Weltgrößter CO2-Filter startet in Island: Wie die „Staubsauger“ funktionieren und was sie bringen
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MIT Technology Review Feature

Weltgrößter CO2-Filter startet in Island: Wie die „Staubsauger“ funktionieren und was sie bringen

In Island geht die größte Anlage zur Kohlendioxidabscheidung in Betrieb. Unter welchen Bedingungen der Einsatz solcher CCS-Verfahren sinnvoll ist, hängt entscheidend von ihrem Energieverbrauch ab.

Von MIT Technology Review Online
10 Min.
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36.000 Tonnen CO2 soll die neue Anlage "Mammoth" jährlich filtern. (Foto: Climeworks)

Die Schweizer Firma hat mit „Mammoth“ (deutsch: Mammut) die nach eigenen Angaben weltweit größte Anlage in Island in Betrieb genommen, die CO2 aus der Luft abscheidet und speichert (Direct Air Capture and Storage). Der Neubau befindet sich auf dem Gelände des Geothermiekraftwerks Hellisheiði im Südwesten Islands, etwa 30 Kilometer entfernt von der Hauptstadt Reykjavík. Mammoth verfügt über 72 Kollektoren, die für eine Nennkapazität von bis zu 36.000 Tonnen CO2 pro Jahr ausgelegt sind. Es ist bereits die zweite Anlage dieser Art auf Island. Das Vorgänger-Werk namens „Orca“ startete im September 2021 und filtert jährlich 4.000 Tonnen Kohlendioxid aus der Atmosphäre.

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TR-Cover 8/2023 zum Thema CO2

Dieser Artikel wurde erstmals veröffentlicht in der Ausgabe 8/2023 von MIT Technology Review. Unter der Überschrift „Alles zurück!“ ist er Teil des Titelthemas „Negative Emissionen“.

Als CO2-Staubsauger“ werden Anlagen, die Kohlendioxid einfangen, gerne bezeichnet. Das klingt griffig, führt aber in die Irre. Denn so einfach wie beim Haushaltsgerät ist die Sache nicht. So fehlt den Klimafiltern, um im Bild zu bleiben, ein einfach zu entsorgender Staubsaugerbeutel. Was also soll man mit dem gewonnenen CO2 anstellen? Welchen Anteil davon kann man nutzen, und wie lässt sich der Rest so sicher einlagern, dass er nicht mehr in die Atmosphäre gelangt? Und eine weitere offene Frage ist: Lohnt sich das überhaupt? Ließen sich die gewaltigen Investitionen, die zur Abscheidung von CO2 nötig sind, nicht anderswo sinnvoller einsetzen – etwa zum Ausbau der Erneuerbaren?

Die Antwort hängt entscheidend vom Energieverbrauch dieser sogenannten CCS-Verfahren ab (Carbon Capture and Storage). Traditionell wurde das CO2 bisher vor allem dort abgefangen, wo es in hoher Konzentration vorliegt, beispielsweise im Abgas eines Kohlekraftwerks. Streng genommen handelt es sich dabei allerdings um eine Emissionsvermeidung – es wird maximal nur so viel abgefangen, wie bei der Verbrennung entsteht. Will man wirklich „negative“ Emissionen erreichen, muss man noch mehr Treibhausgas aus der Luft holen. Dies verspricht eine relative junge Spielart der CO2-Abscheidung: Direct Air Capture (DAC), also die Gewinnung von Kohlendioxid direkt aus der Luft.

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Der bekannteste Akteur in diesem Genre ist – zumindest in Europa – die Schweizer Firma Climeworks, eine 2009 von der ETH Zürich ausgegründete Firma. 2017 nahm sie in der Gemeinde Hinwil im Kanton Zürich die nach eigenen Angaben weltweit erste kommerzielle DAC-Anlage in Betrieb, die das abgeschiedene CO2 an Kunden verkaufte. Die Anlage filterte bislang jährlich einige Hundert Tonnen aus der Luft. Das Gas ging an eine nahe gelegene Gärtnerei, die damit das Gemüse in ihrem Gewächshaus düngte, und an Coca-Cola, das es seinem Sprudel zusetzte.

Mittlerweile ist die Pionieranlage stillgelegt. Man wolle sich auf die Skalierung des Verfahrens konzentrieren, heißt es seitens der Firma. Mit den Anlagen Orca und Mammoth in Island demonstriert man dies.

