Auch Essen gendert: The European

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Auch Essen gendert

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Im Fußball nur noch dritt- oder fünftklassig, aber dafür ist das Folkwang-Museum woke und übersetzt lieber nicht mehr jeden Bildtitel von Paul Gaugin: Impressionen aus der einstigen Ruhrmetropole.

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Der Zukunft zugewandt, natürlich mit Gender-Sternchen: Eine Ausstellung des Museums Folkwang in Essen mit einem interessierten Zuschauer (Aufnahme aus dem Jahr 2020). Foto: Picture Alliance

Essen ist eine Stadt, die mehr und mehr aus dem Blickfeld der öffentlichen Wahrnehmung geraten ist. Mit Evonik, RWE, Galeria gibt es zwar immer noch einige größere Unternehmen, die ein Zeugnis von der einstigen Bedeutung als Ruhrmetropole abgeben, aber Energieunternehmen und Warenhäuser sind nicht gerade die Säulen einer zukunftsorientierten Industrielandschaft. Die sozialen Probleme werden schnell offensichtlich. Generell ist ein starkes Nord-Süd-Gefälle festzustellen. Ein Freund, der im Ruhrgebiet aufgewachsen ist, unterteilt zwischen „südlich“ (wohlhabend) und „nördlich der Bahngleise“ (sozial prekär). Wir hielten uns vornehmlich in den südlichen Stadtteilen auf, aber wie in vielen deutschen Städten haben sich die Problemzonen des Nordens mit ihrer Überfremdung und Verelendung auch schon ins Zentrum vorgeschoben.

Zur Bestimmung der wirtschaftlichen Bedeutung einer Stadt können auch informelle Indikatoren herangezogen werden. Zum einen lohnt ein Blick auf die Situation der führenden Fußballvereine der Stadt, in vorliegendem Fall also der Vereine Rot-Weiß und Schwarz-Weiß Essen. Sie ist betrüblich. Waren beide Vereine in den 70er Jahren sogar noch in der 2 Bundesliga (Nord) vertreten, so pendeln sie seit vielen Jahren in den unteren Ligen. Rot-Weiß spielt derzeit in der 3. und Schwarz-Weiß in der 5. Spielklasse. Dabei war Rot-Weiß lange Bundesligist und 1955 sogar Deutscher Meister, Schwarz-Weiß hatte sich 1963 immerhin für die Aufnahme in die neugeschaffene Bundesliga beworben, wenn auch vergeblich. Unter den zehn größten Städten in der Bundesrepublik ist Essen damit die einzige, die über kein Team verfügt, das zumindest in der 2. Liga spielt. Im Jahr 2010 musste Rot-Weiß sogar Insolvenz anmelden und wurde infolge dessen in die 5. Klasse zurückgestuft. Eine Besserung ist nicht in Sicht.

Ein weiterer interessanter Aspekt bei der Beurteilung der Wirtschaftskraft einer Stadt ist ihr kulturelles Angebot bzw. das Niveau der Kartenpreise, das man den Zuschauern zumutet. Mit den Essener Philharmonikern verfügt Essen über ein beachtliches A-Orchester. Neben dem Opernbetrieb gibt das Orchester jährlich rund 30 Konzerte. Die Aufführungen finden in zwei bemerkenswerten Spielstätten statt: im Saalbau aus den 50er Jahren, der zwischen 2002 und 2004 renoviert wurde, und im Aalto-Theater. Bei letzterem handelt es sich um ein Kuriosum, denn ein erster Entwurf für dieses Theater wurde bereits 1959 von dem finnischen Stararchitekten Alva Aalto vorgelegt und in den 60er Jahren weiterentwickelt. Realisiert wurde es jedoch erst lange nach seinem Tod in den 80er Jahren (mit einigen Änderungen). Es ist sicherlich eines der schönsten Operngebäude, die nach dem Krieg in Deutschland entstanden sind. Den Essenern wird also einiges geboten, was sich ohne Zweifel mit anderen Metropolen messen kann. Verblüffend ist jedoch das Niveau der Kartenpreise.

Schon der Opernkarten-Preise wegen lohnt ein Besuch

Der Autor dieser Zeilen hatte im April die Gelegenheit, eine Aufführung von Tristan und Isolde zu besuchen. Für diese hatte man die teilweise erstklassigen Kräfte des Ensembles um einige Stars ergänzt, namentlich um Bryan Register und um eine der herausragenden Isolden unserer Zeit, Catherine Foster, die diese Partie auch in Bayreuth und an vielen anderen bedeutenden Bühnen singt. Anderswo müsste man mit entsprechend höheren Kartenpreisen rechnen, nicht so in Essen, wo eine Karte in der teuersten Kategorie nur 49 € kostet, also etwa ein Drittel dessen, was man an der Berliner Staatsoper und ein Fünftel dessen, was man in München für einen Platz in der besten Kategorie bei einer vergleichbaren Aufführung bezahlen müsste. In der Oper Frankfurt würden 49 € gerade einmal für eine Karte im unbequemen zweiten Seitenrang reichen. Allein schon unter diesem Gesichtspunkt lohnt sich ein Besuch in Essen, auch wenn die besuchte Aufführung nicht ganz erstklassig war, was vor allem daran lag, dass sich der Dirigent die höllisch schwierige Tristan-Partitur noch nicht so recht erschlossen hatte.

