Wale in der Ostsee

11 Minuten

Die Ostsee ist keine Heimat für große Wale oder Tieftaucher wie Schnabelwale. Doch hin und wieder sorgen auch sie für Aufsehen in diesem flachen Binnenmeer (die mittlere Tiefe beträgt 52 m, die maximale 459 m (im Landsorttief)). Der aktuellste Besucher ist ein Buckelwal in der Flensburger Förde. Er wurde am 5. April 2024 bei einer Stippvisite m Glücksburger Jachthafen entdeckt und am 8. April dann im Flensburger Hafen. Es bleibt zu hoffen, dass er seinen Weg unbeschadet zurück in die Nordsee findet.

Warum schwimmen größere Wale in die Ostsee?

Die wahrscheinlichste Erklärung ist, dass sie reichhaltigen Nahrungsströmen folgen. Wie auch bei ebenfalls nicht in der Ostsee heimischen Delfinen können kleinere Einströme aus der Nordsee mit kurzfristiger guter Nahrungsverfügbarkeit die Meeressäuger in die Ostsee bringen, wie uns der Meeresbiologe Dr. Jan Dierking vom GEOMAR Helmholtz-Zentrum für Ozeanforschung in einem früheren Interview erklärte.

Buckelwale wandern im Frühjahr aus ihren Überwinterungsgebieten im Süden zu ihren Nahrungsgründen im hohen Norden. Auch Finn- und Zwergwale verbringen häufig den Sommer im Norden, den Winter im Süden. Allerdings weiß man über die Wanderungen dieser beiden Arten noch nicht sehr viel. Zudem gibt es bei beiden auch sesshafte Populationen.

Vielleicht biegen manche Wale auf ihren Wanderungen auch einfach „falsch“ ab. Das kommt insbesondere bei Pottwalen leider öfters vor und endet mitunter sehr dramatisch in tödlichen Massenstrandungen.

Schweinswal in der Flensburger Förde.
Schweinswale sind die einzigen in der Ostsee heimischen Wale. Dieser hier schwimmt in der Flensburger Förde. © Kai Detlefsen

(K)eine Walheimat

Einzig für den Schweinswal ist die Ostsee eine Heimat. Mit seinen bis zu 1,90 m Größe ist der auch Kleine Tümmler genannte Meeressäuger ein sehr kleiner Vertreter der Wale.

Große Wale sind hier nur Irrgäste, ebenso kleinere Arten wie Schnabelwale oder Belugas. Oftmals endet der Ausflug für die Besucher nicht immer gut.

Welche Arten wurden in der Ostsee bereits entdeckt?

In den letzten beiden Jahrzehnten gab es schon einige tierische „V.I.P.s“. Die folgenden Sichtungen bzw. Funde sind u. a. mit Zeitungsberichten dokumentiert. Bei Buckelwalen gab es mitunter mehrere Sichtungen in einem Jahr: Hier ist nicht auszuschließen, dass es sich dabei jedes Mal um dasselbe Tier gehandelt haben könnte. Das Gleiche gilt für den Belugawal.

Nicht immer sind es Lebendsichtungen, denn leider überleben nicht alle Wale ihren Ausflug ins Baltische Meer.

Unsere Übersicht (ohne Anspruch auf Vollständigkeit) zeigt, dass der häufigste Besucher in der Ostsee der Buckelwal ist.

Sowerby-Zweizahnwal, gemalt
Sowerby-Zweizahnwal: Auch diese Art hat es schon einmal in die Ostsee verschlagen. Thorburn Archibald, flickr, Public Domain

Wale in der Ostsee – eine Chronologie

  • 2024: Buckelwal
  • 2023: Zwergwal (tot), Nördlicher Entenwal, Pottwal, Zwergwal (erst lebend, später tot)
  • 2018: Buckelwale (mehrfach)
  • 2016: Buckelwal (mehrfach), Finnwal, Beluga oder Narwal, Pottwal, Zwergwal (tot)
  • 2015: Sowerby-Zweizahnwal (erst lebend, später tot), Finnwal, Buckelwal
  • 2014: Buckelwale (mehrfach)
  • 2013: Buckelwal
  • 2012: Beluga (zweimal), Zwergwal (tot)
  • 2010: Buckelwal, Pottwal
  • 2008: Buckelwal (mehrfach)
  • 2006: Buckelwal (mehrfach), Finnwal (tot)
  • 2005: vermutlich Finnwal
  • 2004: Pottwal
  • 2003: Finnwal, Buckelwal (tot)
  • 2001: Zwergwal (erst lebend, später tot)

Wale in der Ostsee – Arten im Fokus

Finnwal

Finnwale sind mit bis zu 22 m Länge die zweitgrößten Tiere und folglich von den bisherigen Irrgästen in der Ostsee die größte Art. Allerdings gab es seit 2001 nur drei oder vier Sichtungen dieser Furchenwale. Sie ernähren sich hauptsächlich von Plankton, aber auch kleinen Fischen.

