Brigitte Grothum und Debora Weigert bringen Krimi-Klassiker auf die Bühne. Ein Gespräch über eine fruchtbare Beziehung.

Heimtückische Mörder, hübsche junge Frauen in Lebensgefahr und smarte Kommissare in antiquierten Settings mit wohlig schauriger Atmosphäre – das sind die Markenzeichen der kultigen Edgar Wallace-Filme. Jetzt kann man den gepflegten Grusel auch im Schlosspark Theater als Live-Hörspiel genießen. Und zwar mit Schauspiel-Star Brigitte Grothum, die heute ihren 87. Geburtstag feiert, und ihrer Tochter Debora Weigert. Sie bringen die beliebten Krimi-Klassiker mit einem kleinen Ensemble auf die Bühne. Ein Mordsspaß, denn es wird in der Regie von Debora Weigert nicht nur mysteriös, sondern auch lustig, wenn Mordopfer am 5. März in „Die seltsame Gräfin“ mit Giftpralinen um die Ecke gebracht werden. Im Gespräch über fesche Feger, böse Alte und Männer mit zweifelhafter Selbstwahrnehmung erweist sich das Mutter-Tochter-Gespann als Dreamteam und kommt selten aus dem Lachen heraus.

Was war die Initialzündung für Ihre Live-Hörspiele?

Brigitte Grothum: Wir hatten den Verein VIB, Veranstaltungen in Berlin, den wir für die „Jedermann“-Festspiele gegründet haben. Mit dem VIB hatten wir zwischenzeitlich schon Hörspiele gemacht. Nach dem Ende des „Jedermanns“ haben wir das fortgeführt, weil wir etwas zusammen machen wollten. Nachdem wir den Verein geschlossen hatten, hat Deborah die Hörspiele in alleiniger Verantwortung übernommen. Sie hatte dann die Idee, die Edgar-Wallace-Filme, in denen ich mitgespielt habe, für die Live-Hörspiele zu adaptieren und auf die Bühne zu bringen. Die fand sie immer toll. Ich hingegen finde sie total altmodisch.

Was ist bei den Live-Hörspiele anders als in den Filmen?

Debora Weigert: Der Witz daran ist, dass sieben Schauspieler mehrere Rollen spielen. Pro Schauspieler also zwei bis vier Rollen. Was eine bestimmte Komik hat. Etwa, wenn ein Kollege sichtbar zwischen zwei Figuren switchen muss.

Welche Rollen übernehmen Sie dabei ?

Brigitte Grothum: Neben der seltsamen Gräfin spiele ich noch eine Irre im Irrenhaus, die vor sich hinsingt, weil sie etwas deppert ist und ein armes Schwein, das ermordet wird.

Debora Weigert: Da bringst du etwas durcheinander. Das Mordopfer ist aus „Das Gasthaus an der Themse“. Du spielst noch die böse Ärztin.

Brigitte Grothum: (lacht) Gut das jemand aufpasst, damit ich nicht im falschen Stück lande. Es ist schon unsere dritte Wallace-Produktion. Auf der Bühne kann ich die Geschichten aber noch gut auseinander halten. Da haben wir die Bücher vor uns und ich sehe ja, wer ich bin.

Welche Rollen spielen Sie, Frau Weigert?

Debora Weigert: Nur die Margaret.

Brigitte Grothum: Nur ist gut. Es ist die Hauptrolle. Die Gräfin ist die Titelrolle. Margaret ist die Erbin und soll deshalb umgebracht werden. Darum dreht sich alles.

Im Film haben Sie diese Rolle gespielt und Joachim Fuchsberger war Ihr permanenter Retter.

Brigitte Grothum: Richtig. Der wird hier von Wolfgang Bahro gespielt. Und Tilmar Kuhn gibt den Kinski, der mir dauernd nach dem Leben trachtete. Neben Fuchsbergers Kommissar spielt Wolfgang auch noch die Rolle, die Eddie Ahrend im Film hatte. Er switcht oft zwischen diesen Figuren und spricht dabei mit sich selber in zwei verschiedenen Stimmlagen, was sehr witzig ist. Genau wie die Geräusche, die wir machen. Ich bin immer gern ein bisschen albern bei der Arbeit. Debora ist die Ernste. Ich habe schon mal aus Versehen Mutter zu ihr gesagt.

Debora Weigert: Was heißt denn hier aus Versehen? (lacht)

Brigitte Grothum: Nicht nur wir auf der Bühne haben Spaß, auch die Zuschauer haben einen Heidenvergnügen daran, wenn kleine Fehler passieren. Wenn wir uns verblättern zum Beispiel und auf der falschen Seite landen. Oder wenn ein Geräusch vergessen wurde.

Debora Weigert: Solange sich das in Grenzen hält und irgendwer am Tisch auch mal aufhört herum zu kaspern, ist das lustig. Dabei schaue ich die eine bestimmte Dame jetzt nicht an, die sich immer freut wie eine Schneekönigin, wenn etwas passiert. (lacht)

Zwei wie Pech und Schwefel: Debora Weigert und Brigitte Grothum 2015 bei einem Sommerfest.
Zwei wie Pech und Schwefel: Debora Weigert und Brigitte Grothum 2015 bei einem Sommerfest. © jörg Krauthöfer

Frau Grothum, 1961 haben Sie den feschen Feger gespielt. Jetzt übernehmen Sie den Part der seltsamen Gräfin. Wie nehmen Sie den Rollenwechsel rückblickend wahr?

