Schlüsselwörter

1 Einleitung

Demokratisierung wird verstanden als der ergebnisoffene Prozess der Herausbildung eines demokratischen Systems, der drei Phasen umfasst: das Ende des vorhergehenden autokratischen Regimes, die Transition (Wahlen, Aufbau demokratischer Institutionen) sowie die Konsolidierung (Verankerung demokratischer Prozesse, Verhaltens und Normen). Auf Demokratisierung als Gegenstand greifen zwei politikwissenschaftliche Disziplinen zu: Die Vergleichende Politikwissenschaft und die Internationalen Beziehungen (IB).

Die in der Vergleichenden Politikwissenschaft angesiedelte Transitions- bzw. DemokratisierungsforschungFootnote 1 beschäftigt sich mit den Bedingungen des Regimewechsels, demokratischer Übergänge und demokratischer Konsolidierungen. Neben der empirischen Beschreibung der als offen und prozesshaft-dynamisch verstandene Demokratisierung werden dabei ebenso die Erfolgsbedingungen von Demokratisierung untersucht. Im Zentrum stehen dabei die Erklärung, wie es zu unterschiedlichen Ergebnissen kommt: Was löst Regimewechsel aus? Warum erleben manche Länder Transitionen und manche nicht? Warum münden manche Transitionen in konsolidierten Demokratien, während andere Länder in einem unkonsolidierten Status steckenbleiben oder gar in autoritäre Zustände zurückfallen?

Begreift man Demokratisierungen nicht nur als rein internen Prozess, sondern potenziell als Interaktion der nationalen und internationalen Dimension, wird der Blick auf externe Einflüsse, und somit die Perspektive der IB relevant. Demokratisierungen finden nicht „im luftleeren Raum“ statt, sondern werden durch externe Faktoren intendierter und nicht-intendierter Art maßgeblich beeinflusst (Sandschneider 2003, S. 2), eingebettet in ein internationales Umfeld, das sich differenzieren lässt in externe Akteure und externe Kontexte. Erstere können bewusst, und meist direkt, auf ein Land einwirken und zwar entweder (a) noch während des autokratischen Regimes, (b) um einen Regimewechsel herbeizuführen, und (c) nachdem der Regimewechsel − endogen oder exogen induziert − stattgefunden hat mit dem Ziel, den erwünschten Demokratisierungsprozess zu unterstützen. Externe Kontexte können Ereignisse (so etwa militärische Niederlagen oder die Rücknahme der Breschnew-Doktrin durch Gorbatschow) umfassen oder strukturelle Faktoren, die Veränderungen begünstigen (demokratiefreundliches oder -feindliches Klima) oder gar auslösen wie etwa Dominoeffekte, die in Ostmitteleuropa im Herbst 1989 zu beobachten waren. Darüber hinaus ergeben sich für die Internationale Politikforschung weitere Fragen: Welche Motive stehen hinter dem Streben nach einer möglichst weiten Verbreitung von Demokratie in der Welt? Handelt es sich um ein interessengeleitetes Ziel oder um ein normatives Postulat? Was treibt Regierungen, Internationale Organisationen und auch NGOs an, Demokratie zu fördern? Auf welche Weise und mit welchem Ergebnis wird Demokratieförderung umgesetzt?

Beide Disziplinen – sowohl die Vergleichende Politikwissenschaft als auch die IB – wandten sich dem Thema Demokratisierung mit einiger Verzögerung zu. Die intensive konzeptionelle und empirische Beschäftigung setzte mit der Untersuchung der „Dritten Welle der Demokratisierung“ ein. In diese Metapher fasste Samuel Huntington (1991) das clusterhafte Vorkommen von Transitionen, die 1974/1975 mit den Umbrüchen in Portugal, Griechenland und Spanien begannen, dann auf den lateinamerikanischen Kontinent, teils auch auf Afrika und Asien schwappten und ab 1989 den kommunistischen Herrschaftsbereich erfassten. Die durchaus zahlreiche Literatur zu den südeuropäischen und lateinamerikanischen Transitionen vernachlässigte allerdings die internationale Dimension. Demokratisierung wurde zunächst als überwiegend endogener Prozess beschrieben, externen Faktoren nur eine geringe Bedeutung zugeschrieben. Seit Philippe C. Schmitter und Guillermo O’Donnell in dem Referenzwerk der Transitionsforschung Transitions from Authoritarian Rule (1986) konstatierten, dass innere Faktoren die dominierende Rolle bei Transitionen spielen und die Suche nach internationalen Faktoren als „fruitless“ bezeichneten, folgten die meisten Untersuchungen dieser Einschätzung und berücksichtigen externe Faktoren als Einflussgröße nicht. Erst im Zuge der post-kommunistischen Transitionen rückten externe Faktoren von Demokratisierungen in das Blickfeld der Vergleichenden Politikwissenschaft.

Ähnlich bei den IB: Sie hatten bis dahin eine Verbindung zwischen der Herrschaftsform eines Landes und dem internationalen Handeln ausgeblendet. Das internationale Recht, aber auch die internationalen Organisationen beschäftigten sich kaum mit der internen Struktur der Staaten (Rittberger et al. 2010, S. 135). Während der ideologischen Auseinandersetzung zwischen den beiden Blöcken war das Verfolgen eines weltweiten demokratischen Anspruchs weder ein realistisches Ziel noch Gegenstand eines internationalen Diskurses. Das Wort Demokratie tauchte in der Charta der VN nicht einmal auf. Thematisiert wurde, wenn dann nur die Förderung von Demokratie von außen („promotion of democracy“) als Teil staatlicher Außenpolitik, wobei hierbei vor allem die USA in den Blick genommen wurden. Seit 1989 allerdings begann sich die IB den Einflüssen internationaler Faktoren und Akteure im Kontext von Regimewechseln und bei der dann folgenden Unterstützung von Demokratisierungsprozessen zuzuwenden, wenn auch zunächst zögerlich (so Hartmann 1999, S. 13; Cox et al. 2000, S. 3).

Demokratieförderung hat sich seit dem Ende des Kalten Krieges zu einem Wachstumszweig entwickelt; und zwar sowohl in Bezug auf die praktisch-politische Seite als auch in der wissenschaftlichen Beschäftigung. Demokratieförderung stellt zwar kein neues Ziel außenpolitischen Handelns dar, sondern blickt – zumal in der Außenpolitik der USA – auf eine gewisse Tradition. Ausgehend von den veränderten weltpolitischen Rahmenbedingungen erweiterten sich jedoch die Handlungsmöglichkeiten externer Akteure. Zudem rückte Demokratieförderung innerhalb der außenpolitischen Agenda westlicher, staatlicher Akteure sowie internationaler Organisationen auf einen deutlich höheren Rang. Mit der EU, die sich intensiv bei der Unterstützung der post-sozialistischen Transformationen engagierte, trat ein weiterer zentraler Akteur auf die internationale Bühne. Gleichzeitig wuchs die Zahl nicht-staatlicher Akteure, die in diesem Bereich aktiv wurden.

Das Forschungsfeld Demokratieförderung birgt etliche Praxisbezüge, zum Beispiel im Kontext von Beratung demokratiefördernder Organisationen auf regionaler und internationaler Ebene oder von Evaluierung, denn nicht nur die traditionellen staatlichen, sondern auch die nicht-staatlichen Akteure müssen ihre Strategien, ihr methodisches Vorgehen und ihr praktisches Instrumentarium regelmäßig überprüfen und rekalibrieren. Ganz konkrete „Einsatzfelder“ sind internationale Wahlbeobachtungsmissionen, Beratung bei der Verfassungsgebung oder der Formulierung von Wahlgesetzen u. ä. Insofern ist Demokratieförderung ein Bereich, in dem ein Austausch zwischen Praxis und Theorie naheliegt. Deswegen ist es bemerkenswert, dass solch eine enge Verbindung zwischen Praktikern und Wissenschaftlern dennoch weitgehend fehlt. So wird kritisiert, dass die Praktiker die wissenschaftlichen Debatten nicht wahrnehmen und die Wissenschaftler sich nicht darum bemühen, sich in den Kreisen der Praktiker zu engagieren (Carothers 2000, S. 193).

Aus der zeitlich geweiteten Perspektive seit Beginn des 20. Jahrhunderts zeigt sich, dass die Ausprägung des internationalen Klimas – demokratiefreundlich oder nicht – einen maßgeblichen Einfluss auf die Ausgestaltung von demokratiefördernden Aktivitäten hat: nämlich auf die Reichweite (regional, global), die Intensität und die Form (offensiv oder defensiv). Dieses internationale Klima unterliegt erkennbaren Konjunkturzyklen, bei denen sich ein Zusammenhang erkennen lässt zwischen dem Stellenwert, den externe Akteure Demokratisierung als strategischem Ziel ihrer Außenpolitik geben, der Bereitschaft zu demokratiefördernden Aktivitäten, und der Prägekraft von Demokratisierung als normativer Idee auf internationaler Ebene (Kneuer 2013). Anders gesagt: Je demokratiefreundlicher (bzw. -feindlicher) das Umfeld, desto größer (bzw. kleiner) die Bereitschaft zur Demokratieförderung und desto größer (oder kleiner) der Konsens der internationalen Staatengemeinschaft Demokratisierung als Anspruch anzuerkennen. In jener kurzen Zeitspanne der letzten 25 Jahren folgten solche Zyklen in relativ rascher Form: Der Einschnitt 1989 läutete eine demokratieoptimistische Konjunktur ein, bereits ein gutes Jahrzehnt später jedoch trübte sich dieses demokratiefreundliche Klima ein.

Dieser Text zeichnet diese Konjunkturen nach. Im Folgenden wird zunächst der Forschungsstand dargestellt (Abschn. 2). Abschnitt 3 geht auf Akteure, Strategien und Methoden der Demokratieförderung ein; zunächst am Beispiel der USA im 20. Jahrhundert, dann in Bezug auf die Entwicklung seit 1989. Abschließend (Abschn. 4) werden die Perspektiven von Demokratisierung und Demokratieförderung diskutiert.

