DIE MÜNZEN DES KÖNIGREICHES WESTPHALEN

Die Sammlung westphälischer Münzen im Landesmuseum Hannover

Abb. 1: Scheidepfennig von 1810 (Foto: NLMH).

Das Königreich Westphalen entstand durch den Frieden von Tilsit (07.06.1807), welcher den preußisch-französischen Krieg beendete, und hielt bis in das Jahr 1813. Aufgelöst wurde das Königreich im Nachhall von Napoléons Niederlage in Russland 1812, als russische Truppen 1813 im Oktober/November Westphalen besetzten. Die alten Herrschaftsgeschlechter übernahmen daraufhin wieder die Kontrolle über ihre Besitztümer und das Königreich war aufgelöst. Der Souverän des kurzlebigen Königreichs war Jérôme Bonaparte, der jüngste Bruder Napoléons, unter dem offiziellen Namen Jérôme Napoleon oder auch Hieronymus Napoleon regierte er. Auf vielen der Münzen des Landesmuseums ist sein HN-Monogramm zu sehen (Abb. 1).

Abb. 2: Jérôme und Katharina als König und Königin des Königreichs Westphalen, Porträt von Sebastian Weygandt (Foto: Wikipedia).

Er war mit Prinzessin Katharina verheiratet, der Tochter des Königs Friedrich von Württemberg und als Haupt- sowie Residenzstadt fungierte Kassel (Abb. 2). Das Königreich erstreckte sich über folgende Gebiete: die Altmark, das Eichsfeld, das Gebiet von Quedlinburg (unter preußischer Herrschaft), Goslar, Grafschaft Kaunitz-Rietberg, Grafschaft Stolberg-Wernigerode (Preußen lehnspflichtig), Halberstadt, das Herzogtum Braunschweig-Wolfenbüttel, das Herzogtum Magdeburg am linken Elbufer, Hohenstein, Hildesheim, Teile des Kurfürstentums Hessen-Kassel (die Gommerschen Ämter, Grafschaft Barby, Schmalkalden außer der Grafschaft Hanau und Katzenelnbogen am Rhein, sächsische Teile von Mansfeld, Treffurt und Dorla), Teile des Kurfürstentums Hannover (Göttingen, Grubenhagen, Hohenstein, Osnabrück und das oranische Corvey), Mansfeld, Minden, Mühlhausen, Nordhausen, Paderborn und Ravensburg. 1810 wurde der Rest Hannovers außer dem Herzogtum Lauenburg eingegliedert, wodurch sich das Königreich Westphalen über eine Fläche von 45.000 km² erstreckte und 2,6 Millionen Einwohner zählte (Abb. 3).

Abb. 3: Das Königreich Westphalen im Rheinbund 1808 (Foto: Wikipedia).

Das Wappen des Königreichs Westphalen wurde von Oberkammerherrn Talleyrand gestaltet und besteht aus einem vierfeldigen Herzschild mit Mittelschild (Abb. 4 und 5). Der Schild liegt auf zwei gekreuzten Zeptern und ist mit der Kette des napoleonischen Ordens der Ehrenlegion behängt, welche seit 01.01.1810 auch die Kette des Ordens der westphälischen Krone war.

Abb. 4: Wappen des Königreich Westphalen auf einem 1/6-Taler von 1810 (Foto: NLMH).

Einzeln schlüsselt sich das Wappen wie folgt auf: Das Herzschild zeigt einen nach links blickenden und gekrönten goldenen französischen Kaiseradler, der auf einem goldenen Donnerkeil sitzt, auf blauem Grund. Im ersten Feld, links über dem blauen Herzschild, ist in rotem Feld ein silbernes Ross zu sehen. Dies steht für das Kurfürstentum Hannover und das Herzogtum Westfalen. Das Feld rechts davon gliedert sich in vier Felder mit einem Herzschild in der Mitte, dieses zeigt auf Blau einen neunmal von Silber und Rot geteilten hessischen Löwen, welcher das Kurfürstentum Hessen-Kassel repräsentiert. Links darüber sind in Rot zwei goldene Löwen übereinander (Grafschaft Dietz). Sowohl die Felder oben rechts und unten links zeigen ein blau-schwarz geteiltes Feld mit oben zwei silbernen Sternen (Herrschaft Nidda). Das letzte Teilfeld zeigt in Rot einen goldenen Löwen (Grafschaft Katzenelnbogen).

