Zum 50. Todestag Hermann Hesses hat sich Jo Baier der fr�hen Erz�hlung „Die Heimkehr“ angenommen. Es geht um die Suche nach der Heimat, nach seelisch-geistiger Verwurzelung, nach Geborgenheit in der Gemeinschaft. Wunderbar ausgestattet, angenehm kontemplativ und blickintensiv inszeniert, vorz�glich besetzt, stehen dem Film allein die Sehgewohnheiten im Weg. Wer die „Verkleidung“ sehen will, der wird sie sehen. Wer abgelenkt ist von „H�herem“, der wird sie bald vergessen. Die mangelnde sinnliche Wirkung von „Die Heimkehr“ geht auf das Konto des Themas, des Personals, ist kein Manko von Baier und seinen Kreativen.
Foto: SWR / Markus FenchelMit kontemplativem Blick n�hert sich Jo Baiers Heimkehrer der Heimat. Zirner
Eine Kleinstadt im L�ndle vor rund 100 Jahren. Die schw�bische Enge und die Engstirnigkeit der Bewohner haben August Staudenmeyer in jungen Jahren zum Auswandern bewogen. Nach �ber drei Jahrzehnten kehrt er zur�ck: als ein „g’machter“ Mann. Die Honoratioren der Stadt umwerben den wohlhabenden R�ckkehrer. Es sollte eine Heimkehr f�r immer werden. Doch Staudenmeyer, der eine Baumwollspinnerei er�ffnen will, merkt bald, dass ihm die Menschen hier, ihr Denken und Handeln, nach wie vor fremd sind. Ihm missf�llt die Art und Weise, wie die behandelt werden, die anders sind. Wie sein Schulfreund „Mohrle“ zum Beispiel, ein Zeichner, dessen Kunst nichts gilt im kleinen Gerbersau, oder wie die Witwe Katharina Entri�, die die hohen Herren am liebsten aus der Stadt jagen w�rden. �ffentlich wird sie als Hure verleumdet, doch kaum ein Mann, der ihr nicht heimlich nachsteigt. Auch Staudenmeyer findet Gefallen an der sch�nen, vereinsamten Frau, die sich allerdings – verunsichert von den Anfeindungen – seinen Ann�herungsversuchen entzieht.
Foto: SWR / Markus FenchelBlicke der Macht. Der Blick des Beherrschenwollens. Knaup als B�rgermeister
Jo Baier �ber die zwei Herzen in Hesses Brust:
„Wie kann der Mensch, vor allem, wenn er Individualist und wie Hesse ein erkl�rter Nonkonformist ist, in der Welt eine Heimat finden? Er selbst ist bis zuletzt immer auf der Suche danach. Er beneidet die Bauern, die eine Heimat haben, und sieht sich selbst im Zwiespalt zwischen dem Vagabunden und dem Hausbesitzer.“
Zum 50. Todestag des Literaturnobelpreistr�gers Hermann Hesse hat sich Autor-Regisseur Jo Baier einer fr�hen Erz�hlung des von der deutschen Literaturkritik lange geschm�hten Autors angenommen. „Die Heimkehr“, 1909 entstanden, wirkt wie eine Vorstudie zu Hesses sp�teren Selbstwerdungs- und Selbstverwirklichungsszenarien. Hier steht die Suche nach der Heimat im Zentrum, nach seelisch-geistiger Verwurzelung, nach Geborgenheit. Wo steht das Ich in der Welt? Findet es seinen Platz in der Gemeinschaft? Oder findet jener August Staudenmeyer seine wirkliche Heimat in einem anderen Menschen? Hesse w�hlt die radikale, literarische L�sung: der Held bleibt sich treu, passt sich nicht an um den Preis der Selbstverleugnung. Was am Ende bleibt von der Gemeinschaft, ist die Sehnsucht nach ihr.
