Die drei Fragezeichen und die Erben aus der Hölle: St(erben) will gelernt sein

“Wir sind jetzt zusammen Millionäre, zumindest auf dem Papier….” wird innerhalb der Erbengemeinschaft freudig verkündet, nachdem eine erste Einschätzung die Herzen höher schlagen lässt. Auch das Finanzamt freut sich mit und ist schon ganz aufgeregt.

Der Sensenmann geht herum, heißt es in meiner Familie. Denn nachdem Opa Ende 2022 von uns gegangen ist und wir uns inmitten eines ekligen Erbstreits befinden - ihr erinnert euch an Tante Gier - erreicht uns einige Monate später die nächste traurige Nachricht: auch Papas Cousin lebt nicht mehr. Er war nicht verheiratet und hatte keine Kinder, weshalb das Haus seiner Eltern, seine Wohnung und der gesamte Nachlass nun in den Besitz der Erbengemeinschaft, bestehend aus insgesamt 9 Leuten, übergehen soll. Auch mein Paps und die furchtbare Tante sind wieder mit von der Partie. Von den Erben ist er praktisch der einzige, der regelmäßig Kontakt zu den Verstorbenen hatte. Here we go again.

Die Eltern des Cousins, mein Großonkel und meine Großtante, waren wie Großeltern für mich und einige meiner frühesten Kindheitserinnerungen sind an ihr Haus geknüpft. Dass jetzt auch noch ihr einziges Kind verstorben sein soll, kommt mir vor wie ein schlechter Scherz. Mittlerweile kann ich an einer Hand abzählen, wie viele liebe Menschen mir in meiner Familie noch geblieben sind.

Die Erbengemeinschaft hingegen wittert wieder einmal den großen Durchbruch, die Aktiendepots des Verstorbenen werden aufgelöst, die Wohnung in Windeseile ausgeräumt - Tante Gier nimmt sogar seine komplette Bettdecke mit und räumt auch den Großteil seines Geschirrs in ihr Auto ein, sodass am Ende nicht mal mehr eine Stecknadel hineinpasst - und dann passiert erst einmal nichts. Der angekündigte Geldregen, da bin ich mir aber sicher, ist schon fest verplant.

Einige Monate später soll es nun auch dem Haus an den Kragen gehen. Mit dem Großonkel und der Großtante hatten die anderen wenig zu tun und so freut die Erbengemeinschaft sich lediglich über die schöne Summe, die Makler X unter Vorbehalt in Aussicht gestellt hat. Aber vorher gilt: Alles muss raus! Und zwar schnellstens. Die älteste aus der Erbengemeinschaft, die stillschweigend zur Anführerin der Bande auserkoren wurde, organisiert, regiert und delegiert, stimmt im Vorfeld zu, dass ich mitkomme. Auch sie weiß, wie nah ich den beiden stand.

Papa und ich sind die ersten, die eintreffen. Obwohl sie schon vor Jahren gestorben sind, blicke ich erwartungsvoll dem Hauseingang entgegen, als würden Onkel C. und Tante L. uns gleich entgegenkommen, so wie immer. Der ruhige Moment endet abrupt, als Tante Gier mit ihrem ebenfalls geerbten Auto vorbeirauscht und uns wütend anfunkelt. “Du kannst dich gleich wieder ins Auto setzen” schreit sie mir wütend entgegen. Dass ich dankend ablehne, gefällt ihr offenbar nicht. Für einen kurzen Moment befürchte ich, dass sie gleich explodiert, aber noch bevor diese Befürchtung sich in eine ernsthafte Hoffnung verwandeln kann, meckert und nörgelt sie weiter, als würde ihr Leben davon abhängen. “Heute sind nur die reinen Erben erwünscht” faucht sie nun meinen Paps an. Als wir versuchen, ihr zu erklären, dass meine Anwesenheit tatsächlich abgeklärt und ich eingeladen wurde, brennt ihr eine weitere Sicherung durch. “Du bist ja schon volljährig, du kannst dich ins Auto setzen und heimfahren” quietscht sie mit einer Stimme, die sich mittlerweile anhört wie Goofy auf Crack. Noch einmal versuche ich zu erklären, dass sie nicht alleine entscheidet, ob ich hier sein sollte, als der Anfang ihres Satzes die Mitte meines wieder einmal unterbricht. “Ich bin Erbe” schallt es nun - etwas zu stolz und überheblich - zu uns herüber. Super. Paps auch. Und sieben andere.

Zwei weitere Erben treffen nun ein. Wie eine Petze rennt Tante Gier nun auf die beiden zu, schimpfend wie ein Rohrspatz. Und dann sagt sie plötzlich kein Wort mehr.

Ein Teil der Erbengemeinschaft kannte den Verstorbenen nicht persönlich und so stehen drei von ihnen - ich nenne sie einigermaßen liebevoll die Megaminds - nun rätselnd vor einem gerahmten Foto. “Genau, das ist er! Ihm haben wir das alles hier zu verdanken” lacht jemand im Hintergrund. Hunderte Fotos werden im Container entsorgt, denn der soll heute gefüllt werden, bevor die Entrümpler nächste Woche eintreffen. Ein paar kann ich davor bewahren. Tante Gier stolziert an mir vorbei und würdigt mich nun keines Blickes mehr, wenig später sehe ich, wie sie einen Mantel mit Pelzkragen hinter sich herzieht. Das Haus sieht immer noch so aus, wie in meinen Erinnerungen, aber nicht mehr lange. Ich rette das Kartenspiel, das uns so viele lustige Abende zusammen beschert hat und ein paar andere Kleinigkeiten, die für alle anderen Anwesenden wertlos sind, aber mich an zwei meiner liebsten Menschen erinnern werden.

Jede Ähnlichkeit mit bestehenden Firmen, Organisationen, Produkten, Personen oder Ereignissen ist natürlich rein zufälliger Natur :))))

Ich melde mich, wenn es was Neues gibt. Aktuell ist es verdächtig ruhig, ich halte euch aber auf dem laufenden. Weiß nur nicht, wie lange das dauert. Danke für den Austausch, der das alles um einiges erträglicher macht. Bis dahin hoffe ich, dass ich euch ein bisschen zum lachen bringen konnte. Was bisher geschah, könnt ihr auch hier nachlesen:

Die Erben aus der Hölle

Wo ist das ganze Geld???

Das letzte Hemd hat keine Taschen

There’s a new sheriff in town