Nachdenkliches und Erfreuliches: Menschenwürde für Flüchtende

Montag, 13. Mai 2024

Menschenwürde für Flüchtende

Ein Zitat

Stürmische Brandung an der türkischen Mittelmeerküste.
Foto © Jörg Niederer

"'Liebe ist des Gesetzes Erfüllung, das Ziel der Unterweisung.' Grossartiges wird über die Liebe gesagt: Sie ist das Wesen, der Geist, das Leben aller Tugend. Sie ist nicht nur das erste und grosse Gebot, sondern sie ist alle Gebote in einem. 'Was gerecht ist, was rein ist, was liebenswert oder ehrenwert ist; sei es eine Tugend oder ein Lob,' das alles ist eingefasst in dieses eine Wort — Liebe."
John Wesley in der Lehrpredigt "Die Beschneidung des Herzens"

Ein Bibelvers - 1. Mose 12,10

"Im Land Kanaan brach eine Hungersnot aus. Da zog Abram nach Ägypten, um sich dort als Fremder niederzulassen. Denn die Hungersnot lastete schwer auf dem Land."

Eine Anregung

Gestern habe ich den Bericht von einem Mann gesehen, der sich bei der Bewältigung von Krisen ausgezeichnet hat, insbesondere bei der Rettung von Flüchtenden über das Mittelmeer. Dieser Mann beschrieb, wie er sich vor der Möglichkeit fürchtete, Menschen, etwa Kindern zu begegnen, die vor seinen Augen ertrinken, ohne dass er würde helfen können. Da habe ich mir gedacht, ich lese einmal, was die neuen Sozialen Grundsätze über den Umgang mit Flüchtenden sagen. Sie wurden an der diesjährigen Generalkonferenz der Evangelisch-methodistischen Kirche in Charlotte angenommenen.

Die vorläufige deutschsprachige Übersetzung der Sozialen Grundsätze hilft zwar beim Verstehen des englischen Originals, hat aber diverse sprachliche und orthografische Mängel. Diese versuche ich im von mir wiedergegebenen Text zu korrigieren. Es handelt sich also nicht um eine von den deutschsprachigen Zentralkonferenzen autorisierte Version.


Grundrechte und Freiheiten

G. Migranten, Immigranten und Flüchtlinge

Wir bekräftigen die Würde, den Wert und die Rechte von Migranten, Immigranten und Flüchtlingen, einschließlich vertriebener und staatenloser Menschen. Wir stellen fest, dass die Welt heute mit einer noch nie dagewesenen Krise hinsichtlich der Vertreibung einer sehr grossen Zahl von Menschen konfrontiert ist. Die Gründe sind fortwährende Kriege und weiterer Feindseligkeiten, ausländische Interventionen, weitverbreitete Hungersnöte, die globale Erwärmung und der Klimawandel sowie das Versagen von Nationalstaaten, ihre Bevölkerung ausreichend zu schützen und für sie zu sorgen.

Wir sind uns bewusst, dass vertriebene Menschen besonders gefährdet sind, da ihnen ihr Übergangsstatus oft nur wenig Schutz und Vorteil bietet und sie so Ausbeutung, Gewalt und Misshandlungen ausgesetzt sind. Wir fordern Methodistinnen und Methodisten auf, Flüchtlinge, Migranten und Immigranten in ihren Gemeinden willkommen zu heißen und sich zu verpflichten, ihnen konkrete Unterstützung anzubieten, einschließlich der Hilfestellung bei der Bewältigung restriktiver und oft langwieriger Immigrationsverfahren, sowie ihnen beizustehen bei der Sicherstellung der Lebensmittelversorgung, Unterkunft, Ausbildung, Arbeit und mit weiteren Formen der Unterstützung. 

Wir lehnen alle Gesetze und Massnahmen ab, die versuchen, vertriebene Menschen und Familien aufgrund ihres Status als Migranten, Immigranten und Flüchtlinge zu kriminalisieren, zu entmenschlichen oder zu bestrafen. Darüber hinaus verurteilen wir Versuche, vertriebene Menschen zu inhaftieren und sie unter unmenschlichen und unhygienischen Bedingungen festzuhalten. Wir wenden uns gegen Richtlinien, welche Familien auseinanderreissen, besonders indem Eltern von ihren minderjährigen Kindern getrennt werden, und wir lehnen profitorientierte Gefangenenlager für solche Zwecke ab.


Wer sich für Flüchtlinge einsetzen möchte, kann in St. Gallen und anderen Städten zum Beispiel an der Aktion "Beim Namen nennen" mitwirken. Sie findet vom 8. bis 9. Juni statt. Dabei wird an all die Menschen erinnert, denen auf der Flucht über das Meer das Leben genommen wurde. Weiter kann auch eine Petition an den Bundesrat unterschrieben werden. Ein Übersichtsflyer steht auch zur Verfügung. 

Übrigens: Die Sozialen Grundsätze sind in keiner Weise rechtlich verbindlich, sondern als Anleitung zu einer im Glauben an Christus begründeten Lebensführung zu verstehen. Ihre Geschichte begann vor mehr als 100 Jahren mit dem ersten Sozialen Bekenntnis, das durch die Bischöfliche Methodistenkirche formuliert wurde.

Jörg Niederer ist Pfarrer in der Evangelisch-methodistischen Kirche St. Gallen-Teufen

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