Kreisler-Abend „Heute leider Konzert!“ im Schauspiel Frankfurt – Bitte erschießen Sie Ihren Mann
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Kreisler-Abend „Heute leider Konzert!“ im Schauspiel Frankfurt – Bitte erschießen Sie Ihren Mann

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„Heute leider Konzert!“ – mit Torsten Flassig und (am Flügel) Yuriy Sych.
„Heute leider Konzert!“ – mit Torsten Flassig und (am Flügel) Yuriy Sych. © Jessica Schäfer

Das stimmt doch alles gar nicht, das ist genau richtig: Torsten Flassig und Yuriy Sych mit Liedern von Georg Kreisler im Schauspiel Frankfurt.

Liederabende zerfallen gern in Nummern. Auch dem Georg-Kreisler-Abend „Heute leider Konzert!“ mit Torsten Flassig (Spiel und Gesang) und Yuriy Sych (Klavier) drohte dies in den Kammerspielen des Schauspiels Frankfurt. Ihre innere Einheit finden Martha Kottwitz (Regie) und Jana Fritzsche (Dramaturgie) weniger, indem sie die Lieder am hochinteressanten Lebensfaden des jüdischen Wiener Künstlers (1922-2011) aufhängen. Nach der Emigration nach Amerika, der US-Staatsbürgerschaft nebst Karrierestart, dem US-Militärdienst als Verhörspezialist, der Rückkehr, drei Ehen und weil man ihm die aberkannte Staatsbürgerschaft nie wieder anbot, verbat es sich Kreisler, Österreicher genannt zu werden.

Wichtiger ist zweierlei. Einmal tut der Theaterabend, was Theater tut: lügen, um die Wahrheit zu sagen. Darsteller Flassig war ja nie in München an der Falckenberg, von wo er als Schauspielschüler mit Blumen bei Kreisler in der Garderobe aufgetaucht wäre, eins führte angeblich zum andern und es entstand ein persönliches Band, das jetzt auf der Bühne ausschnurrt. Putzig, aber Flassig ging auf die HfMuT Rostock, Punkt.

Alles Märchen: ein Wort, das öfter fällt. Wozu es mit den Trivia halten, wenn es um Essenzen geht? Dazu passen die Rede vom Leben als Traum und die Glaskaraffen mit grünem Inhalt, die verflixt nach „Grüner Fee“, Absinth, und Fiebertraum ausschauen.

Marco Pinheiro setzt das erste Tischchen mit Likörgläsern, Tischlämpchen, Holzstühlen und Papierblüten, wie es sie später noch vom Olymp regnet, vor den roten Vorhang. Als dieser hochgeht, sehen wir einen Raum zwischen Musikclub, Caféhaus und Kunst-Elysium, den der wellenartige Gazevorhang nach hinten abschließt oder im Gegenlicht durchscheinend macht. Fotos und Videos erscheinen. Auch Schattentheater fällt auf die Gaze. „Monkey Bar“ und „Marietta-Bar“ leuchten bunt auf.

Flassig wendet sich uns unversehens von der ersten Reihe her zu und fragt: „Haben Sie Opern gern?“ Schon reimen sich die Fragen, stecken wir im „Opernboogie“ und kommen für 95 Minuten nicht mehr aus Kreislers Klang- und Ideenwelten raus. Liederabende brauchen keine Handlung, aber dusteres Licht setzt Zäsuren, rhythmisiert, gaukelt Drama vor. Blumen regnen, und der ernste Künstler Kreisler werkelt an der Reiseschreibmaschine. Den Frack (Kostüme: Mirjam Kiefer) wechselt er aus, förmlich gute Kleidung wird auch zum Thema.

Und die Sache mit Chaplin

Zum Vortrag kommen „Tauben vergiften im Park“ und wie Kreisler Plagiatsvorwürfe abtat, seine junggesellige Art und Ehen und die Sache mit Chaplin, dessen Pianistenhände in „Monsieur Verdoux“ die Kreislers waren. Seine Sprachmasken-Lieder erzählen von passiv-aggressiver Zensur im austriakischen Rundfunk und dem Schweißfußpuder „Teddy“, von der Klavierlehrerin, der die Nazis Bach und Beethoven vergällten, vom neuerdings topaktuellen (Trump!) Lied der Blähungen und dem Hassbild Musikkritiker: „Und schreit das Publikum ‚Hurra!‘, das nützt euch nichts, denn ich bin da.“

Schön auch Songs wie „Please Shoot Your Husband“, deren makabrer Humor in den USA keine Chance hatte. Sehr hübsch.

Schauspiel Frankfurt, Kammerspiele: 16., 31. Mai. www.schauspielfrankfurt.de

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