebirge nicht
wachsen, weil die Erosion es nicht zuläßt, das obere Denudwtions-
niveau, die ,,Grenzgiptelllur" bleibt als obere Grenze bestehen. Erst
wenn die Hebung nachläßt, können runde Formen, wie Rücken, durch Ver-
witterung usw. entstehen, die aber bei diesem Vorgang aus den Schneiden
ihren Ursprung nehmen. Jetzt erst setzt die bekannte Weiterentwicklung
ein, die zur Fastebene hinstrebt. Ist dagegen die Hebung vorzeitig beendet,
so entwickeln sich zwar zuerst Taleinschnitte und Riedelflächen, dann aber
runden sich die Formen ab, es entstehen Rückenformei^ die jetzt unter
Überspringung der Schneideformen unmittelbar aus den Riedelformen
entstehen. Die Entwicklung ist gleichlaufend mit der ersten, nur fehlt
das ,, reife" Mittelglied, die Entstehung der Schneiden. Ist drittens
endlich die Hebung nur ganz langsam erfolgt, so entstehen überhaupt
keine Riedelflächen, die Landschaft hat von ihrer ersten jugendlichen
Entstehung an Formen, die man mit W. M. Davis als greisenhaft be-
zeichnen müßte. Ja, ist die Hebung zuerst ganz langsam, dann schneller,
endlich stefig erfolgt, so erhalten wir Formenreihen, die gerade dem
, .normalen" Zyklus völlig entgegengesetzt sind, in dem zuerst Flachlands-,
dann Mittelgebirgs-, endlich Hochgebirgsformen entstehen.
Dieser Gedankengang scheint die Fragen der Gipfelflur der Alpen
der Lösung näher zu führen. Die randlichen Partien hoben sich lang-
samer, als die Mitte, nicht nur bei den ganzen Alpen, sondern auch
bei einzelnen Teilen derselben. Ein flacher Faltenw^urf traf das alte
Gebirge quer zum Verlauf und hob einzelne Partien. Diese verwan-
delten sich in Schneiden, während am Rande die geringere Hebung
Rückenform.en erzeugte. Die glaziale Formgebung wandelte Rücken.
Schneiden und Täler um, bei den Rücken deutliche Kare hinterlassend,
an den Schneiden weniger ausgeprägte Firnmulden schaffend und die
Täler übertiefend. Trotz der Bedeutung der eiszeitlichen Formen ist
aber noch heute das rein erosive Bild des sich hebenden Gebirges
für Talverlauf und Gipfelflur maßgebend. jr'. Bchrmaun.
0 Eine neue Einteilung Schwedens in kulturgeographische Land-
schaften auf Grund der Stadtanlagen versucht der schwedische Geograph
an der Universität Lund, Helge Nelson, im Ymer 1918, S. 341. Xord-
schweden, von der Grenze gegen Finnland bis nahezu zum Dal-Elf,
zerlegt er in drei in der Längsrichtung gestreckte Gebiete: das Gebirgs-
land, das nordschwedische Waldland und das nordschwedische Küsten-
land. Zwischen die beiden ersteren schaltet er im Bereich des oberen
Jemtlandes noch eine vierte Landschaft ein, die er als nordschwedisches
Silurgebiet bezeichnet. Das Gebirgsland umfaßt das Land oberhalb
der Wald- und damit auch der Ackerbaugrenze, eine Landschaft, die
/i 300 qkm Areal bedeckt und von 65 ooo Menschen^) bewohnt wird,
was einer Dichte von 0,4 auf i qkm entspricht. Städte würden diesem
Die Zahlen gehen zurück auf die Volkszählung v. i. i. 1916.
\^^ Kleine Mittcilunifcn.
W'aldj^ebiet iVcnid sein, wenn nicht der lierj^bau an der Grenze des
.\ckerbaues hätte Kjerunas entstehen lassen, einen Ort von 8iOü Seelen,
der in seinen Mauern damit 29 ^Jq der Gesamtbevölkerung beherbergt.
\'iel dichter besiedelt ist das nordschwedische Waldland, das immerhin
auch noch siedlungsfeindlich ist. Auf" 145 150 qkm Fläche kommen
hier 290000 Einwohner, also 2,4 auf i qkm. Die Zahl der Städte ist
mit 7 auch nur gering, und diese sind noch dazu klein. In ihnen
wohnen im ganzen 1 2 0()0 Einwohner, d.h. 4,3^/0 der Gesamtbevölke-
rung, und von ihnen hat der Bergwerksort Malmberget allein 4000 Ein-
wohner. Innerhalb dieses langgedehnten Waldgebietes ist die Dichte
nicht überall gleich. Während in dem wärmeren Wärmland im Süden
auf I qkm 7 bis 8 Menschen kommen, ist es im Xordea nur ein einziger.
Sowie der Bodef^, wie im nordschwedischen Silurgebiet, besser und ertrag-
reicher wird, ist die Besiedlung größer. I*2ine Fläche von 1 3 700 c^km haben
hier Soooo Menschen innc, und 5,8 Personen kommen auf i qkm. Die
Zahl und Größe der Städte ist noch klein. In 2 Städten wohnen
13300 Seelen, d. h. 17% der Bevölkerung. Das nordschwedische
Küstenland, ohne das Gästrikland, mit seinem Wald, seinem reicheren
Ackerbau und seiner blühenden Holzindustrie weist eine viel größere
Bevölkerungsdichte und Zahl von Städten auf. Auf 55 lOO qkm leben
hier 621 OOO Personen (12 auf 1 qkm), wovon 118 800 Personen, I9'^,0'
in 33 Städten wohnen, Handels-, Bezirks-, Sägewerks- und Industrieorten
von mehr oder weniger städtischem Charakter. Mit Dalarne bildet das
Gristrikland eine natur- und kulturgeographische Provinz, ein l'bergangs-
gebiet zwischen dem nordschwedischen Küstenland einerseits und dem
mittclschwedischen Flach- und Hügelland andrerseits. Für den be-
deutenden Bergbau dieser Landschaft ist das nahe Hügelland mit seinen
großen Wasserkräften ein wichtiger Faktor für die Eisenhütten. Wie das
nordschwedische Waldland aber hat sie auch eine große Holzindustrie.
Das ebenere Relief und das mildere Klima begünstigen außerdem den
.\ckerbau. So ist auch hier die Volksdichtc bedeutend höher, 28 auf
I qkm (Areal 9700 qkm, 240000 Einwohner), und auch die Städte-
anlagen sind zahlreich. 40^/q der Bevölkerung der Landschaft, 96 800
Menschen leben in 20 Städten. Das Hügelland dagegen hat bei nahezu
gleicli großer Ausdehnung, 8900 qkm, etwas mehr als die Hälfte
an Einwohnern, 130000, also nur eine Dichte von 15 auf i qkm. Die
Zahl der Städte ist ebenfalls geringer, und die Städte sind klein. In
13 Orten mit über lOCXD Einwohnern leben 29 50O Menschen, also 23"/^.
Das Hügelland ist ein Ausläufer des nordschwedischen Waldlandes, und
der Wald hat die Entwicklung der städtischen Siedlung gehemmt. Die
mittelschwedische Flachlandsackerbauzone liegt zwischen dem wald-
bedeckten Plateauland und der schärenumsäumten Küste und zerfällt
in drei l'nterprovinzen. Das Mälarland hat im Mälarsce, das Wener-
land im Wenersee sein natürliches Zentrum. Der Wettersee spielt für
seine Umgebung die gleiche vermittelnde Rolle. Östlich von ihm liegt
tlas dritte natürliche Teilgebiet, Ostgotland. Als ganzes umfaßt diese
Landschaft 70 000 iikm mit 21/2 ^^ill- Einwohnern, d. h. nahezu die Hälfte
{44^1'q) der Gesamtbevölkerung Schwedens. Die Volksdichte steigt auf
39 auf I qkm (42 im Mälargebiet, ^J im Wenergebiet und 33 in Ost-,
gotland). Die Städte, 87 an der Zahl, beherbergen nahezu die Hälfte
Kleine Mitteilungen. 139
aUer Bewohner (470;^) und dräni^en sich vor allem im Maiarland zu-
sammen," eine Entwicklung, die neben natürlichen auch durch historische
Faktorjen bedingt ist. Das südschwedische Hochland hat seine Süd-
grenze etwa in der Linie Hallandsäs bis Sölvesborg. Es umfaßt das
Horstplateau von Schonen und dessen Flachland, 49 300 qkm mit
I 060000 Einwohnern, 2 3 Einwohner auf i qkm. Die Zahl der Städte betragt
45 mit 230900 Einwohnern, d. h. 22'^/q der GesamtbevcUkerung. Die
Halbinsel Schonen zerfällt in drei Teile: das Flachland von Kristianstad,
das südwestliche Flachland und das Horstplateau. Letzteres ist in ge-
wissem Sinne ein Cbergangsgebiet zwischen den beiden Flachländern,
das von Moränen bedeckt ist. Es ist Ackerbauland. Die Dichte ist
deshalb geringer, 27 auf i iikm. Auf 3050 qkm wohnen 80000 Menschen.
Die Zahl der Städte ist klein (2), und die städtische Bevölkerung macht
nur 3,3% der Gesamtbevölkerung aus, eine Zahl, wüe sie erst wieder
ähnlich im nordschwedischen Waldland auftritt. .Mehr als doppelt so
groß ist die Dichte im Flachland von Kristianstad, 58 (1.150 qkm,
64 000 Einwohner). Gering ist die Zahl der Städte (3), relativ klein ihre
Größe (19000 Einwohner), so daß SO^Jq der BevcUkerung in den Städten
leben. Das fruchtbarste Gebiet Schwedens ist das südwestliche Flach-
land. Auf 5300 qkm leben infolgedessen 530 000 •Menschen, so daß
die Dichte hier eine Größe von 102 erhält. Von ihnen leben nahezu
die Hälfte (49^/^) in 30 Städten. In seiner Gesamtheit besitzt Schonen
auf 9500 qkm 673 000 Einwohner, 72 auf i qkm, von denen 42^|'q in
Städteh leben. Rein landwirtschaftlichen Charakter tragen endlich die.
beiden letzten kulturgeographischen Landschaften, Öland und Gotland.
Auf 4500 qkm Fläche sitzen 83 500 Personen, 19 auf i qkm, und da-
von 13,5% in den Städten.
Asien.
** Reise an der Grenze von China und Tibet. .\uf wenig be-
gangenen, teilweise neuen Wegen hat Oliver Coales die östlichsten
Teile Tibets besucht i), die Grenzgebiete zur Provinz Sz-tchwan, also
die Gebiete des Landes Kham, das vom Jang-tsz-e, Mekong und Salveen
im parallelen Laufe durchflössen wird, bevor sie sich nach Osten und
Süden trennen. Der Bericht über die Reise ist nicht so sehr durch
die geographischen Schilderungen wichtig — beschränkt sich der Autor
doch leider auf ganz allgemeine Angaben, wie Stadtschilderungen, Paß-
höhen usw. — als dadurch, daß wir eine Geschichte der Landschaft in
den letzten Jahren erhalten, wo bei dem Krieg zwischen China und
Tibet, bei der erfolgreichen Eroberung durch ChaoErli-feng, endlich
nach seinem unnatürlichen Tode bei Ausbruch der chinesischen Revo-
lution 191 1 die Grenze bald am Jang-tsze, bald am Mekong verlief.
Auch noch während der Reise herrschte Kriegszustand zwischen den
Nachbarländern. Die Reise begann im Dezember 1916, führte also
gerade in den Wintermonaten Dezember und Januar über diese hoch-
gelegenen Partien, ohne daß durch Schnee oder Kälte die Expedition
sehr zu leiden gehabt hätte. Die Reise ging von Tachienlu aus und
folgte der nih'dlichen Karawanenstraße, die China mit Tibet und Lhasa
^) Geogr. Journal -19 19 S. 228.
!<)() Kleine Mitteilungen.
verbindet, die zwar einen Umweg macht, dafür aber bequemere Pässe
zur \'erfügunf( hat. Die Bergketten steigen bis 5400 6iOO m empor
und werden in Pässen v'on 3900 — 4800 m überstiegen. Trotzdem ist
das Land, das zwischen den Bergketten liegt, östlich des Jang-tsze,
gut bewohnt. Besonders die Horpa-Staaten um den Hauptort Kandze
am Jalung sind volksreich, die Bewohner, gemischt aus Tibetanern und
Chinesen, haben durch Handel und den Karawanenbetrieb zwischen
China und Lhasa Wohlstand erworben, der sich besonders in den
reichen Lamaklöstern offenbart. Auf Berieselungsfeldern gedeiht Mais
hier noch in 3000 m Höhe. Auch die Dege-Staaten, die mächtigsten
von Kham zwischen Jalung und Jang-tsze, sind noch volkreich. Hier
hört der Granit auf, Sandsteine setzen ein, die Flüsse schneiden sich
in tiefen, schwer passierbaren Canons ein. Über den 4500 m hohen
Le-La-Paß ging es steil hinunter zum Tal des oberen Jang-tsze. Jen-
seits dehnt sich eine.weite, offene Graslandschaft, von nomadisierenden
Tibetanern bewohnt. Die höchste hier verlaufende Bergkette erreicht
5960 m, bildet aber nicht die Wasserscheide zwischen Mekong und
Jang-tsze, sondern wird von den Nebenflüssen mehrfach durchbrochen.
Es wurde die Brückenstadt Chamdo am Mekong erreicht, wo der süd-
liche Karawanenweg sich mit dem nördlichen vereinigt. Nach einem
kurzen Vorstoß in der Richtung auf Lhasa wurde der Rückweg auf
teilweise neuen Wegen, zuerst fast dem Mekong folgend, dann östlich
über Batang und Litang nach Tachienlu angetreten. j;: Eehrniaim.
Afrika.
0 Eine geologische Forschungsreise in Deutsch-Ostafrika hat der
Leipziger Geologe Krcnkel kurz vor Ausbruch des Krieges im Früh-
jahr 19 14 angetreten. Ihr Zweck sollte es sein, das durch die reichen
Fundplätze einer vorwcltlichcn Faima berühmt gewordene Tcndciguru-
gcbicl und das weitere Hinterland von Lindi zu besuchen und von
da aus die noch kaum bekannten Landschaften zwischen der Lindi-
küstc und dem Nyassasee einerseits, der Zentralbahn und der Süd-
grenzc unserer Kolonie anderseits zu erforschen. Der Krieg hat
Krenkels Forschungen in ganz andere Bahnen gelenkt und leider von
diesen Plänen nichts zur Ausführung kommen lassen. Krenkel trat
zu Beginn des Feldzuges in die Schutztruppe ein und hat ihr bis 19 16
als Geologe große Dienste geleistet. Weite Teile der Kolonie wurden
auf schnellen Zügen durchforscht und daneben wertvolle geologische,
zoologische und anthropologische Sammlungen angelegt. 1916 geriet
CT alsdann schwerkrank in die Hände der Belgier, die ihm alle schrift-
lichen wissenschaftlichen Aufzeichnungen und Tagebücher, die aus-
gedehnten Routenaufnahmen abnahmen und sie ihm auch später nicht
trotz aller Bemühungen zurückgaben, einen Forscher so also um die
Früchte mehrjähriger, angestrengter Tätigkeit brachten. Wie ein
kurzer, jetzt veröffentlichter Reisebericht lehrt, hat Krenkel auf seinen
l'lxpcditionen hauptsächlich die I^andschaftcn längs der Zentralbahn
durchzogen. Seine Ergebnisse bringen eine Bestätigung- und Ergän-
zung von denen Tornaus, Obsts, O. E. Meyers, Stuhlmanns u. a. m..
um die wichtigsten Erforscher dieser Teile Deutsch - Ostafrikas zu
nennen.
Kleine Mitteilungen. imi
Die erste Tätigkeit entfaltete Krenkcl in Daressalam, wo er auf
den Wunsch des Gouverneurs die geologischen Sammlungen für das
landeskundliche Museum der Kolonie ordnete. Von Daressalam aus
wurden aber auch das Küstengebiet und die vorgelagerten Inseln
durchforscht, dessen junge Küstcnablagerungen, ertrunkene Täler
btrandterrassen und Uferformen noch so mancherlei Probleme bieten'
Mit der Zentralbahn erreichte Krenkel alsdann das Ulugurugebirge
einen machtigen, steil aus der Ebene ansteigenden Gebirgsklotz der
wie schon bekannt, aus gefalteten kristallinen Gesteinen aufgebaut wird
Gneisen, Glimmerschiefern, kristallinen Kalken, Hornblendegesteinen'
granatf uhrenden Gneisen und Schiefern, daneben Granit Besonders
eingehend schildert Krenkel die Landschaftsformen Ugogos das wäh-
rend des Krieges sich zur Überraschung aller als Korn- und Fleisch-
kammer der Kolonie bew^ährt hat. Wie Obst und O. E. Mever beschreibt
es Krenkel als ein wenig gegliedertes, doch keineswegs ebenes Plateau
das allerseits von höheren Landschaften umrahmt ward und in seiner
Mitte eine schon w^eitgehend zertalte Gebirgsanschwellung trägt das
Ugogo-Mittelgebirge. Wie Obst und O. E. Meyer hält auch Krenkel
Ugogo für ein schief gestelltes, innerlich wieder zerspaltenes Kessel-
bruchfeld dessen Bruchränder er in Übereinstimmung mit jenen ver-
folgt. Nur glaubt er gegenüber diesen beiden Forschern die Fort-
setzung des nördlichen Bruchrandes, der Ugogostufe Obsts, in der
Stufe von Mpapua zu sehen und sie sogar noch weiterhin in dem Tal-
rand des Kinjassungw^e- und Mukondokwaflusses, die die Berge von
Unguru und Usagara trennen, bis nahezu Kilossa verfolgen zu können
wo sie von dem Graben der Mkattasteppe begrenzt und abgeschnitten'
wird^ Von Interesse für die Lösung der viel umstrittenen Frage nach
der Entstehung der Steilränder Ugogos ist Krenkels Beobachtung von
jungtertiaren, vulkanischen Gesteinen, die in der Form von Gäno-en
und Decken an der Turubruchstufe dort emporgequollen sind wo "die
Zentralbahn den Steilrand emporklettert. Vulkanisches Gestein (Ba-
salt?) hatte auch schon O. E. Meyer an der Kilimatindestufe gesehen
Im übrigen ist Ugogo aus einem der ältesten Granite Deutsch-Ost-
a nkas, einem altpaläozoischen Granit aufgebaut, der in einer
Umhüllung von kristallinen Schiefern steckt, in der sich vielleicht
zwei verschieden alte Abteilungen werden unterscheiden lassen Sie
alle werden verhüllt von den jungen Deckschichten, die aus den Unter-
suchungen und Kontroversen Obsts und Tornaus bereits gut bekannt
geworden sind, und zu deren Charakterisierung Krenkel bisher nichts
Aeues hinzufugt. Von Ugogo aus durchzieht Krenkel die sich nördlich
und westlich anschließenden Landschaften, im wesentlichen Gebiete
die Obst schon eingehend beschrieben hat. Von Ugogo aus aber be-
sucht Krenkel auch Unjamwesi und die Ostufer des fanganjika
Lnjamwesi baut sich ebenfalls wie Ugogo aus dem Fundamental-
granit auf, dessen Verbreitungsgebiet durch flache Bodenwellen Insel-
berge, unentschiedene Entwässerung, zur Reiskultur benutzte sumpfige
Senken charakterisiert wird. Anzeichen deuten darauf hin daß der
^undamentalgranit nicht einem gewaltigen Aufquellen gränitischen
Magmas, sondern mehrmaligen Intrusionen seine Entstehung verdankt
^is zum Malagarassi dehnt sich das Granitgebiet. Westlich des Flusses
\<y2 ' Kleine Mitteilungen.
setzt die tlachgclagcrtc Tanganjika-Forniatioii ein, die von J'ornau be-
reits eingehend geschildert worden ist und nur am See stark gestört,
ja gefaltet ist. In ilirem \'erbreitungsgcbiet sind Tafelländer und
-berge die J<.egel. Die Oberfläche der .Sandsteine, die in der 'i'anganjika-
Fonnation überwiegen, ist löcherig zerfressen und von Strudellöchern
nicht selten durchsetzt, ein Zeichen dafür, daß früher auf dem Plateau
h'lüsse stömten, die heute ihren Lauf in die Tiefe der weit eingeschnit-
tenen Täler verlegt haben. Die starke Zerrüttung der Gesteine,
yuetsciiungcn, Verwerfungen, Faltungen, ja sogar Faltenüberschie-
bungen an den Steilrändern des Sees sprechen für die tektonische Ent-
stellung des Tanganjikagrabens. Im. Bereich der Tanganjika-Formation
gewinnen namentlich in Uha Diabase eine ausgedehnte Verbreitung.
Xördlicli und südlich der Tanganjika-Formation stellt sich wieder das
kristalline Grundgebirge ein; im Süden taucht es im Kungwestock auf,
im Norden bei Xjansa in Urundi. Erst ganz im Süden des Sees bei
Bismarckburg treten, wie bekannt, erst wieder Gesteine der Tangan-
jikaT^ormation auf. (Xat. \\'ochcnschr. 1919, S. 177.)
Polargebiete.
■■■"•' Der Südpolar-Kontinent Antarktis und seine Vereisung wird in
einer Schritt der Bayerischen Akademie der Wissenschaften i) von
E. V. Drygalski zusammenhängend behandelt. Er schätzt die Größe des
Kontinents auf 14 Mill. qkm. Die \'ereisung besteht aus drei Arten
von Eis, dem Inlandeis, dem Schelfeis und dem Treibeis, wie es dem
Lande, der Flachsee und der l'iefsee entspricht. P>steres ist ein durch
Spalten, Bänderungen, Moränen und viele Luftblasen ausgezeichnetes
Schneeis. Das Schelfeis ist zum großen Teile auch Schneeis, nur
zum kleineren Meereis, während beim Treibeis das Verhältnis umgekehrt
ist. .VUe Hochflächen und Randzonen des Inlandeises gehören zum
Nährgebiet der Gletscher, die Schneegrenze liegt im Meeresniveau.
Die Niederschläge sind stärker als der Gletscherschwund durch Ablation,
Schmelzung und X'erdunstung, wodurch die Gletscher wachsen, wenn
auch die Bewegung nur gering ist. Von vielen Zentren aus geht die
Bewegung vor sich, wo eben der Schnee sich häuft, ein einheitliches
Zentrum für die ganze Eismasse gibt es nicht. Es gewähren die gla-
zialen Erscheinungen das Bild einer Eiszeit, die im Rückgang begriffen
ist. Eine Folge des Rückganges sind die Schelfcismassen, die Relikte
einer größeren Vereisung sind. Die diluviale Eiszeit hat in der Ant-
arktis kein wesentlich anderes -Vussehen gehabt als das heutige Inlandeis.
Die Gletscher lassen sich ganz allgemein einteilen in: l. Eisbildungen
mit aufgel(")stcm Nähr- und aufgelöstem Abflußgebiet, A. Heims alpiner
Typus, Firnmulden und Gletscherzungen; 2. Eisbildungen mit gemein-
samem Nähr- und aufgelöstem Abflußgebiet, A. Heims norwegischer
Typus, Hochlandeis und Gletscherzungen; 3. Eisbildungen mit aufgelöstem
Nähr- und gemeinsamem Abflußgebiet, Firnmulde und \'orlandeis:
4. Eisbildungen mit 'gemeinsamem Nähr- und Abflußgebiet, A. Heims
grönländischer Typus, Inlandeis. Der vierte Typus beherrscht die
Antarktis. IC Hehr ma im.
^) Sitzungsberichte Math.-physik. Klasse 1919.
Kleine Mitteilungen.
Allgemeines.
der nie'dfrländi^h^G ;gn^;,/?\i', il't^f äufV''''H'- ^^T/. vermag
711 o-phpn q; .• 1 s''4^ii ^viutengraatt auf urund von ßohninp-pn
auf den Boden e Sar v,^, cheT s" 7"'™', ^I«'™?^--'^"*' ^"^»t sich
Inseln können J^z ""^d •: e , 'x: u™'" r":' Sch^'T^™ .™"
kungen, in Wirklichkeit aber ein A„sch.«lle , do. Vi ' " , ^'""
Aquatorgürtel als Folo-eerscheinunp^ ri.rpTi / ■ """P''^'^'* ""
n-ische Forscher Daiv nnnin,m ^ t , 1"' "'"= '"= '^" ^merika-
50 bis 6o m Höhe n,e be so Jr.ZT ''°'a''"" ""'" «""? ™"
inseln nachweisbar s"nd / WifkHch. 4'"^''"^'' '''\''' '" Korallen-
mal Inseln die noch d.lr.h'^ t- Senkungen aber betreffen ein-
verbunden sind und b,hen*H''"? Kontmentalschelf mit dem Fes.lande
Solcher ."rrlrt^ifs^tisf :L"4^e'™w!,;"/^".^'"'?'=*-'^""^»-
Inseln begleiten und auch A ^n. 7^^ I VVallnffe, die festländische
Diese Senkungen neraen ..V' , t ''."'" F«t'='"dssockel aufsitzen.
Teilen des KontTnenta sehelfesk. * "^"""^ Hebungen an anderen
■ mit den ozean sehen InscIt^H-^P'"''";'- r.'^""^"^ ^'«=^1 es dagegen
sind, wie zahl" e Ins" ',''>■ °m"^ ''"p ^.f"=^""S -"n, FestlaSde
disehen oder die Bermuda nsch,'?,^''"^f'""- ™ ''«'"''='''=" I""
^^tTt iÄ?^-;?^^- ^' die ^^. -
^rÄsi?SS^r=l^-^^^^
^:^^Jt^£7£^iF?^p ."-" -""alt:-
Es hat demnach eine Senkung! .Meeresoberfläche aufgeragt hat.
eine Senkung die Dah der V^t "'"^'=^'™.^ 75 m stattgehabt, also
durch ein pldstozänes Ansehen h"" 1? E'^eittheorie, nicht mehr
Dazu vvurd^=raber nun „och ta" o" m'Vi f'^T'T'^ \^^'"™ ''^""■
vulkanische Gerolle mit SnnrJ^ f^K , ^^, """''■ <''^''' -Meeresspiegel
eine Gerölllage ""rantnsetzn sTe^''^'-^'^'^™"^ ^'='""<»™' d-
Senkung hin? die n'indestens hn OhI "'""" j'"^''"' ""^"^ ^^'^"^
viel früher eingesetzt hntte H ?.''S°^«". wahrschemlich aber schon
bereits jungeTzfnes AUer Lh *<L""';~"'"" '^='»™ ''«^^ Riffkalkes
hören zu dem schwe cn sT,^ "' F Grundgesteine der Insel ge-
vulkanischer Maen findet a"er in d"eVE:dl""?"1^-^° gewaltiger
s.ch stets d,e \ erbmdung von vulkanischen ozeanischen Inseln und
Ze.lschr. a. Geselkcb. f. Erdkunde zu Berlin. ,,,,. Sr. 3',.
I tj^ Kleine Mitteilungen.
Koralleninseln nachweisen läßt. Nicht zu erklären sind dadurch ge-
hobene Koralleninseln, die allerdings in der Zahl weit hinter den sich
senkenden zurückstehen. Bei jenen mag", wie das auch schon Darwin
riusspricht, Diastrophisnius die Ursache des Aufsteigens gewesen sein.
( W-rslag vom de gew. \'ergaderingen d. Kgl. Akad. van Wetenschapcn.
Amsterdam, 1916, S. 215.J
Die Ausmessung der Loxodrome. Herr T h o r a d c setzt in dieser
Zeitschrift -^919, S. 87, ein strenges X'erfahren zum Ausmessen von
Loxodromen auseinander, das sich durch große Einfachheit auszeichnet."
Aus diesem strengen Verfahren leitet man leicht das Xäherungsverfahren
mit Hilfe der Mittelbreite ab, das in. den Lehrbüchern der Nautik und
Kartographie gelehrt wird. Das strenge Verfahren scheint im vorigen
Jahrhundert zuerst von R ü m k e r , Handbuch der Schiffahrtskunde 1844,
dann von Grunert, Loxodromische Trigonometrie 1849, und später
von N. i f e r / , Lehrbuch der Landkartenprojektionen 1885, behandelt
zu sein. Den Autoren, die sich mit der Frage beschäftigt haben, wie
M e r k a t o r zu seinem berühmten Kartenentwurf gekommen ist, scheint
das einfache strenge Meßverfahren entgangen zu sein, denn sie haben
ihm künstliche Verfahren zugedacht, die er h()chstwahrscheinlich nicht
angewandt hat und auch wohl nicht anzuwenden fähig war. Das Rätsel
findet seine einfachste Lösung, wenn nachgewiesen werden kann, daß
Merkator das strenge Meßverfahren für'Loxodromen gekannt hat.
M e r k a t o r hat die Winkeltreue des Kartenentwurfs gekannt, denn
er hat den Entwurt unmittelbar auf dem Gesetz der Winkcltreue auf-
gebaut. Alle Loxodromen schneiden sich in der Karte unter den
gleichen Winkeln, wie die Urbilder auf der Kugel, das ist der Grund-
gedanke des Entwurfs. Schneiden sich aber alle Loxodromen der
Karte unter den Kugelwinkeln, so müssen sich folgerichtig auch alle
anderen Km'ven unter den Kugelwinkeln schneiden, denn jede Kurve
kann aus unendhch vielen Loxodromen entstanden gedacht werden.
Zu dieser Überlegung ist die Kenntnis höherer ^lathematik nicht er-
forderlich. Aus der Winkeltreue folgt dann leicht die Ähnlichkeit der
Bilder der imendlich kleinen Teile, welche Eigenschaft von M e r k a t o r
gefunden ist.
Zum .Ausmessen von Kurven auf der Kugel benutzte man Winkel-
haken. Maß nun M e r k a t o r die Loxodrome AZ (Fig. S. Sj) auf
der Kugel in Einheiten eines Großkreises aus, so fand er beim Über-
tragen in die Karte, daß sie gleich A'Z war. Ebenso fand er, daß ZC
den Breitenunterschied von Z und A in P^inheiten des Großkreises dar-
stellte. Daraus folgt unmittelbar das Gesetz der Karte:
Vergrößerter l^reitenunterschied Vergrößerte Strecke
Wahrer Brcitemmtcrschicil Wahre Strecke
Auf Grund dieses Gesetzes, das ohne Kenntnis höherer Mathematik
erlangt ist, hat Merkator das strenge Meßverfahren für Loxodromen
in der Legende zu seiner Weltkarte beschrieben. Damit ist bewiesen,
wie B reu sing in seinem Vortrag zu Puisburg 1869 sagte, daß Mer-
kator eine vollkommen klare Einsicht in die Theorie und den Gebrauch
der nach ihm benannten Seckartenprojek-tion gehabt hat. Klar ist auch.
Literarische Besprechungen. ' -.q-
daß Merkator keine Tabelle der „vergrößerten Breiten" (Meridionalteile)
zu berechnen brauchte, da er alle Maße unmittelbar der Kuc^el entnahm
Diese rabelle aulzustellen, blieb W r i .<,. h t vorbehalten W r i r, h ^
hat mit d.eser Tabelle die erste looarithmisch-tri5.onometrische Tabelle
Kcschatfen, bevor die Logarithmen bekannt waren. Er hat sie auf die
denkbar einlachste und sicherste Weise berechnet. Sein Verfahren ist
heute unter dem Namen „mechanische Quadratur" bekannt und wird
Wr. ' "T""^""f """^ Anwendung durch G a u ß in der rechnenden
Astronomie häufig benutzt. , r,- ^
-i. il^acii/eyrr.
Die Zonenzeit auf See. In Heft 1/2 dieser Zeitschrift (S. 88/80)
^^urde m dem Artikel über die Zonenzeit auf See gesagt, daß dieselbe
bei der deutschen Marine noch nicht benutzt würde, wfe aus den
Annalen der Hydrographie 1918, S. 201, hervorgeht und von maß
gebender stelle mitgeteilt wurde, ist die Zonenzelt auf See seit dem
Jahre 1918 auch bei der deutschen Marine eingeführt • VTLi
LITERARISCHE BESPRECHUNGEN.
