Predigt zur Konfirmation 2024, Joachim Leberecht, Herzogenrath 2024     – Der schwache Glaube

Predigt zur Konfirmation 2024, Joachim Leberecht, Herzogenrath 2024    

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Auferstehungsfenster Michael Triegel in Plauen, 2023

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Liebe Konfirmandinnen und Konfirmanden, Liebe Festgemeinde,

nun ist also der Tag gekommen, euer Tag! Heute werdet ihr konfirmiert. Darauf habt ihr euch vorbereitet. Wir haben miteinander Zeit verbracht: Gelacht, gequatscht, gesungen, gespielt, in der Bibel gelesen, über den Glauben gesprochen. Ich habe euch erlebt und ihr habt mich und die Gemeinde erlebt. Was soll ich euch sagen und mit auf den Weg geben? Wir haben auch darüber gesprochen und uns noch einmal das Auferstehungsfenster von Michael Triegel angeschaut. In eurem Vorstellungsgottesdienst vor drei Wochen habt ihr die Predigt dazu übernommen und die drei Bilder des Fensters erläutert: uns eine Sehhilfe gegeben. Heute möchte ich euch anhand der drei Bilder des Fensters meine Gedanken sagen und Perspektiven mit auf den Weg geben.

  1. Die Schöpfung ist gut

Der Mythos erzählt, dass Gott Adam und Eva erschaffen hat. Hier schauen Adam und Eva erwartungsvoll in die Zukunft. Der Vorhang ist gelüftet. Adam und Eva sind nackt. Sie haben das Paradies noch nicht verlassen, wissen nicht, was auf sie zukommt. Angesichts der Zukunft sind wir alle nackt und bloß. Natürlich wollen wir das nicht. Wir wollen uns bekleiden, wir wollen uns schützen, wir wollen gewappnet sein. Wir sorgen vor. Ihr geht in die Schule, um zu lernen, euch vorzubereiten auf das Leben, wie es heißt. Eure Eltern waren und sind damit beschäftigt, euch ins Leben zu begleiten. Das kostet viel Energie und manche Nerven. Ihr könnt davon ausgehen, dass sie es gut mit euch meinen, selbst wenn ihr das nicht so empfindet, selbst wenn sie Fehler machen.

Wisst ihr, wir Erwachsenen tun oft so, als wüssten wir alles besser. Das ist aber nicht der Fall. Natürlich helfen uns Wissen und Lebenserfahrung das Leben zu meistern, aber letztlich sind wir alle nackt und bloß. Wir sind bedürftig. Wir alle! Wir sehnen uns nach Liebe, wir sehnen uns danach, einen Platz zu finden in dieser Welt, wir sehnen uns nach Menschen, denen wir vertrauen und die uns vertrauen. In uns allen ist eine große Sehnsucht nach einem gelingenden und glücklichen Leben. Das hält an bis zum letzten Atemzug.

Niemand von uns kennt die Zukunft, aber wir können neugierig darauf sein. Das finde ich auch toll an euch. Dass ihr neugierig seid, dass ihr wisst, es gibt noch so viel zu entdecken und zu erleben. Geht mit offenen Augen durch das Leben. Schaut, was und wer euch guttut.

In der letzten Konfi-Stunde haben wir die Seligpreisungen gestreift. Die erste kommt mir bei unserem Fensterausschnitt in den Sinn: „Glückselig sind die, die wissen, dass sie vor Gott arm sind. Denn ihnen gehört das Himmelreich.“(Mt 5,3). Nackt und bloß sind wir. Angewiesen auf Resonanz, auf ein Du, auf ein Wir. Wer schon alles weiß – besonders alles besser weiß – ist nicht mehr empfänglich, ist nicht mehr offen für Neues in seinem Leben. Ist nicht offen für Gott.

Recht verstandener Glaube hilft diese Haltung einzuüben. Die Schöpfung ist gut. Ich bin gut und wertvoll. Ich vertraue mich und meine Zukunft Gott an, der mich reich beschenkt, der meine Sehnsucht kennt, der mich rettet in Not und Krisen, der mich annimmt, mir vergibt und einen Neuanfang schenkt.

Was kommt auf euch zu? Was kommt auf uns zu? Worauf schauen wir? Wer schaut auf uns?

  1. Wir wollen Freiheit

„Wir wollen Freiheit, um uns selbst zu finden“ (eg 663,1) haben wir gesungen. Wenn wir den Ausschnitt des Auferstehungsfensters ganz rechts anschauen, sehen wir alles andere als einen freien Menschen. Im Bildhintergrund sehen wir eine Mauer: „und dennoch sind da Mauern zwischen Menschen…“ „Unser versklavtes Ich ist ein Gefängnis und ist gebaut aus Steinen unserer Angst.“ (eg 663,3)

Gesichtslos und mechanisch geht die puppenhafte Holzfigur einer Tätigkeit nach. Der linke Fuß spreizt sich vom Paradiesapfel weg. Es scheint als fürchte sich diese Puppe immer noch davor, Verantwortung zu übernehmen. Ich könnte ja etwas falsch machen! Das wäre schlimm! Das will ich nicht! Ich könnte ja mit meiner Meinung anecken! Das will ich nicht! Mein Mund bleibt verschlossen. Ich könnte ja etwas sehen, was mich auffordert zu handeln. Das will ich nicht! Ich könnte ja eine Wahrheit hören, die mein Leben auf den Kopf stellt. Eine Wahrheit, die mich lebendig macht. Das will ich nicht! Ich will keine Veränderung! Ich will funktionieren! Mehr nicht.