Sehr aufschlussreich ist ein Besuch im Museum Folkwang, vor allem wenn man an Beispielen für die Errichtung der Hegemonie der Wokeness-Bewegung im kulturellen Bereich interessiert ist. Natürlich wird im Museum Folkwang, wie in fast allen Kultureinrichtungen - Museen, Stiftungen, Kulturinstituten, Theatern etc. - bis zum Überdruss gegendert, das ist fast überflüssig zu erwähnen. Im Folkwang wurde es auch ziemlich lückenlos umgesetzt, was auf üppige personelle Ressourcen schließen lässt, denn konsequentes Gendern ist mühselig, da man sich permanent im Widerstreit zu seinem natürlichen Sprachzentrum befindet. Man kann diese Anstrengung mit dem Singen des Liedes „Drei Chinesen mit dem Kontrabass“ vergleichen, bei dem bekanntlich verlangt wird, dass bei jedem Durchlauf alle Selbstlaute durch einen einzigen ersetzt werden müssen. Mit dem Doppelpunkt (anstelle des Gendersterns) will man dem Ganzen wohl auch eine etwas feinere, individuellere Note geben. Die Zurschaustellung der rechten (woken) Gesinnung geht im Folkwang aber noch viel weiter. Bei der Kommentierung der ausgestellten Kunstwerke einer wirklich eindrucksvollen Sammlung hangelt man sich an der derzeitig gültigen woken Ideologie entlang und scheut auch nicht davor zurück, zur eigenen Karikatur zur werden. Zu einem berühmten Bild von Paul Gauguin mit dem Originaltitel „Contes barbares“ wird seitens der Hypersensiblen voller Pathos angemerkt, dass der Titel dieses aus dem Jahr 1902 stammenden Gemäldes „heute als rassistisch wahrgenommen“ werde und man sich deshalb weigere ihn zu übersetzen. Sollen sich doch bitte die Besucher die Hände schmutzig machen, indem sie diesen Titel (Barbarengeschichten) übersetzen, die woken Kuratoren bleiben lieber unbefleckt!

Wenn man diesen Unsinn vor dem Bild stehend liest, fehlt eigentlich nur noch die Untermalung dieser tadellosen Widerstandshaltung durch eine schmalzige Geigen- oder Harfenmusik. Ein anderes Gemälde - ein Aktbild; eine Frau von einer Frau gemalt - wird brav dafür gelobt, dass es ohne die typische sexualisierte Sichtweise (eines männlichen Malers) auskommt, was meine Frau recht trocken mit den Worten kommentierte: „Kein Wunder, wenn man sein Modell als Leiche darstellt!“ Wir ersparen dem Leser weitere Auswüchse dieser politisch korrekten Geisteshaltung! Am Ende der woken Revolution wird allgemein die totale Sprach- und Sinnlosigkeit stehen. Im Museum Folkwang ist man nicht mehr weit davon entfernt.

Wie in anderen Museen wird auch im Museum Folkwang die Provenienz verdächtiger Bilder, die nach 1933 erworben wurden, untersucht, was natürlich grundsätzlich zu begrüßen ist. Nun könnte man diese Untersuchungen einfach im Hintergrund durchführen und die Öffentlichkeit immer dann informieren, wenn es etwas Substantielles zu berichten gibt. Sie ahnen es schon: Nicht so am Folkwang! Hier wird nicht einfach untersucht, hier wird der Betrachter detailliert über den Stand der Untersuchungen informiert, indem alle in Frage kommenden Bilder mit einem ausführlichen Warnhinweis versehen werden. Ein Ampelsystem gibt Auskunft darüber, mit welchem Grad an Schuldkomplexen ein Bild zu betrachten ist. Nur bei der Klassifikation „grün“ ist die Versenkung in das Bild in „unbedenklicher “ Form möglich. Lautet der Status jedoch gelb, orange oder gar rot, dann ist ein entsprechendes Maß an Zerknirschung angesagt. Fast hat es den Anschein, als seien den Kuratoren die Warnhinweise als Reflektoren der Haltung wichtiger als die ausgestellten Kunstwerke selbst.

Der Name Folkwang stammt übrigens aus den altnordischen Mythen der Edda, wo er den Palast der Göttin Freya bezeichnet (Folkvangar = Volkshalle). „Nordische Mythen“, „Volkshalle“ – sind solche Begriffe noch mit einer tadellosen woken Haltung vereinbar? Warten wir einmal die nächste Sprachsäuberungswelle ab! 

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