Abb. 5: Staatswappen Königreich Westphalen (Foto: Wikipedia).

Links unterhalb des Mittelschildes teilt sich das Feld wieder in vier Teile, diese repräsentieren das Herzogtum Braunschweig-Lüneburg: links oben sind in Rot zwei goldene Leoparden übereinander (Herzogtum Braunschweig), rechts oben in Gold ein blaugekrönter, roter Löwe (Grafschaft Diepholz), links unten in Gold mit roten Herzen ein blauer Löwe (Herzogtum Lüneburg) und unten rechts in Rot ein goldener Löwe (Grafschaft Lauterberg). Das verbleibende Feld rechts unterhalb des Mittelschildes zeigt in einem rot-silber gestücktem Feld ein Herzschild in Gold mit einem roten Löwen (Magdeburg).

Dass Königreich Westphalen war aber nur ein Satellitenstaat, gedacht als staatliches Experiment und als Schutzposten des französischen Reichs, ein Scheinkönigtum ohne Rechte aber mit (enormen) Pflichten. Diese Pflichten spiegelten sich in dem Streit um Dotationsgebiete und in den hohen Staatsschulden wider. Dotationsgebiete nutzte der Kaiser, um verdiente Offiziere zu belohnen, im Falle des Königreichs Westphalen war darum ein Streit zwischen Napoléon und Hieronymus ausgebrochen, da die abzugebenden Dotationsgebiete sich negativ auf das staatliche Einkommen auswirken und eben auch die Rückzahlungen der hohen Schulden beeinträchtigen würden. So ergab sich schon für 1808 ein enormes Minus – Das Königreich erwirtschaftete (geschätzt) 30-33 Millionen Francs im Jahr, von diesen Angaben sind nun folgende abzurechnen: Gebietsabtretungen (Einkommensverluste) 8-10 Millionen Francs, Kriegskontribution (zu zahlen innerhalb von zwölf Monaten) 31 Millionen, Sold für die Armee 11,5 Millionen und 5 Millionen für zivile Beamte. Dies alles zusammengenommen (mit minimalen Werten gerechnet) summiert sich auf 55,5 Millionen Francs Verluste und somit zu einem Defizit von 25,5 Millionen Francs in der Staatskasse. Diese Belastung, welche durch den Russlandfeldzug 1812 erhöht war (160 Millionen Francs Staatsschulden), schürte Unzufriedenheit in der Bevölkerung und Hass auf die französische Fremdherrschaft. So wurden die russischen Truppen 1813 als Befreier und nicht als Besetzer gefeiert.

Abb. 6: 2/3 Taler aus dem Jahr 1811 nach dem Leipziger-Fuß (Foto: NLMH).

Im Königreich Westphalen gab es drei Münzstätten: Braunschweig, Clausthal und Kassel. Im Königreich selbst wurden zeitweise drei verschiedene Münzfüße genutzt: der französische Münzfuß, der Konventions-20-Gulden-Fuß und Gulden nach dem Leipziger- oder 18-Gulden-Fuß (siehe Abb. 6 für einen 2/3 Taler nach dem Leipziger-Fuß). Durch seine Münzpolitik versuchte der König das Münzwesen immer mehr zu vereinheitlichen und das französische Münzwesen vollends einzuführen, so wie es in der westphälischen Konstitution Artikel 17 festgelegt wurde. Nicht nur das französische Münzsystem sollte eingeführt werden, sondern auch Maße und Gewichte sollten von dort übernommen werden. Um dieses Ziel zu verwirklichen wurden mehrere Dekrete erlassen. Dennoch stieß die französische Münze auf Ablehnung in der Gesellschaft und es wurde eher den bereits bekannten Münzen vertraut. Zudem war das Königreich Westphalen umzingelt vom preußischem Münzgebiet. So überfluteten 1806 minderwertige preußische Münzen den Harz. Um solchen Entwicklungen entgegenzuwirken, wurde am 11.01.1808 ein Dekret veröffentlicht, welches die Rechnung in diversen Münzen aufhob und jede umlaufgültige Münze erhielt stattdessen einen Gegenwert in Francs und Centimen. Da die billigen preußischen Münzen immer noch ein Problem darstellten, setzte ein weiteres Dekret vom 16.04.1808 den Wert dieser Gepräge herunter und am 13.06.1808 verbot ein Dekret gänzlich die Einfuhr der zu leichten preußischen Scheidemünzen ab dem 01.07 desselben Jahres.

