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Einsam trotz Partnerschaft: Trifft vor allem Frauen! Das steckt hinter dem „Alone-in-the-crowd“-Phänomen
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Unhappy couple at Valentine's day
Getty Images Das „Alone-in-the-crowd“-Phänomen trifft vor allem Frauen
Um glücklich zu sein, brauchen wir das Gefühl von Nähe und Verbundenheit. Fehlt das Gefühl in der eigenen Partnerschaft, ist das besonders schmerzhaft. Eine Betroffene spricht über ihre Situation der Einsamkeit – und eine Expertin verrät, was sie für Lösungen sieht.

Vivek Murthy, US-amerikanischer Arzt und oberster Gesundheitsverantwortlicher unter Ex-Präsident Obama, beschrieb Einsamkeit als eine Epidemie mit ähnlichen Folgen wie Übergewicht oder das Rauchen von 15 Zigaretten am Tag. Mit dieser Schreckensmeldung rückte er das Thema vor einigen Jahren ins öffentliche Bewusstsein. 

Die Welt horchte auf und reagierte: Großbritannien ernannte eine Einsamkeitsministerin, Länder wie Dänemark oder Australien starteten öffentliche Kampagnen, um Menschen zusammenzubringen, und die Bundesregierung beschloss im Koalitionsvertrag, „die Vereinsamung zu bekämpfen“. Tatsächlich legen soziologische Daten nahe, dass Einsamkeit in den Industrieländern in den letzten Jahren rapide zugenommen hat. Die Zahl der Singlehaushalte hat sich in Deutschland seit 1991 fast verdoppelt und liegt bei 42 Prozent.

Einsam trotz Partnerschaft

Nun müssen aber Menschen, die allein leben, nicht zwangsläufig einsam sein, genauso wenig wie diejenigen, die sich einsam fühlen, allein sein müssen. „ Alone in the crowd“ nennen Psychologen das Phänomen, unter Menschen zu sein und sich trotzdem verlassen und nicht zugehörig zu fühlen. Der verstorbene Schauspieler Robin Williams hat dieses schmerzhafte Gefühl einmal so ausgedrückt: „Früher dachte ich, das Schlimmste, was im Leben passieren könnte, sei, am Ende ganz allein zu sein. Ist es nicht. Das Schlimmste im Leben ist, am Ende mit Menschen zu sein, die dir das Gefühl von Alleinsein geben.“ 

Dazu passt die Definition von Einsamkeit des amerikanischen Psychologen John Cacioppo. Er sagt, wer einsam sei, dem fehlten nicht einfach Menschen, sondern das Gefühl, von ihnen beachtet, anerkannt und gebraucht zu werden. „Das Gefühl von innerer Einsamkeit charakterisiert eine tiefe Unzufriedenheit mit den Beziehungen, die schon bestehen.“

Frauen fühlen sich häufiger einsam

Einsamkeit schleicht sich von Zeit zu Zeit wohl in jedes Leben: Die ersten Wochen in einem neuen Job, nach einem Umzug, nachdem die Kinder ausgezogen sind und man seine Rolle erst wieder finden muss oder nach einer Trennung. 

Doch auch Partnerschaften sind kein zuverlässiger Schutz vor fehlender Verbundenheit. Das belegt eine Umfrage, nach der sich 25 Prozent in ihrer Beziehung hin und wieder einsam fühlen. Rund neun Prozent gaben an, sich trotz Partnerschaft sogar häufig einsam zu fühlen . Diplom-Psychologe Markus Ernst schätzt die Zahl noch höher ein. Und er meint, dass es vor allem Frauen seien, die von dem Phänomen Einsamkeit trotz Zweisamkeit betroffen sind. 

Nach einer aktuellen Parship-Studie fühlen sich 36 Prozent der Männer und 45 Prozent der Frauen im Leben hin und wieder einsam. Das kann man auf das Gefühl in einer Partnerschaft übertragen.

Warum mehr Frauen darunter leiden, darüber kann der Experte nur spekulieren: 

Ich denke, Frauen haben bessere Antennen, sind sensibler für das Wir-Gefühl und reflektieren mehr darüber. In ihren Beziehungen wollen sie sich verstanden und aufgehoben fühlen. Fehlt das, fehlt ihnen etwas Entscheidendes in der Partnerschaft. Für die Betroffenen, sagt Ernst, sei das oft sehr dramatisch. Man lebt als Paar, man hat vielleicht Kinder. Da passt Einsamkeit eigentlich nicht ins Selbstbild. Sich die dann einzugestehen ist für viele hart und sehr schmerzhaft.

