Berlin. Daniel Barenboim bricht das Konzert der Staatskapelle mit Kreislaufproblemen ab. Muss man sich Sorgen um den fast 80-Jährigen machen?

Muss man sich Sorgen machen? Daniel Barenboim bricht das Konzert der Staatskapelle zu den Oster-Festtagen der Staatsoper in der Philharmonie vorzeitig ab. Als das Publikum sich nach der Pause den Saal wieder nahezu voll besetzt hat, tritt Intendant Matthias Schulz vor die Zuschauer und informiert darüber, dass der jahrzehntelange Generalmusikdirektor der Staatsoper an Kreislaufproblemen leide. Um Bruckners Vierte Sinfonie gebracht, verlässt man mit gemischten Gefühlen die Philharmonie. Einen gut abgehangenen Bruckner von einem erfahrenen Spezialisten zu hören, darauf hatte man sich durchaus gefreut. Aber: Mutet sich der mittlerweile fast 80 Jahre alte Dirigent nicht ohnehin sehr viel zu?

Schon der erste Teil dieses Konzerts ist ein Beispiel dafür. Barenboim hat es schon immer geliebt, Beiträge aktueller Gesangsstars und berühmter Instrumentalisten unter seiner Führung darzubieten. Eine andere Variante seiner Konzertpräsentationen ist, dass er mit den wirklich Großen aus seinem enormen Kreis von internationalen Bekannten interagiert. Für Barenboims erstere Vorliebe ist zu diesem Abend die Sopranistin Cecilia Bartoli angereist, für die zweitere die Pianistin Martha Argerich, die schon letztes Jahr 80 wurde.

Barenboim als Dirigent, Pianist und Kammermusikpartner zugleich

Einen Barenboim macht dieses Schaulaufen wirklich großer Musikerinnen nicht nervös; es sind jedoch musikalisch interessante und heikle – und deshalb für ihn offenbar unerwartet anstrengende – Stücke, die hier zu hören sind. Die Anstrengung liegt darin, wie der Dirigent und seine Staatskapelle hier mitzuwirken haben: Sie sollen kreativ musizieren, begleiten und steuern zugleich. Cecilia Bartoli, stimmlich mit vielfältigen Farben und gut in Form, bietet zunächst die Mozart-Konzertarie „Ch‘io mi scordi di te?“ dar. Sie schrieb Mozart einst für die britische Starsängerin Nancy Storace. Dass, so Mozart, „die aria einem sänger so accurat angemessen sey, wie ein gutgemachtes kleid“, dafür komponierte er sich selbst einen Klavierpart mit ein, den Daniel Barenboim an der Seite von Cecilia Bartoli übernimmt. Das Orchester ist zwar gut einstudiert, aber in der Begleitung weitgehend auf sich gestellt. Es gelingt gut, dank des aufmerksamen Zuhörens aller Beteiligten.

Gemeinsam mit Martha Argerich spielt Barenboim an zwei Konzertflügeln Mozarts Konzert für zwei Klaviere Es-Dur KV 365 – Argerich aus dem Orchester herausblickend, Barenboim als Dirigent, Pianist und Kammermusikpartner zugleich. Sie werden dieses Konzert schon Jahrzehnte früher als partnerschaftliches Paradestück aufgeführt haben. Im hohen Alter der beiden Klavierprominenten tritt noch frappierender, inspirierender der unterschiedliche Klang, Anschlag, Zugriff auf den Wiener Klassiker hervor, der am Ende doch von so etwas wie einer angenehm altmodisch universalen Mozart-Idee getragen ist. Ein unerwartet glanzvolles und vielleicht nicht wiederkehrendes Konzerterlebnis. Man kann froh sein, dass man es nochmal gehört hat – denn ja, um Daniel Barenboim, der weiterhin kaum eine Anstrengung auslässt, muss man sich tatsächlich Sorgen machen.