Andersson Gunnar: Australien Natur och Kultur-
S tudier och Minnen, btockholm. Gebers o. J. (1915--) 8=^ ^60 S
Mit 50 Tai. und 30 Textbildern. J \ J :>■) ^ ■ -O9 b.
<^urrh% ^"'r''-? Vereinigung zur Förderung der Wissenschaften hat
durclT_ Ihre 84. Tagung in Australien i. J. 1914 die \-eranlassunc. zur
\ erotfentlichung einer Reihe von Werken über den Erdteil und%e ne
^XaTnandboH f ^^^^^"x, ^/^ Commonwealth gab ein stattliches
i-cderal Handbook heraus (Merbourne 1914, 598 S. 8°), das, von ver-
schiedenen \ ertassern bearbeitet, auch der plwsischen Geogr^pl^^ eine
eingehende, im modei'nen Sinne gehaltene Darstellung von^Gr HTth
Taylor widmet. Dazu gesellt sich ein Kapitel übSr das Klima von
Ausrahen des bewährten Meteorologen Hunt, ein solche über die
Xeget^ition des Regierimg.sbotanikers Maiden, über das Tier' eben
on Haswell und eine eingehende Geologie von Edgewort
1 av.d mit einem ganzen Stamm von Mifarbeitern. Das Kapi e
über AstronouTie und Geodäsie von 13 a r a c c h 1 bietet Material üb^
die Gienzmeridiane in Australien. Voran gehen Kapitel über dl^
Geschichte von Australien von Ernest Scott und über die Ein^
geborenen vom bekannten Ethnologen B a 1 d w i n S p e n c e r Zum
Schlüsse kom.nen mehr wirtschaftliche Kapitel über Viehzucht und
Ackerbau von Sinclair, über Bergbau von Pitt man und Gibb
Maitland, über Handel und Gewerbe von Light food, über
Erziehungswesen von Fr an eis Anderson, übe? die poli ischeö
bysteme in Australien von H a r r i s o n M o o r e. Den Schhiß bil e
^ermlschte statistische Mitteilungen des verdienten Statistikers de
Con.monwealth G. H. K n 1 b b s. Das Federal Handbook entsprich
l;5-
290 Literarische Besprechungen.
genau seinem Titel: es ist ein gedies^encs Handbucli über einen großen
politischen Raum, welches die einzehien darin auftretenden P^rscheinungen
systematisch behandelt.
Ahnliche Werke gaben die einzelnen australischen Staaten heraus.
Am meisten schließt sich das Handbuch von Neu-Sud-Wales dem Typus
des Federal Handbuches an. Es ist ein streng wissenschafthchesWerk.
Sein Kapitel über die Geographie von Neu-Süd-Wales des Regierungs-
statistikers T r i V e 1 1 wird durch ein eingehendes von S u s s m i I c h
und Andrews bearbeitetes chorologisch gegliedertes Kapitel über
physische Geographie und dieses durch eine tektonische Geologie des
ausgezeichneten Gejologen Edgeworth David ergänzt, der ein
geologisches Cbersichtskärtchen beilegt. Weitere Kapitel behandeln
Zoologie und Botanik, die P2ingeborenen, das Observatorium. Diesen
Kapiteln naturgeschichtlichen Inhalts stehen i 5 Kapitel volkswirtschaft-
licher Art voran.
Das von A. AI. L a u g h t o n und S. T. H a 1 1 herausgegebene
Handbuch von Viktoria ist im wesentlichen volkswirtschaftlichen Inhalts.
Dem ^Abschnitt über Bergwesen des Regierungsgeologen H e r m a n
ist ein geologisches Kapitel eingefügt mit einer kleinen geologischen
Übersichtskarte und einer Höhenschichtenkarte des Staates. Auch das
Handbuch von Süd-Australien rückt Wirtschaftliches stark in den
\'ordergi'und, enthält aber auch ein gutes Kapitel über Geologie und
Physiographie von H o w c h i n. Beigefügt ist eine geologische Karte
und eine meteorologisch -hydrographische, sowie eine Eisenbahnkarte.
Seine reiche Illustrierung gewährt ihm etwas von dem Aussehen der
zahlreichen Reklameschriften, welche die australischen Kolonien heraus-
geben, um zur Einwanderung anzulocken. Dieser Charakter kommt
im Handbuch von West-Australien voll zur Geltung, das durch seinen
l)rächtigen Bildschmuck gute Vorstellungen vom Lande vermittelt.
Eine im Text gedruckte geologische Karte ist recht dürftig, eine oro-
graphische fehlt, wie in den meisten anderen Handbüchern. Dagegen
ist das kleine Handbuch von Tasmanien mehr wissenschaftlich gehalten.
Ks wird von einer Geographie alten Stiles eingeleitet, behandelt ein-
gehend Flora und Fauna, Geologie und iMngeborene (von Fritz
N ö 1 1 i n g); ein Abschnitt über Meteorologie fehlt. Nützlich sind die
beigegebcnen Stadt- und Hafenpläne von Hobart.
Groß ist die von den Handbüchern gebotene Menge länderkund-
lichen Materials, aber in allen tritt der chorologische Gesichtspunkt
meist gänzlich hinter dem systematischen zurück, und keines liefert eine
geographische Beschreibung von ganz Australien oder einzelnen seiner
Teile. Eine solche findet in ihnen lediglich Bausteine. Bei dem stark
ökonomischen Sinne, der das gesamte Leben in Australien beherrscht,
geht die Erforschung der Landesnatur mehr systematisch in bestimmten
Linien als chorologisch auf die Gesamterfassung der Natur einzelner
Räume. So stark die Pflege von Naturwissenschaften und Volkswirtschaft
im Lande ist, so viel bleibt noch für die Geographie zu tun.
Sollten die Handbücher den von fern hergekommenen Teilnehmer
der Tagung der britischen Assoziation über Australien unterrichten, so
ist das angezeigte Werk von Gunnar Andersson das Ergebnis
der Eindrücke, den ein aufmerksamer und gut unterrichteter Besucher
Literarische Besprechungen.
Moghchkeiten, selbst zu sehen und viefzu Xcü Vuch l n dT" ''""-"
'".6 1 1".: strith^d"^'"^"'^ .von Aus;X;;' E^ Veh.:,rde,:
der neueren und Tltpr^n y^;*- ^- i . ^ , ivapitei über Groldbergbau
Städte besprochen 3che I;'"^^^^^"^^^" ^^^^den behandelt, die GroJJ-
Zun. Schhi;°:-d.n;t de ">ffaT^e':^ Bevölkerung bergen,
und den sozialen Fr.rL "^'^^[ ^'" Kapitel der australischen Politik
gee.^,et, dr iäweiischen Lestl.re": if'"'' °^n^'^"''"» "^^"^'^
gezeichnetes Bild von Australien zu "ebe" Sefne h'™''!," ^"'
geze,ch„ete Illustrierung verdient besonrere^Her^Xb™'?' ""' '"'^-
aus-
gebracht hat Verschiedene ^pU ^^^'f'^'^ ""^ dem Sinai zusanmien-
medaner noch immer Zn?^ ^'^^^v ^"' ^^" ^"^ Nichtmoham-
heiligen Städten A TJ na u d Inf t" ^""^''^^^^^'-^ ^^-^^-ns, den
Der beeleitende Tpv ,= ' '^fT'^" '^^ türkischen Freunden.
.. Oktober ,9,6 Leipz o""'ot|,f l^ T '' '"''°^'' '»'^ "'-^ ™'"
n: 17 . ^, ^^ip^ig- Uuelle es: Alever. 1017 «0 6-7 ^
gende? Fcme^volr":, 'IT I" •'^" ^^'^^---enschaL; nnt' abe-r4l,i.
ne Non lag zu Tag in Erscheinung treten, machen es für
\(j}^ Eingänj,'e für die Bibliothek und Anzeigen,
den mit natiirwisscnscliat'tlichcm Unterricht betrauten Lehrer zur Pflicht,
mit seiner W'issenscliaft in dauernder Fühlung zu bleiben." ,,Über die
erforderlichen Kenntnisse hinaus gehören ohne Zweifel zu einem guten
naturwissenschaftlichen Unterricht auch besondere unterrichtstechnische
I'ähigkeiten." So schreibt Geheimrat Norrenberg im ersten Teil des
]5crichts über die Tätigkeit der Hauptstelle für den naturwissenschaft-
lichen Unterricht in den ersten zwei Jahren ihres Bestehens. Aus
wissenschal'tlichen wie unterrichtsmetiiodischen ]3edürfnissen heraus
entstanden vor rund 2j Jahren Veranstaltungen, die zu dauernden, vom
Staat gef(')rderten Einrichtungen der Uehrerfortbildung heranwuchsen,
bis eine geschlossene behördliche Ordnung mitten im Krieg daraus
wurde. Sie weist über die iMalSnahmen der Lehrerfortbildung hinaus
der Mauptstelle als Aufgaben zu erstens die Prüfung naturwissenschaft-
licher Lehrmittel, dann Erteilung von Auskunft und Rat bei Neu-
anschaffungen von Lehrmittelsammlungen, schließlich Anlage von
Normalvcrzeichnissen. Von der Fürsorge für das höhere Schulwesen
ist eine lü'weiterung auch auf Mittel- und Volksschulen eingetreten.
Der Geograph ersieht aus der Berichterstattung des Leiters der Haupt-
stelle, Prof. H. Hahn, daß auch der Erdkunde eine Pflegstätte unter den
Naturwissenschaften eingeräumt ist. In den beiden Berichtsjahren
wurden zusammen neun Reihen von Vorfesungen, Übungen, Ausflügen
für akademisch und seminarisch vorgebildete Lehrer und Lehrerinnen
der Erdkunde und ein' allgemein zugänglicher Einzelvortrag gehalten.
EINGÄNGE FÜR DIE BIBLIOTHEK UND ANZEIGEN.
•f Besprechung in Aussicht g e n o m m e n.
Bücher und S o n d e r a b z ü g e :
Europa.
Aus den Archiven des belgischen Kolonialministeriums. Berlin 19x6. 9S .S. 11 Tt'.;
I. Folge, 1918. 80 S. 2 Tf. S'. (Frhr. v. Danckelman).
Dreyer, Joh.: Die Moore Kurlands. (Veröfftl. d. Geogr. Inst, der Albertus- Univers.
Königsberg). Hamburg 191 9. 6, 261 S. i Krt. 8^. (L. Fricderichsen & Co.) v
Emin, Achmed: Die Türkei. ( Pertlies" Kleine \'ölker- und Länderkunde. 5. Bd.»
Gotha 1918. Vill. 95 S. I Tf. 8°. 1 F. A. Perthes.) j
Gehrig, Hans u. Heinr. Waentig: Belgiens Volkswirtschaft. Leipzig 1918. 33S S.
1 Tf. 8°. (B. G. Teubner.) r
Geiser, Wilhelm: Die Islandfischerei und ihre wirtschaftsgeographische Bedeutung.
(Inaugural-Dissertation.i Berlin 191 8. 71 S. 8^. (\'erf. 1
Eingehende Behandlung der F/srherei der einzelnen Fiseharlen. die lei
Island gefangen werden. Der . Inteil der enropäischen Staaten wird durch zahl-
reiche Tabellen und Diagramme veranschaulicht. Eine Kartenskizze stellt die
Haupll'anggebiele der Fischarien und Wale dar. . 11.
Grisebach, H.: Das polnische Bauernhaus. (VerötTentl. d. Landeskundl. Kommission.
Warschau.) Berli^n 1917. 106 S. 18 Tf. 8 . (Landesk. Kommission.) f
Eingänge für die Bibliothek und Anzeigen. ] 99
Häberle,* Daniel: Die Höhlen der Kheinpfalz. (Beitr. z. Landesk. d. Rlicinpfalz. i
Kaiserslautern 19 18. 54 S. S-"*. (Verf.)
° Nach einem kurzen einleUendeii allgemeiiien i berblick über Höhlen, zcelc/ten
Begriff Verf., sehr xceil fassend, auch auf Nischen, Pilz felsen usw. ausdehnen xcill,
schildert der Verf. die Höhlen der Rheinpfalz in ihrer mannigfachen Form. Er
unterscheidet ihrer Entstehung nach ursprüngliche Höhlen — sie fehlen in der
Kheinpfalz — . später gebildete natürliche Höhlen, die jedoch auch, zcic es der
geologische Bali der PJalz nicht anders erwarten lafst, keinen gröfseren Umfang
haben, und künstliche Höhlen. Zahlreiche Abbildungen und Skizzen unterstützen
in anschajilicher Weise das geschriebene Wort.
Heim, A.: Monographie der Churfirsten-Mattstock-Gruppe. Text. 4. Teil. Tektonik
und Oberflächengestaltung. (Beitr. z. Geol. Karte d. Schweiz, X. F. XX. Lfg. 1
Bern 1917. IV, 85, XI S. 8 Tf. 4-. (A. Francke.i v
Kiesel, K.: Petershüttly, Ein Friedensziel in den Vogescn. Berlin 1918. W\\, 216 S.
IG Tt. 8^. (D. Reimer. I
Krebs, Xorbert: Das österreichisch-italienische Grenzgebiet. (Die Kriegsschauplätze.
6. H.) Leipzig 1918. V, 46 S. 8°. (B. G. Teubner.i
° Die Schrift ist im Juli ipij unter dem Eindruck des \ 'erraies unseres
einstigen Bundesgenossen entstanden, kann aber heute noch, da der politische
Kampf um Südtirol verstärkt einsetzt, gröfstes Interesse beanspruchen. \'erf..
dem das Gebiet durch eigene Anschauung vertraut ist, gibt mit gezvohnter Meister-
schaft eine knappe anschauliche Schilderung dieses eigenartigen Kriegsschau-
platzes, seiner Xatur tind seiner militärischen Bedeutung. Die italienischen
Ansprüche auf Südtirol entbehren, zvie Verf. überzeugend dartut, infolge der
nationalen und historischen Entzf ick hing dieses Grenzgebietes der rechtlichen
Grundlage, und auch der \'erlauf der Staatsgrenze in Südtirol zeigt, dafs Tirol
eher noch hinter seinen natürlichen geographischen Grenzen zurückgeblieben ist.
Krebs, Norbert: Belgrad. (S.-A.: Österr. Monatsschr. f. d. Orient. 1917.) 15 S. 8°. (Verf.)
° Umfafst das 1. Kapitel der „Beiträge zur Geographie Serbiens" die später
in den Abhandlungen der Geographischen Gesellschaft in Wien erscheinen sollen.
Lauterborn, Robert: Die geographische und biologische Gliederung des Rhein-
stroms. Heidelberg. 8^. 3 Teile. I. Teil: 1916. 61 S. II. Teil: 1917. 70 S.
lil. Teil: 1918. 87 S. (Verf.) f
Luther, A.: Rußland. II. Geschichte. Staat. Kultur. (Aus Xatur u. Geisteswelt. 563.1
Leipzig 1918. 134 S. 8^. (B. G. Teubner.)
° Rufsland gehört zvohl zu den Ländern Europas, das dem zeeiteren Kreise
der Gebildeten ziemlich unbekannt ist. Zu den zahlreichen zeährend des Krieges
erschienenen gemeinverständlichen Darstellungen, die diese Lücke auszufüllen
suchen, gehört auch L. Werk, das einen zveiieren Leserkreis rasch und leicht
über die russischen ]'erhältnisse orientieren und ihm auf diese Weise zu einem
Verständnis der heuligen Zustände verhelfen ze/ll. Geschildert ist das alte
Rul'sland bis zur Revolution, die, da der Flufs der Ereignisse eine absehliefsende
Darstellung verbietet, kaum berührt z^Hrd. Eine geographische, landeskundliche
Darstellung ist es aber nicht.
Mayrhofer, Johannes: Spanien. Freiburg i. Br. 1918. XII, 256 S. i Tf. S .
(Herdersche Verlagshandlung.) f
Moscheies, J.: Die Postglazialzeit in Skandinavien. (S.-.\.: Zeitschr. f. Gletscher-
kunde. 1 Leipzig 1918. 34 S. 8°. (^Verf.j
Verf. kommt zu dem Ergebnis, dafs die von I^enck und Brückner fest-
gesetzte Chronologie der Postglazialzeit für das' Gebiet der skandinavischen
2Q0 Eingänge für die Bibliothek und Anzeigen.
VereiS7iug Geltung haben dürfte. Er siüizt setjie Ansicht auf die posfflasialen
Ablagerungen Skandinaz<iens, auf Grund derer er drei posliilasiale Stadien,
swei Tnterstadiahiiten und ein postglaaiales Kliniaoptiniuni nachweist. w.
Praesent, Hans: Aus der Geschichte der Kartographie Kongreß -Polens. (S. A.:
Kartogr. Zeitschrift.) Wien 1918. 6 S. 4°. (Landeskdl. Kommiss. Warschau.)
** Ein kurser Überblick über Polens Kartographie von 1 sjo bis 181 j mit
besonderer Berücksichtigung der Zeit um die IVende des 18. Jahrhunderts.
Quaas, A.: Das Rurtal. Ein Beitrag zur Geomorphologie der Xordeifel. Bonn 1917.
119 S. 4 Tf. 8-. (Verf.)
° Verf. unternimmt es, auf Grund eitigehender Beobachtuugeii und petro-
graj>hischer Untersuchungen für das Rurtal elf verschiedene Terrassensysteinc
aufzustellen, von denen die vier 7intersten den vier ntederrhei7iischen Diluvial-
terrassen, die vier nächst höheren dem Pliozän ztnd die drei höchsten dem
Miozän (?) zugeschrieben werden. Fossilfunde fehlen. Das Studium der
Terrassenschotter gcxvährt eisten interessanten Einblick in die Geschichte der
Rur, die nicht immer dem heutigen Talzug gefolgt und ihre Quellen und ihren
Lauf häufig verätidert haben dürfte.
Schaefer, Dietrich: Kurland und das Baltikum in Weltgeschichte und Weltwirtschaft.
(Dtsche. Weltwirtschftl. Ges.) Berlin 1918. 30 S. 8^. (Carl Heymann.)
Sonntag, P.: Neue geologische Bilder und Skizzen aus Westpreußen. (S.-A.: Naturf
Gesellsch.) Danzig 1918. 22 S. 8°. (Verf.)
° Eine Sammlung von vier kurzen Aufsätzen: Der Verla 21 f der Endmoränen
im kassubischen Hochland, — der Ursprung des Schwarzwasser-Sanders, —
über einige neue Oser in Westpreufsen 7tnd die Porta Cassubica, — Tief bohr /177g
Saspe (Rangierbah7thof).
Spies, Georg. Die rumänische Petroleumindustrie und ihre Bedeutung in der Welt-
wirtschaft. Bukarest 191 7. 64 S. 8°.
^ Zivei \'orträge nicht rein geographischer Nat7ir i77Sofer7/ als sie a7ich a/tf
/7aiionalöko77on7ische Frage7t wie 07ganisatio7t, Ko77ti77gentieru77gsgesetze uszk:
<i//gehe77. Der erste vo7i beide7i beschäftigt sich /nit Ru/i7ä77ien 7i7ir soiceit. als
dieses La7id ei/z Glied in der Reihe der Weliprod7ize77ten für Petroleun/ ist.
die i7i da/ikenswerter Weise S7isan77nengestellt 7ind je in ihrer Hede7it7i77g ge-
ivüi'dißt werdezt. Der zweite Vortrag beha7tdelt gesondert Rumänie 77 als Produzent
tind prüft die Absatzwege, die für den Uatzdel i7i Frage kon77nen, zzan/entlich
de7i Donaztzveg. Beide Vorträge si/zd a7is der Erke7Z77t/zis herazis entsta77den.
dafs das Petrole7i7i7 für das Wirtschaftslebeiz eines Staates beso77ders in/ Kriege
V071 vitaler Bedeutung ist. Die daran gek/züpftczz handelspolifischen Foi'der/ingen
sind dzirch den ylzzsga/zg des Krieges überholt.
Staub, R. : Über Faciesverteilung und Orogenese in den südöstlichen Schweizeralpen.
(Beitr. z. Geol. Karte d. Schweiz, N. F. XLVI. Lfg. III. Abt.) Bern 1917.
VIII, 33 S. 2 Tab. 4 Tf. 40. (A. Francke.)
Sterzel, I. T.: Die organischen Reste des Kulms und Rotliegenden der Gegend von
Chemnitz, Leipzig 1918. VI, iii .S. 15 Tf. 8°. (B. G. Tcubner.)
Thoroddsen: Ferdabök. Skvrlur um Rannsöknir a Islandi 1882 bis 1S98. Kaup-
mannahöfn 1913 bis 1915. 4 Bde. 8°. (Verf.)
Thoroddsen: Lipsing Islands. Kaupmannahöfn 1907 bis 1911. 2 Bde. 8"^. (\'erf.) f
Vogel, W.: Deutschlands bundesstaatliche Neugestaltung. Berlin 1919. 16 S. i Krt.
8°. (Verf.)
■ * Ei77 Vorschlag der Azifteilztzzg Dezitschlaz/ds in 14 B/i/zdesstaatetz mit
Karte, nämlich PreufsezZi Schlesien, Brandenbztzg. Niedersachsen, Thüringen.
Eingänge für die Bibliothek und Anzeigen. . 201
überwachsen, Westfalen, Rheinland, Pfaiz-Ucsscn, Sclnuahen, Elsafs-Loihringen,
Franken, Hayeru, Osterreich.
Wunderlich, E., I. Kölzer, E. Pax sen., F. Pax jun., W. Praesent: Die Grenzen
Kongreß -Polens. (Beitr. z. Poln. Landeskunde.) Wien 191 9. 48 S. 8^.
(Landeskdl. Kommiss.)
** A^ach den verschiedenen (lesichtspnntden des Morphologen, Kliniatologen,
Botaniker, Zoologen nnd Aulhropogeographen zverden die Grensen Kongrej's-
Polens untersucht mit dem Resultat, da/s das Land wohl eine Provinz mit
besonderen Zügen darstellt, aber eine scharfe nati'irliche Umgrenzung dem Über-
gangsgebiet mangelt.
V. Zahn, G.: Die Moräne im Schneetiegel im Thüringerwald. (Beitr. z. Landeskunde
von Thüringen.) Jena 1919. 32 S. 8°. (Verf.)
"* Eine genaue Untersuchung der „Moräne", die als Ablagerung aines Berg-
schlipfes gedeutet zvird, wodurch der Thüringer Wald a7is der Reihe der ver-
gletschert gewesenen Gebirge ausscheidet. Die Schneegrenze zcird etzua c^oo m
hoch gewesen sein. Die Schrift eröffnet eine nette Reihe von \"eröffentlichungeii,
die als „Beiträge zur Landeskunde Thüringens" in zzcangloser Folge erscheinen
zverden.
Zimmermann, L E.: Die Eigenarten und geologischen Aufnahmeschvvierigkeiten des
Bober-Katzbach-Gebirges. (S.-A. : Jahrb. d. Kgl. Preuß. Geolog. Landesanstalt. 1
Berlin 1917. 29 S. 8°. (Verf.) f
Die Südgrenze der deutschen Steiermark. (Denkschrift des akademischen Senats der
Universität Graz.) Graz 1919. 58 S. i Tf. i Krt. 8°. (Universität Graz. 1
** Auf Grund tiefgehender geographischer, politischer und zvirtschaft liehe r
Erzvägungen wird die Forderung aufgestellt, dafs Deutschösterreich unbedingt
Anspruch hat auf: 1. das Drantal oberhalb der Südgrenze der Marburger
Sprachijtsel, 2. das Pettauer Feld mit seiner Umrahmting, j. den Westeingang
zu dem natürlichen Korridor südlich des Bachern und 4. den Weitensteiner
Zug. Eine gute Sprachenkarte 1:200000 von R. z'. Pfaundler gibt der Schrift
eine Bedeutung über den Augenblick hinatis.
Asien.
Erkes, Eduard: China. (Perthes Kl. Völker- u. Länderkunde.) Gotha 1919. 3, 16S S.
I Krt. 8°. (Perthes A.-G.) r
Hedin, Sven: Southern Tibet. Discoveries in former times compared with my own
researches in 1906 bis 1908. Vol. \, XXXII, 293 S. 53. Tf. 4°; Vol. II, 330 S.
24 Tf. 4°; Vol. III, 369 S. 31 Tf. 4°; Vol. V. 220 S. II Tf. 40; Atlas
(Panoramas) 105 Tf., fol. ; Maps 15 BI., fol. Stockholm 1917. (Verf.) v
Maaß, Alfred: Quer durch Sumatra. 2. Aufl. Berlin 1917. X\TII. 177 S. 2 Tf.
8°. iB. Behri. r
Alte Denkmäler aus Syrien, Palästina und Westarabien. \'eröfi'entlicht auf Befehl
von Ahmed Djemal Pascha. Georg Reimer, Berlin 191S. 100 Tafeln mit
beschreibendem Text. 4°. (Direktor Wiegand.) t
Afrika.
Adolf Friedrich, Herzog zu Mecklenburg: Wissenschaftliche Ergebnisse der Deutschen
Zentral-Afrika-Expedition 1907 bis 1908, Band \T, Teil i: Ethnographie-Anthro-
pologie I. Leipzig 1917. XVI. 412 S. 2 Tf. 8^. (Klinkhardt & Biermann.) v
Christensen, Carl: Naturforskeren Pehr Torsskai. Hans Rejse til Aegypten og Ara-
bien 1761 bis 63. Kopenhagen 1918. 172 S. 8^. (H. Hagerup.)
202 -Eingänge für die Bibliothek und Anzeigen.
Huber, Micliacl: Im Reiche der Pharaonen. 2 Bde., Freiburg i. Br. 191S. XII. 271
und \'II. 290 S. I Tf. 8^. (Herdersche \'erlagshandlung.) !•
Langenmaier, Theodor: Lexikon zur alten Gcograjihie des südöstlichen Äquatorial-
afrika. (Abhandig. d. Hamburgischen Kolonialinstituts. 1 Bd. 39. Hamburg 191. S.
VI.I 100 S. 8^. (L. Friedcrichsen & Co.) 7
Niehoff, Kurt: Oberflächengestaltung, Niederschlag u. Abfluß des Niger u. seiner
Nachbargebiete. Berlin 1917. 66 S.. 5 Krt. 4'^. (\'erf.) j
Kolonien.
Brinckmann, .*\. E.: Eine Unterredung mit Pater van der Bürgt über die Schmähschritt
von Evans Lewin ..Deutsche Kolonisatoren in Afrika''. (S. A. Koloniale Rund-
schau H. 11/12.) Berlin 1918. 18 S. 8^. (Geh. Rat Marquardsen.)
** Eilte Zuriickzi'eiSiing des Paniplileis von Evatis Levin, die in dem Zeugnis
X'ipjell S. 2: ,,Die deiiisclie Kolonisation tvar in Denisch-Osiafrika der gröfste
Segen für Land nnd Leute.''
Lewin, Evans: Deutsche Kolonisatoren in Afrika. Orell Füßli. Zürich 1918. 71 .S.
8°. (Geh. Rat Marquardsen.)
** Eine Scinuälischrift, die berefts S. 24 .linn. geniigcnd charakterisiert zeiirde.
Mansfeld A. u. Hildebrand, G.: Englische Urteile über die deutsche Kolonisations-
arbeit. Berlin 1919. 47 S. 8^. (Dietrich Reimer.)
*" Eine Zusammenstellung von Aussprüchen bedeutender englisclier Politiker
und Schriftsteller aus der Zeit vor dem Kriege über unsere Kolonialpolitik
und -tvirlschaft, als das Urteil noch nicht durch die Kriegsleidenschaftcn getrüld
ivc^. Man zuird mit Freude diese geschickte .liiszvahl lesen, zveil unserer Fähig-
keit zu Kolonisieren in ihr Gerechtigkeit zviderfährt.
Meyer, Hans: Das portugiesische Kolonialreich der Gegenwart. Berlin 191S. VII.
74 S. 4 T. 8^. (D. Reimer.) v
Rein, K. : Kolonien! eine deutsche Mußforderung. Berlin 1919. 36 S. 8^. (Dietrich
Reimer.)
■::-* jT^iiig Schri/'t, die von unserem Recht auf Kolonien ausgehend, Zi'ie zcir
es durch unsere Eingeborencnpolilik erzvorben haben, die energische Forderung
nach Kolonialbesitz aufstellt, den uns einfachste politische Gerechtigkeit zjisfircchen
niufs. Der Verfasser sollte die Gröfsc der Kolonien nicht mehr in Quadrai-
meilen angeben.
Reichskolonialamt: Die Behandlung der einheimischen Bevölkerung in den kolo-
nialen Besitzungen Deutschlands u. Englands. Berlin 1919. 201 S. 6 Tf. 4'.
(Behörde.)
■'•* Eine Zu rijckzveisung der englischen Anschuldigung, DeutscJilaud sei ///.-
zvürdig, Kolonien zu besitzen. Sie zcird geführt, indem Punkt für Punkt das
belastende Material des englischen Blaubuchs vom ^August ii)i8 vorgenommen,
das viele Unzvahre und Falsche berichtigt, und das Gehässi(;e der englischen
Darstellung beleuchtet zvird, ohne dafs vorgekommene L 'bergriffe beschönigt
Zierden. Lm zzi'citen Teil zvird die Behandlung der Einheimischen in den
englischen Kolonien näher beleuchtet mit dem Resultat, dafs der sich nicht
zum Richter aufzcerfen darf der selber nicht rein ist, sondern in allen Kolo-
nien die Eingeborenen herzlos und grausam bis zur Ausrottung oder J'er-
sklavung behandelte. l'gl. diese Zeitschrift S. _'j.
Tappenbeck, Ernst: Deutsch Neuguinea. Berlin 1901. 178 S.. i Bild, i Krt. S-.
(Lnt. .A.rimond.1
Eingänge für die Bibliothek und Anzeigen. 203
The Treatment of Native and other Populations in the Colonial Possessions of Germany
and England. Published by the German Colonial Oftice. Berlin 191 9. 312 S.
8^. (Behörde.)
'"* Englische Übersetzung des deiilsclieii Werkes, leider oliiie die IrelJUcheu
BeiveistiiiHel der Abbild it /ige 11.
Polargebiete.
Mikkelsen, ICjnar: Tre Aar Paa Grönlands Ostkyst. Kopenhagen 191 S. 33S S. 1 Tf.
8=. (Ankauf.)
Die Meere.
Buch, Kurt: Über die Alkalinität, Wasserstoffionenkonzentration, Kohlensäure und
Kohlensäuretension im Wasser der Finland umgebenden Meere. (Finländische
Hydrogr. Biolog. Untersuchungen Xr. 14. 1 Helsingfors 1917. 132 S. 2 Tf. 4°.
(Soc. Scient. Fennica.) t
Busch, W. : Über das Plankton der Kieler Föhrde. i. Teil (Aus d. Lab. f. int.
Meeresforsch. Kiel. Biol. Abt. Xr. 30). Kiel 1917. 114 S. 4^. ilnstitut.i
Jahrbuch 1913. Enthaltend hydrographische Beobachtungen in den Finland um-
gebenden Meeren. Herausgegeben von Dr. Rolf Witting. Helsingfors 1914-
134 S., 5 Tf. 4^. (Societas Scientiarum Fennica.)
Die Ostsee. (Deutsche Zeitschrift für Wirtschaft und Kultur der Ostseeländer.)
Herausgegeben von Dr. Richard Pohle. Berlin 1918. Heft i bis 4. 8-. iTro-
witzscli & Sohn.)
Schnaß, l<"ranz: Anleitung u. Stoffe zu meereskundl. Studien u. Stunden. (Beiheft 20
zur Zeitschr. „Lehrerfortbildung'-.) Leipzig 1918. 60 S., i Krt. 8^. (A. Haase.)
