Anna Gallina

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Anna Gallina (2018)

Anna Gesche Lydia Gallina (* 22. Juni 1983 in Hamburg) ist eine deutsche Politikerin (Bündnis 90/Die Grünen). Sie ist seit 2020 Senatorin für Justiz und Verbraucherschutz der Freien und Hansestadt Hamburg. Von 2015 bis 2020 war sie Mitglied der Hamburgischen Bürgerschaft und von 2015 bis 2021 Vorsitzende von Bündnis 90/Die Grünen Hamburg.

Leben[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Gallina wuchs in Hamburg auf und legte 2003 ihr Abitur an der Ida-Ehre-Schule im Stadtteil Harvestehude ab. Ein 2004 begonnenes Studium der Politikwissenschaft, Philosophie und des Öffentlichen Rechts an der Universität Hamburg schloss sie 2010 mit der Magistra Artium ab. Ihre Magisterarbeit schrieb sie über die erste schwarz-grüne Koalition auf Landesebene.[1] Von 2010 bis 2012 war sie freie Mitarbeiterin der Politik- und Unternehmensberatung Markus Birzer, wobei sie u. a. verschiedene Bürgerbeteiligungsverfahren betreute. Von 2012 bis 2015 war sie Geschäftsführerin des Präsidiums und des Stiftungsrats der Leuphana Universität Lüneburg.[2][3][4]

2002 erhielten Gallina und zehn weitere Mitglieder des Vereins Jugendinitiative Politik den Bertini-Preis für das Projekt Future Bus. Der Future Bus war eine mobile Ausstellung zu den Themen Intoleranz, Alltagsrassismus und Rechtsextremismus.[5]

Gallina hat drei Kinder.[6] Bis Herbst 2019 war sie mit dem ehemaligen Vorsitzenden der Grünen-Fraktion in der Bezirksversammlung Hamburg-Mitte Michael Osterburg liiert, der auch Vater ihres jüngsten Kindes ist.[7]

Politik[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Politischer Werdegang[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Gallina war mehrere Jahre lang Mitglied im Hamburger Landesvorstand der Sozialistischen Jugend Deutschlands – Die Falken. Sie trat 2010 der Grün-Alternative Liste GAL bei und wurde 2011 Beisitzerin im Landesvorstand.[1]1 Von 2011 bis 2015 war sie Mitglied der Bezirksversammlung Eimsbüttel, ab 2013 als Fraktionsvorsitzende.[3]

Gallina trat bei der Bundestagswahl 2013 und der Bundestagswahl 2017 als Direktkandidatin im Wahlkreis Eimsbüttel an, ohne ein Mandat zu erringen.[8] Sie kandidierte für den dritten Platz der Landesliste bei der Bundestagswahl 2017, unterlag jedoch der Bergedorfer Kreisvorsitzenden Jennifer Jasberg.[9]

Bei der Bürgerschaftswahl 2015 kandidierte Gallina auf Platz 15 der Landesliste und erlangte ein Direktmandat im Wahlkreis Lokstedt – Niendorf – Schnelsen.[10] Sie setzte sich bei ihrer Kandidatur für Platz 1 der Wahlkreisliste gegen Antje Möller durch.[11] In der 21. Wahlperiode gehörte sie dem Verfassungs- und Bezirksausschuss, dem Familien-, Kinder- und Jugendausschuss und dem Verkehrsausschuss an. Sie war Fachsprecherin ihrer Fraktion für Bezirke und Familie, Kinder und Jugend. Bei der Bürgerschaftswahl 2020 kandidierte sie auf Platz 3 der Landesliste und erlangte ein Direktmandat im Wahlkreis Rotherbaum – Harvestehude – Eimsbüttel-Ost.[12] Ihr Bürgerschaftsmandat ruht aber seit ihrer Berufung in den Senat.

