Mit der nun vorliegenden dritten von vier Deluxe-Ausgaben von „The Authority“ findet die Übergabe des Staffelstabs des Kreativteams statt. Warren Ellis und Bryan Hitch hatten die Serie in den 1990er-Jahren geschaffen und damit Grenzen der Superhelden-Comics nicht nur verschoben, sondern neu definiert. Und zwar nicht nur die des guten Geschmacks. Jenny Sparks und ihre Truppe von Superwesen griffen beim Versuch, vermeintlich gute Ziele zu erreichen, schon mal zu sehr drastischen und moralisch mindestens fragwürdigen Mitteln. Der Zweck heiligte der Authority eben immer die Mittel. Heute gibt es Comics (und darauf basierende Serien) wie „The Boys“, die immer noch weiter austesten, wie weit man gehen kann und darf, um das dann immer noch unter dem Deckmantel der Kunstfreiheit zu verkaufen. Band 3 versammelt die Hefte 13 bis 20, die von einem damals zwar aufstrebenden, aber noch relativ unbekannten Autor namens Mark Millar geschrieben wurden. Und der hatte es ganz offensichtlich zum Ziel, der Authority zusätzlich Würze zu verleihen.
Jenny Sparks, der Geist des 20. Jahrhunderts, ist tot. Das kam nicht überraschend, sondern lag in der Natur der Sache. Jack Hawksmoor, der Typ, der mit der Seele von Städten sprechen kann, leitet inzwischen die Authority. Und diese Vereinigung von Superwesen greift immer öfter und immer mehr in weltpolitisches Geschehen ein, um Veränderungen den eigenen moralischen Maßstäben entsprechend durchzudrücken. Dies geschieht mitunter auch durch den Einsatz brutaler Gewalt. Dabei legen sie sich verbal auch schon mal mit dem Präsidenten der Vereinigten Staaten von Amerika an, in dem Wissen, dass ihnen ja doch niemand in die Aktentasche pinkeln kann. Oder sagen wir besser: Sie glauben zumindest, das obere Ende der Nahrungskette zu sein. Bis ein Team von anderen Superwesen auf den Plan tritt, das nicht nur verdammt an die berühmten Avengers aus dem Konkurrenzverlag erinnert, sondern das genauso wenig zimperlich zur Sache geht, wie die Authority. Zudem scheint es, dass der Geist des 21. Jahrhunderts gerade zur Welt gekommen ist. Nun ja. Der Gore-Faktor steigt ziemlich schnell ziemlich steil an. Nachdem irgendwann die Fronten geklärt sind – Ihr ahnt niiieee, wer als Sieger vom Platz gegangen ist – treten überall auf der Welt unerklärliche Naturkatastrophen auf. New York beispielsweise wird von einer riesigen Flutwelle begraben, in Kalifornien bricht ein Vulkan aus. Und so weiter. Zunächst vermutet die Authority hier irgendeine Form von völlig abgefahrenen Öko-Terrorismus. Aber nachdem schon zuvor Gott aus den Tiefen des Alls angezuckelt gekommen war, um die Erde wieder in einen prähistorischen Zustand zurückzuversetzen, scheint es nun, als habe sich der Planet selbst dazu entschieden, den Kampf aufzunehmen …
Was für ein irres Ding! Mark Millar, der Warren Ellis als Autor dieser Serie beerbte, packte in jeder Hinsicht noch eine Schippe drauf. Es gab ein paar sehr denkwürdige und teilweise sehr drastische Szenen in diesem Band, die Lesenden auch heute noch ein überraschtes „Oha!“ entlocken dürften. Klar, heute scheint die Darstellung übertriebener Gewalt ein beliebtes Mittel zu sein, um noch Aufmerksamkeit zu erregen. Damals, Ende der 90er-Jahre, war so manches, hier im Comic gezeigte, allerdings noch ein richtiger Banger! Den Kopf eines Superwesens in titanischer Größe platzen zu lassen, in dem ein anderes, ganz Superman-like hindurchfliegt, das ist heute wie damals einigermaßen unappetitlich. Aber es ist ja zum Glück nicht nur die übertriebene Darstellung von Gewalt, die Millar und den neuen Zeichnern, Frank Quitely und Chris Weston, als Qualitätssiegel ihrem Lauf aufdrückten. Viel mehr ist es die Spannung, die sich zwischen den vermeintlich moralisch überlegenen Superwesen, den Regierungen und den normalsterblichen Menschen so langsam aber sicher aufbaut. Rufe nach Regulierungen der Superwesen werden laut – und das eine ganze Weile, ehe sich die Avengers in Marvels „Civil War“ mit ganz ähnlichen Problemen konfrontiert sahen. Ein Glück für die Authority, dass sich die Erde scheinbar dazu entschieden hat, der Menschheit ein für alle Mal überdrüssig zu sein, sodass diese Entwicklung (zunächst?) nicht weiter verfolgt wird. Interessant zu sehen ist übrigens auch, wie viel von seinen Erfahrungen, die er hier mit „The Authority“ sammelte, Millar viele Jahre später in sein aktuelles Werk „The Ambassadors“ hat einfließen lassen, bei dem es ja auch um eine illustre Truppe von Menschen mit besonderen Fähigkeiten geht, die ihr jeweiliges Land im Kampf für das Gute repräsentieren sollen.
Natürlich macht es nur bedingt Sinn, mit dem dritten von vier Bänden in das Thema „The Authority“ einzusteigen. Möglich wäre es aber, da das 20. Jahrhundert mit dem Ableben von Jenny Sparks abgehandelt wurde und die Übergabe an ein neues Kreativteam beinahe schon etwas wie ein Neustart für die schlagkräftige und -freudige Truppe war. Mark Millar stellte damals seine erstaunlichen Fähigkeiten als Autor unter Beweis und zeigte deutlich, dass er das Konzept dahinter nicht nur verstanden und verinnerlicht hatte, sondern auch in der Lage war, es zu erweitern und auf neue Spitzen zu treiben. Einzig die Zeichnungen von Bryan Hitch haben mir besser gefallen, das tut dem Gesamterlebnis „The Authority“ aber keinen Abbruch. Ich habe es bestimmt schon mal erwähnt, wiederhole mich aber gerne: Wer dieses einflussreiche Stück Comic-Geschichte bisher verpasst hat, sollte sich das spätestens mit Paninis Deluxe-Editionen nicht länger entgehen lassen. „The Autority“ war der Grundstein für vieles, was in Superhelden-Comics später normal werden sollte.