Abb. 7: 2 Cent-Münze aus dem Jahr 1809 (Foto: NLMH).

Um dem Ziel der Umsetzung des französischen Münzssystems näher zu kommen, wurde am 01.01.1809 erlassen, dass die Regierungskassen nun nur in Francs und Centimen geführt würden. Im selben Jahr wurde darüber beraten, ob die Einführung des Systems schon möglich sei, doch der entscheidende Faktor der letztlich zur Ablehnung der Einführung führte, war, dass die umliegenden Länder immer noch ein anderes System führten und eine zu hohe Ausfuhr an Bargeld befürchtet wurde. So wurde nur weiter mit Wappen und Kopf des Königs geprägt, wie in Artikel 18 der Konstitution schon festgelegt worden war. Doch wurden die Bemühungen nicht eingestellt und ein weiteres Dekret von 16.10.1809 ordnete neue Münzen aus Kupfer und Billion an: Die 1-, 2- und 3-Centime in Kupfer und die 5-, 10-, und 20-Centime in Billion, eine 2 Cent-Münze aus dem Jahr 1809 ist in Abb. 7 zu betrachten. Insgesamt wurden Stücke im Wert von 1 Millionen Francs ausgeprägt. Auch durften jetzt öffentliche Kassen bei Zahlungen über 100 Francs bis zu je 1% der Summe in Kupfer und Billion leisten.

Abb. 8: 5-Franken-Stück in Gold aus dem Jahr 1813, geprägt in Clausthal (Foto: NLMH).

Auf dieses Jahr folgend wurde auch wieder in Clausthal von 1810-1813 im Konventionsfuß geprägt (Abb. 8). Um die französische Währung weiter zur dominanten aufsteigen zu lassen, wurde am 11.12.1811 ein Dekret erlassen, welches ab dem 01.04.1812 die Annahme der kleineren deutschen Scheidemünzen an öffentlichen Kassen verbot. Weiterführend wurde ein Dekret am 18.02.1813 erlassen, das empfindliche Strafen androhte, wenn die Annahme der französischen Münzen verweigert wurde. Bisherige Kupfermünzen sollten, entsprechend des Materialwerts, an öffentlichen Kassen verkauft werden, oder zu Zahlungen im Ausland benutzt werden. Trotz all dieser Maßnahmen konnte sich der französische Münzfuß bis zum Ende des Königreichs nicht durchsetzen und wurde nach dessen Ende wieder außer Kraft gesetzt z.B. in Kurhessen per Verordnung vom 14.01.1814. Doch hielten sich die westphälischen Münzen des französischen Münzfußes noch lange im Umlauf, zum Teil bis 1847.

Abb. 9: G. Probszt, Münzen und Medaillen des Königreichs Westfalen.

Die westphälischen Münzen erzählen zwar eine kurze, aber dennoch interessante deutsche Münzgeschichte über ein kurzlebiges Scheinkönigreich. Münzgeschichtlich sind die aktiven Bestrebungen, den französischen Münzfuß durchzusetzen, faszinierend und zeigen auch die Konkurrenz zwischen den unterschiedlichen Gebieten bei der Durchsetzung ihrer Münzen oder bei der Bekämpfung minderwertiger Geldstücke. So bilden die westphälischen Münzen des Landesmuseums einen Zeitstrahl, welcher die Entwicklungen der Münzpolitik in monetären Zeitzeugen widerspiegelt. Leider ist die Münzgeschichte Westphalens in der Forschung bisher wenig behandelt worden.

