Zusammenfassung
Benedetto Croce wurde 1866 geboren. Als Sohn einer Landherrenfamilie erhielt er eine kirchliche Erziehung. Die im ersten Unterricht empfangenen Eindrücke haben seinen Hang zum Widerspruch, zum selbständigen Urteil gesteigert und frühzeitig die Erkenntnis geweckt, daß er außerhalb „aller religiösen Grundsätze stünde“. Der Vorsatz bildete sich in ihm, Moral und Geschichte zu seinen Hauptthemen zu machen; eine wache Selbständigkeit und unermeßliche Wißbegierde gewinnen Macht über sein Wesen. Im Studium mag die Trauer über den Tod von Eltern und Geschwistern, die er frühzeitig durch das Erdbeben von Ischia verloren hat, ein Gegengewicht gefunden haben. Im Haus seines berühmten Oheims, Silvio Spaventas, der lange Jahre in Rom die Hegelsche Philosophie interpretiert hat, erfüllt er sich mit den neuesten Tendenzen philosophischer und ästhetischer Studien. Als er 1886 nach Neapel zurückkehrt, das seither die Stätte seiner Wirksamkeit geblieben ist, hat sich die Richtung seiner Studien entschieden: seine Methode entsteht, die aus abwägendem Sammeln, aus umfassender philosophischer, historischer und literarischer Lektüre eine eigene Anschauung sich bilden möchte.
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Literatur
Cf. Contini, Croce e De Sanctis, und Nicolini, Croce e Vico, in: Omaggio a Benedetto Croce. Saggi sull’uomo e sull’opera, Roma, 1953.
Inzwischen in Buchform unter dem Titel: Quando l’Italia era tagliata in due, Bari 1948. Die Schrift ist Neapel (alla mia Napoli) gewidmet.
I. C. S. 174. — In dem Aufsatz kehrt die Konzeption Hegels von der List der Vernunft wieder. Jene Konzeption meinte — und hierin folgt Croce H. — jede Idee hat, indem sie ins Dasein trat, den Tribut der Vergänglichkeit zu leisten. Das heißt: keine Leidenschaft erreicht das Ziel ewiger und unverminderter Wirksamkeit. Auch die sittlich höchste Leidenschaft „kämpft sich an andern ab“ und so wird immer das, was am sichtbarsten das Vehikel der Freiheit ist, am sichtbarsten zugrunde gerichtet. Das eben ist die List der Vernunft, daß auch die vernünftigste Leidenschaft, das vernünftigste Individuum aufgeopfert wird. Die Geschichte wird somit bestimmt als ein der theoretischen Vernunft des Historikers Konformes, Menschlich-Vernünftiges, und die Idee ist der „Zettel”, die „menschlichen Leidenschaften“ der Einschlag des großen Teppichs der vor uns ausgebreiteten Weltgeschichte. Croce wendet sich nicht gegen die Überzeugung der Hegelschen Geschichtsphilosophie von dem Vernunftcharakter des Wirklichen, sondern vielmehr gegen eine Vorzeichnung des Verlaufes und der Struktur dieses Zweckzusammenhanges, gegen die apriorische Konstruktion des vernünftigen Geschehens, kurz gegen jede Art von Progressismus und historischer Theodizeelehre. Diese Gedanken, die er in früheren Schriften oft entwickelt hatte, kehren hier in der reizvollen Form des Dialoges spielerisch wieder.
Während die Geschichte der Hegel-Deutung und -Mißdeutung in Deutschland von K. Löwith, Von Hegel zu Nietzsche, Zürich 1941, eingehend beschrieben worden ist, fehlt eine entsprechende Interpretation für Italien. — Seine neapolitanischen Aufsätze hat Croce in vielen Bänden gesammelt, am reizvollsten vielleicht in Storie e leggende napoletane Bari 1919. Dieser Band wird mit einem Aufsatz über das alte Viertel eröffnet, das die Kreuzung der Gassen von Trinitâ maggiore, San Sebastiano und St. Chiara in der Altstadt von Neapel bildet. Dort wohnte C. in dem riesigen Palazzo, den die Familie der Sanseverino zu Anfang des 16. Jahrhunderts hat erbauen lassen. Sanseverino heißt daher der Schüler Hegels, den Croce in jenem späten Dialog sprechen läßt.
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Schalk, F. (1955). Benedetto Croce (1866–1952) in memoriam. In: Festschrift der Arbeitsgemeinschaft für Forschung des Landes Nordrhein — Westfalen zu Ehren des Herrn Ministerpräsidenten Karl Arnold. VS Verlag für Sozialwissenschaften, Wiesbaden. https://doi.org/10.1007/978-3-663-02437-8_11
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