Frauen leiden oft lange, bis sie akzeptieren, dass sich der Partner kaum noch für sie und ihre Bedürfnisse interessiert und man eigentlich nur noch nebeneinanderher lebt, sagt Ernst. In Zeiten von Umbrüchen, wenn die Kinder das Haus verlassen oder das Berufsleben endet und man sich ein Stück weit neu aufstellen muss, zeige sich besonders deutlich, wie weit sich ein Paar auseinandergelebt hat.

Experte: Raus aus der Opferrolle!

Um das Gefühl von Einsamkeit zu überwinden und wieder Nähe zu schaffen, rät der Experte zunächst zu einer Bestandsaufnahme: 

Erst einmal gilt: Raus aus der Opferrolle! Man sollte sich ehrlich fragen, ob man den Wunsch hat, an der Beziehung festzuhalten. Wenn ja, muss man bereit sein, etwas zu verändern, und damit sollte man bei sich selbst anfangen. Man sollte versuchen, Licht ins Dunkel zu bringen, um dann konkret zu äußern, was einem in der Beziehung fehlt, was man sich vom anderen wünscht, damit man sich wieder wohlfühlt.

Ein wichtiger Faktor für eine stabile Beziehung ist gegenseitige Wertschätzung . Nach dem ersten Verliebtsein ist sie es, die für Nähe sorgt. Wenn Leidenschaft und sexuelles Begehren nachlassen, gilt es, die eigenen Erwartungen der Realität anzupassen. Glückliche Paare erkennen, was sie trennt und was sie verbindet. Dabei wird das Trennende allerdings nicht als Mangel empfunden. Man nimmt sich als verlässliche Gefährten war, hilft einander bei Problemen, teilt Erlebtes miteinander und kritisiert sich wohlwollend. Partner, die stabile Beziehungen führen, sind meist nicht nur Liebende, sondern auch beste Freunde.

Paare brauchen Ruhe

Damit Paare überhaupt wieder miteinander ins Gespräch kommen und erkennen können, was sie mal verbunden hat und was sie möglicherweise immer noch verbindet, rät Markus Ernst vor allem zu einem: Ruhe

Wir leben in so einer schnellen Zeit, Entspannung ist kaum möglich und wenn doch, stopfen wir sie mit Social Media voll. Wenn man mit seinem Partner aber in Kontakt bleiben und sich geborgen fühlen will, ist es wichtig, sich zusammen Pausen zu gönnen und dafür den Alltagskram beiseite zu schaufeln.

Neben der Ruhe ist es aber auch das gemeinsame Tun, in dem die Möglichkeit für mehr Verbundenheit liegt. Ein Tangokurs, Museumsbesuche, ein Wochenend-Trip nach Krakau. Man schafft nicht nur gemeinsame Erinnerungen, die einen durch schwierigere Zeiten tragen, man entdeckt möglicherweise auch wider Erwarten ganz neue Seiten an seinem Partner.

Eine Betroffene erzählt

Ob in einer Beziehung, mit Kindern oder single: Einsamkeit macht vor keiner Situation halt. Martina erzählt ihre Geschichte.

Martina Meiners, 48: Früher fühlte ich mich mit ihm verbunden

Noch nie hatte sie sich einem Menschen so nahe gefühlt. Als Martina Meiners ihren heutigen Ehemann Jan vor 25 Jahren kennenlernte, wusste sie sofort: Das ist der Richtige. Doch mit dem ersten Kind kam die Einsamkeit. 

„Wir waren gerade nach Köln gezogen, die Stadt, in der ich aufgewachsen bin und in die ich immer zurückkehren wollte. Jan hatte hier einen tollen Job als Leiter der Marketingabteilung in einem großen Unternehmen gefunden. Als sich wenig später unser erstes Kind ankündigte, war unser Glück perfekt. Jan musste viel arbeiten, aber das war okay. Ich hatte wieder Kontakt zu alten Freunden, und an der Grundschule, an der ich arbeitete, waren nette Kollegen. 

Dann passierte allerdings etwas, das mir bis heute nachhängt: Ich war im sechsten Monat, und wir guckten uns in dem Krankenhaus, in dem ich entbinden wollte, die Kreißsäle an. Jans Handy klingelte. Ich war kurz überrascht, dass er es nicht ausgemacht oder wenigstens auf lautlos gestellt hatte. Natürlich habe ich erwartet, dass er den Anruf wegdrückt und sich wieder ganz unserem Termin widmet. Doch dem war nicht so. ‚Arbeit‘, raunte er mir zu und verließ den Kreißsaal.

Ich war so perplex, dass ich nichts sagen konnte. Was wir da gerade vorhatten, war doch so eine große, aufregende Sache, wie konnte für ihn die Arbeit wichtiger sein? Als die Besichtigung beendet war und ich rausging, fand ich Jan vorm Krankenhaus immer noch mit seinem Handy am Ohr. Als er endlich fertig war, hat er sich nicht mal entschuldigt, sagte nur, dass die Kreißsäle ja schließlich mir gefallen müssten und nicht ihm. 