Am 30. Mai 2015 wurde Gallina mit 55,9 Prozent der Stimmen zur Nachfolgerin von Katharina Fegebank als Landesvorsitzende gewählt.[11] Sie wurde am 24. Juni 2017 mit 80 Prozent der Stimmen wiedergewählt[13] und am 27. April 2019 mit 90 Prozent der Stimmen.[14] Am 30. Mai 2021 wurde Maryam Blumenthal zu ihrer Nachfolgerin gewählt.[15]

Am 30. Mai 2020 wurde Gallina von ihrer Partei für den Posten der Senatorin für Justiz und Verbraucherschutz im Senat Tschentscher II vorgeschlagen.[16] Die Nominierung sorgte für Aufmerksamkeit, weil sie keine Juristin ist, nicht Mitglied im Justizausschuss war und die Hamburger Staatsanwaltschaft wegen des Verdachts auf Beleidigung, üble Nachrede und Verleumdung gegen sie ermittelte.[17][18] Am 10. Juni 2020 wählte die Hamburgische Bürgerschaft sie zusammen mit den übrigen Senatsmitgliedern mit 83 von 123 Stimmen.[19] Staatsrätin der Behörde für Justiz und Verbraucherschutz war zunächst weiterhin Katja Günther von Bündnis 90/Die Grünen. Am 29. Oktober 2021 bat Gallina den Ersten Bürgermeister Peter Tschentscher, Günther in den einstweiligen Ruhestand zu versetzen. Das Vertrauensverhältnis zu Günther sei wegen Illoyalität irreparabel zerstört. Laut Medienberichten kam es zu Kompetenzstreitigkeiten zwischen der Nichtjuristin Gallina und der Juristin Günther. So soll Günther die Einrichtung einer eigenen Stabsstelle für wichtige Projekte geplant haben, weil sie Gallina für überfordert gehalten habe. Gallina habe dies jedoch verhindert.[20][21] Am 1. November 2021 entband Tschentscher Günther von ihren Aufgaben, versetzte sie jedoch nicht in den einstweiligen Ruhestand. Medienberichten zufolge präferierte Gallina ihren Präsidialstabsleiter Thomas Baehr als Nachfolger von Günther, konnte dies jedoch innerparteilich nicht durchsetzen.[22] Am 30. November 2021 wurde der bisherige Amtsleiter für Justizvollzug und Recht Holger Schatz von der SPD zum neuen Staatsrat der Behörde für Justiz und Verbraucherschutz ernannt.[23]

Politische Initiativen[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Anna Gallina war Obfrau der Grünen Bürgerschaftsfraktion in der Enquete-Kommission „Kinderschutz und Kinderrechte weiter stärken“. Die Kommission wurde 2016 eingerichtet, nachdem mehrere Kinder trotz der Betreuung durch das Jugendamt gewaltsam zu Tode kamen. Der Tod der Kinder hatte eine Diskussion über die Arbeit der Jugendämter und die Frage ausgelöst, wie die Kinder in Hamburg besser geschützt werden können. Die Kommission hat zwei Jahre lang die Organisation und Infrastruktur des Hamburger Kinder- und Jugendhilfesystems auf den Prüfstand gestellt und 70 Handlungsempfehlungen für besseren Kinderschutz formuliert.[24][25]

Anna Gallina engagiert sich auch für die Rettung von Geflüchteten aus Seenot und gegen die Behinderung und Kriminalisierung der zivilen Seenotrettung. So wollte sie im Mai 2017 an einer zweiwöchigen Rettungsmission der Sea-Eye teilnehmen, aufgrund eines Maschinenschadens wurde die Mission allerdings nach einem Tag abgebrochen.[6][26] Sie setzt sich dafür ein, dass Hamburg sich zum sicheren Hafen für Geflüchtete erklärt.[27]

Um Frauen besser in den Parlamenten zu repräsentieren, stieß Anna Gallina 2019 eine Debatte über die Einführung eines Paritégesetzes an. Die Forderung, die Wahllisten der Parteien gleichermaßen mit Frauen und Männern zu besetzen, wurde in der Bürgerschaft kontrovers diskutiert.[28]

