Muttertag - ein Egoismus, der nichts als gut ist

Ein Tag, der die einen unter Stress setzt, den anderen schöne Gefühle beschert. Ohne Egoismus wäre er gar nicht denkbar, meint die Apothekenspitzelin. Wie bitte?

Muttertag! Auch wir in der Apotheke haben in den vergangenen Tagen immer wieder mit diesem Datum zu tun gehabt, denn tatsächlich kamen Leute in die Offizin, die vornehmlich im Kosmetik-Sortiment das ein oder andere Produkt suchten, das sie zur Feier dieses schönen Tages an ihre Mutter verschenken wollten: Häufig Körperlotionen oder Pflegecremes, ausgestattet mit dem Versprechen, Haut, Körper und Geist frisches Leben einzuhauchen. Allerdings sind wir garantiert nicht der Hot-Spot des Muttertag-Geschehens, den Klassikern, wie Blumenläden, Pralinengeschäften, Parfümerien und vielleicht noch den Nachtwäsche-Abteilungen der Kaufhäuser („eigentlich könnte Mama mal wieder ein neues Nachthemd gebrauchen“) können wir nicht den Rang ablaufen. Und die Kleinen, die außer Taschengeld über so gar kein Einkommen verfügen? Nun, die zeigen ihre Liebe durch ein paar selbstgepflückte Blümchen und die ein oder andere niedliche Bastelei. Vielleicht noch einen selbstgebackenen Kuchen mit ordentlich Zuckerguss. Das sorgt für strahlende Gesichter und so manches Tränchen. So soll´s sein.

Natürlich stellte sich auch mir die Frage, worüber meine Mama sich denn freuen würde, und ich meine, sie auch zu meiner und vor allem ihrer Zufriedenheit beantwortet zu haben. Genau weiß ich das erst etwas später am Tag, aber ich verrate nicht, was für eine Aufmerksamkeit ich ihr zukommen lasse. Sagen will ich nur, dass es ein Geschenk aus einer der oben genannten Kategorien ist, zielführend ist vielleicht noch der Hinweis, dass es nicht aus dem Regal hinter mir stammt und einen hohen Baumwollanteil hat…

Den mit all diesen Überlegungen verbundenen, allerdings erträglichen, Stress teile ich bestimmt mit vielen von euch. Aber ich will nicht klagen, denn es ist einfach toll, eine Mutter zu haben, von der zeitlebens Liebe, Aufmerksamkeit und dazu eine gute Portion Aufopferung kamen. Womit ich beim eigentlichen Thema bin.

Geburtenrate - was ist denn da los?

In den letzten Wochen rauschte eine Meldung durch den Blätterwald, die für viel Aufmerksamkeit sorgte: Die Geburtenrate in Deutschland ist in den Jahren 2022 und 2023 (allerdings liegen dafür noch keine konkreten Zahlen, nur Schätzungen vor), dramatisch eingebrochen. Während 2021 mit 810.000 Geburten noch ein Höchststand seit 1997 erzielt wurde, kamen im Jahr darauf nur noch knapp 739.000 Babys und 2023 wohl keine 700.000 mehr zur Welt. Der Muttertag steht angesichts dieser Zahlen nicht unmittelbar vor der Abschaffung, keine Sorge. Aber frappierend ist der Rückgang schon, und die Experten rätseln, warum die Zahl der Geburten derart in die Knie gegangen ist. Die ganz Verwegenen (oder Verwirrten?) schieben es auf Corona, besser gesagt, die Impfung gegen das Virus. Die Besonneneren – und die haben meistens Recht – erklären es mit der Vorsicht, die werden wollende Mütter während der Pandemie haben walten lassen. Wer Kinderwunsch verspürte, habe den erst einmal aufgeschoben, denn wirtschaftliche Unsicherheit, das Risiko, sich zu infizieren, die Frage, was eine Infektion den Babys antue sowie der später hinzukommende Ukraine-Krieg – all das habe sie veranlasst, das Kinderkriegen ein Weilchen vor sich herzuschieben.

