Eigentlich wollte Manuela Thies Architektin werden. Wo andere Kinder davon träumten, Astronaut oder Popstar zu werden, hatte sie schon damals eine sehr genaue Vorstellung von ihrem zukünftigen Beruf. „Als Kind habe ich mir immer vorgestellt, Architektur zu studieren und Brücken in Amerika zu bauen“, sagt die Selektorin von Allianz Global Investors im Gespräch mit Citywire Deutschland. Kolosse aus Stahl und Beton statt Mondwanderung und Rampenlicht.
„Als Kind habe ich mir immer vorgestellt, Architektur zu studieren.“
Thies wurde am Ende keine Architektin. Trotzdem ist etwas von ihrem Kindheitstraum auch in ihrem heutigen, ganz anderen Beruf übrig geblieben. „Bei unseren Multi-Asset-Fonds müssen wir auf eine robuste Portfolio-Konstruktion achten – auf eine zuverlässige Statik“, sagt sie: „Alles muss gut harmonieren, und natürlich braucht man die besten Materialien, die langlebig sind und von hoher Qualität, und die somit unserem Anspruch gerecht werden. Dafür sorgen wir mit unserer Zielfonds-Selektion und Instrumentenwahl.“
Bloß keine Zeit verlieren
Statt Architektur zu studieren, begann sie nach der Schule eine klassische Bankausbildung. Während dieser Zeit investierte sie bereits ihre ersten Ersparnisse in Fonds und fragte sich, warum ihr damaliger Arbeitgeber keine Anlagemöglichkeiten von anderen Anbietern anbot. „Ich fand es immer spannend, ein breites Spektrum an Anlageklassen und Investmentstrategien zu haben, aus dem man auswählen kann“, erklärt Thies. Durch dieses Interesse zeichnete sich bereits ab, wohin ihr Weg sie einmal führen würde.
„Ich will auch in Zukunft Neues ausprobieren und gestalten.“
Denn während der Ausbildung wurde sie dadurch auf einen dualen Studiengang aufmerksam. „Ich wollte keine Zeit beim Berufsstart verlieren und habe mich für ein duales Studium entschieden, inklusive Auslandssemester in Neuseeland.“ Während des dualen Studiums war sie in der Vermögensverwaltung tätig und lernte das Asset Management kennen – von der Produktentwicklung über das Aktien-Research und alles Weitere. „Investmentfonds haben mich dann aber am meisten fasziniert. So bin ich im Bereich Multi-Asset-Management hängen geblieben“, sagt sie mit einem Lächeln. „Das ist ein vielseitiges, großes Umfeld, in dem man sich austoben kann.“
Zusammenhalt trotz Homeoffice
Was ihr außerdem wichtig ist: „Ein permanentes Lernen und Gestalten in Zusammenarbeit mit einem tollen Team“, sagt Thies. Covid stellte die Zusammenarbeit – wie bei so vielen anderen auch – vor eine Herausforderung. „Aber es hat geklappt. Der Zusammenhalt im Team hat trotz Corona immer gut funktioniert. Das macht mich sehr zufrieden und dankbar“, sagt Thies. „Wir wünschen uns natürlich trotzdem, uns alle mal wieder persönlich zu sehen – und nicht nur über den Bildschirm.“ Diesen echten Austausch vermisst die Selektorin. Aber es gibt in ihrem Berufsalltag ständig andere Herausforderungen, die sie davon ablenken.
„Die Märkte sind im stetigen Wandel. Ob es Krisen sind wie die Corona-Pandemie oder die Finanzmarktkrisen der Vergangenheit, die oft Illiquidität in den Markt bringen, oder auch Opportunitäten wie das Thema ESG. Die Beurteilung von Themen und Nachrichten für gute Anlageentscheidungen ist in unserem täglichen Geschäft die größte Herausforderung“, erklärt Thies. Und genau das macht ihren Beruf aus ihrer Sicht so interessant. Zuletzt war sie zum Beispiel verblüfft vom starken Sinken der Renditen amerikanischer Staatsanleihen: „Es bleibt immer spannend!“
Skepsis und Begeisterung
Der stetige Wandel und der Umgang mit der dadurch ausgelösten Ungewissheit ist laut Thies entscheidend für einen Selektor. Für den Erfolg müsse man die Dinge stets kritisch hinterfragen, sich aber auch für Themen und Trends begeistern können – eine mitunter gegensätzlich wirkende Kombination. Aber: „Eine gesunde Mischung aus Skepsis und Begeisterungsfähigkeit halte ich bei der Fondsselektion für entscheidend.