Foto: SWR / Markus FenchelObjekt des m�nnlichen Begehrens. Die Witwe mit liebenswertem Blick. Makatsch
Jo Baier �ber die kritischen Untert�ne des Films:
„Engstirnigkeit, Verklemmtheit, Konformismus – das alles haben wir keineswegs �berwunden. Wer l�ngere Zeit in einer Kleinstadt gelebt hat, kann ein Lied davon singen. Wir sind keineswegs so liberal und tolerant, wie wir uns gerne geben.“
Foto: SWR / Markus FenchelDie Frau des B�rgermeisters be�ugt das Treiben im Hause der Witwe. Broich
„Finde dich selbst und gehe dann deinen Weg, unbeirrbar und dir selbst treu.“ Hermann Hesses Credo klingt kaum anders als die Gl�cksverhei�ungen der g�ngigen Ratgeberliteratur und telegenen Selbstfindungsdramoletts. Im Gewand des Vergangenen gewinnt diese Botschaft in „Die Heimkehr“ allerdings an Allgemeing�ltigkeit. „Durch diesen Abstand wird der eigene Blick viel mehr f�r zeitgem��e Probleme gesch�rft, als w�rde man so eine Geschichte in der Gegenwart ansiedeln“, meint denn auch Baier. Das Historische birgt aber auch Gefahren. So stimmig die Ausstattung des Films ist und obwohl man die Hauptdarsteller August Zirner, Heike Makatsch, Herbert Knaup und Margarita Broich �berzeugend aus anderen historischen Rollen kennt – es bedarf immer wieder einer „Umstellung“, geschichtliche Protagonisten glaubw�rdig im realistischen Medium Fernsehen agieren zu sehen. Das ist immer auch ein Rezeptionsproblem: eine Frage der Wahrnehmung, eine Frage der Gew�hnung. Wer die „Verkleidung“ im Film sehen will, der wird sie sehen. Wer abgelenkt ist von „H�herem“, der wird sie bald vergessen. Die Transzendenz des Films spiegelt sich in der Sicht auf die Dinge: der Held blickt auf diese ihm zu eng gewordene Welt. Dieser subjektive Blick macht die Geschichte erlebbar. So wie es der Blick der von den Leuten geschnittenen Witwe ist, der Blick, der zugleich der einzigartige Blick von Heike Makatsch ist, der dem Zuschauer die Geschichte emotional erschlie�t. Es ist also die Erz�hlhaltung, die Politik der Blicke, die diesem Film seinen „h�heren“ Sinn verleiht. Wie der Schriftsteller Hesse, so schaut auch sein Held auf die Welt und h�lt Distanz zu dem, was er sieht.
Foto: SWR / Markus FenchelUnd dann steht auch der Mann von Welt vor der T�r der sch�nen Katharina. Zirner
Jo Baier �ber die Gestaltung der Bilder:
„Ich wollte kleine Miniaturen, kleine Panoramen schaffen. Mit Hilfe meines Szenenbildners und meines Kameramannes habe ich Totalen und Halbtotalen den Vorzug vor zu vielen beliebigen Gro�aufnahmen gegeben, habe den R�umen und ihrer pr�zisen Ausstattung gro�e Aufmerksamkeit geschenkt, habe viele Laiendarsteller gesucht, um diesem Schw�bisch-Kleinst�dtischen die entsprechende Authentizit�t zu verleihen.“
SWR-Trailer zu Jo Baiers Hermann-Hesse-Verfilmung "Die Heimkehr"
So sinnlich aber wie beispielsweise zuletzt in dem Grimme-Preis-gekr�nten Historiendrama „Die Hebamme“ (2011) kann „Die R�ckkehr“ nicht wahrgenommen werden. Dem steht nicht zuletzt die Geschichte entgegen: der Kleinmut, die lustfeindlichen Tugenden der Leute und der Intellekt des m�nnlichen Helden. Der ist zwar anders als die Anderen, holt den Zuschauer �ber die Beobachterrolle in den anfangs kontemplativ gestaltetenen Film hinein, aber auch sein K�rper, zumeist in leger fallende, helle Stoffe gewandet, wird zunehmend wieder verpanzerter. Erst in den Schlussbildern f�llt der Druck ab von dem R�ckkehrer, der wieder fortgehen wird, und der sozial Gedem�tigten. In der Natur finden sie zu zueinander. Und der gro�e Hermann-Hesse-Fan Udo Lindenberg singt auf Englisch dazu ("The River").
Foto: SWR / Markus Fenchel... doch es dauert, bis sich Katharina �ffnet & die Blicke einander finden. Makatsch
Rainer Tittelbach arbeitet als TV-Kritiker & Medienjournalist. Er war 25 Jahre Grimme-Juror, ist FSF-Pr�fer und betreibt seit 2009 tittelbach.tv. Mehr
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