Der unsterbliche Mythos: 25 Jahre "Die Mumie" | heise online

Der unsterbliche Mythos: 25 Jahre "Die Mumie"

Seinerzeit Sakrileg, heute ein liebgewonnener Klassiker: Wenn Brendan Fraser gegen "Die Mumie" kämpft, wird die Horror-Ikone zum Indiana-Jones-Verschnitt.

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Drei Charaktere des Films "Die Mumie" blicken in einen mit Gold, Statuen und ägyptischen Figuren gefüllten Saal

Für die Special Effects haben die Macher von "Die Mumie" 1999 tief in die Trickkiste gegriffen. Der Film feiert in diesem Jahr seinen 25. Geburtstag.

(Bild: Universal Pictures)

Lesezeit: 8 Min.
Von
  • Gerald Himmelein
Inhaltsverzeichnis

Jedes klassische Horror-Monster hat etwas Einzigartiges: Dracula verwandelt sich in eine Fledermaus, Frankensteins Monster besitzt unbesiegbare Stärke, der Werwolf ist skrupellos brutal, die Mumie ... schleppt sich träge durch die Gegend.

Die behäbige Mumie war jahrzehntelang der Stand der Dinge. Doch dann kam Stephen Sommers: "Die Mumie" von 1999 ist hochgewachsen, tödlich schnell und zaubert Naturkatastrophen herbei. Die Special-Effects-Verantwortlichen hatten alle Hände voll zu tun, um den Anforderungen des Regisseurs gerecht zu werden. So zog Industrial Light & Magic (ILM) für die Visual Effects von "Die Mumie" alle Register, die damals zur Verfügung standen: Crowd Duplication, Partikeleffekte, Motion Capture und prozedurale Animation mit simulierten Knochen und Muskeln.

Die Geschichte der "Mumie" beginnt vor über 3000 Jahren im Alten Ägypten: Weil Hohepriester Imhotep seine Hände nicht von der Gespielin des Pharaos lassen kann, wird er bei lebendigem Leib mumifiziert und mit fleischfressenden Käfern in einen Sarkophag eingeschlossen. 1926 stoßen Schatzräuber auf das Grab von Imhotep und reanimieren aus Versehen die Leiche des Hohepriesters.

Zunächst total vertrocknet und grässlich entstellt, gewinnt Imhotep schrittweise sein menschliches Aussehen zurück und setzt alles daran, auch seine Geliebte zu reanimieren. Dabei schreckt die Mumie nicht davor zurück, ihren Befreiern die Augen auszureißen und ausgewählte Plagen zu entfesseln, darunter Fliegen und Heuschrecken. Immer wieder pendelt die Handlung zwischen Horror und Humor; Indiana Jones lässt grüßen. Meist geht der Drahtseilakt zwischen Grinsen und Gruseln gut: Begabte Schauspieler stellen sicher, dass die Figuren menschlich bleiben; für die Schockmomente sorgt eine Lawine an immer noch beeindruckenden Effekten.

Die Cast von "Die Mumie" (6 Bilder)

Brendan Fraser als wagemutiger Abenteurer Rick O'Connell.
(Bild: Universal Pictures)

Der Verlauf der Handlung war schon 1999 vorhersehbar. Es ist maßgeblich den Schauspielern zu verdanken, dass "Die Mumie" auch heute noch gut zu unterhalten weiß. Die Aufgaben von Indiana Jones wurden auf zwei charismatische Figuren verteilt: Brendan Fraser ist der furchtlose Abenteurer Rick O'Connell, Rachel Weisz die kluge Ägyptologin Evelyn Carnahan. Das nötige dramatische Gegengewicht stellt der hochgewachsene Arnold Vosloo mit kahl rasiertem Schädel als Mumie Imhotep.

