Erziehung

Kindheitskiller Smartphone

Depressionen, Angststörungen und Schlafprobleme nehmen dramatisch zu, seit das Smartphone Einzug in die Kinder- und Jugendzimmer gehalten hat. Was können Eltern und Lehrer dagegen tun, ohne Kinder und Jugendliche gleich ins soziale Out zu manövrieren?

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Es sind keine Mythen, die Technologie-Verweigerer oder Fortschritt-Paranoiker in die Welt gesetzt hätten, nein: Es gibt sie tatsächlich, die dramatischen Fälle, nicht nur in Japan oder in den USA, sondern auch im österreichischen Alltag, wie an der Front arbeitende Psychiaterinnen und Psychiater erzählen: Teenager-Buben, die die Wohnung kurz und klein schlagen wollen, nachdem alle Bitten und Warnungen, endlich ins Bett zu gehen, in den Adrenalinblasen der digitalen Welten von Fortnite oder Minecraft verpufft sind. Verzweifelte Mütter, die irgendwann den WLAN-Stecker ziehen, was zu einer solchen Eskalation führt, dass die Kinder mit Polizeieskorte in die Ambulanz für Kinder- und Jugendpsychiatrie im Wiener AKH gebracht werden müssen. Eine Gruppe heftig blutender Mädchen, die in ebendieser Ambulanz landen, weil sie sich in einer WhatsApp-Gruppe einen Wettbewerb der Selbstverletzungen („Leckerschmecker – wer schneidet tiefer?!“) lieferten. Ein 15-Jähriger, der sich mit allen Mitteln dagegen wehrt, auch nur einen Fuß in die Schule zu setzen, weil er in der Parallelwelt seines Computerspiels Selbstwert- und Hochgefühle erlebt, die er im Alltag nicht finden kann. Achtjährige, die aufs Fensterbrett klettern und drohen, sich etwas anzutun, sollten die Eltern ihnen das weggesperrte iPad nicht auf der Stelle wieder retournieren. „Blackout“-Competitions auf der Plattform TikTok, wo Jugendliche sich gegenseitig dazu animieren, Videos von Selbststrangulierungen zu teilen.

Die chinesische Kurzvideo-Plattform ist, wie der Innsbrucker Kinder- und Jugendpsychiater Martin Fuchs bestätigt, derzeit das härteste Pflaster unter den sozialen Medien. Aber auch die Vergleichs- und Gefallsucht, die Plattformen wie Instagram besonders bei Mädchen immer früher befeuern, hinterlässt dramatische Spuren. Dort finden etwa Untergewichts-Wettbewerbe statt, bei denen Mädchen und junge Frauen unter dem Hashtag #thininspiration ihre Essstörungen vertiefen. Dazu kommen Kinder, die durch Cyber-Mobbing verzweifeln und in die soziale Isolation bis hin zum Selbstmord driften.

Einzelfälle, die nichts mit der breiten Masse zu tun haben? Schön wär’s.

Angelika   Hager

Angelika Hager

leitet das Gesellschafts-Ressort

Sebastian Hofer

Sebastian Hofer

schreibt seit 2002 im profil über Gesellschaft und Popkultur, ist seit 2020 Textchef dieses Magazins und zählt zum Kernteam von faktiv.