2 Forschungsstand

Die internationale Dimension von Demokratisierung blieb bis in die 1990er-Jahre weitgehend unterforscht. Dafür lassen sich mehrere Erklärungen finden. Ein erster Grund wurde bereits angedeutet: Das internationale Recht stand unter dem Primat des Souveränitätsprinzips und der Nichteinmischung in innere Angelegenheiten, so dass in der internationalen Staatengemeinschaft die Thematisierung der internen Herrschaftsstrukturen eines Landes oder die Achtung demokratischer Prinzipien nicht zur Debatte standen. Ein gewichtiger Grund ist, zweitens, dass die Literatur sich lange Zeit auf zwei Phänomene fokussiert hatte, nämlich, erstens, „Imposition of democracy“ (Whitehead 1991). Unter Imposition fasst Whitehead drei Typen: die Inkorporation eines fremden Landes in das eigene Staatsgebiet, Einschüchterung und Invasion. Mit letzterem Typus verbindet sich das zweite Phänomen: die Einleitung eines Demokratisierungsprozesses nach einer militärischer Invasion oder einer militärischen Niederlage. Als „Schulbuchtypen“ der „guided democracies“ nach dem Zweiten Weltkrieg gelten Deutschland, Österreich, Italien, Japan. Diese in der Literatur vorherrschende Reduktion auf erzwungene Regimewechsel hängt nicht zuletzt auch mit dem Verständnis des bedeutendsten Akteurs von Demokratieförderung, den USA, zusammen, verband man mit ihnen doch die Verbreitung von Demokratie in Form von militärischen Missionen. Dies spiegelt die Literatur zur Rolle der USA bei Demokratisierungen auch in ihren Titeln wider: Oft wird vom „Export von Demokratie“ (Lowenthal 1991; Muravchik 1992; Light 2001; Schraeder 2002), von „Democracy by Force“ (von Hippel 2000) und von „Imposition“ (Whitehead 1991, 1996; Williams et al. 1995) gesprochen. Die Unterstützung demokratischer Kräfte mit nichtmilitärischen Mitteln – sei es vor, während oder nach der Auflösung eines nichtdemokratischen Regimes – blieb dadurch ebenso ausgeblendet wie indirekte Effekte (Diffusion, Demonstrationseffekte, Imitation etc.). Fördermaßnahmen von außen wurden entweder als Aufgabe der Entwicklungszusammenarbeit gesehen und auf die Dritte Welt bezogen (Erdmann 1996) oder eben im Zusammenhang mit militärischen Eingriffen, denen dann Demokratisierungsversuche folgten.

Eng mit diesem Verständnis von Demokratieförderung ist ein dritter Punkt verknüpft: Zwar wurde „promotion of democracy“ als außenpolitisches und ideologisches Leitmotiv der USA – oft zyklisch wie die Anlässe – von der amerikanischen Politikwissenschaft immer wieder in den Blick genommen. Die Beschäftigung damit wurde aus der Perspektive der IB jedoch überwiegend auf die amerikanische Außenpolitik und Demokratieförderung bezogen (siehe Cox et al. 2000; Muravchik 1992; Smith 1994) oder schlug sich in Einzelstudien der Area-Forschung – ebenfalls aus amerikanischer Sicht – nieder.Footnote 2 Demzufolge wies die Literatur bis in die 1990er-Jahre einen starken USA-Bias auf.

Der disziplinäre Graben zwischen Vergleichender Regierungslehre und Internationalen Beziehungen ist schließlich, viertens, als weiterer Grund zu nennen. So wie die Komparatistik sich überwiegend blind erwies gegenüber den weltpolitischen Rahmenbedingungen von Demokratisierung, blendete die IB-Forschung lange die Innensicht auf Staaten aus, ignorierte Demokratie und interessierte sich kaum für die Interaktion zwischen internationalen Institutionen oder Akteure und der nationalen Dimension (Pridham 1991, S. 2 ff.; Smith 2000, S. 86; Cox et al. 2000, S. 3 f.; Pevehouse 2005, S. 2 ff.). Erschwerend kommt hinzu – und dies gilt bis heute –, dass relevante Erkenntnisse aus den anderen Disziplinen zu wenig wahrgenommen und in die eigenen theoretischen Grundannahmen inkorporiert werden. Erkenntnisse von Untersuchungen aus Sicht der IB müssen so zwangsläufig in ihrer Erklärungskraft begrenzt bleiben, wenn sie etwa – um ein Beispiel zu nennen – die konzeptionell wichtige Differenzierung in Demokratisierungsphasen nicht einbeziehen, denn auch die empirischen Erkenntnisse belegen, dass diese Phasen sehr unterschiedliche Anforderungen an die Gestaltung des Demokratisierungsprozesses bereithalten. Daher liegt es nahe, dass demokratiestützende Maßnahmen diesem differenzierten Aufgabenportfolio folgend während der autokratischen Phase, während des Regimewechsels, in der Übergangsphase und schließlich während der Konsolidierung unterschiedlich zugeschnitten sein müssen. Vergleiche von verschiedenen Akteuren der Demokratieförderung können nur dann ertragreich sein, wenn diese Differenzierung vorgenommen wird. Andererseits fehlt es Arbeiten der Komparatistik oft an dem theoretischen Rüstzeug, insbesondere, um die Interaktion zwischen nationaler und internationaler Dimension zu erfassen.

Als Zwischenergebnis bleibt festzuhalten, dass bis 1989 sowohl einerseits die internationale Dimension bei Demokratisierungen allgemein als auch der differenzierte Blick auf die verschiedenen Ansätze von Demokratieförderung praktisch unberücksichtigt blieben. Dies änderte sich mit dem Zusammenbruch des kommunistischen Herrschaftsbereiches, dessen Kontext und Verlauf allein eine neue Sicht auf die internationale Dimension von Regimewechseln freigab. Die seit den 1990er-Jahren ansteigende Beschäftigung mit der internationalen Dimension von Demokratie und Demokratisierung lässt sich grob in vier Forschungsstränge bündeln: (1) die eher konzeptionell ausgerichteten Versuche, externe, auf Zielstaaten gerichtete Einflusswege zu identifizieren, zu systematisieren und zu erklären; (2) stärker empirisch-analytische Studien zur Demokratieförderung allgemein, wobei hier (3) die Erforschung der EU-Demokratieförderung so intensiv betrieben wird, dass man die Studien einem eigenen Forschungsstrang zuordnen kann; (4) die Reflexion auf die Herausbildung und Umsetzung einer internationalen Norm von Demokratie und Demokratisierung.

Konzeptionelle Ansätze: Ein beklagtes und weiterhin bestehendes Desiderat bleibt die fehlende theoretisch-konzeptionelle Fundierung der Forschung zur internationalen Dimension von Demokratisierung. Gleichwohl haben insbesondere die systematisierenden Arbeiten von Whitehead (1996) und Schmitter (1996) dazu beitragen, dass inzwischen ein Kern an Einflusswegen und Mechanismen externen Einflusses ausgemacht werden kann. Grundlegend ist die Differenzierung in contagion, control, consent or convergence (Whitehead 1996). Dabei wird unter contagion der wiederholt beobachtete Dominoeffekt verstanden − von Huntington auch als snowballing bezeichnet (Huntington 1991, S. 33) −, bei dem letztlich Prozesse, die zum Zusammenbruch des autoritären Regimes führen (wie etwa Bürgerproteste) vor allem in regionalen Kontexten diffundieren. Kontrolle umfasst alle Maßnahmen, die auf Zwang hinauslaufen bzw. eine Asymmetrie zwischen externem Akteur und Zielland unterstellen, worunter Imposition, Einschüchterung und Inkorporierung zu zählen sind (siehe oben). Und consent oder convergence spielt schließlich auf Mechanismen ab, wie sie bei der EG/EU zu beobachten sind, nämlich „a complex and profound set of mutual adjustment processes“ (Whitehead 1996, S. 19). Schmitter fügt einen vierten Einflussweg hinzu, nämlich Konditionalität (Schmitter 1996). Leicht variiert benutzen Magen und Morlino (2008) control, conditionality, socialization und demonstration effects. Ähnlich systematisieren auch Magen und McFaul vier Einflusslogiken: control, material incentives, normative suasion und capacity building (2009, S. 12–14). Im Kern stimmt die Literatur darin überein, dass Einflusswege (a) auf Zwangsmaßnahmen beruhen können, bei dem der externe Akteur interveniert und steuert; (b) auf sozialisierenden Mechanismen, bei dem durch Überzeugung oder Lernprozesse demokratische Reformen als erstrebenswert wahrgenommen und umgesetzt werden; (c) auf Anreizen, demokratische Veränderungen einzuleiten oder zu beschleunigen, wie etwa bei der Konditionalitätsmethode und (d) schließlich auch nicht intendierte, neutrale Transmissionswege (Diffusion oder auch Demonstrationseffekte) eine Rolle spielen können.