Im Zusammenhang mit der Corona-Krise fordert Anna Gallina Entlastung für Familien und Kinder in Form eines Corona-Elterngeldes analog zum Elterngeld nach der Geburt eines Kindes.[29] Ihr Vorschlag beinhaltet auch einen Kündigungsschutz für Eltern.[30]

Kontroversen[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Nach der Bezirksversammlungswahl im Mai 2019 erhob Gallina Islamismus-Vorwürfe gegen zwei in die Bezirksversammlung Hamburg-Mitte gewählte Grünen-Mitglieder, die deswegen nicht in die dortige Grünen-Fraktion aufgenommen wurden. Vier weitere Grünen-Mitglieder solidarisierten sich mit den beiden und gründeten mit ihnen eine Fraktion, wodurch die Grünen-Fraktion den Status als größte Fraktion an die SPD-Fraktion verlor. Die sechs Personen bestritten die Vorwürfe und vermuteten, dass Gallinas damaliger Lebensgefährte Michael Osterburg, der bis zur Wahl Vorsitzender der Grünen-Fraktion in der Bezirksversammlung Hamburg-Mitte war und für die Wahl nicht mehr nominiert wurde, für die Vorwürfe verantwortlich ist.[31] Im Oktober 2019 traten die sechs Personen aus der Partei aus und schlossen sich der SPD an. Die Kreisverbände von SPD, CDU und FDP schlossen anschließend eine Koalition.[32] Im November 2019 stellten die beiden Beschuldigten einen Strafantrag gegen Gallina, ihren Stellvertreter Martin Bill und ihren ehemaligen Lebensgefährten Michael Osterburg wegen Beleidigung, übler Nachrede und Verleumdung.[33] Ein von der Staatsanwaltschaft eingeleitetes Ermittlungsverfahren wurde im Juli 2020 ohne Aufnahme von Ermittlungen eingestellt, weil der Strafantrag nicht innerhalb von drei Monaten nach Bekanntwerden der möglichen Tat gestellt wurde.[34] Im Januar 2021 reichten die beiden Beschuldigten eine Privatklage gegen Gallina wegen Verleumdung ein.[35]

Eine Anfrage des CDU-Abgeordneten Richard Seelmaecker führte dazu, dass eine mindestens vier Millionen Euro schwere Steuerverschwendung publik wurde. Die „gute Idee“ der Hamburger Justizsenatorin Gallina, sämtliche Dienststellen der Hamburger Staatsanwaltschaft in einem zentralen Gebäude an der Hamburger Ludwig-Erhard-Straße im sogenannten „Michaelisquartier“ zu konzentrieren, führte zur Anmietung des entsprechenden Gebäudes. Da das Sicherheitskonzept für die Akten, welches durch die Behörde der Gallina erstellt wurde, mangelhaft war, zudem bereits von Anfang an nicht ausreichend Raum für die 9000 Aktenmeter zur Verfügung steht, verzögert sich die Umzugsplanung um einen „Zeitraum von ca. zwölf Monaten“, wie die Behörde verlauten ließ. In der Zwischenzeit werden pro Monat 392.533,08 Euro Steuergelder an Miete bzw. Nutzungsausfallentschädigung für das noch nicht genutzte Gebäude fällig. Der Senat begründete dies mit der Komplexität der Angelegenheit.[36]

