Jung zu neuem CDU-Programm
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Interview

CDU-Vize Jung kritisiert Ampel: Will Öko-Heizungen, erntet Ölheizungen

Berlin / Lesedauer: 7 min

Andreas Jung ist Vorsitzender der CDU-Landesgruppe Baden-Württemberg und vertritt den Wahlkreis Konstanz im Bundestag. Im Interview erklärt er den Kurs der CDU.
Veröffentlicht:09.05.2024, 16:43

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Bei ihrem Parteitag hat die CDU ein neues Grundsatzprogramm beschlossen - und die letzte Phase des Wahlkampfes für die Europawahlen eingeläutet. Andreas Jung, der als stellvertretender Parteivorsitzender bestätigt wurde, erklärt im Interview den Kurs seiner Partei. Es gehe „nach vorne“ und „nicht zurück“.

Herr Jung, ist die CDU heute eine andere Partei als vor der Verabschiedung des Grundsatzprogramms. Und wenn ja, inwiefern?

Wir haben uns nicht über Nacht verwandelt. Als CDU haben wir seit unserer Gründung die gleichen Werte - und die bleiben. Aber die Zeiten ändern sich. Darum geht es im Grundsatzprogramm: Was sind auf Basis unseres C die Antworten für morgen.

Das neue Grundsatzprogramm wurde vielfach als Abschied von der Ära Merkel bezeichnet. Gilt das auch für die Atomkraft? Haben Sie jetzt eine Rückkehr zur Kernkraft beschlossen oder nicht?

Wir haben keine Rückkehr beschlossen. Ein Antrag für Neubau von Kernkraftwerken wurde ausdrücklich abgelehnt. Um bis 2045 klimaneutral zu werden, setzen wir voll auf Energieeffizienz, erneuerbare Energien, Wasserstoff und CO2-Kreisläufe. Alles heute schon verfügbare Technologien. Daneben sind wir offen für Forschung. Das gilt namentlich für die Kernfusion, aber auch für Kernkraftwerke der vierten und fünften Generation. Die gibt es noch nirgends. Forscher arbeiten dort daran, die Risiken der Kernkraft drastisch zu reduzieren und Atommüll zu vermeiden. Wir wissen nicht, wie in zehn oder 15 Jahren der Stand ist. Deshalb schlagen wir jetzt keine Türen zu.

CSU-Chef Markus Söder befürwortet eine Rückkehr zur Atomenergie. Hat die Union in dieser Frage einen Dissens?

Wir haben jetzt das Grundsatzprogramm der CDU beschlossen. Damit haben wir klar formuliert, wofür wir stehen - und das ist nun unsere Basis für alle weiteren Debatten. Mit der CSU haben wir insgesamt ein hohes Maß an Gemeinsamkeit.

Sie wollen Klimaneutralität durch Marktwirtschaft erreichen. Kann das gelingen?

Wir sehen es als unsere Verantwortung, Klimaschutz so zu machen, dass wir es gemeinsam mit einer starken Wirtschaft und den Menschen hinbekommen. Nur dann gibt es dafür Akzeptanz. Wenn sie schwindet, scheitert der Klimaschutz. Wir brauchen Innovationen und einen marktwirtschaftlichen Rahmen, der die Industrie zu Investitionen motiviert und nicht zum Abwandern. Mit CO2-Bepreisung im Emissionshandel erreichen wir effizient die Klimaziele. Darauf setzen wir statt auf kleinteilige Regulierung.

Damit waren Sie in Ihrer letzten Regierungszeit aber nicht hundertprozentig erfolgreich.

Wir haben viel erreicht, aber nicht 100 Prozent. Gerade deshalb muss man sehen, was erfolgreich war und darauf aufbauen. Wo wir den Emissionshandel schon hatten, in der Industrie, bei den Kohle- und Gaskraftwerken, ist uns eine Punktlandung geglückt. Das zeigt doch klar, welcher Weg zur Klimaneutralität führt. Die Ampel ist dagegen auf dem Holzweg.

Andreas Jung. 
Andreas Jung.  (Foto: Hannes P Albert/dpa)

Sie will Ökoheizungen und erntet Ölheizungen. Sie will Elektroautos und macht sie mit der Nacht-und-Nebel-Abschaffung der Umweltprämie zum Ladenhüter. Dem setzen wir auch in der Klimapolitik einen neuen, ganzheitlichen Ansatz entgegen. Der Kernsatz in unserem Programm dazu: Bei einem Prozent der Weltbevölkerung und zwei Prozent des globalen CO2-Ausstoßes wollen wir zu 20 Prozent Teil der Lösung sein - mit Technologien für die Welt. Mit diesem Geist und dieser Zuversicht wollen wir da ran gehen.

Bei Ihrem Parteitag wurde auch eine schrittweise Rückkehr zur Wehrpflicht beschlossen. Hat es Sie überrascht, dass aus der Jungen Union, deren Mitglieder ja letztlich davon betroffen sein könnten, diese Forderung kam?

Nein. Bei Schulbesuchen erlebe ich regelmäßig, dass sich die Ansichten der Jugendlichen verändert haben. Dort wird über die Wehrpflicht genauso diskutiert wie auf unserem Parteitag. Die Aussetzung der Wehrpflicht wollen wir ja integrieren in ein verbindliches Gesellschaftsjahr. Das heißt, man soll dann selbst wählen können, ob man in der Bundeswehr oder in einem anderen gesellschaftlichen Bereich seinen Beitrag leistet. Also auch hier: Nicht zurück, nach vorne!

