Farben schauen überall auf der Welt ziemlich ähnlich aus. Dennoch gibt es zwischen den Sprachen erstaunliche Unterschiede in ihren Benennungen: Auch wenn wir theoretisch Millionen von Farbnuancen unterscheiden, kommen unsere "westlichen" Sprachen meist im Schnitt mit rund einem Dutzend Farbnamen aus. In manchen Sprachen gibt es gar nur drei Kategorien. Diese Unterschiede scheinen auch Auswirkungen auf die Wahrnehmung zu haben: So gibt es im Russischen eigene Begriffe für verschiedene Blautöne, im Englischen und Deutschen nicht. Tatsächlich scheinen sich Russen leichter zu tun, verschiedene Blautöne zu unterscheiden, als Deutsche oder Britinnen.

Was für Farben gilt, gilt auch für menschliche Körper: Sie sind weltweit gleich aufgebaut, dennoch unterscheidet sich, wie der Körper in den verschiedenen Sprachen in seine Teile aufgeteilt und benannt wird, wie ein Team deutscher Linguistinnen und Linguisten im Fachblatt Scientific Reports berichtet. Für die aktuelle Studie nutzten Annika Tjuka (Max-Planck-Institut für evolutionäre Anthropologie in Leipzig) und ihre beiden Kollegen eine bestehende Datenbank namens Lexibank, die von Forschenden des MPI und am Passauer Lehrstuhl für Multilinguale Computerlinguistik entwickelt wurde. Dabei handelt es sich um eine große Sammlung von Wortlisten für alle Sprachen der Welt.

36 Körperteile in 1028 Sprachen

"Wir haben mehrere Jahre gebraucht, um die Daten in der Lexibank-Sammlung zusammenzutragen", sagt Ko-Autor Johann-Mattis List (Universität Passau) in einer Mitteilung des MPI für evolutionäre Anthropologie. "Jetzt können wir beginnen, die Daten auf verschiedene Weise zu analysieren." Mit einem computergestützten Ansatz extrahierte das Team um Tjuka aus 1028 Sprachen die Wörter für 36 Körperteile und analysierten die Beziehungen zwischen den Wörtern in einer Netzwerkanalyse.

Wolof Sprachen Linguistik
Die westafrikanische Sprache Wolof, die von mehr als zehn Millionen Menschen gesprochen wird, hat keine eigenen Begriffe für Hand und Fuß.
Annika Tjuka/MPI-EVA

Eines der erstaunlicheren Ergebnisse der Studie in den Worten der Erstautorin: "Im Englischen haben wir ein Wort für Arm und ein anderes für Hand, aber Wolof, eine Sprache, die im Senegal in Westafrika gesprochen wird, verwendet ein Wort, loxo, um beide Körperteile zu bezeichnen. Alle Sprecherinnen und Sprecher haben eines gemeinsam: einen menschlichen Körper."

Wenn Hand, dann auch Fuß

Die neue Studie bestätigt eine der Regeln, wonach es ein eigenes Wort für Fuß gibt, wenn auch eines für Hand existiert. Aber die Ergebnisse zeigen auch, dass ein Körperteil, das mit einem anderen verbunden ist, mit größerer Wahrscheinlichkeit ein und denselben Namen hat. Ein Grund für dieses Muster ist, dass sich Sprachen wie Wolof auf die Funktionen konzentrieren, die zwei Teile miteinander verbinden. Die Sprecherinnen und Sprecher wissen, dass wir einen Ball mit unserer Hand und unserem Arm werfen oder dass wir mit unserem Bein und unserem Fuß gehen. Sprachen wie das Englische und das Deutsche hingegen konzentrieren sich auf visuelle Hinweise wie das Handgelenk oder den Knöchel, um Teile voneinander zu trennen.

Sprachen Linguistik
Vergleich zwischen indoeuropäischen und afroasiatischen Körperteilbezeichnungen in Formeines gewichteten Netzwerks: Die Dicke der Linien gibt die Häufigkeit gemeinsamer Begrifflichkeiten in den Sprachvarietäten der Sprachfamilie an.
Annika Tjuka et al., Scientific Reports 2024

Das Vokabular für Körperteile variiert von Sprache zu Sprache. Innerhalb dieser Vielfalt zeichnen sich jedoch allgemeine Tendenzen ab. Bleibt die Frage, warum sich Sprachen darin unterscheiden, welchen Teilen sie eindeutige Namen geben. Darauf suchen die Forschenden noch nach Antworten: "Um die Faktoren zu verstehen, die die sprachliche Vielfalt prägen, brauchen wir mehr Daten. Wir müssen die Sprachen dokumentieren, die in Gebieten mit einer hohen Sprachenvielfalt gesprochen werden", sagt Tjuka. "Und wir müssen Daten über den soziologischen Kontext sammeln, in dem diese Sprachen gesprochen werden." (red, tasch, 19.5.2024)