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Christian Schertz: ARD zeigt Doku über Star-Anwalt und erntet scharfe Kritik
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Christian Schertz
dpa Christian Schertz kommt zu der Premiere des Dokumentarfilms "Alice Schwarzer" im Delphi-Filmpalast

Medienanwälte verrichten ihr Geschäft normalerweise eher im Hintergrund. Der Berliner Rechtsanwalt Christian Schertz bricht jetzt mit der Tradition und stellt sich der ARD, die ihm das mit einem sehr positiven Porträt dankt.

Medienanwälte sind eine ganz besondere Spezies. Sie vertreten heute Journalisten gegen klagefreudige Unternehmen, die unliebsame Recherchen verhindern möchten. Und morgen dann umgekehrt Firmen oder Prominente gegen ihnen nicht genehme Medienberichterstattung. Die meisten Medienanwälte legten sich früher dabei eine gewisse Zurückhaltung auf, was die eigene Person anging. Bei den in Verlagen und Medienhäusern tätigen Justiziaren gilt das bis heute. Bei der Spitzentruppe der Medienanwälte sieht das mittlerweile anders aus.

Den Vogel schießt jetzt Christian Schertz ab. Der Berliner Medienanwalt hat der ARD einen Einblick in seine Tätigkeit gewährt, die einer besseren Dauerwerbesendung für die Spezies Medienanwalt im Allgemeinen und für Schertz im Besonderen gleicht. Das Erste zeigt die 60-Minuten-Doku „Der Star-Anwalt“ am Montag von 22.50 bis 23.50 Uhr.

„Notambulanz für Prominente“

Trotz dieser „leichten“ Schieflage pro Schertz erfährt man eine ganze Menge über die Motivation und Widersprüchlichkeit des 58-Jährigen. „Zeit“-Chefredakteur Giovanni di Lorenzo, dessen eigene Redaktion ab und an ihre liebe Not mit Schertz hatte, nennt ihn eine „Art Notambulanz“ für Prominente, die ihrer Meinung nach zu unrecht mit negativem Unterton in den Medien landen. Und Schertz' Langzeitmandant Günther Jauch sagt sogar: „Wenn es Christian Schertz nicht gäbe, dann gäbe es eine Freiheit für Journalisten, die mit Recht und Gesetz nicht mehr in Einklang zu bringen ist.“ Bei so viel Promi-Not bekommt man glatt Mitleid.

„Die Mission ist, Gerechtigkeit herzustellen, wenn nach meiner Auffassung jemand nicht verdient hat, in die Öffentlichkeit gezerrt zu werden mit Vorwürfen, die man ihm unterstellt, dann ist es meine Mission, das wegzubomben“, fasst Schertz sein Credo zusammen. Die Doku von Nora Binder wagt zaghaften Widerspruch am Fall des Rammstein-Frontmanns Till Lindemann. Schertz vertritt auch ihn und sagt so schöne Sätze wie: „Dass ein Star und ein Fan sich näher kommen, ist so alt wie der Rock'n Roll“. Klar sei natürlich: Das sogenannte Sex-Casting habe stattgefunden, nur eben die Sache mit den K.O.-Tropfen stimme nicht.

Er bewerte nicht die schlechten Eigenschaften eines Menschen, so Schertz. Es sei falsch, wenn diese durch Öffentlichkeit zur Vernichtung einer Existenz führten. „Und ich finde - es tut mir leid - man muss Sanftmut und Gnade walten lassen gegenüber Menschen, die Fehler machen.“

Anwaltsschreiben und Einschüchterung

Den gemäßigteren Part in der Doku spielt wie im wahren Leben Schertz' Kompagnon Simon Bergmann, mit dem er die Kanzlei Schertz-Bergmann in Kudamm-Nähe betreibt. Die Kanzlei ist berühmt für ihre „anwaltlichen Informationsschreiben“, mit denen Medien vor angeblich unbotmäßiger Berichterstattung gewarnt werden, bevor noch eine Zeile erschienen oder ein Wort gesendet ist. Natürlich könne man das auch als eine Art Einschüchterung auffassen, wenn in der Redaktion entsprechende Schreiben hereinflattern, sagt Bergmann. Und Schertz ergänzt: „Die wirklichen Masterpieces und Operationen am offenen Herzen sind doch die, wo es mir gelingt - auch durch Hintergrundgespräche mit Journalisten und Chefredakteuren - Veröffentlichungen zu verhindern.“

Bei einer Publikation kennt Schertz allerdings keine Gnade. Die „Bild“-Zeitung und der sie herausgebende Axel Springer Verlag sind klare Feindbilder. Weshalb Schertz natürlich auch den ehemaligen Intimus von Springer-Chef Mathias Döpfner, Benjamin von Stuckrad-Barre, beriet. Zu seinem Roman „Noch wach“, der ganz ausdrücklich kein Schlüsselroman über seine Zeit bei Springer sein will, habe Schertz sinngemäß gesagt: „Du schreibst das Buch, dass du schreiben musst, und ich bring dir dann den Müll runter“, sagt Stuckrad-Barre.

Kurz vor Schluss bekommt die große Schertz-Huldigung dann doch noch knapp die Kurve und zeigt die Widersprüchlichkeit des Anwaltsgeschäfts. Jetzt geht es nicht um Lindemann, sondern um Dieter Wedel. Wie bei Lindemann warfen mehrere Frauen 2018 dem Star-Regisseur sexuelle Übergriffe vor. Hier positionierte sich Schertz anders: „Da war ich da nun mal auf der anderen Seite und habe die Frauen begleitet, die so mutig waren, damit auch an die Öffentlichkeit zu gehen.“ 2021 erhob die Staatsanwaltschaft München Anklage gegen Wedel, der jedoch noch vor Prozessbeginn im Sommer 2022 verstarb.

Die Medien bekamen die Doku übrigens nur mit Sperrfrist und einem eher unüblichen „Werbetext“ zur Voransicht. Danach durften vor Veröffentlichung durch die ARD „keine Informationen gleich welchen Gehalts über den Film und dessen Inhalt an Dritte weitergegeben, insbesondere öffentlich bekannt gegeben werden“, hieß es darin - in bestem Medienanwaltsdeutsch.

Steffen Grimberg (KNA)
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