Beinödeme richtig diagnostizieren | Serie Ödem

Serie ÖdemBeinödeme richtig diagnostizieren

Manifestieren sich Ödeme an den unteren Extremitäten kann das häufig zu einer Einschränkung der Mobilität führen. Insbesondere an den Beinen ist es sehr wichtig, Lymphödeme von anderen Ursachen abzugrenzen.

Ödeme der Beine können sehr unterschiedliche Ursachen haben.

Ödeme entstehen durch Flüssigkeitsansammlungen, die sich meist im interstitiellen Raum befinden und sich klinisch durch Schwellungen bemerkbar machen.

Bei einer Manifestation an den unteren Extremitäten geben die Betroffenen oft an, schwere und gespannte Beine zu haben. Dies kann auch Juckreiz und Schmerzen verursachen und zu einer Einschränkung der Mobilität führen. Ödeme der Beine können sehr unterschiedliche Ursachen haben (s. Tab. 1 unten).

Vom klinischen Befund zur Diagnose

Um Ödeme dauerhaft erfolgreich therapieren zu können, müssen diese zuerst klinisch adäquat diagnostiziert werden. Hier gibt es in Abhängigkeit von den Ursachen und der Art der Ödeme erhebliche Unterschiede, die beachtet werden sollten.

Für eine diagnostische Abklärung der verschiedenen Ödeme sind Anamnese, klinische Untersuchung und ggf. apparative Untersuchungen notwendig. Insbesondere an den Beinen ist es sehr wichtig, Lymphödeme von anderen Ursachen abzugrenzen. Lymphödeme können in verschiedene Stadien unterteilt werden (s. Tab. 2 unten).

Die typischen klinischen Hautveränderungen bei fortgeschrittenem Lymphödem sind eine braun-grau verfärbte, verdickte Haut, ballonierte Fußrücken, tiefe Querfalten über den Zehengrundgelenken, Ausbildung von Kastenzehen und Papillomatosis cutis lymphostatica (s. Abb.1 unten).

Lymphödeme sind selten angeboren und entstehen häufiger sekundär, z. B. nach operativen Eingriffen. Bei neu auftretenden Lymphödemen sollte immer auch an eine neoplastische Genese gedacht werden.

Lipödeme sollten hiervon unbedingt abgegrenzt werden. Trotz des etwas irreführenden Namens steht bei den Betroffenen die Fettgewebsvermehrung im Vordergrund. Lipödeme treten meist symmetrisch an beiden Beinen und/oder Armen auf.

Sie beginnen meist in der Pubertät, Schwangerschaft oder Menopause und betreffen nahezu ausschließlich Frauen. Typisch ist, dass Füße und Hände ausgespart sind. Die Betroffenen beschreiben eine Druckschmerzhaftigkeit und Hämatomneigung. Auch Lipödeme unterteilt man in verschiedene Stadien (s. Tab. 3 unten).

Klinische Untersuchungen

Gerade bei adipösen Patienten kann eine Unterscheidung der verschiedenen Arten von Ödemen schwierig sein. Zudem liegen oft auch Mischformen vor. Anamnese und mindestens eine klinische Untersuchung beider Beine sollten die ersten diagnostischen Maßnahmen bei Beinödemen sein.

Für die weitere Differenzierung gibt es spezifische klinische Untersuchungsmethoden. Für die Testung des Stemmer-Zeichens wird die Haut über dem Grundgelenk der 2. oder 3. Zehe angehoben. Hierbei soll geprüft werden, ob das Ödem auch die Zehen betrifft.

Kann keine Hautfalte angehoben werden, beziehungsweise ist die Haut nicht mehr eindrückbar, ist das Stemmer-Zeichen positiv (s. Abb. 2 unten).

Lässt sich eine Hautfalte anheben, ist das Stemmer-Zeichen negativ. Ein positives Stemmer-Zeichen beweist ein Lymphödem; ein negatives Stemmer-Zeichen schließt aber ein Lymph-ödem nicht sicher aus (s. Tab. 4 unten).

Für die Testung des Godet-Zeichens wird beispielsweise mit dem Daumen für mindestens 10 Sekunden Druck auf das zu untersuchende Gewebe ausgeübt. Dadurch entsteht eine Eindellung, die sich entweder sofort oder nach einer bestimmten Erholungszeit wieder ausgleicht (s. Tab. 5 unten).

An den Beinen eignen sich Areale mit ossärem Widerstand, etwa die Region über der Tibia, besonders gut für die klinische Testung (s. Abb. 3a/b unten).

Hypoproteinämische Ödeme sind gut eindrückbar und hinterlassen somit bei der Testung des Godet-Zeichens sichtbare Dellen im Gewebe (Godet-Zeichen positiv).

