Filmkritik – Kinds of Kindness (2024) – Movies – OutNow
Kinds of Kindness (2024)

Kinds of Kindness (2024)

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  3. 164 Minuten

Filmkritik: Kontrollieren, kochen, kopulieren

77e Festival de Cannes 2024
Pyjama-Party!
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Drei Geschichten über besessene Menschen: Ein Mann (Jesse Plemons), der's mit seinem kontrollsüchtigen Chef (Willem Dafoe) verkackt hat, versucht es wiedergutzumachen und trifft dabei auf eine Frau (Emma Stone), die ein ähnliches Schicksal zu teilen scheint. Ein anderer Mann (Jesse Plemons) verdächtigt seine Ehefrau (Emma Stone), die nach einem Tauchunfall nach Hause zurückkehrt, in Wirklichkeit eine andere Person zu sein. Und ein Paar (Jesse Plemons, Emma Stone) sucht für einen charismatischen Sektenführer (Willem Dafoe) nach einer Art Erlöserfigur. Doch die Suche gestaltet sich schwieriger als gedacht.

Yorgos Lanthimos goes Slowburn. Seine Anthologie aus drei für sich alleine stehenden Geschichten, in denen dieselben Darstellerinnen und Darsteller in unterschiedlichen Rollen wiederkehren, ist schwer greifbar. Wer erwartet, dass am Ende eine Art Erklärung oder Auflösung folgt, wird leider enttäuscht. Doch Kinds of Kindness bietet viel schwarzen Humor und eine herrlich unvorhersehbare Handlung. Plus gut aufgelegte Stars wie Emma Stone, Jesse Plemons, Willem Dafoe und Margaret Qualley gleich im Dreierpack.

Tieferer Sinn gefällig? Zu sehr sollte man am besten gar nicht danach suchen. Im weitesten Sinne geht es in allen drei Episoden um Menschen mit einer Besessenheit; Menschen, die andere Menschen zu beeinflussen versuchen, um ihren Willen zu erreichen. Es geht um Sex und Macht, aber auch um die Schwierigkeiten, eine Erfüllung im Leben zu finden. Tönt alles sehr abstrakt und kopflastig? Keine Sorge. Denn man kann den Film auch einfach als schwarze Komödie ohne tieferen Sinn geniessen.

Yorgos Lanthimos' Film gehört in die Kategorie «Funktioniert am besten, wenn man möglichst wenig darüber weiss» - aus diesem Grunde halten wir auch die obige Inhaltsangabe absichtlich knapp. Es ist nicht nur schwierig, Kinds of Kindness einem Genre zuzuordnen, sondern auch, darin so etwas wie eine «Message» auszumachen.

«Poor Things 2» sollte man dabei nicht erwarten, denn Kinds of Kindness ist in Bild und Ton viel weniger wild als der gefeierte Vorgänger. Die kühle Bildsprache erinnert eher an einen The Killing of A Sacred Deer. Die Musik - wiederum von Poor Things-Komponist Jerskin Fendrix - ist viel zurückhaltender als in früheren Filmen des Regisseurs, der unter anderem für seine schrillen Musikelemente bekannt ist. Auch in der Erzählart schlägt der Film nach dem fetzigen Einstieg mit Eurythmics' «Sweet Dreams» ein eher langsames Tempo an und bietet unzugängliche Figuren, deren Aktionen schwer nachvollziehbar sind. Am ehesten vergleichbar ist der Film mit Lanthimos' frühen griechischen Werken wie Dogtooth oder Alps, wo die Charaktere sich ähnlich sonderbar verhalten.

Die Schauspielerinnen und Schauspieler geniessen es jedenfalls sichtlich, diese sonderbaren Gestalten zu verkörpern. Willem Dafoe, Margaret Qualley und insbesondere Emma Stone - in ihrer dritten Zusammenarbeit - sind inzwischen schon Lanthimos-Habitués, und Jesse Plemons passt mit seiner leicht verstockten Art wunderbar in dieses Universum. Und auch Margaret Qualley und Hong Chau kehren in allen drei Episoden zurück. Die Überraschung, in welche schrägen Rollen sie in der nächsten Episode schlüpfen, macht in diesem Film einen grossen Teil des Reizes aus.

Bei einer stolzen Gesamtlänge von fast drei Stunden können diese drei «Episoden» fast schon als für sich alleine stehende Filme durchgehen. Folgerichtig sind sie alle mit einem separaten Abspann versehen. Die nach einem scheinbar irrelevanten Nebencharakter benannten Episoden-Titel sind dabei jeweils eine Pointe für sich. Ausgehend von diesem Fakt könnte man Kinds of Kindness auch als eine abgefahrene Auferstehungsstory deuten. Das zumindest mag ein kleiner Rettungsanker sein für alle, die Mühe damit haben, dass sich dieser Film mit viel Genuss gleich dreimal im Nirgendwo verläuft.

Simon Eberhard [ebe]

Aufgewachsen mit Indy, Bond und Bud Spencer, hatte Simon seine cineastische Erleuchtung als Teenager mit «Spiel mir das Lied vom Tod». Heute tingelt er durch Festivals und mag Krawallfilme genauso wie Artsy-Farts. Nur wenn jemand einen Film als «radikal» bezeichnet, rollt er genervt mit den Augen.

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