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Der Evaluierungsbericht der Bundesregierung zum Kohlendioxid-Speicherungsgesetz von Dezember 2022 berichtet sogar von aktuell 18 DAC-Anlagen weltweit. Deren gesamte Kapazität liege allerdings bisher bei nur rund 10 000 Tonnen CO2 pro Jahr. Das entspricht lediglich dem jährlichen Ausstoß von etwa 1000 Durchschnittsbürgern in Deutschland. Es gebe aber Pläne für den Bau einer großen Anlage mit einer Kapazität von 0,5 bis 1 Million Tonnen in Schottland mit Technik der kanadischen Firma Carbon Engineering. Das Projekt trägt den Namen Dreamcatcher. Daneben sind noch die Firmen Global Thermostat (USA) und Soletair Power (Finnland) im Geschäft.

Grundsätzlich bestehen alle diese Prozesse aus drei Schritten: Ansaugen der Luft, Binden des CO2 an ein Sorptionsmittel und Reinigung des Sorptionsmittels. Anschließend kann der Zyklus von vorne beginnen.

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Ganz grob lassen sich die bisherigen Methoden in zwei Gruppen einteilen: Niedertemperaturverfahren, die CO2 an Feststoffe binden, sowie Hochtemperaturverfahren, die mit Flüssigkeiten arbeiten. Climeworks setzt auf die erste Variante. Das Unternehmen verwendet als Filtermaterial poröse Granulate, auf deren Oberfläche sich Aminverbindungen befinden. Diese adsorbieren das CO2 beim Durchströmen. Das Adsorptionsmittel wird anschließend bei Temperaturen um 100 Grad im Vakuum regeneriert, wobei konzentriertes CO2 freigesetzt wird und aufgefangen werden kann. Man spricht in diesem Fall von einer Temperaturwechsel-Adsorption in Kombination mit Druckwechsel-Adsorption. Das geringe Temperaturniveau dieses Verfahrens ermöglicht die Nutzung von Abwärme, etwa aus Elektrolyseuren oder anderen Industrieprozessen. Global Thermostat nutzt ein ähnliches Verfahren.

Auf flüssige Sorptionsmittel setzt unterdessen Carbon Engineering: Angesaugte Luft strömt hierbei über Kalilauge, welche die CO2-Moleküle bindet. Es bilden sich dabei Carbonatsalze. Bei einer Temperatur zwischen 800 und 900 Grad Celsius wird das CO2 dann wieder aus der Lauge ausgetrieben. Weitere Prozesse konzentrieren, reinigen und komprimieren das Gas anschließend.

Beide Verfahren haben jeweils ihre Vor- und Nachteile. „Beim Hochtemperaturverfahren braucht man viel Wasser, etwa vier bis fünf Tonnen pro Tonne CO2„, sagt Simon Block, Forscher am Wuppertal Institut. Das Wasser wird vor allem für die Kühlung benötigt. Beim Niedertemperaturverfahren hingegen gewinne man sogar Wasser, weil einige Adsorptionsmittel auch Feuchtigkeit aus der Luft binden, die dann als Kondenswasser anfällt. Je nach Weltregion kann der Wasserbedarf ein entscheidendes Kriterium sein.

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Ein weiterer Unterschied betrifft die Anlagengröße. Die Niedertemperaturverfahren lassen sich gut in modularer Bauweise errichten und damit industriell produzieren. Typisch seien Module mit einer Kapazität von rund 80 Tonnen pro Jahr, sagt Forscher Block. Eine Skalierung der Anlagen erfolgt dann durch eine Vielzahl von Modulen, jeweils in der Größe von Hochseecontainern. Die Hochtemperaturverfahren unterdessen sind nur in größeren Anlagen sinnvoll und können dann Mengen von 0,5 bis zu 1 Million Tonnen pro Jahr erreichen. Zur Einordnung: Deutschland emittiert am Tag etwa 1,8 Millionen Tonnen CO2.