Schott, G.: Ozeanographie u. Klimatologie des Persischen Golfes u. d. Golfes von
Oman. (Beil. z. d. Ann. d. Hydrogr.) Berlin 1918. 46 S. 7 Tf. S = . (Verf 1 -r
Allgemeine Erdkunde.
Arendt,- Th.: Ergebnisse der Gewitter-Beobachtungen in den Jahren 1913, 1914 und
1915. (Veröff. d. Kgl. Preuß. Met. In.st. Xr. 297.) Berlin 191S. XXXI, 66 S.
4-. (Institut.)
Banse, Ewald: Alexander Humboldt. (S.-A. : Dtsche. Rundschau.! Berlin 1918.
39 S. 8^\ (Verf)
Baruch, A. : Die Grundlagen unserer Zeitrechnung. iMathem. Physik. Bibliothek)
Leipzig 1918. 51 S., 8°. (B. G. Teubner.)
Berg, Alfred: Geographisches Wanderbuch. 2. Aufl. Leipzig 191S. 300 S. S\
(B. G. Teubner.) t
Bölsche, Wilhelm: Fliszeit u. Klimawechsel. Stuttgart 1919. 77 S. 8^. (Franckhsche
\^erlagshdlg.)
** In der bekaniilen ansprechenden Heise schilderi der ] 'erfasse r einem
weiteren Pnbliknni die Wandlungen unserer Anschauungen über die l'rsachen
der Kisseit und der Kliinaivechsel. beginnend mit Goethe und endend bei den
Anschauungen eines Arrhenius und I-^rech.
Conwentz, H. : Merkbuch für Xaturdenkmalpflege und verwandte Bestrebungen.
Berlin 1918. VIII. 109 S. 8°, (Gebrüder Borntraeger.)
Davis, W. M. und G. Braun: Grundzüge der Physrogeographie. Leipzig 191 7. XL
209 S. I Tf. 8^. (B. G. Teubner.)
Davis, W. M. und K. Oestreich: Praktische Übungen in physischer Geographie.
Leipzig 1918. Textband XII. 116 S., S=: Atlas 38 S. (B. G. Teubner. 1 t
Defant, Albert: Wetter und Wettervorhersage. Wien 19 18. M. 290 S. i Tf. 8-=.
(Franz Dcuticke.l
0()4 Eingänge für die Bibliothek und Anzeigen.
Dietsch, Marie: Untersuchungen über die Änderung des Windes mit der Höhe in
Zyklonen. (\'erößentl. d. Geophysik. Instit. d. Universität Leipzig.) Leipzig 1918.
39 S. 8'=. (Institut.)
° Verf. ti'Ut an diese Untersuchungen mit dem neuen Gesichtsptinkt heran,
da/'s nur die Berücksichtigung der Druckverteilung in verschiedenen Höhen ein
richtiges Bild von den Windverhältnissen in der Höhe gestattet. Auf Grund von
extrapolier tcfi Isobarenkarten in der freien yUmosphäre , die dtirch direkte
Luftdruckbcobachiunget2 in der freien Atmosphäre kontrolliert werden, ivird die
Änderung des Windes in Zykloneti am Erdboden, in ßoo, 1000, i^oo und 2000 m
Höhe berechnet. Dabei ergibt sich gegenüber älteren Arbeiten die wichtige Tat-
sache, dafs in 2000 in Höhe vorn Einströmen und hinten Bewegung etwa
langentiell cu den Isobaren vorhanden ist.
Egerer, A. : Kartenlesen. (Gemeinverstdl. Einführung.) Stuttgart 1918. 100 S..
I Krt. 8°. (Bonz' Erben.) t
Festschrift Eduard Hahn zum LX. Geburtstag. Stuttgart 1917. XI. 368 S., i Bild.
I Tf., I Krt. 8°. (Strecker und Schröder.)
Frech, F.: Allgemeine Geologie. Dritte Auflage. I. Vulkane einst und jetzt. 1917.
VI, 119 S. I Tf. II. Gebirgsbau und Erdbeben. 1917. 124 S. i Tf. IV. Boden-
bildung, Mittelgebirgsformcn und die Arbeit des Ozeans. 1918. 140 S. i Tf.
(Aus Natur und Geisteswelt 207. 208, 210.) Leipzig. 8°. (B. G. Teubner.) t
Hann, Julius von: Untersuchungen über die tägliche Oszillation des Barometers.
III. Die dritteltägige (achtstündige) Luftdruckschwankung. Wien 191 7. 64 S.
so. (Verf.i
° Wie die halbtägige Lujldruckschwankung, so hat auch die drittel lägige
atmosphärische luftdrttckschwankung, deren markante Erscheinungen unter-
s/icht werden, eine selbständige Existenz. Ihre Amplituden und Phasenzeilen
trage)! lerresteren Charakter und zeigen vor allem den Einflufs der geogra-
phischen Breite, dagegen eine bemerkenszvert grofse Unabhängigkeit von der \ 'er-
leiliing von Wasser und Land.
Hann, J. v. : Die jährl. Periode d. halbtägigen Luftdruckschwankung. (S.-A. : Sitzungs-
bericht d. Kais. Akademie d. Wissensch.) Wien 191 8. 103 S. 8°. (Verf.)
Hashagen, I.: Umrisse der Weltpolitik I. u. II. (Aus Natur u. Geisteswelt.) Leipzig
191S. 147 S.; 141 S. 8°. (B. G. Teubner.)
Hassert, K. : Johann Joachim Becher, ein Vorkämpfer deutscher Kolonialpolitik im
17. Jahrh. (S.-A.: Koloniale Rundschau.) Berlin 191S. 28 S. 8'^. (Verf.i
° Biographie eines fast vergessenen, viel verkannten und unermüdlichen
Vorkämpfers des kolonialen Gedankens im 77. Jahrhundert, dessen Pläne damals
leider nicht verzvirklicht zvorden sind.
Heilborn, A.: Der Mensch in der Urzeit. (Aus Natur u. Geisteswelt.) Leipzig 19 18.
VI. 102 S. 8°. (Mittler u. Sohn.)
Hellmann, G.: Über die nächtliche Abkühlung der bodennahen Luftschicht. (S.-A.:
Sitzungsber. d. Preuß. Akademie d. Wissenschaften.) Berlin 1918. 8 S. 8°. (\'erf.)
° Verf. entzvickelt eine neue Methode, die nächtliche Abkühlung bodennaher
Luftschichten gesetzmäfsig zu bestimmen und prüft dieselbe an Beobachtungen.
Die dabei gefundenen Zahle-nzverte haben dabei nur für die Beobachtungsstelle
Gültigkeil ; doch lassen sich auch einige allgemein gültige Gesetze feststellen.
Hellmann, G.: Über warme und kalte Sommer. (S.-A. : Sitzungsber. d. Preuß.
Akademie d. Wissensch.) Berlin 1918. 17 S. 8°. (Verf.)
° Bestimmt nach derselben Methode, zvie in den schon früher angezeigten
Arbeiten über strenge und milde ll'inter OpjQ, S. 102) die charakteristischen
Eingänge für die Bibliothek und Anzeigen. 205
Merkmale xvarincr und kühler Soninicr in Berlin für die tiejtnzigjährige Periode
182p bis igi8.
Hennig, Richard: Grundzüge einer militärischen Verkehrspolitik unter Berück-
sichtigung der Erfahrungen des Weltkrieges. (Verkehrswiss. Abh. 3. H.i Berlin
191 7. 100 S. 8^ (Verf.)
Hesse, R.: Abstammungslehre und Darwinismus. TAus Natur u. Geisteswelt.) Leipzig
1918. 119 S. 8°. (B. G. Teubner.)
Hettner, Alfred: Die Einheit der Geographie in Wissenschaft u. Unterricht. Berlin
1919. 32 S. 8°. (Zentralinst. f. Erz. u. Unterricht.)
** Die wertvolle, jahrelanges Arbeiten an der Methodik der Geographie sn-
sammenfassende Schrift betont den einheitlichen Charakter der Erdkunde als
chorologischer Wissenschaft, wodurch der frühere Dualismtis als einer all-
genieinen Erdwisse7ischaft tmd einer Lehre von der Verbreitung einer Er-
scheinung verschwindet und die Geographie als die Lehre der räumlichen l'er-
teilung den beiden anderen grofsen Gruppen im System der Gesamtwissenschaff,
der Lehre von der sachlichen Verschiedenheit und der geschichtlichen Wandlzing,
gleichxvertig an die Seite tritt. Für Hettner ist die Geographie im wesentlichen
Lätiderkzmde, nicht um ein Bild eines Landes ::u geben, sondern um das Wesen
einer Landschaft zu deiiten, das sich aus der Wechselwirkung der Erscheinungen
bestimmt. S. ii: „Die Geographie . . . hat es mit der dinglichen Erfüllung des
/Raumes zu ttcn. Sie zvill zvissen, wie die verschiedenen Erdräume und Erd-
stellen aussehen; sie ist die Wissenschaft von der Erde oder Erdoberfläche ztach
der verschiedenen Ausbildung ihrer Teile, ist Länderkunde ; aber sie ist das
natürlich nicht im Sinne der speziellen Länderkunde oder Betrachtung der
einzelnen Länder und Ortlichkeiten, sondern auch im Sinne der Auffassung
der ganzen Erdoberfläche als eines Komplexes oder Systemes von Ländern und
Ortlichkeiten, also der allgemeinen und vergleichenden Länderkunde." Daraus
ergibt sich ihre Stellung im Unterricht.
Heyde, Herbert: Die Höhennullpunkte der amtlichen deutschen Kartenwerke. (S.-A. :
Festband A. Penck.) Stuttgart 1918. 9 S. 8°. (Verf.)
** Vgl. die Besprechung von J. Bartsch igi8 S. jj.?.
Hoeniger, R.: Das Deutschtum im Ausland. (Aus Natur u. Geisteswelt.) Leipzig
1918. 132 S. 8^. (B. G. Teubner.)
Kaßner, K. : Das Wetter u. seine Bedeutung f. d. prakt. Leben. 2. Aufl. Leipzig
1918. 152 S., 27 Fig., 6 Krt. 8°. (Quelle u. Meyer.)
Langenbeck, W. : Geschichte des deutschen Handels seit dem Ausgange des
Mittelalters. . (Aus Natur und Geisteswelt.) Leipzig 191S. 141 S. S-.
(B. G. Teubner.)
Leverkinck: Über den Einfluß des Windes auf die Gezeiten. (Veröfftl. des Marine
Observ. Wilhelmshaven.) Berlin 1915. 50 S. i Tf. 4°. (Behörde.)
Ligocki, Julius: Sechs Millionen verloren. 100 Jahre deutscher Auswanderung nach
Übersee 1815-1914. Berlin 1917. 24 S. i Krt. 8°. (S. Schropp.)
** Die Schrift will vor jeder Auswanderzing, auch in jogenannte „geeignete"
Länder, warnett.
Numelin, R. : Die Ursachen der Völkerwanderungen auf primitiven Kulturstufen.
(Deutsches Referat.) Helsingfors 1918. 22 S. 8°, (Verf.)
Festband Albrecht Penck. Zur Vollendung des 60. Lebensjahres gewidmet von seinen
Schülern und der Verlagsbuchhandlung. Stuttgart 1918. XIL 438 S., 10 Tf.
8°. (J. Engelhorns Nachf.) f
-_)()(; Eingänge für die Bibliothek und Anzeigen.
Philippson, A.: Johann Jiistiis Rein. (Aus d. Chronik d. L'nivers. Bonn.) Bonn 1918.
4 S. S^, (Geogr. Seminar d. Univers. Bonn.)
^ l-liii kurzer XnrliriiJ auf den Professor der (jeoj^ra/^Jiie an der I 'iiiversildl
in Bonn.
Pohle, R.: Die Probleme des Nordens. (S.-A. : Dtsch. Rundschau XL\', 1.) Berlin
1918. 17 S. 8=. (\'erf.)
Der beTiaiiiüe Forscher Osleiiropas und Xordasiens <fiö/ ans seiner reichen
Kenntnis heraus einen- i'berbiick über die E7i1'ii'icklnngsnu>glichheiten des Xordens.
d. h. des Gebietes ZMischen der eigenf/ichen Polnrzoiie nnd der (Jrenze zn-
saininenhängender Ackerhiiltnr. Es sind in der Flaiiptsache (lebieie des Waldes
lind der Tundra, in denen sich noch Urformen menschlicher Wirtschaft finden.
Reiche Enl-ancklunosmöglichkeiten bietet der Norden der alten Welt für die ] 'ieh-
zncht, Xordenropa für Jagd. Ren ntiern'irtschaft, Klein- und Grafs fische rei,
I/olznntziing und Bergbau. In Anerkennttng der Bedentnno dieser Gebiete hat
England die M/trinanknste besetzt. Dentsriiland mnfs versuchen, auch seine//
1-lin jlufs hier geltend zu machen. If.
Schlaginhaufen, Otto: Pygmäenrassen und Pygmäenfrage. iS.-A.: Jahrg. 61 [1916]
d. \'ierteljahrsschrift d. Xaturforsch. Ges. i. Zürich.) Zürich 1916. 28 S. 8^. (Verf.)
Schmidt, Ad.: Besitzt d. lägl. erdmagnetische Schwankung in der Erdoberfläche ein
Potential?^ (S.-A.: Phys. Zeitschrift 1918.) Leipzig 1918. 7 S. 8°. (Verf.)
'^ Eine Auseinandersetzting mit den anffalleiiden Ergebnissen A. van l'leutens,
die in einer im September iQij in Utrecht erschienenen Dissertation' zu einer
Verneinung der Frage gelangt loar. Schmidt xveist nun nach, dafs in dem
(lebiete, „aus dein allein Beobachtungen verzvendet zvorden sind, diese intierhaib
der Genauigkeitsgrenzen der Darstellung mit der Annahme eines Potentials
im Einklang stehen".
Schmidt, .Ad.: Erdmagnetismus. (S.-A.: PLncykl. d. math. Wissensch.) Leipzig 1917.
13.) S. S-. (Verf.) ■;■
Schreiber, Paul: Einrichtung u. Aufgaben der im Weltkricg.sjahr 1915 erbauten Wetter-
warten auf d. Wahnsdorfer Kuppe bei Dresden u. auf dem Fichtelberge. Dresden
1918. 85 S. 18 Tf. 4^. (Sachs. Landeswetterwarte.)
*'■■ Eine instrumentenkundlich xvichtige ^ibhandlung der Einrichtung cif/er
meteorologische?! Station >nit einer Schilderung des \'erlaufs der Witterung in
Sachsen vom 1. Juli uii ^^ bis Ende Juli 1018.
Schubert, Emmerich: Kultur und X'olkswirtschaft. Heidelberg 191S. XIX. 460 S.
8-. (Carl Winter.)
Schulte im Hofe, .\.: Auswanderung u. .Vuswanderungspolitik. Berlin 191 8. 104 S.,
iKrt. 8^. (Reimer [V^ohsen].)
*''■' Xach eingehender Darstellung der deutschen Aus'H'anderung auf Grund
der Statistiken der Zentral-Auskunftsteile für Attsii'anderer, der PJn- und
Rückivanderung. -wird die Einwanderung in den überseeischen Landern und die
Ausieandernng aus Hriliscli-Indien und China behandelt. Bei der statistischen
Karte, auf der 1 qmm = 100 Personen dargestellt ivird, niufs die Anivendting
der Merkator- Projektion ganz falsche Bilder der G röfsenvcrhä Itnisse der Lander
geben, sie sollte vermieden werden, selbst wenn es sich nur um statistische
Da rs tellu ng h a n de II.
Sieblist,C).: Das Telegraphen- und Kernsprechwesen. (Aus Natur u. Gcistcswelt. )
Leipzig 1918. VI. 122 S. 8^. (B. G. Teubner.j
von Toula, Franz: Lehrbuch der Geologie. Wien 1918. XI. 556 S., 30 Tf. 8'.
(Alfred Holder.) r
Eingänge für die Bibliothek und Anzeigen. 207
Viator, A. K. : Deutschlands Anteil an Indiens Schicksal. Leipzig 1918. 94 S. S-.
(Otto Wigand.)
Voigt, A.: Deutsches Vogelleben. (Aus Natur u. Geistesvvelt.) Leipzig 191S. 124 S.
8^. ^(B. G. Teubner.)
Wagner, Hermann: Die Entwicklung der wissenschaftl. Nautik im Beginn des Zeit-
alters der Entdeckungen nach neueren Anschauungen. (S. A. : Ann. d. Hydr.)
Berlin 191S. 62 S. 8°. (Verf.) f
Wagner. Paul: Die Stellung der Erdkunde im Rahmen der Allgemeinbildung.
(Sehr. d. Deutsch. Ausschusses f. d. Mathemat. u. Naturwissenschaft!. Unterricht.;
Leipzig 1918. 18 S. 8°. (E. S. Mittler u. Sohn.)
"" Die Sclirift, die der deuisdie Aiisschiifs für den niailieiiiaiisclien ii/id tiaiitr-
xvisse7ischafilichen L 'nter rieht zu der seinen niaclil, gelii von der Bedetilitng der
Erdkunde als Bildnngsfach ans, stellt die bekannten nnd so notivendigen Griind-
fordernngen an eine Reform des erdkundlichen Unterrichts nocit einmal zusaiuiin-n
und endet mit dem Ziel des Unterrichts. Dieses mut's sein:
1. Eine durch Kat iiranschan iing erworbene Kenntnis der erdkundlichen
Eige7iart des Heimatgebietes.
2. Klare Vorstellung von den 'wichtigsten Landschaften und ] 'ölkerschaften
der Erde, genauere Kenntnis aus der Länderkunde Mitteleuropas.
j. Übersichtliche Kenntnis der Haupttatsachen der allgemeinen Erdkunde
(feste Erdrinde, Wasser, Luft, l'erbreitung der L.ebezvesen, J'älkerkunde).
./. Bekanntschaß mit den Grundlehren der mathematischen Erdkunde und
mit den einfachsten Fällen der Kartenprojeklion.
j. Klare Raum- und Zahlvorstellungen von den l'erhältnissen auf der Erde.
6. Fähigkeit, nicht nur den Atlas, sondern auch die amtlichen Speaialkarten
SU lesen und im Gelätide zu gebrauchen.
7. Einiges Verständnis für die zvechselseitigen Beziehungen und ursächlichen
Zusammenhänge zwischen den natürlichen '['erhältirissen auf der Erde (Boden-
forni, erdgeschichtliche ]'eränderungen, Klima, Pflanzenkleid), sozvie zzvischeii
diesen und den Anfserungsformen des Dienschlichen Lebens.
Walther, Johannes: Geologie in der Heimat. Leipzig 1918. 222 S. 16 Tf. i Krt.
8". (Quelle & Meyer.) i
Weber, G.: Kulturschulung. Ein Programm zur Hebung der Eingeborenen. Berlin
1919. 47 S. 8^. (Dietrich Reimer.)
** Der Schulmeister soll durch die Ei/nuirkung auf die Eingeborenen in
der „Kultur schule" diese stetiger in die europäische Kultur und die Arbeit in
europäischen Betriebeti vorbereiten, ein Zuktniftsplan.
Weber, L. : Einführung in die Wetterkunde. (Aus Natur u. Geisteswelt.) Leipzig
1918. I\'. 124 S. 8°. (B. G. Teubner.j
Wedemeyer, A. : Gradnetze zenitaler Karten großen Maßstabes. (S. A. : Ann. d. Hydr.i
Berlin 1918. 31 S. 8°. (Verf.)
Wirtz, Carl: Tafeln und Formeln aus Astronomie und Geodäsie. Berlin 1918. X.
238 S. 8^. (E. S. Mittler u. Sohn.i
Wolkenhauer, Wilhelm: Robert von Schlagintweit. Darmstadt 191S. 5 S. 8°. (Verf.i
° Eine kurze Biographie des berühmten deutschen Forschungsreisenden nnd
Alpenforschers. Beigefügt ist ein V'rzcichnis seiner Schriften.
OQg Verhandlungen der Gesellschaft.
VERHANDLUNGEN DER GESELLSCHAFT.
Fachsitzung vom 24. März 1919.
Vorsitzender: 1 Icrr K o h 1 s c h ü 1 1 e r.
Vorträge: Herr Dr. C r ;i ti z : ,,Die Fortschritte der Photot^rammetrie
im Kriei^e"; Herr Regierun<^sbaumeister Ewald: ,,Die Photogrammetrie
bei den Marine-Klieger- Abteilungen".
Mitteilung des Herrn Oberleutnant J a n c k e über „Aufnahmen an
der Sinai-Front". (Mit Lichtbildern.)
An der Aussprache beteiligten sich die Herren Abendroth,
Behrmann, Cranz, Finck, pall, Marquardsen, No-
\v a t z k i , A. P e n c k , V. J s c h u d i.
Allgemeine Sitzung vom 5. April 1919.
Vorsitzender: Herr P e n c k.
Der Vorsitzende eröffnet die Sitzung mit der Mitteilung, daß der
Vorstand nach Anhörung des Beirats gemäß § 20 der Satzungen Herrn
Geh. Regierungsrat Professor Dr. H e 1 1 m a n n in Anerkennung seiner
großen Verdienste um die Gesellschaft, die er sich in mehr als dreißig-
jähriger Tätigkeit im Vorstand der Gesellschaft, insbesondere als lang-
jähriger Vorsitzender derselben, erworben hat, zum E h r e n - P r ä s i -
d e n t e n der Gesellschaft ernannt hat.
Der Vorsitzende teilt ferner mit, daß Herr Professor Dr. M e r z
mit dem Schluß des Jahrgangs 1918 der Zeitschrift der Gesellschaft von
der Schriftleitung derselben zurückzutreten gewünscht und im Einverständ-
nis mit dem Vorstand Herr Privatdozent Dr. W. Behrmann vom Jahr-
gang 191 9 ab die Schriftleitung der Zeitschrift zu übernehmen sich bereit
erklärt hat. Nach Worten des Dankes an Herrn Merz für seine große
Mühewaltung im Interesse der Gesellschaft, durch die er die Zeitschrift
der Gesellschaft zur ersten deutschen geographischen Zeitschrift ge-
macht habe, spricht der Vorsitzende die Hoffnung aus, daß es der
neuen Schriftleitung gelingen werde, die Zeitschrift auf ihrer Höhe zu
halten.
Nach Ablauf der Wahlperiode werden auf Vorschlag des Vor-
standes als Vertreter der Gesellschaft im Kuratorium der Ferdinand
von Richthof en-Stiftung die Herren Geh. Regierungsrat Pro-
fessor Dr. S t r u V e und Professor Dr. Ludwig D i e 1 s (für die Zeit
von April 1919 bis April 1922) gewählt.
Verhandlungen der Gesellschaft. 209
Satzungsmäßige Mitglieder des Kuratoriums sind ferner: der Vor-
sitzende der Gesellschaft für Erdkunde Herr Geh. Regierungsrat Pro-
fessor Dr. A. P e n c k , zugleich in seiner Eigenschaft als Vertreter der
physischen Geographie an der hiesigen Universität, Herr Geh. Bergrat
Professor Dr. Pompeckj als Vertreter der allgemeinen Geologie,
Herr Geh. Regierungsrat Professor Dr. H e 1 1 m a n n als Vertreter der
Meteorologie, Herr Professor Dr. Vogel als Vertreter der historischen
Geographie, sodann der Schatzmeister der Gesellschaft Herr Professor
B e h r e.
Vortrag des Herrn Dr. Lutz (als Gast): ,,Über Reisen in Mittel-
amerika". (Mit Lichtbildern.)
„Der Redner, der vor dem Kriege als Leiter des Nationalmuseums in Panama
im Bereich der Republiken Costarica und Panama mehrere ausgedehnte Forschungs-
reisen in die unbekannteren Gebiete unternommen hatte, erörterte einleitend kurz
die von Deutschen um die Mitte des vorigen Jahrhunderts unternommenen Koloni-
sationsversuche. Die heutigen Siedler, im südlichen Mittelamerika etwa fünfzig an
der Zahl, im nördlichen mehrere hunderte, begannen meist als junge, unternehmungs-
lustige Kauf leute ihre Tätigkeit, verstanden es aber, die jeweiligen Kaffeekrisen klug
zu nutzen und billig Land zu erwerben. So gelangten sie zu außerordentlichem
Wohlstand. Durch eine kluge Politik gegenüber der Bevölkerung erlangten sie auch
merklichen Einfluß auf die leitenden Kreise.
Nach Kriegsausbruch erhob sich eine von englischen und amerikanischen Be-
hörden geschürte Boykottbewegung, der Millionenvverte zum Opfer fielen. In
Costarica versuchte vor allem der amerikanisch-englische Bananen-Trust, die „United
Fruit'", unter Anwendung aller, auch der bedenklichsten Mittel, die deutschen
Besitzungen zu vernichten. Die Vorzugstarife auf der von der genannten Gesellschaft
kontrollierten Überlandbahn wurden durch Bestechung der einheimischen Regierung
aufgehoben, die Kaffeekurse an der Neu Yorker Börse so gedrückt, daß eine Ausfuhr
der Produkte nicht mehr möglich war. Weitere wirtschaftliche Gewaltmaßnahmen
führten, nach englischen Blättermeldungen, zu bewaffneten Zusammenstößen zwischen
der den deutschen Pflanzern ergebenen einheimischen Bevölkerung und angeblichen
Regierungstruppen, die in amerikanischem Solde standen. Trgtzdem die deutschen
Pflanzer seit 4^3 Jahren vom Weltmarkt abgeschnitten waren, haben sie sich gehalten
infolge ihrer Finanzkraft und gegenseitiger Unterstützung. In Ländern wie Panama,
wo sie auf einer einsamen Insel im Stillen Ozean interniert wurden, sind namhafte
Werte verloren gegangen, abgesehen von den körperlichen und seelischen Leiden,
denen sie in der furchtbaren tropischen Haft ausgesetzt waren.
Redner schilderte dann den geologischen und geographischen Aufbau jener
Gebiete und führte an Hand trefflicher Lichtbilder durch die atlantischen Küsten-
ebenen mit ihren echt tropischen, feuchten Regenwäldern, ihren Bananenkulturen
und drang dann in die höheren Regionen der an landschaftlichen Reizen so reichen
Vulkanwelt der zentralen Cordillere ein. Längere Zeit verweilte er in den deutschen,
mustergültig unterhaltenen Kaffeeplantagen der „meceta central'" und durchstreifte
dann noch die pazifischen Gras- und Busch-Savannen, unterbrochen durch lichte
Parkwälder, mit ihrem eigenartigen Tierleben. Auch die Ureinwohner und ihre
Kultur wurden kurz geschildert.
Zum Schlüsse erging sich der Redner noch über die Frage, ob jene Gebiete für
die nach Friedensschluß zu erwartende Auswanderung in Betracht kämen. Er
warnte nachdrücklich vor übereiltem \'erlassen des heimatlichen Bodens und setzte
als Bedingung für eine wirksame Betätigung im Auslande die unbedingte Zugehörig-
keit und stete Pflege der Beziehungen zur Heimat fest. Nur in diesem Geiste könne
der Deutsche seinen guten Namen im Auslande, wieder erringen."
Zeitschr. d. Gesellsch. f. Erdkunde zu Berlin. 1919. Nr. 3/4. 14
210 Verhandlungen der Gesellschaft.
In die Gesellschaft werden aufgenommen:
als ansässige ordentliche Mitglieder
Herr Dr. D a n t z , Bergwerksdirektor,
,, Emil Duve, Rcichsbankkassierer, Berlin,
Paul Heimann, Bergassessor, Berlin,
Fräulein Ursula v. Jocden, Haiensee,
,, HedwigSchulz, Oberlehrerin, Berlin,
Herr W e i d n e r , Generalmajor und Oberquartiermeister, Chef der
Landesaufnahme;
als auswärtiges Mitglied
Herr Dr. Walter Schmidt, Oberlehrer und Dozent für Wirt-
schaftsgeographie, Cüthen ;
wieder eingetreten
Herr Dr. L. Nuernberg, Arzt, Berlin.
Schluß der Redaktion am 29. Mai 1919.
Druck von E.S.Mittler & Sohn, Berlin SW 68, Kochstr. 68— 71.
tll
Das Rheingebiet oberhalb Basel.
Eine morphogenetische Studie.
Von Professor Dr. Gustav Braun.
Der südliche Schwarzwald wird, wie die übrigen wieder aufge-
deckten Gebirgsrümpfe Mittel- und Südwestdeutschlands, von einem
System von Schichtstufen umgürtet, die ihre Stirn dem Rumpf zu-
kehren und deren Lehnen sanft nach außen hin abfallen. Beginnend
unmittelbar südlich Basel am Rande der Rheintalflexur, lassen sie sich
in schön geschwungenem Bogen, den Rhein in der Gegend von Walds-
hut überschreitend, über Donaueschingen weithin nach Südwestdeutsch-
land verfolgen, dessen rechtsrheinischen Teil sie dann völlig ausfüllen.
Aus diesem weiten Kranz sei hier die Strecke zwischen Basel und
Villingen herausgegriffen, die ihren besonderen Charakter durch die
Eigentümlichkeiten ihrer Entwässerung erhält; sie zeigt gleichzeitig
im oberen Donaugebiet normale sehr altertümliche Züge, während das
Rheingebiet gänzlich abweichend und mit der Systematik einer Schicht-
stufenlandschaft und ihrem Entwässerungssystem zunächst nicht ver-
einbar erscheint. Alan könnte infolgedessen versucht sein, den süd-
lichen Teil des Kranzes der Schichtstufen, etwa von der Linie Schatt-
hausen — Waldshut an, als nicht mehr zu der oben zusammengefaßten
Gruppe von Oberflächenformen gehörig hinzustellen und hier ein
Zwischenland zwischen Schwarzwald, der Baar, Randen, Hegau, dem
Kettenjura und Mittelland aufzustellen. Dem ist aber nicht so: das
ganze Bogenstück bis Basel gehört strukturell zu dem Schichtstufen-
system Südwestdeutschlands, und fremd in ihm ist nur die Ent-
wässerung.
Seinem Aufbau nach besteht das Schichtstufenland Südwest-
deutschlands aus einem System^ harter und weicher Schichten, das mit
dem Buntsandstein (stellenweise Rotliegenden) beginnt und mit dem
Malm nach oben hin endigt. Irn ganzen Gebiet hart ist ein Teil des
Muschelkalks, ein wenig hart, s"ö daß er Kanten bildet und darum ein
guter Leithorizont ist, der Lias; im Dogger und Malm tritt beim Fort-
schreiten in ostwestlicher Richtung mehrfach Pazreswechsel ein, so daß
die gleichen Horizonte sich nicht durch das ganze Gebiet in gleicher
petrographischer Ausbildung verfolgen lassen. X'achstehende Tabelle
zeigt die wichtigsten Ausbildungsformen:
Zeitschr. d. Gesellsch. f. Erdkunde zu Keilin 1919. Xr. 5,6. 15
212
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214 Gustav Braun:
Dieses ganze Schichtsystem fällt mit der geringen Neigung von
einigen Graden vom Schvvarzwald fort nach Osten — Südosten — Süden
ein. Die wichtigeren Unregelmäßigkeiten liegen im Süden. Hier ist
im XW. Basels im Dinkelberg-Plateau und in der angrenzenden Land-
schaft nördlich der Wiese ein Teil des Scdimentmantels eingebrochen
und eingebogen und dadurch gegenüber dem Sclnvarzwald in eine
andere Stellung gekommen; in der Scholle aber blieb trotz mancher
Zerrüttung der Bau insofern gewahrt, als man auch hier, vom Schwarz-
wald au.sgehend bis zum Kettenjura in immer jüngere Horizonte ge-
langt. Das gleiche gilt für den Basler Tafeljura: trotz starker Zer-
stückelung bleibt dieser Grundcharakter des Südwestens gewahrt.