Finnwal mit Blas
(Symbolfoto) Finnwal. iStockphoto.com/JG 1153

Im September 2016 tauchte ein Finnwal mitten in der Flensburger Förde auf (Video auf Focus).

Im Mai 2015 schwamm ein Exemplar in der Eckernförder Bucht umher.

Ein 17 m langer Finnwal wurde im Januar 2006 in der Wismarbucht tot geborgen.

Buckelwal

Buckelwale sind von den „Ostsee-Besuchern“ die häufigste Art. Die mit bis zu 16 m großen Meeressäugetiere gehören ebenfalls zu den Furchenwalen. Ihre Lieblingsspeise sind Heringe. Das erklärt eventuell, warum man sie häufiger als andere Bartenwale hier antrifft. Denn bevor die Heringsbestände total überfischt waren, fanden sie hier noch etliche der Leckerbissen. Einmal soll eine Walmutter mit ihrem Kalb sogar an der schwedischen Ostküste überwintert haben.

Im April 2024 sorgte ein Buckelwal in der Flensburger Förde für Aufsehen (Video aus dem Jachthafen Glücksburg auf Facebook).

Im Februar 2021 wurde ein 10 m langer Wal in der Eckernförder Bucht gesichtet, es könnte sich um einen Buckelwal oder einen kleinen Finnwal gehandelt haben.

aus dem Wasser springender Buckelwal
(Symbolfoto) Die arttypischen langen Flipper von Buckelwalen können bis zu einem Viertel oder sogar bis zu einem Drittel ihrer Körperlänge ausmachen! © Michele Roux/Ocean Image Bank

Beifang im Fischernetz

Im Juni 2018 strandete ein 8 m langes totes Jungtier in Stralsund. Im Februar desselben Jahres befreite man einen 8–9 m großen Buckelwal aus einem Fischernetz vor Dierhagen auf dem Darß.

Auch 2016 konnte ein Buckelwal aus einem Fischernetz in der Danziger Bucht (Polen) befreit werden.

Kollision mit Segelboot

Im September 2016 stieß ein Segler südlich der Insel Vilm mit einem Buckelwal zusammen. Zum Glück blieben beide unverletzt. Zuvor wurde im August einer im Greifswalder Bodden gesichtet. Es handelte sich dabei anscheinend um ein Tier, das sich bereits seit Ende Juli 2016 in der Ostsee aufhielt.

Überwinterung

Im März 2015 entdeckte man ein Buckelwal mit Kalb an der schwedischen Ostseeküste. Die beiden sollen nach Meinung von Walforschern in der Ostsee überwintert haben. Denn im Sommer des Vorjahres hatte man sie in der deutschen und dänischen Ostsee gesichtet. Anhand von bestimmten Körpermerkmalen ließ sich ihre Identität mit großer Sicherheit feststellen.

2014 – mehrere Buckelwale in einem Jahr

2014 kamen mehrfach Buckelwale in die Ostsee. Es ist nicht auszuschließen, dass es sich dabei zumindest teilweise um dieselben Tiere gehandelt hat. So wurde einer im Oktober 2014 bei Sassnitz gesichtet. Zuvor 2 Tiere im Juli nahe der Flensburger Förde, ein weiterer vor der polnischen Küste.

2013–2003

Im November 2013 schwamm ein Buckelwal vor Rügen.

Ein 12 m großer Buckelwal tauchte im Mai 2010 vor Rügen auf, im gleichen Monat einer vor Bornholm.

Im August 2008 sichtete man einen Buckelwal vor Warnemünde, 3 Tage später vor Niendorf (SH). Ein 12 m großer weiterer Buckelwal tauchte längere Zeit immer wieder vor Rügen auf.

Im Mai 2006 gab es eine Buckelwalsichtung polnischen Gewässern, zuvor war im März ein rund 10 m langes Exemplar ebenfalls dort in der Danziger Bucht aufgetaucht.