Kurz etwas Kontext: Der erste "Mumie"-Film entstand 1932 mit Boris Karloff in der Titelrolle. Dessen Imhotep bewegte sich eher behäbig und verhielt sich so unauffällig, dass er als Exzentriker durchging. Die magischen Fähigkeiten der Ur-Mumie beschränkten sich weitgehend darauf, sich Menschen per Hypnose untertan zu machen. Ganz anders das Remake: Anfangs ist Imhotep nur ein vertrockneter Zombie mit zerknautschtem Gesicht und einer Armee schwarzer Käfer. Später trotzt er Schussfeuer und regeneriert zielstrebig seine menschliche Form – eine Art umgekehrter Terminator.

Imhotep '99 wandelt Wasser zu Blut, verwandelt sich in Sandwirbel, spuckt Fliegenschwärme, lässt Meteore auf Kairo regnen, verdunkelt die Sonne und reanimiert Mumien-Armeen. Zur Umsetzung dieser Superkräfte kamen teils bewährte, teils neu entwickelte Visual Effects zum Einsatz. Einiges wurde offenbar erst kurz vor knapp fertig: In einer Dokumentation zum Film ist als Render-Datum der 30. März zu erkennen, gerade mal 38 Tage vor dem Kinostart am 7. Mai 1999.

"Die Mumie" beginnt mit einer Kamerafahrt von den Pyramiden zu einer unfertigen Sphinx, entlang an einem Tempel mit zahlreichen Menschen bis zu einem ankommenden Pferdewagen. Sphinx und Tempel waren mannshohe Miniaturen, in die Statisten hineinkopiert wurden. Der Pferdewagen wurde hingegen vor einer echten Mauer bei Tageslicht gefilmt.

Die Szene war fast fertig, als Regisseur Sommers beschloss, dass sie zur "Goldenen Stunde" stattfinden müsse. Da es für einen Neudreh viel zu spät war, mussten Ausleuchtung und Schatten per Compositing nachgebessert werden. Das Ergebnis sah schon damals nicht ganz echt aus, stimmt aber gut auf den Rest des Films ein: Realismus steht an zweiter Stelle, Spektakel siegt immer.

Die Effekte von "Die Mumie" (9 Bilder)

Das Gesicht aus dem Sand wurde aus einer Displacement Map generiert.
(Bild: Universal Pictures)

In einigen Bereichen konnte ILM auf bewährte Techniken zurückgreifen: Schwebendes Wasser war schon in "Abyss – Abgrund des Todes" (1989) vorgekommen; das für die Tornados von "Twister" (1996) eingesetzte Partikelsystem wurde Grundlage für die Sandstürme. Auch die ausschwärmenden fleischfressenden Käfer, Fliegen und Heuschrecken wurden als Partikel verwaltet. Bei den Käfern musste nur der Pfad der "Hero Scarabs" festgelegt werden; der Rest des Schwarms wuselte um diese Leitkäfer herum durch 3D-Nachbauten der Realfilm-Einstellungen.

Um das Gesicht der Mumie aus einem Sandsturm hervortreten zu lassen, animierten die 3D-Grafiker erst einen digitalisierten Kopf des Darstellers, bis der Gesichtsausdruck die Mimik vom Dreh spiegelte. Dann rissen sie den Mund der digitalen Kopie extra weit auf, erzeugten aus der Animation eine "Depth Map" mit Helligkeitswerten und steuerten damit das Partikelsystem zum gewünschten Ergebnis.

Die größte Herausforderung bestand darin, die verschiedenen Zustände der sich regenerierenden Mumie halbwegs glaubwürdig umzusetzen. Auch hier war das Ziel kein hundertprozentiger Realismus: Damit der Film jugendfrei blieb, mussten die Special-Effects-Künstler achtgeben, dass sich der Ekelfaktor in Grenzen hielt. Zuerst ist der reanimierte Imhotep eine löchrige, wandelnde Leiche mit spröden Knochen und vertrockneten Sehnen. In drei Stufen entwickelt sich die Mumie dann zum Menschen zurück, bis nur noch der Schauspieler vor der Kamera steht. Zur Umsetzung der Zwischenstufen musste ILM einen kompletten digitalen Menschen entwickeln, mit Knochen, Muskeln und Haut – beim damaligen Stand der Technik eine enorme Herausforderung. Allein die Entwicklung des Skeletts und die Fixierung der darauf sitzenden Muskeln verschlang Monate.