Diese ersten Systematisierungen der 1990er-Jahre – so grundlegend sie waren – krankten an zwei Stellen: Zum einen blieben sie zu grob, was die Adressaten, deren Motive und die Art des Einflusses angeht; Aspekte, die in späteren Modellen integriert wurden (Kneuer 2007, S. 82 f.; Magen und Mc Faul 2009, S. 12). Zum anderen trifft hier die bereits erwähnte Kritik einer fehlenden Theoriebasierung zu, entsprangen doch Whiteheads und Schmitters Einflusswege einer phänomenologischen Beschreibung, abgeleitet aus der empirischen Beobachtung. Weiterführend waren derweil Arbeiten, die diesen Einflusswegen sozusagen nachträglich eine theoretische Fundierung angedeihen ließen: So ergeben sich theoretische Deutungsangebote, bei denen etwa Konditionalität oder Anreizstrukturen auf der Basis von Kosten-Nutzen-Analysen rationalistischer Ansätze oder auf der Basis konstruktivistischer Ansätze mit einer Angemessenheitslogik und NorminternalisierungFootnote 3 erklärt werden. Bei ersteren wird angenommen, dass die machtbezogenen Kosten von Seiten der nationalen Akteure kalkuliert werden und danach zum Beispiel demokratischer Konditionalität gefolgt wird und demokratische Reformen vorgenommen werden oder nicht. Letztere gehen davon aus, dass die Resonanz im Zielland einen wichtigen Erklärungsfaktor darstellt und insofern die Übernahme demokratischer Normen, Institutionen etc. durch Lern- und Sozialisierungsprozesse geschieht. Diese Erklärungsstränge stehen in engem Zusammenhang mit der compliance-Forschung der IB, die auf der Grundlage der Regelbefolgung nach der Wirkung institutioneller Institutionen bzw. Einflüsse auf staatliches Verhalten fragt und in Bezug auf die Demokratisierung zur Klärung beitragen kann, welche Mechanismen (ob Zwang, Anreizstrukturen, Lernen, Normanerkennung oder Überzeugungsprozessen) am ehesten Aussichten auf eine nachhaltige Wirkung haben.

Studien zur Demokratieförderung entwickelten sich im Laufe der 1990er-Jahre zu einem boomenden Forschungszweig, der hier nur kurz skizziert werden soll. Die Literatur nahm sich dem deutlich erweiterten Gegenstandsbereich an: Nicht nur die Palette der externen Akteure hatte sich erheblich ausdifferenziert, auch neue Förderansätze bzw. -akzente waren hinzukommen (siehe den folgenden Abschnitt zur EU). Zunächst erlangte der Aspekt des institution building Aufmerksamkeit: Es wurde analysiert, wie insbesondere die post-sozialistischen Staaten das Entwerfen neuer Verfassungen und institutionellen Strukturen bewältigten. Etwas später dann entdeckte die Literatur das Thema Zivilgesellschaft und ihre Bedeutung. Weniger Aufmerksamkeit erlangten dagegen die intermediären Institutionen wie Parteien, Medien und Verbände. Ein gleichbleibend häufig untersuchter Fokus lag auf der Strategie der USA auf dem Hintergrund der veränderten weltpolitischen Situation.

Am stärksten machte sich der Anstieg an Studien zur Demokratieförderung der EU bemerkbar. Insbesondere die Rolle der EG/EU im Zuge der Osterweiterung lenkte die Aufmerksamkeit auf die Möglichkeiten externer Demokratieförderung. Die beiden Politikfelder – Demokratieförderung und Erweiterungspolitik – erfuhren eine enge Verschränkung, da die EU den Beitritt neuer Mitglieder an politische Bedingungen koppelte (Konditionalität). Insofern bildete sich ein ganz eigenes Muster (europäischer) Demokratieförderung heraus: das „Integrationsparadigma“ bzw. „governance by enlargement“ (Dimitrova und Pridham 2004, S. 97). Zu der zentralen Methode der EU, der Konditionalitätspolitik, entstand eine umfassende Forschungsliteratur (Schimmelfennig et al. 2003; Schimmelfennig und Sedelmeier 2005; Pridham 2005; Grabbe 2006; Kneuer 2007). In einem zweiten Schritt wandten sich dann Studien den Bedingungen der EU-Demokratieförderung außerhalb der EU-Erweiterungsprozesse zu und nahmen insbesondere die Staaten der Nachbarschaftspolitik in den Blick.Footnote 4

Ein weiterer Forschungsstrang der IB widmet sich der internationalen Normbildung von Demokratie bzw. Demokratisierung und Menschenrechten. Neben der reichhaltigen Literatur zur Anerkennung von Normen (wie Demokratie oder Menschenrechten) sowie zu ihrer Einhaltung (Risse et al. 1999) beschäftigten sich etliche Arbeiten mit der Wirkung der demokratischen Revolution auf die internationale Gemeinschaft und wie sie künftig mit Fragen der demokratischen Legitimität, mit Zielkonflikten oder mit der Verteidigung von Demokratie umzugehen hätte (siehe die Beiträge in Fox und Roth 2000). Im Fokus steht dabei die Neugewichtung des Verhältnisses zwischen den Normen Souveränität, Demokratie und Menschenrechte und der Normenkollision, die sich bei den „neuen Interventionen“ (siehe etwa Somalia, Bosnien-Herzegowina) ergab.

Der mainstream in der Literatur zu Demokratisierungsprozessen – und dies gilt auch für die internationale Dimension – ist akteurszentriert. Akteurshandeln als Erklärungsfaktor dominiert vor anderen Ansätzen, die etwa auf der Grundlage der Modernisierungstheorie, kulturalistischen oder strukturalistischen Theorien die Bedingungen, Verläufe und Ergebnisse von Demokratisierungen untersuchen. Akteuren und ihren Handlungsoptionen wird eine zentrale Rolle sowohl bei der Einleitung von Demokratisierungsprozessen als auch bei deren weiteren Gestaltung zugesprochen. Im Hinblick auf die internationalen Einflussfaktoren werden überwiegend externe Akteure fokussiert, was im Zusammenhang mit Demokratieförderung naheliegend ist. Nur wenige Ansätze versuchen, sowohl externe Akteure als auch externe Strukturen in ein analytisches Instrumentarium zusammenzuführen. So schlägt Kneuer vor, neben dem intendierten Einfluss externer Akteure gleichberechtigt auch unintendierte Einflüsse internationaler Kontexte und Ereignisse einzubeziehen (Kneuer 2007, S. 81). Obgleich sich an der Ausrichtung am Akteurshandeln tendenziell wenig geändert hat, wird in jüngeren Arbeiten der Einflussweg von Diffusion verstärkt thematisiert (Brinks und Coppedge 2006; Gledditsch und Ward 2006; Bunce und Wolchik 2011; Börzel und Risse 2012; Wejnert 2014). Empirische Studien belegen dabei, dass Diffusion von Demokratie insbesondere in regionalen Kontexten eine Rolle spielt und daher regionale Cluster von Demokratisierungen feststellbar sind. Zum einen werden interne politische Prozesse stark beeinflusst von Ereignisse oder Entwicklungen in Nachbarstaaten. Zum anderen besteht ein Druck zur Regime-Konvergenz, das heißt, Transitionen sind wahrscheinlicher, wenn es mehr Demokratien in der die Nachbarschaft gibt (Gledditsch und Ward 2006) bzw. es entsteht ein größerer Druck hin zur Konvergenz, wenn die Kluft zwischen den Regimen in der näheren Region groß ist (Brinks und Coppedge 2006). Vor allem die Studie von Levistky und Way (2010) hat strukturellen internationalen zu stärkerer Bedeutung verholfen; sie weisen insbesondere der Dichte wirtschaftlicher, politischer, sozialer und kultureller Verbindungen (linkage) zwischen dem westlichen externen Akteure und dem Zielland eine hohe Erklärungskraft für das Zustandekommen einer Demokratisierung im Kontext von Konditionalität zu.

Trotz des beschriebenen Booms in der IB-Literatur zu Demokratieförderung werden bis heute Forschungsrückstände bemängelt (siehe dazu Erdmann und Kneuer 2014). Ein zentraler Kritikpunkt lautet, dass die Literatur überwiegend deskriptiv geblieben ist, nur wenige überprüfbare Hypothesen entwickelt oder theoretische Ansätze produziert habe (McFaul 2010, S. 17). Es fehlen weiterhin Konzeptualisierungen externen Einflusses auf Wandlungsprozesse im Inneren eines Landes, denn kausale Verbindungen zwischen externen und internen Faktoren bei Demokratisierungsprozessen bleiben noch zu wenig ausgeleuchtet. Bislang hat die IB-Forschung noch nicht ausreichend die „black-box“ des Staates geöffnet, um theoretische und empirische Erkenntnisse über die „external-internal linkages of democratization“ zu entwickeln (Magen und Morlino 2008). Insofern bleiben auch die tatsächlichen Wirkungen externen Einflusses – sei er intendiert und akteursgetrieben, durch strukturelle Faktoren determiniert oder durch neutrale Transmissionswege – noch im Dunkeln.

3 Die Demokratieförderung von 1945 bis heute: Akteure, Strategien, Methoden

Wie bei allen Konzepten unterliegt auch die Eingrenzung von Demokratieförderung mancher Unschärfe. Zum einen ist es in der Literatur strittig, ob nicht-zivile Maßnahmen, also militärische Interventionen mit dem Ziel des Regimewechsels, überhaupt unter Demokratieförderung subsumiert werden können. Burnell unterscheidet zwischen daher zwischen democracy assistance als politische Hilfsprogramme (finanzieller, materieller, technischer Art oder als Wissenstransfer), die frei von Zwang und im Konsens mit dem Zielland angewendet werden, und democracy promotion, unter das ein weitaus breiteres Spektrum von Ansätzen und Strategien gefasst werden kann. Auf einem Kontinuum von soft power zu hard power stehen auf der einen Seite finanzielle und technische Hilfe, Überzeugung, positive Anreize (positive Konditionalität), während auf der anderen diplomatischer Druck, negative politische Konditionalität, Sanktionen, bis hin zu verdeckten oder offenen militärischen Interventionen dazuzuzählen sind (Burnell 2000, S. 38).

Wenn – wie in den meisten Definitionen – Zwangsmaßnahmen wie diplomatischer Druck oder Konditionalität – zu Demokratieförderung gezählt werden, ist es nicht stringent, militärische Maßnahmen auszuklammern. Eine deskriptiv-analytische Definition, die von normativen Präskriptionen absieht, wäre insofern militärischen Mitteln gegenüber neutral; demnach umfasst Demokratieförderung „alle Aktivitäten, die ein externer Akteur – staatlich oder nicht-staatlich – unternimmt, um bei der Installierung, Konsolidierung und nachhaltigen Absicherung von Demokratie Beistand zu leisten. Diese Aktivitäten können stützenden oder sanktionierenden Charakter haben. Es handelt sich um intendierte und direkte Maßnahmen, die allerdings auch unintendierte und indirekte Wirkungen zeitigen können.“ (Kneuer 2013, S. 39).