Dies trifft für Ödeme im Rahmen einer chronischen venösen Insuffizienz (CVI) und die meisten Ödeme internistischer Krankheitsbilder zu. Im Gegensatz hierzu sind insbesondere die proteinreichen Lymphödeme nicht oder kaum eindrückbar (Godet-Zeichen negativ) (Tab. 6).

Apparative Untersuchungen

Die Auswahl der weiterführenden apparativen Ödem-Diagnostik sollte sich an den klinischen Befunden orientieren und die Klärung der Ursachen mit einbeziehen. So ist beispielsweise bei Verdacht auf das Vorliegen einer CVI die Farbduplex-Sonografie der Beinvenen Goldstandard der Diagnostik.

Die Ödeme selbst können aber auch direkt apparativ gemessen werden. In der Sonografie können Ödeme als echoarme Spalträume in der Subcutis dargestellt werden. Eine Differenzierung unterschiedlicher Ödemtypen ist mittels Sonografie kaum möglich.

Das Volumen der Beine kann mit verschiedenen Techniken gemessen werden. Relativ einfach ist die Messung der Beinumfänge an mehreren Punkten und die Bestimmung der Abstände zwischen diesen Umfängen, wo-raus in mathematischen Modellen das Volumen berechnet werden kann.

Bei der Volumenberechnung nach Kuhnke wird der Umfang der Extremität alle vier Zentimeter gemessen. Da man hier von einer zylindrischen Form der Extremität ausgeht, ist die Berechnung nicht sehr exakt. Aufwändiger sind optoelektronische Messverfahren, wie die Perometrie, bei der ein Messrahmen mit Lichtschranken über das Bein geführt wird und dann das Volumen elektronisch berechnet werden kann (s. Abb. 4 unten).

Aktuelle Messtechniken nutzen alternativ dreidimensionale Volumenmessgeräte, bei dem ein Lichtgitter auf die Haut gestrahlt wird, um ein dreidimensionales Modell zu berechnen. Die Messung erfolgt innerhalb von 50 Sekunden, so dass keine Volumenverschiebungen durch die Messdauer an sich zu erwarten sind.

Eine weitere neue Option ist die dreidimensionale Messung der unteren Extremitäten mittels eines Laserscanners. Bei der Plethysmografie wird das Volumen über die Verdrängung von Wasser oder Luft gemessen. Das Verfahren muss unter standardisierten Bedingungen zur gleichen Tageszeit unter Ruhebedingungen durchgeführt werden.

Fazit

Ödeme können viele verschiedene Ursachen und klinische Ausprägungen haben. Eine Vielzahl von Faktoren kann diese Ödeme im Tagesverlauf beeinflussen, so dass sich eine reproduzierbare quantitative Kontrolle der Ödeme problematisch gestalten kann.

Für die Praxis wird empfohlen, durch die klinische Untersuchung zunächst zu prüfen, ob und wo Ödeme vorliegen. Die Sonografie kann hier ggf. zusätzlich genutzt werden. Therapeutisch stehen dann nach Ausschluss der entsprechenden Kontraindikationen verschiedene Arten der medizinischen Kompressionstherapien zur Verfügung.

Für die Dokumentation ist zumindest die Messung der Umfänge wichtig, um einen Therapieerfolg im Verlauf der Behandlung zu objektivieren.

Mögliche Interessenskonflikte:

  • Prof. Dr. Joachim Dissemond: 3M, Curea, medi, Juzo, Lohmann&Rauscher, Smith&Nephew, Thuasne und Urgo.
  • Kerstin Protz: Bauerfeind, Curea, Juzo, medi, Lohmann & Rauscher, Hartmann und Urgo.
  • Dr. Jürg Traber: Urgo; PIOMIC.
  • Dr. Stefan Eder: Hartmann und Urgo.
  • PD Dr. Severin Läuchli: Kerecis und Urgo.
  • Prof. Dr. Markus Stücker: Bauerfeind, Juzo, Viatris, Mölnlycke, medi, Huntleigh Healthcare Ltd., Rheacell und Urgo.

Literatur

  1. AWMF – S1-Leitlinie: Lipödem. 2015, Registernummer 037-012.
  2. AWMF – S2k-Leitlinie: Diagnostik und Therapie der Lymphödeme. 2017, Registernummer 058-001.
  3. AWMF – S2k-Leitlinie: Diagnostik und Therapie des Ulcus cruris venosum. 2024; Registernummer 037-009.
  4. AWMF – S2k-Leitlinie: Medizinische Kompressionstherapie der Extremitäten mit medizinischem Kompressionsstrumpf (MKS), phlebologischem Kompressionsverband (PKV) und medizinischen adaptiven Kompressionssystemen (MAK). 2018, Registernummer 037-005.
  5. Kröger K, Dissemond J. Ödeme. In: Chronische Wunden – Diagnostik – Therapie – Versorgung (Dissemond, Kröger eds.), 2024, Elsevier, 2. Auflage.
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