Dabei ist es wichtig, neben dem Blickwinkel des Selektors gleichzeitig auch den eines Fondsmanagers zu haben. Nur wenn man selbst weiß, was Performance-Verantwortung für Finanzprodukte bedeutet, kann man dieses Wissen auch gewinnbringend für die Selektion als solche einsetzen.“
Als weitere Grundvoraussetzungen rät sie angehenden und aufstrebenden Selektoren: „Seid und bleibt neugierig und kritisch. Stellt immer Fragen. Lasst euch Dinge erklären und bildet euch dann selbst eine Meinung.“ Diese Eigenschaften erwartet sie auch von ihrem Team: Wissen aufbauen und sich eine fundierte Meinung bilden. Denn so entstünden besondere Expertisen: „Das können neben Finanzmarktexpertisen auch solche aus anderen fachlichen Bereichen sein, zum Beispiel der Digitalisierung. Es ist aber auch wichtig, ein breites Interesse für neue Themen zu haben und eine hohe Eigenmotivation zu zeigen.“ Was sie von sich selbst erwartet? „Das Gleiche natürlich!“
Wie entspannen Sie sich, Frau Thies?
Mit einem guten Buch. Zuletzt „Achtsam Morden“ von Karsten Dusse.
Wohin reisen Sie als nächstes?
Japan (Sushi!) und Lateinamerika.
Bier oder Wein?
Wein.
Hund oder Katze?
Hund (kein Hündchen).
Sport oder Wellness?
Sport: Wandern, Radfahren und Schwimmen.
Lesen oder Film gucken?
Film gucken, weil ich das gemeinsam mit der Familie machen kann.
Kochen oder Restaurant?
Selber kochen.
Spazieren oder Joggen?
Spazieren.
Mails und Meetings
Straight Forward und Hard Working: Eigenschaften, die Manuela Thies von ihrem Vorbild hat, ihrem Vater. Er war Ingenieur im Maschinenbau und hatte eine eigene Firma. Und offenbar die gleiche Zielstrebigkeit wie seine Tochter. Thies’ Arbeitsalltag spiegelt das gut wider: Gegen halb acht Uhr am Morgen wirft sie den ersten Blick auf die Märkte. Was gibt es Neues? Welche Entwicklungen sind heute wichtig? Dann öffnet sie ihr Postfach und checkt die ersten E-Mails des Tages.
Beim Gedanken daran muss die Selektorin lachen. Ihr Tag beginnt mit E-Mails – und damit endet er meistens auch. Denn ihren Rechner fährt sie abends erst herunter, wenn sie ein letztes Mal in ihr Postfach geschaut hat. Dazwischen erledigt sie ihre eigentliche Arbeit: „Meetings mit Kunden, Meetings mit Kollegen, Meetings mit Fondsprovidern und -managern.“ Thies zählt nicht so genau mit, aber zusätzlich zu einzelnen Calls nimmt sie jeden Tag im Schnitt an sieben bis acht Team-Meetings teil.
Bewährtes und Neues
Es gibt in der Branche eben immer etwas Neues und Wichtiges, das man im Team diskutieren muss. Und darin sieht Manuela Thies auch eine Chance: „Wir leben in einer sehr dynamischen Zeit. Ich will auch in Zukunft Neues ausprobieren und gestalten.“ Ihre Arbeit und das Miteinander im Team bieten ihr dazu immer wieder Möglichkeiten. Dabei ist ihr eines wichtig, was sie schon als Kind beschäftigte, als sie davon träumte, Architektin zu werden: „Wie kann ich zwischen dem Erhalten von Bewährtem und dem Entwickeln von Neuem eine Brücke bauen?“
Der Artikel erschien zuerst in der Selektor-Spezialausgabe des Citywire-Deutschland-Magazins.