l-arrivee-1998-the-arrival-peter-tscherkassky-recensione-review-kritik

L’ARRIVÉE

      Kommentare deaktiviert für L’ARRIVÉE

This post is also available in: Italiano (Italienisch) English (Englisch)

von Peter Tscherkassky

Note: 8

Die Kinoleinwand ist völlig weiß. An den Seiten kann man deutlich die Löcher des Films sehen. Und plötzlich befinden wir uns in L’Arrivée mitten im Bahnhof. Ein Zug, wie im Lumière-Film, fährt gerade ein. Was wird jetzt passieren?

Züge, Züge, Züge

Ein Zug fährt im Bahnhof ein. Wie wir alle wissen, hat dieses einfache Bild in der Filmgeschichte viel bedeutet. Und in der Tat, als die Brüder Lumière 1896 zum ersten Mal L’Arrivée d’un Train en Gare de La Ciotat zeigten, befürchteten viele Zuschauer, als sie diesen Zug ankommen sahen, das Schlimmste, denn nur wenige hatten damals wirklich verstanden, was diese neue Erfindung namens Kino bedeutete. Dieses Ereignis ging, wie man sich vorstellen kann, in die Geschichte ein und wurde fast zu einem Meilenstein in der Filmgeschichte selbst.

Der Meister des Avantgardefilms Peter Tscherkassky, der 2019 mit dem Goldenen Ehrenzeichen der Stadt Wien und 2024 mit dem Großen Ehrenzeichen für Verdienste um das Landes Niederösterreich ausgezeichnet wurde, war schon immer von der siebten Kunst so fasziniert, dass er sie auch in seinen eigenen Filmen ständig und in jeder Hinsicht zelebrieren wollte. Deshalb konnte er nicht „vergessen“, dieses Ereignis in seinen Werken zu erwähnen. So entstand 1998 L’Arrivée, eine Hommage an die Brüder Lumière und die Filmgeschichte, aber auch ein wichtiger Diskurs darüber, wie sich Film selbst im Laufe der Zeit verändert hat.

Die Kinoleinwand ist völlig weiß. An den Seiten kann man deutlich die Löcher des Films sehen. Und plötzlich befinden wir uns in L’Arrivée mitten im Bahnhof. Ein Zug, wie im Lumière-Film, fährt gerade ein. Was wird jetzt passieren? Das Bild des Zuges spaltet sich, die beiden Fahrzeuge werden zusammenstoßen. Das Positiv wird zum Negativ, die Bilder werden undeutlich, die Löcher im Film kehren oft zurück. Im Laufe der Jahre hat die Gewalt im Kino immer mehr zugenommen. Wird es jemals eine Chance auf Rettung geben?

L’Arrivée will glauben, dass ein Happy End immer möglich ist. Und so steigt nach dem Zusammenstoß der beiden Züge eine Frau (Catherine Deneuve) aus dem Zug, ein Mann (Omar Sharif) geht zu ihr und die beiden küssen sich. Es gibt ein Happy End, und es macht uns sofort klar, dass im Film alles möglich ist. Sogar der Glaube daran, dass es selbst nach einem dramatischen Ereignis immer die Möglichkeit einer besseren Zukunft gibt.

Wie wir kürzlich in Train Again (2021) gesehen haben, haben Züge und alles, was sie repräsentieren (sowohl real als auch metaphorisch), unseren Peter Tscherkassky schon immer fasziniert. Genau wie die siebte Kunst selbst, die große Protagonistin seiner Werke. Auch in L’Arrivée scheut sich der Regisseur also nicht, zu übertreiben, mit dem Film zu spielen, ihm alle möglichen Formen zu geben, Bilder zum Leben zu erwecken, die mal abstrakt und mal extrem realistisch sind, was durch ein wertvolles Schwarz-Weiß noch verstärkt wird. Für diesen wichtigen Film hat der Regisseur Ausschnitte aus dem Spielfilm Mayerling (Terence Young, 1968) verwendet, wobei er klugerweise auf Farbe verzichtete, um seinem L’Arrivée eine reine Form zu geben. Genau wie in den Ursprüngen des Kinos. In Filmen ist alles möglich. Nur Film bietet uns all diese Möglichkeiten, mit Bildern zu spielen. Und wenn man sieht, wie sich der Film verformt, zittert, sich verschiebt oder vom Positiv ins Negativ wechselt, bekommt das Ganze einen fast mystischen Charakter.

Titel: L’Arrivée
Regie: Peter Tscherkassky
Land/Jahr: Österreich / 1998
Laufzeit: 3’
Genre: Experimentalfilm
Buch: Peter Tscherkassky
Kamera: Peter Tscherkassky
Produktion: Peter Tscherkassky

Info: Die Seite von L’Arrivée auf iMDb; Die Seite von L’Arrivée auf der Webseite von Peter Tscherkassky; Die Seite von L’Arrivée auf der Webseite der sixpackfilm