Knallverliebt in Italien Das Buch „Rom – Stadt fürs Leben“ führt zu einem neuen Verständnis der ewigen Stadt
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Knallverliebt in Italien: Das Buch „Rom – Stadt fürs Leben“ führt zu einem neuen Verständnis der ewigen Stadt

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Mit Schal und Krawatte: Golo Maurer in der Märzsonne vor dem römischen Pantheon.
Mit Schal und Krawatte: Golo Maurer in der Märzsonne mitten in Rom. © privat

„Rom – Stadt fürs Leben“ des Grünwalders Golo Maurer ist kein Reiseführer. Das Buch lässt sich aber auf Reisen in Rom sehr gut nutzen.

Reiseführer in Buchform erscheinen vielen Zeitgenossen überflüssig, weil man genug Informationen über diverse Internetseiten an die Hand bekommt. Die Dumontschen Kunstreiseführer sind für Liebhaber und nur noch antiquarisch zu erstehen. Bei Städtereisen gibt es aber noch eine dritte Art der Erkundung: spezielle Literatur, die dem eigenen Erlebnis eine weitere Dimension, einen sechsten Sinn für die neue Umgebung hinzufügt. Beispielsweise eine Biographie von Sophie de La Roche, die sich in Speyer anbietet. In dem Städtebuch „Rom – Stadt fürs Leben“ ist Golo Maurer (52) ein idealer Begleiter weit abseits ausgetretener Pfade sich wiederholender Plattitüden des Centro Storico, dem historischen Zentrum Roms. Denn er ist ja kein Tourist, sondern er lebt hier. Und wie!

In Grünwald aufgewachsen

Immerhin zweimal im Jahr kommt der verlorene Sohn heim nach Grünwald, um die familiären Bande zu pflegen. Golo Maurer ist in Grünwald aufgewachsen, ging am Gymnasium Oberhaching zur Schule. Zu einer Zeit also, als es das Gymnasium Grünwald noch lange nicht gab. Er fuhr mit der 25er Tram in die Stadt, dann weiter zum kunsthistorischen Institut in die Georgenstraße und hatte bald die italienische Renaissance ins Auge gefasst. Man kann sagen, sie nahm ihn fort nach Rom, von wo er im Geiste nie mehr zurückkehrte („seinen Geburtsort kann man sich nicht aussuchen, seinen Lebensort manchmal schon“). Seit einigen Jahren ist er dort Leiter der Bibliothek am Max-Planck-Institut für Kunstgeschichte oberhalb der Spanischen Treppe. Das kann sich sehen lassen.

In seinem neuesten Buch wird der Autor sehr persönlich und unternimmt in acht Kapiteln acht Anläufe, um sich seiner Stadt Rom zu vergewissern und diesen Schatz mit dem Leser zu teilen. Seine erste Unterkunft während des Studiums fand er unweit des kunsthistorischen Instituts bei französischen Glaubensschwestern: „So passten ich selbst und mein Koffer gerade hinein in dieses so herrlich zur Welt sich öffnender Hieronymus-Gehäuse, die bescheidenste und zugleich fürstlichste aller Behausungen, halb Heiligenklause, halb Taugenichts-Romantik.“

Koffer ausgepackt, um zu bleiben

In diesem klassisch zeitlosen, erzählerischen Stil, der immer treffsicher seinen Gegenstand beschreibt, bekennt der 52-jährige Autor sinngemäß: Er hat seine Koffer ausgepackt, um in dieser Stadt zu bleiben, im Herzen, für immer. Er hätte nun im Folgenden leicht fünf Bände über Pantheon, Kirchen, römische Architektur und Malerei folgen lassen können. Nein danke!

Beim Gastgeber zu Hause

Stattdessen führt er den Leser lieber in die alltäglichen Bezirke, welche Schönheiten und auch raue Wirklichkeiten einer historischen Weltstadt beherbergen, sodass man Ende eine gute Vorstellung von den römischen Quartieri bekommt, ohne doch je da gewesen zu sein. Zum Flohmarkt bei Porta Portese darf man mit und sogar zum Autor nach Hause. Denn die Casa hat in Rom und ganz Italien eine überragende Bedeutung. Der Hausherr geizt dann auch nicht mit amüsanten Beschreibungen, etwa derjenigen, was den Dachdecker vom Antennentechniker (Antennista) unterscheidet. Letzterer „steigt aufs Dach und stiefelt über die Ziegel hinweg, die unter seinen Tritten krachend nachgeben wie morsche Knochen. Was nicht zerbricht, wird verschoben. Recht so, der Antennista ist Antennist und kein Dachdecker.“ Das Buch ist voll solcher Beschreibungen, sie sind durch Erfahrung geprüft und erhärtet. Darunter befinden sich aber auch leidgeprüfte Sequenzen und Kapitel, die schön beginnen und mit einem Verlust enden. Aber die muss jeder selbst lesen.

Wichtig zu erwähnen ist seine Theorie des so genannten Sistabenismo, also der Zustand des Sich-Gut-Gehen-Lassens: „die stillschweigende Übereinkunft von geschätzt 50 Millionen Italienern, solange stillzuhalten und keine Revolte anzuzetteln oder gar eine Revolution, als man von sich sagen kann: Si sta bene.“ Es ist laut Golo Maurer ein Wohlergehen, mit dem die Regierung nicht das Geringste zu tun hat. Sehr plausibel. Man muss eine solche Behauptung unbedingt bei einem Glas Aperol oder Campari Spritz auf der Piazza Pantheon bereden.

Das Buch

„Rom – Stadt fürs Leben“ von Golo Maurer ist 2024 im Rowohlt Verlag erschienen und hat 336 Seiten. Preis: 28 Euro.

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