Zum zweiten ist Demokratieförderung zu differenzieren nach den verschiedenen Anforderungsagenden externer Akteure, die von den Demokratisierungsphasen vorgegeben werden, in denen sie das Zielland adressieren. Externer Einfluss kann durchaus bereits während des undemokratischen Regime ausgeübt werden – etwa durch die Unterstützung demokratischer (Oppositions)gruppen oder durch Druck auf die autokratischen Machthaber etc. (Whitehead 1986, S. 44). Das Ziel ist hier die Stärkung demokratischer Kräfte und ein Beitrag zu leisten zur Liberalisierung autokratischer Regime (Schmitter und Brouwer 1999, S. 12). Externe Einflussnahme beim Regimewechsel manifestiert sich überwiegend als Intervention. Während der Transition setzen dann Aktivitäten ein, die darauf ausgerichtet sind, Unterstützung zu leisten beim Aufbau der demokratischen Institutionen, beim Abhalten der Wahlen und anderen für die Installierung einer Demokratie wesentlichen politischen Prozessen. Die Konsolidierungsphase erfordert wiederum – eine eher langfristig angelegte − Begleitung bei der dann anstehenden Verankerung demokratischen Verhaltens und Verfahren; konkret kann das die Stärkung intermediärer Akteure sein (Parteien, Medien, Verbände), die Unterstützung bei Dezentralisierung und lokaler Selbstverwaltung etc. Gleichermaßen können Demokratieförderer nach dem Regimewechsel zu jederzeit herausgefordert werden durch anti-demokratische Kräfte, die die junge Demokratie bedrohen. Eine „feste Haltung“ solchen Tendenzen gegenüber (Whitehead 1986, S. 44) gehört somit ebenfalls zur Demokratieförderung. Schmitter und Brouwer (1999) sprechen in Bezug auf die Konsolidierungsphase sogar von „Schutz der Demokratie“ (Protection of Democracy).

Die Förderung von Demokratie, Menschenrechten und Good Governance wird von staatlichen Regierungen ebenso wie von Internationalen Organisationen im Rahmen der Entwicklungszusammenarbeit unternommen und finanziert, womit Demokratieförderung ein Tätigkeitsfeld neben anderen, wie etwa Armutsbekämpfung oder Katastrophenhilfe, darstellt. So subsumiert das BMZ Demokratie als einen Förderbereich innerhalb des Schlüsselthemas Good Governance (BMZ 1996). In den USA ist USAID, die amerikanische Agentur für Entwicklungshilfe, für Demokratieförderung zuständig. Und auch bei den VN ist Demokratieförderung als Tätigkeitsfeld des Entwicklungsprogramms (United Nations Development Programm, UNDP) gefasst. Lediglich bei der EU verteilt diese sich auf mehrere Felder des Außenhandelns: Sie ist Teil der Erweiterungspolitik, der Nachbarschaftspolitik, der Zusammenarbeit mit den AKP-Staaten, der Kooperation mit Lateinamerika, Asien und Südafrika. Zudem werden mit dem EIDHR (European Instrument for Democracy and Human Rights) bzw. mit dem seit 2013 operierenden EED (European Endowment for Democracy) die Bereiche Demokratie und Menschenrechte gezielt anvisiert.

Dennoch unterscheidet sich Demokratieförderung insofern, als Entwicklungshilfe überwiegend auf die sogenannten root factors, also jene strukturellen Bedingungen abzielt, die die Gesamtentwicklung des Landes verbessern sollen (wirtschaftliche Entwicklung, Beseitigung von Ungleichheiten, Verbesserung des Bildungsniveaus etc.), während Demokratieförderung auf die Funktionsbedingungen von Demokratie abzielt. Demokratieförderung ist daher enger zu fassen: „Democracy aid is all aid, for which the primary purpose, not the secondary or indirect purpose, is to foster democracy in the recipient countries. It does not therefore include economic and social aid programs“ (Carothers 2000, S. 188). Maßnahmen der Demokratieförderung lassen sich in folgende Förderbereiche bündeln:

Normative Standards: Achtung und Einhaltung der Menschenrechte sowie des Minderheitenschutzes, Gewährleistung der politischen und bürgerlichen Rechte.

Institutionen: Entwerfen von Verfassungen und Gesetzen wie Wahlgesetze, Etablieren von demokratischen Institutionen, Unabhängigkeit der Justiz, Rechtsstaatlichkeit.

Good Governance: Korruptionsbekämpfung, effektive öffentliche Verwaltung, Dezentralisierung, lokale Selbstverwaltung.

Politische Prozesse: Abhalten von freien und fairen Wahlen, Stärkung gesellschaftlicher Pluralität in Bezug auf Parteien, organisierte Interessen, unabhängige und professionelle Medien, Stärkung einer lebendigen Zivilgesellschaft.

Aber auch wenn hier – aus definitorischen Zwecken – eine Abgrenzung vorgenommen wird, so ist doch festzuhalten, dass Demokratieförderung, Entwicklungszusammenarbeit, auch post- conflict- management, Politikfelder sind, die in der Praxis nicht unerhebliche Schnittmengen aufweisen. Die Förderung demokratischer Standards und von Good Governance greift daher ineinander. Insgesamt lässt sich feststellen, dass das Entwicklungsverständnis seit den 1990er-Jahren politischer geworden ist. Das heißt „EZ wird zunehmend von einer ehemals eher technischen zu einer politischen Aufgabe“ (BMZ 1996, S. 10) und damit rückten Themen wie Menschenrechte, Rechtsstaatlichkeit und Partizipation zu Handlungsfeldern auf.

Nun zu den Akteuren der Demokratieförderung. Neben die erwähnten klassischen Träger – staatliche Ministerien oder Agenturen sowie Programme von IO -hat das Engagement von Nicht-Regierungsorganisationen in den letzten 25 Jahren stark zugenommen. Hier kann kein komplettes Bild gezeichnet werden; ein paar Beispiel müssen genügen: So ist das deutsche Modell der politischen Stiftungen, deren Arbeit in Südeuropa erfolgreich war, seit den 1980er-Jahren vielfach nachgebildet worden, vor allem in den USA (so etwa NED – National Endowment of Democracy, NDI – National Democratic Institute for International Affairs, IRI – International Republican Institute); zweitens sind große private Stiftungen mit breitem Portfolio und sehr guter Finanzausstattung, wie die Ford- oder Soros-Stiftung (Open Society Institute) dazugekommen; und drittens ist die Zahl von NGOs mit rein issue-orientiertem Engagement etwa im Bereich Korruption (z. B. Transparency International), Gleichstellung (women empowerment), Medienentwicklung (z. B. Reportiers sans Frontiers) gestiegen.

Bei den Akteure liegen drei Handlungsebenen vor: (1) die Strategie, die dem jeweiligen Ansatz eines Demokratieförderer zugrunde liegt, (2) die Methode, der bei der Demokratieförderung gefolgt wird, (3) die konkreten Maßnahmen der Förderprogramme. Sinnvollerweise ist zugleich auf die Nachfrageseite zu blicken; hierbei interessieren (4) die Erwartungen und Bedarfe der Demokratisierungsländer sowie (5) die Ergebnisse der Fördermaßnahmen.Footnote 5 Dieser Aspekt ist zunehmend wichtig geworden, da die Geldgeber eine Evaluierung der Fördermaßnahmen einfordern, andererseits aber auch die Förderinstitutionen selbst eine stärkere Überprüfung ihrer Ergebnisse nachfragen, nicht zuletzt um auf der strategischen, methodischen oder instrumentellen Ebene Modifikationen und Verbesserungen vorzunehmen.

Die Strategie eines Demokratieförderers wird maßgeblich geprägt von seinem Demokratieverständnis: Auf welchem Modell von Demokratie basiert das Förderprogramm? Oder in anderen Worten: Welche Form von Demokratie exportieren Regierungen? (Light 2001, S. 76). Auf der strategischen Ebene angesiedelt ist zudem die Frage nach den Motiven: Welche generellen Ziele verfolgen Regierungen oder andere Akteure? Davon zu unterscheiden ist die methodische Ebene. Hier geht es um die Vorgehensweise im Hinblick auf die Demokratisierung des Ziellandes. Ist die Methode eher hard power und soft power zuzuordnen? Wird nach dem Muster von Zwang verfahren (militärische Interventionen, Sanktionen, negative Konditionalität) oder nach dem Muster von Anreizen (positive Konditionalität) oder Sozialisierung? Ein weiterer methodischer Unterschied liegt darin, ob Demokratieförderung top down oder bottom up erfolgt. Es dominierten lange top down-Ansätze (Institutionenbildung), die dann ergänzt wurden durch das Anvisieren nicht-staatlicher Akteure, hier vor allem der Zivilgesellschaft, die in den 1990er-Jahren zum Modekonzept wurde (Carothers 1999, S. 207). Eine weitere Ebene heruntergebrochen gilt es, die Maßnahmen zu untersuchen, die – idealerweise – auf der Gesamtstrategie beruhen und in die ausgewählte Methode eingebettet sind. Welcher Bereich wird mit welchen Maßnahmen gefördert (Beratung, Bildungsmaßnahmen etc.)? Zusammengefasst kann man Demokratieförderung folgendermaßen auf den Punkt bringen: Wer fördert wann, wen warum und wie? (Sandschneider 2003, S. 11) Hinzuzufügen wäre allerdings: Mit welchem Ergebnis?