Brigitte Grothum: In allen Filmen, die Debora adaptiert hat, gab es eine Alte. Die wurde etwa von Lil Dagover oder Elisabeth Flickenschildt gespielt. Jetzt bin ich entweder die alte Böse, die böse Mörderin, der Drachen oder die Olle. Da bin ich über die Jahre reingewachsen. Wenn man als Schauspieler permanent auf der Bühne steht, kommt ja leider das Älterwerden mit dem Rollenwechsel dazu. Das ist oft sehr schwierig, denn man spielt nie das Alter, in dem man ist.

Wie kann man sich das vorstellen?

Brigitte Grothum: Mit 18, 19 habe ich noch Kinder gespielt, mit 35 die jungen Mädchen. Mit 45 hätte man eigentlich die schönen jungen Damen geben können. Doch da musste man entweder schon die älteren Frauen spielen oder man musste sich in die jungen Mädchen quälen, weil es keine anderen Rollen gab. Ich kann mich erinnern, dass mich Dieter Hallervorden anrief und sagte: „Ich habe eine ganz tolle Rolle für dich. Obwohl du eigentlich zu jung dafür bist.“ Es ging um „Es wird Zeit“ mit Michael Degen mit zwei älteren Menschen um die 80. Ich war damals 60. Ich habe es gespielt und es hat Spaß gemacht. Jetzt kann ich die 80-Jährigen ohnehin problemlos spielen. Die große Wiener Schauspielerin Käthe Gold meinte mal, das Gretchen im „Faust“, das 15, 16 ist, könne man eigentlich erst in diesem Alter spielen. Da hätte man die Reife dafür. Das ist natürlich etwas überspitzt, aber es ist etwas dran. Die meisten Rollen spielt man, wenn man noch gar nicht reif oder zu alt dafür ist. Das ist fürchterlich

Machen sich Männer auch diese Gedanken?

Brigitte Grothum: Nein. Männer haben die schöne Eigenschaft, dass sie sich nie zu alt für etwas zu fühlen. Sie sind immer jung und spielen mit 80 auch noch Liebhaber, weil sie glauben, sie kommen dafür noch infrage. Frauen haben so viel Selbsterkenntnis, dass sie sich sagen, das geht wirklich nicht mehr. Männer schaffen das nicht. Da spielt unsere Erziehung wohl auch eine Rolle. Wir Frauen sind längst noch nicht wirklich emanzipiert.

Sie haben beide schon in vielen Produktionen gemeinsam auf der Bühne oder vor der Kamera gestanden. Haben Sie diese Zusammenarbeit eigentlich immer gezielt gesucht?

Debora Weigert: Ja. Das hat schon früh angefangen, als ich meine Mutter in „Drei Damen vom Grill“ gedoubelt habe. Sie wollte nicht, dass jemand Fremdes ihre Kleider anzieht und meinte: „Du musst das machen.“ Ich wollte immer Schauspielerin werden wie sie. Aber um die Abiturzeit habe ich an mir gezweifelt. Damals hatte meine Mutter ein Engagement in Frankfurt. In dem Stück gab es eine kleine Nebenrolle mit einer Szene und eine Hauptrolle als Tochter. Meine Mutter sagte zu mir, du kannst nach dem Abitur machen, was du willst. Aber fahr doch bitte aus Spaß mit mir nach Frankfurt und sprich mal vor. Nur mal gucken, was passiert. Ich habe dann drei Sätze für die Nebenrolle vorgesprochen. Der Regisseur hat aber schnell abgewunken und sagte: „Du spielst nicht diese Rolle, sondern die Tochter.“ Das war Schicksal.

Brigitte Grothum: Ich dachte, die kleine Rolle kann ja nicht schaden. Dabei verdient sie ein paar Mark und kam ins Theaterleben rein. So fing es an. Dann hat sie ihren Weg gemacht. Später standen wir wieder zusammen auf der Bühne und sind auf Tournee gegangen. Schließlich haben wir noch fast 28 Jahre lang den „Jedermann“ gemacht. In den letzten fünf, sechs Jahren haben wir das Festival zu zweit gestemmt. Sie hat mir die ganzen praktischen, unangenehmen Dinge abgenommen.

Debora Weigert: Wir sind dabei nicht nur lieb zueinander. Es knallt auch jeden Tag. Aber wir wollen nicht ohne einander.

Brigitte Grothum: Natürlich streiten wir uns. Ich streite mich ja auch mit anderen Produzenten oder Regisseuren. Aber wir arbeiten gerne zusammen und verstehen uns dabei. Außerdem haben wir das gleiche Gespür für Rollen und Stücke.

Wird es denn bald ein neues Edgar Wallace-Hörspiel mit Ihnen beiden geben?

Debora Weigert: Ja. Sie hat den Wunsch, einen Mann zu spielen. Wir haben sogar schon eine Idee, die wir seit einiger Zeit mit uns rumtragen. Wir müssen uns nur noch trauen. Obwohl ich da eher etwas feige bin. Mama traut sich ja immer. (Schallendes Gelächter)

Schlosspark Theater, Schloßstr. 48, Steglitz, Tel. 78 95 66 71 00, 5.3., 20 Uhr