Weblinks[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Commons: Anna Gallina – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  1. a b Das neue Gesicht der Hamburger Grünen. Welt Online, 29. Mai 2015
  2. Anna Gallina im Munzinger-Archiv, abgerufen am 24. März 2024 (Artikelanfang frei abrufbar)
  3. a b Anna Gallina. hamburg.de
  4. Anna Gallina: Alle Informationen und Dokumente zum Verfahren sind auf der Internetseite des Projektes abrufbar: www.hamburg.de/mitte-altona Dokumentation Politik- und Unternehmensberatung Markus Birzer Missundestraße 14 22769 Hamburg. (PDF) hamburg.de, 12. April 2012, abgerufen am 19. Mai 2023.
  5. Bertini-Preis 2002. bertini-preis.hamburg.de
  6. a b Grünen-Chefin auf Rettungs-Mission im Mittelmeer mopo.de, 15. Mai 2017
  7. Ansgar Siemens: Hummeressen und andere Probleme. In: Der Spiegel. Nr. 2, 2021 (online).
  8. Grüne wählen Anna Gallina zur Direktkandidatin. abendblatt.de, 10. November 2016
  9. Landesliste: Grünen-Chefin verliert gegen Bergedorfer Kreisvorsitzende. abendblatt.de, 26. November 2016
  10. Vorläufiges Ergebnis der Bürgerschaftswahl 2015: Gewählte Kandidatinnen und Kandidaten. (PDF; 249 kB) statistik-nord.de
  11. a b Grüne unter neuer Leitung. taz.de, 31. Mai 2015
  12. Vorläufiges Ergebnis der Bürgerschaftswahl 2020: Gewählte Abgeordnete der 22. Hamburgischen Bürgerschaft. (PDF; 152 kB) statistik-nord.de
  13. Grüne bestätigen Anna Gallina als Landesvorsitzende. Welt Online, 24. Juni 2017
  14. Gallina als Vorsitzende der Hamburger Grünen bestätigt. Welt Online, 27. April 2019
  15. Maryam Blumenthal neue Hamburger Grünen-Chefin. Welt Online, 30. Mai 2021
  16. Ein Grüner regelt künftig Hamburgs Verkehr. Welt Online, 30. Mai 2020
  17. Mit Anna Gallina gehen die Grünen volles Risiko. Welt Online, 7. Juni 2020
  18. Rechtspolitik ohne Juristen. FAZ.net, 10. Juni 2020
  19. Hamburgs Justiz fürchtet „Erodieren des Rechtsbewusstseins“, wenn Senatorin nicht handelt. Welt Online, 10. Juni 2020
  20. Hamburgs Justizsenatorin Gallina bittet um Entlassung ihrer Staatsrätin welt.de, 29. Oktober 2021
  21. Justizsenatorin Anna Gallina will ihre Staatsrätin feuern abendblatt.de, 30. Oktober 2021
  22. Warum der Plan von Hamburgs Justizsenatorin Anna Gallina nur teilweise aufgeht welt.de, 29. Oktober 2021
  23. Ein Genosse wird Staatsrat bei Grünen-Justizsenatorin Anna Gallina welt.de, 30. November 2021
  24. Jana Werner: Lehren aus Tod und Missbrauch. Die Welt, 17. Januar 2019, abgerufen am 29. April 2020.
  25. Kaija Kutter: Weichgespülte Expertise. In: taz.de. 18. Januar 2019, abgerufen am 29. April 2020.
  26. Renate Pinzke: Helfer-Alltag statt Politik Hamburgs Grünen-Chefin auf Rettungs-Mission. 8. Juni 2017, abgerufen am 11. Dezember 2020.
  27. Stephanie Lamprecht: Für Seenotrettung. Mega-Demo endet mit bewegender Aktion auf dem Rathausmarkt. 18. Januar 2019, abgerufen am 29. April 2020.
  28. Parité-Gesetz spaltet die Hamburger Bürgerschaft. In: Welt Online. Abgerufen am 22. April 2020.
  29. Grüne: Hilfe für Familien. In: FAZ, 15. April 2020, S. 2
  30. „Eltern werden im Stich gelassen“. In: taz. 18. April 2020, abgerufen am 22. April 2020.
  31. Die Grünen zerlegen sich. taz.de, 26. Juni 2019
  32. SPD nimmt Überläufer auf taz.de, 11. Oktober 2019
  33. Strafanzeige gegen grüne ChefInnen taz.de, 6. November 2019
  34. Keine Ermittlungen gegen grüne Justizsenatorin. Welt Online, 23. Juli 2020
  35. Privatklage wegen Verleumdung gegen Hamburgs Grünen-Chefin. Welt Online, 13. Januar 2021
  36. Grüne Senatorin verprasst vier Millionen Euro. In: Bild. 2. Juli 2023, abgerufen am 24. März 2024.