Evolutionsstufen der "Mumie" (5 Bilder)

Zunächst ist die Mumie eine unbewegliche Skulptur.
(Bild: Universal Pictures)

Weil übereinanderliegende Muskeln die Simulation überforderten, musste die Muskelstruktur schließlich vereinfacht werden. Dieser Aufwand bewährte sich aber in der nächsten Stufe: Die realistischen Dehnungen und Falten der prozedural generierten Haut ergaben sich dank der darunterliegenden Strukturen fast von selbst. Zur Erfassung der groben Bewegungen der Mumie musste Darsteller Arnold Vosloo alle Einstellungen aus dem Live-Action-Shoot in einem Motion-Capture-Raum mit sieben Infrarot-Kameras wiederholen. Gesichtsausdrücke und Handbewegungen waren hingegen Keyframe-Animation, also Handarbeit.

Für Szenen, in denen die Mumie größtenteils Mensch war, Löcher aber noch Einblicke in ihr verrottetes Innere boten, wurde der Schauspieler mit rot leuchtenden Motion-Capture-Markern beklebt. Nur so ließ sich umsetzen, dass ein Käfer aus einem Loch in Imhoteps Hals krabbelt und in seinem Kiefer verschwindet, nur um mit einer kauenden Bewegung verschluckt zu werden. Als Imhotep ein Dutzend mumifizierte Priester zum Leben erweckt, kommen auch diese fast durchgehend aus dem Computer: Am Set schwang Brendan Fraser sein Schwert nach einer einstudierten Choreografie ins Leere; die dazu passenden Bewegungen der Mumien entstanden anhand von Motion-Capture-Aufnahmen des Stunt-Teams.

Seinerzeit war "Die Mumie" ein kolossaler Erfolg, auch wenn einige Kritiker über die Computergrafik nörgelten. Die Begeisterung des Publikums war derart groß, dass das Studio den Regisseur schon einen Tag nach dem Kinostart um eine Fortsetzung bat. So entstand schnell, vielleicht zu schnell, eine neue Franchise: Auf "Die Mumie kehrt zurück" (2001) folgten eine Zeichentrickserie, der Ableger "The Scorpion King" (2002) und eine zweite Sequel, "Das Grabmal des Drachenkaisers" (2008) – mit stetig abnehmendem Erfolg.

Neun Jahre lang war Ruhe im Sarkophag, bis Tom Cruise 2017 gegen eine weibliche Mumie antrat. Dieser versuchte Neuanfang scheiterte sowohl bei den Fans als auch bei der Kritik. Mehr noch: Kritiker, die seinerzeit dem Reboot von 1999 negativ gegenüberstanden, lobten jetzt dessen Qualitäten.

Und tatsächlich: Zwar sind die Special Effects von "Die Mumie" ganz deutlich gealtert – was damals State of the Art war, überzeugt heute nur noch sehr bedingt. Der Schwung des Spektakels reißt es jedoch immer wieder raus. Der Film besitzt eine gewinnende Leichtfüßigkeit; zwischen dem Abenteurer und der Ägyptologin knistert es immer noch. Vor allem aber gelingt es Arnold Vosloo, die Tragik von Imhotep trotz aller Computergrafik-Schwächen aufrechtzuerhalten. Immer mal wieder ist von einer Sequel mit den Machern von damals die Rede: Sowohl Regisseur Stephen Sommers als auch Star Brendan Fraser wären einer Fortsetzung nicht abgeneigt.

(are)