Im Aargauer Tafeljura tritt eine andere Komplikation ein, zwei
im Sireichen verlaufende Störungslinien, die Leibstadtcr Linie und die
Mandacher Linie, die augenscheinlich mit der Bildung des Faltenjura
in Beziehung stehen. An der nördlichen Leibstadter Linie ist eine Auf-
biegung erfolgt, an der südlichen Mandacher eine Aufschiebung der
südlicher gelegenen Sedimenttafel.
Schließlich ist dieses ganze Stück der Sedimenthülle dadurch be-
sonders gekennzeichnet, daß ihr südlicher Rand eine Faltung, Zu-
sämmenschiebung und Aufpressung erlitten hat, die wir heute mit dem
Nkmcn des Kettenjura bezeichnen. Es ist das die Folge der Lage
düeses Stückes der Erdrinde zwischen dem starren Schwarzwald und
den von Süden herandrängenden Alpen. Wir vermögen aber auch in
dieser Runzelung des Randes kein Merkmal zu sehen, das uns bestim-
men könnte, die nördlich davon .gelegenen Sedimenttafcln aus dem
strukturellen Zusammenhange mit Schwaben herauszunehmen.
Weiter nördlich liegt im Bonndorfer Graben eine westnordwestlich
streichende Störungszone Vor, an der eine Versenkung eines etwa 15 km
breiten Streifens stattgefunden hat. Der Zusammenhang bleibt aber
auch hier gewahrt, vom Schwarzwald bis zum Hegau gelangt man in
immer jüngere Schichten, deren harte Bänke jeweils ihre Stirnen dem
Westen zukehren.
In dieser raschen Übersicht wurde der Nachweis zu führen ver-
sucht, daß strukturell trotz mancher Störung auch der Basler und
Aargauer Tafeljura zum südwestdeutschen Gebiet gehören. Fremd
in ihm ist also nur das Gewässersystem des Rheins, und somit steht
als R h e i n p r o b 1 e m die Frage vor uns : Wie kommt der Rhein in
diese Landschaft, die ihrer Struktur entsprechend bei norirnaler Ent-
wicklung ein ganz anderes Gewässe'rnetz haben müßte?
Die Fragestellung in dieser Form ist neu ; immerhin liegen schon
Versuche vor, die sieh mit der Entwicklung des Rheins und seines Tales
beschäftigen und schon manche Klärung in Teilfragen erbracht haben.
Das Rheingebiet oberhalb IVasel. 215
Jul. Schill weist schon 1866 darauf hin'), daß sich der Rhein
unterhalb W'aldshut ursi)rünglich in höherem Niveau entwickelt habe
und daß er dann unter dem Druck seiner nördlichen Zuflüsse sich
allmählich nach Süden verschob, wenn er schreibt: „In Gesamtheit
weisen alle diese Verhältnisse dahin, daß der Stromweg seine Sohle
allmählich vom Südrande des Schwarzwaldes g'egen den Schweizerjura
hinab vertiefte und verschob, und zwar auf Kosten der weichen For-
mationsglieder der unteren Muschelkalkbildungen" (S. 15) und ,,Ganz
übereinstimmende Erscheinungen, welche auf das klarste eine höhere
und mehr der rechten Rheinseite angehörende Strömung befürworten"
usw. (S. 16).
1886 fand Ed. Brückner^) drei Schotter, die von Baden im
•Aargau bis Basel durchlaufen, w^elches Ergebnis L. du P a s q u i e r
1891 bestätigte^). Seine Karte z-eigt, daß schon zur Zeit des Decken-
schotters die heutigen Flußrichtungen festlagen. Bezüglich des Alters
der Deckenschotter weist er nach, daß sie auf einer Erosionsfläche
der oberen Süßwassermolasse liegen, also jünger sind, daß sie ander-
seits aber erheblich älter seien als die Hochterrassenschotter. Er stellt
sie in das Oberpliozän ; diese und andere seiner Ansichten haben sich
als nicht haltbar erwiesen, der oben skizzierte Kern aber bleibt.
1894 stellte A. G u t z w i 1 1 e r*) in der Umgebung von Basel
vier Schotter fest, deren obersten er als ,,Oberelsässischen Decken-
schotter" bezeichnet, der sich nach dem Doubsgebiet hinüber verfolgen
läßt. Er ist stark zersetzt, enthält alpine Gesteine und hat keine
Äquivalente im Rheintal oberhalb Basel.
1903 vermochte Ed. Brückner'^) die im bayerischen Alpenvor-
land gewonnene Viergliederung der Schotter auf das Schottergebiet im
Nordwesten der Schweiz anzuwenden und konnte zeigen, daß überdies
noch westlich Basel ein höchster Schotter vorhanden ist, der sogenannte
Sundgauer Schotter, der älter ist als der ältere Deckenschotter, also
oberpliozän. Er erklärt: „Die GeröUe des Sundgauer Schotters ge-
langten an ihre heutige Stelle zu einer Zeit, als der Jura ganz ein-
geebnet war . . .", nämlich über eine Fußebene hinweg, die sich voin
\) Beitr. z. Statistik d. inn. Verwaltung d. Großherzogtums Baden. 23. Jul.
Schill: Geol. Beschreibung d. Umgebungen von Waldshut. Carlsruhe 1866.
*) Ed. Brückner: Vergletscherung d. Salzachgebietes usw. Geogr. Abh. I.
I. 1886.
2) L. du P a s q u i e r : Über die fluvioglazialen Ablagerungen d. Nordschweiz.
Beitr. z. geol. K. d. Schweiz. N. F. i. 1891.
*) A. G u t z w i 1 1 e r : Die Diluvialbildungen der Umgebung von Basel. Verh.
Naturforsch. Ges. Basel. X. 1894. 512.
^) Ed. Brückner in A. Penck- Ed. Brückner: Die Alpen im Eis-
zeitalter. II. Leipzig 1909 (1903).
216 Gustav Braun:
Alpcnfuß über iMittelland und Jura bis in den Sundgau erstreckte.
Ein ,, Rhein" hätte damals also nicht existiert.
An derselben Stelle wurde für den Aaredurchbruch die bestechende
Theorie entwickelt, daß es sich um Antezedenz handle. Eine prägla-
ziale Rumpffläche sei zur Ausbildung gekommen, die von Süden in
den Jura eingriff; von ihr aus hätten sich die Plüsse epigenetisch eingesenkt.
1907 berührt O. F r e y^) mehrfach das iProblem des Rheins, das
an sich außerhalb des Rahmens seiner Arbeit gelegen ist. Er setzt „die
Ablenkung der mittelschweizerischen Gewässer" in ,,die Rinne am
Südrande des Schwarzwaldes" in die Zeit nach Ablagerung der Sund-
gauerschotter und vor Ablagerung 'des älteren Deckenschotters. Den
Vorgang denkt er sich folgendermaßen (z. T. vielleicht im Anschluß
an I". M a c h a t s c h e k 1905) : „Bei der Aufstauung der Juraketten
und ihrer Überschiebung über den südlichen Tafeljura entstand unter
Mitwirkung von Verwerfungen zwischen den Jurafalten und der
Schwarzwaldscholle ein Ost — West gerichtetes breites tektonisches
Tal, durch das die Entwässerung der umliegenden Gebirge sich vollzog.
Am alten Schwarzwaldhorste drängten sich die Jurafalten am stärksten
zusammen und wurden demgemäß am höchsten emporgehoben. Durch
den Zusammenschub aber nahm die Entfernung des Molasselandes
von der oberrheinischen Senke ab. Die Flüsse gewannen an Gefälle
und durchsägten den aufsteigenden Jura, der größte in der Richtung
des heutigen Rheintales von Waldshut nach Basel. Seine Quellflüsse
entsprangen am Lägerngewölbe, am Plateaujura und am Schwarzwald."
Dem gegenüber strömten die Gewässer des Molasselandes der
Pliozänzeit der Donau zu, deren Erosionsbasis sehr weit entfernt ist.
Sie konnten daher von den transjurassischen Flüssen angezapft werden ;
zuerst verfielen diesem Schicksal die pliozäne Aare, dann die Reuß,
die Limmat usw^, schließlich auch die Gebirgsstrecke des Rheins.
Hier wird also der Brücknerschen Theorie der Antezedenz die
der Anzapfung für die Entstehung der Juradurchbrüche entgegen-
gestellt, der ganze Vorgang in das Pliozän' verlegt.
1912 kommt A. Gutz willer nochmals auf die Schotter der
Umgebung von Basel zurück-) ; er sieht jetzt den ,,Oberelsässischen
Dcckenschottcr" ,,'als eine fluvioglaziale Bildung" aus „frühglazialer
oder späti)li()zäncr Zeit" an, die ,,in direkter westlicher Fortsetzung
des Rheintalcs von Waldshut bis Basel" liegt, und lehnt Brückners
Hypothese ab.
^) O. F r e y : Talbildung und glaziale Ablagerungen zwischen Emme und Reuß.
N. Denkschr. allg. Schweiz. Ges. f. d. ges. Naturwiss. 41. 2. 1907. S. 354 f-
^) A. Gutzwiller: Die Gliederung der diluvialen Schotter in der Umgebung
von Basel. Verh. Naturforsch. Ges. Basel. 23. 191 2.
Das Rheingebiet oberhalb Basel. 217
So weit die wichtigere Literatur und die von ihr g-cbrachten
Lösungen. Es besteht volle Übereinstimmung- bezüglich der Alters-
frage der Sundgauer Schotter : sie sind oberpliozän und die ältesten
in der mittelrheinischen Senke kenntlichen Ablagerungen eines Flusses
mit alpinem Einzugsgebiet. Brückner aber läßt sie von Süden
über den Jura her kommen und erklärt die Juradurchbrüche als ante-
zedent, G u t z w i 1 1 e r läßt sie von Osten her kommen, und F r e y
schließlich erklärt das Rheintal unterhalb Waldshut für tektonisch
angelegt, die Juradurchbrüche durch Anzapfung. Irgendwelche Beweise
für diese Anschauung außer ihrer logischen Geschlossenheit im An-
schluß an bestimmte Voraussetzungen bringt er nicht bei.
Bei meinen eigenen Studien über die Umgebung von Basel, die
ich 1912 begann, drängte sich mir alsbald die Überzeugung auf, daß
im Rhein t a 1 selbst schon alles Beobachtbare ermittelt sei, daß man
den Rahmen weiter fassen müsse und daß es die mittelrheinische Senke
sei, die als Erosionsbasis die Entwicklung der Nachbarlandschaften
immer und immer wieder bestimmt hätte. Somit galt meine erste
Studie von 1914^) dem Versuch einer Festlegung der Entwicklung
der südlichen mittelrheinischen Senke, um hier den Anhaltspunkt für
die Betrachtung der Umgebung zu gewinnen-). Das überraschende
Resultat war, daß die im Oligozän tief angelegte Senke alsbald im
Miozän von Schutt völlig aufgefüllt wurde, so daß im Mittelmiozän
die Entwässerung von Vogesen und Schwarzwald über die Zone der
Senke hinweg in das helvetische Meer erfolgen konnte. Zu dem heutigen
tief gelegenen Landstreifen wurde die Senke erst wieder im Diluvium
durch Ausräumung und Einbrüche. Sie war also im Miozän nicht
die Erosionsbasis der Umgebung, wurde dazu erst im Zusammenhang
mit der Jurafaltung im Pliozän — lag damals aber noch hoch, senkte
sich erst im Diluvium zur heutigen Tiefe^).
Von diesen Grundsätzen war bei der Untersuchung der benach-
barten Gebirge auszugehen. Auch über diese lagen teilweise schon
morphologische Studien vor: Ed. Brückner hatte, wie schon er-
wähnt, eine pliozäne Einebnungsfiäche im Jura vermutet ; im Basler
Tafeljura hatte A. B u x t o r f*) festgestellt, daß ,,die ursprüng-
') G. B r a u n : Z. Morphologie d. Umgpbung von Basel. Verh. Naturforsch.
Ges. Basel. 25. 1914. — Verh. 19. D. Geogr. Tag Straßburg. 1914.
2) G. Braun: Z. d. Landeskunde V. Der Schwarzwald. Zeitschr. Ges. f.
Erdk. Berlin 1914. Nr. 3. (Schlußabsatz).
•*) — so bereits 1914 und wieder in „Deutschland" 1916. Jetzt ähnlich
W. Salomon in Sitz. Ber. Heidelberger Ak. Math, naturwiss. Kl. Abt. A. 1919. i,
ohne meine Arbeiten zu erwähnen.
*) A. Buxtorf: (Nicht gedruckte) Habilitationsvorlesung 1908. — Oberflächen-
gestaltung und geol. Gesch. d. nordschweiz. Tafeljura. \''erh, Schweiz. Naturforsch.
Ges. 93. Vers. Basel. 1910. I.
2ig Gustav Braun:
liehe Anlage der Tafeljurahochfläche . . . bei der Transgression
des mittelmiozänen, helvetischen Meeres" cnstanden sei; ,, diese alte
miozäne Abrasionsfläche ist bis heute da erhalten geblieben, wo sie
in harte Kalke zu liegen kam (Hauptrogenstein und Malmkalke)".
Neuerdings kommt B u x t o r f auf die gleichen Erklärungen zurück
und nennt nunmehr die „Abrasionsfläche", auf welcher das mittel-
miozäne Meer transgredierte, nach ihrem Alter ,,vindobonische"
Fläche^).
Im südlichen Schwarzwald weist B. Brandt") nach H. P h i 1 i p p
schotterbedeckte ältere Talböden nach, die in 620 und 550 m Höhe am
Rande des Gebirges aufhören, ohne sich ins Vorland fortzusetzen.
Weiter oberhalb liegt ein noch höheres Schottervorkommen bei 790 m.
Diese Nachweise bleiben wichtig, auch wenn man bezüglich ihrer
Peutung anderer Ansicht ist als Brandt.
Somit kann man die allgemeine Anschauung um 19 14 etwa dahin
formulieren : im Jura sind fraglos Reste einer jungtertiären Ein-
ebnungsfläche erhalten, anderseits gibt es in den Schwarzwaldtälern
hochgelegene Talböden.
Der Untersuchung waren nach alledem zwei Wege gewiesen :
erstens Untersuchung des Rheintales selbst auf Entwicklungsstadien
für die Zeit zwischen dem mittleren Miozän und dem Beginn der Eis-
zeit; zweitens Untersuchung der rechts und links an das Rheintal an-
schließenden Gebiete auf etwa erkennbare Flächen, die für die Ent-
wicklung des Tales von Bedeutung gewesen sein konnten. Für beide
Aufgaben bestand eine äußere Schwierigkeit darin, daß die badische
Rheintalseite bis heute recht unvollkommen untersucht und daß sie
überdies infolge des Krieges verschlossen war. Immerhin war sie
mir von früher durch Exkursionen bekannt und lag das gesamte
Karten- und Literaturmaterial in Basel vor, so daß eine gewisse Sicher-
heit sich doch gewinnen ließ.
Die Untersuchung des Rheintales selbst blieb ergeb-
nislos. Es sind sehr viel Flächen in beiläufig 500 m Höhe vor-
handen —^ aber sie erwiesen sich sämtlich als Landterrassen, durch
die wechselnde Härte der Gesteine bedingt, so daß sie für das Verfolgen
von Erosionsphasen nicht brauchbar waren. Im kristallinen Schwarz-
wald treten in entsprechender Höhe Absätze auf, in denen man wohl
Reste des pliozänen Talbodens vermuten kann, doch ließ sich das aus
den angedeuteten Gründen bis jetzt nicht weiter verfolgen.
^) A. Buxtorf: Über Prognosen u. Befund beim Hauensteinbasistunnel usw.
Tätigkeitsbericht Naturforsch. Ges. Baselland. 191 1/16. Liestal 1917.
'') B. Brandt: Studium z. Talgeschichte der Großen Wiese im Schwarzwald.
Diss. Freiburg 1914.
Das Rheingebiet oberhalb Basel.
219
.^'\^>^
VI 0 r p h oie n^ ti s^h^^FzTeTeTRJ^^
Abbild. i6.
Dagegen führte die U n t e r s u c h u n g der R a n d 1 a n d -
Schäften weiter^) : im T a f e 1 j u r a wurde die Unmöglichkeit er-
kannt, die Auflagerung s fläche der bis loo m mächtigen Xagel-
1) G. Braun: Z. Morphologie d. Umgebung von Basel II. Verh. Xaturforsch.
Ges. Basel 28. II. 1917.
220 Gustav Braun:
fluli (Pmxtf)rfs vindobonischc Fläche) mit der heutigen Oberfläche zu
identifizieren, die sich vielmehr unter spitzem Winkel schneiden. Das
Alter der Anlage der heutigen Oberfläche wurde zu tortonisch-sar-
matisch, obermiozän, bestimmt. Ihre Beschaffenheit war die einer
Fastebene, aus der eine Reihe von Härtlingen aufragte.
Bei der Untersuchung des Seh w^a rzwaldabhanges zeigte
sich bei rund 700 m ein auffälliger Wechsel der Formen : unterhalb
liegen terrassierte, aber sonst fast gleichmäßig zum Rhein hin ge-
böschte Hänge, oberhalb weiter Verebnungcn mit Böschungen zu den
größeren Tälern hin, die weit aus dem Innern kommend, südsüdöstlichc
bis südliche Richtung haben. Diese Verebnungen liegen im kristallinen
Grundgestein, das hier und da noch von Buntsandsteinfetzen bedeckt
ist. Sie fallen also an vielen Stellen mit dem permischen Rumpf
zusammen. Daß sie etwas anderes sind, beweist eine Stelle oberhalb
Waldshut, wo man auf über 3 km Entfernung in 750 bis 880 m Höhe
über eine Fläche dahinwandert, die sämtliche Sedimente vom Haupt-
muschelkalk abwärts abschneidet und dann in das Grundgebirge über-
greift.
Es liegt also auch hier eine Rumpffläche von fast ebener Be-
schaffenheit vor, die sich nach Süden senkt. Es ist wohl erlaubt, sie
mit der obermiozänen Fläche des Tafeljura zu identifizieren, da die
allenfalls auch noch in Frage kommende vindobonischc Fläche hier
schon weit größere Höhen aufweist und eine Fläche vorhanden sein
muß, die den nachvindobonischen Aufschüttungen entspricht. So ergab
sich die Möglichkeit, die obermiozäne Fläche quer über das Rheintal
hinüberzus[)annen und damit sie ihren strukturellen Verhältnissen nach
zu rekonstruieren. Diese Rekonstruktion — mag sie noch so anfechtbar
in Einzelheiten sein — erbrachte für die Anlage des Rheintales, das
ja aus dieser Fläche heraus sich entwickelte, zweierlei Hinweise. Es
ergab sich, daß der Rhein in einer Subsequenzzone, dem Keuper-Lias-
Opalinus- Streifen, angelegt sei, und daß zweitens im Bereich des heu-
tigen Rheintales ursächlich mit der Jurafaltung im Zusammenhang
stehende Faltungen und Verbicgungen aufgetreten seien.
Der Nachweis des Zusammenhanges der Rheintalanlage mit der
Jurafaltung brachte dann auch die Erkenntnis für die Anlage des süd-
rheinischen Gewässernetzes als einer Serie von Folgeflüssen, konsequent
vom Kamm der Auffaltung nach Norden und Nordwesten hin ab-
fließend. Einer von diesen Folgeflüssen zapfte die ältere Entwässerungs-
ader des Mittellandes, die Ur-Aare oder Aare-Donau an einer Stelle
an, wo infolge Fazieswechsels der mächtige harte Hauptrogenstein
ausfällt^) und weiche Schichten ein schnelles Rückschreiten der Erosion
*) So auch A. Buxtorf a. a. O. 1917.
Das Rheingebiet oberhalb Basel. 221
gestatteten. Da die Sundg-auschotter bereits alpine Geröfle fijhren,
ist dieser Vorgang in das Oberpliozän zu setzen.
Wir sind also nun in der Lage, auf das oben als Frage formulierte
Problem eine Antwort zu geben : es liegt auch im Süden des Schwarz-
waldes eine Landschaft vor, die strukturell in den entscheidenden Zügen
Südwestdeutschland gleicht. Sie war nach einer letzten teilweisen
Meeresbedeckung im Obermiozän eingeebnet und enthielt damals ein
zu ihrer letzten Schrägstellung konsequentes Gewässernetz, das vom
Schwarzwald nach der Donau-Aare führte. Infolge tektonischer Be-
wegungen entstand, von der Gegend von Basel aus nach rückwärts
sich in einer Subsequenzzone entwickelnd, ein Vor-Rhein, der der
Donau-Aare die nördlichen Zuflüsse entzog, von dem aus ein südlicher
Nebenfluß schließlich dem Hauptstrom in die Flanke fiel und ihm als
Aare sein ganzes alpines Einzugsgebiet entzog. Die weitere tiefe
Einsenkung der Erosionsbasis in der mittelrheinischen Senke, die weiten
Subsequenzzonen, in denen sich die Entwicklung vollzog, und schließ-
lich die große Wasserfülle des alpinen Einzugsgebietes bewirkten eine
kräftige Ausräumung zwischen W'ialdshut und Basel, ebenso ein
weiteres Eingreifen in das obere Donausystem, das völlig dem Rhein
anheimfallen wird.
Der Rhein ist daher ein Räuber, sein Tal gehört in die Ent-
wicklungsreihe Grand Cafion — Elbecaiion im Eibsandsteingebirge.
Die Ebenheiten zu beiden Seiten sind nur in ihren höchstgelegenen
Teilen Reste einer regionalen Einebnungsfläche, jm übrigen Land-
terrassen.
Nach diesen Feststellungen bietet es natürlich einen hohen Reiz,
diesen Eingriff des Rheins in ein ganz anderes System von Oberflächen-
formen und Flußanordnung räumlich zu verfolgen und die hier im
Rheintal unter günstigen Vorbedingungen gewonnenen Ergebnisse zur
Fixierung weiter abgelegener Oberflächenformen zu benützen. Gehen
wir nach Nordosten gegen das Donaugebiet hin, so dürfen wir er-
warten, ältere Zustände zu finden, während im Mittelland die diluviale
Vereisung und Talvertiefung eine starke Verwischung derselben be-
wirkt haben werden. Es wird daher richtig sein, zuerst das obere
D o n a u g e b i e t in den Kreis der Betrachtung zu ziehen.
Dort hat A. P e n c k schon 1899 die Verhältnisse klargelegt^) ;
A. G ö h r i n g e r ^) hat sodann die Schotter untersucht und nach einer
Gliederung gestrebt, die indessen in ihren Anfängen stecken geblieben
ist. A. P e n c k läßt die miozäne Donau auf der Oberfläche des A\^cißen
^) A. Penck: Thalgeschichte der obersten Donau. Schriften d. \'er. f. d. Ge-
schichte des Bodensees usw. 28. 1899. 117.
2) A. Göhringer: Talgeschichte der oberen Donau usw. Diss. Freiburg 1909.
222 Gustav Braun:
Jura entstehen, auf der vindobonischen Fläche, wie wir heute sagen,
und versucht die Ableitung der heutigen Schichtstufenlandschaft un-
mittelbar aus dieser heraus. Wir wissen heute, daß auch schon die
vindobonische Fläche eine Rumpffläche war, und können zeigen, daÜ
auch hier nicht diese, sondern eine obermio/.äne Fastebene Ausgangs-
fläche ist.
Dieselbe ist uns ausgezeichnet unter den Vulkanen des Hegau
erhalten, wo ihr an Ablagerungen Süßwasser'kalk und Gipse ent-
sprechen, die in enger Verbindung mit den vulkanischen Tuffen auf-
treten^). Das Alter ergibt sich zu sarmatisch (Ühningcr Stufe), die
Höhenlage zu etwa 550 bis 600 m, in der Burghalde bei Thengen zu
750 m. In dieser Höhe aber liegen weiter westlich im Bereich von
Blatt Blumberg der badischen Karte große Ebenheiten über der
hier 100 m mächtigen Nagelfluh, die gegen den Westrand der Xagelfluh-
vorkommnisse auf etwa 850 m ansteigen. Dort stehen wir zugleich
am Rand der harten Malmkalke, von wo aus w'ir über eine weite aber
untiefe Ausräumung hinweg jenseits den Schwarzwald herübergrüßen
sehen. An seinem Abhang linden wir ähnliche Höhen erst wieder in
der Umgebung von Göschweilcr, wo man vom Trigonodusdolomit über
Hauptmuschelkalk, Anhydritgruppe, unteren Muschelkalk auf den
Buntsandstein und langsam weiter ansteigend auf das kristalline Ge-
biet kommt-). Hier liegen in 900 m verarmte Schotter, die w^ohl nichts
anderes als Relikte der Juranagclfluh darstellen^).' Ich finde also hier
oben wiederum wie am Südhang des Schwarzwaldes eine noch heute
wohl erhaltene Rumpffläche von fast ebener Beschaffenheit vor, die
ich mit der Oberfläche der Juranagelfluh weiter östlich identifiziere und
xlaher obermiozän (sarmatisch) nenne.
Wir befinden uns hier tektonisch im Bereich des sogen. ,, Bonn-
dorfer Grabens", und A. Göhringer hat versucht, P e n c k s Dar-
legungen mit dem Hinweis abzutun, er habe die Tektonik nicht
berücksichtigt. Das ist richtig, sie war damals noch unbekannt, aber da
P e n c k mit seinen Überlegungen im Streichen des eingesunkenen
Streifens blieb, wäre eine Heranziehung der Tektonik für ihn nicht
von grundsätzlich ändernder Bedeutung gewesen. Auch ich habe
soeben mit Absicht die Erscheinungen im Streichen des Grabens
verfolgt. Fragen wir uns nun aber, auf den trefflichen tatsächlichen
Feststellungen der badischen Landesgeologen fußend, nach dem Alter
des Grabens und damit seiner Bedeutung für die hier gegebene Ent-
') F. Schalch in Beitr. z. geol. K. d. Schweiz XIX. 2. 1S83.
^) F. Spiegelhalter: Die Tektonik im obersten Teil des Bonndorfer Grabens.
Mitt. Großherz. Bad. Geol. L. A. VI. 2. 1912. Karte,: : 25 000.
^) In der Literatur sehr verschieden gedeutet, meist als diluvial angesehen.
Das Rheingebiet oberhalb Basel. 223
Wicklung, so ergibt sich ganz klar, daß die Versenkung prä-vindobonisch
ist, parallel ging mit der Bruchbildung im Tafeljura.
Das marine Miozän auf Blatt Blumberg liegt im Bereich des
Bonndorfer Grabens zwischen 750 und 800 m Höhe, aiißerhalb des-
selben am Buchberg bei Merishausen in 740, am Randenhorn 805 m
in anderer Fazies, aber unstreitig gleichaltrig^). Aus diesen Ziffern und
einem Blick auf die Karten geht hervor, daß das vindobonische Aleer
hier in eine Landschaft mit größeren Unebenheiten transgrediertc,
als sie im schweizerischen Jura vorlagen, daß aber die Transgression
im Grabengebiet nicht weiter nach Westen reichte, als in den nicht
eingesunkenen Teilen, und daß die marinen Uferbildungen im Graben
noch heute ebenso hoch liegen als außerhalb.
Dies sind aber nicht die einzigen Fingerzeige darauf, daß die
Einsenkung im großen und ganzen schon damals vollzogen und wieder
ausgeglichen war; ein weiterer Hinweis liegt darin, daß in seinem
Bereich alle Schichtgrenzen und Stufen um ein erhebliches Stück (7 bis
IG km) .weiter westlich zu finden sind als im Süden und Norden — der
Einbruch erfolgte eben zu einer Zeit, als die allgemeine Rückverlegung
der Stufen noch nicht so weit fortgeschritten war als im Diluvium.
Schließlich das Argument, mit dem Schalch (19 16) auf die
Jugendlichkeit der Verwerfungen hinweist : die verschieden hohe Lage
der Juranagelfluh in- und außerhalb des Grabens. Es geht nicht an,
eine 100 m mächtige Geröllbildung, bei der sich die Gleichaltrigkeit
einzelner Bänke nicht beweisen läßt, zu derartigen Überlegungen heran-
zuziehen. Wie im Tafeljura sind vielmehr die tieferen Teile der Land-
schaft von mächtigeren Aufschüttungen ver'hüllt worden als die
höheren, an welche die Aufschüttung aber allmählich auch herankam.
Den zweiten Satz, daß nirgends die Tertiärbildungen ohne Unter-
brechung über schon vorhandene ältere Störungen übergreifen, kann
man gerne für das Gebiet von Blatt Wiechs gelten lassen, da nach
dem Bodenseegebiet hin ja wohl in der Tat jüngeres Aufleben der
Störungen besteht.
Durch die vorstehenden Darlegungen, denen sich mühelos weitere
morphologische Deduktionen anfügen ließen (ich wünsche aber
auch Geologen zu überzeugen, denen solche Gedankengänge fremd
zu sein pflegen), glaube ich den Nachweis erbracht zu haben, daß zum
mindesten der Hauptteil des Bonndorfer Grabens in dem Stück zwischen
Jura und Schw^arzwald dem Hauptausmaß der Störung nach prä-
vindobonisch sei — womit ich spätere Bewegungen keinesfalls ablehne.
Die Vorbedingungen für die Rekonstruktion der sarmatischen Fläche.
^) F, Schalch: Das Tertiärgebirge auf dem Reyath Kant. Schaffhausen.
Mitt. Großh. Bad. Geol. L. A. \'II. 2. 1914. — Erl. zu Blatt Wiechs-Schaffhausen. 1916.
224 Gustav Braun:
von der wir ausgingen, sind also auch hier gegeben. Wir kehren
also zu ihr zurück und wenden unser Augenmerk auf die weite untiefe
Ausräumung, in welche wir vom Randen, Buchberg, Eichberg usw.
hinabblicken. Sie ist 12 bis 13 km breit — erreicht damit die Aus-
maße des erweiterten Rheintales zwischen den Resten der sarmatischen
Fläche im Tafeljura und Schwarzwald bei Waldshut; sie ist aber etwa
750 m hoch, also nur 100 bis 150 m gegenüber der sarmatischen Fläche
vertieft. Diese Ausräumung hat mit den heutigen Tälern nichts zu
tun; sie ist auch älter als die diluvialen Talungen, die flach in sie ein-
geschnitten sind. Sie ist eine bemerkenswert ebene Rumpffläche, in
welclier hart und weich ohne bedeutende Stufenbildung nebeneinander
vorkommen. Ich möchte diese Ausräumung für pliozänen Alters halten,
hervorgerufen durch ein Flußsystem, das immer noch in der Richtung
Hegau — Bodensee der Aare-Donau zuströmte, somit ohne Berührung
mit der heutigen sogen, „oberen Donau", über deren Entwicklung die
Ansichten keineswegs geklärt sind. Immerhin scheint aus den Unter-
suchungen von J. S c h a d ^) hervorzugehen, daß die sogen. Dq-Schotter
etwas sehr voneinander Verschiedenes sind, daß man zwischen Tutt-
lingen und Scheer' mehrere Zwlischenstadifen zwischen Obermiozän
und Diluvium hat, und daß während des Pliozän keine Einebnungs-
fläche mehr vorlag, sondern Erosion und Ausräumung auch dort
stattfand.
Auf Grund dieser Überlegungen komme ich dann auch dazu, den
du-Schottern der badischen Karte auf dem Eichberg in über 900 m
Höhe ein wesentlich höheres Alter zuzuschreiben und sie — falls sie
nicht noch älter sind — als mittelmiozän, als Relikte der Juranagelfluh
vom Beginn der Erosionsperiode anzusehen. Es ist ganz ausgeschlossen,
daß die Täler der älteren Diluvialzeit in dieser Höhe gelegen hätten.
