Getanzter Jazz als Fest der Sinne
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Improvisierter Jazz als Tanz-Motor: Mikino Karube und Klarinettist Maurycy Hartman bei der Premiere im Probenzentrum Aigen. (Foto: Tobias Witzgall/Landestheater)

Getanzter Jazz als Fest der Sinne

Musik und Tanz – die beiden gehören zusammen. Zwei Künste, die, in interdisziplinärer Verquickung, unsere Assoziationsfähigkeit im Synergieeffekt pushen, die ohne Worte auskommen und gerade deshalb so tief auf unsere Seelenhaut treffen.


Der Ballettdirektor des Salzburger Landestheaters, Reginaldo Oliveira, lud die Choreografen Andreas Heise und Filipe Portugal ein, im Probenzentrum Aigen einen Tanzabend der besonderen Art zu gestalten. Die beiden erfolgreichen Choreografen näherten sich den vielfältigen Facetten und Rhythmen des Jazz an und schickten ihre Tänzerinnen und Tänzer in dem zweiteiligen Abend auf eine spannende Entdeckungsreise. Dem Publikum war unter dem Motto »How about Jazz?« ein außergewöhnliches, zeitgenössisches Ballett-Spektakel geboten.

Teils im klassischen, teils im modernen Bewegungsrepertoire überzeugten beide Werke mit Extravaganz – die profunde Hinwendung zum Wunderding Jazz suchten und fanden beide Choreografen in erfrischend variationsreichen Erzählarten – eine Uraufführung, die mit frenetischem Applaus gefeiert wurde. »How about Jazz?« meint auf Deutsch »Wie wär’s mit Jazz?« Auf die Frage, was die Essenz des Jazz sei, gäbe es ebenso endlos viele Antworten wie auf die Frage, was den Tanz ausmacht. Eine unerschöpflich kreative Spielwiese also. Andreas Heise fokussierte in seiner Choreografie die Improvisation und somit zugleich auch die Innovation.

Huldigung von drei Jazzsängerinnen

»Reach for Tomorrow« besteht aus drei Teilen – »Solange«, »Jessye« und »Ella«. Sie huldigt drei populären, in ihrer Musikkunst ganz unterschiedlichen Jazzsängerinnen – Solange Piaget Knowles, Jessye Norman und Ella Fitzgerald, deren Gesang musikalische Grundlage für assoziative (Tanz-)Geschichten bieten. Gerade weil sie keine bestimmte Handlung vorgeben, lassen sie Raum zum Weiterdenken und Fantasieren, wenn auch der fremdsprachlich begabte Zuhörer aus den Liedtexten so manche Brücke zur getanzten Handlung ziehen kann. Es bilden sich Paare, die sich wieder trennen, es ist ein Fallenlassen und Aufgefangenwerden, ein Anziehen und wieder Abstoßen – eine Ménage-à-trois entspinnt Spannung, die sich aber harmonisch auflöst: Irgendwie herrscht Frieden, obschon so manch‘ zwischenmenschlicher Störmoment offenbar wird.

Die drei Teile verbindet ein Klarinettist – Maurycy Hartman – auf geniale Weise: Kraft seines improvisatorischen Spiels treibt er wie ein Zauberer oder »Beschwörer« einzelne Tänzer, die an Rhythmus und Ausdruck seines Spiels angepasst sind, über die Bühne. Spontanität, kreative An- und Einpassung zur Musik – eine höchst ereignisreiche Challenge, welche die Tänzer grandios expressiv zu lösen imstande sind.

Musik von Johann Sebastian Bach als Grundlage

»Midsummer Night’s Jazz«, der Titel der zweiten Uraufführung, hielt nicht weniger spektakuläre Tanz- und Musiksensationen bereit: Choreograf Filipe Portugal wendet sich dem Jazz auf wieder andere perspektivische Weise zu. Seine musikalische Grundlage ist Bach – Form und Improvisation – und dessen Prinzip der Variation, von der sich bekanntlich zahlreiche Jazzmusiker zu großartigen Bearbeitungen haben inspirieren lassen. Hier schlägt Portugal eine Brücke zum Tanz. Bis auf eine Ausnahme tanzte das Ensemble zu instrumentaler Jazzmusik, und zwar ganz unterschiedlicher Jazzstile. Da entstanden immer wieder neue Bilder und Überraschungsmomente, aus einem unbeleuchteten Bühnenraum taucht plötzlich eine rhythmisierte »Wolke« Tanzender auf und führt in immer neue Themen, teils auch in konkreter Handlung: Eine Jazz-Jamsession findet in einem Tanzwettbewerb ihre Parallelwelt – ein Vortanzen, das Tänzerinnen und Tänzern eine willkommene Chance bietet, ihre solistischen Qualitäten auszuleben.

Wandelbares Bühnenbild

Musik wird im Tanz körperlich sichtbar und somit für das Publikum zum Multiplikator variationsreicher Sinneseindrücke. Ein wahres Fest der Sinne also war der gesamte Abend, zu dessen Gelingen auch das wandelbare Bühnenbild von Sascha Thomsen beigetragen hat. Rechteckige, kreisförmig perforierte Säulen – von innen beleuchtet – wurden von den Tänzern innerhalb der Choreografien selbst zu Bühnenbildelementen umgebaut. Mal dienten sie als Bar, mal als Sitzgelegenheit. Der Einsatz von ausgeklügelter Beleuchtungstechnik schaffte Verstärkung der jeweiligen Atmosphäre – alles in allem, ganz großes (Tanz-)Theater, das man sich nicht entgehen lassen sollte: Jubelnder Applaus.

Kirsten Benekam

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