Vom Farbfernsehen zum Bau des Panamakanals

Erstellt am 21. Mai 2024 | 18:45
Lesezeit: 3 Min
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Carl Goldmark
Foto: Johann Hofer
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Der Familien-Clan des berühmten Komponisten Carl Goldmark erreichte in Amerika großes Ansehen und enormen Wohlstand.

Carl Goldmark, Ludwig Dux, Adolf Frankenburg, Adolf Freiherr von Seidler, Andreas Heidelberger und Alexander Grünbaum – Namen aus Deutschkreutz, die heute kaum jemand kennt – am ehesten vielleicht noch Carl Goldmark. Doch bei näherer Betrachtung und eingehendem Studium zahlreicher Archiv- und Bibliotheks-Dokumente erschließt sich ein Blick in die Vergangenheit, der die große kulturelle Bedeutung und das beachtliche geistige Potenzial des Gebiets um Ödenburg, insbesondere der jüdischen Gemeinden, ja des gesamten westungarischen Raumes widerspiegelt. Viele Bauwerke, Plätze, Straßennamen, Grabsteine und Mundartausdrücke erinnern an die Vergangenheit.

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Foto: NOEN

Ist das nicht ein Stück Erde, das sich sehen lassen kann?

In einer Würdigung Carl Goldmarks (1830-1915) durch seinen Freund und langjährigen Weggefährten Ludwig Dux – Hofrat Lajos Dóczy (1845-1919) im „Neuen Pester Journal“ aus dem Jahr 1895 werden Erinnerungen an das frühere jüdische Alltagsleben in Deutschkreutz geweckt [gekürzt und bearbeitet]: „Jawohl – wir sind Landsleute, Karl Goldmark und ich und Kurialrichter Halmosi, wir sind alle aus Deutschkreutz, das von den orthodoxen Juden, die das Wort Kreuz nicht über die Lippen bringen – nur „Zelem" ausgesprochen wurde. Von sonstigen Berühmtheiten des Dorfes weiß ich noch Baron Seidler in Wien zu nennen, der jetzt Millionär und Freiherr ist – alles auf ehrlichem Wege. Noch weiter hat es Goldmarks älterer Bruder gebracht, der anno 1848 ein rebellischer Student war und heute gar in Amerika lebt (bereits gestorben). Das sind Berühmtheiten genug für eine ganz kleine Gemeinde, die zur einen Hälfte aus Bauern, zur anderen aus Krämern und Hausierern bestand und in der zu meiner Zeit kein Mensch ein Wort Ungarisch wusste. Eine halbe Stunde weiter liegt Raiding, wo Liszt geboren wurde, eine Viertelstunde nach links Zinkendorf, die Heimat des großen Széchenyi, nicht weit davon Ödenburg. Ist das nicht ein Stück Erde, das sich sehen lassen kann? Deutschkreutz liegt mitten darin, leider nicht an der Eisenbahn, sondern bloß an der Straße nach Nikitsch, wo die Welt kroatisch wird. Wenn sie diese Zeilen lesen, die Deutschkreutzer, so werden die Jungen die Alten fragen und diese die noch Älteren, bis ein zitternder Greis sich findet, der Deinen Vater vielleicht gekannt hat. Und alle werden schrecklich stolz sein auf Karl Goldmark.“

Hohe Bedeutung des Goldmark-Clans in USA

Carl Goldmark verbrachte 10 Jahre seiner Kindheit und Jugend in Deutschkreutz, wo sein Vater Vorsänger in der Synagoge und Notär (Amtmann) der jüdischen Gemeinde war und wo etliche seiner Geschwister geboren wurden. Bereits mit 14 Jahren ging er nach Wien und wurde im Laufe seines langen Lebens zu einem der angesehendsten Komponisten der Ringstraßenzeit und zum bedeutendsten österreichischen Opernkomponisten der Donaumonarchie (Wagner war Deutscher, Verdi Italiener). Mit der Oper „Die Königin von Saba“ erreichte er schlagartig weltweite Berühmtheit.

Für mehr als 20 Kinder zu sorgen, war für den Vater Rubin Goldmark, der mit einem Jahresgehalt von 200 Gulden auskommen musste, eine schwierige Situation. Bis zu seinem Tod im Jahr 1868 klagte er permanent über seine finanziellen Nöte. Trotzdem legte er größten Wert auf Bildung und Ansehen sowie tadellose soziale Umgangsformen seiner Kinder.

Erforscht man die Genealogie der Familie Goldmark (www.carlgoldmark.com), so zeigt sich bis zur heutigen Generation eine kontinuierliche intellektuelle, kulturelle, wirtschaftliche und politische Bedeutung des „Goldmark-Clans“ in den USA. Vier Geschwister Carls und ein Großneffe wanderten nach Amerika aus und brachten es dort zu großem Ansehen und enormem Wohlstand. Dr. Joseph Goldmark, Arzt und Chemiker (er entdeckte mit Schrötter von Kristelli den roten amorphen Phosphor), musste im Zuge der Revolution 1848 Wien verlassen und gründete in New York eine Zündhütchenfabrik, die ihn während des amerikanischen Bürgerkriegs zum Millionär machte.

Sein ältester Sohn Henry war als Ingenieur maßgeblich am Bau des Panamakanals beteiligt, er konstruierte die Schleusentore. Eine Tochter war mit Louis D. Brandeis verheiratet, dem ersten jüdischen Höchstrichter am Supreme Court, eine weitere Tochter mit dem Philosophen Felix Adler. Carls jüngerer Bruder Dr. Leo Goldmark war Jurist und Impresario in Brooklyn, sein Sohn Rubin Komponist und Lehrer von George Gershwin und Aaron Copland. Adolph Goldmark, ein weiterer Bruder Carls, gründete das Unternehmen Adolph Goldmark & Sons Corp., das sich auf Import und Export von Nahrungsmitteln spezialisierte. Großneffe Peter Carl Goldmark ist der Erfinder der Langspielplatte und des Farbfernsehers.

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Johann Hofer, ehemaliger Professor am Gymnasium Oberpullendorf, schreibt eine Kolumne über Deutschkreutzer, die es in die weite Welt verschlagen hat und was aus ihnen geworden ist.
Foto: Privat