Eine Untersuchung und Bewertung der Ergebnisse und Effekte stellt sich auf der instrumentellen Ebene freilich leichter dar, da sich hier eher das direkte Ergebnis einer Maßnahme ablesen lässt. Schwieriger wird es bereits auf der methodischen Ebene, zumal die Beurteilung der Wirkung eines längeren Beobachtungszeitraums bedarf. Die größer dimensionierte Frage nach der generellen Wirkung von externen Einflüssen bzw. Demokratieförderung dürfte auch in Zukunft das schwierigste Forschungsfeld bleiben, denn hier fehlt zum einen noch ein angemessenen methodisches Instrumentarium, andererseits besteht die größte Herausforderung darin, tatsächlich einen Einflussfaktor so zu isolieren, dass man ihm eine Wirkung zuschreiben könnte (Erdmann und Kneuer 2014). Daher sind die – oft auch kritisch gestellten – Fragen, inwieweit Demokratieförderung tatsächlich etwas bewirken kann, nur schwer zu beantworten. Demokratisierung als überaus komplexer Prozess ist zudem nicht auf einen isolierten Faktor – sei er endogen oder exogen – reduzieren. Nichtsdestotrotz lassen sich ex post durchaus wenig wirkungsvolle, da schlecht ausgeführte Maßnahmen oder auch kontraproduktive Effekte erkennen. Demokratieförderung muss – selbst wenn sie dies intendiert – nicht ausschließlich positive Effekte haben; darüber hinaus hat sich erwiesen, dass sie auch unintendierte, indirekte Effekte zeitigt (Brusis 2009). So kann man inzwischen feststellen, dass die Umstände der EU-Erweiterung (Übernahme des umfangreichen Rechtsbestandes, Verhandlungserfordernisse etc.) dazu geführt haben, dass einer Machtkonzentration in der Exekutive Vorschub geleistet wurde (Grabbe 2006; Lippert und Umbach 2005).

Nicht nur unter den Praktikern, auch in der wissenschaftlichen Debatte macht sich in jüngster Zeit eine deutliche Unsicherheit – teils auch Skepsis – über die Perspektiven von Demokratieförderung breit; und zwar hinsichtlich ihrer Wirksamkeit bei der Sicherung von Demokratisierungsprozessen. Die Tatsache, dass eine letztlich doch erhebliche Zahl an Demokratisierungsprozessen – selbst mit Unterstützung von außen – nicht zur Konsolidierung führte, verursachte Zweifel an der Effektivität. Hier und da hat dies auch zur Infragestellung von Demokratieförderung insgesamt geführt oder zur Skepsis bezüglich der gewählten Mittel. Teils waren die Erwartungen von Demokratieförderern sicher zu idealistisch, teils waren Konzept und Umsetzung der Förderung inkonsistent. Die maßgeblichen Akteure – USA und EU – haben in ihren jüngsten Dokumenten einen durchaus selbstkritischen Ton angeschlagen; sie entwickelten neue Strategien und trugen dabei auch gelernten Lektionen Rechnung. So steuert die Neukonzipierung der europäischen Nachbarschaftspolitik von 2011 unter anderem in einem zentralen Aspekt um, nämlich in Bezug auf eine konsequentere Haltung gegenüber der Nichtbeachtung demokratischer Standards der Partnerländer. Die Partnerländer müssten gleichermaßen die Werte Menschenrechte, Demokratie und Rechtsstaatlichkeit teilen und die EU die stärkere Unterstützung von diesen Bedingungen abhängig machen (High Representative of the EU 2011, S. 2 f.).Footnote 6 Wenngleich beides – nämlich sowohl die Verpflichtung auf jene Werte als auch die Konditionalitätsmethode – bereits Teil der Nachbarschaftspolitik gewesen waren, so ist dies von der EU nicht konsequent verfolgt worden. Ähnlich haben auch die USA – nach 20 Jahren – eine neue Strategie entwickelt. So unterstreicht das USAID-Dokument vom Juni 2013 (Strategy on Democracy, Human Rights and Governance) zwei zentrale Lektionen, nämlich zum einen die richtige Balance zwischen Regierungs- und Nichtregierungsorganisationen und zum anderen die Erkenntnis, sich nicht zu früh aus der Demokratieförderung zurückzuziehen. Künftig werden daher deswegen bottom up- und top down-Ansätze gleichwertig nebeneinanderstehen, Menschenrechte werden in ihrer Bedeutung aufgewertet, und die Maßnahmen werden sollen stärker nach Regimetyp und Phase unterschieden werden (USAID 2013).

Wenngleich sich Demokratieförderung − in der Praxis ebenso wie in der wissenschaftlichen Beschäftigung − zu einem Wachstumszweig entwickelt hat, so stellt dieses Politikfeld dennoch kein neues Ziel außenpolitischen Handelns dar. Im Folgenden wird zunächst das Engagement zugunsten von Demokratie während des Kalten Krieges skizziert (Abschn. 3.1), das sich zuvorderst mit den USA verbindet, und dann auf Demokratieförderung nach 1989 eingegangen (Abschn. 3.2).

3.1 Demokratieförderung im 20. Jahrhundert: das amerikanische Paradigma

Die USA weisen eine lange Tradition von Demokratieförderung auf, denn die Verteidigung und aktive Verbreitung demokratischer Ideale und Werte stellt einen programmatischen Bestandteil ihrer Außenpolitik dar. Durch den Spanisch-Amerikanischen Krieg 1898, bei dem sie Kuba im Unabhängigkeitskampf gegen das koloniale Mutterland Spanien unterstützt hatten und infolgedessen als Siegerin dann ihrerseits ehemals spanisches Territorium im Pazifik annektiert hatten, traten die USA nicht nur als imperiale Macht auf die Weltbühne, sondern verknüpften dies zudem mit dem Manifest Destiny-Gedanken, der sie sich seit jeher auserwählt fühlen lässt, zivilisatorischen Fortschritt, demokratische Normen und Institutionen auch über ihre Grenzen hinaus zu tragen und für die Freiheit anderer Völker zu kämpfen. „Wie keine andere Nation der Menschheitsgeschichte verbinden die Amerikaner einen weltweiten Machtanspruch, die Fähigkeit zur globalen Machtprojektion, mit dem Anspruch eines auserwählten Volkes, die amerikanische Sendungsidee, zu erfüllen.“ (Junker 2004, S. 13; H.i.O.).

In dieser besonderen Ausprägung blieben die USA lange der einzige und auch der mächtigste Demokratieförderer, zum einen angesichts der verwendeten finanziellen Ressourcen, aber auch, weil sie als einziges Land willens und in der Lage waren, immer wieder die demokratische Mission mit militärischen Interventionen zu verknüpfen. Beispiele reichen vom Spanisch-Amerikanischen Krieg 1898, über den Ersten und Zweiten Weltkrieg bis in die jüngste Zeit, etwa bei der Invasion des Irak. Dieses idealistische und missionarische Element, verkörpert in dem Wort Woodrow Wilsons „to make the world safe for democracy“, manifestierte sich zyklisch, so dass militärische Intervention mit dem Ziel des Regimewechsels ein wiederkehrendes Muster der amerikanischen Außenpolitik wurde.Footnote 7

Es wäre freilich viel zu kurz gegriffen, würde man die demokratische Interventionspolitik der USA allein auf ideelle Motive zurückführen und unberücksichtigt lassen, dass nicht selten handfeste Interessen mit einhergingen. Durch die Block-Situation nach 1945, die geprägt war von dem Systemgegensatz zwischen freiheitlichen Demokratien und totalitären Diktaturen standen in der amerikanischen Außenpolitik andere strategische Ziele wie Sicherheit, geo-strategische Stabilität, Eindämmung des Kommunismus (containment) und wirtschaftliche Expansion in einem Spannungsverhältnis mit Demokratisierung. Selbst wenn deklaratorisch Demokratie als Wert weiter hochgehalten wurde, so war die politische Praxis von anderen Erwägungen geleitet. Dies führte zudem nicht selten zu „double standards“, indem Diktaturen nicht nur gebilligt, sondern auch unterstützt wurden, weil sie anti-kommunistisch waren oder regionale Stabilität gewährleisteten (so etwa in Zentral- oder Südamerika, ebenso im Nahen Osten). Unabhängig davon griffen jedoch amerikanische Präsidenten diskursiv immer wieder auf den Werte- und Ideenkanon von Freiheit und Demokratie zurück, um – sei es zu Recht oder Unrecht – Interventionen damit zu begründen. Demokratie bleibt damit bis heute ein relativ konstanter Deutungskern amerikanischen internationalen Engagements.

Nach dem Zweiten Weltkrieg implementierten die USA zum ersten Mal eine umfassende gesellschaftliche Transformation nach dem Einsatz militärischer Gewalt in einem Konflikt. Nach heutiger Diktion sind Deutschland, Österreich und Japan typische post- conflict nation- building-Fälle. Tatsächlich wird Unterstützung des Demokratieaufbaus nach militärischer Intervention und nation- bzw. state building oft praktisch deckungsgleich verwendet (von Hippel 2000; Dobbins et al. 2003). Damit eröffnet sich eine andere Interpretation für das amerikanische Engagement für Freiheit und Demokratie. Letztlich sei es den USA darum gegangen, zunächst im direkten Umfeld Mittelamerikas, dann später in Europa und Südostasien, loyale Staaten mit stabilen inneren Strukturen zu formen, oft als Bedingung für amerikanische Investitionen oder Militärbasen (Lake 2010, S. 259). In diesem Lichte erscheinen Missionen, bei denen democracy building und state building Hand in Hand gehen, eher von realpolitischen denn als idealistischen Motiven geleitet, zumal wenn man in Rechnung stellt, dass es oft auch darum gegangen sei, „to overthrow unfriendly regimes and reinstall a friendly one“ (Dobbins et al. 2003, S. xiv).