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5 Kommentare
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Triburius

Was ist eigentlich mit der Welt los? Sind die Menschen die das Projekt ins leben gerufen haben komplett dement? Es gibt nicht einen Sinnvollen Grund dafür so eine Anlage zu erschaffen, tausende von Arbeitsstunden, Energieaufwand, Rohstoffe und Umweltbelastung nur zur Herstellung eines Völlig redundanten Systems, welches die Natur sogar noch viel besser kann: PFLANZEN, denn diese können etwas das sich Photosynthese nennt. Hierbei wird in den Chloroplasten der Pflanze aus Wasser und Kohlenstoffdioxid mit Sonnenlicht einfach Glukose und Sauerstoff gebildet.
WILD, ich weiß.

Einfach ein paar Bäume hinstellen…..

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Outsider

@tiberius
Empörung ersetzt kein Wissen.
Ein Hektar Buchenwald bindet laut Landwirtschaft.de 12 Tonnen CO2 pro Jahr.
Also 12 Tonne gebundenes CO2 auf 10000 m² Fläche
Die kleine Anlage soll bis zu 80 Tonnen binden können und verbraucht selber nur grob 30 m² Fläche.
Wir reden hier von einer Technologie die in den Kinderschuhen steckt und die jetzt schon, so es den Flächenverbrauch betrifft, sehr sehr viel effektiver ist als Bäume.

Jeh nach Situation, Energiequelle und lokaler CO2 Konzentration (z.B. wäre die Aufbereitung von Fabrikabgasen eine denkbare Einsatzmöglichkeit) ist das also eine unglaublich nützliche Technologie.

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Patrick Katz

Dir ist schon in den Sinn gekommen, dass der Vorteil von Pflanzen oder Wäldern nicht der von Speichern ist, sondern der von Photosynthese?

Im Übrigen müsstest Du jetzt erklären, wie Du auf 12 Tonnen CO² auf 10.000 m² Buchenwald kommst, wenn eine 100-Jährige Buche schon den Kohlenstoff von etwa 3,5 Tonnen CO² speichert. Vielleicht meinst Du ja einen abgeholzten Wald, dann wäre die Zahl immer noch sehr niedrig, da Du die Wurzeln vergisst, aber gut – geschenkt!

Du meinst vielmehr, dass ein Hektar Wald PRO JAHR mindestens den Kohlenstoffanteil von rund 15 Tonnen CO² „speichert“, aber darüber hinaus eben auch noch Sauerstoff und Lebensraum erzeugt. Dass bei dieser Zahl nur der reine Kohlenstoffanteil im Holz gemeint ist und der Wald eine weit größere Kapazität hat, lassen wir einmal beiseite.

Die CO²-Abscheidung ist so energieintensiv, dass wir – um für Deutschland Emissionsneutralität zu erreichen – rund 800 Terrawattstunden Energie bräuchten, also mehr als der gesamte Industriesektor in Deutschland verbraucht. Die CO²-Abscheidung als Lösung ist bestenfalls Augenwischerei.

Würden wir statt auf Wärmepumpen auf Wasserstoff-Brennzellen-Heizungen setzen und die Stromversorgung auf diese Weise dezentralisieren, würden wir nicht nur nur den Energieverbrauch in Deutschland um mehr als ein Viertel senken, sondern gleichzeitig noch die Kosten für Haushalt und Industrie massiv senken, während die CO²-Abscheidung nur die Energiekosten weiter in die Höhe treiben wird.

Petrosilius

Das ist sooo krank! Wieviel böses CO2 wird wohl bei der Herstellung dieser Anlagen freigesetzt? Und warum weiß fast keiner mehr, dass unsere Pflanzen, von ganz groß bis ganz klein, ohne CO2 sterben – und wir als Folge davon dann auch, weil wir dann verhungern? Ist das der perfide Plan?

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Lazy

Komm schon, das ist doch so ein ausgelutschter Unfug aus der Klimawandelleugnungsecke. Da sagen Wissenschaftler: Wenn wir die CO₂-Konzentration in der Atmosphäre noch weiter erhöhen, dann wird es sehr problematisch. Und dann kommt ein fossilindustriegezahlter Akteur und sagt: Aber ohne CO₂ können Pflanzen nicht leben. Vollkommener Unfug. Das ist so, wie wenn jemand sagt: Uns steht das Wasser zum Hals, und wenn noch mehr Wasser reinkommt, ertrinken wir, also sollten wir vielleicht den Hahn nicht ganz so weit aufmachen. Und dann sagt man: Ja, aber ganz ohne Wasser verdursten wir ja …

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