Ich fasse das Gesagte zusammen : wir befinden uns im Gebiet einer
Ur-Wutach, die als linker, zur prämittelmiozänen Aufwölbung konse-
quenter Nebenfluß der Aar'e-Donau erscheint. Auch hier erkennen
wir als Ausgangsfläche der heutigen Entwicklung eine regionale
Einebnungsfläche, die etwa zur sarmatischen Zeit ausgebildet war, als
sich im Hegau über ihr Vulkane aufbauten. Eine teilweise Zerschnei-
dung und Ausräumung fällt in das Pliozän. Dann aber erstarrt die
Landschaft: der Einbruch des Rheins in das Aare-Donau-Systcm unter-
bindet die Entwicklung aller Donauzuflüsse. Neubelebung geht erst
vom Rhein aus ; im Keuperstreifen entwickelt sich die heutige \\'utach
nach rückwärts und zapft die Ur-Wutach an, im Streifen der Opalinus-
tone wird das breite Tal des Klettgaus ausgeräumt. Im Ur-\\'^utach-
•
^) J. S c h a d : Zur Entstehungsgeschichte des oberen Donautales von Tuttlingen
bis Scheer. Jahresber. u. Mitt. d. Oberrhein, geol. Ver. N. F. II. 191 2. 127.
Das Rheingebiet oberhalb Basel. 225
i^-ebiet aber ist uns — abgesehen von den Tälern — pliozäne Topographie
erhalten, da im oberen Donaugebiet die diluviale Talverliefung noch
kaum eingesetzt hat, ganz anders wie im Rheingebiet.
Richten wir unsern Blick zu zweit auf das AI i 1 1 e 1 1 a n d. Die
Grundlinien seiner Entwicklung hat Ed. B r ü c k n e r i) dahin fest-
gelegt, daß er als Basis des älteren Deckenschotters die sogenannte
„präglaziale Fläche" als eine Rumpfebene aufwies, die vom Aare-
durchbruch an gegen die Alpen ansteigt. Später gab dann R. Frei
Rekonstruktionen dieser Fläche-), die freilich mangels morphologischer
Schulung nur als sehr rohe Annäherungen anzusehen sind. Noch weiter
zurück in seinen Darlegungen als Brückner ging O. F r e y 3). Er
weist auf die ungleichmäßige Verbreitung der Molassestufen hin, betont
das Fehlen der oberen Süßwassermolasse in weiten Teilen des Alittel-
landes, in denen sie einstmals vorhanden gewesen sein muß, und schildert
demgemäß das Molasseland zu Ende der Miozänzeit als ein Tiefland
etwa vom Charakter der Poebene, dessen Oberfläche — mindestens im
Westen des Mittellandes — wesentlich höher gelegen habe, als die
heutige Oberfläche liegt. Aus dieser Oberfläche heraus habe sich dann
die Faltung des Jura vollzogen, an dessen Fuß die Aare-Donau durch
die alpine Zuflüsse gedrängt wurde.
Jüngst hat A. H e i m"*) ein Kärtchen der Verbreitung der Molasse-
stufen gegeben, auf dem man ohne weiteres sieht, daß der West- und
Nordwestrand der oberen SüdAvassermolasse ein zerfranster Erosions-
rand ist, dort flach und topographisch unmerklich, wo die Molasse
weich ist, dort schärfer markiert, wo sie wie im Napfgebiet aus harter
Nagelfluh besteht, immerhin auch dort infolge allgemeiner glazialer
Abhobelung nicht gerade eine Stufe bildend. Es dürfte danach also
feststehen, daß die sarmatische Oberfläche — wenn sie überhaupt er-
halten ist — nur dort noch vorkommen kann, wo auch noch die obere
Süßwassermolasse erhalten ist.
Das Problem steht nun so: ist die sogen, „präglaziale Landober-
fläche", deren Lage und Verlauf sich aus der Rekonstruktion der Auf-
lagerungsfläche des älteren Deckenschotters ergibt, teilweise oder ganz
auch noch die sarmatische Fläche?
In dieser Fragestellung liegt zugleich der Hinweis auf diejenige
Gegend, in der man der Antwort nachzugehen hat : das Rheintal ober-
' I Ed. B r ü c k n e r in A. P e n c k - Ed. B r ü c k n e r : Die Alpen im Eiszeit-
alter. II. 1909.
2) R. Frei: Monographie d. Schweiz. Deckenschotters. Beitr. z. geol. K. d.
Schweiz. N. F. 37. 1912.
3) O. Frey: Talbildungen und glaz. Ablag, usw. N. Denkschr. 41. 2. 1907.
*j A. Heim: Geologie der Schweiz. (2. Lief. 1916.) 120.
226 Gustav Braun:
halb Waldshut, wo die sarmatische Fläche noch erhalten ist und
zugleich Deckenschotter vorkommen. Vielleicht läßt sich dort auch ein
Anhaltspunkt dafür gewinnen, wie weit die i^urchtalung zum Rhein
hin in präglazialer Zeit bereits fortgeschritten war.
Die Gegend zwischen der Lägern und dem Rhein, wo reichlich
Deckenschotter erhalten sind, ist von vornherein auszuschließen, da
hier die Molasse noch stark von der Jurafaltung mit ergriffen ist. So
lenken sich denn unsere Blicke nach dem Irchel, an dem in der Tat
die Auflagerungsfläche des älteren Deckenschotters (680 bis 685 m nach
R. Frei) so hoch liegt, daß sie dem Niveau der Oberfläche der Süß-
wassermolasse jenseits des Rheines und damit dem Niveau der sarma-
tischen Fläche in dieser Gegend nahe kommt. Weiter östlich käme
der Schiener Berg mit Deckenschotter in 680 m Höhe, selbst 710 m
hoch, und die Deckenschojter bei Bodman 670 bis 690 m, auf dem Sipp-
linger Berg 660 bis 690 m^). Auf fast 50 km Abstand mangelt also
jedes Gefäll. Im Thurgebiet, südlich vom Bodensee, liegt das mittlere
Niveau der Landschaft wiederum in 700 m Höhe.
Wir kommen also zu dem Ergebnis, daß hier die präglaziale Fläche
stellenweise im Niveau der sarmatischen liegt, vielleicht sogar auf
weitere Gebiete hin. Um das feststellen zu können, sind indessen noch
eingehende Untersuchungen im Felde nötig, die sich auf die Frage
zu erstrecken hätten, ob die Basisfläche der älteren Deckenschotter im
großen und ganzen die Oberfläche der oberen Süßwassermolasse ist
oder ob eine Erosionsfläche vorliegt, die in nach Süden zunehmendem
Maße aus der Molasse herausgeschnitten ist.
Immer abeT erscheint auch hier das Gewässernetz in seiner
Anordnung fremd und eigenartig. Im Gewässerknoten von Waldshut
ist der Rhein nächst der angezapften Aare der mächtigste Fluß und
nicht die subsequente Wutach oder die Klettgau-Bäche, der Rhein,
der doch den harten Kalkrand des Mittellandes durchbricht. Die
Ursache ist die diluviale Vereisung, durch welche erst das Bodensee-
gebiet, das Gebiet von Glatt, Töß und Thur an den Rhein angeschlossen
w^urden. Diesen Vorgang möchte ich in die Zeit des älteren Decken-
schotters ansetzen, der sich in mächtiger Decke über der prädiluvialen
Oberfläche ausbreitete und dessen Schuttkegelform die links vom
Rheintal austretenden Gewässer nach links abdrängte, so daß sie durch
Lücken des Kalkrandes zum Rhein abströmten. Damit gewannen sie
den Anschluß an dessen sich senkende Erosionsbasis, und es begann
ihre Eintiefung in der Günz-Mindel-Interglazialzeit, die dann allmählich
zum heutigen Bild führte. Angesichts des geringen Widerstandes der
*) A. PenckinPenck-Brückner: Die Alpen im Eiszeitalter. IL 1909. 400.
Das Rheingebiet oberiialb Basel. 227
Molasse waren damit erhebliche Ausräumungen verbunden, einerseits
im Inneren des Molasselandes (Thurgebiet), anderseits infolge d€r
großen ihm entströmenden Wassermassen auch außerhalb (Klettgau-
Rhemtal und Bodenseegebiet).
Mit der Berührung dieses Problems mögen meine Untersuchungen
für jetzt enden, denn hier tritt ein neuer Faktor bestimmend auf- die
diluviale Vereisung. So ist denn der Bogen geschlossen, der das
Rh€ingebiet oberhalb Basel und dem Aaretal in sich schließt und die
aus der Untersuchung des Tales zwischen Basel und Waldshut
gewonnenen Ergebnisse sind so weit verfolgt worden, als es im Rahmen
des Flußgebietes möglich war. Wir sahen die südwestdeutsche Stufen-
landschaft sich zuspitzen gegen Basel hin, wo sie verschwindet; wir
sahen, daß sie hier schon ihr ursprünglich fremde Charaktere' auf-
weist, daß insonderheit die Jurafaltung sie schon beeinflußt hat
Weitere Bedeutung dürfen die Ergebnisse nur noch für das Verständnis
der Formen des Schwarzwaldes besitzen, eines Gebietes, das dem
Baseler im Kriege verschlossen war. So sei denn aus den Unter-
suchungen in knappster Form dasfürdieerklärende Erd-
beschreibung wichtige Resultat wie folgt zusammen-
gefaßt :
Die Rheintallandschaft oberhalb Basel vom Gempenplateau bis
über den Randen hinaus ist eine Schichtstufenlandschaft mit ab-
normer Entwässerung. Sie hat sich kontinuierlich aus einer regional
verbreiteten Einebnungsfläche sarmatischen Alters dadurch ent-
wickelt, daß ihr linker Flügel von der Jurafaltung ergriffen wurde
und dort ein Fluß entstand, dem es gelang, unter Durchbrechung
des Ihm tektonisch gespannten Rahmens, sich ein überaus weites
Einzugsgebiet anzugliedern. Diese Verstärkung führte - unterstützt
von wiederholten Senkungen der Erosionsbasis _ zur Ausräumung
eines weiten tiefen Tales und der Angliederung weiterer Zuflüsse
Unter dem Einfluß der diluvialen Vereisung erfolgte endlich der
Anschluß des Bodenseegebietes, des alpinen Rheins und damit der
Zusammenschoß der Rheintallandschaft oberhalb Basel in ihren ver-
schiedenen Abschnitten. Das Rheintal selbst ist tektonisch-subse-
quent; seine Flanken sind weite Ausräumungszonen zwischen dem
Hartlingsraum des Schwarzwaldes und der Stirn der alpinen Über-
schiebungen und Auffaltungen.
Der hier behandelte Stoff wurde am i. Juli 19 17 auf der Ta-uno-
des Verbandes der Schweizerischen Geographischen Gesellschafte^'n in
Zunch vorgetragen. Die Karte beruht auf Durcharbeitung des ge-
samten mir erreichbaren Materials an Karten, Profilen und Texten, die
Zeitschr. d. Gesellsch. f. Erdkunde zu Berlin, igig. Nr. 5 6. - ;^6
228 Gustav Braun:
zum Teil oben und vollständig in meinen beiden Arbeiten ,,Zur Mor-
phologie der Umgebung von Basel" I, 1914 und II, 1917 zitiert sind.
Sie will nur eine Skizze sein, nur zeigen, wie ich mir die Dinge denke,
und ist gegen den Rand hin immer weniger ausgefiahrt. Die Ein-
teilung auf der Karte gibt das Xetz der i : 100 oooteiligen Karte des
Deutschen Reiches und der Schweiz.
Nachschrift.
\'orliegende Arbeit ist im Juni 1917 abgeschlossen. Die lange,
sonst unerwünschte Verzögerung bei der Drucklegung gibt mir die
erwünschte Gelegenheit, zu Angrififen Stellung zu nehmen, die sich von
geologischer Seite gegen meine Arbeiten (,,Zur Morphologie der Um-
gebung von Basel" I, 19 14, II, 19 17) richten. Diese Angriffe gehen von
W. D e e c k e aus und stehen in seiner ,, Morphologie von Baden",
Berlin 1918 (vornehmlich S. 185 und 284).
Auf die vielen Einwände des Buches gegen die moderne
Morphologie im allgemeinen, mit denen hier jemand, der sie
ganz augenscheinlich nicht kennt und in ihren Zielen mißversteht,
seinem Herzen Luft macht, auf die überall durchscheinende Abneigung
gegen die Geographie überhaupt, gehe ich hier nicht ein. Es sei auf
diese Tendenz des Buches hier nur darum hingewiesen, weil dieselbe
jede sachliche Diskussion mit dem Verfasser als von vornherein un-
fruchtbar erscheinen läßt. Wenn D e e c k e eine morphologische Karte
einer ihm angeblich genau bekannten Gegend ohne Namen nicht lesen
kann, obwohl in der nächsten Tafel meiner Arbeit dieselbe Karte mit
vollem Gewässernetz und Isohypsen mit 50 m Abstand gegeben ist,
dann fehlen eben die unentbehrlichen Grundlagen, die beiden Autoren
nötig sind, wenn bei einer Diskussion etwas herauskommen soll.
Ich stelle also nur fest, daß D e e c k e s Einwendungen sich gar
nicht gegen die geographisch wichtigen Ergebnisse meiner Arbeit
(II, S. 335) wenden, sondern daß D e e c k e nur einen Teil meiner Nach-
weise bestreitet, indem er mir die Beweislast dafür zuschiebt, daß die
Verwerfungen im Tafeljura niemals seit "clem Obermiozän aufgelebt
seien und meine Rumpfflächenrekonstruktionen ablehnt. Nun, über die
Verwerfungen hat sich A. Buxtorf bereits geäußert — er rekon-
struiert sogar die ältere vindobonische Rumpffläche — , und sodann
habe ich die verlangten Beweise eben morphologisch geführt. Das
versteht Herr D e e c k e eben nicht. Was aber das Gesamtergebnis
anbelangt, so sei hier zum Schluß aus A. Heim: , .Geologie der
Schweiz", Lief. 6, 19 18 (Manuskript abgeschlossen Sommer 19 16 —
meine Arbeit erschien März 1917), folgendes angeführt:
S. 566: ,, Talweg und \"eiwerfungen, neue Form und alter Bau
Das Rheingebiet oberhalb Basel. 229
nehmen im Tafcljura fast keine Rücksicht aufeinander. Die durch die
Dislokationen vormiozän vorübergehend geschaffene Urographie muß
also wieder vollständig überwältigt und von der Erdoberfläche weg-
gewischt worden sein, bevor die Anfänge der jetzigen Talbildung ein-
gesetzt haben. Die war bereits zur Alittelmiozänzeit geschehen
Längst ist festgestellt, daß ein sich einschneidender Fluß nicht nach
rechts und links fragt, sondern sich eben da vertieft, wohin die jetzt
verschwundene ursprüngliche Festlandsfläche ihn gewiesen hat
Die Reste der endmiozänen Oberfläche blieben als relativ stabile
Plateaufläche zwischen den Talfurchen erhalten."
S. 568: ,,Die Verwitterung . . . hat in der Gesamtgestalt den
oligözän entstandenen inneren Bau ganz zur Unauffälligkeit über-
Avältigt."
S. 567 : „Es gibt nun allerdings Geologen, welche entgegenhalten,
man sehe oft noch jetzt in der Form sofort die Tektonik (Beispiele).
Gewiß, solche Fälle sind reichlich anzuführen, sobald wir das feinere
Detail der Formen prüfen. Hier ist aber stets die Form nicht durch
die Dislokation direkt erzeugt worden, sondern die Verwitterung hat
den Dislokationsbau erst später und heute wieder herauszuschälen und
sichtbar zu machen vermocht, da wo er während einigen geologischen
Zeitabschnitten verdeckt geblieben war."
Darauf folgt S. 570 und Taf. XXI eine Tabelle und eine Zeich-
nung, die die Entwicklung des Tafeljura ganz im Sinne meiner Aus-
führungen darstellt, und S. 571 ein durchaus zustimmendes Referat
meiner Ergebnisse, die ja in der Tat nichts anderes sind, als was
Heim oben ausführt. Ich befinde mich also in guter Gesellschaft.
Greifswald, Juni 19 19.
Glaziale und pseudoglaziale Formen im westlichen
Kleinasien.
Von Professor A. Philippson.
Wenn auch die glazialen Formen — Kare, übertiefte Trogtäler,
Moränen — klar und unzweideutig zu sein scheinen, wo sie sich in einer
Lage finden, in der man eiszeitliche Vergletscherung vermuten kann,
so begegnen dem Beobachter doch zuweilen ganz ähnliche Formen
dort, wo eine eiszeitliche Vergletscherung unwahrscheinlich oder un-
möglich ist, und geben dann zu Zweifeln und schwierigen Fragen
Veranlassung. Ich brauche nur an die Erörterungen über die frag-
lichen Kare in tiefer Lage in der Rhön und an so manche andere
16*
230 ^- Philippson:
zweifelhafte Gletscherspuren in deutschen Mittelgebirg-en zu er-
innern. Auch die innere Struktur von scheinbaren Moränen, sofern
nicht gekritzte Geschiebe darin gefunden werden, gibt 'meist kein
sicheres Kriterium, um sie von Bergstürzen, Schutthalden u. dgl. zu
unterscheiden. Das trifft besonders für solche Fälle zu, wo es sich
nur um kleine Lokalgletscher handeln kann, deren Zuzugsgebiet ein-
facher geologischer Zusammensetzung ist, so daß keine fremden Ge-
steine darin erwartet werden können.
So haben mir auch zahlreiche, scheinbar glaziale Formen im
westlichen Kleinasien bei meinen dortigen Reisen manche Stunde des
Zweifels und innerer Unruhe verursacht. Ich habe diese Beobach-
tungen in meinem Reisewerk („Reisen und Forschungen im west-
lichen Kleinasien", Petermanns Mitteilungen, Erg. Hefte 167, 19 10;
172, 191 1; 177, 1913; 180, 1914; 183, 1915, s. Register: ,, Glaziale,
pseudoglaziale Formen"; ,, Moränen") einzeln beschrieben und er-
örtert, möchte sie aber hier noch einmal zusammenfassend darstellen,
da sie in dem Reisewerk zerstreut, trotz des Registers, der Beachtung
leicht entgehen und sie mir doch dieser wert zu sein scheinen.
Die einzigen Formen in Westkleinasien, die ganz unzweifelhaft
eiszeitliche Gletscher beweisen, und zwar kleine Kargletscher, ent-
deckte ich am 17. Juni 1902 an der Nordseite des Hochkammes des
Mysischen Olymp (Keschisch-Dag). Dieser mächtige, von
Konstantinopel aus sichtbare Berg erhebt sich im Südosten des
Marmarameeres, 35 km von der Küste, unmittelbar über der Stadt
Brussa als ein langer, WNW streichender Rücken, der als Rand-
gebirge des inneren Hochlandes das regenreiche pontische Klima im
N von dem trocknen Steppenklima hn S scheidet. Der Flochkamm,
bis 2550 m hoch, besteht aus metamorphischem Kalk und bildet eine
schmale wellige Hochfläche ; darunter tritt auf der Nordseite, etwa
200 bis 300 m tiefer, unter der steilen Felswand des Kalkes Granit
hervor; auch nach W hin, südlich der Alphütten Kyrkbunar (,, Vier-
zigquellen"), 1790 m, hört der Kalk auf und bildet der Granit die
Fortsetzung des Kammes, der hier nur noch wenig über 2000 m hoch
ist. Der Kamm fällt nach N steil ab zu einer breiten, aber hügeligen
Ter'rassenfläche im Granit, die sich am Kamm entlang von O nach
W von 1900 auf 1600 m senkt, aber von Bächen in nördlicher Rich-
tung gequert wird. Diese fließen in flachen sanften Tälchen durch
die t3^pische Granitlandschaft der Terrasse, welche überall Blockver-
witterung und rundhöckerartige Formen zeigt, die aber auch sonst
dem Granit eigentümlich, nicht glazial sind. Am Nordrande der
Terrasse stürzen dann die Bäche in steilen Schluchten zur nahen
Ebene von Brussa herunter.
Glaziale und pseudoglaziale Formen im westlichen Kleinasien. 231
An der Nordseite des Hochkammes, also auf der niederschlag-
reichen Seite, liegt über jener Terrasse eine Reihe prachtvoller^
Kare^) (s. Fig. i, Abbild, i) ; ihre Felswände bestehen aus Kalk, ihr
Boden, bereits in dem unterlagernden Granit, enthält kleine Seen,
W" Westgipfel des Hochkammes \^- Kyrkbunar
a,b= Doppelkar W- Ufermoräne des Doppelkar-Gletscbers
.v.V;;:- Moränenschutt A * zweifelhaftes Kar \''} Karboden
Fig. I. Die Kare am Mysischen Olymp.
die zur Zeit meines Besuches (Juni) noch zum Teil mit mächtigem
Schnee bedeckt waren. Am deutlichsten ist das westlichste Kar dieser
Reihe. Es ist ein Doppelkar insofern, als ein scharfer Vorspfung der
^) Nach mir besucht von C v i j i 6 (Beobachtungen über die Eiszeit auf der
Balkanhalbinsel usw., Zeitschrift für Gletscherkunde III. 1908/09, daselbst auch
Kartenskizze , die von meinen Aufnahmen etwas abweicht) und von W. P e n c k
(Die tektonischen Grundzüge Westkleinasiens, Stuttgart 191 8, S. 39).
232 A. Philippson:
Rückwand es in zwei nebencinandcrlicgcndc Nischen teilt. Davor
liegt ein großer Moränenwall, als Ufermoräne der schräg aus dem
Kar gegen Kyrkbunar gerichteten Gletscherzunge, die außerdem
Grund- und Endmoränenhaufen zurückgelassen hat. Sie endete bei
1900 m ü. AI. Der Boden der Kare Hegt bei 2150 bis 2250 m^) etwa
300 m unter den höchsten Gipfeln; danach muß die zugehörige
Schneegrenze bei ungefähr 2200 m gelegen haben. Die Formen und
Moränen sind so frisch, daß es nicht zweifelhaft sein kann, daß sie
der jüngsten Eiszeit angehören. (Das Nähere s. ,, Reisen und
Forschungen" III S. 75; Abbildung in meinem ,, Mittelmeergebiet".)
Unmittelbar westlich von dem Doppelkar, dort wo der Kalk auf
dem Kamm aufhört und der niedrigere Granitrücken beginnt, greift
eine viel größere, aber sanft-trichterförmige Nische in den Kamm ein,
die sich gegen Kyrkbunar öffnet. Cvijic hat diese Nische ebenfalls
als Kar beschrieben und abgebildet; nach diesem Forscher schließt
sich daran ein „Zungenbecken" an, das bis Kyrkbunar hinabreicht.
Ich habe diese große Nische nicht unzweifelhaft als Kar ansprechen
können, auch das „Zungenbecken" habe ich nicht als solches erkannt;
Nachprüfung w'äre erwünscht. Da ich die Höhe von Kyrkbunar
durch Siedethermometer auf 1790 m bestimmte, würde dieses
,, Zungenbecken" demnach bis etwa 1800 m herabreichen^). Sollten
diese verschwommenen Formen wirklich glazial sein, so dürften sie
der vorletzten Eiszeit zuzuschreiben sein, deren Schneegrenze dann
bei 1900 m anzusetzen wäre.
Die kleinen eiszeitlichen Gletscher an der feuchten Nordseite des
Mysischen Olymp stimmen in ihrem Auftreten und ihrer Höhenlage
völlig befriedigend mit den Beobachtungen in der Balkanhalbinsel
überein (vgl. Cvijic a. a. O. S. 10 f. ; am Thessalischen Olymp
z. ß. fand C. Kare in 2200 bis 2500 m Höhe) ; die diluviale Schnee-
grenze lag hier in der Höhe, die man erwarten konnte. Daher ist
die Annahme W. P e n c k s einer nachdiluvialen Hebung des Olymp
unwahrscheinlich.
Man müßte daher erwarten, daß die eiszeitliche Schneegrenze in
Kleinasien vom Mysischen Olymp nach Süden und in das Innere des
trockenen Hochlandes hinein ansteige, und da in meinem Reisegebiet
keine höheren Gipfel als der Olymp vorhanden sind"^), demnach auch
^) Nach Cvijic 2200 bis 2300 m. Nach W. Penck setzt sich die Karreihe
ostwärts fort mit Höhen von 2000 m.
^) Die Höhenangaben Cviji6s weichen erheblich von den meinigen ab, die
ich aber für richtiger halte, da C. nichts darüber angibt, wie er seine Höhen ge-
messen hat.
3) Der von mir nicht besuchte Ak-Dag in Lykien (^3030 m) bleibt außer Betracht.
Glaziale und pseudoglaziale Formen im westlichen Kleinasien. 233
keine anderen Gipfel vergletschert gewesen seien. In der Tat habe
ich an den meisten Hochgipfeln Westkleinasiens keine Spur von
glazialen Formen gefunden (Ak-Dag bei Gedis 2094 m; Murad-Dag
2330 m, beide im Phrygischen Hochlande; Chonas-Dag 2515 m; Buba-
Dag 2315 m, beide im S des Beckens von Hierapolis an der Grenze
Phrygiens und Kariens, und viele unter 2000 m). Dagegen beobachtete
ich an einigen Gipfeln, die erheblich niedriger sind als der Olymp, und
auch sonst in auffallend niedriger Lage, Formen, die glazialen äußerst
ähnlich sehen, ja z. T. unbedenklich als solche anzusprechen wären,
wenn nicht die tiefe Lage Bedenken erregte.
An dem 2085 m hohen Egrigös-Dag (Grenze zwischen
Phrygien und Alysien) finden sich auf der östlichen Seite des Gipfels
zwei muldenförmige Hochtäler von etwa 1900 m Höhe, mit unebenem
buckligen Boden, in den sich kleine Erosionsschluchten eingeschnitten
haben (R. u. F. HI S. 31, Abbild. 4). Da diese scheinbar glazialen
Formen im. Granit liegen, ist es nicht ausgeschlossen, daß es sich nur
um die bekannten Verwitterungsformen dieses Gesteins handelt.
Am Ak-Dag bei Simav (im Waldgebirge des südöstlichen
Mysien) stürzt der 2168 m hohe, aus einer ziemlich breiten Tafel von
Trachyt bestehende Gipfel nach Norden zu einem Taltrichter ab, zu
dem mehrere steile Runsen konvergieren. Der Boden des Trichters, in
etwia 1700 m. ü. M., ist hügelig und enthält einen kleinen See. Da
ich den Trichter nur von oben gesehen habe und sein Boden dicht be-
waldet ist, bleibt auch hier die Diagnose zweifelhaft (R. u. F. III S. 18).
Im südlichen Karien, also weit im Süden, erhebt sich das Serpen-
tingebirge Sandras-Dag zu ungefähr 2500 m. An der Nordseite,
unmittelbar an dem Gipfel, sah ich, leider nur von weitem, drei kar-
ähnliche Nischen. Da ich sie nicht besucht habe, bleiben auch sie
unsicher. — Wenn diese drei zweifelhaften Fälle wirklich glazial sind,
so würde die Schneegrenze an den beiden nördlicheren Bergen bei un-
gefähr 1900 m, am südlichen Berg, Sandras, bei etwa 2300 m gelegen
haben. Das würde verständlich sein, wenn es sich um die vorletzte,
tiefer hinabreichende Eiszeit handelte, die am Olymp vielleicht eben-
falls bei 1900 m liegt, während die 2200-m-Schneegrenze der frischen
Kare des Olymp der letzten Eiszeit angehört.
Am interessantesten ist aber eine Gruppe von breiten, wannen-
förmigen Tälern im mittleren Tmolos-Gebirge^).
Der Tmolos ist ein breiter Wall aus kristallinen Schiefern zwischen
den Grabenebenen des Hermos im Norden, des Kayster im Süden.
Seine Oberfläche ist eine stark gewellte Rumpffläche, die nach beiden
Gräben hin, besonders nach Süden zur Kayster-Ebene, mit steilen
1) R. und F. II, S. 68ff. "
234 ^- Philippson:
Flanken abfällt. Während diese Flanken von jungen steilen Tälern
eingekerbt sind, wird die, Rumpffläche von mehreren sanften reifen
Hochtälern von S nach N durchzogen, deren breiter Boden von mäch-
tigem Schutt und Schottern erfüllt ist und je eine Talwasserscheide
enthält. Es sind Stücke alter Flußtäler, deren Oberläufe durch den
jungen Einbruch der Kayster-Ebene abgeschnitten sind, die also aus
einer Zeit stammen, als die Rumpffläche des Tmolos sich noch weiter
nach S bis zum Messogis-Gebirge ausdehnte und zugleich noch in ge-
ringer Meereshöhe lag. Diese alten Talstücke sind dann nach der
Hebung von den Flanken her durch die jungen Erosionstäler an-
geschnitten worden. Irgendwelche glazialen Formen enthalten sie, mit
Ausnahme der gleich zu erwähnenden, nicht, es liegt aber auch zu-
nächst kein Grund vor, ihre Entstehung etwa für postglazial zu halten.
Denn die Höhe der alten Täler im westlichen Tmolos ist zwischen
650 und 900 m, die der Rumpfschwellen 1000 bis 1200 m, so daß Ver-
gletscherung hier nicht erwartet werden kann.
Im mittleren Tmolos dagegen erhebt sich, südlich der alten Lyder-
hauptstadt Sardes, auf dem hier etwa 1500 m hohen Rücken des Rumpf-
gebirges, und zwar an dessen Südrand, der isolierte, pyramidenförmige,
aus Gneis bestehende Gipfel Bos-Dag zu 2129 m (s. Fig. 2). Der
Durchmesser seiner Basis auf der Rumpffläche ist nur etwa 4 km. Nach
S fällt er unmittelbar zur Tiefebene des Kayster ab; nach O und W
liegt er auf der wasserscheidenden Linie, während sich nach N die
Rumpffläche in etwa 8 km Breite ausdehnt bis zu dem stark zertalten
Abfall zur Hermos-Ebene. Der Gipfel selbst ist frei von glazialen
Formen. Dagegen sind zwei vom Bos-Dag nach-N durch die Rumpf-
fläche ziehende Täler^) — das Tal Tschavdal (das östliche) und
das von Bosdagköi (das westliche) — in einer Höhe von etwa
iioo m ü. M. auf eine Länge von etwa 3 km wannenartig aus-
geweitet, mit breitem ebenen Schuttboden, von Wiesen bedeckt, in
denen die Bäche mäandrieren. Die Gehänge der Täler steigen ziemlich
gleichmäßig mit mäßiger vSteilheit zu den benachbarten Rücken von
etwa 1300 m ü. M. (200 m relativ) an ; es fehlt also das typische
U-Profil. Nach abwärts werden die Täler durch einen Gebirgsriegel
abgeschlossen, in dem die Rumpffläche wieder bis etwa 1500 m steigt.
Dieser Riegel wird von den Abflüssen der beiden Täler in engen,
"V-förmigen jungen Schluchten durchbrochen, die sich mit steilem
Gefäll zur Hermos-Ebene hinabsenken. Das auffälligste ist aber, daß
mitten in dem Rücken, der die beiden wannenartigen Täler vonein-
ander trennt und sich an einen Sporn des Bos-Dag anschließt, ein rund-
licher Kessel von über i km Durchmesser eingesenkt ist, ebenfalls mit
1) R. und F. II, S. 70 f.
Glaziale und pseudoglaziale Formen im westlichen Kleinasien. 235
sanften Rändern, in der gleichen Weise nach N abfließend durch eine
Schlucht; der ebene Boden des Kessels, mit Moor erfüllt, liegt etwa
200 m höher als die beiden Nachbartäler, nämlich bei 1300 m. Er trägt
den Namen Günalan (Abbild. 2 sowie Abbild. 14 in R. u. F. II).
B = Bos-Dag B h = Bosdagköi
6= Göldjük Ga= Günalan Jg, Tschavdal
Höhenlinien im Abstand von etwa 100 m.
Fig. 2. Die Täler am Bosdag (im mittleren Tmolos).