Von 200 militärischen Missionen, die die USA von 1900 bis 1989 unternommen hat, identifizierten Wissenschaftler des amerikanischen think tanks Carnegie Endowment for International Peace lediglich 14, bei denen state building-Versuche der USA mit Demokratieförderung verknüpft waren (Pei und Kasper 2003).Footnote 8 Es handelte sich dabei um sieben Missionen zwischen 1898 und den 1920 Jahren in Mittelamerika, um Westdeutschland und Japan nach 1945, um die Dominikanische Republik, Vietnam und Kambodscha (in den 1960er- und 1970er-Jahren) sowie schließlich in den 1980er-Jahren Grenada und Panama. Betrachtet man diese Fälle nun danach, inwieweit die Missionen erfolgreich waren im Sinne einer nachhaltigen Etablierung von demokratischen Regimen, dann reduziert sich die Zahl auf vier Fälle, nämlich Deutschland und Japan, Grenada und Panama.Footnote 9

Auf die in 3 vorgeschlagenen Untersuchungsebenen Strategie, Methode, Maßnahmen angewandt, lässt sich zusammenfassend sagen: Die Motive der Demokratieförderung der USA lassen sich nicht eindeutig als idealistisch einordnen und zudem wurden sie nicht konsistent in strategische Linien umgesetzt. Demokratieförderung befand sich oft auch in Konkurrenz mit anderen außenpolitischen Zielen, blieb gleichwohl immer eine wichtige Antriebsfeder und im amerikanischen Diskurs präsent (Carothers 1999, S. 5). Was ist die Methode angeht, so ergeben sich erhebliche Zweifel an dem hard power-Ansatz, den die USA im 20. Jahrhundert verfolgte. Wenngleich der deutsche und japanische Fall als erfolgreiches Modell hohe Beweiskraft besitzt, so weist die Gesamtbilanz amerikanischer Missionen mit gekoppeltem state building und Demokratieaufbau doch einige Schatten auf. Jenseits dieser bisher skizzierten amerikanischen Demokratisierungspolitik qua Intervention entwickelten die USA gleichermaßen ein äußerst intensives Engagement ziviler Demokratieförderung. Neben dem begrenzten Erfolg der militärischen Missionen lassen sich allerdings auch Kritikpunkte an der zivilen Strategie, Methode und dem Instrumentarium zusammentragen. Im Hinblick auf die strategische Ebene wird vielfach auf die relativ schmale Demokratiedefinition hingewiesen, die in dem Verständnis der amerikanischen Administration eine gewisse Tradition hat und bei dem Demokratie in einem engen Sinne mit formalen Verfahren, insbesondere mit Wahlen, gleichgesetzt wird (Whitehead 1986, S. 45). Dieses Demokratieverständnis hat Folgen für die Wahl des konkreten Instrumentariums. So ergab sich aus dieser prozeduralen Sicht auf Demokratie eine starke Fokussierung von Wahlen (z. B. Wahlbeobachtung). Selbst für die 1980er-Jahre und frühen 1990er-Jahre stellt Carothers fest, dass die Demokratieförderung der USA auf Wahlen und top- down-Programme abstellte (Carothers 1999, S. 89). Damit verband sich zudem die Vorstellung, dass das Abhalten der Wahlen der Ausgangspunkt eines dann linear ablaufenden Prozesses bis zur Konsolidierung darstellen würde (Carothers 1999, S. 333; Carothers 2002, S. 169 f.). Prominent wurde das von Fareed Zakaria beklagt, der an die Adresse der amerikanischen Akteure formulierte, es sei einfach, einem Land freie Wahlen aufzuerlegen; wirkliche Liberalisierung und Demokratisierung aber seien ein gradueller und langfristiger Prozess, bei dem Wahlen nur ein Schritt darstellten (Zakaria 1997, S. 40). Weitere Elemente des amerikanischen Ansatzes bestanden darin, das eigene Demokratiemodell – bewusst oder unbewusst – als Schablone zu verwenden und insofern davon auszugehen, dass die Zielländer diese institutionelle Struktur zu reproduzieren (Carothers 1999, S. 333). Dabei werden die Demokratisierungsländer dazu gedrängt, politische Elemente zu übernehmen, die spezifisch für das amerikanische Modell sind, was zugleich bedeutet, dass die im Lande vorzufindenden Kontexte und Machtstrukturen nicht berücksichtigt werden oder versucht wird, diese zu ändern (Carothers 2000, S. 194 ff.).

Als Zwischenfazit lässt sich sagen: Die amerikanische Außenpolitik im 20. Jahrhundert beinhaltete als wichtiges Element die Verbreitung und Förderung von Demokratie, für die paradigmatisch der Begriff des „Demokratieexports“ steht; sowohl im Hinblick auf das Spezifikum militärischer Interventionen mit dem Ziel des Regimewechsels bzw. state building mit dem Versuch des Demokratieaufbaus als auch für die zivile democracy assistance, bei der maßgeblich das amerikanische Modell als Vorbild fungierte.

3.2 Die Entwicklung ab 1989: Aufwind und Gegenwind für Demokratisierung

Mit dem Ende des Ost-West-Konfliktes erfuhren Demokratie als Idee und Herrschaftsform einen globalen Aufwind. Die Ablösung der sozialistischen Systeme ab 1989 hatte eine geradezu euphorische Stimmung hervorgebracht, die nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion zusätzlich befeuert wurde von der Hoffnung einer nun potenziell weltweiten Verbreitung von Demokratie. Diese Idee besaß eine Chance auf Verwirklichung, die sich zu keinem Zeitpunkt im 20. Jahrhundert so realistisch dargestellt hatte. Der Systemwettlauf schien beendet, und für viele Länder war der Weg zur Installierung von demokratischen Systemen freigeworden. Von 1989 bis 2006, dem Zenit der Demokratisierungswelle, erweiterte sich der Kreis der demokratischen Staaten um zehn Prozent.Footnote 10 Demokratie erfuhr einen enormen Bedeutungszuwachs, und zwar sowohl als Idee oder normatives Programm als auch als konkrete Herrschaftsform. Demokratie wurde zu einem „global cultural script“ (Risse 2009).

Dieser Aufwind lässt sich an drei Entwicklungen ablesen (Kneuer 2013): Erstens vollzogen maßgebliche westliche Akteure in ihrer Außenpolitik einer strategischen Neuorientierung, im Zuge derer Demokratieförderung einen höheren Stellenwert zugewiesen bekam. Das galt zuvorderst für die verblieben Weltmacht USA, in ähnlichem Maße aber auch für die EU und für Großbritannien, das zusammen mit den USA der Hauptträger militärischer Missionen nach 1989 wurde. Zweitens setzte ein Prozess der internationalen Normbildung ein, die die globale Bedeutung von Demokratie und Demokratieförderung spiegelte. Und drittens schließlich wurden die Demokratisierungen der post-kommunistischen Staaten begleitet von vielfältigen unterstützenden Aktivitäten staatlicher und nicht-staatlicher Akteure.

Diese drei Entwicklungen wurden unterfüttert von einer wissenschaftlichen Debatte, die das verstärkte Interesse der Internationalen Beziehungen an dem Thema Demokratisierung unter dem Aspekt Demokratieförderung deutlich machte: die democratic peace-Theorie, die nach dem Kalten Krieg intensiv rezipiert wurde – gerade auch von den politischen Akteuren. Diese Theorie stellte auf der Grundlage von Kants Schrift „Zum ewigen Frieden“ die These auf, dass demokratische Staaten gegenüber Demokratien friedliebender seien, da die hohen Kriegskosten schwieriger vor der Bevölkerung zu rechtfertigen seien, diese Rechtfertigung aber wesentlich sei für eine Wiederwahl.Footnote 11 Diese These fand allgemein Eingang in die Wissenschaftsgemeinschaft unter dem Diktum „democracies don’t fight each other“. Eine Verbreitung der demokratischen Herrschaftsform konnte so als Fundament einer neuen, friedlichen Weltordnung interpretiert werden. Auf eine kurze Formel gebracht: Die Förderung von Demokratie erhöhe die Aussichten auf internationalen Frieden erheblich.Footnote 12

Aus einer zunächst rein akademischen Debatte wurde diese These durch den Nationalen Sicherheitsberater von Präsident Bill Clinton, Anthony Lake, in die Praxis transportiert und zur Grundlage der Clinton’schen Außenpolitik. Tatsächlich läutete Präsident Clinton mit seiner enlargement-Doktrin einen Paradigmenwechsel ein, indem er der US-amerikanischen Außenpolitik eine neue Mission gab. In dieser Doktrin wurde die Förderung der weltweiten Demokratie zusammen mit der Erhöhung der eigenen nationalen Sicherheit, der Stärkung des eigenen wirtschaftlichen Wohlstands als miteinander verknüpfte Ziele konstatiert.

Secure nations are more likely to support free trade and maintain democratic structures. Free market nations with growing economies and strong and open trade ties are more likely to feel secure and to work toward freedom. And democratic states are less likely to threaten our interests and more likely to cooperate with the United States to meet security threats and promote free trade and sustainable development. (Clinton 1996)

Demokratieförderung füllte dabei jenes „missionary gap“, das der Zusammenbruch des internationalen Kommunismus hinterlassen hatte und bekam so einen zentralen Platz in der Neuformulierung der US-amerikanischen Außenpolitik, und zwar verstanden als Instrument zur Steigerung der eigenen Sicherheit und des eigenes Wohlstands sowie als Weg, die internationale Ordnung zu gestalten (Cox et al. 2000, S. 4). Nachdem also während des Kalten Krieges handfeste Interessen (Sicherheit, Wirtschaft) einerseits und Demokratieförderung andererseits Zielkonflikte dargestellt hatten, wurde die traditionelle Dichotomie von Interessen und Idealen, von Realismus und Idealismus, für überholt erklärt (Brown 2001; Cox et al. 2000, S. 6). Das bislang eher als moralisch etikettierte Politikfeld der Demokratieförderung wurde als außenpolitisches Element in strategischem Sinne aufgewertet. Clinton nahm der Demokratieförderung ihren idealistischer Unterbau und bettete sie pragmatisch in die Formulierung nationaler Interessen ein: Dies bewirkte, dass „promotion of democracy“ seit Mitte der 1990er-Jahre in der US-amerikanischen Politik zu einer Wachstumsbranche und in der dortigen politikwissenschaftlichen Forschung zu einem Wachstumsthema wurde (Carothers 1991, 1999, 2004; Cox et al. 2000; Smith 1994, 2000).