Natürlich gehört zum Überleben Anpassungsfähigkeit. Das ist evolutionär in uns angelegt. Doch wenn ich sehe, welchem starken Druck ihr ausgesetzt seid, dann wird mir manchmal angst und bange um euch. Von allen Seiten hört ihr Erwartungen. Tu dies. Tu das. Vor allen Dingen aber: Tu das nicht! Von allen Seiten wird an euch gezerrt. Glaube dies, glaube das. TikTok zerrt an euch! Wer hat denn recht? Was ist Wahrheit? Da wird einem ganz schwindelig.

Die einen von euch – und auch von uns, es steckt in uns allen – leben überangepasst, funktionieren gut, bewegen sich auf dem Parkett des Lebens wie eine Schachfigur. Alles ist vorbestimmt. Alles wird vorausgeahnt und sich dementsprechend in ewig gleichen Bahnen verhalten. Doch sie selbst bleiben auf der Strecke. Sie spüren sich nicht mehr. Das wünsche ich euch nicht! Ich wünsche euch vielmehr, dass ihr einen guten Kontakt zu euch selbst habt, euch wahrnehmt und euch selbst vertraut.

Die anderen von euch – und auch von uns, es steckt in allen – können sich überhaupt nicht anpassen. Fegen die Figuren vom Schachbrett. Stiften Unruhe, wo sie nur können. Können es nicht aushalten, wenn etwas mal nicht so läuft, wie sie es sich wünschen. Für sie ist alles schwarz oder weiß – es gibt keine Zwischentöne. Die Welt wird in Freund und Feind eingeteilt. Auch sie spüren sich nicht mehr. Das wünsche ich euch nicht! Ich wünsche euch vielmehr, dass ihr Widersprüche im Leben aushaltet, dass ihr immer wieder auch Abstand von überbordenden Gefühlen bekommt, erst nachdenkt und dann handelt. Dass ihr euch und eure Gefühle versteht und euch nicht von ihnen beherrschen lasst.

Die Schöpfung ist gut. Das Leben ist in euch. Es meldet sich immer wieder. Hört auf eure innere Stimme, was sie euch zu sagen hat. In euch ist eine Kraft, die euch im Leben hilft, ihr selbst zu werden. Jede Religion lehrt das. Wir müssen es nur tun.

Im christlichen Glauben fallen Selbstwerdung und Gotteserkenntnis zusammen. Wer sich selbst findet, findet Gott und den Nächsten. Es ist die Liebe, die verbindet, die Trennendes überwindet und ein Gefühl mit allem verbunden zu sein stiftet. Die Freiheit des Menschen führt ihn nicht in Isolation, sondern in Beziehung.

Es gibt so vieles, was uns davon ablenkt, immer wieder. Doch wir können uns immer wieder neu ausrichten, Beziehungen leben, lieben und lieben lassen, Verantwortung übernehmen. Das gilt auch für die Gottesbeziehung. Sie ist Geschenk und Aufgabe zugleich. Auch der Glaube will erwachsen werden. Das geschieht aber nicht von selbst, sondern nur, wenn ihr mit ihm lebt.

  1. Ihr sollt ein Segen sein

In der Mitte des Fensters: Christus. Mit seiner rechten Hand segnet er alle, die an ihn glauben, ja die ganze Welt. Der Regenbogen an seiner rechten Ferse erinnert an Gottes Treue zu seiner Schöpfung. Gott verspricht: Ich will die Erde und das Leben auf ihr nie mehr vernichten. Ihr sollt leben. (Gen 8+9) Mit seiner linken Hand hält Jesus eine Fahne. Das Zeichen der Überwindung des Todes. Das Dunkel des Todes – und für uns Menschen bleibt der Tod immer dunkel – ist überwunden. Das ewige Licht leuchtet. Alles Leben ist sterblich. Es vergeht. Es bleibt die Hoffnung, dass es verwandelt wird.

Ihr habt mich auf die Fische unten links an den Füßen Jesu hingewiesen. Ich hatte sie gar nicht wahrgenommen. Die Fische scheinen durchs Bild zu fliegen. Ich erinnerte mich: Für Michael Triegel haben die Fische eine besondere Bedeutung. Sie fliegen immer mal wieder durch seine Bilder. Ganz schön irreal.

Der Fisch ist ein altes Symbol für das Christ-Sein. Menschen, die an Jesus Christus glauben, erzählen von ihm. Sie richten sich immer wieder an Jesus aus. Sie lassen sich von seinem göttlichen Licht stärken und leben ihr Leben in der Nachfolge Jesu. Sie lassen sich von Christus – wie ihr heute auch – segnen und werden zum Segen für andere.

Das ist mein Wunsch für euch: Seid gesegnet und werdet zum Segen für andere.

Und der Friede Gottes…

Autor: christoph.fleischer

Christoph Fleischer, evangelischer Pfarrer in Westfalen, Mitglied in der Gesellschaft für evangelische Theologie und in der Dietrich Bonhoeffer Gesellschaft.

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