Junge CDU-Mitglieder wirken zum Teil wie die konservativen Treiber der Partei. Hat Ihre Partei das Bedürfnis nach klaren Positionierungen in den vergangenen Jahren vernachlässigt?

Die CDU war immer liberal, sozial und konservativ - auf der Basis unserer christlichen Werte. In 16 Jahren Regierung stand oft Tagespolitik im Fokus - und es mussten natürlich viele Kompromisse mit den jeweiligen Partnern gemacht werden. Deshalb war es jetzt umso wichtiger, dass wir uns so intensiv mit unseren Grundsätzen befasst haben. So beschreiben wir jetzt, was uns als CDU ausmacht. Mit klaren Positionen.

Fast auf den Tag vor 79 Jahren ging der Zweite Weltkrieg zu Ende. Sie sind eng mit Frankreich verbunden. Wie würden Sie das derzeitige deutsch-französische Verhältnis beschreiben?

Der deutsch-französische Motor stottert. Gerade in einer Zeit, in der unsere Partnerschaft angesichts der Kriege und Krisen gefragt wäre, wird zu oft gegeneinander gearbeitet statt miteinander. Das beschwert mich, gerade weil mir Frankreich so am Herzen liegt.

Was würden Sie tun, wenn Ihre Partei in der Regierungsverantwortung wäre, um das zu ändern?

Zunächst einmal: Es gibt immer auch Meinungsunterschiede. Das ist seit Adenauer und de Gaulle normal. Aber wir hätten den unbedingten Willen, mit Frankreich gemeinsam zu Lösungen zu kommen. Es darf nie wieder vorkommen, dass ein deutscher Bundeskanzler und ein französischer Präsident auf europäischen Gipfeln als Klassensprecher konkurrierender Gruppen von Mitgliedsstaaten auftreten, um sich dort gegenseitig zu überstimmen. Das zerschlagene Porzellan wieder zu kitten, wird schwierig. Da muss erst einmal neues Vertrauen wachsen. Das wäre unsere erste Aufgabe: Ein unbedingtes Bekenntnis zu engster Partnerschaft.

Auch in Ihrem neuen Grundsatzprogramm bekennen Sie sich zu Europa, allerdings mit dem Zusatz, dass Sie mehr Europa dort wollen, wo Europa einen „konkreten Mehrwert“ schafft. Das klingt ein wenig nach angezogener Handbremse.

Nein. Das klingt nach Subsidiarität. Es gibt keinen Zweifel: Wir brauchen in den großen Fragen mehr Europa, dafür stehen wir. Wir sind die Europapartei. Das haben wir sehr deutlich gemacht auf dem Parteitag. Wir werden in der Welt nur wahrgenommen, wenn Europa mit einer Stimme spricht - in der Sicherheits- und Außenpolitik, bei Wirtschaft und Klimaschutz.

Nur dann sind wir als Europäer stark - und deshalb müssen wir da aufs Gaspedal. Für all das kämpfen wir auch bei der Europawahl. Wir lassen uns unser Europa, das uns Frieden, Freiheit und Wohlstand gebracht hat, nicht von Populisten, Extremisten oder Rechtsradikalen kaputtmachen.

Wie zuversichtlich sind Sie, dass nach der Europawahl gemeinsame Ziele verwirklicht werden, an denen die Mitgliedsländer bislang gescheitert sind?

Europa braucht leider oft eine Krise, um voranzukommen. Die haben wir jetzt mit dem russischen Angriffskrieg auf die Ukraine und der damit verbundenen Zeitenwende. Wir müssen unsere Souveränität und unsere Sicherheit stärken. Ich halte das für realistisch, weil das Verständnis der Bürger dafür gewachsen ist. Sie spüren, wir dürfen in dieser kritischen Situation nicht die Axt an unsere Errungenschaften anlegen, sondern müssen noch mehr auf Europa setzen. Deshalb ist diese Europawahl so wichtig. Es geht um die Frage, ob diejenigen gestärkt werden, die Europa stark machen oder die anderen, die es zerschlagen wollen.

Beim Parteitag fiel auf, dass sich Friedrich Merz mit Angriffen auf die politischen Gegner zurückhielt. War das eine Reaktion auf die tätlichen Angriffe auf Politiker?

Es war wichtig, dass Friedrich Merz und auch unsere Spitzenkandidatin für die Europawahl, Ursula von der Leyen, die Attacken so klar verurteilt haben. Wer Wahlkämpfer angreift, greift die Demokratie an, greift uns alle an. Das erfordert eine konsequente Reaktion, härtere Strafen und den Zusammenhalt aller Demokraten.

Wir sind nicht die Weimarer Republik - und wir dürfen das auch nicht werden. Friedrich Merz hatte schon zuvor beabsichtigt, in seiner Rede nicht so sehr über das zu sprechen, was die anderen falsch machen, sondern über das, was wir anders machen werden, unsere Konzepte. Genauso war es auch richtig. Mit der Ampel sind die allermeisten ohnehin durch, an die glaubt keiner mehr. Und umso mehr werden von uns Antworten erwartet.