Der Anblick dieser Talformen, namentlich vom Gipfel des Bos-
Dag aus, ist so charakteristisch glazial, daß ich trotz des Fehlens von
Karen, Moränen, Rundhöckern nicht daran zweifeln würde, daß sie
durch Gletscher, die vom Bos-Dag herabstiegen, wannenartig erweitert
und vertieft seien, wenn nicht ihre tiefe Lage und die sonstigen ört-
lichen Verhältnisse große Bedenken erregten. Die Gletscher müßten,
von dem schmalen und steilen Bos-Dag aus, der für größere Firn-
236 ^- Philippson:
mulden keinen Raum g-ewährt, bis zu einer Entfernung von 5 km vor-
gedrungen sein. Die Schneegrenze könnte höchstens bei etwa 1400 m
angenommen werden, was selbst für die vorletzte Eiszeit viel zu niedrig
erscheint ; und wie ein Gletscher gerade auf dem L ä n g s r ü c k c n
den Kessel Günalan ausarbeiten konnte, ist nicht zu verstehen.
In das Tal von Bosdagköi mündet von W das Tal von T e k k c ,
das, entsprechend der allgemeinen Richtung der Tmolostäler, auch von
S nach N verläuft. Es nimmt seinen Ursprung westlich vom Bos-Dag
in der Linie der Wasserscheide des Gebirges, und zwar mit einer Tal-
wasserscheide von 1189 m ü. M., an der sein Überlauf durch den Steil-
absturz zur Kayster-Ebene nach S abgeschnitten ist. Als Tal eines
ehemals größeren Flusses hat es geringes Gefälle und einen Talboden,
der sich allmählich zur Wanne von Bosdagköi hin verbreitert, aber
ohne ausgesprochene Anzeichen der Gletscherwirkung.
Wohl aber zeigt das nächstwestliche Hochtal, das von G ö 1 d -
j ü k^) (Abbild. 3), wieder völlige Formengleichheit mit denen von
Tschavdal und Bosdagköi ; ja der obere Teil seines etwa i km breiten
Bodens ist von einem 2 km langen, bis 400 m breiten See ein-
genommen, der in der Mitte etwas verengt ist. Sein Spiegel liegt bei
1029 m und ist von prächtigen Baumkulturen, Wiesen und Alais-
feldern eingerahmt; seine Ufer sind vielfach sumpfig; an der Ostseite
wird er von zahlreichen Quellen gespeist. Von seinem, unteren nörd-
lichen Ende erstreckt sich, vom Ausfluß des Sees durchzogen, ein sanft
nach der Mittellinie geneigter Wiesenboden noch 3 km weiter, so daß
die Länge des ganzen Hochtales 5 km beträgt; dann verengt sich das
Tal und nimmt steileres Gefälle an; es beginnt das junge Tal des
Nordabhangs des Gebirges. Der See dürfte also innerhalb der Tal-
wanne durch seitliche Schwemmhalden, die jetzt von den Wiesen be-
deckt sind, aufgestaut sein.
Die Rücken zu beiden Seiten des Tales sind nur 200 m höher, er-
reichen nur an einzelnen Stellen 1300 m ü. M. Mit dem Bos-Dag
hat das Tal gar keine Verbindung, sondern dazwischen
schieben" sich zwei Täler und zwei Rücken, letztere von 1200 bis
1500 m ü. M., ein. Das obere Ende des Tales ist keine Talwasser-
scheide, sondern wird von einem niedrigen sanften Felsrücken gebildet,
dessen Paßhöhe nur 36 m über dem See (1065 m ü. M.) liegt. Un-
mittelbar jenseits beginnt der Steilabsturz zur Kayster-Ebene, dessen
Fuß (150 m ü. M., also 900 m unter der Paßhöhe) nur knapp 4 km
entfernt Hegt. Es ist also völlig unerfindlich, von wo der Gletscher
gekommen sein sollte, der dieses Tal wannenartig umgestaltet hätte!
R. und F. II, S. 68 und Abbild. 12. 13.
Glaziale und pseudoglaziale Formen im westlichen Kleinasien. 237
Und doch macht gerade dieses Tal mit seinem Talsee den Eindruck
eines von einem Gletscher geformten Taks.
Wenn man trotzdem die glaziale Entstehung dieser Tahveitungen
aufrechterhalten will — es könnte sich dabei nach dem Fehlen frischer
Formen nur um die vorletzte Eiszeit handeln — , so genügt die An-
nahme einer seitdem vor sich gegangenen Senkung des Tmolos-
Gebirges um etwa 600 m nicht, denn dabei blieb der Talgletscher von
Göldjük, der jeder höheren Bergumrahmung entbehrt, unerklärt.
Sondern man müßte annehmen, daß noch zur vorletzten Eiszeit hier
bedeutende hohe Gebirgsmassen südlich der heutigen Wasserscheide
bestanden hätten, die erst später von dem großen Einbruch der Kayster-
senke verschlungen sind, daß also damals der Bos-Dag sich weiter
nach Süden und Südwesten mit größerer Höhe, als sein jetziger Rest
besitzt, ausgedehnt habe ; der heutige Bos-Dag wäre also nur ein Über-
rest jener abgesunkenen Gebirgsmasse. Diese Annahme ist keines-
wegs unmöglich ; sie würde das isolierte Auftreten dieses steilen
schmalen Berges erklären; auch ist der südliche Absturz am Bos-Dag
und westlich davon recht frisch und noch kaum zertalt. Daß der Ein-
bruch der Kayster-Ebene jünger ist als das Neogen Westkleinasiens,
also mindestens Pliozän, wahrscheinlich sogar quartär, ergibt sich aus
den alten enthaupteten Hochtälern des Tmolos und aus dem Fehlen
des Xeogen in der Kaystersenke sowie aus anderen Gründen^).
Sehen wir uns nach einer anderen Erklärungsmöglichkeit der
wannenartig erweiterten Hochtäler im mittleren Tmolos und ihres
geringen Gefälles, der Durchsägung ihres nördlichen Gebirgsriegels
um, so bleibt nur diejenige übrig-), daß sich die nördliche Zone der
lilumpffläche tektonisch aufgewölbt habe, so daß die oberen Talstücke
aufgestaut, infolgedessen durch Seitenerosion ihrer Bäche verbreitert
wurden, während die Aufwölbungszone durch die Bäche antezedent
durchsägt wurde. Damit würde die z. T. größere Höhe des nördlich
abschließenden Gebirgsriegels gegenüber den Rücken zwischen den
Talwannen übereinstimmen. Dann würde auch die zeitliche Beziehung
dieser Umformung zur Eiszeit fortfallen.
Welche dieser beiden Erklärungen : \'ergletscherung des Tmolos
in der vorletzten Eiszeit mit seitherigem Absinken bedeutenden Hoch-
gebirges unter die Kayster-Ebene — oder tektonische Aufstauung der
Hochtäler — den Vorzug verdient, kann erst im Zusammenhang mit
dem folgenden, ähnlichen Fall erörtert werden.
Im Innern Mysiens, wo der Makestos-Fluß sein großes Knie bildet,
1) Vgl. R. und F. IV, S. 52.
*) Die Entstehung durch Auslaugung unterirdischer Marmormassen (R. und F. II.
S. 71) möchte ich als zu gekünstelt aufgeben.
238
A. Philippson:
in dem er die westliche mit der nördlichen Richtung vertauscht, ist in-
mitten des Gebirg-slandes das kleine Einbruchsbecken von S i n d i r g i
eingesenkt, dessen Schwemmlandsbodcn nur 250 m ü. M. liegt. Im
W und S wird der Einbruch von Gebirge umgeben, das aus neogenem
vulkanischen Gestein (Andesit) besteht und eine ausgedehnte wellige
Hochfläche von 700 bis 800 m ü. M. trägt. Der Abbruch gegen die
Ebene von Sindirgi ist steil und scharf, nur wenig zertalt, augenschein-
lich sehr jung. Über der Hochfläche erheben sich einige wenige kegel-
förmige Andesitberge, so im W von Sindirgi der Berg S c h a h a n -
kaja (1028 m, etwa 200 m über
der Hochfläche), den ich bestiegen
habe. In dieser Gegend wird die
Hochfläche von mehreren mulden-
förmigen Hochtälern mit flachen
Böden in Höhen von 650 bis 750 m
durchzogen, die nach NO plötzlich
und scharf an dem jungen, 400
bis 500 m hohen Steilabsturz enden,
der zur Ebene von Sindirgi hinab-
führt und über den die Bäche mit
steilem Gefälle stürzen. Wir haben
es also auch hier, wie im Tmolos,
mit alten Plateautälern reifer For-
men zu tun, die durch einen
jungen Einbruch abgeschnitten sind.
Eines dieser Hochtäler, K o d j a -
j a i 1 a ^) (s. Fig. 3 und Abbild. 4^
zeigt nun ein besonderes, ganz
Es beginnt an der NO-Seite des
genannten Gipfels Schahankaja, der sehr steil zu dem 300 m tiefer
liegenden Talboden abfällt. Letzterer zieht sich vom Fuße dieses
steilen Talursprungs 2 km weit nach NO, ungefähr 400 m breit,
gegen abwärts sich etwas verengend, so daß das Tal last becken-
artig erscheint. In der Mitte liegt der Boden 735 m ü. M. Die Höhen
zu beiden Seiten sind sanft, mit Kiefern bewaldet; der Wiesenboden
des Tales ist mit flachen Schutthügeln besetzt, zwischen denen mehrere
kleine Bäche fließen; man glaubt, eine Grundmoräne vor sich zu haben.
Am auffallendsten sind zwei Längsdämme, wie Ufermoränen, an
den beiden Seiten des Talbodens entlang, von den Talflanken durch je
einen kleinen Bach getrennt. Der deutlichere Damm ist der
auf der NW-Seite; er ist geradlinig, 10 m hoch, mit scharfem
1) R. und F. III, S. 9 und Abbild, i.
S' Schahankaja
K» Kodja-Jaila
Schuttwälle
Fig. 3. Tal an der Nordseite der
Schahankaja bei Sindirgi.
glazial anmutendes Gepräge.
Glaziale und pseudoglaziale Formen im westlichen Kleinasien.
239
Kamm. Sein Material ist Sand mit eckigen oder halbgerundeten
Blöcken darin, die aus den ringsum anstehenden Gesteinen (auch ver-
sintertem Gehängeschutt) bestehen. Gekritzte Geschiebe habe ich
nicht gefunden, doch ist sonst das Material moränenartig wie die
äußere Form des Walles. Am unteren Ende des ebenen Talbodens
beginnt der Steilabfall zur Ebene von Sindirgi. Hier endigen die
Längsdämme, aber der Talboden sinkt zunächst mit gleichbleibender
Breite hinab, auch hier noch aus Schutt mit unregelmäßigen Hügeln
und Löchern gebildet. Erst 200 m abwärts verengt sich das Tal auf
einer kurzen Strecke, um sich dann wieder zum flacheren unteren Ab-
fall des Gebirgsrandes auszuweiten.
Als ich dieses merkwürdige Tal vom Gipfel der Schahankaja aus
unter mir sah und dann beim Abstieg durchwanderte, sagte ich mir,
daß eine typischere Geländeform, wie sie der Zunge eines kleinen Ge-
birgsgletschers von etwa 3 km Länge mit Grund- und Ufermoränen
entspricht, kaum gefunden werden kann. Und doch, wie sollte hier
ein Gletscher entstanden sein? Seine Schneegrenze müßte bei etwa
900 m ü. M. gelegen haben! Selbst wenn wir nur an die vorletzte
Eiszeit denken, wäre das 1000 m zu tief! Die Versenkung eines
höheren Gebirges hinter der Schahankaja, wie beim Tmolos, ist hier
ausgeschlossen, denn der Einbruch von Sindirgi liegt nicht hinter
dem Tal, sondern vor ihm. Ebenso ist eine lokale Einsenkung der
Talumgebung um mindestens 1000 m seit der Eiszeit unmöglich, denn
die Schahankaja müßte dann in einer tiefen Senke liegen; statt dessen
breitet sich die Hochfläche ringsum weithin mit annähernd gleicher
Höhe aus. Bliebe nur Senkung der ganzen Hochfläche um diesen
Betrag. Dem widerspricht €s aber, daß dann auch sonst noch mehr
derartige Glazialformen vorkommen müßten, was nicht der Fall ist.
Nur zwischen Bigaditsch und Sindirgi, auf der Nordseite des Ein-
bruchsbeckens, beobachtete ich in einer hügeligen Hochmulde in
Andesit, Blocktuff und Neogenkalk zahlreiche kleine, glazial aus-
sehende Hügel mit Andesitblöcken, aber sie befinden sich in nur
450 m ü. M. und lassen sich durch die beim Andesit häufige Block-
verwitterung erklären. Der 1876 m hohe U 1 u s - D a g , 35 km ONO
von der Schahankaja, hat keine glazialen Formen. So bleibt also
nichts übrig, als die Formen der Kodjajaila für p s e u d o g 1 a z i a 1 ,
d. h. glaziale Formen nachäffend, anzusehen. Die Ausarbeitung des
breiten Talbodens durch Seitenerosion des fließenden Wassers \'ann
durch eine leichte Erhöhung des Absturzrandes oder durch eine wider-
sinnige Schiefstellung der Talsohle erklärt werden, die nur sehr gering
gewesen zu sein braucht und vielleicht mit dem Einbruch der Sindirgi''-
Ebene verbunden war. Infolge der Stillegung der Tiefenerosion er-
240 A. P h i 1 i p p s o n :
füllte sich der Talbodcn mit mächtigem Verwitterungsschutt und Ge-
kriech von den Seiten her. Als dann die Schuttzufuhr nachließ, ver-
mochten die kleinen Bäche des Hochtales die Schuttdeckc in unregel-
mäßiger Weise wieder fortzuräumen, und dabei blieben die schein-
baren Ufermoränen übrig. Freilich, die Einzelheiten dieser Vorgänge
bedürfen noch der näheren Aufklärung. Aber da eine Vergletscherung
hier doch völlig ausgeschlossen erscheint, bleibt nur die angegebene
Erklärung übrig. Und damit ist denn nach Analogie auch bei den
vorher geschilderten Formen des mittleren Tmolos die Entstehung der
breiten Talböden durch Aufwölbung und Schiefstellung vorzuziehen
gegenüber derjenigen durch Vergletscherung von einem versunkenen
Gebirge her. Erstere Anschauung ist entschieden die weniger ge-
waltsame. Denn wenn auch, wie gesagt, gewaltige pleistozäne Ein-
senkungen die tiefen Becken und Gräben Westkleinasiens geschaffen
haben, so ist doch sonst kein Grund vorhanden, sie erst in das
jüngere Quartär zu versetzen.
Außer den geschilderten Talformen gibt es in den verschiedensten
Teilen Westkleinasiens noch eine Anzahl scheinbarer Kare
und kleiner Seen in den verschiedensten Höhenlagen, abgesehen von
den unzweifelhaften Karen am Olymp. Glücklicherweise lag die erste
dieser Formen, die ich kennen lernte, so tief, daß ich dann auch die
höheren mit kritischen Augen betrachtete. Es war ein kleiner See,
Karagöl (,, schwarzer See") genannt — ein Name, den fast alle
kleinen Seen meines Reisegebietes tragen — , der sich nur 4 km
von der Küste des Ägäischen Meeres, 399 m ü. M., befindet, und
zwar am Westabhange des 780 m hohen Kara-Dag^). Dieses
ist ein Andesitgebirge, d^as sich w)estlich von der Münd'ungsebene
des Kaikos, durch diese isoliert, an der Küste erhebt. Der rund-
liche See hat etwa 100 bis 200 m Durchmesser und ist im XO und S
von steilen Felsgehängen überragt. Sie bestehen aus Andesit, der eine
nach W, gegen den See hin, etwas geneigte Decke bildet über Tuff,
der darunter an der Nordseite des Sees hervorkommt. Hinter dem
See zieht sich, etwa 130 m höher, eine Art Terrasse hin, die wohl der
Oberfläche der Decke entspricht ; andere, höhere Lavadecken bauen
sich dahinter auf. Im Osten des Sees ist in den Abhang der unteren
Lavadecke eine kleine, halbtrichterförmige Nische eingebrochen, aus
der ein Bergsturz, ein Haufwerk mächtiger Blöcke, schon stark
bewachsen, zum See hinabgegangen ist. Zwischen den Blöcken sickert
Wasser hinunter zum See. Höher hinauf sind noch mehrere Abbruchs-
nischen sichtbar.
^) R. und F. I, S. 97 und Abbild. 14 und 15.
Glaziale und pseudoglaziale Formen im westlichen Kleinasien. 241
Während so auf drei Seiten der See von Felsabhängen umgeben
ist, wird er im Westen nur von einem flachen Wall umzogen, der nur
wenige Meter über den See aufragt. Er trennt diesen von einem
tiefer eingeschnittenen Erosionstale, das nach SW zur nahen Küste
hinabzieht und zu dem der Wall steil abfällt. Der Wall besteht aus
ziemlich lockerem Tuffkonglomerat ; auf dem Außenabfall liegen auch
große Andesitblöcke. Flugsand, der aus dem Zerfall des Andesits
entsteht, überweht den Wall und hat augenscheinlich den westlichen
und nördlichen Teil des Sees seicht gemacht, während im übrigen
Teil, am Fuß der Gebirgswand, der Boden unter dem grünen Wasser
unsichtbar ist. Einen oberirdischen Abfluß hat der See nicht, da-
gegen bricht am Außenabfall des Walles Sickerwasser des Sees in
Quellen hervor.
Etwas südlicher, tiefer unten, liegen noch zwei Seen, denen aber
die Felsumrahmung fehlt, und die ich nur von weitem gesehen habe.
Der Karagöl ist kein Kratersee oder Maar. Denn in ganz West-
kleinasien gibt es, außer der Katakekaumene in Lydien, keine Spur
von quartärem Vulkanismus, sondern die Laven und Tuft'e sind jung-
tertiären Alters, und so auch im Karadag; die ursprünglichen äußeren
Formen der Vulkane sind längst durch Erosion entfernt. Der Karadag
ist eine stark abgetragene Vulkanruine. Auch findet sich um den See
nichts von lockeren Auswürflingen. Tuff und Tuffkonglomerat,
welche den See abdämmen, gehören der Tuffschicht an, die unter
dem Andesit lagert, daher als Produkt des Maares nicht in Betracht
kommt.
Dagegen macht der See, am Boden einer halbkreisförmigen Fels-
nische, den Eindruck eines Kares. Aber ein Gletscher ist völlig
ausgeschlossen in dieser Höhe von 400 m. Eine postglaziale Senkung
um etwa 1800 m, die nur den Karadag betroft'en hätte; ist, selbst
wenn man solche gewaltigen Bewegungen so jungen Alters annehmen
will, unmög^lich; dem steht schon die geringe Tiefe des benachbarten
Meeres entgegen. Eine allgemeine Senkung der ganzen Landschaft
ringsum von solchem Betrage kommt auch nicht in Betracht. Dem
widerspricht der Charakter der Zertalung sowie das Fehlen aller
anderen glazial aussehenden Erscheinungen im weitesten Umkreise,
außer einer etwas moränenartigen Ablagerung im Geikli-Dag
bei Pergamon in 700 m ü. M., die jedenfalls eine Verwitterungs-
bildung ist^). Also ist das scheinbare Kar des Karagöl nicht gla-
zialen Ursprungs.
Ein ähnlicher kleiner See, auch Karagöl genannt, befindet sich
1) R. und F. I, S. 94.
242 A. Philippson:
am Nordabhang des Jamanlar-Dag, speziell des i loo m hohen
Lebleb-Dag, 17 km NO von Smyrna, in einer Meereshöhe von 816 m^).
Er ist rings von Andesitkuppcn und Kiefernwäldern umgeben. Die
rundliche, von einem Schilfkranz umwachsene Wasserfläche ist von
W nach O etwas länger gestreckt und hat in dieser Richtung
etwa 150 m Länge. Im W wird der See durch einen Kegel von
Andesitschutt abgesperrt; die nördliche niedrige Umwallung ist eben-
falls Schutt, teilweise auch lockerer Sand, der die Ablagerung eines
älteren Sees zu sein scheint. Talwärts, nach NW, fällt dann
der Boden gleich in einer steilen Talstufe ab ; dort tritt alsbald unter
dem Andesit Tuff auf, während westlich des Sees bröckliger Ton-
schiefer unter dem Andesit erscheint. Rückschreitende Erosion hat
von der Talstufe aus den See angezapft; vielleicht ist der Abfluß
auch künstlich. Reste einer Sperrmauer zeigen, daß man den See
anzuspannen versucht hat. Die Schuttmasse um den See bildet un-
regelmäßige Hügel, zwischen denen noch einige verlandete kleine
Seebecken liegen. Das Ganze gleicht täuschend einer Moränenland-
schaft. Doch hindert auch hier die niedrige Lage und die Vereinze-
lung des Vorkommnisses die Annahme einer Vergletscherung.
Im Innern des Waldgebirges Mysiens liegt an dem Talhang des
zwischen dem Ulus-Dag (1876 m) und Alatscham-Dag (1601 m) tief
eingeschnittenen Kille-Su, 3 km östlich des Dörfchens Göseren,
ein kleiner See, ebenfalls Karagöl genannt, auf einer schmalen Ter-
rasse etwa 100 m über dem Fluß (Meereshöhe etwa 1000 m). Er ist
talwärts durch einen niedrigen Wall abgeschlossen. Er scheint in
kristallinen Schiefern unterhalb einer Andesitdecke zu liegen. Leider
bin ich nicht an ihn herangekommen^).
Mit einem großen Sprung begeben wir uns weit nach O, in
die entlegenen Waldgebirge des Ahar-Dag (1980 m) und K a r -
schak-Dag (1848 m), 40 km WSW der Stadt Afiun-Karahissar.
Der Karschak-Dag ist eine rundliche Kuppe aus Andesit, die sich
nur wenig über eine Hochfläche desselben Gesteins erhebt. Nach
N fällt er steil zu dem 500 m tieferen, engen Tal von Eldisan
ab. An dem Abhang tritt unter dem Andesit Sandstein und Kon-
glomerat des Neogens hervor. An der Grenze des Neogens und des
auflagernden Andesits befindet sich eine prachtvoll frische Felsnische,
die durchaus einem typischen Kar gleicht, in 1685 m ü. M., also
160 m unter dem Gipfel, nach N gewendet^). Die bogenförmige
Hinterwand der Nische ist sehr steil und besteht aus Andesit, der in
1) R. und F. II, S. 19 und Abbild. 7.
2) R. und F. III, S. 13.
3) R. und F. IV, S. 75 f.
Glaziale und pseudoglaziale Formen im westlichen Kleinasien. 943
grobe Pfeiler und Kugeln abgesondert ist. Der Boden der Xische
ist mit eckigem Andesitschutt bedeckt und wird durch einen ni^rigcn-
Schuttwall desselben Materials gegen den steilen Abhang ab-
geschlossen, der, ganz im Xeogen, zu dem etwa 300 m tieferen Tale
hinabführt.
In dem Tal von E 1 d i s a n , etwas talabwärts von dfcm ge-
schilderten Kar, zeigen sich beim Eldisan-Tschiflik auf einer Terrasse
(in etwa 1400 m ü. M.) moränenartige Schuttmassen, Blockwälle
und Vertiefungen, die ich in den ,, Reisen und Forschungen" IV..
.S. 75 beschrieben habe, auch wieder aus Andesitschutt über dem
lockeren Neogen.
In dem nächsten Paralleltal fand ich an der südöstlichen Tal-
flanke in 1480 m. ü. M., etw^a 150 m über dem Tal, auf einer Terrasse
inmitten dichten Kiefernwaldes einen kleinen sumpfigen See, wieder
Karagöl genannt; der ganze Abhang besteht aus w^eichem flysch-
ähnlichen Sandstein und Konglomerat des Neogens. Mitten im' See
stehen aufrecht im Wasser einige abgestorbene Baumstumpf e^), ein
unbestreitbares Zeugnis dafür, daß der See erst vor kurzem
entstanden ist, und zwar durch Sackung und Rut-
sch u n g des A\' e i c h e n Gesteins an dem ziemlich
steilen Abhang.
Nordwestlich von dem Jetzterwähnten Tal, 7 km NW vom Kar-
schak, erhebt sich der Ahar-Dag als eine breite, sanft gewölbte
Kuppel aus demselben flyschartigen Sandstein und Konglomerat des
Neogens, etwa 1600 bis 1700 m ü. M., überragt von einigen Kuppen
und Rücken von Andesit, die teils als Schlote das Neogen durch-
setzen, teils als Reste von Lavadecken über demselben lagern. Der
höchste dieser Gipfel hat, wie schon angegeben, 1980 m. An diesem
erscheint an der Westseite eine karähnliche Nische, wiederum an
der Grenze der harten Lava gegen das unterlagernde weiche Neogen.
An einer niedrigen Kuppe, die nur aus Neogen besteht, östlich des
höchsten Gipfels, öffnet sich an der Südseite eine Nische; an einer
Andesitkuppe westlich des höchsten Gipfels eine andere an der Nord-
seite, aber schon ganz im unterliegenden Neogen. Die Meereshöhe
dieser drei „Kare" des Ahar-Dag ist auch annähernd 1700 m, wie am
Karschak.
Beachtenswert ist es, daß sich im Ahar-Dag von den Andesit-
kuppen aus Blockströme von Andesitblöcken, dünnen Lavaströ-
men gleichend, über den Neogen-Sandstein hinabziehen, hier und da
auch solche Blockstreifen auf dem Sandstein erscheinen ohne Zusam-
') R. und F. V, Abbild. 14.
Zeitschr. d. Gesellsch. f. Erdkunde zu Berlin. 1919. Nr. 5/6. jy
244 *'^- P 11 i 1 i P P s o n :
iiienhang- mit den Andesitku|)i)cn. Die Blöcke haben sich über die nur
wenig' geneigte Oberfläche des Sandsteins hinabbewegt und liegen in
dem diese Oberfläche reichlich bedeckenden \'erwitterungssand.
Stellenweise sieht man auch hier wieder wirre Schutthügcl mit Pfuhlen
und kleinen Seen, wie Moräncnlandschaft.
So haben war im Karschak und Ahar-Dag doch eine ziemlich
ausgedehnte Gruppe von Formen, die man für glaziale Kare und
Moränen halten könnte, meist in einer Höhe von rund 1700 m. Xach
der Frische der Formen könnte es sich nur um die letzte Eiszeit
handeln. Bei der Lage weit im Innern des Landes müßte man eine
Schneegrenze voraussetzen von bedeutend größerer Höhe als am
Olymp (2200 m), so daß die Kare und Blockströme hier mjndestens
500 m zu tief liegen ! Immerhin, wenn uns nicht die beiden Karagöl
in der Nähe der Westküste in nur 400 und 800 m ü. M. warnen
würden, so möchte man die glaziale Entstehung der Kare und mo-
ränenartigen Schuttmassen am Ahar- und Karschak-Dag nicht ganz
von der Hand weisen und lieber nach irgendeiner Erklärung für
die abnorm tiefe Lage der Schneegrenze suchen. Aber nicht nur die
genannten tief gelegenen Kare und Seen im Kara-Dag, Jamanlar-Dag,
bei Göseren, sondern auch im Ahar-Gebiete selbst die tiefer gelegenen
,, Moränen" von Eldisan und das Seelein Karagöl sprechen dagegen.
Für die Erklärung aller dieser . Erscheinungen ist die Tatsache
von der größten Bedeutung, daß sie alle zwar in den verschiedensten
Höhen, aber alle unter den gleichen geologischen Bedin-
gungen liegen, nämlich in w'eichen, leicht rutschenden Gesteinen,
die meisten an der Grenze derselben gegen eine überlagernde Decke
von harter, zerklüfteter und infolgedessen wasserdurchlässiger An-
desitlava. Die w'eichen oder bröckligen Gesteine sind: Tuffe, neogene
Sandsteine und Konglomerate oder Schiefer. Dazu kommt der deut-
liche Hinweis, welchen der kleine Karagöl zwischen Karschak und
Ahar gibt: hier ist als bildende Ursache des Sees Rutsch ung
u n-d Sackung in den w^ eichen Gesteinen unbestreitbar.
Diese Ursache müssen wir auch für die Bildung der
anderen Seen, ,, K a r e " , und unregelmäßigen m o -
ränen artigen Schutthaufen und Schutt wälle in
Anspruch n e h m e n. Das wird w^eiter bekräftigt dadurch, daß
alle diese Formen oberhalb steiler Abhänge auftreten, die zu tieferen
Tälern hinabführen, also unter Umständen, die Rutschungen und
Ausweichen des weichen und vielfach von oben her von Wasser
durchtränkten Materials begünstigen. Nur die Blockströme des Ahar-
Dag machen hierin eine Ausnahme, die auch auf weicher, aber wenig
geneigter Unterlage liegen. Sie sind als echte Steinströme auf-
Glaziale und pscudoglaziale Formen im westlichen Kleinasien. 245
zufassen, als Erscheinungen des Gekriechs, bei denen subnivales
Klima der Eiszeit, mitg-ewirkt haben mag, was vielleicht auch bei
den „Karen" des Ahar und Karschak als Beihilfe mit in Betracht
kommt. Die Entstehung derjenigen Nischen und Seelein, die nur in
weichem Gestein liegen, durch Ausweichen und Sackung ist leicht
verständlich. Etwas schwieriger ist das Verständnis, wo der Nischen-
boden an der Grenze der überlagernden harten Lava liegt, die Wände
des ,,Kars" aus dieser bestehen. Im wesentlichen kann man sich
deren Entstehung so vorstellen : an einem ziemlich steilen Abhang
lagert klüftige harte Lava über weichem Gestein; das Kluftwasser
der Lava befeuchtet die Unterlage, letztere weicht lokal nach dem
Abhang hin aus, die Lava zerspaltet sich infolgedessen in Blöcke, die
den Abhang hinabrollen oder als Bergsturz abfahren, so daß eine
Nische entsteht. An deren Boden häufen sich die Blöcke der Lava
an, und bei weiterem Sacken des Nischenbodens bildet sich ein Schutt-
wall vor demselben (Karschak). In anderen Fällen, wo die Sackung
langsamer vor sich geht, haben die Wände der Nische Zeit, sich
durch \'erwitterung mehr abzuflachen, vmd die Blöcke zerfallen in
kleineren Schutt und Sand, der allmählich abwärts kriecht und den
langsam rutschenden und sackenden Nischenboden mit unregel-
mäßigen moränenartigen Schutthaufen bedeckt (Karagöl im Jamanlar).
Auch muß man annehmen, daß in manchen Fällen der Nischenboden
zunächst nach außen geneigt ist, so daß der Schutt darüber hinweg
weiter abwärts kriecht oder stürzt, und erst, wenn so der Nischen-
boden schuttfrei geworden, ist noch einmal der Nischenboden in Form
eines Beckens eingesackt. So erklärt sich der Fall des Karagöl im
Kara-Dag, wo der Boden der Nische und der Wall ohne Block-
bedeckung aus dem weichen Gestein der Unterlage bestehen und erst
jenseits am tieferen Abhänge Andesitblöcke liegen, die also über die
Stelle des jetzigen Sees hinweggewandert sind. Das wäre unmöglich,
wenn das Seebecken schon bestand. Gerade über diesen Karagöl beob-
achtet man noch kleinere, neuere, trichterförmige Abbruche, die noch
in dem ersten Stadium dieser Entwicklung begriffen sind und noch
keine Beckenform haben.
\"ielleicht wirken bei der beckenförmigen Einsenkung des
Nischenbodens Sickerwasser mit, die in dem weichen Gestein eine
unterirdische mechanische Erosion ausüben und so ein Einsinken der
Oberfläche zur Folge haben.
Ist die überlagernde Lavadecke nur dünn, so kommt es bei Rut-
schungen und Sackungen der LTnterlage nicht *zur Ausbildung einer
Nische, sondern nur zu Gekriech, zu Steinströmen, unregelmäßigen
Schutthaufen und Einsenkungen (Eldisan).
17*
246 ■^- Philippson: Glaziale und pseudoglaziale Formen im westlichen Kleinasien.
