Im heutigen Zentrum entdeckt: Münchens ältestes Gebäude ist kein Wirtshaus
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Im heutigen Zentrum entdeckt: Münchens ältestes Gebäude ist kein Wirtshaus

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Das älteste Gebäude Münchens wird auf das Jahr 1261 datiert. Grundsätzlich seien in der Altstadt große Teile des archäologischen Untergrunds bereits zerstört worden, berichtet eine Expertin.

München – „Von Baumaßnahmen unberührte archäologischen Flächen in der Altstadt werden von Tag zu Tag kleiner“, sagt Dr. Brigitte Haas-Gebhard. Aber: „Überraschungen gibt es immer wieder.“ Nicht schlecht staunten Forscher, als in den Jahren 2011 und 2012 zum Ausbau der Stammstrecke Ausgrabungen am Marienhof stattfanden. Sie förderten Münchens ältestes Gebäude zutage.

Ältestes Gebäude Münchens bei Ausgrabungen am Marienhof entdeckt: „Zu Latrine umfunktioniert“

„Der gezimmerte Holzschacht 5 vom Marienhof war eigentlich als Brunnen konzipiert, wurde aber bereits kurze Zeit nach seiner Errichtung zu einer Latrine (Toilette, Anm. d. Red.) umfunktioniert“, erläutert Haas-Gebhard. Die 60-jährige Archäologin leitet die Abteilung Mittelalter/Neuzeit in der Archäologischen Staatssammlung München.

Konstruktion in Staatssammlung
Die ursprüngliche Konstruktion wurde in der Archäologischen Staatssammlung aufgebaut. Ab dem 17. April können Besucher sie wieder besichtigen. Auch ein zugehöriges Tier-Skelett ist zu sehen. © Archäologische Staatssammlung, S. Friedrich

Die jüngsten der beim Bau des Brunnens verwendeten Hölzer stammen Untersuchungen zufolge aus dem Jahr 1261; dem Jahr, in dem der Brunnen auch errichtet wurde. „Die Holzstämme wurden aus dem unmittelbaren Alpenvorland über die Isar nach München geflößt“, berichtet Haas-Gebhard.

„Möglicherweise schon während der Errichtung stürzte eine Kuh in den Brunnen“

Die botanischen Reste in der untersten Schicht des Schachtes belegen, dass dieser ursprünglich als Brunnen vorgesehen war. Die spätere Nutzung als Latrine ergab sich durch einen Unfall. „Möglicherweise schon während seiner Errichtung – oder kurz danach, stürzte eine Kuh in den Brunnen, das Wasser war danach nicht mehr als Trinkwasser brauchbar.“ Im Anschluss sei der Tier-Kadaver mit einer Erdschicht abgedeckt worden und der Schacht bis in das 18. Jahrhundert als Latrine und Abfallgrube verwendet worden.

Münchens ältestes Gebäude kann bald wieder besichtigt werden:

„Die Stämme aus Tannen- und Fichtenholz waren in den unteren Lagen so gut erhalten, dass sie nach der Konservierung bis zu einer Höhe von drei Metern wieder original aufgebaut werden konnten“, erklärt Dr. Brigitte Haas-Gebhard. Besichtigen können Münchner die Latrine in der Archäologischen Staatssammlung in der Lerchenfeldstraße. Eine Stahlkonstruktion dient dazu, den Schacht zu stabilisieren. Nach mehreren Jahren der Sanierung wird das Museum am 15. April wiedereröffnet, für Publikum am 17. April.

Allein bei den Ausgrabungen auf dem Areal des Marienhofes haben Archäologen 17 derartige Schächte entdeckt. „Brunnen und Latrinen, voll mit archäologischem Fundmaterial“, schwärmt Haas-Gebhard. Leider seien große Teile des archäologischen Untergrunds in München „unbemerkt zerstört“ worden. Etwa beim U-Bahnbau der 1970er- und 1980er-Jahre, der laut der 60-Jährigen erfolgt sei, „ohne dass Funde geborgen, wissenschaftlich bearbeitet und aufbewahrt wurden“.

Haas-Gebhard
Dr. Brigitte Haas-Gebhard leitet die Abteilung Mittelalter/Neuzeit in der Archäologischen Staatssammlung München. © Archäologische Staatssammlung

Faszinierend sei in Bezug auf die Entdeckungen am Marienhof, dass „viele Aspekte aus der Vergangenheit durchaus modern wirken“. Zum Beispiel das Thema Wohnungsnot in München. Der freigelegte Brunnenschacht 5 sei 1261 schon außerhalb der ersten Stadtmauer errichtet worden. „Noch keine 100 Jahre alt, war München offenbar schon zu klein geworden“, blickt Haas-Gebhard zurück.

Archäologische Entdeckungen in München: „Lebhafte Wirtshausstruktur trägt zur Stadtentwicklung bei“

Aus den Funden könne man viele weitere Erkenntnisse ableiten. Über die damalige Ernährung der Münchner, ihren Umgang mit Krankheiten, die Struktur und den Wandel von ganzen Stadtvierteln. „Und nicht zuletzt“, sagt Haas-Gebhard, „was eine lebhafte Wirtshausstruktur zur Stadtentwicklung beiträgt“.

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