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Memoiren / Biographie / Autobiographie

Die 1870 erschienene Autobiographie war ein überaus erfolgreiches Buch. Das erste politische Gefühl, dessen sich Kügelgen bewusst wurde, war ein kindlicher Franzosenhass. Napoleons Zug nach Russland (1812), die folgende deutsche Erhebung (1813) und die rasch wechselnden Einquartierungen fremder Truppen hinterließen deutliche Eindrücke. Er sah in Dresden neben Napoleon auch Kaiser Franz II., den Preußenkönig Friedrich Wilhelm III. und den Zaren Alexander I., dessen Durchzug durch die Stadt Goethe aus dem Kügelgen'schen Haus beobachten wollte (woran er jedoch von einer lästigen Verehrerin gehindert wurde). Ein besonders nachhaltiges Erlebnis war es für Wilhelm, als mit den Lützower Jägern Theodor Körner nach Dresden kam und in seinem Elternhaus einkehrte.

In Kügelgens zweites Lebensjahrzehnt fällt die Auseinandersetzung mit Pietismus und Romantik. Die Atmosphäre seines Elternhauses (der Vater war Katholik, die Mutter Lutheranerin, der Sohn wurde evangelisch erzogen) war nicht betont christlich. Unter dem Einfluss des Pfarrers, der ihm Konfirmandenunterricht erteilte, und anderer Weggenossen fand er jedoch im Laufe seines Lebens zu einem verinnerlichten Luthertum Herrnhuter Prägung. An der Seite eines Burschenschaftlers lernte er den romantischen Patriotismus seiner Zeit kennen. Als Dresdener Kunststudent schloss er sich einem Kreis von Kommilitonen an, die aus patriotischer Begeisterung in ihrer Kleidung die altdeutsche Art nachzuahmen versuchten. Die Karlsbader Beschlüsse (1819) setzten diesem Treiben ein Ende. Ein Jahr später fiel Kügelgens Vater bei einem Spaziergang einem Raubmord zum Opfer. Mit diesem Ereignis bricht die Autobiographie jäh ab.

Kügelgens Jugenderinnerungen zeugen von einem ursprünglichen, detailfreudigen Erzähltalent, das zusammen mit einem überaus sicheren Stilgefühl und einer sensiblen, von unaufdringlichem Humor beseelten Sprachgewandtheit dieses Buch zu einem Meisterwerk der Memoirenliteratur macht. Die Unmittelbarkeit, mit der die politisch und geistig so bewegten ersten beiden Jahrzehnte des 19. Jh.s geschildert werden, verbindet sich mit der einfühlenden Analyse der Entwicklung eines wachen Geistes zu einer Autobiographie, die Zeit- und persönliches Dokument zugleich ist. Dem Maler Kügelgen gelingt es, von seiner Kindheit und Jugend ein Bild zu entwerfen, in dem ein breites bürgerliches Publikum sein eigenes, von einem enthusiastischen Patriotismus erfülltes Leben beschrieben fand.