Es geht um diese Folge:
Ich habe Fragen zu dieser Folge. Ich versuche, es einigermaßen sinnvoll zusammen zu fassen, besser ist es vermutlich, die Stelle im Podcast selbst anzuhören, denn vermutlich habe ich hier und da etwas falsch verstanden oder falsch verknüpft. Die Schilderung, auf die ich mich beziehe, beginnt bei 13:30 min.
Sie beschreibt, sie ging in die Praxis ihrer Psychologin, weil sie etwas unterschreiben musste, und da herrschte eine unangenehme, gereizte Stimmung und sie sollte plötzlich woanders warten, als sie erst dachte, wo sie warten soll, und da bekam sie schreckliche Gefühle und die Psychologin erklärte ihr dann, weil das Wartezimmer so voll war, hatte sie wonanders warten sollen (Corona-Zeit). Sie war dann aber nicht beruhigt, sondern es waren starke Gefühle von Abgelehntwerden / "Du bist nicht erwünschst." und "stell dich mal nicht so an"-Erinnerungen hochgekommen und sie konnte die nicht loswerden und es kamen starke Suizidgedanken bei ihr auf. Sie musste dann einen Akuttermin bei ihrer Therapeutin wahrnehmen (dieselbe, bei der sie zur Unterschrift in der Praxis war, wo die Gefühle so "getriggert" worden waren). Diese sagte ihr dann, es hätte nicht an ihr gelegen, dass im Wartezimmer schlechte Stimmung gewesen war und signalisierte ihr (wie? Nur mit Worten? Oder in diesem Moment auch über die Augen? Das sagt sie nicht.): "Es ist alles ist gut!" Danach ging es ihr besser. Sie sagt, immer, wenn sie mit Menschen zusammen ist, braucht sie danach die Bestätigigung, dass alles gut ist zwischen der anderen Person und ihr. Und sie sagt aber auch, dass das "alles ist gut" eigentlich über die Augen kommuniziert würde und da hätten ja Autisten Probleme - aber sie ist doch extra zu der Therapeutin gegangen und deren "Alles ist gut." hat ihr geholfen - haben nur die Worte geholfen, oder brauchte sie auch den Blickkontakt?
Ich wüsste gern, hat das denn wirklich mit Autismus zu tun? Es klingt halt auch so stark nach Borderline, oder? Mich beschäftigt das, weil ich das teilweise nachvollziehen kann, allerdings hatte ich Gott sei Dank noch nie Suizidgedanken, nur einmal gab es eine Episode in meinem Leben, als ich einmal aufwachte und erschöpft und hoffnungslos dachte, ich bin ja immer noch da. Und bei mir ist es so, dass ich, glaube ich, den Augen nicht so viel entnehmen kann, deshalb brauche ich auch ausgesprochene Worte, wenn es einen Konflikt gab. Und ich erinnere mich, wie ich mit meiner Schwester mal einen Streit hatte (ich spreche vom Erwachsenenalter), wo ich hinterher längere Zeit "völlig aufgelöst" war und weinte und als ich später sie nochmal kontaktierte, wunderte sie sich, dass ich überhaupt darüber redete, denn für sie war die Sache "längt erledigt" - unfassbar für mich! Wie kann ein Konflikt erledigt sein, wenn man nach den Streitworten gar nicht zur Versöhnung sich wieder gegenseitig bereit erklärt hat oder sonstwie sich gegenseitig bestätigt hat, dass "alles gut" ist (ich mag diese Formulierung überhaupt nicht, greife die hier aber von Frau Meer-Walter auf).
Frau Meer-Walter erklärt das Ganze so:
"Das hängt eben auch damit zusammen, dass eben dieses Erinnerungsvermögen auch viel stärker ist und dass die Situationen mit den Emotionen viel stärker verknüpft werden bei AutisInnen als bei nicht autistischen Menschen. Und deshalb gerate ich ganz, ganz schnell in solche Situationen, und je nachdem, wie mein Energielevel sowieso schon an dem Tag ist, bin ich in der Lage, mich daraus zu befreien oder eben nicht."
"Erst, wenn sich uns jemand zuwendet und uns versichert, dass alles wieder gut wird, können wir uns entspannen. Und das ist ein biologisher Prozess, den wir eben nicht kognitiv steuern können. Da macht, arbeitet unser Körper unabhängig von uns, und es sind leider vor allem die Augen, die uns dies signalisieren, dieses 'Es ist alles gut. Mach dir keine Sorgen.' Tja, die Augen - genau - Sie ahnen das Dilemma (zu diesem Wort gab es gerade einen Flachwitz im Flachwitze-Thread, Anm. v. mir). Gerade der Augenkontakt fällt ja nun autistischen Menschen sehr schwer. Und damit bleiben Stress und Anspannung erhalten - weil wir nicht von unserem Gegenüber wahrnehmen: 'Es ist alles gut.' Und so war das in der Situation in der Praxis auch. Meine Therapeutin hatte mir durchaus signalisiert, es ist alles gut, aber ich hatte es nicht wahrgenommen. Und somit blieben bei mir Stress und Anspannung erhalten. Ich brauche also den expliziten Hinweis, dass es wieder gut ist, dass mir also mein Gegenüber sagt, dass es alles gut ist."
Was ich hier nicht verstehe: Wie können die Worte helfen, wenn es so ist, wie sie vorher sagt, dass es ein biologischer Prozess ist, bei dem man beruhigt wird, der vor allem über die Augen geht? Wie können die Worte dann ausreichen? (Ich stelle das nicht in Frage, ich kann von mir ja bestätigen, dass bei mir die Beruhigung auch über die Worte funktioniert, wobei die Stimmlage dann auch noch viel ausmacht, aber auch geschriebene Worte können mich sofort beruhigen, also es geht auch ohne Stimme - aber erst heißt es ja, es ließe sich nicht kognitiv steuern, es sei ein biologischer Prozess - das klingt für mich so, als könne das Problem dann auch nur biologisch gelöst werden - wieso klappt es trotzdem, dass man sich beruhigt, nur über Worte?) Kann mir das jemand erklären? Oder meint sie, dass es normalerweise über den Blickkontakt geht, also normalerweise reicht es, sich über Blickkontakt einander zu versichern, aber bei Autisten funktioniert das nicht, deshalb benötigen sie einen anderen Weg, nämlich den über Worte und das Ergebnis ist dann dasselbe, also andere brauchen einfach die Worte nicht, weil die Augen reichen, aber wenn es über die Augen nicht geht, geht es genauso gut über Worte?
Weiterhin sagt sie, dass der Mandelkern bei Autisten hyperaktiv ist und "all diese Situationen speichert". "Durchlebte Ängste verschwinden nicht, weil auch ihr Erinnern verstärkt ist. Das bedeutet, dass jeder Schmerz, jedes Trauma, egal, wie klein sie gewesen sein mögen, egal, ob sie als Bagatellen erscheinen mögen, sich in das Gedächtnis autistischer Menschen einbrennen."
Das letzte unterstrichene klingt so hoffnungslos/endgültig. Ist es wirklich so, dass man diesem hyperaktiven Mandelkern so ausgeliefert ist und einmal negatives Erlebtes nicht verarbeiten kann? Es gibt doch sogar bei Borderline Therapiemöglichkeiten diesbezüglich, aber bei Autismus ist man völlig ausgeliefert seinen Erfahrungen?