Im Juli 2003 barg man ein leider schon totes sechs Meter langes und zwei Tonnen schweres Buckelwalbaby nahe Wismar.

Zwergwal

Zwergwale, oder vom Englischen übernommen auch Minkewale genannt, sind mit bis zu 10 m Größe die Kleinsten unter den Bartenwalen auf der Nordhalbkugel. Bisher überlebte leider keiner den Ausflug in die Ostsee.

Zwergwal, der mit Schnauze aus dem Wasser schaut
(Symbolfoto) Typisch für Zwergwale ist die spitz zulaufende Schnauze, der sie ihren wissenschaftlichen Artnamen Balaenoptera acutorostrata verdanken. Igor Francetic/Unsplash

Im Oktober 2023 fand man ein bereits stark verwestes junges Weibchen in der Flensburger Förde.

Im Mai 2023 hatte sich ein Zwergwal in die Trave bei Lübeck verirrt. Kurze Zeit später entdeckte man ihn tot in der Trave.

Im März 2016 trieb ein toter Zwergwal in der Kadettrinne. Die Untersuchung durch das Meeresmuseum Stralsund ergab, dass er durch eine Schiffsschraube tödlich verletzt worden war.

Im Januar 2012 fand man ein junges Männchen tot vor Rerik.

Im September 2001 wurde ein 5,6 m langer und 2 t schwerer Zwergwal tot geborgen, nachdem man ihn zuvor bei Warnemünde noch lebend gesichtet hatte.

Pottwal

Pottwale sind Zahnwale und mit bis zu 18 m die größten Raubtiere der Erde. Für sie ist ein Ausflug in die Ostsee sehr gefährlich, denn sie ist für die Tieftaucher viel zu flach.

Pottwal unter Wasser
(Symbolfoto) Pottwal. © Ellen Cuylaerts/Ocean Image Bank

Im Juli 2023 soll ein Pottwal nordöstlich von Bornholm gesichtet worden sein.

Im Mai 2016 hielt sich einer im Öresund auf.

Ein 15 m langer Pottwal soll sich im August 2004 mehrere Wochen lang in der Mecklenburger Bucht aufgehalten haben.

Das weitere Schicksal dieser Pottwale ist unbekannt.

Schnabelwale

Schnabelwale sind sehr artenreich. Es gibt rund 23 Arten. Auch sie sind Tieftaucher. Und auch für diese Wale ist die Ostsee ein gefährliches Gewässer.

zwei Nördliche Entenwale, die aus dem Wasser schauen
(Symbolfoto) Die überhängende Stirn (Melone) ist das „Markenzeichen“ von Entenwalen. Fisheries and Oceans Canada

Gesichtet wurde bislang ein Nördlicher Entenwal im September 2023 im Öresund. Die Art wird bis zu 8,5 m groß.

Ein Sowerby-Zweizahnwal, auch Nordsee-Schnabelwal oder Flosser genannt, tauchte im September 2015 zunächst in der Wismarer Bucht auf, später in der Lübecker Bucht. Dort wurde er sogar bei einem Sprung aus dem Wasser auf Video gebannt.

Leider fand ihn später tot vor der schwedischen Küste auf. Er hatte einen leeren Magen und war verhungert, wie die Untersuchung ergab. Die Art erreicht ein Größe bis zu 5,1 m.

Beluga

Belugas oder Weißwale zählen zu den Gründelwalen. Sie leben in arktischen Gewässern, wandern aber mitunter – einzeln oder in kleinen Gruppen – auch in Regionen außerhalb ihres normalen Verbreitungsgebiets. Zudem sind sie dafür bekannt, in ihren nordischen Lebensräumen in Flüssen auch weit ins Landesinnere vorzudringen, mitunter 1.000 km und mehr.

Belugawal, der aus dem Wasser schaut
(Symbolfoto) An ihrer weißen Körperfarbe sind erwachsene Belugas gut zu erkennen. Brigitte Werner/Pixabay

Im November 2012 sichtete man einen Beluga in Olpenitz. Davor, im September 2012, tauchte ein 4,5 großer Weißwal in der Flensburger Förde auf.

Im Juli 2016 wurde ein 5 m langer Wal ohne Rückenfinne im Greifswalder Bodden entdeckt. Da Belugas und Narwale keine Finne haben, vermutete man, dass es sich um eine dieser beiden Arten gehandelt haben könnte.

Titelfoto (Symbolbild): Buckelwal. © Francois Baelen/Ocean Image Bank

Autorin: Ulrike Kirsch, 9. April 2024