Dann gibt es, und die kommen verstärkend hinzu, die schon gefühlt seit ewigen Zeiten wirkenden Ursachen für den Geburtenschwund. Nur ein paar will ich hier nennen: Frauen wird es schwer gemacht mit der Betreuung (Stichwort: „Aufopferung“). Kinder zu haben, bedeutet Verzicht, weil das Aufziehen der Kinder teuer ist. Es bedeutet oft genug auch Abschied von einer Karriere, denn Erziehen ist ein Rund-um-die-Uhr-Tätigkeit (übrigens – kennt jemand den Film „Idiocracy“? Drin wird zum Brüllen komisch damit gespielt, wohin es führt, wenn Karrierefrauen aufs Kinderkriegen verzichten…). Dann sind da noch die Väter, die … aber lassen wir das, ihr wisst, wovon ich rede.

Ein Egoismus, der gut ist

Ab und zu sprechen wir auch unter den Kolleginnen über das Thema, und immer wieder werden die oben genannten Argumente vorgebracht. Und neuerdings, in Person einer jungen PhiP, die nur ein paar Monate bei uns war, hörte ich auch folgende Begründung. Sagte die doch: „Kinder? Aber nicht in diese Welt! Denk nur mal an den Klimawandel, das ist doch unverantwortlich…!“ Ob das nun ein vorgeschobener Grund war, sich einfach nicht mehr auf die Zumutungen (nochmal Stichwort „Aufopferung“) einlassen zu müssen, die mit Kindern hin und wieder verbunden sind, oder echte Sorge – ich weiß es nicht. Ist aber auch egal und im Übrigen eine durch und durch persönliche Entscheidung, die jeder Mensch so treffen kann, wie er oder sie es wollen.

Und wisst ihr was? Selbst wenn die ganzen Anforderungen, Unsicherheiten, Zumutungen im Zusammenhang mit Kinder „kriegen und haben“ zutreffen und junge Frauen sich deswegen sagen: „Nö, danke! Kommt mir nicht ins Haus!“, dann wäre es falsch, diesen jungen Menschen Egoismus vorzuwerfen.

Die sind nicht egoistisch, sondern nur etwas kurzsichtig. Denn: Kinder sind so ungefähr das Einzige, was wir der Nachwelt vermachen und was, von Generation zu Generation abnehmend, noch Spuren von uns selbst enthält, quasi eine biologische Zeitkapsel, manifestiert in den Genen, die wir vererben. Die machen natürlich nicht die gesamte Persönlichkeit aus, die uns kennzeichnet, aber einen guten Teil davon. Die andere Möglichkeit, die Nachwelt davon zu überzeugen, dass es uns selbst einmal gab, ist der große Name, der von herausragendem Treiben in der Welt von Wissenschaft, Kultur, Sport oder sonstigen Kollektiv-Gedächtnis-würdigen Taten herrührt. Aber ehrlich gesagt: Weder bin ich Madame Curie, noch mein Freund Wolfgang Amadeus Mozart (um auch mal das andere Geschlecht zu bemühen). Und ich schätze, den meisten anderen Menschen geht´s ähnlich. Bleibt uns also nur, die Nachwelt mit unseren Genen zu schmücken (übrigens hat der Evolutionsbiologe Richard Dawkins darüber mal ein Buch mit dem schönen Titel "Das egoistische Gen" geschrieben). Jedenfalls: Das Vehikel unserer Erbanlagen ist der Nachwuchs. Oder anders gesagt: Der wahre Egoist ist nicht, wer auf Kinder verzichtet, sondern wer sie in die Welt setzt.  

Und das ist ausnahmsweise mal ein richtig brauchbarer Egoismus, finde ich. Zumal er dem Muttertag wahnsinnig gut tut, denn in Ermangelung von Kindern wäre der echt in Gefahr…

Herzt eure Mütter, lasst euch von euren Kindern drücken - sie sind so wertvoll! Einen schönen Muttertag wünscht euch allen

eure Apothekenspitzelin