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Candida auris Wie gefährlich ist der Hefepilz?

Der Hefepilz Candida auris kann zu lebensgefährlichen Infektionen führen. Betroffen sind vor allem Intensivpatienten, die frisch operiert sind. Seit Jahren steigt die Zahl der Mykosen. Und Resistenzen nehmen zu. Die Ärzte werden immer machtloser, weil es kaum noch wirksame Antimykotika gibt. Wie gefährlich sind Candida auris und andere Pilzvarianten? Wie können wir uns schützen?

Von: Florian Heinhold

Stand: 14.05.2024

Prof. Oliver Kurzai und sein Team haben den Stein ins Rollen gebracht. Die Würzburger Forscher vom Nationalen Referenzzentrum für invasive Pilzinfektionen stellten fest: Die Fallzahlen eines besonders heimtückischen Hefepilzes haben sich im vergangenen Jahr in Deutschland sprunghaft erhöht. Es geht um Candida auris.

"Wir haben letztes Jahr den Anstieg der Fallzahlen in Deutschland gesehen. Wir haben auch den ersten großen Ausbruch mit Candida auris in einem deutschen Krankenhaus gehabt mit insgesamt über 40 betroffenen Patientinnen und Patienten. Und solche großen Ausbrüche tragen natürlich auch dazu bei, dass der Erreger sich schneller in unserem Land ausbreiten kann. Und deswegen ist das auch ein Alarmsignal."

Prof. Dr. med. Oliver Kurzai, Mikrobiologe, Nationales Referenzzentrum für Invasive Pilzinfektionen, Würzburg

Multiresistenter Pilz

Aber: Was macht Candida auris so besonders? Am LMU-Klinikum in München gab es bisher noch keine Fälle. Trotzdem bereitet man sich vor, gerade auf den Intensivstationen. Denn während normalgesunde Menschen keine Angst vor Mykosen, also Pilzinfektionen, haben müssen, sind vor allem Menschen, die aufgrund schwerer Erkrankungen ein angeschlagenes Immunsystem haben, besonders gefährdet. Im Vergleich zu anderen Pilzinfektionen, die Intensivmediziner wie Dr. Dietmar Wassilowsky immer auf dem Schirm haben müssen, hat Candida auris zwei Besonderheiten.

"Zum einen ist Candida auris von Mensch zu Mensch übertragbar, was wir bei den bisherigen Pilzformen so nicht haben. Und zum anderen ist er multiresistent."

Dr. med. Dietmar Wassilowsky, Intensivmediziner, LMU-Klinikum, München-Großhadern

Immungeschwächte Patienten sind besonders gefährdet

Auf der Intensivstation betreut Dr. Wassilowsky auch viele Patienten der Herzchirurgie, die besonders krank und damit anfällig für Mykosen sind. Gesundheit! kann einen Patienten treffen, der gerade eine Infektion mit dem Pilz Candida albicans durchmacht – ein enger Verwandter von Candida auris. Der Mann braucht eigentlich dringend ein neues Herz, aktuell wird er von einem Kunstherz am Leben gehalten. Doch solange der Pilz im Bauchraum feststellbar ist, kommt er nicht für eine Transplantation in Frage.

Zum Glück lässt sich Candida albicans relativ gut behandeln, zum Beispiel mit dem Antimykotikum Fluconazol. Candida auris bereitet da größere Schwierigkeiten.

"Fluconazol war das erste Medikament, das man bei Candida auris resistent getestet hat."

Dr. med. Dietmar Wassilowsky, Intensivmediziner, LMU-Klinikum, München-Großhadern

Resistenzen nehmen zu

Und das ist das Problem – die in Deutschland aufgetretenen Candida auris-Fälle sprachen noch auf Medikamente an. Doch Daten aus den USA zeigen, dass die Resistenzen zunehmen, gängige Antimykotika wirken nicht gegen bestimmte Candida auris-Stämme. Weil er besonders leicht übertragen wird, kann sich der Pilz weltweit immer mehr ausbreiten.

Gefährlich wird es, wenn eine Pilzinfektion innere Organe betrifft. Dann muss schnell gehandelt werden, damit es nicht zu einer systemischen Mykose kommt, bei der sich die Infektion über das Blut im ganzen Körper ausbreiten kann. An der Infektionsambulanz des LMU-Klinikums betreut Dr. Ulrich Seybold immer wieder Patienten mit schweren Mykosen.

"Spätestens, wenn es nicht mehr nur die Schleimhäute betrifft, sondern innere Organe, ist das auch eine akut lebensbedrohliche Erkrankung. Jeder Tag, den man in der Diagnostik Zeit verliert und nicht adäquat behandelt, kann kritisch sein."

PD Dr. med. Ulrich Seybold, Internist und Infektiologe, LMU-Klinikum, München

Wie geht es Menschen mit einer Pilzinfektion?

Weil vor allem Menschen mit einem geschwächten Immunsystem gefährdet sind, trifft es neben Krebspatienten auch Menschen mit HIV-Infektionen. Gesundheit! trifft einen Mann, dem in Folge einer HIV-Infektion gleich zwei verschiedene Pilzinfektionen an der Lunge und der Speiseröhre zu schaffen gemacht haben.

"Beim Schlucken hat das richtig wehgetan. Das Runterschlucken ging teilweise überhaupt nicht. Und dann entsteht natürlich auch Stress und Angst, dass das gar nicht mehr weitergeht und man dann irgendwann Probleme mit dem Luftholen bekommen wird."

Mensch mit HIV-Infektion

Experten fordern: Meldepflicht ausweiten

Bei Candida auris sind die absoluten Fallzahlen in Deutschland noch gering. Viele Experten fordern jetzt, die Meldepflicht auszuweiten, gerade nach dem sprunghaften Anstieg der Fälle 2023. Bisher müssen einzelne Nachweise nicht gemeldet werden.

"Natürlich würde es der Überwachung helfen, wenn jeder einzelne Nachweis meldepflichtig ist."

PD Dr. med. Ulrich Seybold, Internist und Infektiologe, LMU-Klinikum, München

Weitere Forschung nötig

Das fordern auch die Forscher am Nationalen Referenzzentrum in Würzburg. Aber ganz unter Kontrolle lässt sich Candida auris wohl auch so nicht bekommen. 

"Anders als bei Covid wird uns das nicht gelingen. Es gibt nicht so etwas wie eine Immunität in der Bevölkerung, die sich aufbaut. Und einen endemischen Zustand gibt es eigentlich auch nicht. Deswegen müssen wir befürchten, dass das immer weiter zunehmen wird. Und unser Job ist es, diese Zunahme so lange wie möglich hinauszuzögern und zu verhindern. Aber am Ende wird der Pilz kommen. Das werden wir nicht vermeiden können."

Prof. Dr. med. Oliver Kurzai, Mikrobiologe, Nationales Referenzzentrum für Invasive Pilzinfektionen, Würzburg

Wenn sich mehr resistente Candida-Stämme ausbreiten sollten, muss auf Reservemedikamente zurückgegriffen und natürlich weiter geforscht werden.


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