Schweitzers Klassikwelt 114: Vom Mitglied des Opernstudios zum Ensemblemitglied  Teil II

Schweitzers Klassikwelt 114: Vom Mitglied des Opernstudios zum Ensemblemitglied – Teil II  klassik-begeistert.de, 14. Mai 2024

Michael Arivony © Baldy-Pictures

von Lothar und Sylvia Schweitzer

Michael Arivony ist in Madagaskar geboren, begann seine Ausbildung in den dortigen Musikschulen, bevor er an der Royal Academy of Music in London und anschließend an der Hochschule für Musik Franz Liszt in Weimar studierte. Als Marullo im Hofstaat des Herzogs von Mantua ist er uns noch nicht aufgefallen. Aufhorchen ließ er einen Monat später als distinguierter Notar in „Don Pasquale“. Im Ensemble gleichsam „selbständig“ geworden oszillierte er anfangs zwischen Rollen wie zum Beispiel dem Baron Douphol („La Traviata“) und dem Dandini („La Cenerentola“).
In „Don Pasquale“ ist er vom Notar nun zum Doktor Malatesta avanciert. Seinen Poeten und vertrauten Freund von Andrea Chénier, Roucher, sehen wir nicht als Nebenrolle, sondern als wichtige Partie. Gefragt wäre immer ein dem Gérard ebenbürtiger Bariton, der aber in der Praxis auf die noch markantere Baritonpartie schielen würde. Eine schöne neue Aufgabe ist im November 2022 der Harlekin in „Ariadne auf Naxos“ gewesen. In Massenets „Manon“ haben wir durch Arivony das markanteste Profil des Cousins (bei Puccini des Bruders) der Manon erfahren.

Erik van Heyningen © Gillian Riesen Photography

In Monteverdis „L’incoronazione di Poppea“ wurden Erik van Heyningen und andere Mitglieder des Opernstudios für je zwei bis drei kleine Rollen innerhalb des Stücks herangezogen. Ihre Erwähnung in der Rezension war mehr der Höflichkeit geschuldet. Im Gedächtnis geblieben ist uns Erik van Heyningen anlässlich der vierten und bisher letzten Aufführung von Henzes „Das verratene Meer“. Da sang er den Anführer einer Gang mit einem einnehmenderen Timbre als der Bariton der Hauptrolle.

Seit 2014 steht der Bariton auf der Opernbühne. 2017 – 2018 war er im Opernstudio Michigan, coverte an der Michigan Opera Figaro und Graf („Le nozze di Figaro“) und sang dort den Angelotti in „Tosca“. An der Santa Fe Opera 2018 – 2020 gestaltete er den kaiserlichen Kommissar in „Madama Butterfly“ und den Sprecher in „Die Zauberflöte“ und coverte u.a. den Kurwenal. An der Juilliard School sang er die Mozartpartien Leporello und Guglielmo. Beim angesehenen, aber früher auch krisengeschüttelten Spoleto Festival war er als Jochanaan und an der Pacific Opera als Escamillo zu hören. So kam er zum Studio der Wiener Staatsoper. Nach den zwei Jahren, seit der Spielzeit 2022/23 wechselte er – nun als Ensemblemitglied – zur Oper Frankfurt, was uns sehr leid tut.

Der US-amerikanische Bariton begründet seinen Entschluss folgendermaßen: Es gibt Opernhäuser, an denen man sich entwickeln kann, und es gibt Häuser, an denen man schon relativ fertig sein muss. An der Wiener Staatsoper sei der Druck einfach riesengroß. Er gestand, dass er bei Henzes Oper „Das verratene Meer“ mit ihrer vertrackt schwer zu lernenden Zwölftonmusik die Feuerprobe bestand.

Alle jungen amerikanischen Sänger und Sängerinnen wollen nach Frankfurt. „If you are looking for an artistic home, this is the place to be.“ In der Jugend hat er sich für den Jazz interessiert, hat Kontrabass gelernt und in verschiedenen Bands gespielt. Sein Lehrer folgte der Maxime: Man kann nichts spielen, was man nicht auch singen kann. So entdeckte er die Freude am Singen und dass er eine Stimme hat. (Letzter Absatz aus der Publikumszeitschrift „Magazin Oper Frankfurt“ Januar / Februar 2023, Text: Konrad Kuhn)

Der Tenor Hiroshi Amako ist 1992 als Sohn eines japanischen Vaters und einer walisischen Mutter in Japan geboren. In der Saison 2018 / 2019 war er bereits Mitglied des Internationalen Opernstudios an der Hamburgischen Staatsoper. Er ist auch Liedinterpret und trat regelmäßig mit bekannten Namen der Barockmusik auf.