Mit diesen Anschauun^^cn scheint es im Widerspruch zu stehen,
daß W. P e n c k^) neuerdings an der Westseite des Kyraugas-
Nordgipfels in Pisidicn, südlich von Buldur (120 km südlich vom
Ahar-Dag), ein kleines Kar mit vorliegendem Moränenvvall beob-
achtet hat in einer Meereshöhe von 1700 m, etwa 100 bis 150 m
unter dem Gipfel ; also in derselben Meereshöhe, in der sich die „Kare"
des Karschak und Ahar-Dag befinden ! Und dieses Kar liegt im
Kalkstein ; darauf i)aßt also unsere Erklärung nicht! Ist diese
Nische wirklich ein echtes glaziales Kar, lag also hier die glaziale
Schneegrenze bei 1700 bis 1800 m, so fällt ein Hauptgrund dafür
weg, die Nischen des Ahar und Karschak für nicht glazial anzusehen
— wogegen die anderen, weit tiefer gelegenen Formen weiter west-
lich nach wie vor nicht glazial sein müssen — und es bliebe das
Problem der abnorm tiefen Lage der eiszeitlichen Schneegrenze in
diesen Gebirgen von Pisidien und des südlichen Phrygien zu erklären.
Die Schwierigkeit dieses Problems, vor allem aber die von \\\ P e n c k
selbst hervorgehobene Isoliertheit des Kars am Kyraugas,
während sonst in dem ganzen weiten südwestlichen Kleinasien an. den
zahlreichen, viel höheren Gebirgen keine Glazialformen gefunden
werden, veranlassen mich, vorläufig noch an der glazialen Natur der
Kyraugas-Nische zu zweifeln. Es liegt vielleicht eine Einsturz-
Doline vor.
Jedenfalls geht aus den obigen Ausführungen hervor, wie Formen,
die den glazialen täuschend ähnlich sehen, tatsächlich nicht glazialen
Ursprungs sind, und wie schAver es ist, sie von den glazialen zu
unterscheiden. Es ergibt sich daraus die ^^■arnung, aus solchen
Formen, wenn sie isoliert auftreten, allzu schnell \'ergletscherungen
zu folgern. Bei ganz auffällig tiefer Lage stellen sich die Bedenken
von selbst ein. Handelt es sich aber um Höhenlagen, die allenfalls
für eiszeitliche Gletscher in Betracht kommen, ist große Vorsicht am
Platze.
') A. a. O.. S. 87.
zu '
Zeiisclir. d. Gesellsch. f. F.rdkitiide ::u Berlin, iuiq Abhandluiis[ Philippsoii
Abbild. I. Der Mysische Olymp von NO, von Kyrkbunar aus; aufge-
nommen 2. VI. 1902 von der Terrassenfläche im Granit (1800 m).
Über dem Granit der graue Kalk des Hochkammes ; links das Doppelkar
mit Schnee, davor der graue Wall der gebogenen Ufermcräne. In
der Mitte des Bildes der große Trichter (zweifelhaftes Kar).
\^^^'^-^T' >:■ -¥ y^^
Gea -Verlag, Berlin.
Abbild. 2. Hochtal von Günalan, auf dem Rücken zwischen den Tälern
von Bosdagköi und Tschavdal, gesehen vom Bos-Dag. Im N höhere
Rumpfschwelle mit V-Tal.
Zeitschr. d. Gcsellscli. f. Erdintude zu Berlin, igtij ^Hihandluiis; Philippson
Abbild. 3. Hochtal von Göldjük (etwa 1000 m) mit dem See, gesehen von
der Wasserscheide im S.
•a - Vcilarr, Berlin .
Abbild. 4. Hochtal Kodja-Jaila, gesehen vom Gipfi'l der Schahankaja.
Beckenförmiges Tal mit Schuttboden. Jenseits über dem Steilabfall
hinunter ist die 500 m tiefere Ebene von Sindirgi sichtbar, mit dem
weiläen Band des Makestos-Flusses im Hintergrund.
Hans Meyer: Die französischen Kolonien Mittelafrikas. 247
Die französischen Kolonien Mittelafrikas.
Eine Besprechung von Hans Meyer, Leipzig.
1 . M o i s e 1 , Max : Das Generalgouvernement vonFran-
zösisch -Äquatorialafrika. Mit i Karte und 9 Skizzen.
(Mitteil. a. d Deutsch. Schutzgeb. 19 17, Heft 2.)
2. Sprigade, Paul: Die französische Kolonie Ober-
senegal und Niger. Mit 2 Karten und mehreren Tabellen.
(Mitteil. a. d. Deutsch. Schutzgebiet. 1917, Heft 4.)
3. Sprigade, Paul: Die französische KolonieDahome.
Mit I Karte. (Mitteil a. d. Deutsch. Schutzgeb. 191 8, Heft 2.)
Die seit 1888 von der Kolonialverwaltung und dann vom Reichs-
kolonialamt alljährlich in mehreren Heften herausgegebenen Mitteilungen
aus den Deutschen Schutzgebieten haben gemäß ihrem Namen und
ihrem Zweck früher ausschließlich der landeskundlichen Kenntnis unserer
deutschen Kolonien gedient und nur gelegentlich kurze Nachrichten
über Gebiete unserer kolonialen Nachbarn gebracht. Das ist im Welt-
krieg anders geworden. Seit dem 2. Kriegsjahr fließen natürlich dieOuellen
wissenschaftlicher Mitteilungen aus unseren vom Feind besetzten Kolo-
nien äußerst dünn oder gar nicht mehr, so daß die Mitt. a. d. D. Seh.
zum Einstellen ihres Erscheinens verurteilt gewesen wären, wie so
manche andere wissenschaftliche Zeitschrift, wenn sie nicht ihren Be-
trachtungskreis über die eigenen Kolonien hinaus erweitert hätten.
Seit 1916 ist dies geschehen, indem in jedem Heft eine besondere Ab-
teilung ,, Nachrichten aus den benachbarten Gebieten" eingerichtet ist,
die sehr wertvolle Ergänzungen zu den Mitteilungen über unsere eigenen
Schutzgebiete enthält. Ergänzungen im doppelten Sinn. Einesteils
sind es Mitteilungen über bestimmte geographische Erscheinungen und
Kräfte, die über die Grenzen unserer Kolonien weit in die Nachbar-
gebiete hinein- und von dort hereinreichen, wie z. B. tektonische Vor-
gänge, Klima, Vegetationsformationen, Völkergrupp.en usw., alle auch
mit ihren wirtschaftlichen Wirkungen; andernteils sind es abgerundete
landeskundliche Schilderungen einzelner unserer Nachbarkolonien oder
großer Teile derselben in methodischer geographischer Behandlung und
erläutert durch gute Karten, Skizzen, Profile, Tabellen u. a. m.
Diese Darstellungen und Nachrichten aus den Nachbargebieten
unserer Kolonien erstrecken sich aber nur auf Afrika und stehen
in offenbarem inneren' Zusammenhang mit den bisherigen kolonial-
politischen Zukunftsplänen der Reichsregierung. Nicht nur sind in den
Mitt. a. d. D. Seh. eine Reihe wertvoller landeskundlicher Schilderungen
nichtdeutscher mittelafrikanischer Kolonien erschienen, son-
dern das Reichskolonialamt hat auch begonnen, eine ganz neue große
Karte von M i 1 1 e 1 a f r i k a im einheitlichen Maßstab 1 : 2 Mill.
herauszugeben, die das Riesengebiet in lO Blättern darstellen wird; die
beiden Blätter Ostsudan und das Blatt Deutsch-Ostafrika sind erschienen.
Möge die Herausgabe der übrigen 7 Blätter nicht durch den Zusammen-
248 H a n s M e y e r :
bruch unserer kolonialen Hoffnungen verzögert oder gar verhindert
werden! Die Bearbeiter dieses schwierigen, allen Ansprüchen karto-
graphischer lechnik und Akribie gerecht werdenden Werkes sind die
beiden bewährten Meister unserer deutschen Kolonialkartographie, M a x
M o i s e l und Paul Sprigade in Berlin. Über die große Fülle des
in diesem Kartenwerk verarbeiteten höchst verschiedenartigen Alateriales
deutscher, englischer, französischer, belgischer und portugiesischer Her-
kunft gibt das kurze Begleitwort Auskunft. Aus diesen Studien mußte
aber auch den beiden Kartographen eine geographische Kennt-
nis der mittelafrikanischen Ländef erwachsen, die viel mehr umlassen
konnte als die tausend Einzelheiten des Geländebildes. Und da sow'ohl
Moisel als auch Sprigade ein gutes Stück Westafrikas, dieser von Togo,
jener von Kamerun, aus eigner Bereisung kennen, so lag es nahe, daß
sie ihrer vertieften mittelafrikt^nischen Sachkenntnis auch in Form von
länderkundlichen monographischen Darstellungen wissenschaftlichen
Ausdruck gaben. Das Ergebnis sind die eingangs genannten drei Ab-
handlungen über französische Kolonien Mittelafrikas.
1 . Max M o i s e 1 s Arbeit über das Generalgouverne-
ment von Französisch -Äquatorialafrika ist die um-
fänglichste von den dreien (156 Quartseiten); sie behandelt auch das
räumlich größere Gebiet. Dazu bringt sie außer einer farbigen Karte
der Völker noch 9 schwarze Kartenskizzen verschiedenen Inhaltes.
Das Ganze ist gegliedert in eine allgemeine Übersicht über das Riesen-
gebiet (59 Seiten) und eine Darstellung der 3 Einzelkolonien Gabun.
Mittel-Kongo und Ubangi-Schari-Tsad, aus denen sich das General-
gouvernement zusammensetzt; in der letzteren Kolonie Ubangi-Schari-
Tsad werden ihren beiden Territorien, dem Zivilterritorium Ubangi-Schari
und dem Militärterritorium des Tsad besondere Betrachtungen gewidmet.
Die allgemeine Übersicht eröffnet Moisel mit einer Geschichte
der Erforschung und Eroberung, die alle wichtigen Vor-
gänge, zu einem klaren Gesamtbild zuzammenfaßt, klarer als es irgend-
woanders zu lesen wäre, und eine sehr eindringliche Vorstellung davon
gibt, in wie enger Verbindung die französische Erforschung dieser
Länder mit der franz()sischen Eroberung fortschreitet und mit welch
erstaunlicher Energie, militärischer Kraft und diplomatischer Geschick-
lichkeit die französischen Offiziere, die vom Beginn der französischen
Besitzergreifung an den Hauptteil an der Erforschung und Eroberung
haben, trotz so vieler schwerer Rückschläge zum Ziele kommen, nach-
dem in den ersten Dreivierteln des 19. Jahrh. die friedliche deutsche
Afrikaforschung von Hornemann bis Nachtigal die Wege gewiesen und
den geographischen Grund gelegt hatte. Moisels historische Skizze
endet mit den Jahren 191 3/ 14. Man vermißt ungern einen Hinweis
auf die Vorgänge und Entwicklungen der drei letzten Jahre, von denen
doch mehr als Gerüchte bekannt geworden sind.
Der Erforschungs- und Eroberungsgeschichte folgt ein Abriß d^r
physischen Geographie des Generalgouvernements (S. 188 bis
211), in welcher der Oberflächengestalt dieser in 5 verschiedene große
natürliche Landschaften gegliederten Ländermasse, und darin wieder
dem Tsadsee-Becken, das Hauptaugenmerk gewidmet ist. An die
Die französischen Kolonien Mittelafrikas. 249
Oberflächengestalt und den geologischen Aufbau schließt sich die Be-
trachtung der Flora und Fauna und des Klimas — letzteres wäre
besser voranzustellen gewesen — wobei eine übersichtliche Tabelle
der Jahreszeiten in den Einzelkolonien Französisch-ÄquatorialatVikas aul-
gestellt wird. In dem sich anschHeßenden Abschnitt „Areal und
Bevölkerung" wird nach einer sehr nützlichen und nötigen Kritik
der französischen amtlichen Angaben über Flächeninhalt und Ein-
wohnerzahl, deren Berechnung eine Arealgröße von 2 261 800 qkm und
eine Einwohnerzahl von 4 598 000 (2,0 p. qkm) ergibt, die Gruppierung
der Völker in großen Umrissen skizziert, und danach die Verwaltungs-
gliederung, die militärische Organisation — worin wir freilich nichts
über die Organisation und Rekrutierung während des Krieges erfahren
- — die Finanzwirtschaft, die Zölle, der Handel, die Konzessionsgesell-
schaften, mit sehr willkommener Liste der jetzt noch bestehenden
Landgesellschaften, die Eingebornenreservate, die Rechtspflege und
das Unterrichtswesen. In diesen Kapiteln verhält sich Äloisel nur
referierend, wo doch einige Kritik an den angeblichen Rechten der
Eingebornen auf Kautschukausbeutung, an der angeblichen vollständigen
Freiheit der Eingebornen im Abschließen von i\rbeitsverträgen, an den
angeblichen Idealzuständen im Schulwesen u. a. m. angebracht ge-
wesen wäre.
Der allgemeinen Übersicht läßt Moisel die Schilderung der e 1 n -
zelnenKolonien in drei großen Kapiteln folgen (S. 234 bis 327),
die in die Unterabteilungen: Geographische Übersicht, Gesundheitsver-
hältnisse, Bevölkerung, Verwaltung, Pohtische Lage, Finanzlage, Handel,
Produktion, Konzessionsgesellschaften, Verkehrswege, Post, Gerichtsbar-
keit, Unterrichtswesen, gegliedert sind. Von diesen Abschnitten sind
die geographischen Übersichten zu kurz gekommen. Während im All-
gemeinen Teil die physisch-geographischen Grundzüge des Ganzen auf
22 Seiten gut herausgearbeitet sind, empfindet man in der länderkund-
lichen Einzelschilderung der drei Kolonien die Beschränkung der
geographischen Übersicht auf ^g Seite als Mangel. Dagegen sind die
Schilderungen der Bevölkerung, von denen die von Gabun und Mittel-
kongo mit Recht zusammengefaßt werden, ausgiebig, übersichtlich, an-
schaulich und enthalten das Wesentliche. Weiterhin ist in der Kolonie
Gabun, dem ältesten Stück des französischen Kongobesitzes, auf die
sehr langsame politische und wirtschaftliche Entwicklung aufmerksam
gemacht, die in dem ungesunden Klima, dem allzu häufigen Wechsel
der Beamten, dem verfehlten Wirtschaftssystem der Konzessionsgesell-
schaften, der schlechten Behandlung der Eingebornen und dem geringen
Militärschutz ihren -Grund hat. Die Bevölkerung ist in steter Unruhe:
,,La poudre parle tous les jours et ä tout propos". Auch eine Illu-
stration zum zeitgemäßen Kapitel von der milden Eingebornenbehand-
lung der Franzosen und Engländer gegenüber den Schandtaten der
deutschen Bestien! Während es darum in Gabun Eingebornenkulturen
gar nicht gibt, haben einige europäische Gesellschaften mit dem Plantagen-
bau von Kakao und Kaffee in den Flußtälern des Küstengebiets be-
gonnen. Man erführe gern etwas von der Art dieser Betriebe, die auch
am unteren Congo (Mayumbe) und im Kameruner Küstenland im Auf-
blühen sind. Etwas mehr wird mitgeteilt von der alle andern Produkte
250 . Hans Meyer:
überragenden Ausbeutung der wildwachsenden Edelhölzer (Export 191 2:
51/2 -^liJl- Eres.), der gegenüber Kautschuk, Palmkerne und Palmöl trotz
der massenhaften Bestände von Ölpalmen eine ganz untergeordnete Rolle
spielen. Bemerkenswert ist die Mitteilung, daß neuerdings der Eang
der vor der Gabunküste in großer Zahl vorkommenden Wale einen
Tranexport von i^/^ Mill. Eres, gezeitigt hat. Von den ehemaligen
1 1 großen Landkonzessionsgesellschaften Gabuns sind nur 2 übrig ge-
blieben, die aber kaum ihr Leben fristen. Beim gänzlichen Mangel an
durchgehenden Schiffahrtswegen, an Eisenbahnen und Straßen vermag
sich die Kolonie nicht zu entwickeln. Der Bau einer Nord- und einer
Südbahn und die Verbesserung der Haupthäfen ist deshalb unumgäng-
liche Voraussetzung alles weiteren Fortschrittes.
Noch viel weiter im Rückstand ist die Kolonie Mittelkongo,
die ja zum allergrößten Teil dem waldigen, sumpfigen Niederungsgebiet
des unteren Kongo und unteren Ubangi angehört. Über die ernsthafteste
Bedrohung ihrer wirtschaftlichen Zukunft, über die immer weiter um sich
greifende Schlafkrankheit, macht Verfasser sehr beachtenswerte Mit-
teilungen. Die Maßnahmen der Verwaltung sind völlig unzureichend,
die Berichte der Beamten selbst höchst pessimistisch. Auch hier sind
die von den Konzessionsgesellschaften schlecht behandelten Eingebornen
permanent im Aufstand, wodurch kostspielige Strafexpeditionen und viele
militärische Stationen nötig werden. Daher hohe Zuschüsse des Mutter-
landes. Wenn trotzdem in den Zollstatistiken der Handel bis 1913
langsam gestiegen ist, so liegt es daran, daß seit 1 908/09 in diese
Summen auch der Handel der Nachbarkolonie Ubangi-Schari-Tsad mit
aufgenommen ist, weil auch für diesen die Zollkontrolle in Brazzaville,
dem Hauptort Mittel-Kongos, stattfindet. An der Spitze aller Ausluhr-
produkte steht nach wie vor der von den Konzessionsgesellschaften
ausgebeutete Wildkautschuk, dessen Preissteigerung auf dem Weltmarkt
während des Krieges die Gewinnung wieder rentabel gemacht hat. Alle
anderen Produkte, wie Palmkerne, Kopal, Edelhölzer, Wildkaffee u. a.,
haben für die Ausfuhr wegen der ganz unzulänglichen und teueren Ver-
kehrsmittel keine Bedeutung. Aussichtsvoll scheint der Abbau von Kupfer-
erzen bei Minduli und Reneville zu sein, die durch kurze Kleinbahnen
nach der benachbarten belgischen Kongobahn bei Leopoldville gebracht
werden.
Da die einzige gute Zugangsstraße zu den beiden Kolonien ]\littel-
Kongo und Ubangi-Schari-Tsad die belgische Kongobahn ist, muß
Frankreich sich von dieser Abhängigkeit durch den Bau einer eigenen
Bahn von Pointe Noire nach Brazzaville freimachen. Das Projekt ist
bereits ausgearbeitet, aber der Bau noch nicht begonnen. Mit Aus-
nahme des Kongo sind die größeren Flüsse der Kolonie nur zur Hoch-
wasserzeit bis Bangi am Ubangi und bis Nola am Sanga schiftbar.
Den öff"entlichen Schiffahrtsdienst besorgt die ,,Societe des Messageries
fluviales du Congo" mit 6 Dampfern und zahlreichen Frachtbooten mit
einem gesamten Rauminhalt von nur 1138 Tonnen, wovon auf den
größten Dampfer bloß 250 Tonnen entfallen. Alle Landwege sind ein-
lache Eingebornenpfade. Was schließlich in diesem wie in den an-
deren Kapiteln über die Organisation des öffentlichen Unterrichts, über
die beträchtliche Zahl von Elementarschulen, höheren Schulen, Gewerbe-
Die französischen Kolonien Mittelafrikas. 25l[
schulen, Missionsschulen und über den guten Schulbesuch der Ein-
gebornen gesagt ist, trägt zu deutlich den Stempel der üblichen
Schönfärberei französischer amtlicher Kulturberichte an sich. Die
nüchterne Wirklichkeit sieht in den mittelafrikanischen französischen
Kolonien ganz anders aus.
In dem letzten Hauptabschnitt Ubangi-Schari-Tsad be-
trachtet Moisel diese Kolonie in dem administrativen Zusammenhang,
den sie bis 1915 hatte. Seit i. Januar 19 15 ist aber das vormalige
Militärterritorium des Tsad vom vormaligen Zivilterritorium Übangi-
Schari getrennt, in seiner südlichen Ausdehnung stark eingeschränkt
und ,,Territoire du Centre africain" benannt worden; und am 2. April
1916 wurde aus ihm eine besondere, von einem Administrator ver-
waltete Kolonie gemacht (Statesmans Yearbook 191 8, S. 855).
Moisel hebt hervor, daß das schwach bevölkerte Ubangi-Schari,
das größtenteils von Savanne bedeckt ist, nur geringen wirtschaftlichen
Wert hat. Auch hier sind die von der Schlafkrankheit angerichteten
Verwüstungen unter den Eingeborenen grauenerregend. Zahllose Dörfer
sind im Aussterben, und überall mangelt es an Lebensmitteln. Die
einzigen wirksamen Älittel gegen die Seuche, Absonderung der Kranken
in Schlafkrankheitslager und strenge Überwachung der Gesunden, ist
,,aus wirtschaftlichen Gründen nicht durchführbar". Die Re^ierunp;
begnügt sich mit Verbesserung der hygienischen Verhältnisse, mit Ein-
führung von Gesundheitspässen und anderen erfolglosen Maßnahmen.
Infolgedessen ist die Bevölkerung seit 1906 von 2,13 Millionen auf etwa
1/2 Million Köpfe herabgesunken, und der Verelendungsprozeß geht
rapide weiter.
In der Schilderung der Bevölkerung zeigt Verfasser am Beispiel
der Mandja die traurige Wirkung des großen Durchgangsverkehrs vom
Kongo nach dem Tsad: Beitreibung aller Männer zum Trägerdienst,
Verwahrlosung der Familien, Verfall der Dörfer und Felder, enorme
Kindersterblichkeit, Hungersnöte, ja sogar Kannibalismus aus bloßem
Nahrungsmangel. Eine weitere Illustration zum Kapitel von der humanen
Eingebornenbehandlung und zivilisatorischen Hebungsarbeit der Fran-
zosen! Zu ausführlich behandelt Verfasser die zahllosen Stämme der
Baja und der Banda, gibt dann aber eine gute kurze, vornehmlich auf
Schweinfurth und Juncker beruhende Schilderung der Njamnjam und
ihrer Mischlinge. Von der Schlafkrankheit sind diese noch nicht heim-
gesucht. Nur seltsam, daß Verfasser des Kannibalismus bloß bei den
Nsakara und nicht bei den echten Njamnjam oder Asandeh Erwähnung
tut. Abgesehen hiervon ist es mir aufgefallen, wie so manche der von
den Asandeh mitgeteilten Charakterzüge sich bei den hamitischen
Bahima des ostafrikanischen Seengebietes wiederfinden.
Politisch ist Frankreich trotz der Siege des letzten Jahrzehnts noch
längst nicht Herr dieser weiten Länder. Insbesondere hat es in den
Sultanaten des Ostens mit ihren sozial gefestigten Gemeinwesen und
ihren starken Fürsten noch wenig Autorität, was natürlich auch in der
Finanzlage, in der Produktion, im Handel zum Ausdruck kommt. Die
Kolonie mußte hohe Jahreszuschüsse vom Mutterland erhalten, die Ein-
gebornen erzeugen nichts für den Export außer etwas Reis, dessen
Anbau sehr in Zunahme ist, europäische Plantagen gibt es nicht, und
252 M a n s Meyer:
die wenigen Konzessionsgesellschaften der Kolonie betreiben bloß den
Ankauf und Export von Wildkautschuk und Elfenbein. Diese beiden
aus Raubbau gewonnenen Produkte sind die einzigen überseeischen
Ausfuhrartikel der Kolonie, beide in dem geringen Betrag von 8oo
bzw. 70 Tonnen 191 2. Viel umfänglicher ist der von den Tsadsee-
händlern (Bornu, Haussa, Bagirmi) betriebene Eingebornenhandel, der
sein Zentrum in Fort Crampcl hat und große Mengen von Yich, Kola-
nüssen, Eingebornengeweben, Schibutter, Erdnüssen, Salz, europäischen
Manufakturwaren M. a. in Umlauf setzt. Von Bangi am Ubangi nach
Fort Crampel am Schari will man eine Schmalspurbahn bauen, zu welcher
bereits eine Anleihe vorn Pariser Parlament bewilligt ist. Damit wäre
dann das letzte Glied des großen Verkehrsweges Ozean — ^Brazzaville —
Bangi — Tsadsee vollendet.
Das T s a d t e r r i t o r i u m , dem sich Moisel zuletzt zuwendet,
liegt zu 2^3 in der nur 400 m hohen abflußlosen Tsadseesenke, zu 1/3
auf den umrandenden Hochplateaus. Die Tagesglut und Nachtkühle der
Trockenzeit, die Temperaturstürze und Überschwemmungen der Regen-
zeit machen das Klima höchst ungesund; vor allem natürlich für Euro-
päer, was jeder Reisende und Beamte, der längere Zeit im Tsadbecken
sich aufgehalten hat, mehr als genug erfahren hat. Es ist deshalb nicht
richtig, wenn Moisel die schön gefärbten Regierungsberichte ohne wei-
teres hinnimmt und sagt, daß ,,der Gesundheitszustand der Europäer
ein verhältnismäßig guter zu nennen sei" und ,,in nicht zu ferner Zeit
das Tsadseegebiet den guten Ruf eines gesunden Landes, den es schon
heute genießt, rechtfertigen wird". Solchem Optimismus widerspricht
nicht bloß die geographische Beschaffenheit des Tsadbeckens, sondern
auch der Umstand, daß sich in 3 Jahren eine Erweiterung des Sanitäts-
dienstes von 9000 Frcs. auf 60000 Frcs. Kosten nötig gemacht hat.
Die sehr umfängliche Schilderung der Bevölkerung des Tsadterri-
toriums hat Moisel größtenteils dem klassischen Werk Nachtigals ,, Sa-
hara und Sudan" entnommen und sie nur wenig durch die Mitteilungen
der neuern, namentlich der französischen Forscher ergänzt. Mir scheint,
die letzteren, namentlich Foureau, Chevalier, Mangin, Cornet, Tilho und
von den Engländern Boyd Alexander, von den Deutschen der Herzog
Adolf Friedrich zu Mecklenburg, hätten mit Nutzen mehr herangezogen
werden können. Die Gesamtbevölkerung des Tsadterritoriums berechnet
Moisel für 1913 auf 1533 000 Menschen, wovon der Hauptanteil auf
Wadai mit 870000 entfällt. Wadai und Kanem sind einigermaßen be-
friedet, aber in den übrigen Ländern des Territoriums ist die politische
Lage keineswegs endgültig gesichert. Namentlich haben die islamitischen
Agitationen im Weltkrieg zu immer wiederholten schweren .'Vufständen
der mohammedanischen Bevölkerung geführt, die der französischen Herr-
schaft stark Abbruch getan haben. Über diese Vorgänge fehlen aber
noch nähere Nachrichten.
Ist die Finanzlage des Territoriums wegen seiner geringen staat-
lichen Aufwendungen sehr günstig, so ist die wirtschaftliche Entwicklung
noch weit im Rückstand und der Handel recht unbedeutend; nur 3 Mill.
Frcs. insgesamt. Der Handelsverkehr zwischen dem Territorium und
dem Atlantik geht noch größtenteils über den Niger — Benue oder über
die Nigereisenbahn trotz aller Bemühungen der Franzosen, ihn auf den
Die französischen Kolonien Mittclafrikas. 253
rein französischen, aber viel weiteren und kostspieligeren Verkehrsweg
des Schari — Ubangi — Congo zu ziehen. Den größten Ausfuhrposten
stellt Vieh mit 600 000 Frcs. dar, den größten Einfuhrposten Textilstoffe
mit 192 000 Frcs. Der Europäerhandel ist noch ganz unbedeutend.
Einziger Reichtum des Territoriums ist sein Viehbestand, in dem etwa
400 000 Rinder, i Million Kleinvieh, 20 000 Pferde und etwa ebensoviel
Kamele und Strauße gezählt werden; im Ganzen im Wert von 36 Mill.
Frcs. Im iäbrigen ist das Territorium äußerst arm an Produkten, die
für den Außenhandel in Betracht kommen können. Es müßten schon
recht wertvolle Erzeugnisse sein, die den langen. Transport zur Küste
zahlen können. Auch Baumwolle, dessen von der Regierung unter-
nommene große Anbauversuche übrigens an der Abneigung der Ein-
gebornen zu intensiver Arbeit gescheitert sind, und Reis, von dessen
Anbaumöglichkeit sich Aloisel viel verspricht, sind nicht wertvoll genug,
um den Export aus dem Tsadseegebiet rentabel zu machen. Aus diesen
und aus manchen andern Gründen vermag ich dem freilich an allerlei
\'oraussetzungen geknüpften optimistischen Schlußurteil Moisels über
die Zukunft des Tsadterritoriums nicht recht beizupflichten.
Das am Ende der Monographie angefügte Literaturver-
zeichnis reicht von Heinrich Barth 1857 bis Hugo JMarquardsen
1916. Es ist eine kritische Zusammenstellung aller wissenschaftlich
wertvollen Veröffentlichungen. Sehr reichlich sind herangezogen
,,L'afrique Frangaise, Renseignements coloniaux", aber gar nicht die
,,Ouestions diplomatiques coloniales" und die ,, Annales de Geographie";
und warum ist Boyd Alexanders inhaltreiches Werk weggelassen?
Rühmende Erwähnung verdient die farbige Völker karte von
Französ. Westafrika, die Moisel nach der Völkergruppierung von
Poutrin mit gewohnter Meisterschaft bearbeitet hat. Klar tritt der
Gegensatz zwischen den großen Gruppen der Bakota, der Banda, der
Sara, u. a. einerseits und des Gewimmels von Völkersplittern in Gabun
und im Tsadbecken anderseits hervor.
2. Paul Sprigade konnte sich in seiner Monographie über
Die französische Kolonie Obersenegal und Niger
auf ein beträchtlich kleineres Gebiet konzentrieren, über das bereits
zusammenfassende Werke von M. Delafosse und I. Meniaud vorliegen.
Auch war ihm seine Arbeit, wie er im Vorwort sagt, dadurch erleichtert,
daß ihm K. Niehoff seine in demselben Band der Mitt. a. d. Deutsch.
Schutzgeb. veröffentlichte, mit vorzüglichen Karten — die Sprigade
redigiert hat — ausgestattete Arbeit über die ,, Oberflächengestalt, Nieder-
schlag und Abfluß des Niger und seiner Nachbargebiete" schon im
Manuskript zur V^erfügung gestellt hatte. Und da Sprigade überdies
mit kritischem Bedacht und Fleiß aus den hauptsächlichen französischen,
deutschen und englischen Quellen geschöpft hat, vermochte er eine
alles Wesentliche zusammenfassende abgerundete Landeskunde dieser
Kolonie zu geben, die dauernden Wert behalten wird.
Die durch die Sache gegebene Gliederung ist: Geschichtlicher Über-
blick, Physische Geographie, Bevölkerung, \'erwaltungsorganisation,
Verkehrsmittel, Handel, Produktion. Der erste Abschnitt wird ein-
geleitet durch eine kurze Aufzählung und Charakteristik der mächtigen
254 Hans Meyer;
Eingebornenrciche, die ja teils bis ins 4. Jahrhundert zurückreichen
(Gana), teits im 19. Jahrhundert von starken PersönHchkeiten gegründet
wurden (Hadji Omar, Samory, Sikasso) und den Franzosen große
Schwierigkeiten bereitet haben, bis sie befriedet werden konnten. In
der Erforschungs- und Eroberungsgeschichte wird auch der Arbeit der
Deutschen: G. A. Krause, Grüner, v. Carnap, Thierry, Frobenius, Niehoff,
gebührend Rechnung getragen.
