Pygmalion

Diese Ansage ist den Aushängeschildern des Hauses mit den markantesten Stimmen vorbehalten: an der Schaubühne ermahnt Ursina Lardi das Publikum, die Hanys lautlos zu stellen und nicht zu fotografieren/filmen, am DT kommt die Stimme von Alexander Khuon vom Band, ein besonderes Highlight von jedem Besuch im Tipi am Kanzleramt und der Bar jeder Vernunft ist Otto Sanders Ansage.

Machen wir uns nichts vor: diese Ansage verpufft wirkungslos. In fast jeder Vorstellung passiert es, dass Sitznachbarn mit dem Display zu blenden, anfangen zu googeln, WhatsApp zu schreiben oder ganze Szenen für die Insta-Story mitzufilmen.

Aber dieser Einstieg in Bastian Krafts „Pygmalion“-Bearbeitung ist dennoch gut gewählt. Das sehr diverse Quintett, das diesen Abend trägt, versammelt sich um das Mikro und versucht, den Satz für das Band aufzunehmen. Sie bestätigen sich gegenseitig, welche Ehre es ist, diese Aufgabe zu übernehmen, und korrigieren sich gegenseitig. Wie Eliza Doolittle erst durch die Sprecherziehung von Prof. Higgins geformt wurde, durchliefen die fünf ein hartes Training an den Schauspielschulen, das Akzente und  regionale Färbungen abschliff.

Premiere in der Kammer am 27. April
PYGMALION
von Georg Bernard Shaw in einer Bearbeitung von Bastian Kraft & Ensemble
REGIE Bastian Kraft BÜHNE Peter Baur KOSTÜME Inga Timm MUSIK Björn SC Deigner LICHT Thomas Langguth COACHING/CHOREOGRAFIE Angélique Mimi DRAMATURGIE Christopher-Fares Köhler
MIT Julia Gräfner, Jens Koch, Daria von Loewenich, Mercy Dorcas Otieno, Caner Sunar

Premiere in der Kammer am 27. April
PYGMALION
von Georg Bernard Shaw in einer Bearbeitung von Bastian Kraft & Ensemble
REGIE Bastian Kraft BÜHNE Peter Baur KOSTÜME Inga Timm MUSIK Björn SC Deigner LICHT Thomas Langguth COACHING/CHOREOGRAFIE Angélique Mimi DRAMATURGIE Christopher-Fares Köhler
MIT Julia Gräfner, Jens Koch, Daria von Loewenich, Mercy Dorcas Otieno, Caner Sunar

In den kommenden knapp zwei Stunden wechseln sich Szenen, die den Klassiker von Shaw nachspielen, mit kurzen autofiktionalen Schnipseln ab, wie sie für das Gorki Theater stilprägend waren. Jeder aus dem Quintett hat ein längeres Solo, in dem sie/er über eigene Erfahrungen mit Klassismus und Sprecherziehung sprechen darf. Die in Kenia aufgewachsene Mercy Dorcas Otieno erzählt vom schweren Weg an die deutschsprachigen Stadttheater, der in der Türkei geborene Caner Sunar ärgert sich über die Casting-Agenten, die von ihm besonders schlechtes Deutsch für klischeehafte Serien-Rollen erwarten, Jens Koch aus dem Ruhrpott erzählt über seine Schwierigkeiten, den dortigen Slang abzulegen und sich selbst begehrenswert zu finden. Julia Gräfner gibt die wortkarge Mecklenburgerin, Daria von Lowenich die Tochter aus gutem Haus, die erst spät merkte, wie priviliegiert sie aufgewachsen ist.

Diese autofiktionalen Szenen machen den Reiz des Abends aus. Sie sind aber nur lose an die „Pygmalion“-Spielszenen angedockt. Wann immer das Ensemble den Shaw-Plot spielt, der dem Publikum vor allem aus der „My Fair Lady“-Musical-Version vertraut ist, hängt der Abend etwas durch, macht sich tuschelnde Unruhe in den hinteren Reihen breit.

Bastian Kraft lud außerdem die Ballroom-Künstlerin Angélique Mimi (Iconic House of Prodigy) ein, mit den Spielern eine Catwalk-Choreographie einzustudieren. Der queere Glamour, der Inszenierungen des Regisseurs wie „ugly duckling“ prägt, kann sich an diesem Abend auch nicht richtig entfalten. Die Ballroom-Auftritte, mit denen das Ensemble die nächsten persönlichen Reflexionen einleitet, sind auch zu wenig an den Shaw-Text angebunden.

Die „Pygmalion“-Bearbeitung, die Bastian Kraft mit seinem Team entwickelt hat, hatte am 27. April 2024 in der Kammer des Deutschen Theaters Berlin Premiere.

Bilder: Jasmin Schuller

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