Zudem setzte ein internationaler Normbildungsprozess ein, bei dem nicht nur die weltweite Verbreitung von Demokratie, sondern auch Demokratieförderung wachsende Akzeptanz in der internationalen Gemeinschaft erfuhr. Weder das internationale Recht noch internationale Organisationen wollten indifferent bleiben wollten gegenüber den internen Verhältnissen in einem Land (Fox und Roth 2000, S. 2). Auch die Diskurse in den in den multilateralen Foren waren – im Rückgriff auf das „democratic peace“-Theorem – von der Überzeugung geprägt, die Ausweitung von Demokratie sei verknüpft mit einem Zuwachs an Frieden und infolgedessen auch an Entwicklung und Sicherheit. So fand diese Trias von Demokratie, Friede und Entwicklung ihren Niederschlag auch in den VN. Demokratieförderung wurde Mitte der 1990er-Jahre als neues Politikfeld in das Tätigkeitsportfolio aufgenommen. Dies manifestierte sich in den drei grundlegenden Strategie-Dokumenten der VN: Agenda for Peace (1992), Agenda for Development (1994) und Agenda for Democratization (1996). So betonte etwa der damalige Generalsekretär der VN, Boutros Boutros-Ghali, in seiner Agenda for Democratization:

Today, the promotion of democracy is once again seen as a legitimate matter of concern to the international community, as one of the keys to a peaceful and stable world. The promotion of democracy is both an end in itself and part of the responsibility of the United Nations to maintain international peace and security. It should be pursued for its own sake, and also because democracy is one of the pillars on which a more peaceful, more equitable, and more secure world can be built. (Boutros-Ghali 1996, S. 3)

Die Resolution der Menschenrechtskommission der VN „Promotion of the right to democracy“ von 1999 formulierte erstmals ein „Recht auf Demokratie“ und stellte einen Merkmalskatalog auf (UNHCR 1999). Zugleich wird dort die internationale Staatengemeinschaft „gedrängt“, „Demokratie zu fördern und zu konsolidieren“ und entsprechende Aktivitäten fortzusetzen und auszuweiten.

Diese Aufwertung von Demokratie und Demokratieförderung ging einher mit einer Verschiebung zuungunsten des jahrzehntelang vorherrschenden Souveränitätsprinzips. Innerhalb der internationalen Staatengemeinschaft wurde seit den 1990er-Jahren die Einmischung in innere Angelegenheiten zum Schutz von Menschenrechten zunehmend akzeptiert. Die Idee verfestigte sich, dass Interventionen in souveränen Staaten aus humanitären Gründen oder auch zur Verteidigung von Demokratie nicht nur möglich, sondern gar obligatorisch seien. Es konturierte sich ein Handlungsfeld humanitärer oder demokratischer Interventionen, die zumeist vom VN-Sicherheitsrat mandatiert waren und insofern multilaterale Missionen mit völkerrechtlicher Legitimation darstellten, wenngleich die USA bei der tatsächlichen Umsetzung ebenso wie Art und Umfang der Maßnahmen eine zentrale Rolle spielten (Rittberger et al. 1997). Beispiele sind die Einsätze in Somalia, Haiti, Bosnien-Herzegowina. Mit dem Kosovo-Krieg begann eine kritischere Auseinandersetzung, da die fehlende Absicherung durch die VN den Angriff – trotz der angeführten humanitären Motive – zu einer völkerrechtlich nicht legitimierten Intervention machte.

Konkrete Maßnahmen von Demokratieförderung setzten, wie angedeutet, bald nach der Ablösung sozialistischer Regime in Ostmitteleuropa ein. Hier kann nicht im Detail auf das Wachstum an Akteuren und Programmen eingegangen werden. Hervorzuheben ist aber vor allem die Rolle der EU, insbesondere bei der Demokratieförderung in den post-sozialistischen Staaten, denen zugleich der Beitritt in die EU in Aussicht gestellt wurde. Die EU entwickelte bzw. verfeinerte die Methode demokratischer Konditionalität im Rahmen der Erweiterungspolitik. Auf diese Weise konnten die ostmitteleuropäischen Staaten bei ihren Demokratisierungsprozessen intensiv unterstützt und an die EU-Standards herangeführt werden. Diese Demokratisierungspolitik, die 2004 in dem Beitritt von acht post-sozialistischen Staaten gipfelte, wurde als äußerst erfolgreich bewertet.

Nach diesem mehr als Dekade umfassenden Zeitraum mit globalem Aufwind schien in den 2000er-Jahren ein Gegenwind aufzukommen. Die jüngere wissenschaftliche Debatte spiegelt eine skeptische, wenn nicht pessimistische Sicht auf die weitere Verbreitung und die Förderung von Demokratie wider (Diamond 1996; Burnell 2006; Puddington 2007, 2008, 2011). Dieser Pessimismus beruht auf mehreren Phänomenen:

Die Euphorie über eine weltweite Verbreitung von Demokratie war einer deutlich realistischeren Einschätzung gewichen, die zur Kenntnis nehmen musste, dass nicht alle demokratischen Transitionen automatisch und linear zu konsolidierten Demokratien führten. Vielmehr zeigte sich seit Ende der 1990er-Jahre, dass Demokratisierungsprozesse auch stocken konnten und dann in ZwischenformenFootnote 13 steckenblieben oder sich gar regressiv entwickelten. 1998 hatte die Dritte Demokratisierungswelle einen vorläufigen Höhepunkt erreicht und flachte dann ab. Das verleitete manchen Autor zu der Annahme einer rückläufigen Entwicklung (Diamond 1996; Puddington 2007, 2008), die sich jedoch bislang nicht bestätigte. Vielmehr kann man von einem eingefrorenen Systemwettlauf sprechen (Merkel 2010b, S. 23).

Das einschneidende Ereignis – nicht nur für die internationale Politik, sondern auch für das Politikfeld Demokratieförderung – stellt der 11. September 2001 dar, in dessen Folge der „Kampf gegen den Terrorismus“ von den USA ausgerufen wurde. Damit erfuhr die strategische Ausrichtung der amerikanischen Außenpolitik eine erneute fundamentale Wendung. Ton und Geist des interessengeleiteten Pragmatismus der Ära Clinton verschwanden. Die manichäische Falle des amerikanischen Sendungsbewusstseins war wieder besetzt, mit dem islamistischen Terror gab es einen neuen Feind, und die Rhetorik George W. Bushs stand für eine neue moralische Aufladung (Junker 2004, S. 152). Sein Ziel war: „to help to make the world not just safer but better“ (Bush 2002).

Das problematische Element Bushs außenpolitischen Strategie war die Verquickung von Demokratieförderung und dem Kampf gegen den Terrorismus, insbesondere bei der Begründung für die Intervention im Irak. Diese Verkleidung des Irak-Krieges mit Motiven der Demokratieförderung hat dazu geführt, dass nicht nur der Status der USA als Verteidiger von Demokratie und Menschenrechten unterminiert, sondern zudem die Legitimität für Demokratieförderung als solche empfindlich geschwächt wurde (Carothers 2003, 2006, 2009). Neben der Tatsache, dass der Irak-Krieg praktisch weltweit abgelehnt wurde, verband man mit ihm nicht autorisierte Militärgewalt, Rechtsverletzungen und ein hohes Niveau an Gewalt im Irak selbst. Dazu kommt, dass sich seither in vielen Ländern ein Bild von Demokratieförderung verfestigt hat, das eine Umschreibung für das Beseitigen von (für die USA) unliebsamen Regierungen verkörpert (Carothers 2008, S. 132 f.). Damit war letztlich eine Rückkehr vollzogen zur Koppelung von Sicherheitsinteressen mit dem Demokratiekonzept, die sich in den 1990er-Jahren weitgehend aufgelöst hatte. Diese neue-alte Form des Demokratieexports, wie ihn George W. Bush revitalisiert hatte, wurde außerhalb der USA oft als aggressiv, paternalistisch, neo-imperialistisch empfunden (Burnell und Schlumberger 2010, S. 2) und löste vielerorts nicht nur Skepsis gegenüber dem Ziel der weltweiten Verbreitung von Demokratie aus, sondern lieferte zudem Ländern wie Russland eine gute Argumentationsgrundlage dafür, demokratiefördernde Maßnahmen im eigenen Land aktiv zu verhindern (Gershman und Allen 2006; Carothers 2006; McFaul 2010; Burnell 2006, 2011).

Es mag daher nicht verwundern, dass die Stimmung in der Demokratieförderbranche, insbesondere in den USA, in den letzten Jahren weniger zuversichtlich geworden ist, war es doch diese eben beschriebene Außenpolitik Bushs, die zu einer wieder sinkenden Akzeptanz und wachsenden Abwehr gegenüber Demokratieförderung in etlichen Ländern geführt hat. Des Weiteren trug zu der deutlich verhalteneren Einstellung – und zwar auf der Seite der Demokratieförderer wie der Adressatenstaaten – bei, dass die sehr ambitiösen Ziele interventionistischer Missionen wie in Afghanistan und Irak als ambivalent einzustufen sind. Die Bereitschaft der Staatengemeinschaft für militärische Interventionen hatte sich ab Mitte/Ende der 2000er-Jahre erkennbar reduziert. Die Befürchtungen, wieder langfristig in einem militärischen bzw. peace building-Einsatz gebunden zu werden, spielte dabei eine gewichtige Rolle.