Der Zeitschriftenbeitrag von Probszt 1911 (und ein späterer Nachtrag von 1955) bilden augenblicklich den aktuellen Forschungsstand ab (Abb. 9). Dabei zeigen die Prägungen des Königreichs Westphalen, dass die Napoleonischen Kriege nicht nur auf den Schlachtfeldern Europas geführt, sondern auch in den Geldbeuteln der Menschen jener Zeit ausgetragen wurden.

(Sönke Thomas Ahlers)

Einen Überblick über die Westphalenmünzen im Bestand des Landesmuseums Hannover erhalten Sie hier.

Literatur

  • Arnold, Paul; Küthmann, Harald; Steinhilber, Dirk: Grosser Deutscher Münzkatalog von 1800 bis Heute, 35., neu bearbeitete und erweiterte Auflage, Regenstauf 2020.
  • Berding, Helmut: Napoleonische Herrschafts- und Gesellschaftspolitik (Kritische Studien zur Geschichtswissenschaft, Band 7), Göttingen 1973.
  • Davenport, John S.: European Crown And Talers Since 1800, 2. Auflage, London 1964.
  • Divo, Jean-Paul; Schramm, Hans Joachim: Die Deutschen Goldmünzen von 1800-1872, Frankfurt am Main 1979.
  • Friedberg, Arthur L.; Friedberg, Ira S.: Gold Coins Of The World. From Ancient Times To The Present, 9. Auflage, Williston (Vermont) 2017.
  • Kahnt, Helmut: Deutsche Silbermünzen 1800-1872. Vom Halbtaler bis zum Doppeltaler, 2., aktualisierte und stark erweiterte Auflage, Regenstauf 2008.
  • Kluge, Bernd: Münzen. Eine Geschichte der Antike bis zur Gegenwart, München 2016.
  • Klüßendorf, Niklot: Münzkunde. Basiswissen (Hahnsche Historische Hilfswissenschaften), Hannover 2009.
    Jaeger, Kurt: Herzogtum Nassau 1808-1866 Königreich Westfalen 1807-1815 Fürstentümer Waldeck und Pyrmont 1806-1867 sowie Lippe-Detmold und Schaumburg-Lippe mit Wallmoden-Gimborn 1802-1866 (Die Münzprägungen der deutschen Staaten von Ausgang des alten Reiches bis zur Einführung der Reichswährung Anfang des 19. Jahrhunderts bis 1871/73, Band 7), Basel 1969.
  • Junghans, Hermann: Entwicklungen und Konvergenzen in der Münzprägung der deutschen Staaten zwischen 1806 und 1873 unter besonderer Berücksichtigung der Kleinmünzen (Beiträge zur Wirtschafts- und Sozialgeschichte, Band 131), Stuttgart 2017.
  • Probszt, Günther: Münzen und Medaillen des Königreichs Westfalen, in: Wiener Numismatische Zeitschrift, Band 4, 1911, S. 133-149.
    • Diese Publikation kann hier heruntergeladen werden.
  • Rittmann, Herbert: Deutsche Geldgeschichte 1484-1914, Battenberg 1975.
  • Schlumberger, Hans: Goldmünzen Katalog. Europa seit 1800, 4., revidierte Auflage München 1975.
  • Smith, Richard: The coinage of the Anglo-Hannoverian personal union 1714-1837: the personal union with Great Britain – from Hannover to Hannover in five generations, Künker, Osnabrück, 2009.
  • Sprenger, Bernd: Das Geld der Deutschen. Geldgeschichte Deutschlands von den Anfängen bis zur Gegenwart, 2., durchgesehene und ergänzte Auflage, Paderborn 1995.
  • Thun, Norbert: Deutsche Taler, Doppelgulden, Doppeltaler von 1800-1871, Frankfurt am Main 1974.

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