Gegen Ende seiner Tätigkeit im Opernstudio wurde er, wie üblich, für eine weniger umfangreiche Partie herangezogen, nämlich die des Apollos in Monteverdis „L’Orfeo“. Die Begegnung Apollos mit seinem Sohn Orfeo im fünften und letzten Akt ist unseres Erachtens eine Schlüsselstelle der Oper, aber weder kompositorisch noch darstellerisch entsprach sie unseren Erwartungen. Hier hätte es eines erfahreneren Sängers gebraucht.

Wie wir schon im ersten Teil bei der Partie des Echos der „Ariadne“ betrachteten, scheint diese wunderschöne Strauss-Oper eine heikle Sache zu sein. Bei den Figuren der Commedia dell’arte vermissten wir das individuelle Herausarbeiten des tiefen Kontrapunkts beim Truffaldin und den auffallenden Glanz des hohen Tenors bei seinem Brighella, jetzt bereits Ensemblemitglied. Zwei Monate später hörte es sich in der „Aida“ anders. Anna Bondarenko als Priesterin und unser Hiroshi Amako als Bote konnten in ihren kleinen Partien beeindrucken.

Hiroshi Amako   © Peter Mayr

Gute Nachricht auch von einer „Salome“ im April 2023. Wir schrieben: „Hiroshi Amako passte seinen Tenor dem Charakter des Narraboth perfekt an.“ In der Kritik der Silvester-Fledermaus an der Staatsoper sieht die Chefin vom „neuen Merker“ in Amako keine Zweitbesetzung und lobt seinen sehr schönen lyrischen Tenor.

Lothar und Sylvia Schweitzer, 14. Mai 2024, für
klassik-begeistert.de und klassik-begeistert.at

Schweitzers Klassikwelt (c) erscheint jeden zweiten Dienstag.

Lothar und Sylvia Schweitzer

Lothar Schweitzer ist Apotheker im Ruhestand. Gemeinsam mit seiner Frau Sylvia schreibt er seit 2019 für klassik-begeistert.de: „Wir wohnen im 18. Wiener Gemeindebezirk  im ehemaligen Vorort Weinhaus. Sylvia ist am 12. September 1946 und ich am 9. April 1943 geboren. Sylvia hörte schon als Kind mit Freude ihrem sehr musikalischen Vater beim Klavierspiel zu und besuchte mit ihren Eltern die nahe gelegene Volksoper. Im Zuge ihrer Schauspielausbildung statierte sie in der Wiener Staatsoper und erhielt auch Gesangsunterricht (Mezzosopran). Aus familiären Rücksichten konnte sie leider einen ihr angebotenen Fixvertrag am Volkstheater nicht annehmen und übernahm später das Musikinstrumentengeschäft ihres Vaters. Ich war von Beruf Apotheker und wurde durch Crossover zum Opernnarren. Als nur für Schlager Interessierter bekam ich zu Weihnachten 1957 endlich einen Plattenspieler und auch eine Single meines Lieblingsliedes „Granada“ mit einem mir nichts sagenden Interpreten. Die Stimme fesselte mich. Am ersten Werktag nach den Feiertagen besuchte ich schon am Vormittag ein Schallplattengeschäft, um von dem Sänger Mario Lanza mehr zu hören, und kehrte mit einer LP mit Opernarien nach Hause zurück.“

Schweitzers Klassikwelt 113: Vom Mitglied des Opernstudios zum Ensemblemitglied Teil I klassik-begeistert.de, 30. April 2024

Schweitzers Klassikwelt 112: Die Frist ist um und abermals verstrichen sind sieben Jahr klassik-begeistert.de, 16. April 2024

Schweitzers Klassikwelt 110: Sopran oder Mezzosopran? Mezzosopran oder Alt?

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