In der geographischen Übersicht schheßt sich Sprigade
eng an Niehoff an, führt dann aber die von Süd nach Nord abgestufte
Gliederung in Sudanzone, Sahelzone und Wüstenzone strenger durch
und gewinnt so ein kurzes, aber anschauliches landeskundliches Gesamt-
bild seines Betrachtungsgebietes. Auch in den Abschnitten Geologie
und Klima ist der Einfluß Niehoffs stark zu fühlen, wozu im geologischen
Kapitel noch wertvolle Hinweise A. Koerts kommen. Im Klima-
k a p i t e 1 aber hat Verfasser mit erstaunlichem Fleiß und Geschick die
meteorologischen Elemente aus den französischen, englischen und
deutschen Stationen des Westsudan ausgezogen und zu inhaltreichen
übersichtlichen Tabellen zusammengestellt. Warum aber bleibt er in
den Tabellen der W^indrichtungen an dem alten Zopf hängen, die Ost-,
Nordost- und Südostwinde mit E, NE, SE zu bezeichnen, während er
sie im Text O, NO und SO nennt? Wenn in dieser Zeit nicht mit
dem Gerumpel aufgeräumt wird, wann denn sonst.? In der Beurteilung
des Klimas für den Aufenthalt der Europäer folgt Verfasser zu gut-
gläubig den französischen Angaben. Unmöglich kann das Klima ,, eines
der gesündesten von Westafrika" genannt werden, wenn man hinzufügen
muß, daß es ,,für den Europäer nicht allzu gefährlich" sei, der ,,ein
geregeltes, enthaltsames Leben" führe und einen ,, regelmäßigen Er-
holungsurlaub nach je 2 Jahren in gemäßigten Zonen" genieße. Inter-
essant ist dabei der Hinweis auf die großen Verheerungen, die der immer
mehr überhand nehmende Alkoholismus anrichtet.
Aufs beste wird die Nichoffsche Arbeit ergänzt durch Sprigades
Schilderung der Eingebornenbevölkerung, der er 28 .Seiten
widmet. Hier hat Verfasser sich auf die guten Vorarbeiten von Marc,
Aymard, Frobenius, namentlich Delafosse, u. a. stützen können, aber
ein selbständiges klares Bild von dem Völkergemisch und Völker-
getrümmer dieser breit nach Nord, West und Ost geöffneten und im
Nigerbogen weit in die Sahara hineingreifenden Westsudanländer ent-
worfen. Eine Völker karte, die von einem Flächenkolorit der ver-
schiedenen Völkergruppen wegen ihrer enormen Zersplitterung absieht
und sich mit der Eintragung der verschiedenfarbigen Völkernamen
begnügt, läßt doch die großen Zonen der Alande im Westen, der Volta-
völker im Osten und der Mauren, Tuareg und Fulbe im breiten Norden
ganz deutlich heraustreten. In zwei Kapiteln werden dann von den
40 Völkern der Kolonie nacheinander die vier hamitisch-semitischen
Völker des Nordens und die 36 Negervölker des Südens betrachtet und
eine Menge interessanter Zusammenhänge aufgedeckt. Nicht recht be-
leuchtet ist die Abhängigkeit der Verbreitung dieser \'ölker von der
Natur ihrer Wohngebiete, namentlich der viehzüchtenden Hamiten von
den Grasländern des Nordens, und in manchen Einzelheiten wird man
andrer Meinung als der Verfasser sein, so z. B. wenn er die Fulbe nach
Die französischen Kolonien Mittclafrikas. 255
Delafosse der „jüdisch -syrischen Gruppe der Semiten" zuweist, oder
wenn er den Namen des Tukuhir- Volkes auf eine mangelhafte Ayssprache
des Wortes Tekrur, das die Woloff in Tokolor versti^immeln, zurück-
führt; viel näher liegt die Erklärung des von den Franzosen gebrauchten
Namens Tukulör aus ,,tous couleurs" für dieses in mannigfaltigen Haut-
farben auftretende Mischvolk. Der älteren von Delafosse gegebenen Be-
rechnung der Gesamtbevölkerung, die rund 4,8 Mill. Köpfe ergeben
hatte, stellt Sprigade die im letzten Annuaire von 19 13/14 berechnete
Summe von 5,6 Mill. Personen gegenüber, worin als die drei stärksten
Völker die Bambara (Mandefamilie) mit 672 oco, die Fulbe mit 689 000
und die Mossi mit i 797 000 Köpfen erscheinen. Mit einigen ethno-
graphischen Unterkapiteln über die körperlichen Merkmale, die Haus-
formen, Kleidung, Schmuck, Waffen, über den geistigen Zustand,
Lebensweise, Sprachen, Gesellschaftsordnung (mit interessanten, aber
nicht einwandfreien Angaben über Clans und Kasten), Religionen, Grund-
besitzrechte, schließt der in Inhalt und Form gleicherweise ansprechende
Abschnitt ,, Bevölkerung" ab.
In die nun folgende Schilderung der V e r w a 1 t u n g s o r g a n i -
s a t i o n ist eine sehr willkommene Neuberechnung der Bevölkerungs-
dichtigkeit eingeflochten, die die sich widersprechenden Angaben der
Franzosen berichtigt. Gegenüber der niedrigen Durchschnittsdichte von
3,2 Menschen pro qkm steht das Maximum von 24,7 im Bezirk Mossi,
eine für afrikanische Verhältnisse außerordentlich hohe Volkszahl. Die
nächstgroße Zahl weisen die Bezirke Jatenga und San mit 13,7 und
12,7 auf, also nur die Hälfte des Mossibezirks, und die meisten andern
Bezirke erreichen sogar nicht einmal 6 pro qkm. Der Bezirk Mossi
beherbergt fast ein Drittel aller Einwohner der Kolonie, wie überhaupt
die Ackerbaugebiete der Voltaländer die dichtest bevölkerten der Ko-
lonie sind, von wo aus die Dichtigkeit nach Norden schnell in der
Sahelzone abnimmt, bis sie jenseits des Niger nur noch 0,1 bis 0,2
beträgt. Unter den Eingeborenen sind mehr als 4 Mill. Ackerbauer,
600 000 Hirten, 400 000 Handwerker und Händler und der Rest andere
Berufsarten. Die größte Stadt ist (1913) Wagadugu im Mossibezirk
mit 19 330 Einwohnern, während die Hauptstadt Bamako am Niger nur
7050 (1916: 8730) und Timbuktu sogar nur 6700 (1916: 4270) hat.
In dem Kapitel Konzessionswesen findet sich die beachtens-
werte Angabe, daß bis 19 12 nur 20 Konzessionen unter 2000 ha und
keine einzige größere erteilt worden sind ; im Kapitel Eingebornen-
p o 1 i t i k die Mitteilung, daß das starke Fortschreiten der panislamitischen
Bewegung die Regierung in ernsteste Sorge versetzt und daß man die
Gefahr nur durch Unterdrückung mohammedanischer Geistesrichtung
und durch Ausbreitung französischer Kultur und Sprache bekämpfen zu
können glaubt. Also die in der französischen Kolonialgeschichte so
beliebte ,,assimilation", die das Gegenteil ist von dem angeblich in der
Kolonie Ober-Senegal-Niger herrschenden Verwaltungsprinzip ,, Schonung
der Lebensweise der Eingeborenen, ihrer Familie, ihres Besitzes, ihrer
Gewohnheiten, ihrer Überlieferungen" usw.
Ein besonderes Kapitel ist der ,, B e w a f f n e t e n Macht" ge-
widmet. Wir erfahren darin viele interessante Einzelheiten über die
Organisation der schwarzen Armee des westafrikanischen General-
•>rj(j Hans Meyer:
gouverncnients und über die g-utcn Oualitälcn des schwarzen west-
afrikanischen Soldaten (Tiraillcurs senej^alais, Garde indigcne du Haut
Senegal et Niger, Spahis Senegalais, Goums reguliers, usw.), über die
Neuordnungen der Rekrutierung von 19 12 bis 19 16, über die Zahl der
Ausgehobenen und Freiwilligen u. a. m. Der Kolonialminister Doumer-
gue hat 19 15 das zu erzielende Ergebnis der gesamten Rekrutierungen
im Generalgouvernement Westafrika auf 125 000 geschätzt, und
Sprigade nimmt dies als richtig an. Es ist aber selbstverständlich, daß
die französische Zensur alle näheren Angaben über die Eiiigebornen-
rekrutierung in den französischen Kolonien unterdrückt. Die Zeit-
schrift ,, Wirtschaftsdienst" berechnet, daß schon Mitte 1916 etwa
200000 Eingeborne aus Französisch- W^estafrika nach Europa ge-
bracht worden waren, und nach einer Mitteilung des Kolonialministers
im französischen Senat vom 9. Juli 19 18 haben alle Kolonien bis Mitte
•1918 zusammen 680000 Soldaten und 238000 Arbeiter, also in Summa
918000 Mann geliefert, wovon etwa ein Drittel auf Westafrika ent-
fallen dürfte. Die Ausführung des neuen radikalen Rekrutierungs-
dekrets vom 14. Januar 19 18, das alle diensttauglichen Eingebornen
Westafrikas von 18 bis 35 Jahren zum Heere einzog, wurde einem
Schwarzen, dem Negerabgeordneten Senegals, Diagnc, übertragen, der
zu diesem Zweck mit dem Rang und der Vollmacht eines General-
gouverneurs ausgestattet wurde. Die Folge war eine Aushebungs-
methode, die mit dem Sklavenfang früherer Zeiten verzweifelte Ähn-
lichkeit hat, und darum Aufstände allerorten, die noch längst nicht
unterdrückt sind.
Im Kapitel 1'" i n a n z w i r t s c h a f t macht Sprigade auf die große
Wichtigkeit der Einrichtung des Generalbudgets für ganz Französisch-
Westafrika, woraus die Ausgaben für gemeinsame Zwecke aller Einzcl-
kolonien bestritten werden, aufmerksam gegenüber den Lokalbudgets
der Einzelkolonien, und auf die dem Generalgouvernement vom Mutter-
land bewilligten Anleihen, deren letzte (1913) 167 Mill. Frcs. betrug,
wovon 140 Millionen lediglich für Eisenbahnbauten bestimmt waren.
Im Krieg, der die Finanzlage Französisch-Westafrikas ungemein ver-
schlechterte, hat Frankreich dem Gcneralbudget ein kurzfristiges Dar-
lehen von 'iSV^ ^^ill- Eres, gegeben. Ich möchte hinzufügen, daß auch
damit dem Defizit des Haushaltes nur vorübergehend abgeholfen werden
konnte. Überschüsse hat man erst 1916 erzielt, nachdem man 1915
alle Importzölle bedeutend erhöhte und auf alle Produkte einen Aus-
fuhrzoll legte, den es bisher nicht gegeben hat. Der Abschnitt ,. Trans-
port- und Verkehrsmittel" beginnt mit dem Satz ,, Senegal und Niger
bilden das Rückgrat ihrer Kolonie". Natürlich, aber dieses Rückgrat
ist doch weniger stark und tragkräftig, als die Größe der beiden
Ströme erwarten läßt. Auf dem Senegal können zwar im Hochsommer
sechs Wochen lang Seedampfer bis KaA^es fahren, aber im Winter
3!/^ Monate lang nicht einmal kleine Dami)fer bis Kayes, und im
Frühjahr ist die Schiffahrt zehn Wochen lang ganz gesperrt. Der
Niger erlaubt in der Hochwasserzeit von Juli bis Januar Dampfbooten
von 0,70 m Tiefgang die Fahrt vom Eisenbahnendpunkt Kulikoro nach
den Landeplätzen von Timbuktu, von Januar bis März nur flachkieligcn
^^edetten, von März bis Ende Juni nur kleinen Leichtern. Möglich, aber
Die französischen Kolonien Mittelafrikas. 257
durch Sandbänke und eiiiig-e Felsen gefährdet, ist die Schiffahrt bis
Ansongo. Der Oberlauf des Niger ist zwischen Kurussa und Bamako
fast das ganze Jahr fahrbar, aber es gibt dort noch keine öfifentlichen
\'erkehrsmittel. Bei Hochwasser können auch die beiden Nebenflüsse
des Senegal : Colembine und Faleme, und die des Xiger : Sankarani
und Bani zeitweise befahren werden.
Die Bahnbauten, welche von der Senegalkolonie und von
der Guineakolonie aus den schiffbaren oberen Niger erreichen und
den Waren- und Alenschentransport von der wechselnden Schififbarkeit
des Senegal unabhängig- machen sollen, sowie die weiteren Eisenbahn-
projekte, die im Plan einer großzügigen Verkehrs- und Wirtschafts-
politik alle französischen westafrikanischen Kolonien durch ein riesiges
kombiniertes System von Bahnen und Schififahrtsstrecken miteinander
verbinden sollen, und deren mittleres Verbindungsstück den breiten
Süden der Kolonie Haut Senegal et Niger als „Transsoudanais" durch-
ziehen soll, werden im Kapitel ,, Eisenbahnen" dargelegt. Nur von der
seit mehr als 30 Jahren geplanten Transsaharabahn und gar ihrer Aus-
gestaltung zu einer Transafrikabahn denke ich viel skeptischer als der
Verfasser. Am Ende dieses Abschnittes erführe man gern mehr über
die alten und neuen Handelsstraßen, über ihre Angliederung
und Anpassung an die Bahnlinien und Schififahrtswege, ihre Orientie-
rung nach den neuen \"erkehrszentren vnid A'erkehrszielen, über die
Art des auf ihnen sich vollziehenden Verkehrs, über den Anteil, den
die drei großen Handelsvölker Mandingo, Mossi und Haussa an ihnen
haben — AVorüber nur sechs Zeilen gesagt sind — , über die Lage, Ein-
richtung und Verkehr der wichtigsten Märkte usw. Daß einzelne
Straßen fahrbar sind, ist praktisch bedeutungslos, weil es wegen der
Tsetse im großen Süden keine Zugtiere gibt und Automobilfahrt für
den normalen Verkehr, namentlich Güterverkehr, in diesen Ländern zu
teuer ist.
Die noch geringe Leistungsfähigkeit der \'erbindungswege mit dem
Meer, die ferne Binnenlage, die Großräumigkeit der Kolonie, die
schwache Bevölkerung der steppenhaften großen Nordhälfte u. a. m.
sind die Gründe für die bisherige geringe Produktionsentwicklung und
den sehr beschränkten Außenhandel. Beträchtlich dagegen ist
der Absatz in den Nachbarländern und aus ihnen, über den Senegal-
weg gehen hauptsächlich Erdnüsse hinaus und kommen europäische
Manufakturwaren herein, über den Guineaweg Kautschuk (Ausfuhr)
bzw. W^ebwaren (Einfuhr), über die Saharagrenzen Getreide bzw. Salz,
über die Südgrenzen Vieh bzw. Kolanüsse. Die Gesamteinfuhr war
1913 mit 20,3 Mill. Eres, fast doppelt so groß wie die Ausfuhr
mit 11,8 Mill. Eres. Der Binnenhandel, für den es keine ge-
nauen Zahlen gibt, überschreitet kaum 3 Mill. Eres. Aber durch
die umfängliche Art seiner Bewältigung durch viele Tausende von
Menschen und Karawanentieren ist er doch sehr bedeutungsvoll für
das Verkehrsleben und für die materielle wie geistige Entwicklung der
Kolonie.
Der letzte Abschnitt „Produktion" befaßt sich erst mit den
einheimischen Gewerben, als deren wichtigste die Baumwollweberei
und die in Massina ausgeübte Herstellung von Schafwollstofifen hervor-
258 H a n s M c y e r :
gehoben werden, und betont die gänzliche Bedeutungslosigkeit der von
Europäern geleiteten industriellen Unternehmungen. Ebenso klein und
wenig wertvoll sind die europäischen Plantagenunternehmungcn, die
sich auf Baumwollversuche der Association Cotonniere beschränken.
Die Produktion des Landes beruht ganz auf E i n g e b o r n c n -
k u 1 t u r e n.
Der dicht besiedelte Süden der Kolonie ist reich bebaut. Im Norden
ist das Nigertal unterhalb Kulikoro und das große Überschwemmungs-
gebiet im Nigerbogen, über das wir eine Reihe ausgezeichneter fran-
zösischer und deutscher Arbeiten besitzen, eine der fruchtbarsten
Gegenden ganz Afrikas. Es ist das alte M a s s i n a , das sogenannte
Binnendelta des Nigers, wo sich in der Pluvialzeit der Strom mit einem
Delta in einen Binnensee ergossen hat und noch heute in der Hoch-
wasserzeit und Monate danach sich riesige Flächen mit Seen, Sümpfen,
Tümpeln und Kanälen bedecken, deren Schwemmboden nach dem Ab-
lauf der Gewässer eifrig mit Reis, Mais, Baumwolle, Tabak usw. be-
baut wird. Wenn aber Sprigade, wie mehrere andere Autoren, sagt,
daß man das Nigertal unterhalb Kulikoro und das Binnendelta des
Niger ,,wohl dem Niltal und Nildelta zur Seite stellen kann", so darf
doch diese Parallele nur im Klim^, in der Hydrographie, Oberflächen-
form, Bodenbeschafifenheit und Siedlungsart gezogen werden, aber es
darf nicht vergessen werden die verkehrsferne Lage des Mittclniger
gegenüber der Vorzugslage des unteren Nil, die dünne Bevölkerung der
mittleren Nigerländer gegenüber dem Menschenüberfluß des Untemil,
die rückständigen pfluglosen Ackermethoden der Nigerstämme gegen-
über der in jahrtausendelanger Kultur zu hoher Entwicklung ge-
diehenen Bodenbestellung der ägyptischen Bauern u. a. m., womit sich
der Mittclniger nicht entfernt vergleichen kann. Deshalb ist es auch
voreilig, dem Mittelniger und seinem Überschwemmungsgebiet bei
fachmännischer europäischer Arbeitsleitung, nach Regulierung der Be-
wässerung, Anlage von Staudämmen, Unterweisung der Eingebornen.
Einführung von Maschinen und dergleichen eine schnelle Entwicklung
zu hohen Erträgen vorauszusagen. Namentlich die Befürworter einer
dortigen Baumwollenkultur großen Stiles, wie sie England in LTnter-
ägypten durchgesetzt hat, sollten mit ihren sehr optimistischen \'or-
aussagen zurückhaltender sein. Die bestehende Baumwollenkultur
der Eingebornen ist zweifellos entwicklungs- und steigerungsfähig;
ob aber ihre Erzeugnisse nach Einführung besserer amerikanischer
und ägyptischer Baumwollarten so gut und reichlich ausfallen, daß
ihre Ausfuhr trotz der großen Transportkosten nach der Küste noch
rentabel wird, vermag erst eine lange Zeit unverdrossener Arbeit zu
lehren. Das gleiche gilt von der Entwicklungsfähigkeit des Baumwoll-
baues in den Südgebieten. Hier wie dort wird Baumwolle von den
Eingebornen in der Nähe der Dörfer angebaut, teils in selbständiger,
teils in Zwischenkultur. Der Anbau ist primitiv, die Pflanze wider-
standsfähig, aber von kurzem Stapel und ziemlich harter Faser. Fast
alles wird von den Eingebornen für eigene Zwecke versponnen, aus-
geführt 1913 nur 75 Tonnen.
Einen größeren Aufschwung hat in den letzten Jahren vor dem
Krieg der Reisbau der Eingebornen genommen, der hauptsächlich
Die französischen Kolonien Miltclafrikas. 259
im Überschwemmungsgebiet des Mittelniger betrieben wird und dort
die Grundlage der Ernährung der Eingebornen bildet. Auch seine
Methoden sind noch sehr primitiv. Neben dem kultivierten Reis wird
perennierender (?) wilder Reis geerntet, der in Massen in den Über-
schwemmungsgebieten wächst. Leider erfahren wir nichts Näheres über
die Anbaumethoden des Reises im französischen Sudan. Wird er breit-
würfig gesäet, wird er ausgepflanzt, wird er künstlich be- und ent-
wässert, wird er halmweise geschnitten? Es hätte sich sehr gelohnt,
einmal die in^der Literatur zerstreuten Notizen über diese wichtige,
im Sudan immer mehr sich ausbreitende Kultur zusammenzustellen
und die Hauptergebnisse mitzuteilen. Im Binnenhandel hat sich der
Umsatz des Reises in den letzten zehn Jahren verdoppelt, aber über
die Grenzen der Kolonie wird nur wenig nach Französisch-Guinea und
Senegal ausgeführt.
Von den übrigen Kulturpflanzen gewinnt nur die Erdnuß seit
19 lo immer größere Bedeutung für den Handel. Dem glänzenden Bei-
spiel der Kolonie Senegal nacheifernd, hat auch die Kolonie Ober-
senegal und Niger die Eingebornen zu möglichster Ausbreitung des
Erdnußbaues angehalten und namentlich in der Nähe der Bahnlinien
und der schift'baren Flußstrecken so gute Erfolge erzielt, daß 19 13 schon
8677 Tonnen Erdnüsse im Wert von 2,1 Mill. -Eres, exportiert werden
konnten. Der Ausbau der Bahnen und die Verbilligung der jetzt sehr
hohen Frachten wird -die Erdnußkultur stark steigern. Unter den
handelsläufigen Wildprodukten sind Schinüsse, Kapok, Borassuskerne
als ,,vegetabiles Elfenbein", Gummi arabicum, Landolphiakautschuk
und Hölzer zu nennen, aber alle haben nur geringen Exportwert.
Dagegen ist die V i e h z u c h t von größter Wichtigkeit für den
Handel und für alle weitere Entwicklung der Kolonie. An dem rie-
sigen Bestand von zwei Millionen Rindern und drei Millionen Schafen
im Wert von mehr als 100 Mill. Frcs. haben natürlich die Grasländer
des Nordens und ihre Hirtenvölker den größten Anteil, während die
ackerbauenden Stämme des Südens nur ein Achtel besitzen, schon
wegen der im Süden weit verbreiteten Tsetse. Im Norden wird
das große Buckelrind der Zeburasse gezüchtet, im Süden das kleine
buckellose Rind; dort in offener Weide, hier meist in Stallwirt-
schaft. Bei den Ackerbauvölkern ist die Rinderhaltung nur ein Luxus ;
sie überlassen die Wartung der Tiere gewöhnlich einem Fulbe oder
Tukulör. Die Angabe, daß ,,die Eingebornen nur Fleisch, Häute und
Milch der Tiere verwerten", ist so allgemein nicht richtig. Butter wird
hergestellt und von den Hamiten zum Einsalben des Körpers, zum
Geschmeidigmachen des Leders usw. benutzt, von den Ackerbauern in
manchen Gegenden zum Schmoren. Über die Bedeutung des Rindes
als Kapital, «des Viehs überhaupt als Opfertiere, als Totemtiere, als
Handelsware und als andere Werte, wodurch der Fleischgenuß äußerst
eingeschränkt wird, vermißt man jede Angabe.
Die Pferdezucht reicht vom Sahararand bis in die Sudanzone,
geht aber im allgemeinen nicht über den 14. Breitengrad hinaus, weil
im Buschland des Südens die Tsetsefliege, gegen deren infektiösen
Stich das Pferd sehr empfindlich ist, weit verbreitet ist. \^on den rund
80 000 Pferden der Kolonie gehört die Mehrzahl der kleinen mau-
Zeltschr. d. Gesellsch. f. Erdkunde zu Berlin. 1919. Xr. 5,6. 18
2(jö H a n s M e y c r :
risclicn Rasse des Xordens an, die anderen der mittelgroßen Seguras^c
und der großen, aber wenig kräftigen Massinarasse. Alle Pferde werden
ausschließlich zum Reiten benutzt. Gestütseinrichtungen der Regie-
rung, Prämien und gute Preise haben zur Verbesserung der durch In-
zucht entartenden Rassen beigetragen. Sehr gelitten hat dagegen die
Kamelzucht der Kolonie durch den starken Bedarf und Verbrauch ,
der Kamelreitertruppe in ihren unaufhörlichen Streifzügen gegen die
räuberischen Saharastämme.
Nach Europa werden wohl \'iehhäute und Schalwolle im Wert
von einigen Hunderttausend Franken ausgeführt, nicht aber lebendes
\'ieh ; dieses hingegen nach den vieharmen Nachbarkolonien im Wert
von 6,3 Mill. Pres. 19 13.
Die wilde Fauna liefert dem Handel nur noch wenig Elfen-
bein (etwa 10 Tonnen) und Straußenfedern (etwa 800 kg) und noch
weniger Silberreiherfedern, deren Handel jetzt ganz verboten ist, nach-
dem Millionen von Reihern dem Vernichtungskrieg der europäischen
Damenmode zum Opfer gefallen sind; ein scheußliches Beispiel der
furchtbaren Wirkung weiblicher Eitelkeiten.
Unter den nutzbaren Bodenschätzen hat von alters
her das Salz der Sahara im Handel und in der W' irtscliaft der mittle-
ren Nigerländer eine große Rolle gespielt. Neuerdings macht das euro-
päische Salz und das an den Guineaküsten gewonnene Seesalz dem
Wüstensalz scharfe Konkurrenz. Noch besitzt die Kolonie in • den
Steinsalzlagern bei Taudeni in der Sahara einen der ergiebigsten Salz-
gewinnungsorte Afrikas, aber auch hier ist die Produktion, die vor
allem die Märkte von Timbuktu, Bamba und Gao beschickt, sehr
zurückgegangen : etwa 100 000 Barren zu 30 kg gegen das Doppelte
vor zwanzig Jahren.
Größere Erträgnisse bringt der G o 1 d a b b a u in den westlichen
Gebieten der Kolonie (Faleme, Manding, Baulc usw.) und im Lobi-
distrikt am Schwarzen Volta. Das meiste Gold wird von den Ein-
gebornen aus den Sedimentgesteinen mittels Schachtlöchern (puits)
gegraben und aus den Flußkiesen ausgewaschen, wenig aus anstehen-
dem Quarz gewonnen. Der Jahresertrag übersteigt nicht 700 000 Pres.
Europäische PInternehmungen auf Goldgewinn gibt es in Obersenegal
und Niger gar keine und in den westlichen Nachbarkolonien nur noch
eine einzige, die das Schwemmgold aus den Flüssen mit Dampf baggern
gewinnt. Auch ihre Produktion erreicht im Jahr nicht i Mill. Pres.
Das ist alles, was aus dem sagenumwobenen Goldland \\'angara der
alten Reisenden und Geographen noch zu holen ist.
Auch Sprigade schließt seine Alonographie mit einem Litera-
tur- und Karten Verzeichnis, das alles Wichtige über die
Kolonie seit Barths Reisen enthält, und auch Sprigade schöpft mit
Vorliebe aus dem ,, Bulletin du Comite de l'Afrique Franc^aise" (seit
1909 einfach L'Afrique Franc^aise betitelt) und seinen Beiheften ,,Ren-
scignements Coloniaux et Documents".
Von den beigehefteten Karten haben wir die \'ölkcrkarte schon
rühmend erwähnt. Die kleine Karte der Verkehrswege bringt
zu viel Hypothetisches in allen den projektierten Eisenbahnlinien und
in der regelmäßigen Schififbarkeit des Niger von Kurussa bis Bamako
Die französischen Kolonien Mittelafrikas. 261
und von Kulikoro bis Ansoiigo, da doch in den Trockenmonaten April
bis Juni auch kleine Leichter oft nicht fahren können. Erstaunlich
dicht ist auf der Karte das Netz der Telegraphenlinien in der Kolonie
und ihre Verbindung mit den französischen Nachbarkolonien. Timbuktu
hat eine Telcfunkcnstation, die direkt mit Paris sprechen soll, also
eine ähnliche Einrichtung, wie wir sie in unserer Togokolonie besessen
haben. Schwarze Kartenskizzen, wie sie die Moiselsche Arbeit in
großer Zahl illustrieren, enthält Sprigades Monographie gar nicht.
3. Seitdem hat der Herausgeber der ,, Mitteil . a. d. Schutzg." die
Veröffentlichungen über fremde Kolonien Afrikas auch im Jahrg. 191 8
fortgesetzt, und wieder hat Paul Sprigade die landeskundliche
Darstellung einer französischen Kolonie beigetragen. Diesmal ist es
die Kolonie D a h o m e , der im 2. Heft des 31. Bandes eine 50 Seiten
starke, mit einer Übersichtskarte erläuterte Arbeit gewidmet ist. Die
Anordnung der Materien und die Art der Behandlung sind dieselben
wie in der Monographie über Haut Senegal et Niger, und mit der-
selben dankbaren Anerkennung kann die Kritik über die Leistung
quittieren.
Die Aufgabe war in diesem Fall leichter als in der Arbeit
über die Kolonie Haut Senegal et Niger, weil Dahome als Kolonie viel
kleiner, einheitlicher, leichter zu übersehen und älter ist und schon
mehrfach als Ganzes geschildert worden ist. Aber Sprigade hat doch
ein landeskundliches Gesamtbild von breiterer und tieferer geographi-
scher Auffassung zu entwerfen vermocht als seine Vorgänger.
Einleitend läßt der Verfasser den G e s c h i c h 1 1 i c h e n • U b e r -
blick über die ganze politische Entwicklung von den ersten, freilich
sehr bezweifelten Handelsstationen der Dieppe-Kaufleute des 14. Jahr-
hunderts bis zum Weltkrieg 19 14 schweifen. Mit Recht wird die ganz
außerordentliche Organisationskraft der Eingeborenen-Staatengründer
und die Widerstandskraft ihrer Staaten hervorgehoben, die zu den drei
Dahomekriegen der Franzosen 1890, 1892, 1893 geführt haben ; anschau-
lich wird der Wettlauf geschildert, den nach dem Berliner Kongreß die
französischen Offiziere und Reisenden mit den deutschen und eng-
lischen um die Besitzergreifung des weiteren Hinterlandes ausführten
und der mit den A^erträgen von 1897 und 1898 endete, wodurch die
Kolonie Dahome in ihrer heutigen Ausdehnung geschaffen war. Der
wertvollen Mitarbeit des deutschen Hauptmanns v. Seefried bei der
Vermessung der Dahome-Togo-Grcnze wird gebührende Anerkennung
gezollt. Weiter aber ist die wissenschaftliche Erforschung Dahomes
allzu kurz abgetan. Die neueren Reisen von Foa, Albeca, Chautard,
Brusseau, Hubert, Garde, Chevalier u. a. m. werden zwar im Text und
Literaturverzeichnis erwähnt, aber ihre wissenschaftlichen Ergebnisse
nicht in das nötige Licht und den erwünschten Zusammenhang gestellt.
Relativ sehr kurz ist die Physisch -geographische
Übersicht (S. 8 bis 21, wovon sechs Seiten kliniatolog. Tabellen)
behandelt, was sich aber aus der Einfachheit der morphologischen Ge-
stalt und der klimatisch - floristisch - faunistischen Gliederung erklärt.
Daß Sprigade den geologischen Bau und das Klima erst nach der
Flora und Fauna betrachtet, erschwert das Verständnis des kausalen
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2Q2 Hans M e >• e r :
Zusanimcnliangs. Das schmale Kolonialgcbict zieht sich mit 125 h\s
300 km Breite und 670 km Länge von der Sklavcnküste bis zum
Niger hin als ein „Korridor", der den südöstlichen Zu- und Ausgang
des großen inneren Französisch - Westafrika vermittelt. Mit dieser
politisch und wirtschaftlich wichtigen Eigenschaft als Schwellenland
des östlichen französischen Sudan ist aber die Bedeutung Dahomcs
nicht erschöpft, denn es hat eigenen Wert durch die stellenweise hohe
Dichtigkeit und Arbeitsamkeit seiner Eingebornen und durch die
Produktivität seines Bodens.
Gebirgig ist bloß der Nordwesten, wo die bis 8uü m hohen paläo-
zoischen (silurischen?) Atakoraberge als nördliche Fortsetzung des
Cioldküste- und Togögcbirges von SSW noch NNO streichen. Das
ganze übrige Land ist eine alte ausgeglichene Rumpffläche aus ar-
chäischen kristallinen Schiefern und Graniten mit aufgesetzten Insel-
berggruppen und Sandsteinplateaus verschiedenen Alters, deren kaum
400 m hohe Wasserscheide bei 10 Grad nördlicher Breite das lange
schmale Niederdahome vom