Ich werde nie vergessen, wie kalt mir in die­sem Augenblick wurde. Heute haben wir drei Kinder, und die Rollen sind klar verteilt. Nicht weil wir das gemeinsam so entschieden haben, Jan hat das entschie­den. Für ihn sind Job und Karriere einfach das Wichtigs­te. Ich war mit den Kindern immer allein auf Spiel­plätzen, bei Vorsorgeuntersuchungen, bei Sportwett­kämpfen. Das an sich war noch nicht einmal das Schlimmste.

Das Schlimmste war und ist bis heute, dass ich mich mit Jan nicht mehr als Team fühle. Früher fühlte ich mich mit ihm verbunden. Jetzt lebt jeder auf seiner Insel. Von alleine fragt er nie nach meinen Sorgen und Bedürfnissen. Und ich habe irgendwann aufgehört, sie mit ihm zu teilen. Es wurde mir zu anstrengend, und ich glaube, sie interessieren ihn sowieso nicht. In drei Jahren macht unsere jüngste Tochter Abitur. Spätestens dann will ich mein Leben neu sortieren.“

Warum fühle ich mich einsam trotz Partner? Eine Expertin hat Antworten

Regelmäßiger Austausch mit anderen erhöht die Lebenszufriedenheit. Das hat die Glücksforschung längst belegt. Fehlt dieser Kontakt über einen längeren Zeitraum, entsteht ein Leidensdruck, der Stress auslöst und krank machen kann. Wer besonders gefährdet ist und was wir gegen die Einsamkeit tun können, darüber haben wir mit der Gesundheitspsychologin Sonia Lippke gesprochen.

Über die Expertin

Sonia Lippke ist Gesundheitspsychologin und Verhaltensmedizinerin an der Jacobs University Bremen. 2010 habilitierte sie sich über das Thema Einsamkeit.

Warum tut Einsamkeit so weh?  

Sonia Lippke : Dazu müssen wir uns die Evolution ansehen: Bei unseren Vorfahren haben diejenigen überlebt, die bin­dungsfähig waren und zusammen am Überleben gearbeitet haben, sich gegen Angreifer verteidigt und für genug Nahrung gesorgt haben.

Das müssen wir heute allerdings nicht mehr 

Lippke : Das ist richtig, aber das Bedürfnis danach steckt in uns wie Hunger oder Durst. Wird es nicht erfüllt, tut das weh. Ein Schmerz, den Einsame auch physisch spüren, wie Neurolo­gen bestätigen. Für unser Wohlbe­finden ist es also wichtig, sich mit anderen zu verbinden.

Vielen fällt es nicht leicht, auf andere zuzugehen 

Lippke : Hinzu kommt oft ein Gefühl der Un­zulänglichkeit: Irgendetwas stimmt nicht mit mir, andere haben schließ­lich auch Freunde. Dennoch sollten wir nicht im Rückzug verharren, sondern Einsamkeit als Impuls nut­zen, um etwas zu verändern. Wenn man auf andere zugegangen ist und Zurückweisung erfährt, ist das frus­trierend. Trotzdem sollte man sich klarmachen, dass man kein Opfer ist und die Dinge in der Hand hat. In der Psychologie sprechen wir von Selbstwirksamkeit. Kritik und Zu­rückweisung kann man auch als Chance sehen und als Angebot auf Rückmeldung nutzen. Fragen Sie, was Sie vermeintlich falsch gemacht haben, damit Sie herausfinden, was Sie ändern können.

Was kann man noch tun?  

Lippke : Wichtig ist, dass die Erwartungen nicht zu hoch sind. Man muss nicht gleich den Partner fürs Leben finden oder Freunde für die Ewigkeit. Kleine Schritte reichen. Schon ein kurzes freundliches Gespräch mit der Kassiererin im Supermarkt kann sehr wohltuend sein und das Selbst­bewusstsein stärken. Auch Vereine oder ein Ehrenamt bilden gute Mög­lichkeiten, um sich mit anderen auszutauschen. Man findet Gleich­gesinnte oft über das gemeinsame Tun und nicht über das gemein­same Suchen.

Welche Altersgruppen sind besonders von Einsamkeit betroffen? 

Lippke : Junge Menschen in den 20ern, die für ein Studium oder den Beruf den Wohnort wechseln. Dann im mittle­ren Alter, wenn die eigenen Kinder größer werden und das Haus verlas­sen. Und jenseits der 70. Das bedeu­tet aber nicht, dass per se mit dem Alter die Einsamkeit kommt.

Von Tanja

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