Bedeutsam aber für den Stimmungswechsel war gleichermaßen der wachsende, praktische Widerstand gegen Demokratieförderung. Die autoritären Regime sind seit den 2000er-Jahren selbstbewusster geworden und betreiben eine ebensolch forsch-aggressive Außenpolitik, die in ihr regionales Umfeld hineinwirkt (McFaul 2010; Kneuer und Demmelhuber 2015). Dieses neue Selbstbewusstsein fußte zum einen auf dem Erfolg des aufkommenden Modells der kapitalistischen Autokratie (siehe Russland, China, Singapur, Vietnam etc.). Zudem aber begannen sich große Mächte wie Russland und China zunehmend gegen demokratiefördernde Maßnahmen von außen zu wehren. Diese Offensive gegen Demokratisierung und gegen internationale Demokratieförderung zeigte Russland erstmals sehr deutlich während der Farben-Revolutionen in Georgien und der Ukraine. Die Palette an Repressionsmaßnahmen gegenüber NGOs reicht von Restriktionen wie Beenden von Mietverträgen, Verschärfung der Gesetze für NGOs bis hin zur Bedrohung oder dem Landesverweis (Gershman und Allen 2006). Inzwischen haben die Aktivitäten bestimmter Autokratien eine weitere Stufe erreicht: Neben der Abwehr von Demokratieförderung unternehmen Autokratien längst auch aktive Autokratieförderung (Burnell und Schlumberger 2010; Burnell 2011; Jackson 2010; McFaul und Spector 2010).

Nicht unerwartet stufte Barack Obama das Thema Demokratieförderung nach Amtsantritt zurück. Insgesamt wird die Demokratiepolitik Obamas kritisch bewertet; sie habe nicht dazu beigetragen, die Demokratiepolitik der USA aus ihrem Glaubwürdigkeitstief zu hieven. Thomas Carothers bilanziert, dass Demokratieförderung in keinem der Bereiche, denen Obama Aufmerksamkeit widmete, eine zentrale Rolle spielte (Carothers 2012, S. 43). Kritisiert wird vor allem, dass Obama keine langfristige Strategie der Demokratiepolitik entwarf; seine Politik präsentierte sich nicht als ein Paket, sondern als „lose Sammlung von Initiativen“ (Carothers 2012, S. 23). Obamas Reaktion auf den arabischen Frühling belegte zudem, dass Sicherheit und wirtschaftliche Faktoren ganz offensichtlich die dominante Rolle spielten (siehe etwa gegenüber Saudi-Arabien, Jordanien und Marroko) (Carothers 2012, S. 33).

Die EU weitete ihre Strategie der Demokratieförderung aus, wobei Demokratisierung und Stabilisierung unverändert verknüpft wurden. Nachdem die „klassische“ Methode der Demokratisierung qua Erweiterung nach der ersten Osterweiterung 2004 an die Grenzen geraten war, entwarf die EU die Strategie einer Nachbarschaftspolitik (2004) gegenüber den Nachbarregionen im Süden (Mittelmeeranrainer) und im Osten (Kaukasus, Moldova, Weißrussland, Ukraine, ab 2007: Zentralasien). Struktur und Instrumente waren dem Erweiterungsprozess entlehnt, ohne jedoch den Anreiz einer Mitgliedschaft zu bieten. Die EU verfolgt dabei weiterhin die Strategie, Werteexport mit der Förderung von Sicherheit und Stabilität zu verbinden (Europäische Kommission 2004, S. 5; Europäische Kommission 2007, S. 3) und führt ihren zivilen, dialogorientierten und auf Wandel angelegten Ansatz weiter. Hierbei profitierte sie zweifelsohne von den Erfahrungen der Erweiterungspolitik, findet allerdings in der oft fehlenden Demokratiebereitschaft einiger Staaten auch ihre Grenzen (Bendiek 2008). Die Konditionalitätspolitik entfaltet außerhalb der EU nicht die gleiche Effektivität wie im Rahmen der Erweiterungspolitik: Sowohl das Einfluss- und Steuerungspotenzial als auch die Attraktivität für die Partner sind deutlich niedriger, da der wesentliche Hebel, nämlich die Beitrittsperspektive, fehlt. Die Bilanz ihrer Demokratiepolitik in den Nachbarschaftsregionen bleibt somit weit hinter den Erfolgen in Ostmitteleuropa zurück. Auch im Kontext des arabischen Frühlings musste die EU sich selbst eingestehen, dass die Unterstützung politischer Reformprozesse in den Nachbarstaaten nur begrenzte Ergebnisse gezeitigt hatte (High Representative of the EU 2011, S. 1).

Insgesamt gesehen konnte weder der Machtwechsel an der US-amerikanischen Regierung von Bush zu Obama noch die Umbrüche in einigen Ländern der arabischen Welt den Gegenwind der Demokratieförderung entkräften, einen positiven Trend oder gar eine neue Welle der Demokratisierung auslösen. Präsident Obama hat sich zwar von dem Unilateralismus Bushs distanziert und eher multilaterale Pfade eingeschlagen – dennoch kamen von den USA keine wichtigen Impulse, um Standards der Demokratieförderung zu verstärken. Die Protestbewegung in Tunesien löste 2011 eine Art Dominoeffekt in Ägypten, Jemen, Bahrein, Libyen und Syrien aus, andere Länder wie Marokko und Jordanien versuchten jedoch, mit Liberalisierungsschritten Ähnliches zu verhindern. Des Weiteren führten die Versuche des demokratischen Regimewechsels in Libyen zu instabilen Verhältnissen, in Syrien gar zum Bürgerkrieg. Lediglich in Tunesien gelang eine demokratische Transition. Eine ähnliche Welle an externer Unterstützungseuphorie wie nach 1989 manifestierte sich bei den westlichen Staaten aber nicht. So regierten die maßgeblichen Akteure – etwa USA und EU – eher halbherzig. Die Hilfe gegenüber den Ländern des arabischen Frühlings war gering, wenn man sie mit der in Osteuropa nach 1989 vergleicht (zu den USA: Carothers 2012, S. 12 f., 33).

4 Fazit: Perspektiven der Demokratieförderung

Welche Bilanz lässt sich angesichts dieser Zyklen von Auf- und Gegenwind ziehen? Demokratisierung bleibt anerkannt, dennoch lässt sich beobachten, dass die politische Handlungsebene in den letzten Jahren einer veränderten Logik folgt. Dabei spielt das revitalisierte geostrategische Sicherheits- und Stabilitätsdenken eine Rolle. Vieles spricht für eine Situation der Entkoppelung,Footnote 14 bei dem die Norm der Demokratie als Weltkultur zwar anerkannt ist, aber nicht vollständig umgesetzt; der öffentliche Diskurs der Normbildung zwar weitergeführt wird, aber die Handlungen der Entscheidungsträger diesem Diskurs nicht durchgehend entsprechen. Derweil antagonisieren autokratische Regime das „global script“ Demokratie oder deuten den Demokratiebegriff sogar um. Insofern lautet die Bilanz, dass die normative Strahlkraft von Demokratie unverändert wirkt, begünstigende Faktoren für Demokratisierungen aus dem internationalen Umfeld zurzeit allerdings nur schwach vorhanden sind.

Der Blick auf die Demokratieförderung seit dem 20. Jahrhundert hat verdeutlicht, dass es Konjunkturen gibt, die entweder ein günstiges oder ungünstiges Umfeld für Demokratisierung schaffen und dass diese Konjunkturen sich – je nachdem – förderlich oder hemmend auf die Demokratieförderung auswirken. Welche praktischen Schlussfolgerungen lassen sich daraus ableiten, und welche Perspektiven ergeben sich aus der bisher dargelegten Entwicklung? Zurzeit ist das Klima für Demokratisierung und Demokratieförderung weiterhin ungünstig. Selbst der neue Schub an Demokratisierungswillen – zumal in der lange resistenten Region Nordafrikas und des Nahen Osten – konnte nicht zu einem neuen Impetus der Demokratieförderung führen. Die Umbrüche in der arabischen Welt hellten die verdüsterte Stimmung zuungunsten der Demokratie nur kurzzeitig auf. Die Fälle Libyen, Syrien und Ukraine halten drei Lektionen bereit, die die Demokratieförderer zur Kenntnis nehmen müssen: Zum einen belegen sie eindeutig, dass Demokratie unvermindert eine immense Strahlkraft für Bürger besitzt und für deren Durchsetzung sie bereit sind zu kämpfen. Zweitens, zeigt sich aber zugleich, wie sehr sich autokratische Regime zunehmend bedroht fühlen von demokratischen Bewegungen im eigenen Land oder in ihrer regionalen Umgebung. Und drittens schließlich sehen sich Demokratiebewegungen ebenso wie externe Akteure damit konfrontiert, dass das Aufbegehren für demokratische Verhältnisse nicht in demokratische Übergänge, sondern zu interner Instabilität und fortdauernden Konflikten oder im schlimmsten Falle zu Bürgerkrieg führen kann.

Geht man nun von der unbestrittenen Annahme aus, dass neue (und gelungene) demokratische Transitionen neue Gelegenheitsstrukturen für Demokratieförderung schaffen, müssten Prognosen für die weitere Entwicklung somit düster bleiben. Nach Burnell aber sollte Demokratieförderung auch als unabhängige Variable betrachtet werden, wonach eine sich verschlechternde Stimmung in der Demokratieförderbranche, vor allem das abnehmende Vertrauen in ihre Möglichkeiten, sich als potenziell nachteilig für Demokratisierungen auswirken könnte (Burnell und Schlumberger 2010, S. 15). Wenn man diesen Mechanismus der gegenseitigen Verstärkung annimmt, ergibt sich eine anti-zyklische Handlungsempfehlung an die Demokratieförderer. Wenn sich die normative Kraftentfaltung abschwächt, hätte Demokratieförderung quasi antizyklisch vorzugehen, statt sich in die Defensive zu begeben; so auch Carothers‘ Appell „Stepping back from Democratic Pessimism“ (2009). Das heißt, erhöhen sich die Hürden für Demokratisierung, müsste die externe Unterstützung für Demokratisierung umso klarer formuliert und aktiver gestaltet werden.